Das alte Breslau: Kulturgeschichte einer geistigen Metropole
 9783412216566, 9783412222529

Citation preview

Klaus Garber

DAS ALTE BRESLAU Kulturgeschichte einer geistigen Metropole

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Breslau, Rathaus von Osten. (1) Foto um 1900. (2) Foto, undatiert (1930er Jahre). Beide Bilder © akg-images.

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Rainer Borsdorf, Weimar Satz: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22252-9

Inhalt

1. ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht ......................................... 7 2. Historische Vergegenwärtigung

Schlesien aus der Vogelschau ................................................................. 20 3. Silhouette Breslaus

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder ............................................ 40 4. Wiege des Glaubens

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger . . ................................... 66 5. Hochburg des Wissens

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität .................... 121 6. Zentrum des verschriftlichten Wortes

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive .. .............................. 178 7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus .................................................................................. 241 8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein .......................... 281 9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren . 339 10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien ..... 376

6

|  Inhalt

Epilog .. ........................................................................................................... 444 Abbildungen . . ................................................................................................ 449 Anmerkungen ............................................................................................... 473 Ausgewählte Literatur . . ................................................................................. 571 Nachwort .. ..................................................................................................... 576 Personenregister ........................................................................................... 581 Abbildungsnachweise ................................................................................... 596

1. ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹ Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht

»Unser weit=berühmtes Schlesien ist ein Auge/ Du aber dessen Aug=Apffel. Schlesien ist ein grüner Lust=Wald/ Du aber dessen Lorber=Baum. Schlesien ist ein schöner Himmel/ Du aber dessen hellstrahlende Sonne. Dannenher wüntschet nebst mir das gantze Land/ daß der Höchste Dich/ Du theurer Aug=Apffel/ mit seinen Fittigen stets überschatten und vor allen schädlichen Zufällen gnädigst bewahren wolle. Es wüntschet/ daß Du schöner Lorber=Baum/ mögest ie mehr und mehr wachsen und zunehmen/ deine Wipffel voller Ehre grünen/ deine Aeste voller Segen blühen/ deine Blätter mit Fettigkeit trieffen/ und deine Wurtzeln in der Ewigkeit versencket bleiben. Ja es wüntscht/ daß Du stets/ als eine helle Sonne/ deine Strahlen außwerffen/ und vor unglückseligen Verfinsterungen sicher bleiben mögest.«1 Das Lob Breslaus, eingebettet in den Preis der schlesischen Landschaft, durchzieht die lateinische wie die deutschsprachige Literatur der Frühen Neuzeit in Vers und Prosa von den Anfängen im Humanismus bis in die Tage der Aufklärung und Empfindsamkeit. Es setzt noch zu Ende des 15. Jahrhunderts mit Laurentius Corvinus ein. Seither vergeht so gut wie kein Jahrzehnt, in dem sich nicht ein gelehrter Schreiber an dem Thema versuchte. Schon ist der Ruhm der Stadt auch im Meistersängerton erklungen, bevor Opitz und die Seinen den Übergang in das gereinigte Deutsch der Klassizisten vollziehen. Und nun wetteifern lateinische und deutsche Verskünstler eine gute Weile, bevor das Deutsche wie allenthalben den Sieg davonträgt. Das Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnet den Abschluß dieses vielstimmigen, vom Humanismus inspirierten und über die Zeiten hinweg erklingenden Chores. Das Stadtlob gehört zum Repertoire der Humanisten, hatten sie doch in Claudian, Ausonius, Statius und anderen insbesondere spätantike Muster vor Augen, mit denen sie sich messen konnten. So gibt es keine halbwegs ansehnliche Stadt auch im deutschen Sprachraum, die nicht zum lobenden ›panegyrischen‹ Vorwurf erhoben worden wäre. Entsprechend gleichen sich die Bilder. Und doch steht es um Breslau anders. Die Stadt überragte, als die Humanisten im späten Mittelalter zu schreiben anfingen, alle anderen Städte des Ostens an Größe, Einwohnerzahl und wirtschaftlicher Bedeutung. Man mußte in den Westen und Süden zu den alten Reichsstädten blicken, nach Köln, Straßburg,

8

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Nürnberg, wenn man Ähnliches gewahren wollte. Hier aber, im Westen, im Südwesten und Südosten des Reichs hatten die Städte das große römische Erbe angetreten, waren in alten kommunalen Siedlungsräumen emporgewachsen und wahrten die Erinnerung an diese stolze Vergangenheit. Im Osten, in Schlesien fehlte diese Tradition. In schwach besiedelten, von Wäldern, Flüssen und Bergen durchzogenen, kaum kultivierten Gegenden waren die Städte gegründet worden. Ja, erst mit dem aus dem Westen importierten, dem Osten fremden Rechts- und Sozialkörper der Stadt hatte sich seit dem 13. Jahrhundert die Waage eindeutig zugunsten des Deutschen geneigt. Daß es möglich war, im fernen Schlesien inmitten eines von vielfältigen Herrschaften durchwalteten Territoriums eine so mächtige, den Westen mit dem Osten verbindende, weit über das Reich hinauswirkende Stadt aufzuführen, stand als nicht verlierbare Erinnerung hinter mehr als einem poetischen Lobpreis und verlieh der laus Vratislaviensis ihr Besonderes im Reigen der poetischen Verklärungen des frühneuzeitlichen Städtewesens. Als eine poetische Summe darf Das Lob der Weit=Berühmten Stadt Breßlau/ Der Krone und Haupt=Stadt Schlesiens gelten, das der Pfarrer zu Panthenau in Schlesien Johann Andreas Mauersberger (1649–1693) im Jahre 1679 in der fürstlichen Residenzstadt Brieg bei David Tscherning erscheinen ließ, aus dessen Vorrede an die ›Hoch=werthe Landes=Mutter‹ wir eingangs zitierten.2 Es verwendet den seit Opitz für das Lehrgedicht in Ermangelung des Hexameters obligatorischen Alexandriner und versammelt von dem paarreimig gefügten Vers mehr als 2500 Zeilen.3 Schwerlich wird man dem Gedicht gehobene poetische Meriten attestieren wollen. Insbesondere mangelt es dem Verfasser an dispositiver Kraft. Mehrfach kommt er auf bereits angeschlagene Themen zurück. Die Fügung der sachlich zusammengehörigen Passagen ist nur gelegentlich nachvollziehbar und an mehr als einer Stelle vom Zufall diktiert. Der geräumige Duktus der Darstellung, an vielen Stellen in breite deskriptive Partien übergehend, ist wenig dazu angetan, die sprachlich-stilistische Aufmerksamkeit des Autors zu entwickeln und jene pointierte ›scharfsinnige‹ Formulierung zu begünstigen, in der das gelungene Dinggedicht des 17. Jahrhunderts zu brillieren weiß. Aber was ihm an rhetorischer Finesse mangelt, wächst ihm aufgrund der geringen ästhetischen Durchbildung an signifikantem kulturhistorischem Kolorit zu.4

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

Geschichte – poetisch stilisiert Schon in der ersten Zeile wird Rom als Maßstab und Vorbild zitiert, um die Höhe anzudeuten, auf der sich der Verfasser bei der Behandlung seines Themas zu halten gedenkt. Der Dichter führt sich als Ruhmspender ein. In dieser Rolle hatte sich schon Pontanus als Lobredner der Stadt hervorgetan, »die jetzt ihr Haupt bis zu den Sternen trägt«. Nun versucht sich der schlesische Poet im deutschen Idiom an Breslau. Noch vor der Christianisierung ist ein anderer gewichtiger Umstand zu würdigen. Die Vorgeschichte der Stadt hat ein Ende, als die Deutschen kommen, die Hütten einreißen und das aus Ziegel, Kalk und Stein gefügte Haus nach Schlesien bringen. Das ist die Spezifizierung des alten nationalen Arguments des europäischen Humanismus im Blick auf das Neusiedelland des Ostens. Der Prozeß der Zivilisierung und Modernisierung in Gestalt eines Anschlusses an den Westen verschmilzt mit der Christianisierung, in und mit der das slawische Heidentum geistig überwunden wird. In der anschließenden geschichtlichen Rückblende sind Bewahrung der städtischen Freiheit und Preis fürstlicher Tugend die beiden aufeinander bezogenen Brennpunkte. Letzterer belebt sich merklich mit dem Übergang der Kaiserkrone auf die Luxemburger und gipfelt in der überschwenglichen Vergegenwärtigung der Segnungen Habsburgischer Herrschaft und ihres letzten Repräsentanten auch in Schlesien. So weiß sich der Autor zugleich dem Adressaten seines Gedichtes, dem Breslauer Rat, zu verpflichten, welchem vier Jahre nach Aussterben der Piasten diese Bekräftigung städtischer und geistlicher Loyalität gegenüber dem Kaiserlichen Oberherrn in Wien nur willkommen sein konnte. Vor allen/ welche sind in Oesterreich entsprungen/ Und in der Hand geführt deß Scepters theures Gold/ Die auch manch süsser Schwan weitläufftig hat besungen/ Rühmt Sie [Breslau = Budorgis] den Herrn der Welt/ den Grossen LEOPOLD. Denn Er erweitert nicht allein der Länder Schrancken/ Und sihet Titans Rad hier niemals untergehn. Es hat Budorgis Jhm auch mehr als viel zu dancken/ Weil Friede/ Glück und Heil Jhr stets zur Seiten stehn. GOTT segne dessen Rath/ Er segne dessen Wercke/ Dem Er hat aufgesetzt die Gold=besteinte Kron. Burdorgis schau wie Er Ihr Haupt auß Zion stärcke; Wie Jhrer Wolfahrt Grund GOTT und deß Kaisers Thron.5

9

10

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Die Stadt in der Landschaft Zum Lob der Stadt gehört einleitend das Lob ihrer Lage und ihrer natürlichen Vorzüge. Allgegenwärtiges Paradigma war auch hier die Einbettung Roms in die sieben Hügel und der abschließende Prospekt in Gestalt der Albaner Berge. Breslau liegt im flachen Land und erst in weiter Ferne erhebt sich der Zobten. Also gilt es im Gegenzug, die Vorzüge der lieblichen Flußlandschaft herauszustreichen. Breslau hat keinerlei Unbilden durch eine wilde erhabene Natur zu befürchten. Umgeben von Gärten, »welche sind ein Sammelplatz der Lust«, wahrt die Stadt den harmonischen Ausgleich mit einer fruchtbaren, kultivierten, ihren Bewohnern allseits entgegenkommenden Umgebung. In den Blumen, der aufgehenden Saat, den Gartenfrüchten liegt der Segen der südlichen, italischen, ›georgischen‹ Landschaft eines Vergil und Horaz auf andere Weise auch über der Oderlandschaft. Nicht höfische Pracht und Verschwendung befördert der große Fluß, Äquivalent zu Tiber und Donau, sondern den bürgerlichen Handel und Wandel sowie bäuerliches Pflanzen und Weiden. Die Kultur beginnt nach humanistischem Verständnis im ländlichen Raum und setzt sich gesteigert und im Fest vollendend im menschlichen Lebensraum fort, als dessen Inbegriff die freie, wohlregierte, harmonisch ihre Bewohner integrierende Stadt figuriert, deren Mauern als ein Sinnbild ihrer Autarkie und Autonomie gelten.

Kulturelle Juwelen Kein von den Impulsen des Humanismus berührter Autor, der sich nicht dem Preis der zivilisatorischen Errungenschaften zuwenden würde, wie sie sich in der großen Stadt verdichten und als lebenerhöhendes Ensemble Würde und Ruhm des menschlichen Geschlechts verkünden. Entsprechend schreitet der Dichter fort von einer denkwürdigen Manifestation zur nächsten. Die Silhouette der Stadt bleibt geprägt, wie auch das beigefügte Kupfer ausweist, von der Vielfalt der Kirchtürme, angefangen beim Dom und der Kreuzkirche auf der Dominsel und endend bei St. Vinzenz in der Neustadt. Die Elisabethkirche ist der Hort der Rhedigerschen Bibliothek, die Maria-Magdalenen-Kirche der Verwahrungsort der Büchersammlung des Breslauer Reformators Johann Heß: Was für die späte Welt zur Nachricht soll ver[b]leiben/ Findt man hier. Denn es hat die Vorder=Welt gestifft/ Daß man hier seine Zeit mit Lesen soll vertreiben.

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

Man lieset in der Thür auch diese schöne Schrifft: Dich/ der du kommen bist mein Reichthum anzuschauen/ Bedien in dieser Welt das Glücke für und für; Jch aber leite dich zu einer schönen Auen: So viel dort Blumen sind/ so viel sind Bücher hier. Geh auf das schöne Feld und weyde deine Sinnen. Geh sauge/ weil du kanst/ der Blumen Zucker=Safft/ Der niemals wird gewehrt den Honigmacherinnen: Fleuch aber dieses Gifft/ das an den Blumen hafft. Erkenne deinen GOTT/ den Brunn=Quell der Gemüter/ Laß hier vor dein Gemüt auch eine Werck=Stadt seyn. So fern es dir beliebt/ so mehre meine Güter: Steck aber keines nicht von meinen Büchern ein.6

Zum ›Aufrichten von Librarien‹ hatte der Reformator Luther die städtischen Magistrate ermuntert. Und wie gerne waren sie seinem Rat gefolgt! Daß aber das Lesen zum Schöpfer geleiten und nicht von ihm fortführen möge, daß insbesondere das heidnische Götzenwesen die Sinne nicht verwirre – der Pfarrer im Briegischen weiß es anderthalb Jahrhunderte später mit ungezählten Standesgenossen überzeugten Herzens immer noch zu bekräftigen. Wie merkwürdig aber, daß er das Lob der weit über Stadt und Land hinaus berühmten Breslauer Schulen nicht anstimmt. Er wird sich viel später dem Lehrerstand eingehend widmen; die gymnasiale Institution als solche ist ihm nicht poesiewürdig. Um so ausführlicher verweilt er nach einem Seitenblick auf die Kaiserliche Burg an der Oder bei der Stätte, an welcher das Herz der Stadt schlägt und alle lebenswichtigen Funktionen zusammenlaufen: dem mächtigen spätgotischen Rathaus am Ring.

Das Herz der Stadt Seine Ausstattung kann mit jedem höfischen Prunksaal konkurrieren. Anders aber als dieser ist er nicht nur Ort der Repräsentation, sondern der Beratung nebst sich anschließender Exekution der politischen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten. In seinen Mauern tagen die schlesischen Großen, die ›Landes Götter‹, wie Mauersberger mit einer nach 1648 üblichen Formel sich ausdrückt, sowie die Gesandten anläßlich des Schlesischen Fürstentages.

11

12

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Sie sind mit Ernst bemüht diß reifflich zu erwegen Was Jhro Majestät hat an ihr Haupt gebracht/ Und die gemeine Noth Sie heisset überlegen. Wenn alles abgefast/ so wird der Schluß gemacht.7

Hier ist der Ort der höchsten Gerichtsbarkeit; hier das Gemach, in dem der Kämmerer regiert, die Finanzen verwaltet, die Löhne der städtischen Bediensteten ausgezahlt werden; hier die städtische Kanzlei, in der die Schriftstücke ausgefertigt und zugleich archiviert werden. Den Mittelpunkt aber des gesamten Gebäudes bildet selbstverständlich der Ratssaal, in dem die Gesetze gemacht, den Bürgern der Stadt Recht gesprochen, der gesamte städtische Organismus reguliert wird. So bald gewachsen ist das süsse Kind/ der Morgen/ So findet sich hier ein auch ein Gestrenger Rath/ Weil Er begierig ist vor andrer Heil zu sorgen Und stets verbessern wil den Kräfften=vollen Staat.8

Eine kleine Welt Um dieses kommunale Zentrum aber breiten sich die Einrichtungen aus, in denen das fürsorgliche Gebaren der Stadtoberen Gestalt annimmt: die Waffenhäuser und Gefängnisse, die Münze und die Waage, Getreidekammern und Hospitäler, Brunnen und Kanalisation, das kaiserliche Zollhaus und die Post. Breslau liegt im Schnittpunkt von Ost und West, Nord und Süd und entsprechend gibt es keinen namhaften Ort in der Mitte Europas, ob Hamburg oder Amsterdam, Danzig oder Königsberg, Prag oder Brünn, Nürnberg oder Augsburg, der nicht bequem erreichbar wäre; bis Moskau erstreckt sich das postalische Netz. Breslau ist ein Zentrum des Nachrichtenwesens und dazu gehören ein funktionstüchtiges Druck- und Buchhandelswesen, mit der Baumannschen Offizin an der Spitze. Die mächtige Handelsstadt bietet ihren zahlungskräftigen Bürgern alle Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten, Bäckereien mit Kuchen und Semmeln am Ring, Fleisch und Fisch am Neumarkt und an der Oder. Dort drehen sich die Mühlen für die Bereitung von Getreide, Papier und Pulver, die Bearbeitung von Metall und Tuchen; dort werden die Waren umgeschlagen, erstrecken sich die Schieß- und Reitplätze. Nicht weit entfernt breiten sich die Badehäuser aus. Auf dem Markt herrscht reges Treiben; das ländliche Angebot

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

ist überreich. Am Ring selbst erheben sich die ›köstlichen Palläste‹, in denen sich nicht höfische Verschwendung, sondern gediegene bürgerliche Arbeit ein Denkmal setzt. Im bischöflichen Breslau auf der Dominsel sind jene Paläste und Gärten zu bewundern, die keinen Vergleich mit der vornehmsten der Städte, mit Rom, zu scheuen brauchen. An Reinlichkeit in den Straßen mit den adretten Bürgerhäusern wird Breslau schwerlich übertroffen. Durchwoben aber ist das so wohlregulierte bürgerliche Leben von Frohsinn, wie er sich beim Zechen und Tanzen vor der Waage nicht anders als in den Bierhäusern oder im Ratskeller, beim Schauessen und Turnier nicht anders als bei den kaiserlichen Siegesfeierlichkeiten und dem Besuch hoher Gäste, bei den Hochzeitsfeiern nicht anders als bei Wettschießen und Spielen, Schiffahrt und Feuerwerk vor den Toren der Stadt zu erkennen gibt. Man ruffet durch das Spiel die Bürgerschafft zusammnen/ Und führt sie auß der Stadt als wie zu einer Schlacht. Die Lufft wird angefült mit Donner/ Rauch und Flammen/ Wenn in dem Werder man das Läger hat gemacht/ So ist ein Jeder hier auf Fröligkeit befliessen.9

Innere Verfassung Zugleich aber hat Breslau sich den »Tugenden zum Tempel geweyt«. Damit geht der Autor – zumindest der Intention nach – über zu den Manifestationen des objektiven Geistes, in denen, um für einen Moment lang die Hegelsche Sprache zu bemühen, die Sittlichkeit des Gemeinwesens unter den Rahmenbedingungen des fürstlichen Absolutismus zur Ausprägung gelangt. Der Rat schafft gute Gesetze, besetzt die Ämter durch die Tüchtigsten, jedermann ehrt ihn darob und sucht Ruhm zu gewinnen. Bürgerlicher Mut und bürgerliche Tapferkeit bewähren sich in Feuersbrunst und Krieg, in Pest und Bestattung, aber auch in entschiedener Abwehr von Trunkenheit und Randalieren, Kriminalität und Ausschweifung. Der Rat sorgt für den Schutz seiner Bürger durch Wehranlagen und Soldaten sowie durch Dämme an der Oder und gefahrlos zu überschreitende Brücken. Er unterhält die Richter und Ärzte, die Lehrer und die Seelsorger, um die leibliche und zivile ebenso wie die geistige und geistliche Wohlfahrt seiner Bürger zu befördern.

13

14

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Die Väter dieser Stadt/ wolln aller Wolfahrt rathen/ Sie lieben Gottesfurcht/ der Weißheit festen Grund/ Bespiegeln Jhren Geist in der Vorfahren Thaten/ Und thun/ daß Sie gerecht/ durch Ihre Wercke kund.10

Preis der Gelehrten Damit aber ist bereits der Übergang zu einem weiteren Themenkomplex vollzogen, in dessen schriftstellerische Behandlung noch der anspruchsloseste Geist seinen ganzen Ehrgeiz legt, geht es doch um nicht weniger als den Preis des Standes, an dem ein jeder Studierte und damit Lateinkundige nach Anschauung der Zeit teilhat: Den Preis des Gelehrten. Es gehört zu den Topoi der schlesischen Historiographie und Landeskunde unter Berufung zumal auf Melanchthon, die einzigartige Intensität gelehrter Potenz in der geistigen Brückenlandschaft des Ostens herauszustreichen. Entsprechend widmet auch Mauersberger Hunderte von Versen diesem Paradestück territorialer und kommunaler Panegyrik und weiß sie mit der mentalitätsprägenden Diskursformation des wahren Geistes- und Tugendadels zu verknüpfen. Natürlich hebt er an mit dem einstmals ersten, de facto aber in seiner Bedeutung lange abgelösten Stand des Geistlichen. Als Prediger von Gottesfurcht und Sittenzucht beteiligt der Dichter sich wirkungsvoll an der Anerkennung und Durchsetzung städtischer Disziplin und Ordnung. Was GOTTES Finger selbst in Stein und Hertz geschrieben/ Das drücken Sie mit Ernst in Geist und Adern ein.11

Aus dem Kreis der Geistlichen kommen die Sprachkundigen, die als solche den Weisheitsschatz des alten Orients der modernen Bildung zuführen. Darin arbeiten sie den Schulen zu, in der die Tugend zumal über das antike Exempel der drei ›heiligen‹ Sprachen – das Hebräische, Griechische und Lateinische – sich heranbildet und in Redeübung und schulischem Schauspiel befestigt. Unterstützt wird dieser Prozeß der Erweiterung des Horizontes, der nach humanistischem Verständnis allemal auch sittigende Qualifikationen zeitigt, durch die Geschichte und Naturkunde, die Philosophie und Mathematik, die Moralkunde und Frömmigkeitslehre. So vorbereitet durch das einzigartig dastehende Breslauer Gymnasialwesen, sind die Absolventen prädisponiert für den Übertritt in die akademische Welt. Er führt den Schlesier automatisch in die Fremde, mangelt es doch nach

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

vereinzelten gescheiterten Versuchen an der heimischen Universität. Die Niederlande, auch Mauersberger weiß das noch, sind das erste Ziel und die erste Wahl der schlesischen Intelligenz. Aber auch England und Frankreich, Spanien und insbesondere Italien werden nicht verschmäht, gleichgültig, ob es um das Studium der Theologie oder der Rechte oder der Medizin geht. Dann aber führt der Weg zurück in die Heimat, wo das Gelernte zum mannigfachen Nutzen von Stadt und Land praktiziert sein will. In Breslau versammeln sich auf engstem Raum Theologen und Rechtsgelehrte, Ärzte und Naturkundige, Pädagogen und Philologen, Altertumskundler und Landeshistoriker. Lang ist die Reihe der großen Namen wie der heute Vergessenen, die der Memorabilist der nobilitas literaria Vratislaviensis namhaft zu machen und zu besingen weiß. Ist es ein Zufall, daß einem unter ihnen ein herausragendes Lob gezollt wird? Die Breslographia und die Silesiographia des Rechtsgelehrten und Landeskundlers Nicolaus Henel von Hennenfeld blieben die unerreichten Muster der schlesischen Landeskunde, und bitter beklagt der späte Nachfahre, daß das Grundwerk der schlesischen Gelehrtengeschichte, die in zwölf mächtige Bücher gegliederte Silesia togata des großen Sohnes Schlesiens den Weg zum Druck nicht fand – und bis heute in der originären Gestalt nicht gefunden hat!

Blütezeit der deutschen Literatur Erst ganz am Schluß wendet sich der Rhapsode der Errungenschaft zu, mit der Schlesien im 17. Jahrhundert im alten Reich und alten deutschen Sprachraum einzig dastehen sollte, der Literatur. Es hat Elisien viel hitzige Poëten/ Sie machen Jhren Ruhm der klugen Welt bekand. Sie wollen andrer Tod durch ihre Feder tödten/ Ja unser Breßlau ist der Schwanen Vater=Land.12

Warum? Weil hier »der Adler der Poëten/ Der Schlesische Virgil/ der erste deutsche Schwan«, seinen Gesang anstimmte. Schlesien, so die bereits im 17. Jahrhundert kanonisierte Anschauung, ist das Ursprungsland der neueren deutschen Kunstpoesie und der Schlesier Martin Opitz ihr Stammvater. Mauersberger aber läßt es sich nun angelegen sein, am Ende eines großen schlesischen Jahrhunderts auch auf dem Felde der Literatur historiographische Ernte zu halten. Freilich nennt der Redner nur zwei weitere Zeitgenossen Opitzens, nämlich

15

16

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

Andreas Tscherning und den ersten Opitz-Biographen Christoph Köler, den wir später näher kennenlernen werden. Sein Interesse gilt der Feier der Zeitgenossen der zweiten Jahrhunderthälfte, deren Leben und Werk sich inzwischen vor die Erinnerung an die erste schlesische Generation gestellt hat. Mit einem Rätsel hebt er an. Weiß man aber, daß der zuerst Gefeierte seine Gedichte inkognito in Umlauf brachte und über Jahrzehnte von ihrer Publikation abließ, so kann kein Zweifel herrschen, welcher Namenlose die illustre Reihe der ›Zweiten Schlesischen Schule‹ bei Mauersberger eröffnet: Der Breslauer Ratsherr, Ratskonsulent und Ratspräses Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Ihm folgt – gleich bedeutend und gleich sinnreich – der Trauerspieldichter und als solcher noch nicht hervorgetretene Romancier Daniel Casper von Lohenstein, Kaiserlicher Rat seines Zeichens und Lobredner des Piastischen Fürsten- nicht anders als des Habsburgischen Kaiserhauses. Der Name des Dritten aber, des Herrn von Rosenfeld, mit bürgerlichem Namen Georg Schöbel, dürfte nur noch dem Fachmann bekannt sein. Als Mitglied der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹, Panegyren des Breslauer Rats sowie des Kaisers und von der Kaiserin persönlich hochgeschätzter geistlicher Dichter, ist er im Breslau der sechziger Jahre des 17. Jahrhunderts eine angesehene und wichtige Figur. In sein repräsentatives Kupferstichwerk Germanus Vratislaviae Decor zu Ehren der Stadt Breslau und ihrer Ratsherrn ist auch das nicht weniger als 1270 neulateinische Hexameter umfassende Lobgedicht auf die Stadt Breslau eingefügt, mit dem der vierte Gepriesene Heinrich Mühlpfort – genauso wie der gleich anschließend gefeierte Johann Fechner mit seinem gleichfalls neulateinischen Breslaugedicht aus dem Jahre 1675 – zum unmittelbaren Vorgänger Mauersbergers in diesem Genre wurde. Schon hier bei Mauersberger ist zu erkennen, wie ein Manierist vom Schlage Mühlpforts weit über Opitz gestellt wird, dem die ›arguten‹ Meriten noch abgehen, die da für einige Jahrzehnte Furore vor allem in Schlesien machten, bevor die Klassizisten und Aufklärer ihnen alsbald den Kampf im Namen Opitzens und der Seinen ansagen sollten. Mit dem Preis des Dramatikers und Habsburg-Panegyren Johann Christian Hallmann schließt der Reigen ab, um nach der Vergegenwärtigung der schlesischen Geistesheroen überzugehen zu einem der Kardinalthemen des europäischen Humanismus seit Dante, dem Lobpreis wahren Adels.

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

Lobpreis wahren Adels Im städtischen Raum, bevölkert von gelehrtem Wissen, gelehrter Kunst, gelehrter Kompetenz, hat er seinen genuinen Ort. Und so bekräftigt Mauersberger, was Staaten und Konfessionen und Berufe übergreifendes Gemeingut in der Anschauungs- und Gefühlswelt dieser gelehrten Elite Europas in der Frühen Neuzeit war: Der Adel in allen seinen Zweigen ist verehrungswürdig und gottgewollt. Wahrer Adel aber wird er nur im Bündnis mit Tugend und Wissen. Als solcher ist er letztlich standesunabhängig, kann von einem jeden Menschen erworben werden, der seine natürlichen Anlagen und Fähigkeiten nutzt, um sich aufzuschwingen in die Region des Dauernden durch Zähmung der Triebwelt und Teilhabe an den Gütern des Geistes, der Schrift, der Erkenntnis menschlicher Bestimmung. Wer sich sonst nichts/ als nur deß Adels/ weiß zu rühmen Und an Verstandes statt nur Gold zu weisen pflegt/ Der wil ein Dornen=Feld mit Lilien beblümen Und ist gleich wie ein Schaf/ das göldne Wolle trägt. Deßwegen adelt hier ein ieder seinen Adel Wie hoch er durch sich selbst/ muß ihn die Würd erfreun. Er übt in Tugend sich/ hält diß für einen Tadel Zwar von Geschlechte groß/ doch klein am Wissen seyn.13

Mit dieser Überzeugung hat sich die gelehrte Vorhut Europas ihres Werts im frühmodernen Staat versichert und der Aufklärung vorgearbeitet, die schließlich am Ende des Jahrhunderts mit dem Grundsatz der prinzipiellen Gleichheit aller das Fazit aus dem alten Diskurs de vera nobilitate ziehen wird. Er ist ein gelehrtes Standes- und Status-Juwel, aus der Erfahrung der weltenbezwingenden Macht des Wissens entwickelt, wie es der erneuerte Humanismus seit den Tagen Petrarcas schmiedet und dem modernen Europa zuführt.

Brennpunkt und Spiegel bürgerlichen Lebens Diese Gedankenfigur ist deshalb sehr wohl zu unterscheiden von dem stadtbürgerlichen Ethos der Handwerker und Kaufleute, dem das letzte Wort Mauersbergers gehört. Vermittelt wird dessen Entfaltung bezeichnenderweise über das Lob der Frauen. Wahre Schönheit ist so durch Tugend und Frömmigkeit ausgezeichnet wie wahrer Adel durch Geist und Großmut. So vermählt sie

17

18

|  ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹

sich der ehelichen Liebe, in deren Schoß alle jene sittigenden Mächte wurzeln, die dem Gemeinwesen ein einigendes Band und darin Bestand verleihen. Das Häusliche wirken die Frauen und bereiten damit jener Sozialisation den Boden, die im praktischen Bürgerleben sich fortspinnt und bewährt. Neben der Gediegenheit handwerklicher Kunst, der Raffinesse bürgerlichen Wohllebens in den großen Metropolen zwischen Venedig und Amsterdam, weiß Breslau sich durchaus zu behaupten. Ob Gewürze oder Spezereien, Konfekt oder Getränke, Tuche oder Seiden, Eisenwaren oder Metalle, Silber oder Gold – alles ist in Breslau zu haben, wird hier verarbeitet, umgeschlagen und nah und fern verkauft. Der Salzring, der Roßmarkt, der Ring, der Neumarkt, die Märkte vor den Toren, die auf der Oder liegenden Schiffe sind prall voll mit heimischen und fremden Waren aller Art für jedermann. Die Stadt aber ist erfüllt von Musik, und so nicht anders die Kirchen. Heiterkeit bei den Weingelagen und Fröhlichkeit im Gemeindegesang unterstreichen das Gelungene des städtischen Gemeinschaftslebens. Indem die Einzelnen sich in ihrer Kunst vollenden, tragen sie bei zum Nutzen des Ganzen. Unter diesem einen Gesichtspunkt muß man den neuerlichen Einsatz mit dem Preis handwerklichen Expertentums würdigen. Das Wunderwerk der Bildhauer und der Maler, die Präzision der Sticker und der Uhrmacher, die Feinarbeit der Gold- und Silberschmiede, die Fertigkeit der Zeichner – all das und vieles andere macht, daß die Stadt zu einem Mikrokosmos menschlichen Erfindungsreichtums und menschlichen Witzes gerät.

Unter Gottes Schutz und Schirm »Ich mag nicht alle Künst in dieser Stadt erzehlen«.14 Statt aber den bürgerlichen Reigen den Schluß bilden zu lassen, bricht der Rhapsode ab, um das Bild noch einmal zu verdunkeln. Es hat die Stadt viel Ungemach erleiden müssen. Überschwemmungen und Feuersbrünste, Krieg und Pest, aber auch ein Aufstand des ›Pöbels‹ gegen das Ratsregiment haben sie heimgesucht; seither bleibt das Rathaus alljährlich zum Gedenken an den Tag der Schmach geschlossen. Warum aber dieses Ende auf dem vermeintlich falschen Takt? Um Gottes Schutz und Macht um so ergreifender anrufen zu können, in dessen Hand das Wohl der Stadt in alle Ewigkeit gelegt ist. Das jüngste Übel ist eben über Deutschland mit dem Dreißigjährigen Krieg dahingegangen. Die Stadt Breslau blieb wie durch ein Wunder verschont von dem Wüten. Ist nicht das lebendiger Beweis einer gütigen Vorsehung, die über der Stadt waltet?

Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht  |

GOTT wolle gnädig Sie ins künfftige behütten Vor Theurung/ Krieg und Pest/ vor Wasser und vor Brand! Er woll auch wie bißher mit Segen überschütten/ Weil Er der Brunn=Quell ist deß Segens/ ieden Stand!15

19

2. Historische Vergegenwärtigung Schlesien aus der Vogelschau

Es gibt kein zweites Territorium im alten deutschen Sprachraum, das so eigenwillige, besondere und verwickelte geschichtliche Konturen aufweist wie eben Schlesien. Sie in aller Kürze zu skizzieren, gleicht der Quadratur des Kreises. Und doch sind in den ganz besonderen Verhältnissen die Voraussetzungen für die kulturelle Blüte zu suchen, derer sich Schlesien und Breslau in den anderthalb Jahrhunderten zwischen dem Späthumanismus und der einsetzenden Empfindsamkeit erfreuen durfte. Das dichte Mit- und Nebeneinander fürstlicher und adeliger Herrschaften in unmittelbarer Nachbarschaft teilweise bedeutender Städte kann in seinen Auswirkungen auf den kulturellen Sektor überhaupt gar nicht überschätzt werden. Insbesondere die gelehrte nobilitas literaria fand hier auf engstem Raum ein vielfältiges Wirkungsfeld und in wechselnden Konstellationen immer wieder Auftraggeber, Gönner und Adressaten für ihre Produktion, die Schlesien für mehr als ein Jahrhundert eine führende Rolle im gelehrten und insbesondere im literarischen Leben des alten deutschen Sprachraums sicherten. Die dynastische Vielfalt des alten Reichs im Gegensatz zu den im Vergleich dazu monolithisch anmutenden westeuropäischen Nationalstaaten potenzierte sich in dem böhmischen Nebenland mit allen alsbald sichtbar hervortretenden Vorzügen einer vielgesichtigen kulturellen Physiognomie, die Schlesiens Beitrag zur deutschen Kultur in seiner größten Epoche zwischen dem Ende des 16. und dem Anfang des 18. Jahrhunderts blieb.1

Spätmittelalterliches Vorspiel Eine Reihe von Optionen zeichneten sich für Schlesien im späten Mittelalter ab, bevor im Jahre 1526 die für mehr als zwei Jahrhunderte entscheidende Weichenstellung erfolgte. Lange Zeit hatten die polnischen Piasten und die böhmischen bzw. mährischen Premysliden um die Vorherrschaft auf schlesischem Boden gerungen. Mit Böhmen trat ein frühzeitig gefestigtes Herzogtum einem fürstlich und staatlich ungefestigten Polen gegenüber. Auf schlesischem Boden setzte infolge ständiger Erbteilungen eine Diversifikation der piastischen Herrschaft ein, die den Zugriff des mächtigen Nachbarn erleichterte.

Schlesien aus der Vogelschau  |

Nach dem Aussterben der Premysliden ging die Initiative auf die Luxemburger über. Johann von Böhmen, der Vater Karls IV., sicherte sich das Herzogtum Glogau durch Annexion, das Herzogtum Münsterberg lehnsrechtlich und das Herzogtum Breslau durch Installation eines Landeshauptmanns. Als Ludwig der Bayer seinen böhmischen Vasallen dann mit allen bis dato erworbenen schlesischen Besitzungen belehnte, war Schlesien mit Ausnahme des selbständig gebliebenen Herzogtums Schweidnitz-Jauer und des Bistums Breslau für einen Moment lang unmittelbarer Teil des Reichs geworden. Karl IV. beseitigte diesen Zustand alsbald wieder, indem er als König von Böhmen die schlesischen Herzogtümer der Krone Böhmens integrierte und damit die Reichsmittelbarkeit festschrieb, die für den Großteil Schlesiens als Nebenland Böhmens bis zur Annexion durch Preußen verbindlich blieb. In den Hussitenkriegen, als ein neuerliches Machtvakuum in Böhmen entstand, erneuerte sich symptomatischerweise alsbald das Ringen zwischen Polen und Böhmen um das wichtige Brückenland. Es ging zugunsten des Ungarn Matthias Corvinus aus. Ihm war es nicht nur um die Unterwerfung eines hussitischen Ketzerkönigs zu tun, als welcher Georg von Podiebrad mit dem päpstlichen Bann belegt worden war, sondern auch um den Erwerb der böhmischen Krone. Die zeitweilige Ablösung Schlesiens vom böhmischen Kronland und seine relativ weitgehende Verselbständigung waren die unmittelbare Folge. Nach und nach verstand Matthias es jedoch, die schlesischen Teilfürstentümer in seine Abhängigkeit zu bringen, und nur sein früher Tod verhinderte die Konsolidierung des Erreichten.2 Corvinus’ Werk ist die Einberufung der Vereinigten Stände des Gesamtherzogtums zu regelmäßig seit 1474 abgehaltenen Fürstentagen. Er trieb erstmals eine Steuer des gesamten Landes ein und schuf das Amt des Oberlandeshauptmanns. Diese Errungenschaften blieben in modifizierter Form erhalten, auch nachdem der ungarische Spuk rasch wieder verflogen war. Als der zwanzigjährige Ludwig II. von Böhmen und Ungarn 1526 ein Opfer der Türkenkriege wurde, kam die Stunde Habsburgs. Ferdinand von Habsburg – im Brüsseler Vertrag zusammen mit seinem Bruder Karl V. mit den Habsburgischen Erblanden ausgestattet – konnte 1526 als König von Böhmen zugleich auch sein schlesisches Erbe antreten. Seither lag die politische Zukunft Schlesiens für mehr als zwei Jahrhunderte bei Österreich.3

21

22

|  Historische Vergegenwärtigung

Herrschaftliche Topographie und verfassungsrechtliche Strukturen Schlesien bestand zu dieser Zeit aus fünf immediaten, dem böhmischen König unmittelbar unterstehenden Erbfürstentümern, sieben Mediatfürstentümern im Besitz fürstlicher Häuser sowie einer Reihe größerer und kleinerer Herrschaften. Die immediaten Erbfürstentümer wurden gebildet durch Breslau, SchweidnitzJauer, Glogau, Troppau und Oppeln-Ratibor. Letzteres war erst 1521 vereinigt worden, fiel aber bereits 1532 nach dem Aussterben der Oppelner Piasten an Böhmen zurück und wanderte alsdann für zwanzig Jahre an die fränkischen Hohenzollern, bevor es in Einzelpfandschaften zerfiel.4 Das politisch wie kulturell bei weitem bedeutendste Mediatfürstentum, bis 1675 von den Piastenherzögen regiert, war Liegnitz-Brieg, das 1523 auch Wohlau hinzuerwerben konnte. Gleichfalls unter Piastenherrschaft bis 1625 bzw. 1653 stand Teschen, während Münsterberg-Frankenstein und Oels-Bernstadt vom Haus Podiebrad regiert wurden. Jägerndorf bildete das Einfallstor der Hohenzollern – ein noch von Friedrich dem Großen zur Rechtfertigung seines Überfalls genutztes Alibi, über dessen Haltlosigkeit kein Wort verloren zu werden braucht. Nachdem hier die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach ein knappes Jahrhundert regiert hatten und das Herzogtum dann für zwanzig Jahre an die Berliner Linie der Hohenzollern gefallen war, wurde es bereits 1621 eingezogen. Die Habsburger wußten sehr genau, welche Gefahr ihnen langfristig von dem unaufhaltsam nach oben strebenden Konkurrenten im Nordosten drohte. Auch Sagan war zeitweilig an Brandenburg-Ansbach verpfändet, ging dann aber rasch an die Freiherrn von Promnitz und später (1628) unter Erhebung zum Herzogtum an Wallenstein über, bevor es schließlich an die Lobkowitz fiel. Den Schluß bildete das Bistum Breslau mit so bedeutenden, für die Ausbreitung des Humanismus schlechterdings entscheidenden Figuren wie Johannes IV. Roth und Johannes V. Thurzo, Jakob von Salza und Balthasar von Promnitz, Kaspar von Logau und Martin von Gerstmann in den Reihen seiner Bischöfe. Freie Standesherrschaften schließlich waren Wartenberg, Trachenberg, Militsch und Pleß. Unter den sonstigen Herrschaften sei hier nur Beuthen an der Oder erwähnt, das über den Gründer eines Gymnasium illustre Georg von Schönaich aufs engste mit der Formation der neueren deutschen Literatur verbunden ist. Als Land der Krone Böhmen war Schlesien mittelbares Reichslehen und verfügte als solches weder über Sitz noch Stimme auf dem Reichstag. Auch war es so wenig wie Böhmen in die auf dem Wormser Reichstag von 1495 vorgenommene Kreisverfassung des Reichs einbezogen. Die Fürstentage auf dem Breslauer Rathaus wurden von drei Kurien gebildet: Die der Fürsten und

Schlesien aus der Vogelschau  |

Freiherrn, die der Erbfürstentümer und die der königlichen Städte, unter denen Breslau, zeitweilig auch Liegnitz, hervorragten. Die verfassungsrechtlichen und institutionellen Weichenstellungen für das Land erfolgten gleich unter dem ersten Habsburger Landesherrn Ferdinand I. So zurückhaltend Ferdinand konfessionell taktierte, so entschieden griff er in die Verfassung des Landes zugunsten der Königlichen Krone ein. Nur seinem behutsamen religionspolitischen Kurs dürfte es zu danken sein, daß die Übertragung der Oberlandeshauptmannschaft auf den Bischof von Breslau im Jahre 1536 von den Protestanten ohne nennenswerten Protest hingenommen wurde. Die Verbindung von Bischofsamt und Oberlandeshauptmannschaft blieb bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts in Kraft. 1548 wurde die Prager Appellationskammer geschaffen, die die städtischen Gerichte fortan statt an das der Reichsacht verfallene protestantische Magdeburg an die königlich-habsburgische Instanz in der böhmischen Hauptstadt verwies. Genau ein Jahrzehnt später tat Ferdinand den für die Zukunft des Landes vielleicht einschneidendsten Schritt, indem er in der Kaiserlichen Hofburg in Breslau die der Wiener Hofkammer direkt nachgeordnete Schlesische Kammer installierte, die de jure für die fiskalischen Belange zuständig war, de facto jedoch immer mehr die Funktion einer königlichen Aufsichtsbehörde über das unbotmäßige, vom alten Glauben abgefallene und ständisch zunehmend erstarkende Land übernahm.

Religiöse Linienführung Zu der verfassungsmäßigen Vielfalt trat mit der Reformation die religiöse, deren Geschichte auf schlesischem Boden sehr eng mit der Herrschaft der Habsburger verbunden ist. Sie wurde Schlesiens Schicksal. In keinem Territorium des Alten Reichs nahm die Gläubigkeit so vielfältige und eigenwillige Gestaltungen an wie in Schlesien. Keine Region des alten deutschen Sprachraums hat die neue Gotteserfahrung so tiefgründig weitergedacht und zugleich so bildkräftig theologisch und poetisch umkreist wie die erlauchten Geister des schlesischen mystischen Spiritualismus. Wenn der deutschen Sprache nach dem lutherischen Durchbruch nochmals eine Verjüngung und ein innovativer metaphysischer Schub zuwuchsen, so ist dies den schlesischen Denkern und Dichtern des 16. und 17. Jahrhunderts zu verdanken. Die Wirkungen reichten bekanntlich bis tief in den Pietismus, die Empfindsamkeit und den Sturm und Drang hinein, prägten den jungen Goethe sowie Hölderlin und Jean Paul nebst der gesamten Romantik und inspirierten noch den spekulativen Idealismus eines Schelling, Franz von Baader und Hegel.

23

24

|  Historische Vergegenwärtigung

Wenn auch die von Schlesien ihren Ausgang nehmende klassizistische Poesie im Ensemble der europäischen Nationalliteraturen ein vergleichsweise marginales Ereignis blieb, so war es der schlesischen geistlichen Dichtung nicht anders als der schlesischen Metaphysik und Mystik doch beschieden, den deutschen Radius zu überschreiten, Europa zu faszinieren und tief zumal in die Niederlande und nach England herüberzuwirken.5

Im Zeichen der Reformation Die schlesische Reformation hat keinen Kopf von der Statur Bugenhagens oder Brenz’ oder Sturms hervorgebracht, an dem ein ganzes Land sich hätte orientieren können. Auch darin ist ein Grund für die Vielstimmigkeit des Chors zu suchen, der sich rückblickend als ein wohlabgestimmter und resonanzkräftiger darstellt. In Liegnitz hatte der niederschlesische Adelige Kaspar Schwenckfeld zunächst eine bedeutende Rolle gespielt. Aber schon 1525 kam es mit Luther wegen grundsätzlicher Differenzen im Abendmahlstreit, diesem verhängnisvoll wirkenden Spaltpilz in der reformatorischen Bewegung, zum Bruch. Luthers polemische Schrift Wider die Schwarmgeister aus dem Jahre 1527 war auch auf Schwenckfeld gemünzt. Die Berufung auf das ubiquitäre Wirken des schöpferischen und heiligenden Geistes blieb ein Kennzeichen gerade der schlesischen Reformation. Dieser ›schwärmerischen‹ Häresie war durch keine Reglementierung beizukommen, und als sie endlich in Schlesien zurückgedrängt war, lebte sie in versteckten Herden im Reich nicht anders als offen einbekannt in Übersee (z. B. in Pennsylvania) fort. Sie verband sich auf denkwürdige Weise mit sozialrevolutionären Parolen. Schon 1516 waren Unruhen in Jauer ausgebrochen, die alsbald auf die Breslauer Bettelmönche übergriffen. Vom linken Flügel der Reformation wurde zugleich der humanistische Antrieb der religiösen Erneuerung in Frage gestellt, der wiederum gerade in Schlesien eine feste Tradition besaß und – vermittelt über Melanchthon – durch die Breslauer Reformatoren Johann Heß und Ambrosius Moibanus repräsentiert wurde. Der erste Habsburger Kaiser Ferdinand ließ die Reformation weitgehend gewähren. Und das nicht nur aus religiöser Überzeugung, sondern auch aus politischem Kalkül. Die Aufmerksamkeit war durch die Türken gebunden, die 1529 vor den Toren Wiens standen. Eine feindselige Haltung gegenüber der evangelischen Lehre hätte den Verlust des eben errungenen Schlesien bedeuten können. Wie überall im Reich sahen auch die schlesischen Stände im neuen Glauben zugleich die politische Chance, sich dem Zugriff des kaiserlichen bzw. königlichen Oberherrn zu entziehen.

Schlesien aus der Vogelschau  |

Hier wie dort wirkte das Evangelium als Bekräftigung der ›Libertät‹. Gehemmt wurde die Bewegung naturgemäß durch das Bistum selbst und die der Krone unmittelbar unterstehenden Erbfürstentümer. Zugute kam ihr auf der anderen Seite, daß die liberalen, vom humanistischen Geist geprägten Bischöfe wie Johannes V. Thurzo und seine Nachfolger die religiöse Reformbewegung gleichfalls nicht zu knebeln gedachten. Auch die Stifte und Klöster verhielten sich nicht eigentlich feindselig. Beim Regierungsantritt Ferdinands I. im Jahre 1527 existierte bereits eine stattliche Anhängerschaft der Reformation unter Führung von Friedrich II. von Liegnitz und Brieg und Georg von Brandenburg-Ansbach. Binnen eines Jahrzehnts breitete sie sich auf die übrigen mediaten Fürstentümer und in den Ständen der Erbfürstentümer aus. Schließlich zogen auch die meisten Herrschaften nach; in Beuthen an der Oder wurde schon seit den frühen 1520er Jahren evangelisch gepredigt. Beim Tode Ferdinands I. im Jahre 1564 war das Land mit Ausnahme des bischöflichen Fürstentums Neisse, der Herrschaften Loslau, Pleß und Trachenberg sowie der erbuntertänigen Gebiete der großen Stifte und Abteien evangelisch. Über die Sonderstellung Breslaus ist sogleich zu sprechen.6

Kulmination um 1600 Wie in ungezählten anderen Territorien und Städten des alten Reichs kam die Bewährungsprobe der Protestanten erst im letzten Drittel des reformatorischen Jahrhunderts. Die Lutheraner sahen sich fortan nicht nur einem erneuerten nachtridentinischen Katholizismus und der mächtigen kirchen- und kulturpolitischen Organisation der Jesuiten, sondern auch einer Metamorphose des Protestantismus in Gestalt des Calvinismus gegenüber, welcher eine ungleich prononciertere Erneuerung nicht nur von Kirche und Gemeinde, sondern auch von fürstlichem Regiment und gottwohlgefälliger Obrigkeit propagierte. Von den Jesuiten und den Calvinisten gingen fortan die Anstöße und Erneuerungen im geistlichen nicht anders als im politischen Raum aus. Sie drängten das Luthertum in die Defensive, als welche die frühzeitige Neigung zur Orthodoxie auch zu begreifen ist. Diese vermeintlich innerkirchlichen Entwicklungen reichten weit über den theologischen Rahmen hinaus, bestimmten allemal auch die kulturellen und insbesondere die gelehrten und literarischen Entwicklungen in den entscheidenden Jahrzehnten um 1600 und verliehen ihnen ihre charakteristische Gestalt. Es ist die Zeit der Regentschaft Rudolfs II. Der Kaiser ist in den Anfängen seiner Regierung durchaus nicht die irenische Gestalt gewesen, als die er sich,

25

26

|  Historische Vergegenwärtigung

den Künsten und okkulten Wissenschaften auf dem Hradschin hingegeben und ohnmächtig den Intrigen des Bruders Matthias ausgesetzt, späteren Zeiten darstellte. Seine Maßnahmen gegen die Glogauer Protestanten, in denen sich das Schicksal der gequälten Stadt im 17. Jahrhundert bereits ankündigte, das niemand ergreifender geschildert hat als Andreas Gryphius, die Achterklärung über Troppau, die Wegnahme der Pfarrkirche Groß Wartenberg belehrten die Protestanten darüber, daß die Tage friedlichen Ausgleichs beendet waren.7

Böhmischer Majestätsbrief Als der militante habsburgische Erzherzog Karl zum Bischof von Breslau ernannt wurde, reagierte der Schlesische Fürstentag mit der Verweigerung der Steuern. Er erzwang, unterstützt von den böhmischen Ständen, die Ausdehnung des sog. böhmischen Majestätsbriefes auf Schlesien, der dem Land mit einem Schlag die weitestgehenden Freiheiten in der Geschichte seiner Habsburger Phase bescherte und zugleich doch den Keim für die tödliche Auseinandersetzung das gesamte 17. Jahrhundert über legte, bis die Altranstädter Konvention genau ein Jahrhundert später nochmals einen Ausgleich erwirkte. Beide Bekenntnisse wurden erstmals als gleichrangig und gleichberechtigt deklariert. Die Ausübung des jeweiligen Bekenntnisses wurde in das Belieben eines jeden Einzelnen und keineswegs nur das der Stände gestellt. Das Oberamt, welches den Streit ausgelöst hatte, ging jetzt satzungsmäßig auf einen evangelischen Fürsten über. Wie schon im Augsburger Religionsfrieden blieb das jüngere evangelische, blieb das reformierte Bekenntnis von diesen Vereinbarungen jedoch ausgeschlossen. Ihm wurde auch in Schlesien die Anerkennung versagt, weil ganz offensichtlich hier gleichfalls ein defensives Luthertum den im Westen geistlich wie politisch so erfolgreichen Konkurrenten fürchtete. Als Rudolf diese Zugeständnisse zu weit gingen, huldigten die Stände seinem Bruder, der sich beeilte, noch über das Vereinbarte hinaus eine eigens für Schlesien und die Lausitz geschaffene Kanzlei in Prag zu etablieren und zwei gelehrte Vertreter der beiden Nebenländer zur Appellationskammer in Prag zuzulassen. Kein Habsburger hat den Ständen je zuvor oder je danach derart weitreichende Rechte zugestanden. Zehn Jahre später standen sie bereits wieder zur Disposition.8

Schlesien aus der Vogelschau  |

Im Bannkreis des politisierten Calvinismus Denn ermuntert durch den Schulterschluß mit den böhmischen Ständen ließen sich auch die schlesischen hineinreißen in das Abenteuer der Wahl eines antihabsburgischen reformierten Gegenkönigs, des Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. Das hatte für das Land im allgemeinen, die Literatur im besonderen die weitreichendsten Konsequenzen, und zwar wiederum gleichermaßen im Blick auf die Vor- wie auf die Nachgeschichte. 1613 war Brandenburg und mit ihm Johann Georg von Jägerndorf zum Calvinismus übergegangen, 1614 folgten die Piasten in Liegnitz und Brieg nach. Durch Heiraten untereinander und in das Haus Anhalt und der Hohenzollern wurden die prononcierten Akte bekräftigt, handelte es sich doch unter den Augen eines katholischen Oberherrn um das öffentliche Bekenntnis zu einer Glaubensgemeinschaft, der 1555 und 1609 die offizielle Anerkennung verweigert worden war. Schlesien, in seiner Intelligenz schon seit mehr als einer Generation von den strahlenden Universitäten und Akademien im Westen, von Leiden und Heidelberg, Straßburg und Basel, Genf und Saumur angezogen, wurde nun auch politisch im letzten Jahrzehnt vor dem großen Krieg zunehmend in das Kräftefeld des sich unter reformiertem Antrieb zusammenschließenden evangelischen Bündnisses hineingezogen. Das hat die Kontakte seiner Gelehrtenschaft zum Reich hin sowie zu den intellektuellen und politischen Zentren Europas zumal im Umkreis des reformierten Bekenntnisses nochmals eminent befördert.9 Das fernab gelegene Land im Osten sah sich politisch und kulturpolitisch hineingestellt in die weitreichendsten Projekte, die seinem kosmopolitischen Ambiente um 1600 ebenso wie dem Böhmen Rudolfs II. sehr zugutekamen und der Beschäftigung mit ihm gerade in diesem Zeitraum einen besonderen Reiz verleihen. Literarisch aber, wie gleich zu zeigen, knüpften sich an diese Konstellation die günstigsten Bedingungen für den gleichfalls unter reformierter Vorhut zuwege gebrachten Übergang vom neulateinischen zum deutschen Idiom. Schlesien nahm an diesem für die neuere deutsche Dichtungsgeschichte entscheidenden Prozeß mit Opitz und seinem Gefolge theoretisch und praktisch wortführend teil. Nach der Krönung des Pfälzer Kurfürsten in der Wenzelskirche auf dem Hradschin durfte der staatsrechtlich schmählicher- und politisch unklugerweise geächtete Calvinismus auch in Schlesien für kurze Zeit sein Haupt erheben, die latent ihm zuneigende Intelligenz, angezogen von der größeren Luzidität und den verheißungsvolleren kulturpolitischen Perspektiven, offen ihre Vorliebe zur

27

28

|  Historische Vergegenwärtigung

Schau tragen. Die Huldigungsreise Friedrichs durch das Land und zumal sein Entrée in der Hauptstadt glich einem Jubelzug.10 Wie rasch aber erstarb das Frohlocken auf den Lippen. Fünfzehn Monate später weilte der König erneut in der Stadt, nun aber als Flüchtiger, der schließlich im Haag Asyl finden und seine angestammte Residenz in dem von spanischen Truppen verwüsteten Heidelberg nie wieder betreten sollte. Das reformierte Bekenntnis verschwand im Untergrund, das glaubensbrünstige Land vernahm die dunklen Worte seines religiösen Genies Jakob Böhme und dessen vielen Trabanten mit ahnungsvollem Schauder, je mehr sich der politische Horizont verdüsterte und die glaubende Seele Halt im unergründlichen Wollen und Willen des Höchsten suchte. Wenn Schlesien zunächst dem böhmischen Schicksal entging, seine politischen Wortführer nicht hingerichtet wurden, so deshalb, weil das mächtige – und später mit der Lausitz ob seiner Kaisertreue belohnte! – Kursachsen sich hinter den evangelischen Nachbarn stellte. Das änderte aber nichts daran, daß noch zu Ende der zwanziger Jahre der repressive Druck des katholischen Oberherrn und seiner Helfer zunahm, um sich Jahrzehnt für Jahrzehnt zu steigern. Das 17. Jahrhundert ist für die Evangelischen in Schlesien ein Jahrhundert des Leidens gewesen, und die Dichtung legt davon nicht anders als die Mystik ergreifend Zeugnis ab.

Die Gegenreformation erhebt ihr Haupt Noch in den zwanziger Jahren wurden die Hohenzollern aus Schlesien herausgedrängt; kein Reichsfürst war mehr im Besitz eines schlesischen Herzogtums. Die Jesuiten überzogen das Land planmäßig mit Gymnasien und Kollegs; die Orden verstärkten ihre Aktivitäten. 1628 verzichtete Georg Rudolf von Liegnitz auf das Amt des Oberlandeshauptmanns. Die Kaiserliche Kammer wurde zu einer aus Herren, Rittern und Gelehrten bestehenden kollegialen Aufsichtsund Verwaltungsbehörde umgestaltet, in der der Oberlandeshauptmann fortan die Funktion eines Präsidenten innehatte. Der erste Amtsträger hat der Forschung viele ungelöste Rätsel aufgegeben und seinen Biographen immer noch nicht gefunden. Es ist niemand anders als der fast für ein Jahrzehnt als Dienstherr auch eines Martin Opitz fungierende Karl Hannibal von Dohna. Unter ihm kam die Gegenreformation in Schwung. Die brutalen, von Wien veranlaßten Missionierungsmethoden trugen ihm den klangvollen Beinamen eines ›Seligmachers‹ ein. In den niederschlesischen Erbfürstentümern Glogau, Sagan, Schweidnitz-Jauer und Münsterberg begann die

Schlesien aus der Vogelschau  |

gewaltsame Rekatholisierung der Bevölkerung. Aus der Mitte der Glogauer Jesuiten selbst und nicht nur aus dem Munde der evangelischen Dichter erfolgte der Protest; die »heilige catholische Religion« könne so nur »verhaßt« werden.11 Zahlreiche geknebelte Gläubige wandten sich in das ungleich liberalere Polen. So auch Opitz und seine Gönner, die Fürsten von Liegnitz und Brieg, nachdem sie erneut auf das falsche Pferd gesetzt hatten. Zur Sicherung des protestantischen Bekenntnisses waren sie zusammen mit dem Breslauer Rat und Karl Friedrich I. von Oels eine ›Konjunktion‹ mit Sachsen, Brandenburg und Schweden eingegangen. Doch Sachsen, immer noch protestantische Vorhut, aber in guter lutherischer Tradition übervorsichtig taktierend, scherte alsbald aus, erreichte bereits im Mai 1635 einen Sonderfrieden mit dem Kaiser in Prag und gab damit die Bundesgenossen, Schlesien an der Spitze, schutzlos dessen Zorn preis. Jetzt wurde die Widerstandskraft des Protestantismus endgültig gebrochen. Nur die Mediatfürstentümer Liegnitz und Brieg, Oels und Bernstadt sowie die Stadt Breslau behielten das Recht freier Religionsausübung, den Erbfürstentümern und Standesherrschaften wurde dieses Recht versagt. Breslau verlor die Landeshauptmannschaft und die Kanzlei. Der Westfälische Friede bestätigte die Grundzüge des Prager Separatfriedens weitgehend. Die Untertanen der Immediat- und Fürstentümer durften nicht zur Auswanderung oder zur Veräußerung ihrer Güter gezwungen werden. Drei – berühmte – Friedenskirchen wurden dem Land zugestanden; die Glogauer ging im zweiten Weltkrieg verloren, die in Jauer und Schweidnitz blieben als Juwelen kirchlicher Baukunst Schlesiens bis heute bewahrt.12

Nach 1648 – ein erstes Fazit Doch das Paragraphenwerk des Westfälischen Friedensschlusses erwies sich als unvermögend, die Probleme in einem Territorium mit heterogenem Bekenntnisstand zu lösen. Es sollte einem Jahrhundert der Konfessionalisierung endlich ein Ende machen. In Wahrheit schritt diese in Schlesien entschiedener als je zuvor voran. Durch sog. kaiserliche Reduktionsbestimmungen wurden den Protestanten die ihnen noch verbliebenen Kirchen weggenommen und in katholischen Besitz gebracht. Den drei ›Gnadenkirchen‹ standen schließlich 656 eingezogene evangelische Kirchen gegenüber. Die evangelischen Geistlichen, ab 1666 auch die evangelischen Lehrer, wurden ausgewiesen. Die Flucht wiederholte sich und nahm zu. Die trotz allem ausharrenden und ihrem Glauben treu bleibenden Protestanten scharten sich um die hundert verbliebenen Kirchen in den evangelischen

29

30

|  Historische Vergegenwärtigung

Territorien. Als aber die Piasten 1675 ausstarben, ging eine letzte protestantische Bastion mit der Beschlagnahme der evangelischen Kirchen verloren. Seit 1672 hatten die Evangelischen die katholischen Feiertage einzuhalten. Mischehen wurden verboten, Waisenkinder durften nur noch katholisch erzogen werden. Die Eingaben an das Corpus Evangelicorum auf dem Reichstag in Regensburg, das über die Einhaltung der Bestimmungen von Münster und Osnabrück zu wachen hatte, vermochten wenig gegen den unaufhörlich fortschreitenden Prozeß der Rekatholisierung des Landes – und das um so weniger, als das Haupt der Protestanten, der sächsische Kurfürst selbst, als polnischer König zum Katholizismus übergetreten war. Wieder bedurfte es der Sprache militärischer Gewalt, um das Steuer herumzureißen. Als der schwedische König Karl XII. im Kampf gegen SachsenPolen siegreich durch Schlesien zog, schien für einen Moment das Rad der Geschichte zurückgedreht in die dreißiger Jahre unter Gustav Adolf. Erneut durften die Protestanten Mut schöpfen. 1707 wurde unter schwedischem Druck die Altranstädter Konvention unterzeichnet. 125 Kirchen gingen an die Evangelischen zurück, drei evangelische Konsistorien wurden zugelassen, die konfessionellen Diskriminierungen abgestellt. Später kamen sechs weitere Gnadenkirchen hinzu – nun vor allem in Hirschberg, Landeshut und Teschen als splendide Barockkirchen ausgeführt. Immer noch waren Schwenckfeldianer, Pietisten und Calvinisten von dem Religionsfrieden ausgeschlossen. Aber die militante Phase der Gegenreformation war endlich auch in Schlesien beendet; die evangelische Kirche verlor kein Gotteshaus mehr.13 In diese Jahrzehnte inneren Ringens mit dem Habsburger Oberherrn und seiner geschichtlich verspäteten Durchsetzung des einen Glaubens in dem einen Territorium fiel die Ausarbeitung des bedeutendsten Romanwerks des 17. Jahrhunderts, Daniel Casper von Lohensteins Arminius. Ist es denkbar, daß gerade ihm eine Verherrlichung des Hauses Habsburg aufgetragen war, welches das Land derart unter Druck gesetzt hatte? War das in die ferne Vergangenheit Germaniens verlegte Geschehen nicht viel eher eine wohlkaschierte, an Tacitus und Gracián geschulte politische Allegorie, des Gemeinsamen in der nationalen Überlieferung sich zu versichern, statt der politischen in der konfessionellen Spaltung weiter anzuhängen? Es war dies der Weg, den zur gleichen Zeit der Größte des Jahrhunderts, den Leibniz anvisierte. Die Weichen für das Einströmen der Aufklärung auch nach Schlesien waren am Ende des Jahrhunderts gestellt. Lebendig aber in der Erinnerung bis heute blieb die Zeit der inneren Selbstbehauptung des geistlichen Schlesien und seines mit ihm so eng verwobenen literarischen Vermächtnisses.

Schlesien aus der Vogelschau  |

Die letzte Phase Habsburger Herrschaft Bereits seit dem Regierungsantritt Ferdinands II. im Schlüsseljahr 1620 war die Kaiserstadt Wien wieder in das Zentrum der österreichischen Lande gerückt. Die Behörden konzentrierten sich zusehends in der Hauptstadt. Entsprechend verlor Prag seine dominante Stellung. Gleich nach dem Dreißigjährigen Krieg kehrte Kaiser Leopold zu der inzwischen eingeführten Praxis zurück, den Breslauer Bischof mit der Oberlandeshauptmannschaft zu betrauen. So lagen das höchste geistliche und das höchste weltliche Amt in einer Hand. Schlesischen Fürsten stand das Amt von jeher zu. Der Breslauer Bischof erfüllte diese Voraussetzung, denn er regierte über das Bistumsland. Am Ende der Habsburger Zeit freilich war es dann nur noch ein Vertreter aus dem schlesischen Grafenstand, der die Spitze der obersten kaiserlichen Behörde im Lande repräsentierte und sinnfälligerweise dem für die Kulturgeschichte des Landes so einflußreichen Geschlecht der von Schaffgotsch entstammte.14 Die Aufgaben der Behörde wuchsen stetig an, und dem Adel nicht anders als den studierten Räten bot sich ein gern wahrgenommenes Betätigungsfeld. Entsprechend ging die Bedeutung der schlesischen Kammer sukzessive zurück. Während das Oberamt die entscheidenden politischen und gerichtlichen Kompetenzen an sich zog, blieb die Kammer für das Finanzwesen und die Rechtsprechung zuständig. So war es nur eine Frage der Zeit, wann sie ihren bis dato behaupteten Sitz auf der mächtigen Burg an der Oder verlor. Als die Gründung eines Jesuiten-Kollegs in das Blickfeld rückte, verließen Kammer und Oberamt den angestammten Platz und bezogen zwei verschiedene und vergleichsweise unscheinbare Gebäude im Zentrum der Stadt – Indiz auch dies für eine Zunahme der Macht der Habsburger. Bedeutende Vertreter aus dem Geschlecht der von Haugwitz oder der von Nostiz nahmen das Oberamt in der Schlußphase wahr. 1740 fand Friedrich der Große eine gut bestellte und mit herausragenden Amtsvertretern besetzte Behörde in der Hauptstadt des Landes vor. Drei Ereignisse blieben prägend für die letzte Regierungszeit der Habsburger auf schlesischem Boden. Der überraschend frühe Tod des letzten Piastenherzogs Georg Wilhelm im Jahr 1675 bezeichnete eine Zäsur. Noch einmal vermochten die Habsburger ihre Macht in Schlesien auszubauen. Unvorstellbar, daß kaum mehr als ein halbes Jahrhundert vergehen sollte, bis die Ära ihr jähes Ende fand. Freiräume des protestantischen Glaubens hatten die Herzogtümer der Piasten zwischen den kaiserlichen Erbfürstentümern markiert. Nun verschmolzen sie nach dem Tod Herzog Georg Wilhelms von Liegnitz, Brieg und Wohlau mit den übrigen kaiserlichen Gebieten. Ein mächtiges Kammergut fiel an die

31

32

|  Historische Vergegenwärtigung

Habsburger, das alsbald an den vermögenden Landesadel veräußert wurde. Die Geschichte mancher großen Geschlechter Schlesiens datiert zurück auf diesen Zugewinn an Land und Macht. Die unerwartete ökonomische Ressource mußte um so willkommener sein, als der Kaiser gleich im folgenden Jahrzehnt im Kampf mit dem Osmanischen Reich die schwerste Probe im europäischen Ringen zu bestehen hatte. Noch einmal bewährten sich die engen schlesisch-polnischen Verbindungen, die der Kaiser in der Abwehrschlacht um Wien erfolgreich zu mobilisieren verstand. Die polnischen Truppen König Johanns III. Sobieski erreichten das Heerlager der Osmanen als erste im September 1683 und zogen hernach in das befreite Wien ein. Eine alte habsburgisch-schlesisch-polnische Liaison war mit Erfolg reaktiviert worden, bevor sie in einer Phase der Konsolidierung der preußischen wie der russischen Großmacht definitiv der Vergangenheit angehören sollte. Vorerst aber ging es ein letztes Mal um eine neue Grundlage für eine verfassungsmäßige Anbindung Schlesiens an Österreich. Die 1526 begonnene Entwicklung strebte ihrer Vollendung entgegen. Dazu war insonderheit eine Anerkennung der weiblichen Erbfolgeregelung auch für Schlesien vonnöten. 1720 wurde sie feierlich im Fürstensaal des Breslauer Rathauses als Herzstück einer ›Pragmatischen Sanktion‹ für Schlesien besiegelt. Kaiser Karl VI. aber blieb es erspart, die Anerkennung seines Hausgesetzes, welches er mit vielen Konzessionen an die europäischen Mächte erkauft hatte, alsbald für null und nichtig erklärt zu sehen. Als schlesischer Krieg begann der Österreichische Erbfolgekrieg. Friedrich der Große, der ihn anzettelte, besaß die Perfidie, sich als Verteidiger der eben erst in die Welt getretenen ›Pragmatischen Sanktion‹ aufzuwerfen, während das Gegenteil der Fall war. Die von seinem Vater Friedrich Wilhelm I. vollzogene Anerkennung der ›Pragmatischen Sanktion‹ wurde von Friedrich widerrufen. Das Breslauer Oberamt wurde im Januar 1741 mit dem Siegel Maria Theresias verschlossen und die habsburgischen Beamten aus der Stadt verwiesen. Eine über zweihundert Jahre währende Ära war beendet.15

Das Schicksalsjahr 1740 als Menetekel Das Jahr 1740 – und nicht erst die Jahre 1806 und folgende – bezeichnet die einschneidendste Zäsur in der Geschichte des Landes. Den Zeitgenossen war dies sogleich bewußt. Nur den Nachgeborenen indes, den späten Nachfahren im 20. Jahrhundert, mochte es zuweilen dünken, daß im Überfall Preußens auf das unvorbereitete Land am Horizont bereits jene Feldzüge Preußens im letzten

Schlesien aus der Vogelschau  |

Drittel des 19. Jahrhunderts sich abzeichneten, in denen der Untergang nicht nur des Reichs der Habsburger, sondern des alten Europa sich vorbereitete. Auch das Jahr 1740 gehört hinein in die tragische Geschichte der Selbstfindung der deutschen Nation. Ihr Signum war Abspaltung und Abkapselung auf der einen Seite, Großmachtstraum und Selbstüberschätzung auf der anderen. Am Ende war auch Schlesien den Deutschen verloren und ein langer Weg deutsch-polnischer Aussöhnung in Gang zu setzen, der niemals ein abgeschlossener, sondern stets ein von gutem Willen auf beiden Seiten wieder aufzunehmender sein wird. Schlesien blieb es vorbehalten, eine Achsendrehung im Kräftespiel der europäischen Mächte zu bewirken. Das ehemalige Nebenland Böhmens rückte unversehens in das Schlaglicht der großen Politik. Und wenn nicht alles trügt, war es die einsame Entscheidung des jungen Königs im fernen Potsdam, welche die Wende bewirkte. Eine günstige Gelegenheit nutzend, überfiel er ein Land, nach dessen Inbesitznahme Preußen überhaupt erst zu jener Großmacht heranwuchs, mit der fortan zu rechnen war. Habsburg aber, dem mit dem Fürstentum Teschen und Teilen der Liechtensteinischen Fürstentümer Troppau und Jägerndorf sowie des Bistumslandes Neisse und elf Minderstandesherrschaften nur ein Rest in Schlesien verblieb, hatte nach der erlittenen Niederlage den Zenit seiner Macht und seines Ruhmes überschritten. Die Entfremdung zwischen den beiden führenden Kräften im Ensemble der vielgestaltigen deutschen Staatenwelt war nicht wieder zu heilen. Eine Wunde war geschlagen worden, die fortschwelte, mehr als einmal wieder aufgerissen wurde, um schließlich in der Ära Bismarcks nach einem letzten Waffengang in jene verhängnisvolle Trennung einzumünden, welche ihrerseits neue Friktionen heraufbeschwor, die verantwortungslosen Volkstribunen ein billiges Faustpfand ihrer demagogischen Agitation an die Hand gab.

Unter dem Banner der Hohenzollern Staaten müßten sich vergrößern, wenn anders sie im Konkurrenzsystem der europäischen Mächte sich behaupten wollten. Diese Maxime gab die Rechtfertigung ab für den Einfall in Schlesien nach dem überraschenden Tod Karls VI. im Oktober 1740. Lange verjährte Rechtstitel, auf die seine Vorgänger wie seine Ratgeber gelegentlich spekulierten, interessierten den König nicht oder nur am Rande. Eine Machtfrage war gestellt und durch entschiedenes Handeln für die eigene Seite zu entscheiden. Kein Versuch wurde unternommen, die intendierte Annexion zu kaschieren, vielmehr sanktionierte die raison d’etat ein jedes Mittel. Der schneidende Wind der Moderne kündigte sich in den

33

34

|  Historische Vergegenwärtigung

Verlautbarungen wie den Aktionen des zur Aufklärung sich bekennenden Monarchen an, der mit seinem philosophischen Lehrmeister Voltaire nur Spott über die rückwärtsgewandten und womöglich dem christlichen Glauben weiterhin anhängenden Geister übrig hatte.16 Der militärisch überlegene König hatte seine strategischen Ziele kaum erreicht, als er sofort dazu überging, die überkommenen Verwaltungsstrukturen umzumodeln und die neue Provinz auf ›preußischen Fuß‹ zu stellen. Das Oberamt und die Kammer wurden durch eine Intendantur ersetzt, die Gesamtständevertretung aufgelöst und damit das Steuerbewilligungsrecht obsolet. Schlesien wurde in zwei große Kammerbezirke eingeteilt, die ihren Sitz im mittelschlesischen Breslau und in der niederschlesischen Oderfestung Glogau hatten, während die preußischen Gebiete Oberschlesiens von Breslau aus mitverwaltet wurden. Die Zuständigkeit der Kammern erstreckte sich auf so gut wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens, die steuerförmigen Einkünfte, die Forsten, Zölle und sonstigen Regalien der landesherrlichen Domänen, auf Wirtschaft und Handel und nicht zuletzt auf die Kommunalaufsicht. Steuerund Landräte überzogen das Land gemäß der für Preußen typischen Trennung der Administration von Stadt und Land. Ein in Breslau residierender Provinzialminister repräsentierte nun den Willen des Königs. Die Namen eines Ludwig Wilhelm von Münchow und Ernst Wilhelm von Schlabrendorff verbanden sich mit dem schwierigen, alsbald jedoch prestigeträchtigen Amt. Der schlesische Ständestaat alteuropäischer Prägung wurde konsequent in eine Provinz des straff absolutistisch regierten Königreichs Preußen umgewandelt. Ein Modernisierungsschub war eingeleitet. Er nicht zuletzt trug dazu bei, die Erinnerung an die vorpreußische Zeit zu beflügeln, die im Schlesien der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts so bedeutende Memorialwerke zeitigen sollte.17

Konfessionspolitik im neuen Staat Preußen als protestantisch geprägter Staat sah sich vor die schwere Aufgabe gestellt, ein bikonfessionelles Land zu befrieden. Wenn überhaupt, so vermochte nur eine aufgeklärte Religionspolitik zugunsten der nach wie vor unter Karl VI. Repressionen ausgesetzten Protestanten der Annexion den Schein einer Berechtigung zu geben. Etwa die Hälfte der Schlesier waren um 1740 immer noch Protestanten, die überwiegend in Niederschlesien lebten. Sie waren rasch für Loyalitätsbekundungen zu gewinnen, wohingegen die katholische Bevölkerung eher in abwartender Reserve verharrte.

Schlesien aus der Vogelschau  |

Friedrich zielte darauf ab, konfessionelle Parität gemäß den Regeln des Staatskirchenrechts, wie es an den preußischen Universitäten in Halle und in Frankfurt an der Oder gelehrt wurde, auch in Schlesien durchzusetzen. Daß die Reformierten endlich die gleichen Rechte zugestanden erhielten wie Protestanten und Katholiken verstand sich von selbst. Doch Friedrich ging weiter. Auch die soeben noch unter Karl VI. neuerlich inkriminierten Schwenckfeldianer sollten für erlittenes Unrecht entschädigt werden. Und den Anhängern Zinzendorfs und der Herrnhuter Brüdergemeinde erteilte der Monarch gleichfalls eine Generalkonzession. Widerstand gegen dieses weitsichtige Agieren regte sich bezeichnenderweise vor allem im Luthertum, prallte nun jedoch ungehört an der zielstrebig ihre Wege in der Religionspolitik beschreitenden Staatsmacht ab. Auch die böhmischen Exulanten-Siedlungen auf schlesischem Boden profitierten von dieser aufgeklärt-liberalen Praxis, die allemal dem Staatsinteresse entgegenkam, das sich wie in Preußen selbst in konsequenter Ansiedlungspolitik geltend machte. Noch auf die jüdische Minorität erstreckte sich die von Friedrich beobachtete Toleranz in Religionsdingen, geleitet von der einen, gegenüber dem Grafen von Zinzendorf geäußerten Maxime: »›Ich halte, daß ein jeder seines Glaubens lebe und daß es hart und unbillig sei, dem Gewissen des Menschen einigen Zwang aufzuerlegen, solange er sich in der bürgerlichen Gesellschaft ruhig und still beträgt, keine Neuerung einführt und den Mitbürgern keinen Anstoß gibt.‹« Und noch einmal galt es, wie schon vor mehr als zweihundert Jahren, insbesondere ein auskömmliches Verhältnis zum Breslauer Fürstbischof auf der Dominsel herzustellen. Der Amtsinhaber Philipp Ludwig Graf von Sinzendorf war klug genug, nach anfänglichem Zögern dem neuen Landesherrn zu huldigen. Und der ließ sich eine Verlautbarung entlocken, in der sich das definitive Ende des konfessionellen Zeitalters manifestierte. »›Da ruhige Freiheit der Religionsausübung in der Vorstellung der Menschen einen Teil ihres Glückes ausmacht, so werde ich niemals von dem festen Vorsatz abgehen, jede Religion in ihren Rechten und Freiheiten zu schützen. Die Streitigkeiten der Priester gehören nicht in die Zuständigkeit der Fürsten, und unnütze Dispute um leere Begriffe … werden mich niemals verführen, mich für oder gegen die verschiedenen Parteien zu erklären … Die Humanität muß die erste Tugend eines jeden Ehrenmannes sein und, wie ich glaube, eines jeden Christen.‹« Das war die erhabene Sprache der Aufklärung, wie sie in so denkwürdigem Kontrast zum Machiavellismus der puren Machtpolitik stand. Auf dem Felde der Religion waren für einen Fürsten wie Friedrich keine Lorbeeren mehr zu

35

36

|  Historische Vergegenwärtigung

gewinnen. Das einzige Interesse galt der Befriedung des Landes, und dieses kleidete sich in Worte, die über Tag und Stunde hinaus Bedeutung bewahrten.18

Schlesische Kriege Ein so drastischer politischer Szenenwechsel, verbunden mit einer Infragestellung nicht nur des mitteleuropäischen, sondern des europäischen Machtgefüges insgesamt, konnte nicht binnen weniger Jahre faktische Anerkennung und mehr oder weniger stillschweigendes Sich-Fügen in die neuen Verhältnisse erheischen. Die Flammen loderten rasch wieder auf, und mehr als einmal mochte es scheinen, als ob die gewagte, um nicht zu sagen: die ruchlose Annexion den Aggressor selbst das Überleben gekostet hätte. Nicht nur Österreich selbst, auch deutsche Staaten wie Sachsen oder Bayern, von England und Rußland gar nicht zu reden, reagierten mit Beunruhigung auf die unversehens erfolgte Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Rasch sah Preußen sich einer Allianz der europäischen Mächte gegenübergestellt, die zum Handeln rüstete. Noch einmal bedurfte es schneller Entscheidungen, die nun freilich gezeichnet waren von Allüren, welche eher das Odium todesmutigen Abenteurertums verströmten als den ruhigen Atemzug kühler politischer Vernunft. Aufhänger blieb die Thronnachfolge in Österreich, die die großen politischen Mächte auf den Plan rief. Schon ein erster Waffengang im Sommer 1744 endete für den Preußenkönig in Böhmen beinahe in einer Katastrophe, während die österreichische Armee unter Prinz Karl von Lothringen, unterstützt von Sachsen, vorübergehend in Oberschlesien verlorenes Terrain zurückgewann. Am Ende bestätigte ein am Weihnachtstage des Jahres 1745 in Dresden unterzeichneter Frieden den status quo im wesentlichen, beließ also Friedrich im Besitz Schlesiens im Rahmen der 1742 gezogenen Grenzen, zwang ihn umgekehrt jedoch zur Anerkennung des Kaisertums Franz I. sowie der böhmischen Kurstimme Maria Theresias. Doch auch dieser Akkord sollte sich nur als ein Vorspiel zu jenem Krieg erweisen, der bis tief in die Künste hinein einen weit über Schlesien hinausreichenden, die Nation erstmals als ganze bewegenden Widerhall fand. Für beide Seiten, Preußen wie Österreich, ging es inzwischen um sehr viel mehr als den Besitz Schlesiens. Österreich mußte seinen Ruf als alte, Preußen seine soeben errungene Stellung als junge Großmacht behaupten. Alles kam für die etablierten Mächte darauf an, Preußen auf den Status einer zweitrangigen Macht zurückzustutzen. Noch einmal sah der König sich zu einem Hasar­ deursakt veranlaßt, wollte er der drohenden Einkreisung entgehen. Keine zwölf Jahre waren vergangen, als er neuerlich zum Schlag ausholte. Das Land geriet

Schlesien aus der Vogelschau  |

wie nie zuvor hinein in das hin und her wogende Kriegsgeschehen. Sogar die Hauptstadt Breslau wechselte im Winter 1757/58 zweimal die Herrschaft. Und noch einmal lebten auch die konfessionellen Konflikte wieder auf, die bis hin zu einer spektakulären Exekution gerieten. Zeitweilig mochte es scheinen, als liefe alles auf eine Restituierung Schlesiens unter Habsburger Oberherrschaft hinaus. Am Ende jedoch, nach sieben verlustreichen Jahren auf beiden Seiten und der Verheerung breiter Landstriche, besiegelte der Frieden zu Hubertusburg den Besitz der Provinz Schlesien – wie es scheinen mochte, auf eine lange Zeit hin. Vergleichsweise glimpflich hatten Schlesien und seine Hauptstadt Breslau den Dreißigjährigen Krieg überstanden. Dem Land blieben die Erfahrungen eines mörderischen Söldnerkrieges von Ausnahmen abgesehen erspart. Erst ein Jahrhundert später bemächtigte sich die Kriegsfurie des Landes. Nicht nur Menschen waren als Opfer zu beklagen, sondern erstmals in großem Umfang auch kulturelle Denkmäler. In Breslau allein waren über 1700 Häuser zerstört worden, in anderen Städten, vor allem in den zu Festungen ausgebauten, gab es erhebliche Schäden. Auf dem Lande mußten zahllose wüst gewordene und verlassene Bauernstellen reaktiviert werden. Spektakuläre Vernichtungen hatten stattgehabt. So ging einer der schönsten Barockpaläste im Jahr 1760 in Flammen auf. Es handelte sich um das 1725 von Christoph Hackner erbaute Palais Hatzfeld, das nicht wieder erstand. Vielmehr errichtete Carl Gotthard Langhans hier einen klassizistischen Neubau, der später als Sitz des Oberpräsidiums genutzt und seinerseits ein Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde.19

Späte Nachblüte und Übergang in die neue Zeit Mehr als vier Jahrzehnte blieben Friedrich, um das ihm zugefallene reiche und vielgestaltige Land dem preußischen Staatswesen zu integrieren. Er ließ es sich nicht nehmen, dieses selbst und das nun zunehmend hauptstädtisch hervortretende Breslau wiederholt zu besuchen. Der Niederländer Johann Boumann d.Ä. errichtete für den Monarchen eine zweite königliche Residenz in Breslau, mit und in der die Präsenz des Königs in Schlesien sinnfällig in Erscheinung trat. Alljährlich während sommerlicher Augustwochen im Lande unterwegs, verstand er es, die Bewohner der unter so fragwürdigen Umständen annektierten Provinz sukzessive für sich und seinen Stil der Regierung zu gewinnen. Die Zugehörigkeit zum preußischen Gesamtstaat konnte je länger desto weniger in Frage stehen; die Schlesier begannen, sich mit dem neuen Staat als dem ihrigen zu identifizieren. Als Friedrich 1786 starb, artikulierte die Trauer sich in zahlreichen Gottesdiensten beider Konfessionen, in kommunalen Trauerfeiern

37

38

|  Historische Vergegenwärtigung

und einem überreichen panegyrisch-memorialen Schrifttum jedweder Provenienz – und das in merklichem Kontrast zu der eher verhaltenen funeralen Begehung dieses das Ende einer Epoche signalisierenden Abschieds in Berlin selbst. Nicht zuletzt der katholische Klerus würdigte den verstorbenen König als Garanten der inzwischen schon sprichwörtlichen ›schlesischen Toleranz‹. Noch einmal erklang aus dem Munde des langjährigen Provinzialministers Graf Karl Georg Heinrich von Hoym die Botschaft, vermöge derer womöglich gelungen war, was den Waffen niemals beschieden gewesen wäre. Gegenüber dem in Schlesien verwurzelten Christian Garve sprach er bestätigend und bekräftigend von der »›bisherigen auf gegenseitiges Zutrauen und Toleranz sich gründenden Verträglichkeit und Eintracht der verschiedenen ReligionsGenossen‹« untereinander. War dies eine Frucht aufgeklärter friderizianischer Religionspolitik, so mochte darüber ohne Frage begangenes Unrecht zumindest unter diesem Aspekt in ein verändertes Licht rücken. Drei Jahre vor der Französischen Revolution trat der neue Regent Friedrich Wilhelm II. sein Amt auch in Schlesien an, tatkräftig unterstützt von dem unermüdlichen Hoym. Noch einmal hielt Zwist in Religionsangelegenheiten Einzug auch in Schlesien. Er aber wurde nun von außen in das Land hineingetragen, wohingegen in Schlesien selbst inzwischen weitgehend Frieden herrschte. Der Rosenkreuzer Wöllner in Berlin wandte sich gegen die mit den Sozinianern, Deisten und Naturalisten in der Öffentlichkeit eingeschlichenen Irrtümer und suchte ihnen mit einem schon lange nicht mehr in die Zeit passenden Religionsedikt zu begegnen. Anhänger der Gegenaufklärung, in den lutherisch-orthodoxen und pietistischen Kreisen vor allem zu Hause, witterten rasch Morgenluft. Nicht zuletzt dem beherzten Wirken Hoyms war es geschuldet, daß Herde der Unruhe rasch ausgetreten werden konnten. Dem korrespondierte die Fortführung einer liberalen Presse- und Zensurpolitik im Lande. Sie hatte auf ganz andere Weise ihre Entsprechung in einer toleranten Judenpolitik. Eine stufenweise rechtliche Gleichstellung der Juden blieb das langfristig anvisierte Ziel. Tatsächlich kam es am Ende des alten und zu Beginn des neuen Jahrhunderts zur Einrichtung von jüdischen Schulen für Jungen und wenig später für Mädchen. Bewußt geschont wurde zunächst auch der klösterliche Besitz im Gegensatz zu der inzwischen im Josefinischen Österreich in Gang gekommenen Praxis der Säkularisierung. Im spät- und nachfriderizianischen Schlesien herrschte zwischen den Konfessionen schließlich ein weitgehend entspanntes Verhältnis, wie es sich zuweilen sogar in gemeinsamer Kirchenbenutzung dokumentierte. Eine Zeit konfessionellen Zwists schien definitiv beendet. Der Provinzialminister aber, dem dieser

Schlesien aus der Vogelschau  |

glückliche Umstand zu verdanken war, war unvorbereitet auf das, was nun im Gefolge der Revolution über das Land hereinbrach. So wehrlos wie im Jahre 1740 sah es sich zwei Generationen später schutzlos dem Eindringen der französischen Revolutionstruppen ausgesetzt. Mit dem Jahr 1806 gelangen wir an die Schwelle eines neuen Jahrhunderts. Unser – wie wir hoffen kurzweiliger – Blick aus der Vogelschau mag an dieser Stelle enden, denn Konzentration auf die Frühe Neuzeit war von Anfang an erklärtes Ziel.20

39

3. Silhouette Breslaus Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder Entrée Bis in die späten Wintertage des Jahres 1945 wahrte Breslau seine durch Jahrhunderte überkommene städtebauliche Physiognomie. Keiner deutschen Großstadt war ein so langes Überleben vergönnt. Hätten die mutigen Attentäter im Juli 1944 Erfolg gehabt, auch Breslau wäre vielleicht heil aus dem Inferno hervorgegangen. Wo aber der Untergang in der Hauptstadt des benachbarten Sachsen in einer Nacht sich vollzog, währte die Zerstörung der ›Festung Breslau‹ drei grausame Monate. Kein Tag, an dem die Chronisten nicht wenigstens einen neuen irreparablen Schaden an einem der ehrwürdigen Gebäude der Stadt konstatieren mußten, so lange, bis so gut wie keines mehr unversehrt war. Und das nicht nur als Folge der unaufhörlichen Beschießung durch die vor den Toren stehende Rote Armee, sondern ebenso durch die Sprengung ganzer Straßenzüge und Quartiere von seiten der deutschen Besatzer. Das verbrecherische System, das angetreten war, deutsches Wesen zu hegen und zu pflegen, verging sich wie nie zuvor in der Geschichte an der überkommenen kulturellen Substanz des Volkes.1 Wie im Falle Warschaus, Danzigs, Posens, ist auch im Blick auf Breslau das Wiederaufbauwerk der Polen bewundernswert. Die Wunden der zerschundenen Stadt aber völlig zu heilen, gelang auch bei der Sanierung Breslaus nicht. Zu hart treten originalgetreue Rekonstruktion und trostloser Billig-Wohnungsbau, die Rettung eines historischen geistlichen oder weltlichen Juwels und seine Umschlingung durch ein brutal geführtes Straßennetz nebeneinander. Ein nicht allenthalben erschreckt innehaltender Gang ist auch in Breslau nicht mehr möglich. Den Blick zurückschweifen zu lassen zu dem frühneuzeitlichen Breslau als Hort einer einzigartigen Kultur und Literatur heißt immer auch, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Kräfte des Erinnerns zu aktivieren und zwar gleichermaßen um der Toten wie der Lebendigen willen, jenen andenkend die Ehre erweisend, diese ermutigend, Lebensräume einzuklagen und zu behaupten, in denen die Vergangenheit überzeugender bewahrt ist als in dem Verfehlten eines Aufbaus während des ersten halben Jahrhunderts nach der Zerstörung des alten Kontinents.

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Als Breslau kulturell und speziell frömmigkeitsgeschichtlich und literarisch in seine Blütezeit eintrat, hatte es ökonomisch und politisch seine Glanzzeit bereits hinter sich und sah sich wie ungezählte andere Städte im Reich dem Druck des territorialstaatlichen Gestaltungs- und Arrondierungswillens ausgesetzt, der im Falle Breslaus vermittelt über das böhmische Königtum vom Kaiser selbst herrührte. Daß er sich auf die bedeutendste Stadt des Landes in besonderer Weise richtete, war selbstverständlich. Rückblickend wird man sagen dürfen, daß sich die Stadt in dem Ringen behauptete, wobei ihr ihre ökonomische Potenz nicht anders als ihre konfessionelle Orientierung und ihre weiträumige und vielschichtige Verflechtung als Handelsstadt wie als intellektuelles Zentrum des Landes gleichermaßen zugute kamen. Selbst nach dem Übergang unter die preußische Krone, als sich ihre Lebensbedingungen und Optionen nochmals mit einem Schlag wandelten, gelang es ihr nach einer Phase der Erstarrung gleichwohl, ihr geschichtlich geprägtes Profil zurückzugewinnen und sich als die bei weitem größte Stadt des deutschen Ostens auch kulturell zu behaupten und eine unverwechselbare Note in das regionale Ambiente der mitteleuropäischen Städtelandschaft zu bringen. Wollte man versuchen, das Beharrende und sich Durchhaltende mit einem Satz zu benennen, so war es vielleicht die aus der geographischen Lage herrührende Begünstigung des handelsbürgerlichen Elements, das sich gegen alle in eine andere Richtung weisenden Kräfte behauptete und die Kontinuität die Jahrhunderte über gewährleistete. Sie ging einher mit einer denkwürdigen Befähigung zum Ausgleich, zur Integration des Verschiedenartigen, zum friedlichen Gewährenlassen, die sich in allen Umbrüchen bewährte.

Das steinerne Antlitz Zu Beginn des 11. Jahrhunderts findet sich erstmals eine Burg in Breslau erwähnt. Sowohl die herzogliche Burg als auch der bischöfliche Dom weisen auf die Dominsel als den ältesten Teil von Breslau hin. Der Oderarm, der die Gegend um den Dom zu einer Insel machte, wurde nach der Auflassung der Festungswerke im Jahre 1807, wie sie mit der Eroberung der Stadt durch Napoleon einherging, zugeschüttet. Außerdem umfloß die Alte Oder die Stadt in einem sehr viel flacheren Bogen und vereinigte sich vor der Vorder- und Hinterbleiche mit den die Dominsel und die Sandinsel umziehenden Armen des Flusses. Auf der Dominsel selbst entstanden frühzeitig neben dem Dom auch die Peterskirche und die Aegidienkirche sowie im Burgbezirk die Martinskirche. Auf der Sandinsel und hinter dem Lehmdamm sowie auf der linken Seite

41

42

|  Silhouette Breslaus

der Oder fanden sich die ersten Niederlassungen. Von der Sandinsel nach der Dominsel, zum Lehmdamm hin und auf das linke Ufer der Oder erfolgte die erste Überbrückung des Flusses. Der große, weiter abwärts gelegene Werder wurde erst im 16. Jahrhundert zu bebauen begonnen. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde das Vinzenzstift hinter dem Lehmdamm in der Nähe der Michaeliskirche gegründet, die ihrerseits ursprünglich dem Stift inkorporiert war. In diese Zeit fiel auch bereits die Gründung des Sandstifts auf der Sandinsel sowie der Adalbertskirche auf dem linken Oderufer. In der zweiten Jahrhunderthälfte traten die Nikolaikirche im Westen und die Mauritiuskirche im Osten hinzu. Auf dieselbe Zeit dürften auch die Anfänge der herzoglichen Burg auf dem linken Oderufer zu datieren sein. 1214 erfolgte die Gründung des Stifts zum heiligen Geist in dem Winkel zwischen der alten Ohlaumündung und der Oder gegenüber dem Sandstift. Soweit die erste bauliche Phase Breslaus. Sie währte bis in das Jahr 1241. Beim Einfall der Mongolen brannte das gesamte Breslau links der Oder nieder. Die Stadt mußte neu errichtet werden – ein Akt, der in dieser frühen Zeit einer zweiten Gründung gleichkam. Denn nun wurde das Gebiet um den Ring erschlossen und damit nach der Dominsel ein zweiter, ein bürgerlicher Schwerpunkt gesetzt. Die Straßen verliefen parallel zu den Seiten des Rings und schnitten sich rechtwinklig. Die bis heute erfahrbare topographische Szenerie im Zentrum der Stadt war fixiert und blieb verbindlich. Als zweite Platzanlage formte sich der Salzring heraus. Doch sollte es noch dauern, bis auch der Ring seinen baulichen bürgerlichen Mittelpunkt erhielt. Noch einmal wirkte zunächst die geistliche Seite prägend. Die Elisabethkirche und in einigem Abstand die Magdalenenkirche erlebten ihre Anlage gleichfalls noch im 13. Jahrhundert. Das Gebiet an der Oder entlang reservierte sich der Herzog. Hier wurde die Herzogliche Burg hochgezogen, die seit Karl IV. den Namen ›Kaiserliche Burg‹ bzw. ›Des Kaisers Hof‹ trug. Sie nahm die Stelle ein, an der später zunächst die Leopoldina und dann die Friedrich-Wilhelms-Universität ihr Quartier beziehen sollten – ein dritter und jedem Breslau-Besucher unvergeßlicher architektonischer Akzent. Der übrige Raum wurde größtenteils für kirchliche Gründungen vergeben. Das Matthiasstift entstand, das später das Matthiasgymnasium beherbergte; das Klarenstift wurde gegründet, später zum Ursulinenkloster umgewidmet; das Jakobsstift fügte sich hinzu, seit 1529 Vinzenzstift genannt – eine bis heute erfahrbare klösterlich-klerikale Trias auf engstem Raum hatte ihr bauliches Antlitz empfangen. Noch zu Ende des 13. Jahrhunderts kam es auf der Dominsel zur Gründung des Kreuzstifts sowie des Katharinenklosters direkt neben St. Adalbert. Und

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

ebenfalls noch in das Ende des 13. Jahrhunderts fällt die Umleitung der Ohlau und ihre Nutzung als innerer, mit vielen Türmen besetzter Wallgraben, dem von Anfang an im weiteren Umkreis ein äußerer entspricht, eben der spätere Stadtgraben. Der Raum zwischen den beiden Gräben wurde seit der Mitte des 14. Jahrhunderts bebaut und mit Straßen überzogen. Sie folgen dem gegebenen Lauf der Gräben und erscheinen damit abgesetzt von der älteren quadratischen Bauführung um den Ring. In die frühe Zeit fällt die Gründung der Johanniterkommende und der Corpus-Christi-Kirche, etwas später die der Dorotheenkirche, der sog. Minoritenkirche. Die gleichfalls mit Türmen besetzte äußere Stadtmauer wurde nun mit den Haupttüren versehen. Sie alle tragen klangvolle Namen, wie sie sich die Jahrhunderte über erhalten sollten und Richtmarken und Wegweiser für die in die Stadt strömenden Menschen blieben: Schweidnitzer Thor, Nikolai-Thor, Oder-Thor, Sand-Thor, Neustädter Thor und – nach der Hineinnahme der Neustadt in die Befestigung – ZiegelThor, Ohlauer-Thor, Taschen-Thor. Bereits zu Ende des 14. Jahrhunderts kam die Anlage der mittelalterlichen Stadt zu einem Abschluß. Einem Wunder gleich sollte sie sich in den prägenden Strukturen wiederum die Jahrhunderte über bewahren.2

Topographisch-soziale Aspekte Verglichen mit den kommunalen Zentren des deutschen Südwestens war Breslau eine junge Gründung. Was da vor der Mitte des 13. Jahrhunderts bestand, ging im Mongolensturm 1241 restlos zugrunde. So gesehen währte ihre Geschichte bis zum Untergang im Jahre 1945 eben siebenhundert Jahre. Die Lage an einem großen Fluß wie der Oder hat die Stadt in anderer Weise geprägt als vergleichbare große Handelsstädte wie Hamburg oder Rotterdam oder Antwerpen. Sie blieb eine durch ihre ausgezeichneten Landverbindungen charakterisierte Stadt, wohingegen der Fluß die jedem Besucher noch heute sogleich ins Auge fallende und beeindruckende Anlage bestimmte. Die Hohe Straße, die von Leipzig aus über Görlitz nach Breslau und von dort weiter nach Krakau, Lemberg und Kiew ihren Weg nahm und die entscheidende Verbindung aus dem Reich in den Osten blieb, verzweigte sich genau in Breslau, indem von der Odermetropole aus Straßen in der einen Richtung über Posen nach Thorn und Danzig, in der anderen durch das Marchtal an die Donau und weiter nach Ungarn führten. Die Stadt selbst aber wurde an einer Stelle gegründet, wo die Oder durch Stromspaltung bzw. Einmündung

43

44

|  Silhouette Breslaus

mehrerer Nebenflüsse und Inselbildung dem planerischen Geist besondere Möglichkeiten bot. Auf einer der Inseln entstand der Bischofssitz, von dem die Baugeschichte auf der Dominsel mit dem Dom und der Kreuzkirche ihren Ausgang nahm, die zusammen mit dem Augustinerstift und der Marienkirche auf der Sandinsel zu einer der eindrucksvollsten geistlichen Ensembles im alten Deutschland heranwuchs. Die landesherrliche Gewalt siedelte am Oderufer, doch überlebte ihre Burg nicht, sondern ging über in den gewaltigen Gebäudekomplex der Jesuiten, der bis heute das Bild an der Oder bestimmt. Weder die geistliche noch die weltliche Herrschaft prägte mit den entsprechenden repräsentativen Residenzbauten längerfristig das Stadtbild, sondern die jüngere Kraft des Handelsbürgertums. Die Neugründung der Stadt nach ihrer Zerstörung durch die Mongolen wurde von vornherein auf die weitesten Dimensionen hin angelegt, um der Kaufmannschaft optimale und im Osten einmalige händlerische Voraussetzungen zu bieten. Der Breslauer Ring hatte in dieser Größe kein Vorbild, wurde aber alsbald von Krakau, von Posen und von Bochnia (deutsch: Salzberg) imitiert. Hier in der Mitte lag das Rathaus in seinen gewaltigen Ausmaßen, lag das Kaufhaus mit seinen 40 Tuchkammern, lagen die Hallen und Bauden für die Seiden- und Baumwollstoffe, die Kolonialwaren und Metalle, die Produkte der Leineweber, der Brot- und Semmel-, der Schuh- und Lederbänke etc. Dazu aber trat alsbald der benachbarte Salzring, auf dem nicht nur Salz vertrieben wurde, sondern auch die Seilerbauden standen und während der Messezeit das Heer der Händler zumal aus Rußland sich einfand, trat der Neumarkt, traten die Fleischbänke an verschiedenen Stellen der Stadt, die Straßen der verschiedenen Handwerker etc. Ein derart weiträumiges, vielgestaltiges und multifunktionales Ensemble hatte keine andere Stadt im Reich oder im Osten aufzuweisen. Der Handel aber, der sich da entfaltete, ruhte auf dem Austausch des gewerbereichen Westens mit dem rohstoffreichen Osten, der sich an Breslau wie an keiner anderen Stelle sonst schnitt. Web- und Metallwaren wurden gegen Waldprodukte wie Wachs und Honig, Pelzwerk, Häute und Vieh getauscht, später traten Kolonialwaren aus dem Mittelmeerraum und dem Orient hinzu. Und alsbald wuchs an der kaufmännischen Niederlassung und in seiner Umgebung ein eigenes Handwerk heran, das dem Handel seine Produkte zuführte.3

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Rat und ratsfähige ›Geschlechter‹ So nimmt es nicht Wunder, daß das Handelsbürgertum auch politisch und verfassungsrechtlich auf lange Zeit das Heft in der Hand hielt. Schwerlich wird man behaupten wollen, daß dem Rat der Stadt Breslau eine ähnlich herausragende Stellung im städtischen Sozialkörper eigen gewesen wäre wie etwa in Nürnberg oder Augsburg oder Straßburg. Auch kam es nicht zu gleich markanter gildenmäßiger Abgrenzung wie im Nordosten. Die vielfältigen Rücksichtnahmen, die Breslau im schwierigen schlesisch-böhmisch-habsburgischen Herrschaftsgefüge zu beobachten hatte, bewirkten stärker als anderwärts den Versuch, die gesamte Bürgergemeinde in alle wichtigen Entscheidungen einzubinden und auf einen breiten Konsens hinzuarbeiten. Auch war das Ratsamt in Breslau viel weniger als im Südwesten das Privileg einiger, teilweise über Jahrhunderte regierender Familien. Die ›Geschlechter‹, wie die ratsfähigen Familien auch in Breslau hießen, lösten sich rascher ab, rekrutierten sich insgesamt aus einem breiteren personellen städtischen und auswärtigen Reservoir, was gleichfalls der prononcierten Profilierung einzelner Familien entgegenwirkte. Wenn sich gleichwohl eine Reihe von Namen bis heute im Gedächtnis bewahrt haben, so in der Regel nicht nur aufgrund der Ratszugehörigkeit alleine, sondern im Bunde mit anderen, zumeist mäzenatischen und kulturellen Verdiensten. Die Namen der Haunold, Metzler, Monau, Rhediger, Reichel, Rybisch, Sebisch und wie sie sonst heißen zu hören, ist für den ortskundigen Sachwalter der geistigen Überlieferung der Stadt und ihrer Institutionen mit beglückenden Reminiszenzen verbunden. Wir werden einigen von ihnen an späterer Stelle wieder begegnen. Dabei ist es interessant zu beobachten, wie sich das berufliche Profil im Einzugsbereich der über 300 Familien des Rats bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wandelte. Selbstverständlich hielt sich das Handelsbürgertum als dominanter Faktor über durch. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts aber war unübersehbar, daß das akademische Studium den Zugang zum Rat in den Kaufmannsfamilien begünstigte – eine Qualifikation, die alsbald gerne weiterführte zum Amt des städtischen Syndikus oder Ratskonsulenten, wie er für die Sozialgeschichte der Literatur aus dem Umkreis Breslaus von so großer Bedeutung werden sollte. Wie immer in der Sozial- und Funktionsgeschichte der Akademiker ist selbstverständlich auch für Breslau zu konstatieren, daß sich über den gelehrten Aufstieg in den Rat die sozialen Abgrenzungen zumindest im Blick auf die Herkunft der Ratsmitglieder verschliffen und nun auch Söhnen aus handwerklichem Milieu der Ratszugang über das Studium gelang. In der Ratsliste aus dem

45

46

|  Silhouette Breslaus

Jahr unmittelbar vor Übergang an Preußen spielte das studierte Beamtentum dann bereits die entscheidende Rolle in der Zusammensetzung des obersten kommunalen Kollegiatorgans.4

Handwerk und ständisch-soziale Konflikte Selbstverständlich blieb auch Breslau der Konflikt mit dem in den Rat drängenden zünftigen Handwerk nicht erspart; wie fast überall endete er auch in Breslau mit einer Abwehr der Ansprüche von unten. Den großen Kaufmannsfamilien stand ein vielfältiges und reich gegliedertes Handwerkertum gegenüber. 1403 zählte man 1613 Handwerker und kleine Händler, die insgesamt 92 verschiedene Berufe ausübten, darunter seltene und anspruchsvolle wie Glocken- und Erzgießer, Glasmaler und Uhrmacher. In der Prager Altstadt gab es nach dem Hussitensturm zur gleichen Zeit nur noch 65 verschiedene Handwerksberufe, in Frankfurt wenig später 106. Breslau lag ganz an der Spitze; im Bereich Kleidung und Textilien war die Stadt führend. Bezeichnenderweise loderten die Konflikte mit dem Rat in der Zeit der Hussitenkriege besonders heftig auf. Der Aufruhr ging von den Fleischern und Tuchern aus. Am 18. Juli 1418 stürmten sie das Rathaus, in dem der Rat zur Sitzung versammelt war. Sieben Ratsherren fielen dem Anschlag zum Opfer, darunter die beiden Zünftler unter den Ratsmitgliedern, der Kretschmer Nicolaus Feistling und der Mälzer Nicolaus Neumarkt. Doch der Erfolg währte nur kurze Zeit. Auf dem einzigen Reichstag, den Breslau während seiner Geschichte innerhalb seiner Mauern gesehen hat, klagten zwei Jahre später die gewaltsam abgesetzten Ratsherrn gegen die Aufrührer. Der frisch an die Macht gelangte böhmische König und spätere Kaiser Sigismund, zum Kampf gegen das Hussitentum entschlossen, gab der Klage nach. In einem Blutgerichtsverfahren wurden 23 Beteiligte am Aufstand zum Tode verurteilt und auf dem Großen Ring in Breslau enthauptet. Sie entstammten allesamt dem Zunftbürgertum. Dreißig weitere Beteiligte, die flüchten konnten, wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt, siebenundzwanzig Geflüchtete des Landes auf ewig verwiesen. Zugleich wurden den Zünften die meisten Freiheiten genommen. Für die gesamte Regierungszeit Sigismunds wurden die Zünftler von der Teilnahme am Rat ausgeschlossen. Später wurde nach dem Vorbild Nürnbergs den Handwerkern die Besetzung von zwei Ratsherren- und zwei Schöffenstellen zugestanden; de facto blieben sie wie anderwärts ohne Einfluß.5

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Demographie und Stratifikation Es bleibt zu bedauern, daß bislang für Breslau weder qualifizierte Untersuchungen zur Akademikerschaft in der Frühen Neuzeit noch auch zur Geschichte der unterständischen Schichten der Bevölkerung vorliegen. Auch die Neubearbeitung des jüngst erschienenen Schlesischen Städtebuchs läßt den Leser im Blick auf diese entscheidenden Fragen so gut wie völlig im Stich. Stratifikation scheint auch fünfzig Jahre nach dem verdienstvollen Keyserschen Werk immer noch ein Fremdwort zu sein. Die letztere Frage, deren Beantwortung erst ein hinlänglich scharfes Bild von den grassierenden Armutsproblemen auch in der östlichen Metropole vermitteln würde, muß deshalb außerhalb unseres Blickwinkels bleiben. Breslau zählte um 1400 rund 13.000 bis 14.000 Einwohner und stand damit nur geringfügig hinter den größten und älteren Städten im Westen wie Köln und Lübeck, Nürnberg und Straßburg zurück; im Osten erreichte allenfalls Prag ähnliche Dimensionen. Um 1500 waren es bereits 18.000 bis 20.000. Steuerrechtlich aber war fast jeder zweite Breslauer genau wie in anderen großen Städten besitzlos. Die Zahl der Mieter überstieg die der Hausbesitzer. Entsprechend war das vorreformatorische Breslau gleich anderen großen Städten des späten Mittelalters von einem Netz frommer Stiftungen und mildtätiger Einrichtungen durchzogen, deren Dichte und Mannigfaltigkeit der Aufgaben zu begreifen keine moderne Vorstellung hinreicht. Acht Hospitäler nahmen sich der Kranken und Hilflosen an; das Lazarus-Spital stand für die Aussätzigen bereit. Zu dem dunklen Bild gehören auch die nicht endenden Judenpogrome in Breslau. Sie erreichten ausgerechnet unter den Haßpredigten des Franziskaners Johannes de Capistrano in der Mitte des 15. Jahrhunderts ihren Höhepunkt.6

Einzug der Reformation Soziale Antagonismen blieben aufs engste an religiöse Orientierungen und Auseinandersetzungen gebunden. Deshalb tut der Historiker weiterhin gut daran, auch auf diesem Feld synoptisch zu verfahren – und sei es einleitend auch nur summarisch. Die Reformation war in Breslau ausnahmsweise auf leisen Sohlen gekommen. Das hatte persönliche und sachliche Gründe. Dem Rat der Stadt lag – wie anderwärts – nichts an einer spektakulären Loslösung von der alten Kirche in einer Zeit, da der Wechsel der Oberherrschaft sich abzeichnete und der Übergang der Gewalt an die Habsburger nur noch

47

48

|  Silhouette Breslaus

eine Frage der Zeit war. Die schon aufgeflackerten politischen und sozialrevolutionären Unruhen im Reich schreckten und beförderten die Suche nach moderaten Lösungen. In unmittelbarer Nachbarschaft am Liegnitzer Hof betrieb Kaspar Schwenckfeld in der schlesischen Tradition des mystischen Spiritualismus die weit über Luther hinausgehende radikale Lösung vom Katholizismus zugunsten einer immateriellen und institutionell nicht verfestigten Kirche des Geistes inmitten der von der göttlichen Gnade erleuchteten wahren Gläubigen. Tradition, Überlieferung, jedwede symbolische Handlung im klerikalen Zeremoniell versank vor der ins Innere verlegten heiligen Erfahrung. Der Breslauer Rat hatte die Konsequenzen dieser Option von Anfang an scharf im Auge und wehrte den Anfängen konsequent. Nur so blieb ein Zusammenwirken mit der bischöflichen Gewalt auf der Dominsel denkbar, wie es sich in den kommenden Jahren tatsächlich und in einer für die deutsche Kirchengeschichte vermutlich einmaligen Weise vollzog.7 In dieser Situation kam eine Gestalt wie gerufen, die aus gänzlich anderer Bewandtnis heraus eben diesen Weg zu beschreiten bereit war. Ein weiteres Mal zeichnete sich für eine gute Weile ein Bündnis zwischen humanistischen und kirchlich-reformorientierten Vertretern ab und ließ die Chancen dieser Symbiose deutlich werden, der im unmittelbaren Umkreis Luthers die Entfaltung versagt war. Wir haben ein erstes und vorerst knappes Wort über den illustren Breslauer Reformator verlauten zu lassen, auf den aus gegebenem Anlaß auch in folgenden Kapiteln wiederholt zurückzukommen ist.

Die Gestalt von Johann Heß Der aus Nürnberg gebürtige Johann Heß (1490–1547) suchte seit seiner Ausbildung auf der berühmten Zwickauer Ratsschule den Kontakt mit dem jungen Humanismus. Er fand ihn in Leipzig bei Johannes Rhagius Aesticampianus, der ihm die Welt der Latinität und der lateinischen Kirchenväter erschloß, zugleich aber auch schon den Blick auf die heimatliche Geschichte lenkte, hatte er doch 1509 Tacitus’ Germania herausgegeben. Und er fand ihn auf andere Weise in Wittenberg im Kreis um Martin Pollich und Georg Spalatin, in Erfurt in demjenigen um Eobanus Hessus, Joachim Camerarius, Crotus Rubeanus und anderer. Der Breslauer Bischof Johannes V. Thurzo, in dessen Wirkungsfeld Heß frühzeitig lebensbestimmend geriet, war selbst ein Verehrer des Erasmus und öffnete seinen Hof den Humanisten. Hier begann die Arbeit an der leider nicht erhaltenen, wohl aber indirekt vielfach bezeugten Silesia Magna. Mit ihr reihte

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

sich Heß ein in die nicht abreißende illustre Reihe der schlesischen Landeskundler seit der Frühzeit des Humanismus. In Italien, wo er in Bologna (nach Bellardi, oder aber in Ferrara nach Köstlin) den theologischen Doktorgrad, sodann in Rom die Diakonatsweihe empfing, weilte er in unmittelbarer Nachbarschaft der Humanisten und vervollständigte seine griechischen Studien. So ist es kein Zufall, daß nach Begegnungen mit Vadian in Wien, Oecolampad in Augsburg, Pirkheimer in Nürnberg diejenige mit Melanchthon in Wittenberg – mehr noch als die gleichzeitige mit Luther – zu einer lebenslänglichen Freundschaft führte. »Seit diesem Wittenberger Aufenthalt des schlesischen Reformators stand Melanchthon Pate bei dem Siegeszug der Reformation in Schlesien.«8

Institutionalisierung der neuen Botschaft 1523 wurde Heß als erster evangelischer Pfarrer nach Breslau an die eine der beiden städtischen Pfarrkirchen St. Maria Magdalena berufen, bevor ihm wenig später Ambrosius Moibanus an die zweite zu St. Elisabeth folgte. Breslau stand damit keineswegs an der Spitze in Schlesien. Schon 1521 war in Freistadt evangelisch gepredigt und ein Jahr später während des Abendmahls der Kelch von den Laien genommen worden. Zu gleicher Zeit waren bereits die Wiedertäufer aufgetreten. Und eben jetzt setzte die evangelische Predigt auch in Goldberg sowie in Liegnitz unter Herzog Friedrich II. ein. Auch in Breslau war, wie wir insbesondere aus dem hochinteressanten und von Gustav Bauch in seiner Geschichte des Breslauer Schulwesens mitgeteilten Brief des Stanislaus Sauer aus dem Breslauer Domkapitel nach Rom vom 3. Mai 1521 wissen, die Menge enthusiasmiert von der neuen Botschaft. Die Schlag auf Schlag auf den Markt kommenden Luther-Drucke fanden reißenden Absatz und ein jubelnd mitgehendes Publikum. Was aber die Installation eines Predigtamtes anging, so lagen die Dinge in Breslau doch anders und komplizierter. Der Ruf zur Übernahme eines Pastorats in der Stadt hätte selbstverständlich an Heß wie wenig später an Moibanus vom Bischof ausgehen müssen; tatsächlich usurpierte der Rat das Recht mit stillschweigender Duldung des weisen, gleichfalls den Konflikt meidenden Bischofs. Heß bewährte das in ihn von beiden Seiten gesetzte Vertrauen, indem er seinerseits von jedweder spektakulären Geste oder Aktion in der ihm anvertrauten Kirche und Gemeinde Abstand nahm – und dies in enger Abstimmung mit Luther wie mit Melanchthon.9

49

50

|  Silhouette Breslaus

Heß als Disputant In einer von dem Rat angesetzten Disputation, in der er den späteren berühmten Goldberger Gymnasial-Rektor Trozendorf als Spezialisten für das Hebräische und einen gewissen Antonius Niger für das Griechische zur Seite hatte – die Heilige Schrift lag in beiden Grundtexten während der Disputation aus! –, legte er die Grundsätze seines Glaubens- und Amtsverständnisses dar. »Die Thesen handelten in drei Abschnitten vom Worte Gottes, welches als das reine, von Gott uns geschenkte Licht durch keine Menschensatzung verunreinigt werden dürfe, welches insbesondere die Obrigkeiten in seinem Laufe zu fördern und nicht zu hemmen verpflichtet seien, und über welches Alle öffentlich und privatim frei zu sprechen, zu lehren und zu hören die Befugniß haben, – vom Priesterthume Christi, welcher ein für allemal sich für uns zum Opfer dargebracht habe und als unser vollendeter, einziger, ewiger Priester zur Rechten Gottes sitze, so daß es keinerlei ander Opfer für die Sünden noch eine wiederholte Opferung Christi gebe, demnach die Messe kein Opfer sein könne, sondern nur ein Gedächtniß des einmal vollbrachten Opfers, wobei man auch nicht äußerliche Ceremonien, sondern nur des Glaubens bedürfe, – endlich von der Ehe, welche von Gott eingesetzt, von Christus gebilligt und von Aposteln und Märtyrern angenommen worden sei, welche demnach Niemand Jemandem wehren dürfe.« Damit waren entscheidende Gegenpositionen zur herrschenden katholischen Praxis formuliert, ohne daß Heß die zentralen Gehalte der neuen Lehre wie das sola-fide-Prinzip eigens exponiert hätte. Es ging ihm bezeichnenderweise vor allem um die Praxis. Jetzt hatte er Gelegenheit, seine irenischen Grundsätze zu bewähren, die sich vor allem in die Melanchthon so wahlverwandte Hoffnung kleideten, die Einheit der Kirche durch Mäßigung auf allen Seiten doch noch retten zu können.10

Karitative und gelehrte Aktivitäten Heß wandte sich der Neuordnung der Liebestätigkeit in der Stadt zu, in der er in Übereinstimmung mit den Schweizer und Straßburger Reformatoren den eigentlichen evangelischen Auftrag der Kirche erblickte. Es wurden alle Kranken, Armen und Bettler zusammengerufen, durch Ärzte untersucht, die Kranken in Hospitäler eingewiesen, die Gesunden zur Arbeit angehalten oder ausgewiesen. »Durch dieses energische Vorgehen, das in der Geschichte der Reformation ganz vereinzelt dasteht, wurde der Straßenbettel fast ganz beseitigt und dem wirklichen Elend mit fast neuzeitlich anmutenden Methoden begegnet.« 11

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Auf der anderen Seite hielt Heß am humanistischen, über Melanchthon vermittelten Erbe fest und nutzte gemeinsam mit Moibanus das Forum beider städtischer gelehrter Schulen konsequent, um in der Stadt ohne Universität eine rege Vorlesungstätigkeit zu entfalten. Er las – in lateinischer Sprache und auf der Basis eines lateinischen Textes – über die alttestamentarischen Bücher, den Prediger Salomo, das fünfte Buch Mose, den Propheten Jesaia und vor allem die Psalmen. Die Vorlesungen fanden in jenem Lokal statt, da später die Bibliothek der Kirche und des Gymnasiums Aufstellung finden sollten.12 Moibanus sekundierte an der Elisabethschule im Auditorium, in dem später gleichfalls die Bibliothek Platz fand, mit Vorträgen über das Hebräische, unterstützt von Laurentius Corvinus und dem Doktor beider Rechte, späteren Ratsherrn und Landeshauptmann Johannes Metzler, der die griechischen und lateinischen Klassiker kommentierte – Stoff genug also für eine eingehendere Würdigung an späterer Stelle.13

Breslauer Sonderweg Das Kirchenwesen stand – genauso wie das Schulwesen – unter der Aufsicht und Leitung des Rates, der als Inhaber der Landeshauptmannschaft des Fürstentums Breslau zugleich im Namen des Königs das Jus circa sacra ausübte. Die Stadt blieb gleichwohl dem massiven Druck des Landesherrn ausgesetzt. Schon bei Gelegenheit der Krönung in Prag hatte Ferdinand I. durch Kanzler Harrach Anweisung gegeben, die kirchlichen Verhältnisse in der Stadt in den alten Zustand zurückzuführen. Anläßlich der Erbhuldigung in Breslau selbst wurden die Forderungen wiederholt. Wenig später ging aus Wien ein Erlaß des Königs ein, der auch die Lutheraner unter die zu Ächtenden rechnete. Der Rat replizierte standhaft, daß er bereit sei, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers sei, in geistlichen Dingen jedoch keine Gewalt hinnehmen könne. Das entsprechende Dokument zeigt, welche politischen Kräfte auch des Widerstands die Begegnung mit der neuen Lehre selbst in dem übervorsichtigen Rat freigesetzt hatte. Ehrhardt würdigt es als »ein ewiges Ehren=Zeichen jenes im Bekenntniß der reinen Lehre so standhaften Collegii Senatorii«. »Letztlich bitten sie alle«, so Ehrhardt in seinem Auszug, »Jhro Königl. Maj. wollten ›Sich begnügen lassen, in dem, daß sie Jhro K.M. gehorsam seyn wollten, als fern ihr Leib, Gutt u. Leben reichet u. wendete: Allein, dieweil keine Creatur weder im Himmel noch auf Erden sprechen möge zu ihrer Seele: Jch habe dich in meiner Macht, dich in die ewige Verdammniß zu stossen, denn alleine Gott; So wolten Jhro Königl. Maj. sie im Glauben u. Wort nicht so härtiglich verfassen,

51

52

|  Silhouette Breslaus

sondern ihnen zugeben u. gönnen, (wie denn J.K.M. als ein christl. König vor Gott schuldig wäre,) daß sie dem Könige geben, was dem Könige zugehöret, u. Gotte, was Gott von ihnen fordert.‹«14 Die Breslauer verwiesen stolz und nicht ganz ohne Raffinesse darauf, wieviel an altgläubigem Zeremoniell in ihren Kirchen erhalten geblieben sei. Wenn es im Ganzen glimpflich abging, so deshalb, weil sich der Bischof vermittelnd mehr als einmal zwischen Rat und König einschaltete. Würde das Breslauer Modell, so bedeutete man, akzeptiert, so vermöchte es im Lande Schule zu machen und dem Sektierertum ein Ende zu bereiten. Und es behauptete sich. Als später nach der Verabschiedung des Augsburger Religionsfriedens Ferdinands Sohn Maximilian II. zur Erbhuldigung nach Breslau kam (1563), bestätigte er ausdrücklich, daß der moderate Breslauer Weg vorbildlich sei und empfahl, ihn weiter zu beschreiten – und das, obwohl ein Fürsprecher der Protestanten wie Adam Cureus die Confessio Augustana als verbindlich für die Kommune bezeichnet hatte.15 Durch den Majestätsbrief wurde sie schließlich 1609 als gleichberechtigtes Bekenntnis neben dem Tridentinum für ganz Schlesien und damit auch für Breslau anerkannt. Mit der Einrichtung eines städtischen Konsistoriums war die Reformation unmittelbar vor Einsetzen des Dreißigjährigen Krieges auch institutionell in Breslau abgeschlossen und gesichert. Das besonnene Verhalten des Rates hatte dazu beigetragen, daß die Errungenschaften der Reformation erhalten wurden. Er schuf damit dem Protestantismus in Schlesien jenes Rückgrat, das ihm die Fürsten auf Dauer nicht zu geben vermochten.

Innerprotestantische Auseinandersetzungen Wie in Schlesien überhaupt, so ist auch in Breslau spätestens seit der Mitte des Jahrhunderts die Auseinandersetzung mit der kaiserlich-katholischen Seite überlagert von der innerprotestantischen. Der Rat wachte in völliger Übereinstimmung mit den nicht endenden Ermahnungen Melanchthons aufs schärfste darüber, daß der innertheologische Streit nicht auf der Kanzel ausgetragen und vor die Öffentlichkeit gebracht wurde. Bekannt ist der Fall des Esaias Heidenreich, der seit 1569 als Pfarrer an St. Elisabeth wirkte und zugleich das wichtige Amt eines städtischen Vorstehers des Breslauer Kirchen- und Schulwesens innehatte. Ihm wurde ungeachtet seiner herausragenden Position fristlos gekündigt, nachdem bekannt geworden war, daß er seine Stelle nutzte, um gegen Calvinisten, Arianer und Antitrinitarier zu polemisieren. Der Herr Doktor, so heißt es da, habe sich vergangen »damit und

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

dadurch, das er fast in allen Predigten von den Antitrinitarien, alten und neuen Arianern undt denen gleichförmigen Caluinisten, […], derselbigen Büchern und Conuenticulis auf der Canczel so viel beschwerliches Geschreyes macht«. Der Rat wußte, wem das zugute kam, denn eine solche »Unbescheidenheit nachmals unsere Widersacher, alß die darob ein sonderes Wolgefallen und Frolocken tragen, auf den Predigtstulen und sonsten ferner ausschreyen, ausbreiten und forttragen.« Heidenreich verteidigte sich, er habe »die Calviner, Schwenckfelder und Wiedertaufer […] wegen der hohen Obrigkeit und auch sonsten Befehl stetig vorworfen«, verschanzte sich also hinter den politischen Instanzen, die aber im Falle Breslaus unter allen Umständen an Ruhe im konfessionellen Hader interessiert waren, um das kaiserliche Mißtrauen nicht zu schüren. Neigte doch mehr als einer im Rat und Patriziat nicht anders als in der Gelehrten- und Pfarrerschaft zu dem Reformiertentum.16

Rolle des Calvinismus Martin von Gerstmann, angesehener Bischof Breslaus, hatte zunächst ohne Namensnennungen auf das Eindringen des Calvinismus in die städtische Aristokratie hingewiesen. 1584 verdächtigte er gleich eine ganze Phalanx führender Geister, darunter Andreas Dudith und Johannes Crato von Crafftheim, Jakob Monau und Nikolaus Rhediger, Johann Heermann und Johann Matthäus Wacker von Wackenfels, die uns alle noch begegnen werden, am königlichen Hof des Calvinismus. Der Rat erhielt den Auftrag, darüber zu berichten. Er fürchtete die Einmischung des Bischofs in seine Jurisdiktion und bat daher den königlichen Kammerfiskal und ehemaligen Breslauer Syndikus Johann Heß, den Sohn des Reformators, »diese bekümmerte Sache aus angeborener Liebe zu seinem lieben Vaterland und der wahren christlichen Religion, mit höchstem Ernst und Fleiß sich angelegen sein zu lassen, damit solch angehendes Feuer in Zeiten gedämpft und daraus unserer Religion, Kirchen und Schulen und gemeiner Stadt, auch der ganzen Posterität nicht etwa unverwindlicher Schaden zugefügt und beigebracht werde.« Heß tat das in geschickter Weise und der Rat spielte die Sache herunter, weil sich ja niemand öffentlich zum Calvinismus bekenne.17 Dies nun im Unterschied zu dem größten Theologen, den Breslau im 16. Jahrhundert in seinen Mauern gehabt hat und der das Feld schließlich resigniert räumte. Der gebürtige Breslauer Zacharias Ursinus wirkte seit 1558 an der Schule St. Elisabeth. Er stand nicht nur mit Melanchthon, sondern auch mit Calvin und Theodor Beza in Kontakt. Das genügte, um ihn Verdächtigungen der

53

54

|  Silhouette Breslaus

lutherischen Theologenschaft auszusetzen. Jedweder Polemik feind, setzte Ursinus auf die Macht des überzeugenden Arguments und bereitete Thesen über die Sakramente, zumal über das Abendmahl und die Taufe vor. Ihr Druck wurde verhindert und Ursinus quittierte den Dienst, um alsbald im reformierten Heidelberg eine neue Heimat zu finden, wo er mit Caspar Olevian zum Schöpfer des berühmten Heidelberger Katechismus wurde, der 1563 als Teil der Heidelberger Kirchenordnung erschien. Ein paar Jahre später konnte der streitbare Lutheraner Tileman Heshusen sein Bekandtnuß vom Heiligen Nachtmal bei Scharffenberg zum Druck bringen, in dem er in gut lutherischer Manier die Ubiquität des Leibes und Blutes Christi verteidigte, die doch der gerade in Breslau vorherrschenden melanchthonschen Linie zuwiderlief.18 Der Coup zeigte, daß es in der Stadt und Kirchenverwaltung Kräfte gab, die dem Treiben der Gnesiolutheraner vom Typ des Flacius Illyricus durchaus zuneigten. Nur so wird man das unverkennbare und im einzelnen nicht nachvollziehbare Schwanken des Rates erklären können, wie es im Falle des Pfarrers von St. Magdalenen Adam Cureus d.Ä. zutage trat. Er war des Zwinglianismus verdächtigt worden, hatte sich vor seinen Schülern ungeschickt, aber ganz ratsgemäß unter Berufung auf Melanchthon verteidigt. Der Kirchen- und Schulinspektor hatte wohlwollend noch versucht, die Angelegenheit zu kaschieren, dennoch mußte der Unglückselige gehen. Der Rat wollte offensichtlich ein Exempel statuieren. Man schrieb das Jahr 1590, die Fronten begannen sich zunehmend zu verhärten und die Unsicherheit und Nervosität wuchs. Cureus ging nach Liegnitz, wo wenig später der Prozeß gegen den des Kryptocalvinismus verdächtigten Leonhard Krentzheim anhob; so fand er gleichfalls erst an der Alma mater in Heidelberg seine Ruhe.19 Zu Ende des Jahrhunderts schließlich kam Opitzens späterer Lehrer am Magdaleneum Johannes von Hoeckelshoven ins Gerede, demzufolge er »der calvinischen Sekte angehöre und heimlich das sakramentiererische Gift der Schuljugend mit dem Hasse gegen die Rechtgläubigen einträufele.« Das war die Sprache der rechtgläubigen Lutheraner, mit der sie Eintracht einklagten und fortwährend Zwietracht säten. Im Falle Hoeckelshovens ging es um mehr als um Theologica. Der angesehene und fortschrittliche Rektor, der das Magdaleneum auf den Weg zum Gymnasium führte, bediente sich der Methode des Pariser Dialektikers und Calvinisten Petrus Ramus. In seiner 1617 erschienenen und auf Ramus fußenden Didactica hatten sich Dornau, Köler, Exner und Titus vom Beuthener Gymnasium aus zu ihm bekannt, sie alle zum reformierten Bekenntnis tendierend. Der Rat hielt gleichwohl seine schützende Hand über den bedeutenden Schulmann.20

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Der Formationsprozeß der deutschen Literatur ist ohne diesen atmosphärischen Hintergrund, welcher bestimmende Wirklichkeit für die junge Generation um Opitz war, nicht zu denken und die Literatur selbst, mehr als bislang gesehen, von dezenten Signalen zugunsten der Inkriminierten durchzogen.

Reformierter Kairos im Zeichen des Böhmischen Aufstands Ein einziges Mal durften sie frohlocken. Das war nach dem Ergreifen der Böhmischen Königskrone durch den reformierten Pfälzer Kurfürsten Friedrich V. im Jahre 1619. Da scharte sich plötzlich um den jungen Hoffnungsträger, was bislang ein Leben im Verborgenen geführt hatte. Friedrich war am 4. November 1619 in Prag zum böhmischen König gekrönt worden. Schon zum Weihnachtsfest 1619 konnte im benachbarten Herzogtum Brieg in der Schloßkirche zum ersten Mal das Abendmahl nach reformiertem Ritus gefeiert werden. Caspar Cunrad und seine Frau begaben sich mit Freund Sleupner dorthin, und alsbald brach in Breslau auf den Kanzeln ein Sturm los. Am 23. Februar 1620 traf Friedrich auf seiner Huldigungsfahrt durch seine Nebenländer in der schlesischen Hauptstadt ein. Breslau war geschmückt mit Ehrenpforten, Sinnbildern, Inschriften. Es war der Sonntag Sexagesimae. Der erste Gang führte den König in die Elisabethkirche. Zacharias Hermann, der Erste Prediger, begrüßte den König, der entblößten Hauptes antwortete. In seiner Begleitung befand sich sein Hofprediger, der gebürtige Schlesier und wortgewaltige Verkündiger Abraham Scultetus, der schon zuvor in Prag die Schloßkirche gereinigt und für den reformierten Kultus hergerichtet hatte. In Breslau hielt er sich zurück, verzichtete selbst auf die Predigt in der Elisabethkirche und ließ sich erst am darauffolgenden Sonntag in einem Saal der Königlichen Burg vor dem König, vor den reformierten schlesischen Herzögen Johann Christian von Brieg, Georg Rudolf von Liegnitz und Johann Georg von Jägerndorf sowie einer nun erstmals öffentlich versammelten großen Schar von Breslauer Patriziern und Gelehrten vernehmen. Zum ersten Mal durften die dem reformierten Bekenntnis Zuneigenden in ihrer Heimat selbst und nicht nur im reformierten Westen, den sie alle bereist hatten, ihr Bekenntnis öffentlich zelebrieren. Alsbald suchten sie bei dem König um die öffentliche Anerkennung und Bestätigung ihres Glaubens sowie um ein Gebäude zum Abhalten der Gottesdienste nach. Beides wurde genehmigt und interimistisch der große Saal auf der Kaiserlichen Burg als Kultstätte bereitgestellt. Das Unwahrscheinliche war binnen weniger Wochen wahr geworden. Inmitten der östlichen Metropole, in

55

56

|  Silhouette Breslaus

der die lutherische Reformation in größter Behutsamkeit unter den Augen des katholischen Bischofs vonstatten gegangen war, konnte nun die intellektuelle Führungsschicht daran gehen, eine reformierte Gemeinde einzurichten. Die großen klangvollen Namen der nobilitas literaria Vratislaviensis et Silesiae waren zur Stelle, als es die Vorsteher der Gemeinde zu nominieren galt: Paul Sleupner, Doktor beider Rechte und Fürstlich-Troppauischer Rat, Nicolaus Henel von Hennenfeld, Doktor beider Rechte und Syndikus des Fürstentums Münsterberg und des Weichbildes Frankenstein, Caspar Cunrad, Doktor der Medizin und Physikus der Stadt Breslau, Daniel Venediger, bischöflicher und kaiserlicher Rat sowie königlicher Kammerfiskal. Als Prediger wurde Bartholomäus Nigrinus bestellt.21

Die Katastrophe Am Palmsonntag beging die Gemeinde auf der Burg erstmals in Breslau das Abendmahl in der reformierten Weise des gemeinsamen Brotbrechens. Kaum aber hatte der König die Stadt verlassen, holten die Lutheraner zum Gegenschlag aus. Von der Kanzel tönte es und das Volk nahm die Parolen auf. Cunrad, so ist bezeugt, erhielt den Beinamen »der Calvinische Semmelsetzer auf der Burg«, einem anderen wurde gekündigt, »Weil Er ein Calvinist vnd bey dem heiligen Brodtbrechen administriret«, solche ›Mietschaft‹ könne weder den Nachbarn noch Weib und Kind zugemutet werden. Die Betroffenen beschwerten sich, daß sie »›mit ehrenrührigen tituln, Gotteslästerlichen schandt= vnd schmähewortten, deren auch coram piis auribus nicht zuegedenncken, ja mit grimmigen vnnd hefftigen betrowungen angetastet vnnd zum hochsten despectiret.‹« Noch im gleichen Jahr war alles vorbei. Am 8. November 1620 wurde Friedrich am weißen Berge bei Prag geschlagen, am 17. November weilte er als Geschlagener wieder in Breslau. Den Zuspruch, den er für die Verlorenen bereithielt, verdient in Erinnerung gehalten zu werden. Er verspricht und ordnet an, »›Jedermänniglich bey der Freyheit seines Gewißens vnndt bey habenden vndt hergebrachten Exercitio der Religion ruhiglich vorbleiben zuelaßen, vnnd darüber gnädigist zu manuteniren, zu schützen, vnnd hanndtzuhaben, Jn dehme Jhr Kön. Mt. Sich auß Gottes wortt zue genüge erinnere, dz die beherrschung der Gewißen den Menschen nicht zuestehe, sondern der Glaube eine gaabe Gottes deß Allmächtigen, vnnd vnsere wißenschafft in göttlichen und gaistlichen sachen in diesem leben nur stuckwerck vnnd gantz vnvollkomben, sowohl dz vielmehr der glaube durch werck der Christlichen liebe, gedultt, vnndt Sanfftmutt zuebezeigen vnd zu erweisen sei.‹«

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Das war die Philosophie auch der Humanisten im konfessionellen Zeitalter, die sich in diesem königlichen Wort wiederzufinden vermochten. Für sie aber wie für Reformierte und Lutheraner ohne Unterschied, von den vielbeschimpften »Sektierern« gar nicht zu reden, brach nun auch in Breslau eine Leidenszeit an, die ihre tiefen und ergreifenden Spuren nicht zuletzt in den Werken der Kunst hinterließ.22

Im Schatten Melanchthons Das 16. Jahrhundert hatte in Breslau aufs Ganze gesehen im Zeichen des Philippismus gestanden. Erst im 17. Jahrhundert wurde in die Bestallungen der Lehrerschaft wie der Geistlichkeit der explizite Bezug auf die Augsburgische Konfession vorgenommen. Als mit Thomas Sagittarius 1616 der Nachfolger des Petrus Kirstenius als Rektor bei St. Elisabeth installiert wurde, hatte er sich auf die unveränderte Augsburger Konfession aus dem Jahre 1530 zu verpflichten. Das nämliche wiederholte sich 1637 anläßlich der Einstellung des Pfarrers Joachim Fleischer bei St. Elisabeth. Erst damit war das strenge Luthertum im Gegenzug zu der scharfen Rekatholisierung ringsum im Land in der evangelisch gebliebenen Hauptstadt definitiv installiert und der Philippismus zu Grabe getragen – auch dies von schwer zu überschätzenden Konsequenzen nicht nur für die religiösen Denker und Sucher, sondern auch für die schreibende Zunft der Humanisten. Niemand anders als Melanchthon hatte den Breslauern bestätigt, daß die Kirche in ihren Mauern die friedfertigste in Deutschland gewesen sei. Das verdankte sie ihrem über ihre beiden ersten evangelischen Prediger vermittelten Philippismus, der den Glaubensdingen wie den Humaniora gleich günstig war. In Schlesien legte er vor allem den Grund für jenen unerhörten Aufstieg, den der Späthumanismus in der zweiten Jahrhunderthälfte allenthalben im Lande nahm und wie er bezeichnenderweise einherging mit einer unverkennbaren Sympathie für das reformierte Bekenntnis, in dem das humanistische Denken so ganz anders als im Luthertum Wurzeln zu schlagen vermocht hatte. In der Hauptstadt aber des Landes, die sie nun auch im Blick auf die evangelische Bewegung wurde, blieben die alte Kirche und der alte Glaube gleichfalls gegenwärtig und die vergleichsweise friedliche Koexistenz war vielleicht eines der größten Geheimnisse, welche das so vielgesichtige und unergründliche Schlesien der Frühen Neuzeit dem Betrachter im nachhinein bietet.23

57

58

|  Silhouette Breslaus

Friedliche Koexistenz und schöpferische Heterogenität Breslau war ganz offensichtlich zum Ausgleich und zur stillschweigenden Duldung und Respektierung des anderwärts Unvereinbaren bestimmt. Dort auf der Dominsel und einem Teil der Sandinsel die Vollimmunität der bischöflichen Gewalt, südlich am Fluß entlang neben weiterem Stiftsbesitz die Kaiserburg, dem Inhaber der Breslauer Landeshauptmannschaft unterstehend, in den Mauern der Stadt eine Bürgerschaft, die seit der Reformation einen anderen Glauben als Bischof und Landesherr praktizierte; dem letzteren pflegte in der Mitte der Stadt auf dem Ring gehuldigt zu werden. In der kaiserlichen Burg am Ufer des Flusses, dem einstigen Sitz des Breslauer Piastenherzogs als Stadtherrn, fanden die Institutionen, die zugleich als Insignien kaiserlicher Macht über Stadt und Land fungieren, fanden die Münze und die Kammer ihr Quartier. Später werden hier die Jesuiten den Anspruch des katholischen Kaiserhauses wie des Papstes inmitten der einzigen rechtlich verbrieften evangelischen Gemeinde in Schlesien aufrechterhalten. Ihnen, im Jahr 1638 gegen den erbitterten Widerstand des Rats und der Bürgerschaft in die Stadt eingeschleust, war es mit Unterstützung der beiden obersten Mächte Kaiser und Papst vergönnt, über ihren Konvent den Schritt zur Universität zu tun, der Rat und evangelischer Bürgerschaft die Jahrhunderte über versagt geblieben war. Solch eine verfassungsrechtliche, politische, konfessionelle, in der Topographie und den Bauten sich spiegelnde Diversifikation wies keine andere Stadt in Schlesien auf; sie ist, wenn überhaupt, vermutlich nur mit den paritätischen Reichsstädten in Oberdeutschland zu vergleichen. Breslau glich damit de facto einer Reichsstadt, deren Status die Stadt nie erlangte. Dem schöpferischen kulturellen Leben ist dieser Zusammenprall heterogener politischer, geistiger und geistlicher Welten gerade auch wegen der allenthalben erkennbaren Zwänge und Pressionen insgesamt zugute gekommen. Das ungeschriebene Kapitel Breslauer Kulturgeschichte im Kontext Schlesiens und des Alten Reichs im vorrevolutionären Europa zu eröffnen, heißt also immer auch und zugleich, den Grundriß einer ungewöhnlichen Stadt im Horizont eines ungewöhnlichen Territoriums gegenwärtig zu halten, der hier mit wenigen Strichen einleitend zu vergegenwärtigen war und entsprechend rasch zum Abschluß zu bringen ist, geht es doch um das breitgefächerte Tableau geistiger Aktivitäten in der Stadt.

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Breslau im Dreißigjährigen Krieg Ende Dezember 1620 hatte der geschlagene ›Winterkönig‹ die Stadt verlassen und war ins Exil aufgebrochen. Wie viele Große und wie viele Namenlose sollten ihm das Jahrhundert über folgen, die die Stadt und das Land aufgeben mußten. Und fürderhin war es in der Regel die verhängnisvolle Kontamination aus Politik und Religion, die zu Pression und Ausweisung führte. Wie Schlesien insgesamt befand sich auch Breslau in einer unerhört schwierigen und komplizierten Situation. Die schützende Hand des Königs war nach wenigen Monaten wieder herabgesunken. Wußte aber die Bürgerschaft um das Glück, das ihr für eine allzu kurz bemessene Frist zuteil geworden war? Mit Argwohn hatte sie das Wohlwollen begleitet, das den Reformierten in ihren Mauern von dem König entgegengebracht wurde.24 Eine knappe Spanne des Aufatmens war der reformierten Minorität vergönnt gewesen. Die Anfeindungen waren auch in dieser Zeit nicht ausgeblieben. Nun galt es, wieder in den Untergrund hinabzutauchen. Was aber mochte aus den Evangelischen werden, da der Kaiser das Zepter erneut führte? Es schlug die Stunde der Juristen, die zu vermitteln und das Schlimmste von der Stadt abzuwenden hatten. Welch ein Segen, daß herausragende Köpfe vorhanden waren, die sich auf die prekären diplomatischen Gepflogenheiten verstanden. Auch ihre Namen verdienen es, vor dem Vergessen bewahrt zu werden. Das Wohl und Wehe von Stadt und Land hing an dem Sächsischen Kurfürsten, der sich rechtzeitig von dem ›böhmischen Abenteuer‹ der Pfälzer und ihrer Bündnispartner in Böhmen, Mähren und Schlesien getrennt hatte und nun als Fürsprecher der Schlesier fungierte. In der Delegation, die in die kurfürstliche Hauptstadt nach Dresden aufbrach, befand sich als deren Sprecher der Breslauer Syndikus Dr. Reinhard Rosa von Rosenigk. Sein Nachfolger, Nicolaus Henel von Hennenfeld, den wir kennenlernen werden, war zu dieser frühen Stunde noch nicht dabei. Der in Leipzig geborene Rosa hatte den Doktor beider Rechte erworben. Seit 1614 war er Nachfolger des 1612 verstorbenen zweiten Syndikus Christoph Radmann geworden und stand seit 1620 als erster Syndikus in den Diensten der Stadt. An seiner Seite als zweiter Syndikus fungierte der Sohn eines kurmainzischen Vogts auf dem Gleichenstein in Thüringen Johann Pein, auch er promovierter Jurist. »Beide waren im Verkehre mit den höheren Gesellschaftskreisen sehr bewandert, hatten mehrfach Gesandtschaftsreisen unternommen und waren über die zu Wien und am sächsischen Hofe maßgebenden Männer aus eigener Anschauung aufs beste unterrichtet. Sie faßten als bleibende Vertreter ihres Amtes

59

60

|  Silhouette Breslaus

gegenüber den wechselnden Mitgliedern des Rates die politischen Zeitverhältnisse aus weiteren Gesichtspunkten auf und traten gegen die wechselnde Tagesmeinung der Bürgerschaft als durchaus konservative und vorsichtige Politiker auf, die vor allem auch trotz der [zeitweiligen] Erfolge der schwedischen Waffen die Widerstandskraft des Kaiserhauses richtig einzuschätzen verstanden.«25 Eben diese Männer waren gefragt; an ihnen hing das Schicksal Breslaus in diesen dramatischen Jahren. Nach fünf Wochen brachte Rosa in Dresden den sogenannten berühmten ›Dresdner Akkord‹ zustande. Die vormals in der ›Konföderation‹ gegen den Kaiser zusammengeschlossenen schlesischen Fürsten und Stände schworen dieser ab, unterwarfen sich Kaiser Ferdinand II. und verhinderten derart die Katastrophe, die ihren Schicksalsgenossen in Böhmen zum Verhängnis wurde. Für Breslau hieß dies, daß den Evangelischen der Schutz ihres Bekenntnisses zugesichert wurde. Entsprechend wurde der ›Akkord‹ von den Kanzeln herab begrüßt. Und während Rosa in Wien die Begnadigung des Kaisers erwirkte, zog in Breslau knapp ein Jahr nach der Flucht des ›Winterkönigs‹ Kurfürst Johann Georg von Sachsen ein, nahm an Stelle des Kaisers die Huldigung der Fürsten und Stände entgegen und ließ sich als Vermittler und Friedensstifter feiern. Zwischen Dresden und Wien sollten fortan und zumal während des Krieges die entscheidenden politischen, militärischen und diplomatischen Fluchtlinien verlaufen, die sich mehr als einmal in der leidgeprüften Stadt kreuzten. Denn Belagerungen und Einquartierungen gleichermaßen der protestantischen wie der kaiserlichen Seite nahmen nun ihren Anfang. Die Stadt blieb von gravierenden Zerstörungen anders als ein Jahrhundert später weitgehend verschont, auch wenn wiederholte Stadtbrände Unheil anrichteten. Ihre ökonomische Kraft aber wurde infolge immer neuer Kontributionen gemindert und es währte lange, bis sie sich von den Schlägen erholte. Hinzukamen verheerende Pestausbrüche, wie sie auch innerhalb der Mauern der Stadt wüteten. Die städtische Chronistik vermittelt ein eindrucksvolles Bild von den nicht abreißenden Kalamitäten. Wir erwähnen, auf Verknappung bedacht, nur eine einzige Episode, weil sie direkt in unsere spätere Erzählung hineinspielt. Ausgerechnet mit dem Einzug der Schweden unter Gustav Adolf blieb sie verknüpft. Deren Präsenz stellte Breslau vor erhebliche Probleme, wollte die Stadt es mit dem Kaiser nicht verderben. Die Dominsel war auf Geheiß Karl Hannibal von Dohnas, des zeitweiligen Brotherrn auch eines Opitz, befestigt worden. Sie geriet damit in die militärische Auseinandersetzung. Schweden und Sachsen setzten mit Kähnen auf die Sand- und auf die Dominsel über, plünderten und schändeten den Dom und verwüsteten die Dombibliothek. Dreihundert Jahre vor dem

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

Inferno, welches den Schatzhäusern des Geistes überall in Mitteleuropa zum Verhängnis werden sollte, hatte sich der Schrecken auch auf Breslauer Boden einem Fanal gleich angekündigt. Der Separatfrieden des sächsischen Kurfürsten mit dem Kaiser im Jahr 1635 inmitten des Krieges markierte auch für die Stadt ein einschneidendes Datum. Die evangelische Bevölkerung war empört, sah sie sich doch plötzlich einer Schutzmacht beraubt. Das Problem stellte die Anwesenheit der schwedischen und sächsischen Soldaten in der Stadt dar. Sie verweigerten den Gehorsam, wollten zu Teilen den Schwenk nicht mitvollziehen, marodierten und nötigten den Rat zum Eingreifen. Mehrere Aufrührer wurden gehängt oder geköpft. So griff das blutige Schauspiel auch auf die Stadt über, die als Festung von unmittelbaren Kriegshandlungen verschont blieb. Nun aber erfuhr sie die ganze Wucht der hoheitlichen Gewalt des Kaisers. 1637 hatte Ferdinand III. das Zepter übernommen. Ein Jahr später waren die Jesuiten erstmals in den Mauern der Stadt. Im Matthiasstift fanden sie eine Bleibe und entfalteten auf der Kanzel der Stiftskirche eine erhebliche Wirkung. Auch errichteten sie eine katholische Schule, die gleichfalls gedieh. Bestrebungen, ein Jesuitenkolleg zu gründen, nahmen ihren Anfang. Sie riefen dramatische Konflikte in der Stadt hervor, so die versuchte Inbesitznahme des Dorotheenklosters, die von den Evangelischen im Bündnis mit den Mönchen abgewehrt werden konnte. Eine erste erfolgreiche Etappe war erreicht, als der 1657 zum Kaiser gewählte Leopold I. den Jesuiten die kaiserliche Burg interimistisch einräumte. Das Oberamt wurde auf den Salzring verlegt und die kaiserliche Kammer bezog das Schönaichsche Haus in der Rittergasse. Der übel beleumundete Orden hatte sich in der Stadt etabliert. Daß bedeutende Dichter wie Andreas Scultetus oder Johann Scheffler zum Katholizismus zurückkehrten und bei den Jesuiten Aufnahme fanden, läßt erahnen, welch erhebliche Attraktion von den Neuankömmlingen in der Stadt ausging.

Auf dem Weg in die neue Zeit Inzwischen waren in Münster und Osnabrück die Friedensverhandlungen erfolgreich abgeschlossen worden. Auf schlesischem Boden herrschte zwischen Kaiserlichen und Schweden ein militärisches Patt, und die dem Kaiser unterstehende evangelische Stadt lavierte so gut es ging zwischen den Fronten. Breslau erhielt gleich den schlesischen Fürsten freie Ausübung der evangelischen Religion und den Schutz ihrer Rechte und Privilegien zugestanden.

61

62

|  Silhouette Breslaus

Vor Drangsal und Ungemach schützten die wohlgemeinten Artikel auf Dauer nicht. 1666 veranlaßte Bischof Sebastian von Rostock, der vom Kaiser gegen den Widerstand der Stadt zum Oberlandeshauptmann erkoren worden war, daß alle evangelischen Schullehrer in den Erbfürstentümern abgesetzt werden sollten. Im Juni 1670 erhielten die Jesuiten die kaiserliche Burg geschenkt, ein Jahr später wurde sie ihnen vom Kammerpräsidenten Christoph Leopold von Schaffgotsch feierlich übergeben. Die kirchlichen Schaustellungen und Prozessionen in der Stadt erfolgten immer häufiger. Das Begehren des Kaisers, eine Garnison in der Stadt aufzunehmen, trug zu höchster Beunruhigung bei. Keinem Geringeren als dem großen Dichter und Syndikus der Stadt Daniel Casper von Lohenstein war die heikle Mission anvertraut, in Wien dagegen zu protestieren – mit Erfolg.26 In der Stadt mehrten sich indes die Gründung und Wiederbelebung von Klöstern. Als Krönung der Restitution katholischer Einrichtungen sollte die Erhebung des Jesuitenkollegs zu einer Universität in die Annalen der Stadt eingehen. Zu Anfang des neuen Jahrhunderts war das einst Undenkbare Wirklichkeit geworden. Im Oktober 1702 verfügte der Kaiser per Dekret die Stiftung der Leopoldinischen Universität in Breslau. Eine Generation später fand sie in der Leopoldina an der Oder ein einzig im alten Deutschland dastehendes splendides Quartier. Ein eigenes Kapitel bezeichnen die Präliminarien zur kriegerischen Auseinandersetzung mit Friedrich dem Großen. Sie machten sich massiv in der Stadt geltend. Breslau, so die Order aus Wien, sollte kaiserliche Truppen innerhalb seiner Mauern aufnehmen. Ein elementares städtisches Recht war zeitweilig außer Kraft gesetzt. Eine mächtige Bürgerbewegung stemmte sich gegen das Diktat. Aus der Mitte der Stadt selbst heraus sollte die Verteidigung erfolgen. Tatsächlich erfolgte die Übergabe Breslaus kampflos. Der Stadt wurden die förmliche Huldigung und Kontributionen erspart. Dafür verpflichtete sie sich, den kaiserlichen Truppen keine Quartiere zu stellen. Ihre Verfassung einschließlich der hergebrachten Privilegien galten gleichfalls als sakrosankt. Doch blieb es nur kurz bei dem lobenswerten Vorsatz. Wenig später wurde die Stadt von den Truppen Friedrichs tatsächlich eingenommen und büßte ihre Selbständigkeit ein, um die es ihr vor allem zu tun gewesen war. »›Wir Ratmannen der Stadt Breslau geloben und schwören zu Gott dem Allmächtigen, huldigen und versprechen dem allerdurchlauchtigsten, großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrichen […] getreu, hold und gewehr zu sein, deroselben Nutzen und Bestes überall zu befördern, Schaden und Nachteil abzuwenden, das uns anvertraute Stadtregiment samt dazu gehörigen Stadt=

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

und rathäuslichen Einkünften getreu, redlich und gewissenhaft zu administrieren und zu führen […] als es einem ehrlieben, christlichen und getreuen Stadt=Magistrate zukommt, eignet und gebührt, auch es unsere geleistete Pflicht und Amt erfordert. So wahr uns Gott helfe um Christi willen.‹«27 So der am 10. August 1741 abgelegte Eid des Magistrats. Wenige Monate später lauschte der König der Predigt des Kircheninspektors Johann Friedrich Burg in der Elisa­ bethkirche. Hernach erfolgte die Huldigung der Stände im Fürstensaal des Rathauses. Eine fast fünfhundert Jahre währende Geschichte der Stadtrepublik war beendet; eine neue Phase in der Geschichte der Stadt hob an.

In der preußischen Ära Breslau wurde unter die Oberaufsicht der Ende 1741 geschaffenen Kriegs- und Domänenkammer gestellt. Wie die Fürstentümer und die freien Standesherrschaften behielt sie ihre Gerichtsverfassung, freilich unter Oberaufsicht der gleichfalls neugeschaffenen Oberamtsregierung in Breslau. In einem ›Gnadenbriefe‹ erhob der König Breslau zur dritten Stadt Preußens und stellte ihren Magistrat denen der Städte Berlin und Königsberg gleich. Von den militärischen Aushebungen war die Stadt befreit, hatte jedoch ein Quartiergeld aufzubringen. In der Stadt nahm Kardinal Fürstbischof von Sinzendorf seinen Platz wieder ein. Es dauerte nicht lange und ihm wurde das Generalvikariat über die Katholiken in Pommern und Brandenburg übertragen, die der Papst bestätigte. Die wenig später erfolgende Ernennung Philipp Gotthards von Schaffgotsch zum Koadjutor wurde durch den König selbst vorgenommen, der damit das Wahlrecht der kirchlichen Korporationen umging. Den Abschluß einer ersten Etappe bezeichnete das Reglement für die Stadt, welches der König zu Anfang des Jahres 1748 erließ. Es enthielt genaue Vorschriften für die Stadtverwaltung. Das Magistrats-Kollegium hing nun unmittelbar von der Breslauischen Kriegs- und Domänenkammer ab. Die Spitze des Magistrats, der Ratsdirektor, der Ratsvizedirektor und der Bürgermeister wurden von dem König ernannt. Die alte Stadtverfassung existierte nicht mehr. Wie das Land war die Stadt in eine neue Zeit eingetreten.28 Eine längere Ruhephase war der Stadt so wenig wie dem Land vergönnt. Der Zweite Schlesische Krieg traf die Metropole auf das empfindlichste. Ende 1757 setzte die Kanonade ein. Wenig später erfolgte die Einnahme der Stadt durch die Österreicher. Doch nur für kurze Zeit. Schon im Dezember hob das preußische Bombardement an. Es zeitigte grausame Folgen. Die Bibliothek von Maria Magdalena wurde getroffen. Später, der König war schon wieder in

63

64

|  Silhouette Breslaus

der Stadt, brannte es auf der Dominsel, der Bischofshof und die Renaissancespitzen der beiden Domtürme gingen verloren. Dann wechselten wiederum die Seiten. Dem österreichischen Trommelfeuer fielen Teile des königlichen Palais und das Hatzfeldsche Palais mit seiner berühmten Bildergalerie und anderen Kunstschätzen zum Opfer.29 In diese Zeit, da endlich im März 1763 der Frieden auch in der Stadt feierlich in Anwesenheit des Königs begangen wurde, fiel – auch daran darf an dieser Stelle erinnert werden – die Anwesenheit Lessings. Samuel Benjamin Klose, der Chronist der Stadt, und Johann Kaspar Arletius, der Sammler von Handschriften und Drucken der Großen des 17. Jahrhunderts – wir werden von beiden hören – gehörten zu seinen bevorzugten Gesprächspartnern. Unmittelbar nach dem Ende des Krieges entstand in Breslau Lessings Minna von Barnhelm. Der Name der größten Komödie, die das so reiche 18. Jahrhundert zeitigte, verband sich mit der schlesischen Metropole nach ihrer schwersten Zeit vor der Katastrophe im 20. Jahrhundert. Noch einmal ging die Kriegsfurie über Stadt und Land dahin, nun am Ende des alten Jahrhunderts und am Beginn des neuen im Gefolge der Napoleonischen Kriege. Und noch einmal zahlten nicht nur Menschen, sondern auch Gebäude einen schweren Tribut. Anfang 1807 kapitulierte die Stadt. Jérôme Bonaparte hielt Einzug in die Stadt. Die Festungswerke wurden abgetragen. Auch baulich kündigte sich eine neue Zukunft an. Die Stadt erhielt das Festungsterrain nach dem Frieden von Tilsit vom König als Geschenk überlassen. Doch die Inbesitznahme verzögerte sich. Die Stadt bot ein trauriges Bild. Sie blieb »›rings von einem chaotischen Wirrwarr von Mauern und Wällen, von Hügeln und Löchern, Wassergräben und wüsten Plätzen, halb zerstörten Thoren und lebensgefährlich verfallenen Brücken umgeben‹«.30 Die Bürgerschaft aber erhielt wieder einen selbständigen Magistrat und eine legitime Vertretung, ausgestattet mit dem Recht der Geldbewilligung und der Kontrolle über die Ausgaben. Die Wahl der Stadtverordneten wurde von der Bindung an Zünfte und Korporationen gelöst und in die Hand aller stimmberechtigten Bürger gelegt. Für Breslau war die Städteordnung auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil sie die Vorstädte mit der Stadt verschmolz und den Vorstädtern nun das Wahlrecht im Rahmen der fixierten Grenzen hinsichtlich des Stimmrechts gleichfalls zufiel. Der erste Tag der Stadtverordnetenwahl im April 1809 war von Festgeläut und Gottesdiensten begleitet. Und auch die Einführung des ersten wieder selbständigen Magistrats gestaltete sich zu einem bewegenden Ereignis. Man beging die Wiedererlangung der kommunalen Freiheit im Bewußtsein der hohen Bedeutung dieses Ereignisses. In der Elisabethkirche fand die Eidesleistung

Ein erster Blick auf die Stadt an der Oder  |

statt. Dann bewegte sich der festliche Zug die wenigen Schritte herüber zum Rathaus, das in altem Glanz erstrahlte. Inzwischen begann, begleitet von erheblichen Schwierigkeiten, die Vorbereitung der Schleifung des Befestigungswerkes. Hardenberg war auch hier vermittelnd in die Bresche gesprungen. Dem Vorhaben kam entgegen, daß schon 1810 im Säkularisationsedikt für Preußen die Einziehung von Klöstern und Stiften verfügt worden war – ein in unsere Erzählung an späterer Stelle mehrfach hineinspielender, weil auch kulturpolitisch einschneidender Akt. Von den vierzehn Klöstern Breslaus blieben nur die aus neuerer Zeit stammenden der Barmherzigen Brüder, der Ursulinen und der Elisabetherinnen übrig. Auch die Stifte wurden vielfach umgewidmet. Zudem verloren die Dom- und Sandinsel und diverse andere Plätze die geistliche Gerichtsbarkeit. Breslau wurde zu einem modernen Rechtskörper umgeformt. Dem kamen die nun einsetzenden baulichen Maßnahmen entgegen, in denen die Stadt ihr verjüngtes Antlitz gewann, wie es bis heute vielfach erfahrbar geblieben ist. Im September 1812 war Friedrich August Karl Freiherr von Kospoth zum Bürgermeister gewählt worden. Noch im gleichen Jahr fand die Übergabe der Festungsmauern – von einigen Ausnahmen abgesehen – statt; die königliche Schenkungsurkunde selbst datiert auf den April 1813. Es war das Jahr, das Breslau bekanntlich für eine wohlbemessene Frist zum Brennpunkt der europäischen Politik machte. König Friedrich Wilhelm III. hatte sich aus Berlin abgesetzt und nach Breslau verfügt. Hardenberg, vom Stein, Scharnhorst, Gneisenau, Blücher, Knesebeck residierten für eine Weile in der Stadt. Von hier aus erfolgte der Aufruf des Königs, sich zum letzten Kampf gegen die Heere Napoleons zu sammeln. Auch der Bundesvertrag zwischen Preußen und Rußland wurde u. a. in Breslau unterzeichnet. Der Zar hielt seinen Einzug in Breslau. Wenig später folgten die auf dem Rückzug befindlichen französischen Soldaten. Dann erschall der definitive Siegesjubel auch in Breslau. Und fast zeitgleich mit ihm begann die definitive Umgestaltung der Stadt. Die ›Breslauer Promenade‹ auf den Wallanlagen nahm Gestalt an. Der Exerzierplatz hinter dem königlichen Palais entstand. Der botanische Garten wurde in Angriff genommen. Und so ging es fort.31 Seit alters her hatten bedeutende kulturelle Einrichtungen in den Mauern der Stadt ihren Platz besessen. Nun auf der Wende zum neuen Jahrhundert traten ungezählte neue an ihre Seite. Hohe Zeit also, den Blick auf Altes und Hergebrachtes wie auf Junges und in die Zukunft Führendes zu richten, geht es doch um die geistige Physiognomie dieser kulturellen Metropole im alten deutschen Sprachraum des Ostens.

65

4. Wiege des Glaubens Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger Entrée Ein Blick auf das alte Breslau, wie es in Stichen und auf Gemälden festgehalten ist, reicht hin, um zu gewahren, welchen Rang Kirchen in der Stadt einnahmen. Türme über Türme erhoben sich in den Himmel, Kirchenschiffe und Chöre drängten sich dicht an dicht, die Mauern der Stadt schienen sich in dem einem Zweck zu erschöpfen, ein geistliches Quartier zu umfrieden. Eine Einladung ging von diesen Bildern aus, den geweihten Stätten näher zu treten, Bekanntschaft zu machen mit der bunten Vielfalt, Orientierung zu gewinnen angesichts überschwenglichen sakralen Reichtums. Einen jeden empfänglichen Betrachter mochte die Ahnung streifen, daß diese Stadt ein Geheimnis barg. In ihr schien sich zu verdichten und sichtbare Gestalt anzunehmen, was dem Land als ganzem nachgesagt wurde, Hort einer Gläubigkeit und eines metaphysischen Tiefsinns zu sein, für das kein zweites Beispiel sich finden mochte. War da Stein geworden und zu vielstimmiger baulicher Manifestation verdichtet, was die Herzen bewegte? Einen Gang durch das geistliche Breslau anzutreten, wie es uns zum Eingang unseres kleinen kulturgeschichtlichen Versuchs allemal geziemend erscheint, impliziert das Eingeständnis, daß wir vor den Toren Halt zu machen gedenken. Wir maßen uns nicht an, auf wenigen Seiten ergründen zu können, was glaubend, denkend, predigend über mehr als drei Jahrhunderte die amtlich bestellten Personen wie die gläubig ihre Straße dahinziehenden Menschen bewegte. Ein intensiver Austausch hatte statt zwischen Stadt und Land. Breslau hatte teil an dem, was als geistliches Mysterium die Landschaft prägte. Auf der Grenze zwischen den konfessionellen Räumen gelegen, schien es Bestimmung gerade dieses Landstrichs zu sein, Spannungen auszutragen und Erfahrungen teilhaftig zu werden, die Leiden und Not entsprangen. Wurden sie Bild und Wort, so zeugten sie von einer Macht der inneren Gesichter, die zu Andacht im Schweigen geleiteten. Das Gespräch mit diesen Geistern aufzunehmen bedarf besonderer Vorkehrungen. Wie werden uns an die Gestalten und ihr sichtbares Wirken halten und sie für eine knapp bemessene Weile in das gedenkende Wort zurückrufen.

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Dabei kommt uns ein Umstand zu Hilfe, der sich mit ausgesprochener Dankbarkeit verknüpft. In Schlesien und also auch in Breslau sind frühzeitig eindrucksvolle Denkmäler der Geistlichkeit in Stadt und Land entstanden. So als hätte man um eine Besonderheit auf dem pastoralen Felde gewußt, waren gelehrte Hände schon seit dem 17. Jahrhundert und kulminierend im 18. damit befaßt, das Heer der Prediger und der in den diversen geistlichen Chargen Tätigen zu dokumentieren, Lebensläufe nachzuzeichnen, Wirkungsräume aufzuzeigen und die gelehrte Ernte dieser fast immer fruchtbaren Geister einzufahren. Die Quellen also fließen ausnahmsweise überreich. Und ist es das Wesen der zünftigen Presbyterologie, einen jeden auf dem Acker Gottes Wirkenden zu seinem Recht kommen zu lassen, Namen und Werk der Nachwelt zu überliefern, so müssen wir uns bescheiden und gerade umgekehrt verfahren. Gestalten und Örtlichkeiten werden von uns aufgerufen werden in dem Wissen, daß sie als einzelne für das Ganze zu stehen haben. Die Einladung also, die von den Bildern der städtischen Silhouette ausgeht, sie wiederholt sich im Angesicht der folgenden Blätter. Sie wollen hinführen zu einer versunkenen und dem Gedenken überantworteten Welt, deren Reichtum uns ein unerschöpflicher dünkt.

Die Dominsel »Es gibt wenige Stadtbilder in Deutschland, denen inmitten einer modernen großstädtischen Entwicklung eine solche Unberührtheit erhalten geblieben ist wie der Dom- und Sandinsel in Breslau. Steht man auf der sogenannten Holteihöhe, einem der letzten Reste der großartigen Stadtbefestigungen auf dem linken Oderufer, so vereinigen sich jenseits des Stromes die Türme der drei Kirchen: der Marienkirche auf dem Sande, der Kreuzkirche und des Domes mit den Dächern der hohen Schiffe zu einem einzigartigen Dreiklang. Linksseitig erhebt sich der Block des Sandklosters aus dem buschigen Grün der alten Linden des ehemaligen Klostergartens, und die Dächerzeile der Domkurien mit ihren bis an den Fluß reichenden Obstgärten wird rechtsseitig vom Hofgeviert der Erzbischöflichen Residenz aufgefangen. Kein Neubau stört diese stille Welt, die sich über den niedrigen Ufermauern aufbaut und deren Abgeschiedenheit von der Großstadt die lautlos strömenden Wasserarme der Oder sinnfällig betonen.«1 Diese Worte Günther Grundmanns, vor dem Kriege geschrieben, haben auch nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs nichts von ihrer Bedeutung verloren. Und das ausnahmsweise einmal nicht deshalb, weil sie ein Bild aus der Zeit des alten Deutschland festhielten, das unwiederbringlich verloren

67

68

|  Wiege des Glaubens

wäre, sondern weil sich dem am linken Ufer der Oder wandernden Betrachter eben dieses Panorama immer noch darbietet. Wie in anderen ausgewählten Quartieren ist den Polen auch im Blick auf die Sand- und Dominsel ein Meisterwerk der historisch sinnfälligen Rekonstruktion gelungen. Die Aura von klösterlicher Abgeschiedenheit und magistraler kirchlicher Manifestation des Glaubens an den Ufern einer zu Verweilen und Meditation einladenden städtischen Kulisse, vor der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, ist nicht zerstoben, Bau- und Gartenkunst walten ihres Amtes, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu stiften. Wir aber betreten diese Insel mit den Zeugnissen einer perennierenden klerikal-urbanen Kultur nicht, um uns an ihrer Splendidität zu ergötzen. Kein Reisebegleiter ist im Entstehen und noch weniger eine Erzählung der wiedererstandenen Schönheit einzelner gesegneter Flecken der Stadt. Wir streben fort von ihrer Schauseite, um in ihre verborgenen Zonen vorzudringen. Bilder wollen geformt sein, gewiß. Aber sie haften an Personen und ihren Werken, und damit an Geist und Schrift. In einer Klöstern und Kirchen, Schulen und Bibliotheken, Museen und Archiven gewidmeten Betrachtung mag der Blick auf die baulichen Monumente nicht fehlen. Doch bestimmend bleibt, was in ihnen von Menschen verrichtet wurde und die Zeiten hinweg überdauerte. Und so mögen denn für einen wohlbemessenen Moment die steinernen Zeugen der Vergangenheit vor unserem inneren Auge wiedererstehen, bilden sie doch das Tor, um der ihnen vermählten Geistigkeit inne zu werden. Und das, wie es sich geziemt, stets im Blick auf Einzelnes und Besonderes, nicht aber erfüllt von dem Drang zum Weiten und Großen.2

Blick auf den Dom nebst Kapitelhaus und Bischofshof Schlank emporstrebend und hoch aufgereckt gibt der Dom dem Quartier auf der Insel sein Gepräge. Er hat eine lange und komplizierte Baugeschichte, wurde nicht in einem Zuge geschaffen. Er hatte mindestens drei Vorgänger, über deren Lage und Aussehen eine intensive Fachdiskussion geführt wird. Sie braucht hier nicht skizziert zu werden. Mit der Gründung des Bistums Breslau zu Ende des 11. Jahrhunderts setzte auch die Bautätigkeit ein. Schon vorher war auf einer Breslauer Münze des böhmischen Herzogs Boleslaw I. (935–972) ein einfaches Kirchengebäude dargestellt. Zu Anfang des 11. Jahrhunderts bestand eine Kirche, die bereits Johannes dem Täufer geweiht war. Ob sie mit der älteren identisch war, ist offen. Unter Bischof Hieronymus (1051–1062) wurde dann eine hölzerne Domkirche errichtet. Die Bauten werden im Bereich einer schützenden Burg

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

gestanden haben, deren Lage gleichfalls ungewiß ist. Eine herzogliche Burg auf der Dominsel ist erst seit der Mitte des 13. Jahrhunderts nachweisbar. Es ist die Zeit, da die Arbeit an dem heutigen Bau einsetzt. Schon 1272 wurde der Chor des neuen Doms geweiht, knappe dreißig Jahre waren zu seiner Errichtung vonnöten. Der gerade Abschluß des Binnenchors mit einem geraden Umgang verweist auf das Vorbild der Zisterzienser. Es fehlt allerdings der typische Querbau. Auch die Türme dürften erst später hinzugekommen sein. Kapellen im Umgang fehlen. In dieser Gestalt wurde der Breslauer Dom vorbildlich für den grandiosen Bau des Klosters Leubus. Nach der Vollendung des Chores wanderte die Bauhütte ab. Eine Unterbrechung trat ein. Der Bau der so eindrucksvollen beiden Westtürme, dem weithin sichtbaren Wahrzeichen, sowie des Langhauses fällt in das 14. Jahrhundert. Desgleichen der des über die Jahrhunderte bewahrten Westportals. Bischof Johannes V. Thurzo ließ die Pforte zum Dominnern im Jahr 1517 mit einer steinernen Renaissance-Umrahmung ausschmücken. Das Gesims zeigt die Enthauptung Johannes des Täufers als Patron der Domkirche mit der Figur des Stifters. Nach der Vollendung des Mittelschiffs wurde die nördliche Vorhalle mit dem Königschor angefügt. An den Seitenschiffen entstanden nach und nach die in gleicher Höhe und ohne Strebepfeiler errichteten Kapellen. Im 16. Jahrhundert erfolgte der Ausbau der Westtürme mit weiteren Geschossen und den charakteristischen Renaissancehelmen. Werfen wir einen Blick in das Innere, so ist zu konstatieren, daß von der gotischen Raumausstattung nur wenig erhalten ist. Nach Barthel Stein war der Binnenchor schon zu Anfang des 16. Jahrhunderts gänzlich umschlossen. Ein allgemeiner Wandanstrich ist gewiß vorhanden gewesen. Die gotischen Altäre und auch der Taufstein sind verschwunden. Der Raum füllte sich sukzessive mit Epitaphien. Erst auf der Wende zum 18. Jahrhundert erhielt das Dominnere mit den vielen Altären aus Priborner Marmor, den Gemälden und den vergoldeten Statuen sein bis in jüngste Zeit bewahrtes Aussehen. Eine große Erneuerung erfolgte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die ursprünglich offenen Arkaden wurden wieder angebracht. Die Seitenschiffe, der Chorumgang, die wiederhergestellten gotischen Kapellen und Sakristeien wurden in grauem Ton gestrichen. Das Kapitelhaus lag nordöstlich des Domes und war durch einen Steinbogen mit der Apsis der Aegidienkirche verbunden, dem ältesten Ziegelbau der Stadt Breslau. Das altertümliche Bauwerk diente den Obliegenheiten der Mitglieder des Domkapitels. Hier kamen die Kanoniker zu ihren Sitzungen zusammen, hier leisteten die Kapitelsbeamten ihren Dienst, hier wurden die Abgesandten

69

70

|  Wiege des Glaubens

kirchlicher, staatlicher und städtischer Behörden empfangen. Der Bau war zu Ende des 15. Jahrhunderts errichtet worden; die Pforte war mit der Jahreszahl 1527 versehen. Besondere Bedeutung kam dem Gebäude insofern zu, als im Obersaal bereits im 16. Jahrhundert eine Kapitelsbibliothek untergebracht wurde – die Keimzelle der berühmten Dombibliothek. Im Portalraum hingen große gerahmte Ölbilder Kaiser Karls V. und König Ferdinands I. Selbstverständlich hatte auf der Dominsel auch der Bischofshof, die Curia episcopalis, ihren Platz. Die Gebäude umgaben einen großen Hof mit Torausfahrten zur Straßen- und zur Oderseite hin. »Schräg zum Dom hin an der Straße erhob sich das bischöfliche Wohnhaus; von seinem Oberstockwerk führte ein gedeckter Gang über einen Schwibbogen in den südlichen Domturm; nach der Brandkatastrophe des Jahres 1759 [Siebenjähriger Krieg!], die einen großen Teil der Bauten auf der Insel, dabei auch die Domkirche verheerte, ist dieser Bogengang nicht mehr aufgebaut worden.«3 Der Bischofshof dürfte zusammen mit der romanischen Domkirche von dem ersten Bauherrn Bischof Walter bereits im 12. Jahrhundert errichtet worden sein. Die bischöfliche Residenz des 16. Jahrhunderts war ein neues Bauwerk. Wenn sie nicht die Bedeutung erlangte, die dem bischöflichen Amtsrang im Blick auf Breslau wie auf Schlesien insgesamt entsprach, so hatte dies seinen Grund darin, daß die Breslauer Bischöfe seit den Zwistigkeiten mit den böhmischen Landesherren ihren Wohnsitz bevorzugt in Neisse nahmen. Hier übten sie als Herzöge von Grottkau selbst landesherrliche Rechte aus. Die meisten der uns sogleich begegnenden Bischöfe hielten sich an beiden Orten auf. Bischof Johannes V. Thurzo kam das Verdienst zu, das Breslauer bischöfliche Wohnhaus mit Fresken zu schmücken. Die Domkirche – ebenso wie das Kapitelhaus – stehen auch heute am gleichen Ort auf der Dominsel wie seit Jahrhunderten. Die Domkirche war nach der Brandkatastrophe im Siebenjährigen Krieg zunächst nur notdürftig und sodann gegen Ende des 19. Jahrhunderts vollständig renoviert werden, woran sich überhaupt erst 1934 die Restauration des Inneren anschloß. Wenig mehr als ein Jahrzehnt später lag auch das Wahrzeichen der Dominsel in Schutt und Asche. Am Ostermontag 1945 brannten die spitzen Helme der Westtürme und stürzten auf das Dach des Hauptschiffes und der Dachstuhl brach zusammen. Wir ersparen uns die Einzelheiten. Der Dom ist nach der fast völligen Zerstörung von polnischen Fachkräften vorbildlich wieder errichtet worden. Das Kapitelhaus überstand das Inferno der Festungszeit ohne wesentliche Blessuren. Zusammen mit dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten DiözesanArchiv und Diözesan-Museum bildet es in unmittelbarer Nachbarschaft des Domes selbst ein eindrucksvolles Ensemble auf der noch immer überreichen

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Dominsel, die nach ihrer gelungenen Wiederherstellung einen jeden empfänglichen Besucher mit einem in das alte Breslau zurückgeleitenden Bild beglückt.4

Die Bischöfe im Zeitalter der Reformation und des Konfessionalismus Der Einzug der Reformation in die Stadt markiert nicht nur kirchen-, sondern auch kulturgeschichtlich einen Höhepunkt in der kommunalen Historiographie. In der Regel ist er quellenkundlich gut belegt. Und vielfach knüpft er sich an Personen, deren Erinnerung sich bewahrt hat. Eine besondere Situation ist dann gegeben, wenn die Stadt Bischofssitz ist und der Umbau des religiösen Lebens sich vor den Augen der Repräsentanten der alten Kirche vollzieht. Dann kommen wenigstens drei Faktoren ins Spiel: die überkommenen religiösen Bräuche und ihre Hüter, die städtischen Organe in Gestalt von Rat und bürgerlichen Sprechern und schließlich die erstmals die Szene betretenden Theologen und Prediger aus dem Lager der Evangelischen. Und natürlich erfolgt der Umbruch in stets wechselnden und allemal hineinwirkenden politischen Konstellationen, die das eine Mal günstig, das andere Mal hemmend sich gelten machen und eben beitragen zu einem Geflecht von wirkenden Kräften, die es so reizvoll, aber auch so schwer machen, allen Akteuren gleichermaßen gerecht zu werden. Unser Buch steht im Zeichen der gelehrten Aktivitäten, wie sie sich im Umkreis von Kirchen und Schulen, Bibliotheken und Museen zumeist protestantischer Provenienz entfalten. Es ist das evangelische Breslau, das uns im Fokus von einigen schärfer ausgeleuchteten Quartieren der Frühen Neuzeit entgegentritt. Um so mehr besteht Veranlassung, zumindest eingangs auch der Präsenz altgläubiger Frömmigkeit und Geistigkeit zu gedenken. Sie ist am eindrucksvollsten womöglich in der monastischen Kultur zu gewahren, die gerade auch Breslau mit seinen vielen Klöstern und Stiften zu einem Hort lebendigen geistlichen Umgangs mit den in der alten Kirche tradierten Gütern des Glaubens hat werden lassen. Die Klöster sind es gewesen, wie immer wieder zu erinnern, denen die Überlieferung und Wahrung der abendländischen Schriftkultur zu danken ist, und ihre weit vorgeschobenen Bastionen im Osten haben daran entscheidenden Anteil.5 Wir nähern uns einigen großen Gestalten, die auf der Dominsel gewirkt haben, als die Vorboten der Reformation die Stadt erreichten und sich dann rasch ein Heimatrecht in ihr erwarben. Daß dies im ganzen vergleichsweise konfliktfrei verlief, daran haben die geistlichen Oberen auf der Dominsel einen maßgeblichen Anteil besessen. Es waren gelehrte Geistliche mit ungewöhnlich reicher Bildung. Und es waren zumeist politische Köpfe. Beidem verdankten

71

72

|  Wiege des Glaubens

sie die Souveränität, aus der heraus sie agierten. Das war auch der aus Italien und vom Niederrhein herüberwirkenden humanistischen Bewegung geschuldet. Alles zusammengenommen flossen während einiger Jahrzehnte Ströme verschiedenster Herkunft an den Ufern der Oder-Stadt zusammen, die im Ursprung jener sich überkreuzenden Bilder und Gedanken standen, die nicht aufgehört haben, Faszination auszuüben.6

Johannes IV. Roth Am Anfang steht die Gestalt Johannes IV. Roth. Er ist der erste unter den vom italienischen Humanismus berührten Breslauer Bischöfen. Bei keinem Geringeren als Lorenzo Valla in Rom war er seinen Studien nachgegangen. Er qualifizierte sich damit zunächst keineswegs primär für den geistlichen Beruf, sondern den diplomatischen. Im Dienst des Königs von Böhmen und Ungarn Ladislaus Postumus war er als Sekretär und in politischen Missionen tätig. Hernach fungierte er als Rektor der Juristenfakultät der Universität Padua. Als promovierter Jurist und vom Kaiser mit dem Adelspatent begabt, wechselte er in die nächste Umgebung des Kaisers Friedrich III. hinüber und zeichnete für eine Reihe von Gesandtschaften verantwortlich. Diese seine ›weltliche‹ Mission wurde gekrönt durch seine Bekanntschaft mit Matthias Corvinus von Ungarn, die über seinen weiteren Lebensweg entschied. Denn den König von Ungarn begleitete er im Jahr 1469 zur Entgegennahme der Huldigung der Schlesier in der Landeshauptstadt Breslau. Hier wurde er auf Betreiben von Matthias zum Koadjutor des Bischofs Rudolf von Rüdesheim ernannt und nach dessen Tod im Jahr 1482 zum Bischof von Breslau gewählt. Die Wahl stand unter einem denkbar ungünstigen Stern. Das Domkapitel wähnte sich infolge des königlichen Eingriffs in seiner Wahlfreiheit eingeschränkt. Der Bischof umgekehrt setzte sogleich zu einem vehementen Kampf für geistliche Integrität und Abschaffung kirchlich nicht legitimierter zeremonieller Bräuche ein. »›Der fromme Bischof will‹, so hatte es Johannes zwar erst auf der Diözesansynode von 1497 schriftlich fixieren lassen, doch was ihm 1497 galt, galt ihm auch zu Beginn des Pontifikats, ›der fromme Bischof will, daß alle Weltpriester, wenn sie das heilige Offizium und den öffentlichen Gottesdienst in ihren Kirchen löblich verrichten wollen, sich nach den üblichen Sitten und Gewohnheiten richten und keine besonderen Gebärden und Zeremonien annehmen, die Leichtfertigkeit und Heuchelei verraten und die Umstehenden ärgeren, sobald sie von dem allgemeinen Gebrauche abweichen, namentlich in der heiligen Messe, dem erhabendsten Teile des Gottesdienstes …‹«. Auf

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Purgierung der heiligen Verrichtungen im Gottesdienst nicht anders als in der Lebensführung der zur Ehre Gottes und seiner Kirche bestellten Diener lief das Wirken des hochgebildeten Breslauer Kirchenfürsten hinaus, der in seinem Rigorismus mehr als einmal um sein Verbleiben im Amt bangen mußte. Eine neue Zeit kündigte sich an und die junge humanistische Bewegung hatte ihren Anteil daran. Denn dies nun ist das Signum der geistlichen Existenz des Breslauer Oberhirten, mit dem ausgestattet er an den Anfang der großen Figuren an der Spitze auf der Dominsel rückte: Johannes war leidenschaftlicher Büchersammler. Die Breslauer Dombibliothek, die zu einem der großen bibliophilen Schatzhäuser im alten deutschen Sprachraum aufsteigen sollte, verdankte der Donation des Bischofs einen wertvollen Grundstock. Als eine der gelehrtesten Gestalten auf dem Breslauer Bischofsstuhl ging Johannes IV. Roth in die Geschichte ein. Der eifrige Chronist Breslaus und unermüdliche Abschreiber einschlägiger Quellen Samuel Benjamin Klose berichtet von ›Annotata de rebus sui temporis primariis‹ aus der Feder des Bischofs. Als leidenschaftlicher Humanist unterstützte er die Pläne zur Schaffung einer Breslauer Universität am Vorabend der Reformation, deren Initiatoren der Breslauer Stadtschreiber Gregor Morenberg und der Landeshauptmann Johann Haunold waren. Im Juli 1505 lag die Stiftungsurkunde vor, ausgefertigt von König Ladislaus II., die den Bischof als ihren Kanzler vorsah. Ein Jahr später raffte ihn der Tod hinweg. Die Intervention Krakaus besiegelte den aus humanistischem Geist erfolgten Vorstoß, der sich auf immer mit dem Namen des ersten humanistisch inspirierten Bischofs auf dem Breslauer geistlichen Thron verbinden wird.7

Johannes V. Thurzo Johannes IV. Roth folgte Johannes V. Thurzo. Der Vater kam aus Leutschau in der Zips, wo er als Bergwerk- und Hüttenunternehmer wirkte. Der ins Ungarische zurückführende Name erklärt sich von daher. Die Thurzo unterhielten weite händlerische Beziehungen und hatten sich zur Erschließung und Verwertung der ungarischen Bodenschätze vor allem mit den Fuggern zusammengeschlossen. Eine Verbindung zu dem faszinierenden multi-ethnischen und ‑konfessionellen Raum tat sich auf, die auch dem Sohn zugute kam. Der Vater war aus Leutschau nach Krakau gekommen. Hatte er selbst noch in Padua studiert, so nahm der älteste Sohn nun das Studium in Krakau auf. In den achtziger Jahren erwarb er dort das Baccalaureat und sodann den Magister. Wie üblich seinerzeit, vermochte er rasch im Anschluß daran Vorlesungen abzuhalten.

73

74

|  Wiege des Glaubens

Doch dann wandte er sich zum theologischen Studium nach Italien. Dort hielt er sich längere Zeit am päpstlichen Hof auf und gewann die Zuneigung Papst Alexanders VI. Wie sehr der gehobene Stand seiner Familie die eigene Karriere beförderte erwies sich darin, daß er nach dem Erwerb des Doktortitels in Krakau für zwei Semester das Rektorat bekleidete. Dann begann der Aufstieg in geistlichen Ämtern. Vom Scholastikus in Gnesen und Posen über das Kanonikat in Krakau gelangte er als Domherr und Dechant in das Breslauer Kapitel. Doch reichte sein Wirkungskreis in der Tradition der Familie weit über Breslau hinaus. König Johann I. Albrecht von Polen beauftragte ihn wiederholt mit diplomatischen Missionen. In Breslau machte er seinen Weg. Nachdem ein Bruder zum Bischof in Olmütz gewählt worden war, erreichte der Vater, daß die Einnahme einer Stelle als Koadjutor mit der Zusicherung verbunden war, die Nachfolge auf dem Bischofssitz anzutreten. »Keine Geldopfer scheuend und gestützt auf seine Studienfreundschaft mit dem damaligen Bischof Johann IV. Roth, vermochte der Vater diese Wahl und ihre päpstliche Bestätigung (12. August 1503) trotz des heftigsten Widerstandes des Kapitels wie der schlesischen Landesfürsten und gegenüber einem Fürsten und einem Kardinal als Mitbewerbern durchzusetzen.« Im Februar 1506 bestieg Johannes V. Thurzo nach dem Tode Johannes IV. Roth den Bischofsstuhl zu Breslau. Die Wahl in dieses Amt erfolgte wiederum in denkbar schwerer Zeit. Die Krise der Kirche war an Schlesien und speziell an Breslau nicht spurlos vorbei gegangen. In der Bürgerschaft regte sich Widerstand gegen die Präsenz der Kleriker und deren Praktiken. Die Hussitenkriege und die Niederschlagung der auf radikale Reformen dringenden Bewegung in Böhmen durch Georg von Podiebrad hatte die Ablehnung der alten Kirche befördert. Am sichtbarsten zum Ausdruck kam das obwaltende Mißtrauen und die nicht mehr zu schlichtende Entfremdung in dem Vertrag von Kolowrat, der bestimmte, daß fortan nur noch gebürtige Schlesier, Mähren, Böhmen oder Lausitzer zum Bischof gewählt werden könnten. Diese Bedingung erfüllte Thurzo nicht. Er wurde als ›fremder‹ Bischof empfunden und mußte sich das Vertrauen mühsam erkämpfen. Im Blick auf die beiden kommenden Jahrzehnte blieb entscheidend, daß man in Wittenberg mit Zuversicht und Hoffnung auf den Breslauer Bischof blickte. Der zehrte von den Anregungen, die er an einer der Hochburgen der jungen humanistischen Bewegung im Osten, der Universität Krakau, sowie im Ursprungsland in Italien selbst empfangen hatte. Er war ein Liebhaber der Autoren des Altertums aller denkbaren Disziplinen, kannte sich aus in der reichen theologischen Literatur der griechischen und lateinischen Patristiker bis

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

hin zu einem Zeitgenossen wie Vinzenz von Beauvais und beschäftigte sich noch mit Inschriften, Münzen, Standbildern, bildete sich also aus zu jenem uomo universale, wie ihn die Renaissance als Ideal kultivierten Menschentums zugleich faszinierende und zur Nachfolge reizende Gestalt hatte werden lassen. In allen Personen, die von diesem Ideal ergriffen waren, lebte der Drang, Kunde zu geben von der erhebenden und sittigenden Erfahrung der Studien und ganz im Sinne der Alten einem pädagogischen Impetus Raum zu gewähren. Entsprechend setzte sich auch Thurzo wie sein Vorgänger für eine Hebung des geistigen Niveaus der Kleriker ein und mühte sich, ihr Verständnis für den in den Humaniora beschlossenen Schatz zu befördern. Zugleich richtete sich sein Augenmerk auf die Schule. An vorderster Stelle stand diejenige in Goldberg. Sein Ziel war es, breiteren und gerade auch nicht begüterten Kreisen einen Zugang zu den humanistischen Studien zu eröffnen. Zu diesem Zweck verbündete er sich mit dem Rektor Hieronymus Gürtler, der selbst von der aus Italien herüberwirkenden Bewegung ergriffen war. Männer von hervorstechendem Format in seiner näheren Umgebung wie den Historiker Ursinus Velius, den Dichter Georg von Logau, den schlesischen Topographen Barthel Stein und den späteren Reformator Johann Heß förderte er nach Kräften. So wuchs der Bischof auf der Dominsel zu einem Schirmherrn jedweder Studien heran und nahm damit eine Schlüsselposition in Breslau und Schlesien auf dem Weg zur Reformation und der Implantation der humanistischen Studien ein. Die Sammelleidenschaft des gelehrten Herrn erstreckte sich auch auf Gemälde. Seine Bibliothek schmückte eine Darstellung Adams und Evas. Von Heß, der ihm viel verdankte, erhielt er die ›Madonna unter den Tannen‹ geschenkt, die in den Breslauer Domschatz einging. Als Bauherr stiftete er das Portal zur Domsakristei mit der Enthauptung Johannes des Täufers als eines der ersten Renaissance-Denkmäler auf schlesischem Boden. Auch die Johanniskapelle des Breslauer Doms geht auf ihn zurück. Und so will es als ein sinnfälliges Zeichen seines den Künsten und Wissenschaften ergebenen Lebens erscheinen, daß der Bischof daselbst seine letzte Ruhestätte fand. Auf seinem Grabmal liest man: »Dem einzigdastehenden Schutzherrn der Wissenschaft, von der er selber durchdrungen war, und der Gelehrten, für die er mit großer Freigebigkeit sorgte.«8

75

76

|  Wiege des Glaubens

Jakob von Salza Im Jahr 1520 starb Johannes V. Thurzo, von der gebildeten Oberschicht allseits betrauert. Ihm folgte Jakob von Salza, in dessen knapp zwanzigjähriger Wirkungszeit (1520–1539) der Einzug der Reformation in Schlesien und Breslau sich vollzog. Dem Bischof gebührt das Verdienst, diesen Prozeß moderat und stets um Vermittlung bemüht begleitet zu haben. Das wurde ihm von seinen Glaubensgenossen im Domkapitel mehrheitlich verübelt. Die Geschichte seiner Bischofszeit ist zunächst eine solche ständiger Anfeindungen aus dem eigenen Lager. Daß Jakob von Salza nicht zurückwich, macht ihn zu einer respekterheischenden Figur und zugleich zu einer zentralen Gestalt innerhalb der Frühgeschichte der schlesischen Reformation. Er hat wesentlichen Anteil an dem religions- und kirchengeschichtlichen Sonderfall, als welcher sich die Jahre seines Wirkens darstellen und von dem einer der führenden Sachkenner rückblickend feststellte: »Es kann als Eigenart der reformatorischen Entwicklung in Schlesien betrachtet werden, daß weder die katholische Seite den innerlich vollzogenen Abfall der Protestanten erkennen wollte, noch die evangelische den vollständigen Bruch mit der katholischen Kirche suchte. Eine konfessionelle Trennung, die insgeheim längst erfolgt war, wollte niemand offiziell bestätigen. So blieb es in Schlesien noch Jahrzehnte hindurch bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555.«9 Jakob von Salza entstammte einer Familie des Oberlausitzer Landadels. Er hatte in Leipzig und Bologna studiert, bevor er in Ferrara das Doktorat beider Rechte erwarb. Er wirkte, wie in seiner Zeit üblich, als politischer Würdenträger in der Funktion eines Landeshauptmanns von Glogau und bemühte sich um einen Zugang in der kirchlichen Hierarchie. Hier geht es nur um die auf Breslau gerichteten Aktivitäten. 1512 erhielt er die Dechantenprälatur des Breslauer Kreuzstifts, 1513 wurde er Mitglied des Breslauer Domkapitels, drei Jahre später Prälat-Scholaster am Breslauer Dom, 1520 – im Jahr des Todes seines berühmten älteren Bruders Wigand von Salza – erfolgte die Wahl zum Bischof. Das Signum seiner knapp zwanzig Jahre währenden Amtszeit sollte es werden, der sich abzeichnenden und dem Bischof vor Augen stehenden Auflösung der kirchlichen Einheit nach Kräften entgegenzuwirken. Das aber bedeutete, auf Ausgleich mit den zu neuen Ufern drängenden Kräften bedacht zu sein. Lautet das Urteil aus berufenem Munde in dieser Angelegenheit, daß es ihm gelungen sei, »die Einheit der Kirche wenigstens äußerlich zu bewahren und ihren ungeteilten Bestand zu verteidigen«, so sollte diese Feststellung hinreichen, um dem ersten Bischof im Sturmjahrzehnt der

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Reformation einen ehrenvollen Platz in der Galerie der Breslauer Bischöfe zu sichern. Ein Porträt des Fünfzigjährigen »zeigt ihn in einem Lehnsessel in bischöflicher Chorkleidung mit Birett, Stola, Brustkreuz und Kette und gefalteten Händen. Der Gesichtsausdruck ist ernst und versonnen wirkend; leicht nach links gewendet, scheint er in weite Ferne zu blicken, gramvolle Züge um Mund und Augen sind unverkennbar.« Die aufgewühlte Zeit hatte ihre Spuren im Antlitz des Kirchenfürsten hinterlassen. ›Honor in virtute paratur‹ lautete der von ihm gewählte Wahlspruch.10

Balthasar vom Promnitz Ihm folgte der Angehörige eines Geschlechts, das sich bereits im Mittelalter einen Namen gemacht hatte, in die Geschichte der deutschen Literatur im 17. Jahrhundert vor allem über Opitz hineinspielte, jedoch schon im 18. Jahrhundert ausstarb: Balthasar von Promnitz. Geboren 1488, ist er im Winter 1510/11 an der soeben erst gegründeten Universität Frankfurt an der Oder bezeugt. Dort widmete er sich juristischen Studien und wechselte 1519 an die gleichfalls junge kursächsische Universität in Wittenberg, die über Luther und Melanchthon große Anziehungskraft ausübte. Die nur kurzfristige Visite der illustren Hochschule nahm für Balthasar eine überraschende Wendung, als sich ihm – vermittelt über das Herzoghaus Münsterberg-Oels – die Anwartschaft auf eine Domherrenstelle im Breslauer Domkapitel eröffnete. Um eine solche wahrzunehmen, bedurfte es eines abgeschlossenen Studiums. Vermutlich in Italien erwarb er das Lizentiat beider Rechte und konnte 1527 als residierender Domherr auf der Dominsel installiert werden. Zehn Jahre später stieg er zum Archidiakon auf, die ranghöchste Position, die ein Domherr erreichen konnte. Hernach war der Weg zum Bischof nicht mehr weit.11 Von Promnitz gehörte fortan zu einem Kreis hochgelehrter Männer des alten und neuen Glaubens, der sich im Schatten des Doms auf der Dominsel zusammengefunden hatte und in jener Symbiose ein symbolisches Bild fruchtbaren geistigen Austausches über die kirchlich reglementierten Grenzen stellte, wie er für die Frühzeit des Humanismus und der Reformation in Schlesien und speziell in Breslau typisch blieb. Der gelehrte Domherr Stanislaus Sauer, der Domherr Nikolaus Weidner alias Salixius, welcher mit scharfen Distichen gegen Luther hervorgetreten war, der Gräzist und Jurist Johannes Metzler, Anhänger der neuen Lehre, Johann Lange, Sekretär Bischof Jakob von Salzas und später Kanzler Bischof Balthasars und gleichfalls der neuen Lehre zugetan, schließlich Vinzenz Gärtner, Notar der bischöflichen Kurie und hernach Kanzler Jakobs,

77

78

|  Wiege des Glaubens

gehörten diesem Zirkel an, in dem Balthasar rasch eine führende Rolle einnahm. Der Umgang mit Anhängern des evangelischen Glaubens war ihm also frühzeitig eine selbstverständliche Angelegenheit.12 Dazu trugen auch seine glänzenden auswärtigen Kontakte bei, insbesondere die zum schlesischen Adel und zum Hof in Münsterberg-Oels. Sie eröffneten Balthasar die Chance, als Hofmeister mit den Söhnen Herzog Karls I. Joachim und Heinrich auf Reisen zu gehen, die ihn u. a. nach Prag und Italien führten. Zugleich fungierte er mehrfach als Gesandter des Bischofs und nahm Aufträge gegenüber Ferdinand I. in Prag und Wien wahr. Deren Ziel lag auf der Hand, galt es doch, den König zu energischerem Eingreifen gegenüber den Lutheranern in Schlesien zu bewegen. Umgekehrt mußte sich Promnitz immer wieder bereit halten, Gelder für den König in den ohnehin notleidenden Klöstern und bei den katholisch gebliebenen Grundherren einzutreiben. Diese ›weltliche‹ Karriere sollte ihren Höhepunkt in der geplanten Entsendung Balthasars als Geschäftsträger des Bischofs beim königlichen Hof in Wien finden. Sie scheiterte an den finanziellen Forderungen Balthasars, zeigte aber, welchen diplomatischen Rang er inzwischen erworben hatte. Im bischöflichen Amt, in das er 1539 gewählt wurde und das er fast ein Vierteljahrhundert bekleidete, sollten ihm die erworbenen Erfahrungen vielfältig zugute kommen. Hier geht es wie immer vor allem um die mit Religion und Konfession gegebenen Aspekte. Es war ein gutes Zeichen, daß der Hauptpastor Ambrosius Moibanus dem frisch gewählten Bischof eine ›Epistola Gratulatoria‹ übersandte. Beigefügt war dem Gedicht ein Glückwunschschreiben von Melanchthon, beherrscht von dem einen Gedanken, daß Eintracht unter den Gläubigen walten und der Bischof als guter Hirte die zerstreute Herde zueinander führen möge. Ausdrücklich wurde dem frisch gewählten Bischof seine Mäßigung attestiert, die für beide Seiten hoffen ließ. Die Fäden zwischen Stadt und Dominsel sollten nicht abreißen, auf Einvernehmen wo immer möglich hingearbeitet werden. Balthasar hat sich diesem Vorsatz nicht versagt und ist den Protestanten mehr als einmal entgegengekommen, was ihm unter seinen Glaubensgenossen bis in die jüngste Zeit hinein nicht nur Freunde bescherte.13 Als er 1548 die freie Herrschaft Pleß erwarb, duldete er nicht nur den Fortbestand der evangelischen Lehre daselbst, sondern gestattete ihren Anhängern sogar, sich als Kirchgemeinschaft zu konstituieren. Auch unternahm er keine Schritte, um der Ausbreitung des Protestantismus im Bistumsland Neisse zu wehren. Der Hof des Bischofs in Neisse, so ein Zeitzeuge in einem Schreiben an Kardinal Hosius im Ermland, sei »›vom Luthertum ganz erfüllt […], und wenn gleich der Bischof [Balthasar] für seine Person der katholischen Religion

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

wohl wolle, die katholischen Zeremonien beobachte […], so werde doch nicht mit der gehörigen Sorgfalt bezüglich der Beamten des Hofes und der Bürger der Stadt nachgeforscht, wie es mit dem katholischen Glauben und Leben bei ihnen stehe, geschweige denn, daß die Kirche selbst von lutherisch gesinnten Pfarrern gereinigt würde. Es sei bekannt, daß der Pfarrer von Neiße, Melchior Weinrich, der Sekte [!] angehöre. Er habe den Lutherischen zu Gefallen schon vor längerer Zeit geheiratet, das hl. Sakrament unter beiden Gestalten ausgespendet und auch junge Priester zur Eingehung der Ehe verleitet.‹«14 Da machte er sich wieder vernehmlich, der Ton des Anschwärzens und Eiferns, wie ihn die Einpeitscher auf beiden Seiten so vorzüglich beherrschten – die Lutheraner freilich je länger desto mehr gegenüber den Abweichlern in den eigenen Reihen und den nun sich formierenden Calvinisten. Wir haben Ausschau zu halten nach jenen Figuren, die sich dem fanatischen Gebaren widersetzten oder aber ihm schlicht keine Gewalt über ihr Reden und Handeln einräumten. Zu ihnen möchten wir, nach allem was bekannt ist, auch Balthasar von Promnitz rechnen. Es will etwas besagen, wenn ein Jahrhundert später ein Opitz zu dem Geschlecht der von Promnitz sich bekannte und den irenischhumanistischen Gestus auch der Vorfahren seines Helden Seyfried von Promnitz herausstreicht. Dem Bischof aber schlug sein Gewährenlassen keineswegs zum Guten aus. Der Papst beschwerte sich bei dem Kaiser ob der laxen Praxis des Breslauer Oberhirten, ja er ging soweit, dem Kaiser den Vorwurf zu machen, »›er dulde, daß der der Häresie [!] in hohem Grade verdächtige Bischof mit anderen seinesgleichen seine Macht nur dazu benutze, alles Katholische zu beseitigen und die neue Lehre einzuführen‹«, was natürlich absurd war. Schließlich ging man in Rom mit dem Gedanken um, dem Bischof formell den Prozeß zu machen. Dazu kam es nicht, denn das Leben des Inkriminierten neigte sich dem Ende zu. Wir halten uns an die Worte, die der Schulrektor zu Neisse, wo der Bischof wie sein Vorgänger feierlich bestattet wurde, in seiner Leichenrede fand: Täglich habe er eine bestimmte Zeit dem Gebet gewidmet und um die Einheit der Kirche gefleht. »Auch habe er noch vor seinem Tode inständig zu Gott gebetet, daß er der Kirche den Friede wiedergebe.« Er bekannte sich zu seinem katholischen Glauben, verstand ihn aber als einen auf Frieden und Versöhnung gerichteten. Auch Balthasar von Promnitz stiftete ein Vermächtnis, dessen in die Zukunft weisende Züge der Erinnerung anheimgestellt sein wollen.15

79

80

|  Wiege des Glaubens

Kaspar von Logau Diese auf Ausgleich bedachte Positionierung der wesentlichen Akteure auf beiden Seiten war nicht unbegrenzt aufrecht zu halten. Mit der Zuspitzung der konfessionellen Krise und dem Auseinandertreten der Bekenntnisse und Kirchen verschärfte sich auch der Druck auf die Bischöfe auf der Dominsel. Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch sie prononciert in das Geschehen eingreifen und Stellung beziehen mußten. An der Gestalt des Nachfolgers von Promnitz, gleichfalls von illustrer Herkunft, an der Gestalt Kaspars von Logau, und vor allem an dessen Nachfolger Martin von Gerstmann ist dies zu studieren. Und da beide auch nachfolgend wieder auftauchen werden, mag es angezeigt sein, wiederum in wenigen Strichen, gruppiert um ihre Gestalt, dem hier verfolgten Problemkomplex weiter nachzugehen. Beide sind gut erforscht, auch wenn ihr Bild und das ihres Wirkens naturgemäß schwanken, sind beide doch voll involviert in das Zeitgeschehen. Die Logaus, aus denen so viele herausragende Gestalten hervorgehen sollten, zählten zu den ältesten Geschlechtern Schlesiens. Ihre urkundlich bezeugte Geschichte führt bis in das 13. Jahrhundert zurück. Im 16. Jahrhundert haben einzelne Vertreter bedeutende Stellungen inne; Wenzel von Logau und Olbersdorf ist Hofmarschall des Herzogs Karl I. von Münsterberg-Oels (1511–1536), Bartholomäus von Logau Regierungsrat bei Herzog Friedrich II. von Liegnitz und Brieg und Kriegsrat bei dessen Nachfolger Friedrich III. Georg von Logau, Repräsentant des schlesischen Humanismus in seiner ersten Blütezeit um 1500, wird uns an späterer Stelle beschäftigen. Ein Vetter Georgs ist Matthäus von Logau, der Vater des nachmaligen Bischofs. Auch er gehörte zunächst zum Kreis um Johannes V. Thurzo, sodann um den von Jakob von Salza, in deren Diensten er mehrfach bezeugt ist, bevor er später zum bischöflichen Kanzler aufstieg. Schon er ist mit der permanent sich stellenden Frage befaßt, ob und auf welche Weise eine Einigung mit den Lutheranern herbeigeführt werden könne. 1524 wurde Kaspar von Logau in Neisse geboren, wo er auf der dortigen Pfarrschule bei Johann Lange seine erste Ausbildung erhielt. Seine weitere Erziehung wurde ihm an der Seite der Prinzen Maximilian und Ferdinand am königlichen Hof in Innsbruck zuteil. Da lehrten und erzogen so bedeutende Gestalten wie Ursinus Velius und eben auch Georg von Logau. Vornehmstes Bestreben des Vaters der Prinzen, Ferdinand I., war es, die Kinder und sonstige Eleven vor dem Bazillus des Protestantismus zu bewahren. Im übrigen aber war eine bessere Ausbildung schwer denkbar. Von den Prinzen ist bezeugt, daß sie deutsch, lateinisch und böhmisch sprachen, später auch französisch, spanisch

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

und italienisch. Auch Kaspar von Logau war polyglott. 1542, im gleichen Jahr, da der Vater die Landeshauptmannschaft in Schweidnitz-Jauer übernahm, wurde ihm in Abwesenheit das Kanonikat an der Breslauer Kathedrale übertragen; der Übergang nach Breslau bahnte sich an. Er wurde jedoch erst nach Studien in Italien, sodann in kaiserlichen Diensten als Kämmerer und Erzieher Erzherzog Karls und einer zehn Jahre währenden Tätigkeit als Propst von Leitmeritz – begleitet von einer zeitweiligen Übernahme des bischöflichen Amts in Wien-Neustadt – im Jahr 1562 vollzogen. Massiv spielte die Reformation in die Wahl des neuen Bischofs hinein. Es wurde festgelegt, daß »›in Zukunft die bischöflichen Halte nicht mehr Häretikern anvertraut werden sollten. Ferner dürfe der zukünftige Bischof keinen häretischen Kanzler halten, da dieser das Herz des Bischofs sei.‹« Der Kanzler des 1562 verstorbenen Balthasar von Promnitz, Bartholomäus Georg Mettel, stand im Verdacht, zum Luthertum zu tendieren. Eine derart liberale Praxis, wie sie unter den Vorgängern durchaus üblich war, konnte in dem sich unaufhörlich zuspitzenden konfessionellen Konflikt nicht länger geduldet werden. Nämliches galt für die Räte des Bischofs, die unter keinen Umständen Lutheraner sein durften. Noch bevor die Wahl Kaspars erfolgt war, hatte das Domkapitel scharfe Richtlinien fixiert, die fortan zum Tragen kommen sollten. Die Wahl selbst erfolgte im Wissen um die Wünsche des Kaisers. Er hatte keinen Zweifel gelassen, daß Kaspar von Logau gewählt werden möge und sich für den Bischof von Wien-Neustadt verbürgt. Das stieß naturgemäß auf den Protest der Wahlmänner, die um ihre Freiheit und die verbürgten WahlRegularien fürchteten. In elf Punkten wurden die Maßnahmen fixiert, die der künftige Bischof zu beobachten habe; sie kreisten fast ausnahmslos um den rechten – und das hieß prohibitiven – Umgang mit den ›Häretikern‹ und ihrem Geist entsprungenen Druckwerken. Was nicht zu erwarten gewesen war, trat ein. Einstimmig wurde Kaspar zum Bischof des Breslauer Bistums erkoren.16 Sehen wir ab von den diplomatischen Aktivitäten des Bischofs, konzentrieren wir uns auf sein der bedrohten Kirche zugutekommendes Wirken, so ist zunächst die Einberufung von Diözesan-Synoden zu erwähnen, und das deshalb, weil diese begleitet ist von Dokumenten, die ein scharfes Licht auf die Situation der alten Kirche werfen, zunehmend umgeben von der von Jahr zu Jahr erstarkenden evangelischen Kirche. Eine Innenansicht wird kenntlich, die die tiefe Beunruhigung erfahrbar werden läßt, die die Verantwortlichen umtreibt. In der einen Stadt, dem evangelischen Rat dort, der zuweilen wie eine Enklave sich ausnehmenden Dominsel hier, nimmt das vor den Augen der Bevölkerung sich abspielende Drama seinen Gang.

81

82

|  Wiege des Glaubens

1563 fand eine Synode im neuerbauten Saal (stuba major) der bischöflichen Kurie statt. Überliefert ist die Synodalrede, die der Domherr Dr. Sebastian Sleupner hielt. »›Wir sehen, wie die Kirche‹, so führt er in bilderreicher Sprache aus, ›bereits gleich einem Schiffe auf stürmischer See von heftigen Winden hin und hergetrieben wird, wie sie unter dem häufigen Wellenschlag ermüdet außen von zahlreichen schrecklichen Ungeheuern bedrängt und innen von der Untätigkeit der Seeleute und von der Angst der Mitfahrenden gequält wird, ohne daß ein Ende oder ein Ausweg sichtbar wird. Es bedeutet wenig, daß unsere Religion von den Türken bekämpft, von den Juden verlacht und von den Gottlosen geschmäht wurde. Jetzt haben sich soviel aufsässige Herden von Irrlehren erhoben, die unter dem Deckmantel des christlichen Namens, unter dem besonderen Titel des Evangeliums so feindselig die heilige allgemeine Mutterkirche befehden, die Brüder verraten, täglich unzählige Seelen gleichsam töten, für deren Erlösung Christus der Sohn Gottes, Blut und Leben hingegeben hat, die Autorität der Kirche verachten und die Kirchengüter rauben.‹«17 Schonungslos ist die Analyse, nichts erspart der Redner seinen Hörern, er versteht sein rhetorisches Metier, mittels dessen Instrumentarium er das Unfaßliche, einer Wende der Zeiten gleich, beschwörend zu bannen sucht. Im Inneren wurzelt das Übel, und das gleichermaßen im Blick auf die alten Kirche und ihre Diener wie auf die Vertreter der Irrlehre, die da ohne die Spur eines Verständnisses gegeißelt werden. Was bis dato undenkbar war, ist unvermittelt bestürzende Wirklichkeit geworden. Mitten durch Länder und Provinzen, durch Städte und Dörfer, ja – besonders grausam – mitten durch Häuser und Familien, Freunde und Nachbarn, geht der Riß, der einen jeden Lebensraum ergriffen hat. Der Kirche und ihren Repräsentanten ist die Verwaltung der heiligen Güter entwunden, Kürschner und Barbiere, Weber und Fleischer versehen das Priesteramt. Sie alle sprechen mit vielerlei Zungen, einig nur darin, die Katholiken zu befeinden. Aber sie haben keineswegs nur Unrecht. Der Verfall der Sitten in der alten Kirche hat den Keim zum Umsturz gelegt. Das Volk, begabt mit dem Sinn für das Schickliche, hat ein feines Gespür für den Krebsschaden, der da nicht unbemerkt bleiben konnte. Ein Bischof, konfrontiert mit dieser schonungslosen Diagnose, konnte, durfte er tatenlos bleiben, mußte er nicht umgetrieben werden von dem, was ihm da aus berufenem Mund beleumundet wurde? Vorschläge enthielt Sleupners Rede zur Genüge, Schulen müßten gegründet, Priesterseminare errichtet, die der Kirche zustehenden Gelder eingetrieben werden, etc. »›Richte auf‹« so Sleupner im Angesicht des Bischofs. »›ich beschwöre dich, eine Mauer vor dem Hause Gottes, begegne diesen Übeln. Wir, dein Volk, und deine Herde, bitten dich,

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

verlaß diese deine Kirche nicht, sondern leite sie mit kluger Sorgfalt, unterstütze sie mit deinem Rat, liebe uns als die Deinen, tadele die Sünder, richte auf die Gefallenen, pflanze ein die Tugenden, weise zurück die Schmeichler, halte fern von dir die Häretiker und die Verächter des Heiligen, schwinge vielmehr den Stock gegen sie und ihre Untreue und vertreibe sie mit hl. Schild.‹« Ergreifend zu gewahren, wie in allen Äußerungen die Hoffnung sich immer wieder Bahn bricht, daß die Einheit der Kirche durch göttliches Erbarmen wiederhergestellt werden, der Kelch des Schismas an ihr vorbei gehen möge.18 Ein aufschlußreiches Bild bieten auch die Visitationsberichte, wie sie unter Bischof Kaspar in der entscheidenden Phase der Mitte des Jahrhunderts durchgeführt wurden. Ein besonderes Beobachtungsfeld bildeten neben den lutherischen Kirchen die Anhänger Osianders, die Schwenckfeldianer und anderweitige ›linksreformatorische‹ Sekten, die alle auch bereits von den Lutherischen argwöhnisch beäugt wurden. Unter Bischof Kaspar spitzte sich zudem die Jesuitenfrage in Schlesien und speziell in Breslau dramatisch zu. Noch im Todesjahr Balthasars von Promnitz wurde eine Niederlassung der Jesuiten in Breslau betrieben. Kirche und Kloster St. Dorothea wurden ins Auge gefaßt. Die Pläne zerschlugen sich. Später wurde das Dominikanerkloster St. Adalbert für eine Gründung vorgesehen, doch dessen Konvent bestand nur noch aus zwei Ordenspersonen. Wenn derart der erste Anlauf scheiterte, so war es dennoch nur eine Frage der Zeit, wann er – und diesmal mit Erfolg – wieder aufgenommen werden würde. Zunächst mußte sich die Waagschale wieder zugunsten der Katholiken gesenkt haben. Für die Stadt aber zeichnete sich bereits in diesen Jahren eine der härtesten Belastungsproben ab, die sie in ihrer Geschichte zu bestehen hatte.19 Noch der Tod des Bischofs wurde in die konfessionellen Querelen hineingezogen. Die Bestattung erfolgte gemäß testamentarischer Verfügung im Dom zu Neisse; dort vor allem hatte der Bischof sich aufgehalten und seine geistliche Heimat gehabt. Der Leichenzug sollte durch die Stadt Breslau führen. Daraufhin verlangte der Breslauer Rat, daß er von der Bürgerschaft und den Schulen begleitet würde. Er berief sich auf die Beerdigung des Bischofs Johannes V. Thurzo. Inzwischen aber war Breslau zu einem Bollwerk des Protestantismus im Osten geworden. Der Rat lenkte ein und stellte es der Gegenseite anheim, den Leichenzug allein von Domherren durch die Stadt ziehen zu lassen, seine Unterhändler aber scheuten sich nicht, mit der ›kochenden Volksseele‹ zu drohen und verwiesen auf die Gefahr eines Tumults. Das Domkapitel ließ sich nicht abschrecken. Die Einwilligung wurde versagt. Bis zur Vinzenzpforte durfte der Trauerzug in Begleitung ziehen, nicht weiter. Was zu

83

84

|  Wiege des Glaubens

gleicher Zeit in Streit zwischen Lutheranern und Calvinisten beliebte Praxis wurde, hatte seine Parallele im Umgang zwischen Rat und Domkapitel. Die Stadt, das zeigte der beschämende Vorgang aufs schmerzlichste, war gespalten und keine Macht mehr willens und imstande, schlichtend einzugreifen. In Neisse fand der Bischof schließlich seine letzte Ruhe, und auch ihm wurde ein eindrucksvolles Epitaph zuteil.20

Martin von Gerstmann Beschließen wir diese kleine Revue mit einem Porträt Martin von Gerstmanns. Noch einmal werden wir mit seiner Gestalt in die hohe Politik geführt; die Vorboten der Kulmination des konfessionellen Ringens um 1600 zeichnen sich bereits deutlich ab. Schon bevor Gerstmann zum Bischof von Breslau gewählt wurde, hatte er im Dienst Kaiser Maximilians II. gestanden und als Rat und Sekretär fungiert. Er erwarb so hohes Ansehen, daß der Kaiser ihn mit der Erziehung seiner beiden jüngeren Söhne Matthias – dem späteren Kaiser – und Maximilian betraute. Für seine Verdienste wurde Gerstmann 1570 vom Kaiser in den Adelsstand erhoben. Qualifiziert für seine Dienste hatte der 1527 in Bunzlau Geborene sich durch das Studium der Rechte, das er in Padua mit dem Erwerb des juristischen Doktors beider Rechte abgeschlossen hatte. Seine ausgezeichnete Stellung beim Kaiser spielte auch in seine zukünftige Breslauer Rolle hinein.21 Als Kaspar von Logau 1574 gestorben war, fiel die Wahl auf Gerstmann, und dies im Wissen, damit einem Wunsch des Kaisers zu entsprechen, der herzlich gratulierte. Der erste Mann auf der Dominsel und im Bistum erfreute sich als kaiserlicher Rat und alsbaldiger Oberlandeshauptmann von Schlesien eines direkten Kontakts zum Oberherrn im Reich. In Treue dem Kaiser ergeben, betrieb er in Warschau dessen Wahl zum König von Polen – ein diplomatisches Manöver, das durch den Tod Maximilians II. im Jahr 1576 vereitelt wurde. Vorbei indes waren die Zeiten, da konfessionelle Neutralität und Sympathisieren mit der reformatorischen Bewegung dem katholischen Oberhaupt verstattet waren. Unmißverständlich bekannte sich der Bischof zu den Beschlüssen des Tridentiner Konzils und machte deren Umsetzung in dem Bistum zu seiner Sache. Er scheute sich nicht, zur Bekämpfung der Protestanten in Orten wie Glogau oder Neisse zu schreiten und betrieb zugleich die Installation der Jesuiten auf schlesischem Boden, was ihn automatisch in Konflikte mit dem Breslauer Rat und der Breslauer Bevölkerung brachte. Den Plan, das Breslauer Dominikanerkloster in ein Jesuitenkolleg umzuwandeln, mußte er freilich wie sein Vorgänger

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

aufgeben. Zu groß war der Widerstand, der bis hinauf zu den protestantischen Fürsten und Ständen im Land sich regte; selbst der Kaiser schaltete sich ein.22 All das hinderte nicht, daß er insbesondere als Oberlandeshauptmann einen guten Kontakt zu den schlesischen Fürsten pflegte, insbesondere dem strengen Protestanten Herzog Georg II. von Brieg freundschaftlich zugetan blieb. Noch einmal frönte der Bischof ausgiebig seinen wissenschaftlichen Interessen und gab eine Geschichte Schlesiens in Auftrag, mit der den Annalen des Joachim Curaeus entgegengetreten werden sollte. Sein Rat und Sekretär Wenzel Cromer von Krippendorf wurde mit der Aufgabe betraut. Das Manuskript aber wurde ein Opfer der Verwüstung, die die Dominsel und mit ihr die glanzvolle Dombibliothek während der schwedisch-sächsischen Besetzung im Dreißigjährigen Krieg zu erleiden hatten. Eine Phase klerikal-gelehrter Interaktion, wie sie der bischöflichen Geschichte auf der Dominsel über weite Strecken ihr reizvolles Gepräge verliehen hatte, war ein halbes Jahrhundert später auch symbolisch zu einem Abschluß gelangt, den wache Zeitgenossen sehr wohl auch als einen Niedergang begreifen mochten.23

Übergang zur Reformation: Die Hauptkirche St. Elisabeth An dieser Stelle mag unser Blick in das katholische Breslau im Zeitalter der Reformation enden. Wir wechseln – stets bemüht um das Ponderieren der Gewichte – in das evangelische Breslau, das in ungleich hellerem Licht der Forschung liegt. Auch im folgenden sollen Kirchen und Personen in unserer auf Erinnerung bedachten Darstellung im Mittelpunkt stehen. Beginnen wir unseren Rundgang im Zentrum der Stadt bei St. Elisabeth. Ihre Geschichte führt zurück in die Mitte des 13. Jahrhunderts. »Wir Heinrich und Wlodislaus, Herzöge Schlesiens, vereint mit Anna, unserer Frau Mutter, und unseren Brüdern, den Herzögen Bolislaus und Conrad, bringen zur Kenntnis sowohl der Gegenwärtigen als der Zukünftigen, daß wir dem frommen Vorsatz und der Absicht unseres Vaters Heinrich, weiland Herzogs von Schlesien, ruhmreichen Andenkens, gemäß, ein Hospital in der Stadt Breslau errichten zu Ehren der heiligen Elisabeth zum Gebrauch für arme Sieche, welche ohne Unterschied in diesem Hospital nach unserm Willen aufgenommen und erhalten werden sollen. – – Wir schenken dem Hospital die Parochie der heiligen Elisabeth in der Stadt Breslau, mit ihrem Zubehör […] und mit den Kurien in Breslau, die zur Mitgift der genannten Kirche gehören. Geschehen zu Breslau im Jahre nach der Menschwerdung des Herrn 1253 am 26. Februar.«24 Dies ist die erste Erwähnung der Kirche zu St. Elisabeth. Sie führt hinein in

85

86

|  Wiege des Glaubens

die Frühgeschichte Schlesiens. Herzog Heinrich II., Sohn der Begründerin des Zisterzienserinnen-Klosters zu Trebnitz, der heiligen Hedwig, hatte sich nach der Einäscherung Breslaus im Jahre 1241 durch die Mongolen gegen diese zu behaupten gewußt, dabei jedoch sein Leben eingebüßt. So stiftete seine Witwe Anna zu seinem Gedenken das ›Hospital der heiligen Elisabeth des Hauses des heiligen Matthias‹. Den Deutschen in der Osthälfte der inneren Stadt hatten zuvor die Adalbert- und die Magdalenenkirche als Gotteshäuser gedient. Als nach der Zerstörung Breslaus um den mächtigen Marktplatz des Ringes eine neue Stadt entstand, erhielt sie mit der Elisabethkirche daselbst einen neuen religiösen Mittelpunkt. Zunächst stand am Platz ein – möglicherweise unfertiger – hölzerner Kirchenbau. In einer zweiten Phase wurde unter Karl IV. mit dem Bau der jetzigen Elisabethkirche begonnen. Hoch ragte der 1486 vollendete Turm auf der Südseite des Gotteshauses schlank aufsteigend in den Himmel. Breslau besaß damit ein über die Dächer der Stadt weit in die Ferne hinaus grüßendes Wahrzeichen im gotischen Stil. »Bartel Stein bewundert diesen höchsten Turm der Stadt, dessen ›sich nach oben schlank verjüngende Spitze über die Wolken hinauszustreben scheint‹.«25 Doch er bestand keine fünfzig Jahre. Im Februar des Jahres 1529 brach ein gewaltiger Orkan die Spitze des Turms ab. Man verzichtete auf die Wiedererrichtung und schmückte den Turm vielmehr mit einem achteckigen Helm, wie er sich fortan mit dem Bild der Kirche verband. Die Kirche selbst war dreischiffig und mit neun Arkadenpaaren versehen. Sie war wie die meisten mittelalterlichen Kirchen gewiß ausgemalt. Im Osten erhob sich der gotische Hochaltar, der nach einem Blitzeinschlag im Jahr 1497 neu errichtet werden mußte. Die vielen Altäre an und neben der Kirche waren gleichfalls mit Bildern geschmückt. In den zahlreichen ein- und angebauten Kapellen verewigten sich die Stifter; zahlreiche Epitaphien und Grabdenkmäler hielten die Erinnerung an die Angehörigen zumeist vornehmer Geschlechter fest. »Die Kirche muß, besonders um die Mitte des 15. Jahrhunderts, dem Fremden einen tiefen Eindruck von der Kirchlichkeit der reichen Breslauer gemacht haben.«26 Dann hielt die Reformation ihren Einzug.

Ambrosius Moibanus als Gründergestalt Eine Reihe großer Namen verbinden sich mit der Geschichte der Prediger zu St. Elisabeth. Manchen von ihnen sind wir bereits begegnet, andere werden wir in späteren Zusammenhängen näher kennen lernen. Umfassende Gelehrsamkeit und entsprechend weitgespannte Tätigkeitsfelder sind ein Signum der

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Repräsentanten frühneuzeitlicher Kultur. Die großen Geister sind nicht auf eine Disziplin oder eine berufliche Charge festzulegen. Wann und wo immer ihr Name in der Öffentlichkeit Nimbus gewonnen hatte, waren die Verantwortlichen in den entsprechenden geistlichen und weltlichen Gremien in der Stadt und bei Hof bestrebt, sich ihrer Kompetenz zu versichern. Eben dieser Umstand macht es ebenso reizvoll wie schwierig, ihren Lebenswegen und beruflichen Obliegenheiten nachzugehen. Die wissenschaftliche Biographie hat – bezogen auf die Frühe Neuzeit – den Charakter einer Königsdisziplin. Wir besitzen viel zu wenig gediegen gearbeitete große monographische Werke in dieser Gattung. In diesem Buch aber müssen wir uns mit Kurzporträts und klug ausgewählten historischen Segmenten bescheiden. Die Elisabethkirche hatte das Glück, mit Ambrosius Moibanus gleich zu Beginn der Reformation eine überragende Persönlichkeit für sich gewinnen zu können. Das mächtige Haupt des Gottesmannes wird nicht vergessen können, wer seinem Konterfei etwa in Paul Frehers Theatrum virorum eruditione clarorum aus dem späten 17. Jahrhundert begegnet ist. Er war – anders als so viele spätere Theologen – gebürtiger Breslauer und hatte seinen ersten Unterricht in der Pfarrschule zu St. Maria Magdalena und hernach auf dem Pfarrgymnasium in Neisse erhalten. In der vorreformatorischen Zeit führte ihn sein akademischer Weg bezeichnenderweise nach Krakau und sodann nach Wien. Hier hatte vor allem dank des Wirkens von Conrad Celtis der Humanismus bereits Platz gegriffen. In Krakau erwarb er den Grad des Baccalaureus, in Wien den des Magisters. Es spricht für den humanistischen Impetus, den er frühzeitig empfing, daß er sich an die Edition dreier Hymnen von Giovanni Francesco Pico della Mirandola wagte, die er selbst um zwei theologisch-philosophische Texte bereicherte, ein Gedicht ›Von dem Ursprung der verschiedenen Religionen‹ und einen Hymnus ›Über das höchste Gut oder die Geheimnisse der heiligen Dreieinigkeit‹. So war es nur konsequent, wenn Melanchthon ihm später den Rat gab, seine Studien und Ideen in einer Arbeit über die Natur des Menschen zusammenfließen zu lassen.27 Ein Weg in die Schule schien sich abzuzeichnen, denn Moibanus wurde von Bischof Johannes V. Thurzo als Lehrer an die Breslauer Domschule berufen. Nicht ausgeschlossen, daß der Bischof selbst ihn in diesem Zusammenhang nach Wittenberg zu Melanchthon schickte. Das aber wäre dann nicht primär aus theologischen, sondern aus schulischen Beweggründen geschehen. Melanchthon stand für beides ein, und für die neue humanistische Ausrichtung der Schulen war er erste Autorität. Nach dem frühen Tod des Bischofs kehrte Moibanus jedoch nicht an die Domschule zurück, sondern erhielt das

87

88

|  Wiege des Glaubens

Amt des Rektors an der Pfarrschule zu St. Maria Magdalena, wo er einst als Schüler gesessen hatte. Hier führte er das Griechische ein und machte sich um die Herausgabe von Lehrbüchern verdient. Sein anhaltendes humanistisches Interesse bekundete sich vielleicht am prägnantesten in der Herausgabe von Briefen des Erasmus. Doch hielt es ihn auf der Schule nicht. Der Geist Wittenbergs war über ihn gekommen. Ein neuer Lebensabschnitt begann. Nun lockten den jungen Mann die neue Theologie und ihre Repräsentanten, Luther und Melanchthon, Kaspar Cruciger und Johannes Bugenhagen und wie sie hießen. Neben dem Lateinischen und dem Griechischen, das er schon auf der Schule unterrichtet hatte, eignete er sich auch das Hebräische an. Das Fundament für das Studium der Bibel wie der antiken Schriftsteller war gelegt. Im Mai 1525 trat er – vom Rat aus Wittenberg nach Breslau zurückgerufen – eine Stelle als Pfarrer an der Elisabethkirche an. Von Bischof Jakob von Salza empfing er die Investitur, nachdem er das Lizentiaten- und Doktor-Examen abgelegt hatte. Es waren die Jahre, da die Reformation in Breslau Einzug hielt, und dieses einschneidende Ereignis blieb fortan auch mit dem Namen der Elisabethkirche und ihres ersten Predigers aus dem erneuerten Glauben heraus verbunden.28 Die deutsche Taufe und der deutsche Gesang waren bereits eingeführt; die öffentliche Prozession am Fronleichnamsfeste wurde eben im Jahr 1525 zum ersten Mal unterlassen; die verschiedenen Weihungen und die stillen Messen beseitigt und den Altaristen das Messelesen untersagt. Immer wird es zum Ruhme des Bischofs gereichen, daß er einen sich abzeichnenden Konflikt mit dem Domkapitel auch seinerseits nicht schürte, sondern bedachtsame weise Zurückhaltung und Duldung übte. Schon ein Jahr später wurde die Predigt in den Hauptgottesdienst eingegliedert und das Meßopfer entfernt, die Abendmahlsfeier aber mit einem von Moibanus verfaßten Meßkanon ausgestattet. Moibanus knüpfte dabei an Luthers ›Formulae Missae‹ an und entwickelte sie für Breslau und Schlesien weiter. »›Der Leichnam meines Herrn Jesu Christi ist ein Opfer und Darbietung für alle meine Sünde. Das Blut meines Herrn Jesu Christi ist meiner Seelen Reinigung und Abwaschung aller ihrer Sünde.‹« Das war eine Formel, die auf Verständigung hin angelegt und auch noch geeignet war, einen Brückenschlag zu einem christlich getönten Humanismus zu ermöglichen. Die geistliche wie die weltliche Ausbildung kam dem Kirchenmann zugute und trug wesentlich zur Befriedung der Verhältnisse in Breslau bei.29 Das Leben des Moibanus indes blieb ein zwischen Kirche und Schule geteiltes. Wir begegnen ihm also sogleich im nächsten Kapitel wieder. Von großer Bedeutung für die kirchliche wie die schulische Arbeit wurde der von Moibanus

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

verfaßte Katechismus, der 1533 in Wittenberg zunächst auf lateinisch, dann zwei Jahre später auf deutsch und hernach wiederholt nochmals lateinisch erschien. Noch einmal setzte sich ein humanistisch inspiriertes Verständnis wahren Glaubens durch. Dieser ist gegründet auf Praxis, bezeugt sich in einem frommen Leben, entwickelt die katechetischen Lehrsätze von der Frage her, »wie man fur Gott vnd den menschen ein Christlich frumes leben furen sol«. Das war ein anderer Ausgangspunkt als jener, den Luther mit der Frage nach der Gerechtigkeit Gottes genommen hatte, und neuerlich ein Angebot, das zu einer Theologie der Befriedung geleitete.30 So ist auch an dieser Stelle noch einmal Gelegenheit, die ganz ungewöhnliche Situation in der Frühzeit der Breslauer Reformation hervorzuheben. Der Bischof behielt die kirchliche Aufsichtsgewalt, die Geistlichen jedoch wurden in Wittenberg ordiniert. Moibanus wuchs nach dem Tod von Johann Heß, der anderen großen Gestalt der Breslauer Reformation, zunehmend in das Amt des Kircheninspektors oder Superintendenten für die protestantische Kirche hinein, obgleich ein solches formell nicht existierte. Es war seine Autorität, die ihn zu einem unentbehrlichen Ratgeber für den vor eine neue Situation gestellten Rat machte. Als Moibanus 1554 fast sechzigjährig starb, errichtete man dem verdienten Mann an der südöstlichen Seite des Hochaltars der Elisabethkirche ein Denkmal, das jedoch bald wieder beseitigt wurde. An seine Stelle trat viel später eine einfache Marmortafel. »Der Achtbare Wirdige her Ambrosius Moibanus, göthlicher schrift Doctor: Vnd bis ins 29 iar Pfarhr. vnd trewer Lehrer in dieser Kirchen Jst in goth seliglich entschlafen den 10 January 1554. Seines alders im sechtzigsten iare. Dehme vnd Vns allen goth gna.«31

Leidensgeschichten der jungen Religion Gleich bei den Nachfolgern von Moibanus lagen die Schatten der Auseinandersetzung mit dem Kaiser, zu Teilen aber auch mit dem Rat über dem Wirken der Prediger bei St. Elisabeth. Der Name des ersten lautete Simon Musäus – »Ein Mann, der seiner gründlichen Gelehrsamkeit, bewährten Amts=Treue u. wunderbaren Schicksaale wegen, in der algemeinen Luthrischen Religions=Geschichte berühmten Andenkens ist.«32 ›Wunderbare Schicksale‹? Nun, es sollten nur die Vorboten sein. Einer, der es wissen mußte, leitete noch zweihundert Jahre später seine große Kirchengeschichte des Protestantischen Schlesien mit den Worten ein: »Die protestantische oder evangelische Kirche in Schlesien hat von Anfang ihrer Pflantzung an, in diesem von GOtt gesegneten Lande, so lange die obersten Herzogen sich nicht öffentlich protestantisch

89

90

|  Wiege des Glaubens

erkläret haben, fast immer den traurigen Nahmen einer bekümmerten und gedruckten Kirche geführet.«33 Musäus kam schon als ein aus Fürstenwalde Vertriebener und aus Crossen in Streit mit dem Magistrat Geschiedener in Breslau an. In Breslau, wo er 1554 an der Elisabethkirche zu wirken begann, nahmen sich die Dinge zunächst freundlich aus. Dann trat der Umschwung ein. Der Sohn des Predigers berichtet: »›Und dieser Status florentissimae Ecclesiae hätte wohl länger stehen können, wenn nicht der Papbst, dessen Gewalt und abgöttische Lehre je länger je mehr begunte zu fallen, das Bellum intestinum in Teutschland erwecket und wider die Fürsten Augsp. Conf. einen grossen Krieg u. Verfolgung aller reinen Lehrer angerichtet hätte. Da durfte man in den Kirchen nicht mehr singen: Erhalt uns Herr bey deinem Wort und steur’ des Papstes und Türcken Mord, sondern den Papst muste man aussen lassen u. singen des Teufels u. des Türken Mord: Weil aber solches Adiaphorisiren wider seine Lehr u. Bekenntniß wolte anstoßen, er auch in das Jnterim nicht kunte willigen, muste ihn ein W.W. Rath aus Fürst=Königl. Bedrohung dimittiren, und Er also zum Drittenmahl das Exilium versuchen.‹«34 Der Gang ins Exil – er wurde zum ›Schicksal‹ von Predigern und Gelehrten. Am Ende, als die Wogen im Übergang zum 18. Jahrhundert sich zu legen begannen, wußte die vielhundertseitige Kirchen- und Ketzergeschichte Gottfried Arnolds von ungezählten Existenzen zu berichten, denen Flucht und Vertreibung, Schändung des Namens und der Ehre, nicht selten Folter und Tod zur bitteren Erfahrung geworden waren.35 Und das Schlimmste dabei: Aus der Mitte der dem jungen Glauben Anhängenden kamen die Anwürfe vielfach. Die Christenheit war gespalten und bis in die kleinsten Zellen nistete der Pilz des Zweifels und des Verrats. Weitsichtige wie ein Melanchthon und ein Moibanus waren von Beginn an darauf bedacht, den Buchstaben und das Dogma nicht Herr werden zu lassen über ein aus dem Glauben heraus erwachsendes freies Leben. Immerhin – bereits ein Lied konnte zum Verhängnis werden, sofern der Singende darauf beharrte, seinem Glauben und mit ihm der Wahrheit die Ehre zu geben. Musäus wurde in seiner späteren Eigenschaft als Pastor und Superintendent zu Jena noch in den innerlutherischen Streit um die Lehre des Flacius Illyricus hereingezogen und mußte neuerlich seine Stelle räumen. Wenig besser erging es ihm hernach in Bremen und nachfolgenden Stationen. Die Zeit war erfüllt von Streit in der evangelischen Kirche selbst. Die Vita des Musäus, wie Ehrhardt sie darbietet, hält genügend erschreckende Beispiele bereit. Sein Fazit am Ende: »Dies war sein zehntes Exilium, bey welchen öftern Unfällen des

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Mannes Gedult, Grosmuth und Vertrauen auf Gott immer zu bewundern ist. Endlich wies ihm die Vorsehung den Platz an, wo er bis an sein Ende bleiben solte. Dies war Mannsfeld, woselbst er 1580 das General=Dekanat empfieng, als seine zwölfte Vocation. Auch hier fand er viel zu bessern, weil die Par­theyen der Flacianer u. Anti=Flacianer aldorten vor seiner Zeit stark befunden wurden. Gott gab ihm endlich die ewige Ruhe, da er ihn durch einen seeligen Tod 1582 II Jul. allen Müheseligkeiten seines Amtes u. seines Lebens entzog.« So der Chronist am Schluß der Leidensgeschichte, die stellvertretend hier für viele andere stehen möge, von denen eben auch die Breslauer evangelische Geistlichkeit nicht verschont blieb.36

Die Virulenz reformierter Anschauungen in der Elisabethkirche Nach einem kurzen Interim in den Jahren 1557 bis 1560 kamen Maternus Eccilius und Johannes Aurifaber, sodann Esaias Heidenreich und Johannes Fleischer als Prediger an die Elisabethkirche. Wie viel Interessantes und Überlieferungswertes wäre auch von ihnen zu erzählen. Uns beschäftigt die innere Formierung des Luthertums mit all ihren Konflikten, wie sie sich auch in einer kirchlichen Mikrogemeinschaft wie der von Breslau nur allzu deutlich spiegelt. Und ein ganz besonders aufmerksames Auge müssen wir auf das Eindringen reformierter, von den Schweizern und den Pfälzern inspirierter Anschauungen werfen. Denn mit ihnen potenziert sich nicht nur das Ringen in der jungen Kirche. Vielmehr werden neue Affinitäten zwischen dem jüngeren Zweig der Reformation und der humanistischen Intelligenz erkennbar, denen es eigentümlich ist, in symbiotischen Gedankenbildungen sich zu verdichten, die auf unterirdischen Kanälen in die Zeit der Aufklärung herübergeleiten. Ihnen gehört mit anderen Worten die Zukunft, nicht den orthodoxen Scharfmachern.37 In die Amtszeit von Eccilius fiel die Erhebung der Elisabethschule zum Gymnasium im Jahr 1562. So war es die Sache des Pfarrers bei St. Elisabeth, die Inaugural-Rede unter dem Titel ›De disciplina scholastica‹ zu halten, während der alte Rektor Andreas Winkler auf dem neuen Katheder seinen Platz einnahm. Das war eben geschehen, als sich bereits abzuzeichnen begann, daß Eccilius den Gedanken Calvins aufgeschlossen gegenüberstand – eine Todsünde in den Augen der Lutheraner. Der Rat, ängstlich besorgt darum, nicht in den Fehler zu verfallen, der katholischen Seite Angriffsflächen zu bieten, griff sofort ein. Schon 1562 wurde Eccilius seines Amtes enthoben. Mit ihm setzt die illustre Reihe der in die reformierte Pfalz ausweichenden schlesischen Theologen ein. In Benzheim fand Eccilius dank Vermittlung eines selbst Betroffenen, des großen

91

92

|  Wiege des Glaubens

Zacharias Ursinus, eine neue Möglichkeit des Wirkens; dort starb er 1598. Der Exodus aus dem eben evangelisch gewordenen Breslau hatte begonnen und keine Stelle war zu gewahren, die dem bösen Spiel Einhalt hätte gebieten können.38 Johannes Aurifaber, der Nachfolger, besaß schon Erfahrung im Kirchenstreit als er nach Breslau kam, hatte er doch die theologischen Kämpfe in Lübeck nach dem Tod von Hermann Bonnus erfolgreich beigelegt, denen weitere Herausforderungen folgen sollten. In Rostock nahm er zugleich eine Professur für Theologie und eine Pfarrei an St. Nikolai wahr. Im fernen Königsberg tobte zur gleichen Zeit der Kampf um die Lehren Osianders, der nicht nur die Kirche, sondern das junge Herzogtum zerrüttete. Aurifaber sprang auf Wunsch Herzog Albrechts erneut in die Bresche. Daselbst aber biß er auf Granit. Der stramme Lutheraner Joachim Mörlin stellte sich ihm in den Weg. Man bezichtigte Aurifaber des Osiandrismus – neuerlich eine Todsünde in den Augen der Lutheraner. Der alte Herzog, in schon ergreifender Weise um Frieden unter dem zänkischen Theologengeschlecht bemüht, hielt an seinem Schützling, ungeachtet des Widerstandes auch aus den Kreisen der Landstände, fest und verschaffte ihm, als die Stellung in Königsberg nicht zu halten war, die Administration des Pomesanischen Bistums.39 Doch inzwischen war bereits der Ruf aus der Heimatstadt Breslau erfolgt. Die Pfarrstelle in St. Elisabeth wurde ihm angeboten. Dort hielt er im Mai 1567 seine Einzugspredigt. Aber des Friedens war auch hier nicht. Nun lautete zur Abwechslung die Anschuldigung auf Philippismus. Und was ein Ehrentitel hätte sein sollen, war den Lutheranern inzwischen die Formel für ein gleichfalls gefährliches und zu brandmarkendes Abweichlertum. Der Grund? Aurifaber hatte in seiner Königsberger Zeit darauf hingewirkt, daß der Exorzismus aus der Taufformel der von ihm verantworteten Preußischen Kirchenordnung von 1558 verbannt wurde – wahrlich ein Akt der Vernunft. In Breslau reichte die offenkundig erst mit Verspätung eingetroffene Kunde von dem Vergehen, um ihm das Leben schwer zu machen. Muß noch gesagt werden, daß er ein Feind der Flacianer war? Wenn ihm das Schicksal der Emigration erspart blieb, so nur deshalb, weil er, nachdem er eben die Schwelle zum sechsten Lebensjahrzehnt überschritten hatte, allzu früh verstarb. Esaias Heidenreich, der schon in Schweidnitz das Evangelium gepredigt hatte, als er nach Breslau gerufen wurde, und dies in der Doppelfunktion als Prediger bei St. Elisabeth sowie als Inspektor über das Kirch- und Schulwesen, blieb als getreuem Lutheraner der Kelch des Zwistes und der Verbannung erspart. Sein Nachfolger Johannes Fleischer, über den im Kapitel über die Gymnasien zu berichten sein wird, schrammte haarscharf an der Katastrophe vorbei, nachdem

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

er sich in der hochsensiblen Abendmahlspraxis eine Luther nicht konforme Wendung erlaubt hatte. In mehreren Predigten übte er Selbstkritik, indem er von seinem Vergehen abrückte und erhielt sich derart das Wohlwollen des überwachen Rats der Stadt.40

An der Spitze des Kirchenamts in politisch brisanter Zeit: Zacharias Hermann Wie ein mit Sinnfälligkeit begabtes Zeichen will es erscheinen, daß in diesen für Breslau und für Schlesien entscheidenden Jahren an der Spitze des Breslauer geistlichen Ministeriums sowie in der Pfarrei bei St. Elisabeth eine lange Zeit der Vakanz herrschte. 1593 war Johannes Fleischer gestorben. Bis in das Jahr 1611 hinein gab es keinen Inspektor im Breslauer Kirchwesen. Johann Scholtz d.J. führte interimistisch das Kirchen-Direktorium. Und in der Kirche zu St. Elisabeth blieb das Pastorat ebenso lange unbesetzt. Der Ekklesiast Christoph Scholtz überbrückte als Pro-Pastor die langen Jahre. Erst im Jahre 1611 erfolgte wiederum eine reguläre Ordination. Die aber währte nun mehr als zweieinhalb Jahrzehnte. Der auf die ehrenvolle Position Berufene prägte das Amt in der erregenden Zeit vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges und in diesem selbst wie kaum ein anderer seiner Standesgenossen die Jahrhunderte der Frühen Neuzeit über. So wie Elias Major im Elisabethgymnasium und im Schulwesen ist Zacharias Hermann d.Ä. die zentrale Figur in der Elisabethkirche und im evangelischen Breslau in den ersten Dezennien des neuen Jahrhunderts.41 Hermann, 1563 in Breslau geboren, erhielt seine erste Ausbildung auf der Schule zu St. Maria Magdalena und ging dann zum Studium nach Wittenberg. Die große Generation der Archegeten des neuen Glaubens war nicht mehr am Leben; die nachfolgende hielt nun das Zepter in der Hand. Bei Georg Mylius und Polykarp Leyser hörte er Theologie. Zurück in Breslau begann ein stetiger Aufstieg. Das Amt des Konrektors bei Maria Magdalena und das des Ekklesiasten bei St. Salvator fiel ihm zu. In der Kirche zu Maria Magdalena durchlief er sodann mehrere Stationen als Diakon. Zwischendurch erwarb er den Magister in Frankfurt an der Oder. Dann schlossen sich vier Jahre im Predigeramt bei St. Trinitatis an, bevor 1611 der lebensbestimmende Wechsel nach St. Elisabeth vollzogen wurde. Die neue Position ging einher mit der Berufung zum Kirchen- und Schulinspektor. Damit liefen für Jahrzehnte die Fäden bei Hermann zusammen. Er wurde der maßgebliche Ansprechpartner für den Rat in bewegten Zeiten. Und für die Opitz-Generation – genau wie der langjährige

93

94

|  Wiege des Glaubens

Rektor des Elisabethgymnasiums Elias Major – ein gerne gesuchter Adressat auf dem Felde der Redekunst und Poesie. Schlag auf Schlag folgten die kirchlich wie politisch gleich exklusiven Daten einander. 1617 war die erste Säkularfeier der Evangelischen Reformation zu begehen. Hermann bestimmte Anlage und Abfolge der Zeremonie. Zwei Jahre später nahm er die erste öffentliche Priester-Ordination in Breslau vor. Er war – inzwischen zum Doktor der Theologie in Frankfurt an der Oder avanciert – zum Assessor des städtischen Konsistoriums berufen worden und vermochte nun direkt im Auftrag der Stadt in allen kirchlichen Belangen tätig zu werden. Dazu gehörte die theologisch-homiletische Begleitung des welthistorischen Ereignisses, das sich auch für Schlesien mit dem kurzfristigen Übergang der böhmischen Krone auf den Pfälzer Kurfürsten verband. Der Rat der Stadt zeigte die sensationelle Wendung der Dinge öffentlich an. Dem Geistlichen aber blieb es vorbehalten, für den historischen Umschwung in einer ›Freudenpredigt‹ den göttlichen Segen zu erbitten.42

Der Prediger im Angesicht des Königs von Böhmen Am zwanzigsten Sonntag nach Trinitatis stand ein Text aus dem 22. Kapitel des Matthäus-Evangeliums auf der Agenda der Prediger. Jesus trägt in ihm das Gleichnis von dem Himmelreich vor, das einem König ähnele, der seine Gäste zur Hochzeit seines Sohnes einlädt. So war das Königsmotiv vorgegeben. Es fügte sich zu der öffentlichen Verlautbarung des Rats, die vor der Predigt nochmals zum Abdruck gelangte. Schon sie hatte den Bogen zur göttlichen Allmacht geschlagen und mit der Bitte geendet, »daß solches alles zu seines heiligen Nahmens Ehre/ Außbreitung seines alleine seligmachenden Wortes/ Erbawung/ Trost vnd Vormehrung der Christenheit/ Auch zu dero gesambten Ländern/ friedlichem/ geruhigem/ langwirigem Wolstandt gereichen möge.«43 Der Prediger nahm den biblischen Text auf, der sich so schön mit Motiven aus dem Hohen Lied verknüpfen ließ und bewies die Kunst einer unerschöpflichen geistlichen Linienführung in einer siebenmaligen variatio. Ob aber die Zuhörer nicht doch warteten, daß auch dem aktuellen politischen Ereignis Erwähnung geschähe? In das abschließende Gebet hatte der Prediger eine dezente Bezugnahme verlegt. So blieb die Koinzidenz mit der Verlautbarung von seiten des Rats gewahrt. »O HErr tröste alle/ welche vmb deines heiligen Evangelij willen bedrenget vnd verfolget werden. Laß dir diese Stadt/ so wol das gantze Land/ dazu die angrentzenden Königreich vnd Lande befohlen sein. Mache zu schanden alle vnsere Feinde/ schlage mit deinem Eisern Scepter vnter

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

sie/ vnnd schone vnser.«44 Das vermochte ein jeder Hörer und Leser zu verstehen und sich auf seine Weise auszulegen. Der Geistliche aber hatte politische Klugheit bewahrt. Seine Stunde kam im folgenden Jahr. Hören wir zunächst unseren Gewährsmann und gewissenhaften Biographen Siegismund Justus Ehrhardt. »Zu seiner Zeit giengen die betrübten Böhmischen Unruhen an. Ertz=H. Ferdinand II, war der Böhmischen Krone verlustig, u. Churf. Friedrich V, von der Pfaltz derselben theilhaftig worden. Dieser neue König kam 1620 nach Breslau, empfieng 27 Febr. die Huldigung, und D. Hermann gab die bey solcher Gelegenheit gehaltne Huldigungs=Predigt in Druck.«45 Sie ist eine von Dutzenden dem Anlaß gewidmeten Verlautbarungen, die sich glücklicherweise erhalten haben. Wir geben einem berühmten Chronisten das Wort und verweilen hernach, um selbst auch einen Blick in diese geistlichpolitische Botschaft zu werfen. Denn vergessen wir nicht: In diesem Monaten wurde große deutsche wie europäische Geschichte geschrieben. »Anno 1620. als der in Böhmen neugecrönte König Fridericus, Pfaltzgraf/ zu Breßlau von denen Fürsten und Ständen die Huldigung empfieng/ brachte er D. Abrahamum Scultetum von Grünberg aus Schlesien mit sich; das sämtliche Breßlauische Ministerium beneventirte den König in weissen Chor=Röcken unter der Halle der Haupt=Kirche S. Elisabeth: im Namen desselbigen thät D. Zacharias Heermann/ der Erste Prediger/ eine Lateinische Sermon, folgenden Jnhalts:« Und dann folgte eine Zusammenfassung in deutscher Sprache von dem Chronisten, die auch in der Verknappung nur allzu sehr erkennen ließ, wie weit der Geistliche im Gegensatz zum Vorjahr nun sich vorwagte, indem er dem politischen Coup den ungeteilten göttlichen Segen gab. »›Durchläuchtigster/ Großmächtigster König/ Gnädigster Herr: Der allerhöchste GOtt der setzet fort und bestättiget die Königreiche/ von dem ist es geschehen/ daß Eure Königl. Majest. zu deß Königreichs Böhmen Königlichen Thron und Regierung der einverleibten und unirten Länder/ als Mähren/ Schlesien und Laußnitz/ glücklich und fruchtsamlich succedirende/ erhaben seyn. Vom HErrn ist es geschehen/ daß Eure Königl. Majest. die Stadt Breßlau in gesundem Zustande zu ihr einziehend siehet. Derowegen gratuliren Eurer Königl. Majest. von Gottes Gnaden wir in Demuth pflichtige Diener und Unterthanen/ und erfreuen uns eines solchen gnädigen und gütigen Königs/ sagen GOtt mit hertzlichem Gebete darvor Danck/ und erweisen gegen Eur. Königl. Majest. uns mit pflicht=schuldigster Untergebung/ und bitten den Allerhöchsten/ Eur. Königl. Majest. wolle das gantze Ehrwürdige Ministerium Göttliches Wortes in dieser Stadt uns neben den unsrigen ihm untergeben/ in allen Gnaden auff= und annehmen/ und empfohlen seyn lassen/ als dann zu Eur. Königl. Majest.

95

96

|  Wiege des Glaubens

wir unterthänigst alle Zuflucht setzen. Es lebe Fridericus unser König: Es lebe Fridericus unser König in Böhmen/ und alles Volck spreche Amen. Es lebe die Königin mit den Königlichen Kindern: der Königliche Stamm vermehre sich zu Kindes=Kind. GOtt erhalte den König bey langem Leben/ daß er alle seine Feinde überwinde/ und sey Beschützer seiner Christlichen Unterthanen/ und mache einen immerwährenden Friede.‹«46 Derart hatten Stadt und Kirche sich huldigend exponiert. Zacharias Hermann aber war noch nicht am Ende. Man besichtigte die Elisabethkirche und der Hofprediger des Königs, Abraham Scultetus, ein gebürtiger Schlesier, versäumte es nicht, den König auf die Prediger in reformiertem Geist hinzuweisen, die hier auf der Kanzel bzw. in der Stadt gepredigt hatten, bevor sie der Stadt verwiesen wurden und in der Kurpfalz eine Zuflucht fanden, so ein Eccilius, so ein Ursinus. Nun bestieg der zuständige Prediger ein zweites Mal die Kanzel, jetzt aber im Angesicht des Königs. Als ›Glückwünschungs=Predigt‹ war sie angekündigt, als ›Huldigungs=Predigt‹ wurde sie allgemein bezeichnet, und diesen Titel trug sie schließlich auch im Druck. Vom ersten Petrusbrief nahm der Prediger seinen Ausgang, wo es im zweiten Kapitel um die Aufforderung zum strikten Gehorsam gegenüber dem König und seinen Bevollmächtigten geht.47 Das konnte in der aktuellen Situation nicht anders denn als Aufforderung verstanden werden, dem neuen Herrn eben diesen Gehorsam zu leisten. Ein ›Vivat Fridericus‹ und ein Schlußgebet bekräftigten die Berechtigung eines derartigen Verständnisses. »HERR vnser Herrscher/ wie herrlich ist dein Nahme in allen Christlichen Landen/ Du bist der König aller Könige/ Von Dir kompt Gewalt/ Majestät vnd Herrligkeit/ Dir dancken wir allesampt in tieffster Demut/ daß du das Königreich Böhmen/ vnd die incorporirte Lande mit einem so hochlöblichen Haupt vnnd Herren begnadet hast. Erfülle das Hertz jhrer Mayestät mit deiner furcht/ mit dem Geist der Weißheit/ deß Verstandes/ Krafft vnd stercke. Hilff das in diesen vnnd allen Jhrer Königl. Mayestät Landen/ dein Nahme geehret/ vnd dein Reich gemehret werde.«48 So der Tenor. Der König ließ es sich nicht nehmen, derart aufrichtige Worte der Huldigung mit einem Präsent zu erwidern. Scultetus aber ergriff auf der Königlichen Burg das Wort im großen Saal des Palasts. Dieser Zeremonie »wohnete der König/ die Schlesischen Hertzoge Reformirter Religion/ und andere Herren andächtig bey: hierzu drungen sich auch selbst viel Breßlauische Patritii und Gelehrte/ und accomodirten sich freywillig der Reformirten Religion/ die Magnetische Krafft dieses geistreichen Lehrers empfindende«.49 Die Saat der reformierten Konfession hatte seit langem Frucht getragen in Stadt und Land. Ein einziges Mal durften die Gläubigen ihr Geheimnis lüften

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

und an die Öffentlichkeit treten. Und niemand konnte ahnen, daß die mit so großem Enthusiasmus bezeugte Huldigung und das sie begleitende Szenarium binnen weniger Wochen in Staub und Asche zerstoben und anstelle von Jubel Buße und demütige Unterwerfung unter den neuen und alten Oberherrn gefordert war. Wie aber ging es fort mit dem wortgewaltigen Prediger, nachdem die Katastrophe in der Schlacht am Weißen Berge eingetreten war? Hermann blieb als Repräsentant der evangelischen Geistlichkeit Breslaus an vorderster Front tätig. Wiederholt weilte Johann Georg von Sachsen in der Stadt, der für die abgefallenen Schlesier um Schonung bei dem Kaiser nachsuchte. Dann war es wiederum an Hermann, vor dem Kurfürsten zu predigen. Bezeugt ist, daß ihm zusammen mit anderen Vertretern des geistlichen Ministeriums im Oktober 1621 Audienz gewährt wurde. Er wurde sogar an die fürstliche Tafel gebeten und wird das ihm Mögliche getan haben, den Kurfürsten für die Sache der bedrängten Evangelischen im Lande zu gewinnen. So muß es ihn zu später Stunde mit Befriedigung erfüllt haben, daß im Prager Vertrag von 1635 die Aufrechterhaltung und der Schutz des evangelischen Gottesdienstes in der Stadt festgeschrieben wurde. In den Jahren 1634 bis 1636 war sein Sohn Daniel Hermann zugleich Ekklesiast und Pro-Prediger an St. Elisabeth. Nach dessen frühem Tod ging das Amt auf Joachim Fleischer über. Zacharias Hermann war in der Zwischenzeit entpflichtet worden. »Alt und Lebens=müde verlies Inspekt. Hermann die Welt. (Er hatte 50 Jahre der Kirche Gottes gedient.) Dies geschah 21 May 1637.«50

Geistliches Amt in kritischer Zeit »Die damahlige Zeiten sahen sehr kritisch für die Evangelischen Schlesier aus. Die Gesinnungen der beyden K.K. Ferdinands II. und III. gegen sie kamen mehr und mehr ans Licht. Hier rieth die Klugheit den rühmlichen Vätern der Stadt, daß sie für Elisabet=Kirche in Zeiten einen geschickten und getreuen Obersten Seelen=Hirten auswählen u. bestellen musten.«51 Es bedurfte mehr als theologischer Qualitäten für einen evangelischen Pfarrer in einer Stadt und einem Land, das unter katholischer Oberherrschaft stand, welcher der Gedanke der Parität unter den Konfessionen fremd geblieben war. Diesen Anforderungen genügte in den Augen des Rats der in Leipzig promovierte Ananias Weber.52 Er wurde im Friedensjahr 1644 nach Breslau gerufen, und zwar als Ekklesiast und als Professor am Elisabethgymnasium. Ein Jahr später hielt er seine Antrittspredigt in der Elisabethkirche, erfüllt von bösen Ahnungen. Um das Amt eines

97

98

|  Wiege des Glaubens

guten geistlichen Lehrers und eines guten Zuhörers ging es, ›Bonus Doctor & Bonus Auditor‹. Fest im Glauben wähnte er sich gerüstet für das übernommene Predigeramt in dunklen Zeiten. »›Vnd solch Wort Gottes u. Evangelium Ev. Christl. Liebe, sampt meinem in Christo Vielgeliebten Herrn Collegen, ferner zu verkündigen, vnd rein vnd lauter vorzutragen, hat auch mich Unwürdigen der obriste Prediger, Jesus Christus, aus Meissen von Leipzig und dero hohen Schul, durch rechtmäßigen Beruff dieser Christlichen Lutherischen Commun vnd Kirchen Christi; wie schwehr es auch daher gegangen, gegeben etc.‹«53 Doch die bitteren Zeiten standen erst noch bevor. Da war es ein eher Leichtes, daß zahllose Pfeiler der Elisabethkirche im Jahr 1649 einstürzten – ein Ereignis, das seine Spuren wiederholt im aktuellen Flugschrifttum hinterließ. Viel schwerer wog der nach 1648 noch zunehmende Druck auf die Evangelischen, der auch in Breslau zu spüren war. »Man weiß es, wie viele Evangel. Kirchen hierauf in Ober= u. Nieder=Schlesien der Luthrischen Lehrer beraubt u. Kathol. Priestern anvertraut wurden. Diese trübselige Tage erlebte Insp. Weber mit äusserst gerührten Herzen. Sein Haus war ein Zufluchts=Ort für viele Exulanten, u. deren Elend verschafte ihm Gelegenheit, sich als einen mildthätigen u. gastfreyen Theologen zu erweisen. […] Unter solchen Umständen verflossen seine Amts=Jahre. Er mochte in dieser Zeit oft gewünscht haben, in Sachsen verblieben zu seyn? Doch er konnte sich seines guten Gewissens u. der rechtmässigen Vocation hieher sicher getrösten: Und so war er auch unter diesen Unfällen Schlesiens in seinem Herzen getrost.«54

Der Weg in das neue Jahrhundert: Caspar Neumann und Johann Friedrich Burg Nur eine kurze Wirkungszeit war Zacharias Hermanns Sohn Michael an St. Elisabeth in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre beschieden. Sein Nachfolger aus einem alten Predigergeschlecht Johann Acoluth ging in die schlesische Kirchengeschichte vor allem als polnischer Prediger ein, in die Gelehrtengeschichte aber als Orientalist. Die Wahrnehmung eines gedoppelten Amts in der Kirche und am Gymnasium war auch ihm genauso selbstverständlich wie seinem Nachfolger Friedrich Viccius.55 Eine neue Zeit zog mit zwei Großen der Prediger- und Gelehrtengeschichte herauf, die Kirche und Gymnasium bei St. Elisabeth nochmals zu Zentren vitalen geistigen Lebens erhoben und im übrigen auch für die geistliche Administration weithin sichtbare Folgen zeitigten. Ein Gesicht des 18. Jahrhunderts tritt dem Betrachter entgegen, der das Glück hat, ein Porträt von Caspar Neumann anschauen zu dürfen. Heiter, gelassen,

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

weltgewandt gibt sich der Pfarrer und Inspektor 1714 im 66. Lebensjahr auf der Höhe seines Lebens zu erkennen. Von 1697 bis 1715 wirkte er als Pastor an der Elisabethkirche. Aber das war nur eines der vielen Ämter, die er bekleidete. Als ›unsterblichen Theologen‹ tituliert ihn der gar nicht zum Überschwang neigende Ehrhardt.56 Und der Zedler resümiert: »Er war ein sehr annehmlicher Prediger, und überaus verständiger, tugendhaffter und leutseliger Mann, der durch sein Bezeigen auch bey andern Religions=Verwandten grosse Hochachtung erlanget hat.«57 Die Aufklärung kündigte sich in seinem Wirken als Theologe und seiner umfassenden publizistischen Tätigkeit an.58 Am inzwischen zum Gymnasium erhobenen Magdaleneum erhielt er seine schulische Ausbildung. Danach aber führte der Weg schon lange nicht mehr automatisch in die Luther- und Melanchthon-Hochburg Wittenberg. Neumann nahm sein Studium in Jena auf. Dort lehrten neben dem Mathematiker Erhard Weigel der Theologe Johannes Musäus und der Orientalist Johann Frischmuth, bei denen er hörte. Mit einer Arbeit zum Thema ›Juridicum discursu physico explicatum‹ erwarb er den Magister. Die Schrift war den Ratsherren und Senatoren seiner Heimatstadt Breslau gewidmet. Er blickte also zu ihr herüber. Eben dreißigjährig, ließ er bereits einen voluminösen Band mit Leichenpredigten drucken. Alles schien auf eine rasch zum Ziel führende Laufbahn als Pfarrer hinzudeuten. Doch es kam anders. Neumann gehört zu dem eher raren Geschlecht der Theologen, denen sich die Möglichkeit bot, Welterfahrung auf Reisen zu gewinnen. Als Begleiter des Prinzen Christian aus dem Hause Sachsen-Gotha-Altenburg gelangte er nach Tübingen und in die Schweiz und von dort auf der alten humanistischen Route weiter nach Lyon, Grenoble, Savoyen und schließlich nach Oberitalien. Nach Rückkehr wurde er zum Hofprediger in Altenburg ernannt, erhielt also direkten Einblick in den höfischen Betrieb einer kleinen Residenz. Dort verfaßte er ein Gebetbuch, das in weiteste Kreise Eingang fand und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. Inzwischen war der Ruf nach Breslau erfolgt, zunächst an die Kirche zu Maria Magdalena, dann an die zu St. Elisabeth. Doch damit ist nur die eine Seite seines beruflichen Lebens berührt. Gleich wichtig blieb der Beitrag zur Wissenschaft. In schöner Gepflogenheit, wie sie die frühe Aufklärung kennzeichnet, nahm er teil an der auf Universalität gerichteten gelehrten Diskussion über die Fachgrenzen hinweg, für welche der Name Leibnizens einstand. Mit ihm trat er denn auch in Briefwechsel. Er betrieb Mathematik, Statistik und Naturwissenschaften, ging seinen orientalischen Interessen mit arabischen Koranstudien nach, nahm durch Vermittlung von Johann Sigismund von Haunold Kontakt mit dem irenischen Theologen und Abt von Loccum Gerhard

99

100

|  Wiege des Glaubens

Wolter Molanus auf und ließ die ganze Breite seines Wissens einfließen in seine Predigten, die auch als Beitrag zur Volksaufklärung konzipiert waren. Die Jesuiten merkten rasch, wes Geistes Kind dieser gelehrte Kopf war und suchten über den König seine Berufung auf die Kanzel in St. Elisabeth zu verhindern – vergeblich, denn der Rat stand hinter ihm. Später hatte er sich frühpietistischer Kritik zu erwehren. Er war souverän genug, gelassen und stets um Aufklärung bemüht zu reagieren. So mochte er es als Krönung seines Lebensweges begriffen haben, als ihm im Jahr 1706 die Mitgliedschaft in der Königlich Preußischen Sozietät der Wissenschaften zu Berlin angetragen wurde. Gottesgelehrsamkeit und die profanen Wissenschaften hatten in dem Elisabethaner harmonisch zueinander gefunden. Sein Schüler Christian Wolff bezeugte: »›Jch habe die Hochachtung gegen ihn, die ich von Kindheit an gehabt, nicht im geringsten fahren lassen, denn der selige Jnspektor Neumann in Breslau ist derjenige, von dem ich am meisten gelernt und dessen Rat und Exempel mir den größten Nutzen geschafft, ob er zwar öfter mehr dem Jngenio als dem Verstande Raum gab.‹«59 Den anderen Gottesgelehrten, in dem sich die edelsten Züge aufgeklärten Menschentums verkörpert fanden, möchten wir in Johann Friedrich Burg erblicken und scheuen uns nicht, noch einmal mit den Worten Ehrhardts unser kleines Porträt zu eröffnen. »Wie glücklich preisen wir noch ietzt seine Aeltern, denen es vom Herrn gegönnet war, einen solchen Sohn zu zeugen, der mit der Zeit eine Zierde und Stütze der Kirche, ein Liebling des Glücks, und ein Gegenstand algemeiner Liebe und Hochachtung seyn solte, und es auch zu seyn verdiente!«60 Der Theologe als ›Liebling des Glücks‹? Nun, im 18. Jahrhundert vermochten Gotteszeugenschaft und irdische Wohlsituiertheit sehr wohl zusammen zu gehen.61 Burg wuchs im Schatten des Elisabethanums heran, das nun um 1700 in seiner Blüte stand. Martin Hanke und Gottlieb Krantz, von denen ausführlich zu sprechen sein wird, verehrte er als seine großen Lehrmeister; er hätte nirgendwo größere finden können. Das Studium der Theologie absolvierte er in Leipzig und beteiligte sich alsbald an den in Leipzig herauskommenden Acta Eruditorum, die für eine Weile die führende Stellung in Deutschland behaupteten. Wie Neumann war es auch Burg möglich, ausgedehnte Reisen vor Eintritt in den Beruf anzutreten. Nun aber hatten sich die gelehrten Wege verlagert. Holland und vor allem England lagen in den Wissenschaften vorne und Burg konnte sich daselbst umtun. Johann Friedrich Burg ist der erste unter den Breslauer Theologen, der sich den Freimaurern anschloß und ihnen ein Leben lang treu blieb. Die großen

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Handelsstädte waren Zentren der Freimaurerei und es mochte für eine Weile scheinen, daß auf Leipzig das Los seiner Wahl fallen würde. Doch dann kehrte er nach Breslau zurück und machte dort rasch Karriere. Am Schluß stand er unangefochten als Prediger in der Hauptkirche zu St. Elisabeth und als Inspektor der Kirchen und Schulen Breslaus da. Er erwarb sich Respekt und Hochachtung weit über Schlesien hinaus, und dies auch in katholischen Kreisen. Dazu trugen spektakuläre Ereignisse bei. 1740 war das dreihundertjährige Jubiläum der Erfindung des Buchdrucks zu feiern. Burg trat mit einem umfangreichen Breßlauischen Jubel-Gedächtnüß hervor. Ein Jahr später zog der preußische König siegreich in der schlesischen Hauptstadt ein. Selbstverständlich gehörte es zu Burgs Obliegenheiten, die Huldigungspredigt zu halten. Als sogleich in der preußischen Ära ein Königliches Oberkonsistorium gebildet wurde, wurde er zum ersten Königl. Preuß. Oberkonsistorialrat vereidigt. Mit dem Übergang des Landes von den Habsburgern auf Preußen ging die lang ersehnte Religionsfreiheit einher. Burg konnte unentwegt neue lutherische Gotteshäuser einweihen und lutherische Prediger ordinieren. Im Jahr 1743 galt es, das hundertste Jubiläum des Magdaleneums zu feiern. Burg ergriff selbstverständlich das Wort. Noch der Zweihundertjahrfeier des Elisabethanums wußte er inmitten des Krieges 1762 einen würdigen Rahmen zu verschaffen. Doch er mußte sich auch auf anderen Feldern bewähren. Ein Pulverturm hatte Feuer gefangen, wurde aufgesprengt und verwüstete Teile der Stadt; auch die Elisabethkirche nahm Schaden. Die Worte, die der Prediger trostspendend fand, gingen lange von Mund zu Mund. Noch den zweiten schlesischen Krieg erlebte der alte Burg mit und war helfend, Not lindernd, Hoffnung zusprechend in der Stadt unterwegs. »Es sind wohl noch jezt« – so Ehrhardt im Jahre 1780 – »unverwerfliche Zeugen zu Breslau fürhanden, welche ihn, unter den bedenklichsten Kriegs=Umständen, nicht nur in seinem Hause, sondern wohl gar auf dem Rath=Hause, auf der Erde liegend mit ausgebreiteten Händen, bethend sahen! Ein rührender Anblick!«62

Übergang zur Kirche St. Maria Magdalena So mag es statthaft sein, dieses Bild vor Augen, die Kirche zu St. Elisabeth und ihre Prediger zu verlassen, um herüber zu schauen zur Schwesterkirche St. Maria Magdalena. Geben wir auch hier zunächst wieder unserem Gewährsmann das erste Wort, der wie niemand vor und nach ihm Sorge trug, daß sich das Gedächtnis der Geistlichen Schlesiens über die Jahrhunderte hinweg erhalten sollte und einem jeden auf den Spuren des alten geistlichen Breslau Wandelnden

101

102

|  Wiege des Glaubens

erneuern wird. »Die zweite Stadt=Pfarr=Kirche zu Breslau ist ein grosses, zwar nach altem Geschmack gebautes, aber doch prächtiges Gebäude, und von der H. Marie Magdalene zubenahmt. Sie steht mitten in der Stadt, und hat zwei hohe Thürme, die durch eine Brücke über dem Kranz zusammenhängen. Daher ist die Frage: Wo ist die höchste Brücke in Schlesien? u. deren Antwort: Auf S. Mar. Magdal. Kirche in Breslau, entstanden.«63 Die Geschichte der Kirche führt zurück in das frühe 13. Jahrhundert. Bauherr war Bischof Lorenz, der den Grund und Boden vom Sandstift erworben hatte. Dieser erste Bau hatte das gleiche Schicksal wie die Elisabethkirche; er wurde im Mongolensturm vernichtet. Mitte des 13. Jahrhunderts begann der Neubau. Die Kirche, welche mit vollständigem Namen Kirche zu St. Andreas und St. Maria-Magdalena heißt, war von Anfang an eine dreischiffige Basilika. Ihre endgültige Form erhielt sie bis auf die Türme und den Einbau der Kapellen nach einem Stadtbrand in der Mitte des 14. Jahrhunderts.64 Nach dem Einsturz des Turms der Elisabethkirche befürchtete man Ähnliches für die Magdalenenkirche. Man trug die Türme ab, ersetzte sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und versah sie mit geschwungenen Hauben, die typisch für die Kirche blieben. Nach dem zu Anfang des 16. Jahrhunderts wirkenden Chronisten Barthel Stein besaß die Kirche 58 Altäre und übertraf damit außer dem Dom zu Breslau alle anderen Gotteshäuser in der Stadt. Nach der Reformation wurden wie überall Aufschriften und Malereien getilgt und zugleich die Kirche mit Chorgestühl, Kanzel, Taufstein und Orgel neu ausgestattet. Später im 17. Jahrhundert wurde der gotische Hochaltar durch einen barocken ersetzt. Aus den Friedenskirchen drang als Neuerung die Empore ein, wie sie für mehrere Kapellen bezeugt ist. Anläßlich der Feier des Geburtstages von Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1887 sprangen Funken eines Feuerwerks auf die Kirche über und setzten den Nordturm in Flammen, der alsbald wieder errichtet wurde. Viel dramatischer erwies sich die Erneuerung des Inneren im neogotischen Stil zu Ende des 19. Jahrhunderts. »Die Emporeneinbauten wurden abgebrochen, die Wandflächen nachgeputzt und nach Bedarf verblendet, so daß der Ziegelbau des Mittelalters wieder an die Stelle der hellfarbigen Wände trat. Was von Epitaphien u.s.w. im Mittelschiffe vorhanden war, wurde in die Seitenschiffe und Kapellen verschoben, damit ersteres in unverfälschter Gotik erscheine. Der stolze Barockprospekt der großen Orgel mußte einem für stilechter gehaltenen Gebilde weichen.«65 In dieser Gestalt stellte sich die Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. Als Breslau zur Festung erklärt wurde und das mehr als dreimonatige Bombardement einsetzte, mußte wie für die Elisabeth-, so auch für die

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Magdalenenkirche Schlimmstes befürchtet werden. Wie durch ein Wunder kamen beide Breslauer Hauptkirchen vergleichsweise glimpflich und ohne schwerere Schäden zu nehmen durch die Schreckensmonate, die der Stadt insgesamt zum Verhängnis wurden. Wie so häufig auch anderwärts und gleichfalls in Breslau zu beobachten, trat die Katastrophe in den ersten Wochen nach der Kapitulation ein. Wir geben einem Augenzeugen das Wort. »In der Zeit des Waffenstillstandes, am 18. 5. 1945, haben die Russen in den Türmen ein Faß Benzin ausgegossen und damit die Kirche angezündet. Bei diesem grauenhaften Schauspiel, über dem vielen Breslauern die Tränen in die Augen traten, sind die beiden Türme mit den wunderbaren Glocken und der Westteil der Kirche mit der herrlichen Orgel völlig ausgebrannt und das mit viel Holz hergestellte Dach gänzlich vernichtet worden. […] Am ersten Pfingstfeiertag (20. Mai 1945) hielt ich in der rauchgeschwängerten Sakristei tief bewegt vor der erschütterten, nach Hunderten zählenden Gemeinde den Gottesdienst über Jer. 32,37 ›Siehe, Ich will sie sammeln aus allen Landen, dahin ich sie verstoßen durch meinen Zorn, Grimm und große Ungnade; und will sie wiederum an diesen Ort bringen, daß sie sollen sicher wohnen‹.«66

Die erste evangelische Kirche Schlesiens unter der Ägide von Johann Heß »Jst Marien Magdalenen Pfarr=Kirche schon 1523 dem reinen Evangelio eingeräumt worden, so ist sie folglich die allererste in ganz Schlesien, darinnen die Stimme Luthrischer Lehrer unter Gunst und Schutz der rechtmässigen Kirchen=Patronen öffentlich gehöret ward, welche auch noch darinnen erschallt bis auf diesen Tag.«67 Diese Geschichte beginnt mit einem Mann, der so am Anfang der neuen Kirche in Breslau steht wie ein Johannes Briesmann in Königsberg, um auch der anderen Metropole im deutschen Osten für einen Moment Erwähnung zu tun. Dabei wird es einem den Geschicken der Kirche nachsinnenden Historiker denkwürdig anmuten, daß es der alten Reichsstadt Nürnberg vorbehalten blieb, hier wie dort Pflanzstätte des jungen Glaubens zu sein.68 Johann Heß stammte aus Nürnberg, orientierte sich aber frühzeitig, Nürnberger Tradition folgend, hin zum Osten. In Zwickau in der unter Rektor Wolfgang Gülde aufstrebenden Schule genoß er den ersten Unterricht. Das Studium führte ihn nach Leipzig, wo er den Baccalaureus der Philosophie erwarb. In Wittenberg wurde er Magister. Die berufliche Orientierung formte sich jetzt heraus. Heß ließ sich in Merseburg zum Akoluth weihen. Der über das Leben entscheidende Ruf kam jedoch aus dem Osten. Bischof Johannes V. Thurzo rief

103

104

|  Wiege des Glaubens

ihn zunächst nach Neisse. Die Stadt war reich mit Archivalien ausgestattet. So konnte Heß hier an den Entwurf einer schlesischen Landeskunde gehen und damit zu einem frühen Zeitpunkt sich einschreiben in eine Tradition, die sich in den folgenden Jahrhunderten nirgendwo so nachhaltig herausformen sollte wie in Schlesien. Silesia magna lautete der Titel, den er seinem Werk zu geben gedachte. Es ist bezeugt, jedoch, wie erwähnt, nicht überliefert. Eine Hofmeisterstelle im Dienste Herzogs Karl I. von Münsterberg-Oels schloß sich an, die Heß nach Prag führte. Kanonikate folgten nach, darunter auch am Breslauer Dom. So aber, als sollte die berufliche Laufbahn noch nicht ihre endgültige Bahn nehmen, war es dem jungen Geistlichen vergönnt, nach Italien aufzubrechen. In Ferrara erwarb er den Doktorhut, in Rom wurde er Diakon. Zurückgekehrt nach Schlesien, empfing er die Priester-Weihe in Breslau und hielt seine erste Messe als Propst zu Oels, wurde jedoch als Dom-Prediger bei St. Johannis nach Breslau zurückgerufen. Und hier schon, unter den Augen des Bischofs, vollzog sich die Wende. Heß war mit Luthers Schriften bekannt geworden, hielt die 1522 erschienene Übersetzung des Neuen Testaments in Händen und entschloß sich zur Rückkehr in seine Heimatstadt. »Wenn man nun auch gleich nicht erweisen könnte, daß er seinen Weg über Wittemberg genommen, u. bei dieser Gelegenheit mit Luthero und Melanchtone noch nähere Freundschaft gemacht habe, so ist doch soviel unläugbar, daß er zu Nürnberg eben damals die bequemste Gelegenheit fand, sein Bekenntnis von der reinen Luthrischen Lehre feierlich abzulegen. Kurz, er trat, im Merz 1522, in der Sebald=Kirche seiner Vaterstadt öffentlich auf, verkündigte freimüthig das, durch D. Luthers Dienst, glücklich wiederum ans Licht gebrachte Evangelium, u. gieng sodann zu seiner Probstey nach Oels zurück.« Der Durchbruch war erfolgt und der geistliche Brückenschlag von Nürnberg nach Breslau hatte Bestand. Luther tat das Seine, ihn zu befestigen und setzte sich dafür ein, daß Heß nach Breslau berufen wurde. »Solchergestalt war nun die Mittels=Person erweckt, deren sich die göttliche Vorsehung bedienen wolte«.69 Im Juni 1523 trat Heß seinen Dienst bei St. Maria Magdalena an und versah ihn dort bis an sein Lebensende. Schon 1525 wurde Heß zum ersten Inspektor der lutherischen Kirchen und Schulen in Breslau bestellt. Er selbst übernahm die Professur für Theologie an der Schule zu St. Elisabeth, später an der zu Maria Magdalena, worüber sogleich zu sprechen sein wird. Ein Jahr später wurde eine neue Meßordnung eingeführt und erstmals das Abendmahl in der von Luther festgelegten Gestalt gefeiert. Seit 1542 gab es auf Heß’ Veranlassung Kirchenbücher, in denen die Trauungen verzeichnet wurden. Umsicht bei allen Schritten ließ er walten, vollzog sich der Übergang zum neuen Glauben doch unter den

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Augen des Bischofs und seines Domkapitels. Heß indes hielt unerschütterlich fest an der Gewißheit, die ihm zuteil geworden war. »Solchergestalt war Hessus gewis der grosse Mann, der für Breslau in jener Epoche unentbehrlich war. «70 In seiner langjährigen Wirkungsstätte wurde er begraben.71 Als Gelehrter, als Liederdichter und als Sammler wird er uns weiter begleiten.

St. Maria Magdalena unter dem Joch des Religionsstreits Die Position eines Heß war unangreifbar. Das änderte sich mit dem Auftreten seiner Nachfolger in den Krisenjahren um die Mitte des Jahrhunderts. Johannes Halbrod wurde, als Moibanus die Kirchen-Inspektion nicht mehr innehatte, verdächtigt, der reinen lutherischen Lehre nicht zu folgen, sei es nun, daß er dem Kaiserlichen Interim anhing, sei es, daß er doch zum Calvinismus tendierte. Der ausgestreute Verdacht genügte, um den Rat zu veranlassen, ihn zu verabschieden. Auf polnischem Boden, im liberaleren Danzig, fand er ein Unterkommen.72 Doch damit nicht genug. Sein Nachfolger Adam Cureus trat seinen Dienst bei St. Maria Magdalena an, als der Streit um Ursinus sich zuspitzte, in den er wider Willen involviert wurde. Er regte an, eine Vereinigung sämtlicher Stadtprediger zu veranstalten, »›wie sie gleichlautend vom Sakrament reden u. nicht weiter Disputationes auf die Kanzel bringen‹« sollten, so seine Worte. Das fand – wie könnte es anders sein – Melanchthons Gefallen. Seine Replik: »›Welcher nicht will diesem Gebott gehorsam seyn, dem sage man, daß er wegziehe ohne weitere Unruhe etc.‹«73 Cureus selbst gebot sich Schweigen. Doch auch das reichte schon hin, den Verdacht zu schüren, daß er womöglich nicht geneigt sei, für die lutherische Kirche überzeugt in die Bresche zu springen. Trauernd schrieb er an Caspar Peucer, Melanchthons Schwiegersohn: »›Er, vor seine Person, wäre fast beyden streitenden Partheyen verdächtig, weil er bey diesen Dingen stille schwiege, u. weder auf der Canzel noch bey Gastereyen etwas davon rede, halte sich dabey auf allerley Fälle geschickt, und bekenne frey, er bleibe bey der Augspurgischen Confession u. der Auslegung, welche Melanchthon hin und wieder in seinen Schriften, was diesen Artickel anbelanget, darüber gegeben habe.«74 Nicht nur auf dem politischen, sondern auch auf dem kirchlichen Parkett war ›kluges‹, ›politisches‹ modernes Verhalten vonnöten, wie es die Klugheitslehren der Zeit nahelegten. Ein falscher Schritt und Abgründe taten sich auf. Unter diesen Auspizien zeigten sich inmitten des vom Konfessionalismus erschütterten 16. Jahrhunderts allüberall die Chiffren der neuen, der eisernen Zeit.

105

106

|  Wiege des Glaubens

Zwei erbauliche Prediger: Lucas und Joachim Pollio Vater und Sohn Lucas und Joachim Pollio wirkten zu Ende des 16. und im Übergang zum 17. Jahrhundert an der Magdalenenkirche. Wir verharren einen Moment bei ihnen, weil über sie Näheres bekannt ist, das einen Einblick in das kirchliche Leben und die Praxis der beiden Prediger gewährt.75 Zur Zeit Lucas Pollios wurde der Taufstein gesetzt, der als eines der bedeutendsten Kunstwerke in der Kirche gilt.76 Desgleichen wurde die hölzerne Kanzel abgebrochen und durch eine aus Marmor und Alabaster ersetzt.77 Der Akt wurde von einer Predigt begleitet, in der es hieß: »›Herr Jesu, das tröstliche Wort Deines heiligen Evangelii ist nach Abschaffung der päpstlichen Mißbräuche und gleich wohl nun gar 57 Jahr und 2 Monat drüber öffentlich auf der alten hölzernen Kanzel in der allhiegenden (sic!) Kirchen lauter und rein gelehret und verkündet worden.‹«78 Von der Kanzel aus vollzog sich in der Predigt die Umwälzung im Gottesdienst und das Gedenken daran heftete sich an das zum Zentrum des Gotteshauses aufgerückte Inventar. Sukzession bekundete sich mit jedem neuen Aufstieg zum geweihten Ort. So mochte sein Verschwinden auch von Gefühlen des Schmerzes begleitet sein. Lucas Pollio wirkte auf eine gottesdienstliche Neuordnung an den drei Pfarrkirchen bei St. Elisabeth, bei St. Maria Magdalena und bei St. Bernhardin hin. Neben den öffentlichen sonntäglichen Predigten sollten nun nämlich die anderen Tage der Woche fortlaufend jeweils ein Kapitel der kanonischen Bücher des Alten und des Neuen Testaments gelesen werden und sodann eine Erklärung der gelesenen Stücke sich anschließen. Franz Vierling, ein Schwager Pollios, verfaßte zusammen mit diesem selbst kurze Einleitungen und Schlußbetrachtungen zu den Lesestücken. Die ernteten derartigen Beifall in der Stadt, daß sie unter Hinzufügung von Gebeten des Pollio sogar den Weg zum Drucker fanden. So setzte sich der reformatorische Rückgang zu den biblischen Quellen unmittelbar in der Gemeinde und womöglich über sie hinaus fort. Die Bibel wurde, was sie werden sollte, ein Hausbuch, und der Pfarrer nebst Gehilfen das über Jahrhunderte über Lesen und Sinnen befördernde Organ im Umkreis der protestantischen Lande. Pollio selbst hatte eine große und treue Gemeinde. Seine Predigten erfreuten sich großer Beliebtheit. Aus der Mitte seiner Hörerschaft erwuchs der Wunsch, sie auch als Buch zur Hand zu haben. Seine Sieben Predigten vom ewigen Leben der Kinder Gottes erschienen 1583 in Breslau bei Scharffenberg und wurden ein viel gelesenes, weit verbreitetes und sogar noch ins Lateinische übersetztes Erbauungsbuch. Zahlreiche Auflagen bis in das 18. Jahrhundert hinein sind bekannt. Da ging es um den Vorzug des Menschen vor allen anderen Kreaturen,

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

die allgemeine Sterblichkeit unter Beigabe aktueller Tagesereignisse, den Unterschied zwischen Welt- und Himmelsfreuden etc. Nach seinem Tod erschienen weitere Sammlungen, so Zehn Predigten vom jüngsten Tage und Letzten Gerichte, auch sie wiederholt aufgelegt. Der Sohn Joachim beteiligte sich an der posthumen Publikation der Predigten. Vom jüngsten Gericht/ zehn Fastenpredigten kamen gleich zu Beginn des neuen Jahrhunderts heraus. Da überall war die deutsche Sprache wie selbstverständlich in Gebrauch und erreichte ein breites Publikum, wo allseits im gelehrten Milieu immer noch das Lateinische dominierte und eben die ersten mühsamen Schritte unternommen wurden, auch dem Deutschen in der gelehrten Poesie genuine Rechte zu verschaffen. Sohn Joachim, seelsorgend und publizierend so rührig wie sein Vater, überliefert ein deutschsprachiges poetisches Gebinde, das aus der Feder des Pfarr­ herrn zu Sagan Lorenz Widemann stammt. Es ist auf den Quickbrunnen zu Bunzlau gerichtet und dem Andenken des böhmischen Königs Ferdinand I. gewidmet, der aus dem Brunnen im Jahr 1538 geschöpft hatte. Den Achtsilbler verwendet der rüstige Seelenhirt, aber von der neuen Prosodie ist noch nichts an sein Ohr gekommen: Drey schöne Brunn die Stadt Bunzlau hat/ Aus Gottes sonderer Wohlthat. Der erste ist der Seelenbrunnen/ den hat gegeben Gottes Sohn Am fromm Creutz aus seiner Seit/ für die gantz liebe Christenheit/ Daraus flos Wasser und rein Blut/ das uns von Sünden reinigen thut. Der ander ist gemeiner Stadt/ daraus quillt guter rat und that/ Des Ehstands und Gerechtigkeit/ in allen Gassen weit und breit/ Dazu die schönen Pflänzelein/ so alle Stände ziehen fein. Der dritt ist der Vieh= und Quickbrunn/ also genannt vom alten thun/ Nach der uhralten Sachsensprach/ dem nie kein Wasser je gebrach. Er ist schön/ frisch/ lauter und rein/ und liegt auf eiteln klaren Stein.79

Predigerfolge in St. Maria Magdalena Blicken wir nun auf das 17. und frühe 18. Jahrhundert, so ist es von Interesse, wie sich der Lebenslauf der Geistlichen nicht anders als der der Gelehrten auf die herausragenden Institutionen verteilt und ein stetiges Fluktuieren die

107

108

|  Wiege des Glaubens

Regel bleibt. Manche der großen Namen, die im Zuge des oftmals raschen beruflichen Wechsels auch St. Maria Magdalena berührten, sei es, daß sie von hier aus weiter gingen, sei es, daß sie in dieser Kirche ihre berufliche Endstation erreichten, haben wir schon genannt. Andere wollen zumindest erwähnt sein, denn am geistigen Leben der Stadt beteiligten sie sich alle, als Prediger, als Verfasser von Epicedien zu den Leichenpredigten und anderweitigen Gelegenheitsgedichten und nicht selten durch die eine oder andere gelehrte Arbeit. Sie hatten ja durchweg den Magister, zuweilen auch den Doktorgrad erworben. Sieben Jahre zwischen 1583 und 1589 währte die Zeit als Prediger bei St. Maria Magdalena von Johannes Fleischer, bevor er an die Elisabethkirche herüberwechselte. Johann Scholtz d.J., der ihm nachfolgte, kam vom Elisabethgymnasium. Er spielt eine Rolle in der Geschichte der Bibliothek der Kirche, die uns gleichfalls ausführlich beschäftigen wird. Unter seinem Pastorat wurde die Bibliothek mit Werken der Reformatoren bestückt und mit Bildnissen der Prediger bei St. Maria Magdalena ausgestattet, die später dann in den Bibliotheken und Museen Breslaus wieder begegneten.80 Seinen Nachfolger Joachim Pollio haben wir schon kennen gelernt. Er kam als Propst und Pastor von NeustadtBreslau in die Altstadt nach St. Maria Magdalena im Jahr 1618 herüber. Zwei Jahre später hatte er das Kunststück fertigzubringen, zunächst dem triumphal in die Stadt einziehenden Pfälzer Kurfürsten und nunmehrigen Böhmischen König und sodann dem auf den Thron in Prag zurückgekehrten Kaiser Ferdinand II. zu huldigen. Auch vor Kurfürst Johann Georg predigte er anschließend.81 Während seiner Amtszeit kam die mächtige Kollektion des böhmischen Magnaten Žerotin in die Magdalenenbibliothek. Im benachbarten Gymnasium hielt Christoph Köler seine große Erinnerungsrede auf Martin Opitz. Und seine Einweihungsrede auf die neu eröffnete Bibliothek folgte im Sterbejahr Pollios 1644 nach. So war der Festkalender in der Stadt dicht besetzt und Prediger und Schulmänner hatten gleich regen Anteil daran. In die Wirkungszeit Magister Michael Hermanns aus der Sippe der Hermanns fiel im Jahr 1658 die Säkularfeier des Prediger-Geschlechts, das seit 1558 treue Lehrer der Hauptkirchen Breslaus gestellt hatte. Rektor Valentin Kleinwächter publizierte zu diesem Anlaß ein Folio-Einladungsblatt unter der Aufschrift ›Seculum Hermannianum‹, auf dem die verdienten Prediger des Hermannschen Geschlechts in chronologischer Folge figurieren. Mit dem gleichnamigen Michael Hermann setzt sie ein, die Söhne Esaias und Zacharias folgen, Daniel und Michael d.J. machen den Beschluß. In der Kunst des Eingedenkens und memorialen Zelebrierens übertraf die Geistlichkeit jeden anderen Stand, und das mit lebhafter Unterstützung des Rates, der wußte, was

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

er an seiner evangelischen Geistlichkeit besaß. Auch diese Säkularfeier segnete er ausdrücklich ab.82 Georg Seidel d.J. kam über das Fürstentum Oels, wo er bereits als Hofprediger fungierte, zunächst als Propst und Pastor nach St. Bernhardin. Achtzehn Jahre währte es, bevor er 1665 nach St. Maria Magdalena herüberwechselte. Er ist als Prediger anläßlich von Hochzeits- und Trauerfeierlichkeiten mehrerer fürstlicher Personen aus dem Hause Münsterberg-Oels in deren Geschichte eingegangen. Seine gedruckten Predigten böten eine reichhaltige Quelle für eine dringend benötigte Kulturgeschichte des neben Liegnitz und Brieg maßgeblichen Hofes in den Jahren der Blütezeit der deutschen Literatur.83 Adam Etzler war als Pastor zunächst in Herrmannsdorf bei Breslau tätig, von wo er durch die Kaiserlich-Bischöflichen ›Remotions-Commissarien‹ vertrieben wurde. Über St. Bernhardin kam er als Diakon zu St. Maria Magdalena, ging dann aber weiter als Ekklesiast zu St. Elisabeth, wo er gleichzeitig am Gymnasium eine Stelle einnahm. 1667 kehrte er nach St. Maria Magdalena zurück und war dort bis in die späten achtziger Jahre tätig. Ein Blick in die Ehrhardtsche Presbyterologie belehrt darüber, in welch erstaunlichem Maße ein der Kulturgeschichte Schlesiens und Breslaus überhaupt erst wieder zu gewinnender Name sich in die akademische Tradition des Disputierens einzuschreiben vermochte. Ein gutes Dutzend solcher gelehrter Zeugnisse, den vielfältigsten Themen gewidmet, ist bekannt. Die Aufarbeitung dieser Texte würde hineinführen in die Geschichte des Wissens, an der eben auch die Prediger einen ganz erheblichen Anteil hatten.84 Über Caspar Neumann sprachen wir ausführlich. Er aber hinterließ eben auch seine Spuren in St. Maria Magdalena. Er war 1689 durch den Syndikus Seidel mit einer deutschen Rede in sein Amt bei St. Maria Magdalena eingeführt worden. Schon hier sprach er über sein Symbolon, das er aus dem ersten, dem mittleren und dem letzten Buchstaben des hebräischen Alphabets gebildet hatte, und legte es hinsichtlich der an sie geknüpften drei Punkte aus: Andenken, Versprechen und Beten. Ein knappes Jahrzehnt hielt es ihn bei St. Maria Magdalena, dann erfolgte der Wechsel an die Elisabethkirche. Hier kam er auf sein Symbolon zurück. Aus dem Anfang der Bücher Hiob, der Psalmen und der Sprüche Salomos habe er die drei Buchstaben für sein Losungswort gewonnen. Und dann folgte die Auslegung: »›Er wolle erstlich mit Hiob geduldig seyn in zustossendem Kreuz und Widerwärtigkeit bei seinem schweren Amt; Aus den Sprüch=Wörtern wolle er sich mit ein und anderm Spruch erbauen u. lernen, wie er sich in Lehr u. Leben werde zu verhalten haben; u. aus dem Psalter wolle er Gott dem Herrn, sich und seine Gemeinde

109

110

|  Wiege des Glaubens

täglich empfehlen.‹«85 Die klügsten Köpfe hatten den Kampf um den Buchstaben lange hinter sich gelassen; im Leben bewährte sich das göttliche Wort und die Kunst des Lebens bekundete sich im rechten Umgang mit ihm. Das 18. Jahrhundert kündigte sich an.

Die Magdalenenkirche im 18. Jahrhundert und die Gebrüder Hermes als Schlußpunkt Wir verharren zunächst einen Moment bei Gottfried Hanke. Und das auch des berühmten Namens willen. Mit dem Vater Martin Hanke werden wir uns ausführlicher zu beschäftigen haben. Der Sohn machte sich um das Werk des Vaters verdient, indem er dessen Monumenta pie defunctis olim Vratisl. erecta 1718 herausbrachte. Damit wurde dem größten Personenkundler neben Henel von Hennenfeld, dessen Werk weitgehend im Status des Manuskripts verblieben war, posthum auch in diesem Zweig frühneuzeitlicher Wissensschöpfung und Traditionsbildung ein Denkmal gesetzt. Gottlob Krantz steuerte dem Werk eine wertvolle Biographie des Gelehrten bei, dessen Name so weit über Breslau hinaus an Klang gewonnen hatte.86 Auch Johann Friedrich Burg hat, wie zu erinnern, fast zehn Jahre an der Kirche zu St. Maria Magdalena gepredigt. Die Gedenkfeier zum zweihundertjährigen Jubiläum der Augsburger Konfession im Jahr 1730 hielt er hier und Erhardt wußte sehr wohl noch, daß dies mit großer ›Behutsamkeit‹ geschah, war doch Rücksicht zu nehmen auf die ›damalige Regierung‹.87 Doch diese Zeiten der unseligen Verquickung von Glauben und Politik gingen dem Ende entgegen. Die Amtszeit Johann David Raschkes reichte bereits hinein in die Preußische Ära. Raschke, eine der prägenden Gestalten des Elisabethgymnasiums – verdient auch als Verwalter der in diesen Jahren merklich anwachsenden Bibliothek bei St. Maria Magdalena – war eben auf das Pastorat daselbst berufen worden, als er auch schon die Huldigungspredigt vor Friedrich II. zu halten hatte. Vorher hatte er bei St. Elisabeth und bei St. Bernhardin gewirkt, so daß er 1758 sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum feiern konnte. Die zu diesem Ereignis zusammengebrachten Ehrbezeugungen füllen einen ansehnlichen Band mit ›Jubel-Schriften‹.88 Die letzte Phase der Predigergeschichte bei St. Maria Magdalena – wie auf andere Weise bei St. Elisabeth und St. Bernhardin – steht im Zeichen der Gebrüder Hermes aus Pommern. Der ältere, Hermann Daniel, begann in Breslau als Propst zum Heiligen Geist und Pfarrer zu St. Bernhardin sowie als Assessor des Evangelischen Stadt-Konsistoriums. Dann wechselte er zur Magdalenenkirche.

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Er entfaltete eine rege Tätigkeit als Erbauungsschriftsteller, in der eine weniger beachtete Seitenlinie im Rahmen der auf religiöse Erziehung des Volkes gerichteten Aktivitäten inmitten der Spätaufklärung zur Geltung gelangt, welche das Komplement zu der erbaulich-empfindsamen Erzählliteratur im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts repräsentiert.89 Breslau hat an beidem seinen Anteil. Es reicht, einen Blick in die zeitgenössischen Lexika von Streit oder Meusel zu werfen, um sich von dem Duktus dieser erbaulichen Kost einen Eindruck zu verschaffen. Da geht es um den Trost von Menschen, die einen Verlust in der Stille betrauern, um die beste Anwendung der Abendstunden im menschlichen Leben, die Lehre vom Gewissen im Hinblick auf die Vereinigung der Anforderungen, die von der Religion und dem Staat an den Menschen ergehen. Ein Prediger wie der ältere Hermes traf den Geschmack seines Publikums, nicht anders ist die dichte Folge von Jahr für Jahr auf den Markt gelangenden Titeln zu erklären. Der jüngere Bruder Johann Timotheus Hermes folgte dem älteren gewissenhaft nach und wirkte an der Magdalenenkirche zeitweilig mit diesem zusammen. Als der Bruder 1791 nach Berlin berufen wurde, rückte er zum Pastor primarius an der Kirche zu St. Maria Magdalena auf. Vorher hatte er genau wie der Bruder sein Auskommen zeitweilig als Propst zum Heiligen Geist und als Prediger an der Kirche St. Bernhardin gefunden. Noch einmal aber vollzog sich später der Wechsel hinüber zur Kirche bei St. Elisabeth. 1808 wurde Hermes Superintendent der Kirchen und Schulen im Fürstbistum Breslau, Pastor primarius bei St. Elisabeth und Professor der Theologie am Elisabethanum und der zum Realgymnasium zurückgestutzten Schule bei St. Maria Magdalena.90 Sein Bild, geprägt als das eines überaus erfolgreichen Erzählers mit Romanen wie Miss Fanny Wilkens oder Sophiens Reise von Memel nach Sachsen, nimmt sich anders aus, wenn man den Prediger und theologischen Erbauungsschriftsteller danebenhält, der er gleichzeitig war und blieb. Die gemeinsame Wurzel liegt in einer Amalgamierung von menschenfreundlicher Religion, empfindsamer Moral und praktischer Lebenskunde, die sich einmal erzählend, einmal predigend, einmal unterweisend und allemal erbaulich zu erkennen gibt. Welten trennen diese letzte Phase der kirchlich-gymnasial verwalteten Theologie und Frömmigkeit von dem Aufbruch, den in der Berliner Nachbarschaft gleichzeitig ein Theologe vom Rang eines Schleiermacher nahm.

111

112

|  Wiege des Glaubens

Seitenblick auf St. Bernhardin Kirchlich, gymnasial und bibliothekarisch bietet sich das evangelische Breslau als eine Trias dar. Und das vor allem im Blick auf die Personen, welche in diesem Rahmen vielfältig sich überschneidende Möglichkeiten des Wirkens fanden. So darf auch an dieser Stelle ein knappes Wort über die dritte Hauptkirche bei St. Bernhardin nicht fehlen. Sie besaß nicht den gleichen Rang wie die beiden anderen Stadtkirchen. Aber sie bildete zusammen mit Schule und Bibliothek nochmals ein institutionelles Ensemble und ein geistiges Zentrum von Rang, das aus dem mit Breslau sich verbindenden kulturellen Gedächtnis nicht wegzudenken ist. Wer je im Schatten des Klostergartens am Rande des Oderparks geweilt und den Geschicken dieses Ruhe und Geborgenheit ausstrahlenden Quartiers nachgesonnen hat, das sich heute gediegen museal darbietet, wird das Glück empfunden haben, von dem Geist des Hauses stets aufs neue angerührt zu werden. Über das mit der Kirche verbundene Stift sowie die Schule zum Heiligen Geist wird im folgenden Kapitel berichtet werden. Hier geht es um die Kirche. »Die Pfarr=Kirche zu Bernhardin ist die einzige, unter ihren Schwestern zu Breslau, die ihren gewissen Ursprung kennt. Sie ist ein Werk des funfzehnten Jahrhunderts, u. eine Stiftung der Stadt.«91 So Ehrhardt lakonisch und in ständigem publizistischen Krieg mit seinem Vorgänger Adam Pantke, dem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit Fehler ankreidet – das ebenso gottesfürchtige wie streitbare Geschlecht der Theologen verleugnet sich auch auf dem Felde der Historiographie nicht. Im vorliegenden Fall entzündete sich die Kontroverse um die zwielichtige Gestalt des Italieners Johannes de Capistrano, eines Mönches aus dem Orden der Bernhardiner.92 Capistrano kam 1453 nach Breslau und begann alsbald zu predigen. Das geschah auf dem Salzring und muß so mitreißend gewesen sein, daß Bischof, Landeshauptmann und Rat sich bewegen ließen, dem Wortgewaltigen und seinem Orden einen Bauplatz für eine Kirche in der Neustadt anzuweisen. Dieser generöse Akt stieß nicht überall auf Zuspruch. So notiert der seinerzeitige Stadtschreiber Peter Eschenloer: »›Eine neue Kirche hoben die Breßler um seinetwillen an zu bauen, zu St. Bernhardin genannt, das doch vielen weisen Leuten mißhogete, da zuvor schon ein schönes Kloster (desselben Ordens) zu St. Jakob gebauet war, auch sonst genug Kirchen in Breslau waren, mehr als in einer Stadt in allen deutschen Landen sein mögen. Mit dieser neuen Kirche viel andere Kirchen und Spitale abnehmen müssen und zufallen, sonderlich die zu St. Jakob. Es ist auch die Stadt viel zu arm und zu klein, so viel Bettelorden, Kirchen und Spitale auszuhalten.‹«93

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Doch solche Vorbehalte vermochten den einmal entfachten Elan nicht zu bremsen. Die umliegenden Häuser wurden niedergerissen, darunter die Bleiche der Stadt und das Material für den Bau von Kirche und Kloster verwandt. Schon 1455 wurde die Holzkirche durch den Bischof Franz von Ermland zu Ehren des Ordensstifters Bernhardin von Siena geweiht. Nur wenig später indes erfolgte bereits in Gegenwart des Rats die Grundsteinlegung für einen neuen und nun aus Stein ausgeführten Bau. Über Stifter, Vermächtnisse und Spenden der Bürger wurde er finanziert. Bauherr blieb der Rat, nicht der Orden, wie schon Ehrhardt mit einem gehörigen Schuß patriotischen Stolzes richtig erkannte. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts war die Errichtung der Kirche zu St. Bernhardin abgeschlossen und Bischof Johannes IV. Roth weihte sie. Der Konflikt mit den Bernhardinern ließ nicht auf sich warten. Im Reformationsjahr 1517 kam es zu einem offenen Streit. Fünf Jahre später wurden die Ordensbrüder ausgewiesen und verließen die Stadt. Der Rat machte das Bernhardinerkloster zum Hospital zu St. Bernhardin und hob das BarbaraHospital auf. Die Kirche blieb einige Jahre geschlossen. Inzwischen hatte die Reformation Einzug in der Stadt gehalten. 1526 wurde sie als dritte städtische Pfarrkirche wieder eröffnet. Der Name des ersten Pfarrers lautete auf Dr. Petrus Zedlitz de Borna, genannt Nadus. Der Name der Bernhardiner aber erhielt sich und verband sich mit Kirche, Schule und Bibliothek. Als jedoch die zweite Kirche in der Neustadt mit Hospital, die Propstei zum Heiligen Geiste, noch im 16. Jahrhundert sich aufzulösen begann, und viele Ausstattungsstücke in die Kirche zu St. Bernhardin übergingen, ging auch der Titel der Propstei mit in die neue Gründung herüber und ein Neben- und Miteinander beider Namen blieb typisch für den gesamten Komplex. Ein Brand im Jahre 1628 zerstörte nicht nur große Teile der Neustadt, sondern auch Kirche und Hospital weitgehend. Die Wiederherstellung wurde zunächst provisorisch vorgenommen. Und als der Krieg sein Ende fand, stiftete der Kaiserliche Rat, Musiker und Dichter Matthäus Apelles von Löwenstern, der uns gleichfalls wieder begegnen wird, eine Orgel nebst Empore. Der ganze Kirchenraum wurde geweißt, Geräte und Gewölbe koloriert. So hoben sich von dem blendenden Weiß der Wände und Decken die Gestühle, Emporen und Ausstattungsstücke ab und verliehen dem Raum einen bewegten Charakter, wie er dem barocken Raumempfinden entgegenkam. Das kleine Türmchen blieb freilich für die Kirche charakteristisch. Der Geist des Bettelordens, welcher zur Gründung geführt hatte, hielt sich darin lebendig.

113

114

|  Wiege des Glaubens

Prediger-Profile der dritten Breslauer Pfarrkirche Die Reihe der Prediger wird eröffnet mit dem schon erwähnten Petrus Nadus. Er war ein gebürtiger Ungar, kam aus dem Franziskaner-Orden, hatte in Wien und Prag studiert und den Doktor der Theologie erworben. In Breslau, im Franziskaner-Konvent zu St. Jakob lebend, kam er nach der Disputation des Johann Heß in Berührung mit reformatorischem Gedankengut und wurde von ihm ergriffen. Der Magistrat der Stadt überzeugte sich von seinen Gaben und vertraute ihm die Propstei zum Heiligen Geist und die Pastorenstelle zu St. Bernhardin an. So stand seit 1526 auch der dritten Pfarrkirche eine bedeutende Persönlichkeit vor. Auf Heß, Moibanus und Nadus lauten die Namen der Archegeten der lutherischen Kirche zu Breslau.94 Nur eine kurze Frist des Wirkens war Nadus beschieden. Er starb im Jahr der Augsburger Konfession 1530. Sein Nachfolger Franziskus Hanisch kam aus dem Bernhardiner-Orden und hat noch die Priesterweihe empfangen. 1524 trennte er sich von dem Orden und bekannte sich als Lutheraner. Moibanus sandte ihn als Prediger nach Olmütz im Mährischen und von dort kehrte er nach St. Bernhardin zurück. Er soll sich um Kirche wie Schule gleich verdient gemacht haben; das von ihm erbaute Haus wurde zu Ende des 16. Jahrhunderts als Schulhaus in Verwendung genommen. Und selbst der dritte Prediger, Thomas Gerhard, war noch im katholischen Kirchwesen groß geworden, bevor er sich dem jungen Glauben zuwandte.95 Mit Johann Scholtz d.Ä. kam der Begründer des fruchtbaren Zweiges der Scholtzen in Breslau im Kirch- und Schulwesen zu Amt und Würden. Er war Schüler von Luther und Melanchthon, Bugenhagen ordinierte ihn in Lemberg, von wo er über Oberungarn nach Breslau zurückkehrte. Wiederum in der Doppelfunktion als Propst zum Heiligen Geist und Pastor zu Bernhardin beschloß er seine Karriere in der Stadt.96 Es will etwas besagen, wenn Geistliche von renommierten Posten in ihre Heimatstadt zurückkehrten, so Johann Birkenhan, der Hofprediger Herzog Albrechts in Königsberg gewesen war und gleichwohl dem Ruf nach Breslau folgte. Auch Sigismund Suevus hatte eine lange Wanderung hinter sich – Lübeck, Reval, Frankfurt an der Oder, Sorau, und – nach einem Breslauer Interim – Freistadt, Lauban, Thorn –, bevor er sich in Breslau auf Dauer niederließ und in St. Bernhardin seines Amtes – es war das elfte in seinem Leben – waltete. Mitteleuropa war eine offene politische und religiöse Landschaft und wo immer Glaubensverwandte mit Duldung der Obrigkeit siedelten, taten sich Stätten des Wirkens auf. Birkenhans Leben stand unter dem Symbolon ›Summa Sapientia Fides‹.97

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Unter Jakob Berelius vollzog sich die Aufgabe der Kirche zum Heiligen Geist. Als alleinige lutherische Kirche fungierte nun St. Bernhardin, wohin wenig später auch die Schule verlegt wurde. Als zu Ende des 16. Jahrhunderts während des Pastorats von Berelius die große Glocke der Bernhardiner Kirche vom Blitzschlag zerstört wurde, überführte man diejenige vom Heiligen Geist. Am 24. Dezember 1603 erklang erstmals ihr Geläut über den Dächern der Neustadt. Das liturgische Gerät der Kirche zum Heiligen Geist hatte inzwischen vielfach eine neue Bleibe bei St. Bernhardin gefunden.98 Mit Christoph Schlegel gelangte erstmals ein gekrönter Poet kurzfristig nach St. Bernhardin. Der Kursächsische Oberhofprediger Matthias Hoë von Hoënegg hatte die Ehrung in Dresden vorgenommen, wo der Vater als Hofprediger arbeitete. Den Sohn drängte es in die Nähe von Johann Gerhard in Jena, wo er zum Tischgenossen des berühmten Theologen ausersehen wurde. Über Wittenberg, wo er Wilhelm Leyser und Johann Hülsemann hörte, kam er als Hofprediger zur Fürstin von Anhalt-Zerbst. Von dort führte ihn der Weg nach Breslau, wo er zunächst Ekklesiast bei St. Elisabeth und Professor am Elisabethanum war, dann aber als Propst und Pastor nach St. Bernhardin herüberwechselte. Doch dies nur für kurze Zeit. Schlegel gehört zu der kleinen Zahl von Theologen, die es in Breslau nicht hielt. Er promovierte in Leipzig, wurde von Kaiser Ferdinand III. geadelt und dann nach Leutschau in Ober­ ungarn berufen. Das rege und vielgestaltige religiöse Leben insbesondere in Siebenbürgen zog immer wieder neugierige Köpfe an. Es könnte sich lohnen, die Spurensuche nach seiner poetischen Hinterlassenschaft aufzunehmen.99 Die Kirche zu St. Elisabeth in Breslau und vielfach auch die zu St. Maria Magdalena bezeichneten Endstationen in der Karriere eines Seelsorgers. Anders bei St. Bernhardin. Auch Christian Weber, seit 1665 in der Propstei und im Pastorat zu St. Bernhardin tätig, ging schon vier Jahre später als Hofprediger nach Oels. Die Würde eines Herzoglichen Superintendenten folgte nebst dem Doktorhut. Bei Hofe freilich bekam er Konkurrenz und mußte schließlich seine Entlassung dulden, ohne in Breslau nochmals Fuß fassen zu können. Herzogliche Ungnade mußte auch Kaspar Nimptsch erfahren. Er hatte in Altdorf orientalische Sprachen und Philosophie studiert, kam später an den Hof Herzog Sylvius I. Nimrods von Württemberg-Oels und wurde Pastor in Bernstadt. Dort stieg er zum Inspektor über die Kirchen und Schulen auf, mußte jedoch aus unbekannten Gründen demissionieren. Nun bot sich das umgekehrte Schauspiel, daß Breslau ein Zufluchtsort ward; in St. Bernhardin wirkte er bis an die Schwelle zum neuen Jahrhundert.100

115

116

|  Wiege des Glaubens

Nimptsch durfte eben noch erleben, wie der Bibliothek von Kirche und Schule die mächtige Büchersammlung von Zacharias von Rampusch zufiel. Das 18. Jahrhundert ist auch für St. Bernhardin das goldene Jahrhundert gelehrten Treibens und bibliophilen Wachsens und Sprießens. Unter seinem Nachfolger Christian Schmid vollzog sich die erwähnte Renovierung und Umgestaltung der Kirche, welche auch der Bibliothek zugute kam, die sich im 18. Jahrhundert insbesondere auf dem Gebiet des lokalen Kleinschrifttums neben den beiden anderen Kirchenbibliotheken hervortat – ein bis in die Gegenwart über die Provenienzen sich stets wieder bestätigender Glücksfall. Zahllose graue Literatur war nur hier verwahrt. Und das dank Spendern und Sammlern aus der Mitte von Kirche und Gymnasium, die uns im Fortschreiten über die Zeiten hinweg verwandtschaftlich grüßen werden.

Leidensgeschichte des reformierten Bekenntnisses Fast zwei Jahrhunderte lang hatten die Anhänger des reformierten Bekenntnisses und alle mit dem Calvinismus auch nur Sympathisierenden ein Leben im Verborgenen führen müssen. Einem Wunder gleich, waren die Wurzeln des Glaubens nicht verdorrt, sondern trieben unaufhörlich junge Zweige. Fast mochte es scheinen, als beflügele die offizielle Verbannung den Mut eines Bekennertums, das sich in Leiden, Not und Bedrängnis eins wußte mit all jenen, die in der langen Geschichte der Christenheit Vergleichbares hatten erdulden müssen. Ein bislang nicht gelöstes Rätsel liegt über der Vitalität, die das Reformiertentum gerade im mittelosteuropäischen Raum prägt. Schlesien hatte daran maßgeblichen, jedoch immer noch nicht zureichend gewürdigten Anteil. Für das Luthertum im evangelischen Schlesien aber gereicht es wie anderwärts zur Schmach, daß es selbst an vorderster Front stand, wenn es darum ging, die jüngere evangelische Bewegung und ihre Repräsentanten zu inkriminieren und zu ächten. Daß der Kaiser ein eminent politisches Interesse hatte, die Widersacher auch aus Böhmen und den Böhmischen Nebenländern zu verbannen, lag in der Logik einer Staatsraison, die eingebunden und gefangen blieb in ein europäisches Mächtespiel, in dem sich die Selbstbehauptung der Konfessionen mit der ganzer Staaten und Bündnisgruppierungen unheilvoll verquickte. Daß aber die evangelischen Glaubensbrüder das Feuer schürten und einen erbarmungslosen Kampf um den rechten Buchstaben – und das hieß inzwischen: die rechte lutherische Lehre – führten, bleibt ein Menetekel der eben erst glaubensfroh aufgebrochenen jungen Bewegung, das ihr langfristig nur zum Schaden gereichen konnte.

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Von großem Reiz wäre es daher, der geschichtlichen Gerechtigkeit Genüge zu tun und bei jeder sich bietenden Gelegenheit an die einschlägigen Stationen des reformierten Bekenntnisses und seiner Kronzeugen auch in Schlesien zu erinnern. Das soll jeweils am Ort auch in unserem Buch geschehen und ist an der einen oder anderen Stelle bereits angeklungen. Im Blick auf Kirchen und Prediger zu Breslau ist der Chronist in der erfreulichen Situation, am Ende dieser ersten kleinen Wanderung von einer glücklichen Wendung berichten zu können, mit der die Geschichte des evangelischen Bekenntnisses, im Grunde aber die aller Konfessionen auf schlesischem Boden in einem inneren Sinn zu einem ersten Abschluß gelangt. Die Annexion der größten Teile Schlesiens durch Friedrich den Großen blieb politisch ein zwiegesichtiges Unternehmen und keine der vielen in die Welt gesetzten Versuche einer Rechtfertigung konnten daran etwas ändern. Anders nimmt sich das Bild im Blick auf die religiöse Verfaßtheit des Landes aus. Alle Anläufe, einer jeden Konfession ein Lebensrecht auf schlesischem Boden zu gewähren, waren unzureichend geblieben und binnen kurzem machtpolitisch wieder in Frage gestellt worden. Auch der Altranstädter Konvention war nur eine kurze Frist effektiver Durchsetzung beschieden. Und selbst sie hatte das Problem der Existenz eines reformierten Bekenntnisses durch schlichtes Ignorieren umgangen. In diesem Sinn bedurfte es tatsächlich erst des Einmarsches der preußischen Truppen in das bis dato böhmische Nebenland, um auch einem zwei Jahrhunderte unterdrückten Bekenntnis eine Möglichkeit dauerhafter Entfaltung zu sichern. Seit den vierziger Jahren des 18. Jahrhunderts hebt eine neue und erstmals staatlich sanktionierte Geschichte des reformierten Glaubens in Schlesien an.101

Eine reformierte Kirche zu später Stunde Wir haben nach Breslau zu blicken. Dort wurde umgehend mit dem Bau einer Kirche für die erstmals frei ihr Haupt erhebenden Bekenner des reformierten Glaubens begonnen. Eine Reihe der in die Stadt gekommenen höheren Offiziere gehörten dieser Konfession an. So richtete der Präsident des Oberamts Hans Carl Fürst von Carolath-Beuthen in seiner Wohnung am Salzmarkt eine Kapelle mit Kanzel und Orgel ein – genug für ein ganz auf das Wort und die Predigt setzendes Bekenntnis. Schon ein Jahr nach dem Einzug der Truppen gab es Überlegungen, diesem provisorischen Zustand durch förmliche Errichtung eines Gotteshauses ein Ende zu bereiten. Im General-SteuerAmtshaus wurde ein Teil des den linken Flügel einnehmende ›Fürstensaals‹

117

118

|  Wiege des Glaubens

zum gottesdienstlichen Gebrauch hergerichtet. Doch auch das vermochte nur eine Zwischenlösung zu sein. Im Juni 1746 begann man mit dem Abbruch des Amtshauses, ein Jahr später erfolgte die Grundsteinlegung der Kirche. Der Bau wuchs dank reicher Spenden rasch heran. Eine Unterbrechung erzwang die Explosion des Pulverturms, der auch andere Gotteshäuser in Mitleidenschaft zog. Aus Deutschland und der Schweiz, aus Holland, England und Schottland flossen Gelder aus den reformierten Gemeinden. So konnte schon 1750 die wieder errichtete Kirche eingeweiht werden. Freilich blieb der Turm unvollendet. Und es vergingen noch achtzig Jahre, bevor die Kirche jenen Namen erhielt, unter dem sie bekannt wurde. Bei dem Jubiläum der Augsburger Union im Jahre 1830 wurde ihr der Name ›Hofkirche‹ verliehen.102 Aufgeführt wurde ein ovaler Saalbau mit zwei Emporen, der einem außen rechteckigen Baukörper eingesetzt ist. An der Nordseite blieb Raum für eine Orgel und Empore. Die Galerien verleihen dem Raum sein Gepräge. An der Stelle der Kanzel – eines Kanzelaltars! – und der darüberliegenden Fenster sind die Emporen unterbrochen. Der Raum selbst ist mit einfachem Stuck geziert. Hoch- und Seitenfenster sorgen für einen lichtdurchfluteten Raum, der ihm eine an das Rokoko gemahnende Leichtigkeit verschafft, die sich bei Betreten der Kirche sogleich mitteilt. »So ist ein echt protestantischer, rationalistischer Predigtsaal ohne Einschlag von Mystik entstanden, der die Anregung zu den von ähnlichen Ideen ausgehenden späteren Predigtkirchen des älteren Langhans gegeben hat.«103

Reformierte Prediger auf der Altar-Kanzel Mehr als zwei Jahrhunderte nach den ersten lutherischen Reformatoren betrat nun auch ein reformierter Prediger die Kanzel. Neben den Gründergestalten Heß, Moibanus und Nadus wird man sich den Namen des Johann Ernst Vigilantius einzuprägen haben. Er kam aus Polen, hatte in Frankfurt an der Oder studiert und dort bereits an der Evangelisch-reformierten Kirche gepredigt. Dann berief ihn die Brüder-Unität als Prediger der Gemeinde zu Laßwitz in Großpolen. Von dort führte ihn der Weg nach Breslau. Daselbst aber existierte 1742 noch keine reformierte Kirche. Also predigte er in dem für die Zwecke der Reformierten hergerichteten Amtshaus. Seine Antrittspredigt hat sich erhalten, da sie sogleich 1742 zum Druck gelangte. Ihr Titel: ›Die Sendung und Erhaltung öffentlicher Lehrer, als eine der grösten Wohlthaten des gro­s­ sen Gottes‹. Sie ist naturgemäß ein Dokument eigener Art, ist ihr doch die

Dominsel und Bischöfe, Kirchen und Prediger  |

Freude über den Einzug des Reformiertentums in die schlesische Hauptstadt durchgängig anzumerken.104 Ihm folgte Jakob Loos. Er kam aus der Pfalz, war gebürtiger Heidelberger, bekräftigte also den Zusammenhalt der beiden Städte nun im Zeichen des reformierten Bekenntnisses im Jahrhundert der Aufklärung. Loos hatte in Heidelberg das Gymnasium und die Universität besucht und eine gründliche theologische und philosophische Ausbildung erhalten. »Nun dachte der Herr an ihn, und berief ihn zu einem würdigen Arbeiter in seinem geistlichen Weinberg, den er an verschiednen Orten nach göttlichem Rathschlus bauen solte.«105 Über Seckenheim bei Mannheim und Bacharach am Rhein führte ihn der Weg ins Waisenhaus des Friedrich-Hospitals zu Berlin. Der Gang des pastoralen Lebens im reformierten Milieu ist ein gänzlich anderer als im protestantischen. Nicht auszudenken, welch geistigen Zustrom Breslau und Schlesien insgesamt erfahren hätten, wenn diese Wege die beiden ersten reformatorischen Jahrhunderte über bereits stetig und wie selbstverständlich betretbar gewesen wären. Nach dem frühen Tod von Vigilantius folgte Loos diesem auf die neu geschaffene Stelle in Breslau. Hier hatte er das Glück, den Bau der ersten reformierten Kirche zu erleben. Als sie 1750 in Nutzung genommen wurde, war es ihm beschieden, die Einweihungspredigt zu halten. Auch sie wurde noch im gleichen Jahr gedruckt und mit dem Kupfer der Kirche geziert. Loos war eine lange Wirkungszeit beschieden. Und zudem wurde er 1767 zum Rat des neu geschaffenen Oberkonsistoriums zu Breslau ernannt.106 Den wichtigsten Namen in der Frühphase der reformierten Kirche zu Breslau dürfen wir an dieser Stelle nur eben erwähnen. Sein Träger hatte in guter Breslauer Tradition ein Doppelamt inne, fungierte als Prediger und als Schulmann. Wir sprechen von Daniel Heinrich Hering und sagen nur, daß er nach einem langen Weg durch eine Reihe von gelehrten und geistlichen Anstalten im Jahr 1765 in Breslau eintraf. Er wurde als zweiter Prediger an die reformierte Kirche berufen und zugleich zum Direktor der Königlichen Friedrichs-Schule ernannt. Dort lag der Schwerpunkt seines Wirkens und aus dieser Position heraus entwickelte er sein reiches publizistisches Œuvre, teils über Jahrzehnte den Programmen seiner schulischen Anstalt anvertraut, teils in großen Monographien niedergelegt.107 Hering wäre wie niemand sonst berufen gewesen, die Geschichte des reformierten Bekenntnisses auf schlesischem Boden nachzuzeichnen. Doch es kam anders. Der gebürtige Pommer und leidenschaftliche Liebhaber seiner brandenburgischen Lehrjahre verlegte sich auf dieses Nachbargebiet, wo er Bahnbrechendes leistete. Grund genug also, die Dominsel und ihre Bischöfe sowie

119

120

|  Wiege des Glaubens

die Kirchen und protestantischen Prediger Breslaus zu verlassen und weiter zu schreiten zu den Schulen und insbesondere den Gymnasien in der Stadt, deren Entfaltung sich wiederum mit vielen klangvollen Namen verbindet. Erneut steht uns eine lange Wanderung bevor, auf der an vielen Stationen Halt zu machen ist.

5. Hochburg des Wissens Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität

Von den Kirchen geht es weiter zu den Schulen, von den Bischöfen und Predigern zu den Schulmännern und Inspektoren. Es gehört zu den faszinierenden Aspekten städtischer Kulturgeschichte in der Frühen Neuzeit, daß die Ressorts in personeller Hinsicht nicht strikt getrennt waren, Doppelbesetzungen erfolgen konnten, Übergänge fließend sich ausnahmen. Entscheidendes Kriterium blieben Ansehen und Kompetenz der jeweiligen Person. Das eben war es ja, was der kommunale Verband der vom Adel bestimmten alteuropäischen Lebensordnung entgegenzustellen hatte. Nicht dynastische Vorgaben waren ausschlaggebend. Sie machten sich nur in der Etablierung ratsfähiger Geschlechter geltend. Wo Studium und gelehrtes Know-how eine Voraussetzung für die Amtsübernahme bildeten, da eröffneten sich Chancen des Aufstiegs sowie Perspektiven für ungewöhnliche Karrieremuster. Und traten dann herausragende, vielseitig gebildete Persönlichkeiten hervor, so machte sich die städtische Korporation ihre Verdienste zu eigen und räumte ihnen reiche Betätigungsfelder ein. Es bleibt daher von großem Reiz, diesen Lebenswegen zu folgen. Institutionengeschichte ist das eine und will in synoptischer, auf Kalkulation vielfältiger Kräfte bedachter Betrachtung beobachtet sein. Zu einer lebendigen historiographischen Disziplin wird sie in dem Maße, wie es gelingt, die prägenden Impulse der in den vorgegebenen Räumen wirkenden Personen aufzuspüren und also offen zu bleiben für kontingente Momente. Wir wollen darum bemüht sein, Institutionen und Personen gleichermaßen gerecht zu werden. Und das auf knappem Raum. Die Breslauer Schulgeschichte macht im Blick auf die forschungsgeschichtliche Historiographie keine Ausnahme von dem ungeschriebenen Gesetz, das da lautet: Der Frühgeschichte und dem Zeitalter der Reformation gilt das hervorragende Interesse, die nachfolgenden Jahrhunderte bis an die Schwelle der Spätaufklärung vermögen nicht die gleiche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dieser Gepflogenheit, allenthalben zu beobachten, ist nach Kräften zu widerstreiten. Und das in kaum einem Fall mit mehr Berechtigung als in dem von Breslau. Die Stadt hat nach der ungewöhnlichen Etablierung von zwei Gymnasien in ihren Mauern eine Fülle von Kapazitäten versammeln können, die sie in den Rang einer Gelehrtenrepublik erhoben. Und das zwei Jahrhunderte über bis an das Ende des alten Reiches, als ein neuer Schub auch in

122

|  Hochburg des Wissens

der Bildungsgeschichte erfolgte. Wir besitzen keine Darstellung, die uns eine angemessene Vorstellung von der Massierung gelehrter Kompetenz in dieser Metropole des Ostens vermittelte. Kirchen und Gymnasien, Bibliotheken und am Schluß gelehrte Vereinigungen wirkten zusammen und entbanden ein Maß an intellektueller Kommunikation, wie sie nur auf engstem Raum und zugleich in engstem Kontakt mit den Höfen im Umkreis jene Blüte zu zeitigen vermochte, die Breslaus unvergänglicher Beitrag zur Geistesgeschichte im mittelosteuropäischen Raum bleibt, um deren Vergegenwärtigung wir uns zu mühen haben. Das kann und soll nicht in ausholender Manier geschehen; Schlaglichter auf eine in lebendiger Bewegung befindliche Szenerie zu werfen, ist uns aufgetragen. Möge eine Ahnung sich einstellen, daß längerfristig ein weites und glänzendes Feld zu bestellen ist.1

Fehlende Universität Schlesien galt in der Frühen Neuzeit als eines der bestausgebauten Territorien in bezug auf das höhere Schulwesen. Wie in allen kulturellen Sektoren kam auch an dieser Stelle die politische und konfessionelle Vielgestaltigkeit dem Aufbau eines weitgespannten Bildungswesens zustatten. Und noch das Fehlen einer höchsten akademischen Anstalt in Form einer Universität war dem gelehrten Treiben nicht abträglich. Denn nun konnte die Gelehrtenschaft ihre Kenntnisse und Anregungen, die sie im weiter fortgeschrittenen Westen des Reichs und im Ausland gewonnen hatte, im Lande produktiv verwenden und ihm kraftspendend zuführen. Breslau und Liegnitz hatten die Errichtung einer Universität kurz nacheinander versucht. Breslau scheiterte noch vor der Reformation. Die Stadt mußte den Neid insbesondere Krakaus fürchten, das sich erfolgreich der sich abzeichnenden Konkurrenz erwehrte. Auch wußte man in der Umgebung des Papstes, daß mit einer Universität, für die das königliche Privileg bereits erwirkt war, der Einfluß von Kirche und Geistlichkeit in der Stadt zurückgehen würde. So wurde die Angelegenheit verschleppt, und dann stand die Reformation vor der Tür. Liegnitz umgekehrt versuchte den klassischen Weg über die religiöse Reform im Bunde mit der parallelen landesherrlichen Schöpfung einer Universität, der es obgelegen hätte, den neuen Glauben zu bekräftigen und zu stützen. Wenn auch Liegnitz scheiterte, so vor allem, weil die junge religiöse Bewegung ihr Profil noch nicht gefunden hatte und der Herzog alsbald in die Querelen um die Schwenckfeldianer hineingezogen wurde. So ruhte das gelehrte Leben vor allem auf den Gymnasien, deren Wesen es hier wie anderwärts war, ein Niveau

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

zu erklimmen, das dem der Universitäten häufig nicht nachstand und der Pflege der Humaniora allemal entgegenkam.2

Die Trozendorfsche Schöpfung in Goldberg Sie haben alle ihr eigenes Profil, das uns gerade auch im Bilde ihrer schreibenden Professoren entgegentreten wird. Der berühmtesten Anstalt Valentin Trozendorfs in Goldberg im Herzogtum Liegnitz eilte der Ruf voraus, das melanchthonsche Modell am reinsten zu repräsentieren. Mit ihr wurde zugleich der Grund für das protestantische gymnasiale Schulwesen im Osten gelegt. Trozendorf, selbst an der Görlitzer Lateinschule erzogen, in Leipzig philologisch, in Wittenberg theologisch ausgebildet, arbeitete auf eine nahtlose Verzahnung der antiken und der religiösen Kenntnisse und Fertigkeiten hin. Die 1523 von ihm übernommene Goldberger Schule, der er seit 1531 erneut als Rektor für 25 Jahre bis zu seinem Tode vorstand, basierte auf der selbstverständlichen, an Cicero, Vergil und Ovid geschulten Beherrschung des Lateinischen in Prosa und Vers, Rede und Abhandlung, bezog das Griechische und am Rande auch das Hebräische mit ein, rückte die Naturwissenschaften und die Mathematik in das zweite Glied und verstand sich zugleich als Pflanzstätte der wahren christlichen Religion im lutherischen Gewande, indem es die Kenntnis der alten Sprachen vor allem zur Lektüre der biblischen Urtexte mobilisierte. Die Schule war getragen von den Prämissen, daß Standesunterschiede unter den Lernenden beiläufig seien, diese ihren schulischen Alltag selbst zu organisieren hätten und der lutherische Katechismus als das Fundament jedweder Erziehung zu gelten habe. Der in der Frühe sich bereits abzeichnende Versuch, das Gymnasium anderen im Herzogtum Liegnitz kurrenten religiösen Strömungen – insbesondere Schwenckfelds – zu öffnen, wurde von Trozendorf rigoros zurückgewiesen. In diesem Sinn verkörperte das Gymnasium den lutherischen Typus in seltener Reinheit. Sein Einzugsbereich reichte bis nach Österreich, Mähren und in die Steiermark sowie nach Krain, Ungarn und Polen.3

Das Brieger Gymnasium Die zweite Residenz der Piasten in Brieg schuf sich sehr viel später unter Herzog Georg II. im Jahre 1564 ihr Gymnasium, das sich gleichfalls großen Ansehens erfreute, freilich massiv in die inzwischen eingetretene Dissoziierung des evangelischen Bekenntnisses hineingeriet. Der Gründer selbst befleißigte sich nochmals größter Sorgfalt, als es darum ging, die Pflege des lutherischen Glaubens

123

124

|  Hochburg des Wissens

in seiner Anstalt zu gewährleisten. Noch zwanzig Jahre nach Gründung scheute er sich nicht, den ersten Rektor Franz Besler, einen Arzt und Philosophen, der später ins Lehramt zurückkehrte, sowie zwei weitere Lehrer neben dem Rektor Lorenz Cirkler wegen des Verdachts des Kryptocalvinismus, diesem vermeindlichen Erzübel, das dem Luthertum inzwischen viel widerwärtiger und gefährlicher geworden war als der Katholizismus, zu entlassen. Erst sein Sohn Joachim Friedrich ließ sich in der Melanchthonschen Tradition von einem toleranteren Gebaren bestimmen und wurde selbst in dieser aufgepeitschten Zeit kryptocalvinistischer Neigungen verdächtigt. Trozendorf und der große Straßburger Pädagoge Johannes Sturm sind die auch in Brieg maßgeblichen Autoritäten. Die 1580 im Beisein Georgs verabschiedeten und 1581 publizierten Illustris Scholae Bregensis Constitutiones weisen aus, daß auch hier der christliche Glaube und die Erneuerung der Altertumsstudien, insbesondere die Pflege des Lateinischen, die beiden Säulen der Anstalt bildeten. Von der Quinta an wurde der Gebrauch der Muttersprache verboten. Den Übergang in das neue Jahrhundert vollzog die Schule unter dem Rektor Melchior Tilesius, der sich erfolgreich vom Calvinismus-Verdacht zu reinigen gewußt hatte und nun erlebte, wie unter dem neuen Regenten die lutherische Orthodoxie in die Defensive geriet und dem wechselseitigen Schmähen und Verdächtigen nach Kräften ein Ende bereitet werden sollte. Unter Herzog Johann Christian wurde dann der Übertritt zum reformierten Bekenntnis getan. Mit Jakob Schickfuß, dem bekannten ersten Chronisten Schlesiens, sowie mit Melchior Lauban und Georg Vechner während des Dreißigjährigen Krieges besaß das Gymnasium weit über das Fürstentum hinaus bekannte Gelehrte, die Brieg nach dem Untergang Goldbergs zeitweilig an die erste Stelle der gelehrten Studien in Schlesien rückten.4

Das Schönaichianum in Beuthen an der Oder Mit dem Gymnasium illustre in dem kleinen Städtchen Beuthen an der Oder, fünfunddreißig Kilometer entfernt von Breslau gelegen und nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen oberschlesischen Industriemetropole, gelangen wir bereits in das 17. Jahrhundert und damit unmittelbar in die Konstitutionsphase der deutschen Literatur, an der das Beuthener Gymnasium einen wesentlichen Anteil hatte. Man wird dieses vielleicht als die bedeutendste, gewiß aber als die originellste höhere Bildungsinstitution bezeichnen dürfen, die das Schlesien der Frühen Neuzeit hervorgebracht hat.

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Sie ist das Werk eines Mannes, des Fürsten Georg von Schönaich, dem ein gnädiges Schicksal ersparte, den raschen Untergang der mit so viel Engagement ins Leben gerufenen und mit so viel Hoffnung begleiteten Schöpfung selbst noch erleben zu müssen. 1557 geboren und 1619 gestorben, hat er den Aufstieg Schlesiens, die Ausbreitung des reformierten Bekenntnisses, dem sein Herz anhing, und die Versammlung der protestantisch-reformierten Kräfte unter Pfälzer Führung noch mit getragen, die ein Jahr später bereits eintretende Katastrophe jedoch nicht mehr erleiden müssen. Sein gesamtes Bemühen, mit dem noch einmal das Fazit aus dem Fehlen einer Universität im Lande gezogen wurde, war darauf ausgerichtet, dem konfessionell zerklüfteten und vergeblich um seinen Frieden ringenden Land eine hohe Schule ohne formelle kaiserliche Bestätigung zu verschaffen, an der der Ausgleich unter den widerstreitenden Bekenntnissen durch Besinnung auf die gemeinsamen Grundlagen und Ziele des einen christlichen Glaubens befördert werden sollte. Bedarf es langen Rätselns, wo diese zu suchen seien? Dort, wo sie ein Erasmus mit ungezählten anderen vor dem großen Schisma gefunden hatte und wo sie im nachkonfessionellen 18. Jahrhundert ein Lessing, ein Herder, ein Goethe wieder umkreisen werden: In der Verständigung auf den einen Grundsatz, daß das Christentum dem Willen seines Stifters gemäß eine Liebesreligion sei, in die Welt gekommen, um den Streit und die Friedlosigkeit unter den Menschen von innen her zu beseitigen durch die Bereitschaft zur Anerkennung des Nächsten und zum versöhnlichen Umgang mit ihm. Eine eigene Professur für Frömmigkeit war etabliert, um diesem Grundsatz in Schriftauslegung und systematischer Explikation Geltung zu verschaffen. Aber der Fürst war kein Träumer. Er kannte die Realitäten des modernen Staates. Und so verfügte er gleich noch eine weitere einschneidende Neuerung, indem er eine Professur für Sittenlehre einrichtete, mittels derer die Anforderungen des modernen Staates analysiert und die rechten diesbezüglichen Verhaltensstrategien eingeübt wurden. Daß er das Glück hatte, just für dieses Lehrgebiet einen Kopf zu gewinnen, der die geforderte Modernisierung auch auf die Sprachen ausdehnte, Eloquenz auch in der Muttersprache geschult sehen wollte, statt sie wie bislang nur dem Lateinischen vorzubehalten, war ein Glücksfall in der Geschichte der Anstalt wie in der der deutschen Literatur, denn bei Caspar Dornau hörte niemand anders als Martin Opitz. Im kleinen Beuthen empfing er die ersten Anregungen zu seinem Lebenswerk einer Reform der unter der Vorherrschaft des Lateinischen stehenden deutschen Literatur.

125

126

|  Hochburg des Wissens

Nimmt es wunder, daß die kaiserliche Seite das Weiterbestehen einer so weit in die Zukunft weisenden Anstalt nach dem Sieg über Böhmen und Schlesien nicht zu dulden bereit war? 1629, genau fünfzehn Jahre nach ihrer Gründung im Jahre 1614, mußte die Schule ihre Tore schließen, und wieder einmal war es der Verdacht des Kryptocalvinismus, der herhalten mußte für die Begründung. So mochte es scheinen, daß dieser inkriminierte Begriff eine gute Weile lang als Kürzel für alles Zukunftsträchtige und Humane stand.5

Gymnasiale Vielfalt Belassen wir es bei diesem Streiflicht auf drei wichtige Gymnasien im Lande. Es sproß auch allenthalben in der Umgebung. Grünberg und Freystadt, Frankenstein und Hirschberg, Münsterberg und Jauer, Schweidnitz und Striegau, Liegnitz und Strehlau, Pitschau, Oels und Schwiebus besaßen teilweise schon vor der Reformation und dann das 16. Jahrhundert über Schulen, an denen durchaus angesehene Gelehrte tätig waren. In unmittelbarer Nachbarschaft in der Lausitz entstand 1565 das berühmte Görlitzer Gymnasium. Auf katholischer Seite war noch zu Ende des 16. Jahrhunderts der Einbruch im böhmischen Glatz gelungen, das 1597 ein Jesuitenkonvikt mit Gymnasium erhielt, welches jedoch in der böhmischen Revolution 1618/19 schließen mußte. Ansonsten gab es noch zu Beginn des 17. Jahrhunderts kaum katholische Anstalten. Erst nach dem gescheiterten Aufstand etablierten sich die Jesuiten zunächst im Jahre 1624 in Neisse. 1625 kam Glogau hinzu, 1627 Troppau, 1629 Sagan, Schweidnitz und Hirschberg, 1649 Deutsch-Wartenberg, 1668 Oppeln, 1670 Teschen, 1681 Brieg und 1689 Liegnitz. Dieser Siegeszug war möglich, weil im Zuge der Rekatholisierung auch die mit den Kirchen verbundenen Schulen an den Landesherrn zurückfielen. Von der böhmischen Jesuitenprovinz, die selbst erst 1622 in Prag ins Leben gerufen worden war, wurde die Gegenoffensive planmäßig organisiert. Auch unter diesem Gesichtspunkt war es von einschneidender Bedeutung, daß die Hauptstadt des Landes, daß Breslau seinen religiösen Status zu wahren vermochte und damit auch sein Schulwesen dem begehrlichen Zugriff der katholischen Gegenseite entzogen blieb. Es war eines der am besten ausgebauten im alten deutschen Sprachraum und für die Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien von singulärer Bedeutung.6

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Schulen im Umkreis des Breslauer Bistums Wie anderwärts sind auch in Breslau die ersten Keime des Schulwesens im Umkreis der Kirche, genauer der Residenz des Bischofs auf der Dominsel zu suchen. Das Breslauer Bistumssprengel gehörte zum Gnesener Metropolitansystem, so daß eine natürliche Verbindung zu den gelehrten Studien in Polen bestand. Die Einrichtung von Schulen im Gefolge der Kathedralkirchen und Bischofssitze war ursprünglich auch in Schlesien mit der Auflage verknüpft, das Polnische zu pflegen und gegen das anbrandende Deutsche vor dem Verfall zu bewahren. Die erste zuverlässige Erwähnung der Breslauer Domschule fällt in den Beginn des 13. Jahrhunderts. Ihr stand ein magister scolarum, ein Domscholastikus vor. Grammatik in Gestalt von Fertigkeiten im lateinischen Lesen und Schreiben, Kenntnis der kirchlichen Bekenntnisschriften und der Psalmen, der Disticha Catonis etc., Logik und Naturkunde bildeten hier wie andernorts das Grundgerüst. Der Domschule folgten alsbald die Schulen des Vinzenzstifts der Prämonstratenser und des Sandstifts der Augustiner.7

Die Anfänge des städtischen Schulwesens Dann trat der Rat der Stadt Breslau in Erscheinung und rang dem Bischof bzw. dem Domkapitel 1267 bzw. 1293 die Errichtung der beiden Schulen bei St. Maria Magdalena und St. Elisabeth ab, auf die sich der gelehrte Ruhm Breslaus später vor allem gründen sollte. Zunächst aber figurierten sie schlicht als Unterschulen zur Domschule und waren dem Domscholastikus unterstellt. Nehmen wir die Schule am Kollegiatsstift zum Heiligen Kreuz, die Pfarrschule bei St. Mauritius, sowie die letzte Gründung des Mittelalters, die der Johanniterkommende zu Corporis Christi hinzu, so ergibt sich für das mittelalterliche Breslau die stattliche Zahl von acht schulischen Einrichtungen: einer Kathedralschule, einer Kollegiatschule, dreier Konventual- und dreier Pfarrschulen. Lesen und Schreiben in der deutschen Sprache wurde ebenso wie das Rechnen überall von besonderen Lehrern eingeübt. Infolge der Parochialeinteilung wurde die Elisabethkirche langfristig die Kirche des Patriziats, die Magdalenenkirche die des Bürgertums; das Ansehen ihrer gelehrten Vorhut hier wie dort wurde dadurch keineswegs berührt.

127

128

|  Hochburg des Wissens

Wende in der Reformation Den entscheidenden Einsatz bezeichnet auch in Breslau wiederum die Reformation. Das Patronat lag bis dato bei dem Bischof als dem obersten Kirchenund Schulherrn. Entsprechend sehen wir, wie sich im Zuge der Reformation der Prozeß der Ablösung von der obersten geistlichen Gewalt im Schulwesen nach dem gleichen Muster wiederholt, das auch schon für die Kirchen und die Installation der Pfarrstellen in Anschlag zu bringen war. Im klugen Zusammenspiel zwischen Rat und Bischof ging – gegen den Widerstand des Domkapitels hier wie dort – das Patronat über die beiden fortan führenden Schulen bei St. Elisabeth und St. Maria Magdalena von der geistlichen auf die weltliche Gewalt über und zwar so, daß durch Usurpation der Rechte mit stillschweigender Duldung der betroffenen Seite Fakten geschaffen wurden, die fortan verbindlich blieben. Indem Breslau schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts über zwei große gehobene Bildungsanstalten verfügte, die bereits 1562 bzw. 1643 zu Gymnasien weiterentwickelt wurden, stand die Stadt so gut wie singulär im Reichsverband da, dem sie selbst ja gar nicht angehörte. Für das gelehrte, das kulturelle, das literarische Leben ist diese Duplizität in jeder Hinsicht von gar nicht zu überschätzender Bedeutung geworden, denn sie ermöglichte u. a., daß Eleven gerade von außerhalb der Zutritt zur Stadt und ihren Bildungseinrichtungen ermöglicht wurde, die normalerweise keine Chance gehabt hätten. Einmal in die städtische Korporation aufgenommen, hatten sie teil an den Segnungen des Bildungswesens und des geistigen Lebens in der Kommune, traten in Verbindung mit ihren Repräsentanten und knüpften ein Netz von Kontakten, das der gelehrten Produktion nur zugute kommen konnte. Leben und Werk Martin Opitzens sind dafür das vielleicht berühmteste, keinesfalls aber das einzige Beispiel.8

Gelehrte Profile: Neubesetzung der Rektorate in St. Maria Magdalena und St. Elisabeth Schulgeschichte ist stets und zu einem guten Teil die Geschichte von Personen. Je klarer erkennbar ihr Profil, desto größer in der Regel ihr Beitrag zur substantiellen Ausformung des Ortes, an dem sie wirken. Es darf daher keine falsche Scheu walten, herausragenden Gestalten in wechselnden Folgen ein Wort des Gedenkens zu widmen. So haben wir es im Umkreis der Kirchen gehalten. Und so soll es im Blick auf die Schulen bleiben. Mehr als einem Zufall ist es geschuldet, daß die gleichen Namen gelegentlich hier wie dort figurieren. Der

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Rat hatte alle Hände voll zu tun, für die im Umbruch befindlichen Schulen qualifiziertes Personal zu rekrutieren. So war der Wechsel aus dem kirchlichen in den schulischen Bereich und umgekehrt mehr als einmal das Mittel der Wahl. Dem Beauftragten des Rats für das Schulwesen Wigand von Salza oblag die Besetzung der Stellen. Ambrosius Moibanus stammte aus der Parochie von St. Maria Magdalena. Ihn haben wir bereits kennengelernt. Der junge, aus Breslau gebürtige Mann, zeigte offenkundig Interesse, den schulischen Weg einzuschlagen. Und er war klug genug, selbst die Initiative zu ergreifen. Ausgestattet mit einer Empfehlung des Kanonikers zum Hl. Kreuz Johann Heß begab er sich Ostern 1520 zu dem fast gleichaltrigen Melanchthon nach Wittenberg. Melanchthon hatte Heß soeben seine Declamatiuncula in D. Pauli doctrinam gewidmet. Die Kontakte zwischen Wittenberg und Breslau waren also gefestigt. Melanchthons ausdrücklich in einem Brief an Heß niedergelegter Wunsch war es, daß auch in den Breslauer Schulen die Anweisung zur Dicht- und Redekunst sowie die Einführung von Deklamationen ihren festen Platz erhielten. Das war gesagt mit Blick auf Moibanus, der dafür der richtige Mann schien. Sogar eine Empfehlung gab der weitsichtige ›Praeceptor Germaniae‹ dem Gast mit auf den Weg. Möge er sich doch für sein Amt rüsten durch Abfassung eines Buches über die Natur des Menschen. Darüber sei hierzulande in der neuen humanistischen Manier noch nichts Rechtes zu lesen. Die scholastische Kost reiche nicht länger hin und bedürfe dringend einer Revision. Melanchthon schien nicht weniger im Auge zu haben als das, was Pica della Mirandola in einem alsbald Berühmtheit erlangenden Traktat Über die Würde des Menschen entwickelt hatte. Seine Meinung von Moibanus muß eine überaus positive gewesen sein. Schon ein Jahr später lag aus der Feder des Moibanus eine Paedia artis grammaticae für die ihm anvertraute Jugend vor. Verständlichkeit ist das oberste Gebot, unter dem das Lehrbuch steht. Alle Definitionen, Erklärungen und Regeln sind kurz und klar. Kein Geringerer als Laurentius Corvinus unterstützte das Unternehmen, indem er es mit einem empfehlenden Epigramm und einem weiteren Distichon schmückte. Das Buch wurde ein Erfolg und erlebte schon im nächsten Jahr eine erweiterte Auflage. Dieser hängte Moibanus einen ›Libellus‹ des Erasmus an, von dem er schon wenig früher der schulischen Jugend eine Auslese aus den Briefen des berühmten Humanisten zubereitet hatte. Und so fügte es sich überzeugend, daß es Moibanus vorbehalten war, als erster das Griechische in Breslau zu lehren. Sein Wirken als Schulmann freilich blieb eine Episode. Alsbald wechselte er herüber in das theologische Fach und als Prediger von St. Maria Magdalena

129

130

|  Hochburg des Wissens

lernten wir ihn bereits kennen. Seine Nachfolge als Rektor trat Antonius Niger aus Breslau an.9 In St. Elisabeth kam Johannes Troger zum Zuge. Dieser hatte nach einem Aufenthalt in Wittenberg seinen Magister im Januar 1521 in Leipzig erworben. Gleich darauf erhielt er den Ruf auf das Rektorat. Wieder hatte sich Melanchthon zu einer Empfehlung herbeigelassen. An Trogers Seite trat wenig später Johannes Metzler. Er hatte in Köln u. a. bei Hermann von dem Busche und dem Engländer Richard Crocus studiert, bevor er mit Crocus zusammen nach Leipzig herüberwechselte. Das Griechische stand im Zentrum seiner Studien. In Bologna erwarb er anschließend den Doktor beider Rechte. In Leipzig hatte er das Glück, der berühmten Disputation zwischen Johannes Eck, Andreas Karlstadt und Luther beiwohnen zu können, bevor er in seiner langjährigen Wirkungsstätte Breslau eintraf. Dort begann er sogleich mit Lektüren im Griechischen. Plutarch wurde als erster durchgenommen. Die Schule agierte also vor der Überführung in ein Gymnasium bereits auf hohem erzieherischem Niveau. Rasch gelang es ihm, auch an der Elisabethschule ein öffentliches Vorlesungswesen zu installieren.10

Öffentliches Vorlesungswesen Auszugehen wie in so vielen anderen Fällen ist auch für Breslau von dem folgenschweren Umstand, daß der Durchbruch zur Schaffung einer Universität unmittelbar vor der Reformation nicht gelungen und in den schweren Zeiten der Reformation nicht nachzuholen war. Das nötigte den Rat im Verbund mit dem gelehrten Personal der Stadt, nach Ersatz Ausschau zu halten. Es galt, an den Schulen, in den Kirchen oder an drittem Ort ein wie auch immer bescheidenes Vorlesungswesen zu organisieren. Nachdem die Versuche, Räume im St. Adalbertkloster dafür zu requirieren, gescheitert waren, setzte man auf die Schule. Johann Heß, der Reformator, hatte damit begonnen, kommentierende Vorlesungen in lateinischer Sprache über den Prediger Salomo zu halten. Vorlesungen über das fünfte Buch Mose und den Propheten Jesaja schlossen sich an. Sie dürften in der Magdalenenkirche abgehalten worden sein. Seine Zielgruppe waren die Pfarrer und die fortgeschrittenen Schüler der beiden Stadtschulen. Später wurden sie ins Lektorium der Kirche verlegt, wo die Bibliothek ihren Platz finden sollte. Hier kamen vor allem die Psalmen zur Sprache – weiterhin auf Lateinisch, um den Polen den Zugang nicht zu versperren. Simon Musäus veranstaltete solche exegetischen Vorlesungen später auch in der Elisabethkirche. Die ›weltlichen‹ humanistischen Themen wurden an den Stadtschulen behandelt.

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Auf die Dauer behauptete sich im Wettkampf schließlich die Elisabethschule; ihr glückte als erster der Sprung zum Gymnasium. Johannes Metzler führte sich, wie erwähnt, mit Plutarch an der Elisabethschule ein. Crato von Crafftheim berichtete später, daß nicht nur Knaben zu Füßen des Meisters saßen, sondern auch erwachsene Männer, darunter Ratsmannen, die sich in der Stadtverwaltung ausgezeichnet hatten. Metzler war sich genauso wie andere namhafte Pädagogen bewußt, was es bedeutete, daß der Rat sich zum Anwalt eines gediegenen, den alten Sprachen die Ehre erweisenden schulischen Unterrichts gemacht hatte, der nun tief in die Stadt selbst hineinwirkte. Die Verhandlung über den griechischen Text des Plutarch erfolgte ausschließlich auf Latein. Am Ende lag eine Übersetzung vor, die zusammen mit anderen Übertragungen auf Empfehlung Melanchthons 1527 bei Johann Setzer in Hagenau erschien. Sie war dem Rat der Stadt Breslau gewidmet. Eine schönere Anerkennung des gemeinsamen Fleißes von Lehrern und Schülern war nicht denkbar. Ermutigt durch den Erfolg, gab nun auch Metzler eine Grammatik des Griechischen heraus, die – geschmückt mit einem griechischen Empfehlungsgedicht aus der Feder von Joachim Camerarius – mehrere Auflagen erlebte.11

Sprachenpolitik Voraussetzung für jedweden qualifizierten Vorlesungsbetrieb war die Anhebung der Sprachkenntnisse nicht nur im Lateinischen, sondern auch im Griechischen und längerfristig darüber hinaus im Hebräischen. Ambrosius Moibanus, für die Verwaltung der Schulen in der Stadt zuständig, machte dies zu seiner Sache. Er hatte 1543 die griechischen Sonntagsevangelien für fortgeschrittene Schüler herausgegeben. Vier Jahre später begann er mit der öffentlichen Behandlung der hebräischen Sprache. Ihm folgte der aus Osnabrück gebürtige Friedrich Staphylus nach, der 1549/50 seine griechischen und hebräischen Vorlesungen in der Elisabethkirche aufnahm. Dank seiner erhaltenen Antrittsrede (1550) sind uns seine Vorstellungen recht genau bekannt. Er zeigt sich in gut humanistischer Manier am meisten beunruhigt durch die Verderbnis der Sprachen, insbesondere der griechischen, deren Reinigung und Wiederherstellung Ziel seiner pädagogischen wie schriftstellerischen Bemühungen ist. Die corruptelae gründen für ihn bereits im Sündenfall. Dieser manifestiert sich linguistisch im Stottern. Der verwirrte und verdorbene Geist verliert die linguistische Kompetenz und der sprachliche Defekt geleitet fort zu einer allgemeinen Verwirrung der Gottesanschauung; Irrlehren, Ketzereien und Streitigkeiten sind im geistlichen Bereich die Folge so wie die

131

132

|  Hochburg des Wissens

Babylonische Sprachverwirrung im weltlichen Streit Krieg und Zerstörung nach sich zieht. Die Korruption der Sprache hat, wie überall im europäischen Humanismus, Konsequenzen in allen Äußerungsformen menschlichen Zusammenlebens. Der humanistische Beitrag der Reinigung und des Rückgangs auf die Ursprachen ist daher allemal ein öffentlichkeitswirksamer, der der weltlichen wie der geistlichen Obrigkeit unmittelbar zugutekommt. Überlebt haben die drei geistlichen Sprachen nach dem Verständnis des Staphylus, indem sie den weltlichen Belangen entzogen und von Gott der Kirche überantwortet wurden. Nach einem ersten (vergeblichen) Anlauf unter Karl dem Großen gebührt in der neueren Zeit Florenz das Verdienst, insbesondere das Griechische erneuert zu haben. Deutschland fand daran jetzt Anschluß. Erläuterungen einer Rede des De­­ mosthenes und eine Erklärung der Psalmen gehörten folglich zum Pensum von Staphylus’ Vorlesungen an der Elisabethkirche. Johann Scholtz folgte ihm mit einer ›Lectio sacra‹ zum Galaterbrief, später mit einer zum Matthäus-Evangelium nach, schließlich trat das Hebräische hinzu. Damit war das Vorlesungswesen ohne Universität in Breslau zum Durchbruch gelangt; noch ein Zacharias Ursinus war sich nicht zu schade, ihm seine Kraft zu widmen.12

Schule und Druckerei in Personalunion Die Nachfolge Trogers an der Schule zu St. Elisabeth trat Andreas Winkler an. Er kam aus dem Mansfeldischen nach Breslau und rückte dort zu einem der umtriebigsten Schulmänner auf. Sein Baccalaureat erwarb er in Krakau, der Erwerb des Magisters in Wittenberg zerschlug sich. In Breslau stieg er in den Schuldienst an der Schule zu Corporis Christi ein, von wo er nach St. Elisabeth herüberwechselte. Johannes Metzler ehrte ihn 1529 durch eine Widmungsadresse seiner griechischen Grammatik. Knapp zehn Jahre später stellte der Rat Winkler eine Urkunde aus, die ihn befugte, eine Druckerei an der Schule zu eröffnen. Zehn Jahre lang, so wurde ihm versichert, werde keine andere Druckerei in der Stadt zugelassen werden. Was mochte ihn qualifiziert haben, nach Konrad Baumgarten, aber noch vor Crispin Scharffenberg zum ersten erfolgreichen Drucker in der Stadt aufzusteigen? Tüchtigkeit in seinem Geschäft muß ihn ausgezeichnet haben. Mitte der vierziger Jahre erhielt er das Recht zugesprochen, die gedruckten Bücher an den Märkten selbst und zwischen ihnen zollfrei ein- und auszuführen und zu verkaufen. Druckaufträge gingen auch von außen ein. So kam via Neisse die bislang in Deutschland nicht gedruckte Grammatik des Pomponius Laetus

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

in Umlauf. Ferdinand I. ließ sich zu einem königlichen Druckprivileg für den Protestanten herbei. Nicht nur Vergil, Horaz und Terenz, sondern auch herausragende zeitgenössische Autoren wie Lorenzo Valla, Jacopo Sannazaro und Marcus Hieronymus Vida verließen seine Presse. Der Einzugsbereich reichte also weit über den schulischen Betrieb hinaus. Aber auch dessen Bedürfnisse wurden befriedigt. Melanchthons Elemente der lateinischen Grammatik druckte Winkler, denen kurze poetische Gebete u. a. von Joachim Camerarius und Euricius Cordus angehängt sind. Auch die Syntax des Melanchthon kam bei Winkler heraus. Weitere Werke zur lateinischen Sprache des Reformators folgten. Selbst an den schwierigen Musikdruck wagte sich Winkler heran, indem er die Noten und Zeichen separat in Holz schneiden ließ. Eine Anthologie ausgewählter Briefe u. a. von Cicero, Plinius und Erasmus widmete er dem jungen Johannes Moibanus. Später legte er die Oden des Horaz vor. Und so in einem fort. Breslau gewann Anschluß an den internationalen Aufschwung des Druckwesens und befestigte damit seine Stellung als Hochburg gediegener Druckwerke im Osten dank des vielseitigen Wirkens von Winkler.13

Erhebung der Elisabethschule zum Gymnasium: Die erste Schule Breslaus in neuem Flor Für die Installation und die theoretische Fundamentierung der humanistischen Studien über das Erlernen der Sprachen hinaus waren die Vorlesungen schwerlich zu überschätzen. Sie traten in ein neues Stadium mit der Überführung der Elisabethschule in ein Gymnasium, in welcher Rolle sie alsbald die Trozendorfsche Einrichtung überflügeln sollte. 1560 wurde die alte Schule abgebrochen und an gleicher Stelle eine neue errichtet. 1562 wurde die schola nova eingeweiht. Dieses Jahr gilt seither allgemein als das Gründungsdatum des Gymnasiums. Gut möglich jedoch, daß es schon früher zu akademischen Würden gekommen war. Zwei Jahre später, im März 1564, besuchte Herzog Georg II. von Brieg die Breslauer Schule persönlich. Gleich darauf legte er den Grundstein für die fürstliche Schule in Brieg, die so rasch an Ansehen gewinnen sollte. Das Breslauer Gymnasium hatte Pate gestanden.14 Johann Christian Kundmann, der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine reichhaltige Geschichte der schlesischen Schulen im Spiegel ihres Erscheinens auf schlesischen Münzen vorlegte, hat über die feierliche Zeremonie berichtet. Von dem neuen, nunmehr aus Steinen und Ziegeln errichteten Schulgebäude heißt es da zunächst: »Oben auf der Elisabethanischen [Schule] stehen 9 Giebel

133

134

|  Hochburg des Wissens

nebst einem Thürmel, so die neun Musen mit dem Apolline andeuten sollen. So viel Giebel auch auf dem Briegischen Schul=Gebäue sich befinden, und eben diese Deutung haben sollen. Jn diesen Giebeln wohnen die Chorales, und im Thürmel hanget das Glöcklein, mit welchem das Zeichen gegeben wird, wenn Discentes [Schulstunden] kommen, oder abgehen sollen. Uber dem Eingange ist folgende Inscription mit goldenen Buchstaben zulesen: D. O. M. S. Initium Sapientiae Est Timor Domini; Sapientiam Vero Et Eruditionem Stulti Aspernantur.

Die Zeremonie anläßlich der Überführung der städtischen Lateinschule bei St. Elisabeth in ein Gymnasium vollzog sich nach Kundmann wie folgt: »Diese [Schule] wurde An. 1562. den 29 Jan. zu einem Gymnasio declariret, mit folgenden Solennitaeten. Früh morgends führeten die Praeceptores die Schüler aus dem Pfarr=Hofe, woselbst so lange, als der Bau gedauret, Schule gehalten worden, in die nahgelegene Kirche; allwo das Te Deum laudamus angestimmet und darzu georgelt worden. Darauf hielt ein Schüler eine Rede von der Kinder=Zucht, und die Begleitung in die neue Schule geschahe mit Singen und Schalmeyen; woselbst man eine teutsche Comoedie von Abel und Cain, und aus dem Terentio eine lateinische (wie übel sich auch diese zusammen gereimet) aufgeführet. Auf welche Inanguration [!] der berühmte Martin Hoffmann ein wohlgerathenes lateinisches Carmen zu Ehren des Magistrats und der Bürgerschafft verfertiget.« Hand in Hand mit dieser Anhebung der Elisabethschule zum Gymnasium ging die allmählich sich herausbildende Anschauung, daß die Magdalenenschule fortan den Status einer Unterschule zu St. Elisabeth einnehme. Die großen Gelehrten wie Jakob Monau, Andreas Calagius, Johannes von Hoeckelshoven wechselten folgerichtig vor dem Universitätsbesuch alle vom Magdaleneum zum Elisabethanum herüber; die Prima war hier attraktiver ausgestaltet als dort. Doch diese Regel galt nur für eine Weile. Die Schule bei St. Maria Magdalena holte rasch auf. Und als im neuen Jahrhundert ebenfalls die Aufwertung zu einem Gymnasium erfolgt war, hatten beide Institute bereits vielfach gleichgezogen. Der Stadt aber blieb der Ruhm, gleich zwei angesehene Gymnasien in ihren Mauern zu beherbergen.15

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Die Gestalt des Petrus Vincentius In ein wiederum neues Stadium traten beide Anstalten wie das Breslauer Schulwesen insgesamt mit dem Auftreten des Petrus Vincentius. Der gebürtige Breslauer hatte in Wittenberg studiert, wo er nach Zwischenstationen in Nürnberg und Leipzig 1543 zum Magister promoviert wurde und mit Luther, vor allem aber wiederum mit Melanchthon in enge Verbindung trat. An der neu gegründeten Universität in Greifswald übernahm er die Professur für bonae litterae mit Schwerpunkt im Griechischen. 1549 wechselte er auf das berühmte Katharineum in Lübeck hinüber, wo er zum Rektor aufstieg.16 Er beging die neue Würde mit einer berühmt gewordenen Elegie zum Lob der Stadt Lübeck vor Senat und Volk. Eine weitere zum Kardinalthema der Humanisten, der Frage des wahren Adels, schloß sich an. Als Begleiter des Lübecker Bürgermeisters Hermann Falke wurde er in England Zeuge der erregenden Ereignisse um die Thronnachfolge Eduards VI., die ihn zu einer Darstellung der englischen Geschichte veranlaßten. Dann kehrte er an die Universität nach Wittenberg als Professor für Poetik und Rhetorik zurück. Er war durch und durch Melanchthonianer und als solcher prädestiniert für ein Wirken in den beiden konfessionell so sensiblen Territorien wie der Lausitz und Schlesien. Als in Görlitz drei Jahre nach der Breslauer und ein Jahr nach der Brieger Schöpfung das alsbald zu hohem Ansehen gelangende Gymnasium gegründet wurde, gab es keinen Geeigneteren und Qualifizierteren als Vincentius. Mit einem Lob auf die Stadt und einer Ordnung für die Schule, alsbald bei dem aus Leipzig nach Görlitz geholten Ambrosius Fritsch gedruckt, führte er sich ein. 1569 erfüllte sich sein Lebenswunsch: Er wurde als Rektor an das Elisabethgymnasium und als Inspektor der übrigen Schulen nach Breslau in seine Heimatstadt gerufen. Seine Antrittsrede blieb erstaunlicherweise ungedruckt. Der Rat beauftragte ihn sogleich mit der Abfassung einer deutschsprachigen Schulordnung, schon ein Jahr später lag sie gedruckt vor.17 Einen Schwerpunkt bildeten naturgemäß die alten Sprachen, insonderheit das Griechische, an Poeten wie Rhetoren gleichermaßen eingeübt. Die Vorlesungen, zumeist biblische Exegesen, fanden nun im Auditorium über der Sakristei statt und waren zur Pflicht geworden. Sie waren für die Elisabethaner und Magdalenäer gleichermaßen gedacht, selbstverständlich wurden sie aber auch weiterhin am Magdaleneum angeboten. Mit der Schulordnung des Petrus Vincentius hatte sich das Melanchthonsche Modell in Breslau uneingeschränkt durchgesetzt. Sie galt allgemein als

135

136

|  Hochburg des Wissens

eine der bedeutendsten Ordnungen, die das so gründungsfreudige 16. Jahrhundert hervorgebracht hat. Sie blieb fast 50 Jahre bis zur große Krise 1619/20 in Geltung, geriet freilich zunehmend unter den Druck des Konfessionalismus, der das Melanchthonsche Erbe schließlich zerrüttete. Es sind dies zugleich die ersten großen fünfzig Jahre der schlesischen Literaturgeschichte, denen wir uns sogleich zuzuwenden haben.

Kulmination um 1600 Eng verbunden mit den Breslauer Jahren des Vincentius war der Humanist Jakob Monau. Tief besorgt sah er die politische wie die kirchliche Krise am Horizont heraufziehen. Sie knüpfte sich für ihn an den Niedergang der gelehrten Studien, wie er sie angesichts des nahenden Endes von Vincentius befürchtete. Doch der große Gelehrte irrte sich. Beide Anstalten erblühten ungeachtet des sich unaufhörlich zuspitzenden Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten, dem Habsburger Kaiserhaus und den böhmischen Ständen. Inmitten der entfachten Gluten waren es schließlich nicht zuletzt die gelehrten Institutionen in Stadt und Land, in denen die Fackel der Humaniora und damit eines auf Ausgleich zielenden Glaubenslebens leuchtete. Wie in der Geschichte der Kirchen bezeichnen die Jahrzehnte um 1600 auch in der der gymnasialen Schulen und den ihnen vergleichbaren Einrichtungen eine Zeit der Blüte. Wenn irgendwo, so fand der schlesische Späthumanismus an diesen Orten die institutionellen Stützen und Haftpunkte seines kaum vorstellbaren fruchtbaren Wirkens.18 Verbleiben wir zunächst im Umkreis des Elisabethgymnasiums. 1575 verstarb Andreas Winkler, 1581 Vincentius. Die Stafette ging über auf Nikolaus Steinberg, der zugleich als Schulinspektor fungierte. ›Carissimus et optimus praeceptor‹ war er von keinem Geringeren als Zacharias Ursinus tituliert worden. Da Ursinus nur in den Jahren zwischen 1558 und 1560 in Breslau lehrte und hernach die Stadt verließ und gen Heidelberg strebte, dürfte Steinberg erst nach 1560 sein Studium in Wittenberg aufgenommen haben. Seit 1566 wirkte er am Elisabeth­g ymnasium, wechselte dann jedoch für einige Jahre als Nachfolger Martin Helwigs zur Schule bei St. Maria Magdalena herüber.19 Im Mai 1577 kam Rudolf II. zur Erbhuldigung nach Breslau. An den Bauwerken der Stadt las man überall lateinische Verse, die das Lob des Kaisers verkündeten. Die meisten rührten her von Steinberg, der sie eigens in einer Porta Augusta vereinigte und von dem Kaiser mit dem Dichterlorbeer belohnt wurde. Er scheint der erste gekrönte Dichter in den Mauern Breslaus gewesen

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

zu sein. Ein Jahr später kehrte er an das Elisabethgymnasium als Nachfolger des Vincentius zurück. Fortan trat er unermüdlich mit poetischen Gelegenheitsarbeiten hervor. Auch ist interessanterweise eine poetische Bearbeitung des auf Aristoteles zurückgehenden Diktums ›Adel ist Tüchtigkeit des Geschlechts‹ aus seiner Feder bekannt. In die Schulgeschichte im engeren Sinn ging er ein durch seinen Einsatz für eine Verankerung der Naturwissenschaften im Lehrprogramm. Petrus Kirstenius folgte ihm nach. Aber auch Elias Major bekennt sich im neuen Jahrhundert noch als sein Schüler.

Das Magdaleneum auf dem Zenit: Helwig, Pridmann und Hoeckelshoven Wechseln wir jedoch zunächst herüber zur Schwesteranstalt bei St. Maria Magdalena. Es ist unverkennbar, daß sich dort für eine Weile das gelehrte Leben merklich konzentrierte. Der schmuckvolle Titel ›Gymnasium‹ ließ freilich weiter auf sich warten. Es sollte fast noch ein Jahrhundert währen, bis die Schule sich mit ihm zieren konnte.

Martin Helwig Im Magdaleneum war Martin Helwig im September 1552 als Rektor eingeführt worden, über dessen berühmtes Kartenwerk an späterer Stelle zu sprechen sein wird. Er hatte seine Ausbildung in Krakau erhalten, wo er seine mathematischastronomischen Kenntnisse erwarb, die ihm alsbald so sehr zugutekommen sollten. Die Schule bei St. Maria Magdalena verdankte ihm die zahlreichen lateinischen Inschriften in Vers und Prosa, die die große Schulstube zierten.20 Auch Helwig beteiligte sich lebhaft an der mündlichen und schriftlichen Adaptation des Lateinischen und Griechischen im schulischen Unterricht. Hätte er freilich nicht ihm treu ergebene Schüler gehabt, so wäre das meiste ungedruckt geblieben und vermutlich dem Untergang geweiht gewesen. Der große Pädagoge scheint es vermieden zu haben, Aufhebens von sich zu machen. Er pflegte seinen lateinischen Unterricht auf der Basis des Donatus und der Elementa des Melanchthon in kurzen Zusammenfassungen vorzutragen und zu diktieren. Er brachte diese Extrakte gelegentlich auch zum Druck, doch haben sich Exemplare, die zu seinen Lebzeiten erschienen, nicht erhalten. Erst 1585 erschien eine lateinische Grammatik mit seinen Beigaben, deren Herausgeber selbst nicht hervortrat. Sie wurde ein Erfolg und von seinem Schüler Johannes von Hoeckelshoven im neuen Jahrhundert fortgeschrieben.

137

138

|  Hochburg des Wissens

1588 folgte eine Syntaxis minor mit angehängten ›Figurae Syntaxeos octo‹. Wieder fehlten der Name des Verfassers und des Herausgebers. Ein weiterer berühmter Schüler Helwigs, Andreas Calagius, hatte sich in Pietät der Aufgabe gewidmet. Das wissen wir aus einer Widmung, die Calagius einem anderen Werk Helwigs voranstellte, das er gleichfalls aus dem Nachlaß dreißig Jahre nach dem Tod des verehrten Lehrers herausgab. 1608 erschienen, betreut von Calagius, die Argumenta zu den sämtlichen Komödien des Terenz, die Helwig in jambischen Versen verfaßt hatte. In der Widmung an den Leibarzt des Herzogs Karl II. von Münsterberg-Oels Abraham Sandeck, führt Calagius aus, daß er nach dem Specimen Syntaxeos exemplaris nun die Periochen zu Terenz herausgebe, die er selbst im Unterricht von Helwig nachgeschrieben und von denen er teilweise aus anderen Quellen Kenntnis erhalten habe. Da formte sich unversehens posthum das Bild eines fruchtbaren Autors heraus. Nimmt man hinzu, daß Johannes von Hoeckelshoven im gleichen Jahr die Captivi des Plautus herausgab und wiederum in der Vorrede bekannte, daß auch Helwig gelegentlich von Terenz zu Plautus herübergewechselt sei, so wird eine akademische Sukzession erkennbar, die sich mit den Namen Helwigs verbindet. Helwig beteiligte sich auch an der Pflege des Griechischen in der Schule bei St. Maria Magdalena. Bezeugt sind darüber hinaus seine lateinischen GnomenSammlungen, die er selbst noch 1565 samt deutscher Übersetzung herausgeben konnte. Hier vereinigte er religiöse Stücke, Gesänge und Gebete für die Schüler. Das Buch erfreute sich großer Beliebtheit und wurde immer wieder aufgelegt. 1587 kam nach seinem Tod eine Ethica Puerorum heraus, der wiederum Gebete zum Aufstehen und Schlafengehen beigegeben waren. So wirkte Helwig in die Breslauer Gemeinde hinein, Frömmigkeit und gelehrte Studien überzeugend vereinend. Wie Jakob Monau bekannte sich auch Calagius in Verehrung zu seinem Lehrer. Ihm verdanke er mehr als seinen Eltern, so ließ er sich in der Widmung an Abraham Sandeck vernehmen. Das Erbe eines offensichtlich begnadeten Lehrers wirkte fort, der alles daran setzte, der Schule bei St. Maria Magdalena jenen wissenschaftlichen Rang zu sichern, der die erste Schule vor Ort in der benachbarten Elisabethkirche auszeichnete.

Kaspar Pridmann Als Helwig 1574 starb, bewarb sich Kaspar Pridmann auf die Stelle. Nach einigen Umwegen fiel sie ihm 1578 zu. Er hatte in Wien studiert und trat schon dort wie später wiederholt als lateinischer Dichter hervor. Er gehört in die Reihe der fruchtbaren neulateinischen Schäferdichter des 16. Jahrhunderts. Gleich mehrere

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Eklogen sind von ihm bezeugt, darunter eine an Ferdinand I. anläßlich der Übernahme des Kaisertitels nach dem Tod seines Bruders Karl V. im Jahr 1558.21 Esaias Heidenreich führte ihn feierlich in seinem neuen Amt ein. In der Schule nahm der gediegene, griechische wie lateinische Autoren gleichermaßen berücksichtigende Unterricht seinen Fortgang. In ihm, so eine zeitgenössische Äußerung aus dem Jahr 1597, »werden uns praecepta grammaticae graecae und latinae vorgelesen, und zu derselben Erklerung braucht man auch gute autores, als Homerum, Hesiodum, Isocratem, Virgilium, Ciceronem, Terentium und dergleichen. Es werden auch darneben denen, die zu höherem Verstande kommen, initia Dialecticae et Rhetoricae, auch andere artes und scientiae erkleret. Exercitia styli haben wir wochentlich in soluta et ligata oratione, in welchen auch oft den Erwachsenen zum Grichisch Vertiren Anleitung gegeben wird.«22

Johannes von Hoeckelshoven Mit seinem zeitweiligen Kollegen und Nachfolger Johannes von Hoeckelshoven kommen wir bereits zu der Generation der Lehrer von Opitz und seinen Freunden. Überzeugten Herzens bekannte auch er sich zu seinem großen Lehrer, dessen einstige Stelle einzunehmen er sich nun anschickte. Mit ihm wußte er, »daß die Jugend mit kurzen und klaren Lehren zuerst in das Vorzimmer der lateinischen Sprache hineingebracht, dann aber, sobald sie die gebräuchlichen und gewöhnlichen Lehren des lateinischen Ausdrucks gelernt hätte, in den Innenraum derselben durch die Lektüre der auserwähltesten Autoren eingeführt werden müsse. ›Daß dieser Weg zur Erlangung des notwendigen Rüstzeuges der lateinischen Sprache der vorteilhafteste ist, darüber bin ich von meinem einstigen Lehrer und Vorgänger Martin Helwig aus Neiße belehrt worden, der durch sehr kurze etymologische und syntaktische Lehren zuerst den jungen Leuten eine gewisse Probe dieser Sprache darbot, bald aber, sobald er sah, daß sich die Urteilskraft einstellte, ihren Geist mit dem vollen Safte der Latinität vermittelst sehr sorgfältiger Erläuterung der besten Autoren durchtränkte, ja, vollkommen sättigte.‹«23 Johannes von Hoeckelshoven wurde 1557 in Breslau als Sohn des aus Köln eingewanderten Buchbinders Hans Huckelshafen geboren. Er hatte das Glück, das Magdaleneum unter Helwig und das Elisabethanum unter Steinberg besuchen zu können. Dann ging er zum Studium in das nachlutherische und nachmelanchthonsche Wittenberg, wo er 1588 zum Magister promoviert wurde. Als Calagius 1591 aus seiner Stellung bei St. Maria Magdalena entlassen wurde, rückte Hoeckelshoven nach. Wie üblich lief die dichterische Tätigkeit kontinuierlich

139

140

|  Hochburg des Wissens

neben der schulischen her. Als 1594 der berühmte Garten des Dr. Lorenz Scholtz zu besingen war, beteiligte er sich ebenso wie sein Vorgänger Pridmann. Kurz vor der Jahrhundertwende, ein Jahr nach der Geburt Opitzens, übernahm er im Jahr 1598 das Amt des Rektors. Fünf ehemalige Schüler gratulierten zu dem feierlichen Akt, darunter Valentin Senftleben aus Bunzlau, der Lehrer von Opitz. Schon ein Jahr später wurde er das Opfer einer Verdächtigung so wie vor ihm Calagius. Die Atmosphäre war aufgeladen, die Verfolgung der als Kryptocalvinisten inkriminierten Gelehrten, ob Theologen oder Schulmänner, überall im Gange. Doch Hoeckelshoven durfte sich der Unterstützung des Rats versichert halten und vermochte den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Seit der Übernahme des Rektorats zeichnete er als von Hoeckelshoven. Die näheren Umstände seiner Nobilitierung sind nicht bekannt. Eine überaus fruchtbare Schaffensphase fand ihre Fortsetzung nun auch auf dem Felde der amtlichen pädagogischen Obliegenheiten und den aus ihnen hervorgehenden bzw. mit ihnen verbundenen Publikationen. In der Dialektik bot Hoeckelshoven seit 1607 einen Vortrag, in dem es um eine so kardinale Frage wie Anlage, Übereinstimmung und Differenz der dialektischen Lehrbücher von Melanchthon und Petrus Ramus sowie ihrer beider Stellung zu den Vorgaben des Aristoteles ging. Diese Veranstaltung hatte den Zweck, die von auswärts hinzukommenden und mit der Methode des Ramus vertrauten Schüler an die Lehre des Melanchthon heranzuführen und umgekehrt in Breslau das weithin Aufsehen erregende Werk des Ramus bekannt zu machen – mit der Folge, daß die alleinige Stellung Melanchthons erschüttert wurde. Nikolaus Steinberg als Obmann für die Schulen trat denn auch der Neuerung um der Einheitlichkeit der Ausbildung willen alsbald entgegen. Hoeckelshoven indes brauchte sich nicht getroffen zu fühlen. Ihn hatte allein wissenschaftliche Neugierde und also eine Erweiterung des Horizonts geleitet. Von einer Entfremdung im Blick auf Melanchthon konnte keine Rede sein. In seinem Todesjahr 1617 erschien eine Hommage an Melanchthon in Gestalt eines mächtigen, den Charakter eines Vermächtnisses annehmenden Compendium Philippomelanchthonianum bei Georg Baumanns Witwe in Breslau, das er erfüllt von Dankbarkeit dem Breslauer Rat widmete. Zugleich aber erwies er auch seinem alten Lehrer Helwig nochmals Referenz, denn dessen Kompendium legte er seinem eigenen zugrunde. Die Dialektik, aber auch die Logik waren sein Steckenpferd. Schon 1611 hatte er ein eigenes logisches System geschaffen, das in Form einer Systema Logicum in Frankfurt am Main bei Matthäus Becker 1611 zum Druck gelangte. Janus Gruter, Daniel Bucretius, Caspar Cunrad, Friedrich Taubmann und wie die Großen hießen, von denen noch die Rede sein wird,

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

steuerten Ehrengedichte zu dem Werk bei. Ein Jahr später folge ein knapper Auszug, Logica Compendiosa betitelt, mit dem der Autor in den schlesischen Raum zurückkehrte. Das Werk erschien bei Bössemesser in Oels. Auch das weite Gebiet der eben in einer modernen Umgestaltung aufsteigenden praktischen Philosophie bestellte der fruchtbare Lehrer und Autor. Ethik, Ökonomie und Politik umschrieben im weitesten Sinn den Radius eines Faches, das inzwischen auf den Universitäten die besten Köpfe an sich zog. 1604 erschien seine in drei Bücher gegliederte Philosophia practica wiederum in Frankfurt am Main, nun bei Sigmund Latomus. Seine Schüler nutzten sie als Handbuch und Nachschlagewerk für ihre auf der Universität im Fach zu absolvierenden Disputationen. Selbst auf die Naturwissenschaften griff Hoeckelshoven – genau wie Steinberg am Gymnasium St. Elisabeth – aus. Er las eine umfassende Kosmologie, die von den Naturerscheinungen, von dem Sternenhimmel, den Pflanzen, den Tieren, von den Menschen und ihren Ordnungen handelte. Sie gelangte nicht zum Druck. Doch in der Handschriftenabteilung der Breslauer Stadtbibliothek hatte sich aus dem Besitz des Magdaleneums die Nachschrift eines Schülers erhalten (M 1382). Ob sie gerettet werden konnte? Als Hoeckelshoven 1618 starb, war die Trauer in der Stadt groß. Zahlreiche Schüler bekundeten dem Dahingegangenen in mehreren Sammel-Trauerschriften ihre Verehrung. Die schulische Anstalt und ihr Rektor standen auf der Höhe ihres Ansehens und jedem Kundigen mußte deutlich sein, daß auf dem Felde gediegener und weithin sichtbarer gelehrter Arbeit das Magdaleneum keinen Vergleich mehr zu scheuen brauchte.

Ekklesiasten und Schulmänner im Übergang zum neuen Jahrhundert Typisch blieb noch für geraume Zeit die Vertretung von kirchlichen und schulischen Ämtern in Personalunion. Der erste Ekklesiast bei St. Elisabeth, Johann Scholtz d.Ä., hatte neben seinem Predigtamt schon vor Gründung des Gymnasiums Lektionen für die Schüler übernommen. Das Griechische und Rudimente des Hebräischen gelangten zur Verhandlung. Der Blick des Theologen bestimmte die Wahl, die allemal dem Religionsunterricht zugute kam, aber eben auch belegt, wie sehr der reformatorische Umschwung den Umgang mit den alten Sprachen beförderte. Nachfolger Scholtzens wurde Magister Johannes Fleischer.24 Er war gebürtiger Breslauer und hatte noch bei Melanchthon in Wittenberg studiert. Viele Jahre pendelte er zwischen Wittenberg und Breslau hin und her, nahm Vertretungen wahr oder sprang bei Vakanzen am Elisabethanum, aber

141

142

|  Hochburg des Wissens

auch in Goldberg ein. Dort las er über Sprachen und Künste, behandelte die Reden des Demosthenes sowie die Kommentare zu Caesar und widmete sich wiederum auch dem Hebräischen. In Wittenberg deckte er ein breites Gebiet des Wissens lehrend ab, publizierte eine Abhandlung über den Regenbogen und empfahl sich derart als vielfältig verwendungsfähiger Lehrer. 1572 wurde er in dieser Funktion und zugleich als Ekklesiast an das Elisabethanum berufen. Am Elisabethgymnasium lehrte er nebeneinander Griechisch und Latein, Astronomie und Geometrie, Ethik und Theologie. Doch er strebte weiter. 1583 wechselte er als Nachfolger von Lucas Pollio auf das Pfarramt in St. Maria Magdalena herüber, nahm zugleich die Stelle eines Schulinspektors daselbst wahr, kehrte jedoch 1589 als Pfarrer zu St. Elisabeth zurück. Der Rat der Stadt aber verlangte für diese Position die Promotion in der Theologie. Erneut wandte er sich nach Wittenberg. Zusammen mit dem Rektor der schola illustris in Stettin, Konrad Bergius, respondierte er unter Vorsitz David Voits zwecks Erreichung der licentia doctrandi und erwarb noch im gleichen Jahr den theologischen Doktortitel. So konnte er in einem Atemzug zum Pastor und zum Inspektor der Schulen berufen werden. Als er bereits nach vier Jahren starb, schrieb der Kircheninspektor Breslaus Zacharias Hermann das Epitaph für ihn. Der Rat berief daraufhin Magister Johann Scholtz d.J. auf die vakante Stelle.25 Über Wittenberg und Tübingen kam er nach Breslau in der Funktion als Ekklesiast bei St. Elisabeth und Professor der Heiligen Schrift am Gymnasium zurück. Kurz nacheinander hielt er im Herbst 1583 seine erste Predigt in St. Elisabeth und eine lateinische Rede in der Schule. Nach der Versetzung Fleischers ins Pfarramt zu St. Elisabeth wechselte er herüber als Pfarrer zu St. Maria Magdalena. In St. Elisabeth, wir erinnern uns, setzte eine lange Vakanz in der Pfarre in den entscheidenden Jahren zwischen 1593 und 1611 ein. Scholtz nahm nun gleichermaßen Aufgaben als Kircheninspektor wie als Proinspektor der Schulen wahr. In dieser letzteren Funktion führte er Hoeckelshoven als Schulmann bei St. Maria Magdalena und noch 1610 den Rektor zu St. Elisabeth und Schulinspektor Dr. Petrus Kirstenius in Anwesenheit des Hauptmanns und zahlreicher Ratsherren in das gewichtige Amt ein. Auf Befehl des Rates wurde seine Rede ebenso wie die Erwiderung des Kirstenius gedruckt. Und wie üblich schmückte ein Kranz illustrer Namen das zum festlichen Anlaß wohlkomponierte Schriftstück. Was Rang besaß, ließ es sich nicht nehmen, den schon damals berühmten Kollegen zu grüßen und sich derart zu empfehlen. Der Prediger zu St. Maria Magdalena, Zacharias Hermann, der Diakon und später zum wichtigen Zeitzeugen aufsteigende Diarist Nikolaus Pol, der uns inzwischen wohlbekannte Schulmeister Johannes von

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Hoeckelshoven und weitere Lehrer beider Schulen trugen zu der Festschrift bei. Das aber geschah nochmals überwiegend im Latein. Wir stehen am Eingang des neuen Jahrhunderts. Der Name von Kirstenius ist gefallen. Wir beeilen uns, ihm und seinen Nachfolgern näher zu treten.

Wege in das 17. Jahrhundert »Gott wolle geben, daß im Staate die Kriege, Unruhen, der Zwiespalt, der Parteikampf, der Streit, die Ketzereien sich ganz beruhigten, in den Schulen aber das Kreuz und die Qual der Lernenden: die Schlupfwinkel, Ohrfeigen und Sphynxräthsel der Ketzer, die Possen der alten Schüler und endlich alle Eselsbrücken ganz beseitigt und vernichtet, die wahre und reine Religion aber in diesen Schulen auch ferner unversehrt erhalten und allein aus dem Worte Gottes erbaut und befestigt, eine nüchterne und reine Philosophie aus der gesunden Vernunft, nicht aus dem Irrthume der Menschen aufgeführt und bis auf die späte Nachwelt durch die Glaubensgenossen wie durch Canäle fortgeleitet werde.«26 So der Wunsch, mit dem der Rat der Stadt die erlassene Schulordnung aus dem Jahr 1617 beschloß. Ein Jahr später brach der Dreißigjährige Krieg aus. Beherrschend und alle anderen Lebensbereiche überschattend, lag der Zwist der Konfessionen über den Gemütern der Menschen. Wo anders als in Schulen und Universitäten wäre der Ort gewesen, nach Wegen aus der Krise Ausschau zu halten und auf Eintracht hinzuwirken. Um die ›wahre und reine Religion‹ ging es zuerst und zuletzt. Sie aber war gewiß nicht im Kampf um Buchstaben und Lehrsätze zu erfahren. Die Besten wußten es. Angebote versöhnenden Denkens und Glaubens waren auch um 1600 allemal vorhanden und in keinem Landstrich mehr als in Schlesien. Den Alltag aber beherrschten die Querelen und die erregten Aufsehen, begleitet von Kampfgeschrei und Getümmel. Die Schulen blieben nicht verschont, das Krebsgeschwür pflanzte sich in ihren Mauern fort. Die Schulgeschichte Breslaus im 16. Jahrhundert ist aufs engste verknüpft mit der des Humanismus. Viele Namen werden daher sogleich wiederkehren. Vollziehen wir nun den Übergang ins 17. Jahrhundert, so kreuzen sich die Wege über eine lange Zeit mit der Entstehung und Ausbreitung der neuen deutschsprachigen Literatur. Ihr wird unsere besondere Aufmerksamkeit, fokussiert auf Breslau, gelten. Und entsprechend gebietet sich Zurückhaltung im Blick auf Namen und Werke der Schulmänner, sofern sie in das Abenteuer der Begründung einer Schreibweise in humanistischer Manier, nun aber im deutschen Idiom, involviert waren.

143

144

|  Hochburg des Wissens

Straffung der Fäden und Stringenz der Linienführung unter Verweilen bei einigen wenigen Namen bleibt also das Gebot schriftstellerischer Ökonomie. Ein Gewährsmann von der Statur eines Gustav Bauch steht uns fortan nicht mehr zur Verfügung. Für den Duktus der Darstellung bleibt dies nicht ohne Folgen. Um die Schulgeschichte Breslaus im 17. Jahrhundert ist es unvergleichlich viel schlechter bestellt als um das entsprechende Kapitel im Zeitalter der Reformation und ihrer Nachklänge. Erst unter dem Stern großer Namen auf dem Übergang zum 18. Jahrhundert treten wir aus dem Dunkel wieder heraus. Hat Breslau auf dem Felde der Literatur seine große Stunde in eins mit der schlesischen Landschaft insgesamt im 17. Jahrhundert, so prägen die gelehrten Koryphäen nach dem Zeitalter des Humanismus noch einmal auch dasjenige der Aufklärung. Und nun, in der letzten Periode der langen Frühen Neuzeit, treten neue Anstalten hervor, die gleichfalls unsere Aufmerksamkeit beanspruchen dürfen. Eine erhebliche Wegstrecke bleibt zu beschreiten. Auf ihr darf das 17. Jahrhundert nicht fehlen. In gewisser Hinsicht stellt es sich auch in Breslau in seiner Brückenfunktion dar. Impulse aus der humanistischen Ära leben fort. Zugleich machen sich auch im schulischen Alltag erste Versuche geltend, der deutschen Sprache einen weiteren Wirkungsraum zu erobern. Das gymnasiale 17. Jahrhundert – so wenig wie im Blick auf die städtische Literatur unter dem Titel des ›Barock‹ kategorial zu erfassen – bleibt ein Hort der Pflege literarischer Exerzitien jedweder Provenienz. Auch in dieser Hinsicht will es gewürdigt und in seinen Repräsentanten vergegenwärtigt sein.

Rektorale Trias am Elisabethgymnasium: Kirstenius – Sagittarius – Major Mit Nikolaus Steinberg, dem verdienten Schulmann sowie dem zugleich konservativ, strikt lutherisch ausgerichteten Schulinspektor hatten wir das Elisabethanum verlassen. Nun im Übergang zum neuen Jahrhundert und über dessen erste Hälfte hinaus kam eine Trias in leitender Funktion zum Zuge, deren Wirken weit über Breslau hinausstrahlte. Und als am Ende die Stafette von jenen Persönlichkeiten übernommen wurde, die das Gymnasium in das 18. Jahrhundert hinüberführten und im Zeitalter der Aufklärung Nimbus erlangten, da konnte ernsthaft kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die illustre Anstalt genuine Aufgaben der der Bürgerschaft fehlenden Universität dank der ersten Kapazitäten vor Ort wahrnahm.

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Und so bedeutete es weniger eine Konkurrenz als eine lästige Duplizität der Fälle, als die von kaiserlicher Seite betriebene und von den Jesuiten exekutierte Schaffung einer Hochschule in den Mauern der Stadt zumindest zu Teilen Platz griff. Die international im Munde der nobilitas literaria et erudita befindlichen Namen und diskursiven Formationen verblieben allemal im Umkreis des unangefochten die Spitze behauptenden Gymnasiums vor Ort.

Petrus Kirstenius Den Anfang machte Petrus Kirstenius. Er steht bis in die disziplinäre Schwerpunktsetzung hinein so am Übergang zu einem neuen Jahrhundert, wie ein Säkulum später ein anderer Großer. Während jedoch der Name Martin Hankes fest mit demjenigen der Stadt Breslau verbunden blieb, verlor sich die Erinnerung an den anderen großen Sohn der Stadt in dem Maße, wie seine Karriere sich in die Fremde verlagerte und sein Stern in höfischem Glanz zu strahlen begann. Fernab von der Heimat fand er einen neuen, zuweilen spektakulären Wirkungskreis.27 Er war der Sohn eines begüterten Breslauer Kaufmanns. 1577 geboren, nahm er seinen akademischen Werdegang im heimatlichen Elisabethanum. Eher als ein Umweg mochte es erscheinen, daß er nach dem Tod des Vaters in das polnische Posen versetzt wurde, um zum Zwecke kaufmännischer Qualifikation das Polnische zu erlernen. Schon bald kehrte er nach Breslau zurück, um dort auf dem Gymnasium die zeitweilig unterbrochene gelehrte Ausbildung fortzusetzen und schulisch abzuschließen. Die Erlernung der drei alten Sprachen war selbstverständlich. Es sollte jedoch nicht bei ihnen bleiben. In der großen Tradition auch des schlesischen Humanismus stieß Kirstenius alsbald in neue, soeben sich auftuende Kontinente des Wissens und damit der Eloquenz vor. Er begab sich in die akademisch vor den Toren liegenden und von den Schlesiern gerne besuchten Universitäten Leipzig und Jena. Dort wandte er sich der Theologie und der Medizin zu und erwarb in Jena den Magister. Danach gestatteten ihm die immer noch ergiebigen ökonomischen Ressourcen die gelehrte peregrinatio, die wie für wiederum so viele namhafte Schlesier um 1600 zum bleibenden Erlebnis wurde. Nicht Heidelberg und nicht Straßburg, sondern sogleich Basel bildete die erste Station. Und das mit gutem Grund, florierten doch an der berühmten Universität auch die Medizin und die Naturwissenschaften. Schon nach einem Jahr verteidigte Kirstenius im August 1601 dort seine medizinische Dissertation über die Pest. Er aber strebte weiter, hatte Bekanntschaft gemacht mit der philosophischen Koryphäe des im 14. Jahrhundert wirkenden

145

146

|  Hochburg des Wissens

Avicenna. Nun drängte es ihn, den soeben am Himmel auftauchenden großen Lehrer in der arabischen Sprache selbst zu studieren. Die beiden maßgeblichen Philologen Joseph Justus Scaliger und Isaac Casaubon bestärkten ihn in dem nicht alltäglichen Vorsatz. Nur einem auskömmlich Bemittelten war es vergönnt, mit neuem Ziel eine Reise anzutreten, die durch weite Teile Europas führte. Angehörige des Breslauer Patriziats wie der große Büchersammler Thomas Rhediger hatten, inspiriert von humanistischen Interessen (und einer selteneren Passion für Gemälde) eine moderne gelehrte Pilgertour antreten und die Kapazitäten vor Ort, gleichfalls humanistischen Usancen entsprechend, aufsuchen können. Ein Kirstenius trat in ihre Fußstapfen. Nach Italien und Spanien, Frankreich und England im Westen und in das benachbarte Böhmen und Polen führte die Reiseroute. Anläßlich dieses Itinerariums nahm er allenthalben Gelegenheit, die im Lande gesprochenen Sprachen zu erlernen. Das aber nicht aus literarischem Vergnügen oder mit diplomatischen Aspirationen, sondern um der Wissenschaften willen, die mit dem Übergang in das 17. Jahrhundert im Begriff standen, neben dem Lateinischen auch in den heimischen Sprachen traktiert zu werden. Fixpunkt aller Bemühungen aber blieb für Kirstenius das Arabische. Sieben Jahre war er unterwegs, dann kehrte er in die Heimat zurück. In Breslau ließ er sich als Arzt nieder. Rasch sprach es sich herum, welch eine Kapazität sich am Ort angesiedelt hatte. Kirstenius fuhr fort, das Arabische zu betreiben. Nun aber galt es, den Weg zu Druck und Buch zu finden. Eigenhändig zeichnete er arabische Typen, ließ sie ausschneiden und gießen, so daß er 1608 in der Lage war, das erste Buch seiner arabischen Grammatik, Orthographie und Prosodie umfassend, auf den Markt zu bringen. Es handelte sich um einen der frühesten, wenn nicht überhaupt den ersten arabischen Druck in Deutschland, der typographisch nach dem Urteil von Fachleuten keine Wünsche offen ließ. Zwei Fortsetzungen, der Grammatik und der Etymologie gewidmet, schlossen sich an. Hinzutrat die Edition einer Schrift des Avicenna, an dessen Einbürgerung unter gelehrten Kreisen er maßgeblich beteiligt blieb. Ehrungen und Rufe ließen angesichts dieser Großtaten im vergleichsweise jungen orientalischen Metier nicht auf sich warten. 1610 wurde Kirstenius zum Rektor des Elisabethanums und zum Inspektor sämtlicher Breslauer Schulen berufen. Die Stadt hatte eine international wahrgenommene Kapazität an die Spitze ihrer ersten Bildungsanstalt gestellt, und die zehrte von dem Ruhm des renommierten Einzelgängers. Doch den hielt es in den engen akademischen Grenzen nicht lange. Womöglich auch durch Krankheiten gezwungen, legte er seine Ämter nieder und schuf damit doch nur die Voraussetzungen für einen

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

weiteren Aufstieg, der über Breslau hinausführen sollte. Er praktizierte zunächst in Breslau weiter, lehnte den Ruf als Leibarzt bei Erzherzog Karl von Österreich und Angebote Kaiser Ferdinands II. ab. Ganz offenkundig mied er den Übergang in den katholischen Kulturraum. Als er Breslau in Zeiten der Pest jedoch verließ und nach Preußen hinüberwechselte, machte er die Bekanntschaft des schwedischen Kanzlers Oxenstierna. Mit ihm ging er nach Uppsala, wurde königlicher Leibarzt und Professor der Medizin an der dortigen Universität. Die Orientalistik war zurückgetreten, blieb jedoch mit seinem Namen über seinen Tod hinaus verbunden. Ein Enkel von ihm, Michael Kirstenius, führte die akademische Tradition der Familie fort. Inzwischen war das Hamburger Gymnasium gegründet worden, das gleich nach seiner Eröffnung im Jahre 1613 einen steilen Aufstieg nahm, zu einer führenden Institution im deutschen Sprachraum heranwuchs und dazu beitrug, Hamburgs Ruf als Hochburg der Frühaufklärung zu befestigen. Es ersetzte in der Hansestadt die Universität genauso überzeugend wie das Elisabethanum in Breslau. Der jüngere Kirstenius wirkte am Gymnasium illustre Hamburgensis wie sein Großvater in Uppsala als Professor, nun jedoch zunächst für Mathematik, dann für Physik und Poesie. Er war ein vielseitiger und zu diversen Gelegenheiten gerne herangezogener Dichter, vornehmlich im Lateinischen, doch gelegentlich auch im Deutschen. Seine 1651 erschienene Garten-Lust ist ein kleines poetisches Juwel.28 Wir aber sind für einen Moment ausführlicher gewesen als bislang üblich, um anzudeuten, welche Männer von namhaftem Ruf eben auch ein Gymnasium wie das Breslauer zeitweilig an sich zu binden wußte. Dabei konnte durchaus auch der umgekehrte Fall eintreten und eine an der Universität bereits erfolgreich wirkende Persönlichkeit an das städtische Gymnasium berufen werden. Das lehrt der Fall des nach dem Ausscheiden von Kirstenius berufenen Nachfolgers in das Amt des Rektors am Elisabethgymnasium zu Breslau.

Thomas Sagittarius Wir sprechen von Thomas Sagittarius. Er wechselte von der Professur an der Universität auf eine solche am Gymnasium und hätte diese Wende in seiner Karriere gewiß nicht vollzogen, wenn sie sich für ihn mit der Vorstellung verbunden hätte, einen Abstieg zu nehmen. Sagittarius war der Sohn eines Geistlichen in Stendal. Sein Studium absolvierte er in Jena. Dort wurde ihm vom kaiserlichen Pfalzgrafen Nicolaus Reusner der poetische Lorbeer verliehen, ohne daß nähere Beweggründe für diese Ehrung bekannt wären. In Jena erwarb er auch seinen

147

148

|  Hochburg des Wissens

Magister der Philosophie und zwei Jahre später (1599) den Doktor der Rechte. Er verblieb in Jena und setzte seine Karriere daselbst an der Universität fort. 1605 wurde ihm die Professur für griechische Philologie übertragen. Fünf Jahre später wechselte er herüber auf den Lehrstuhl für Logik und Metaphysik. Die akademischen Scheidewände waren noch durchlässig; einem breitgefächerten Studium korrespondierte ein weites Spektrum akademischer Entfaltung und beruflichen Wirkens.29 Dazu paßte der umstandlose Wechsel vom Lehrkörper einer Universität in den eines Gymnasiums, verbunden mit einer weiteren Umpolung des Fachgebiets. Damit kehren wir zu unserem Ausgangspunkt zurück. 1616 erreichte Sagittarius ein Ruf aus Breslau auf das Amt des Rektors am Elisabethgymnasium. Der war offenkundig so attraktiv, daß der Gerufene Jena verließ und in der gelehrten Hochburg Breslau einen beruflichen Neuanfang vollzog. Ob Streitigkeiten an der Jenaer Universität die Entscheidung des Sagittarius beeinflußten, vermögen wir nicht zu beurteilen. Er soll sich gegen die Adaptation der Lehrmethoden des Reformpädagogen Ratke ausgesprochen haben. Für Breslau war sein Kommen mit der Erarbeitung einer neuen Schulordnung verbunden, die er in seiner Funktion als Verantwortlicher für das Breslauer Schulwesen schon ein Jahr nach seiner Amtsübernahme vorlegte. In sie einen Blick zu tun, lohnt sich.30 Die Breslauer Schulordnung von 1570 war auf das eben zum Gymnasium angehobene Elisabethanum gemünzt. Die Schulordnung von 1617 bezog das Magdaleneum mit ein und hielt zudem Sonderbestimmungen für die zweite Schule vor Ort bereit. Der Aufstieg spiegelte sich auch darin. Auf der untersten Stufe, der Sexta, sollte der erste Grund der Frömmigkeit, des Lesens und Schreibens sowie der lateinischen Sprache gelegt werden. Auch das Ziel der Quinta lautete immer noch zunächst, »›ima pietatis et linguarum jacere fundamente, et una manum in scribendo exercere‹«, also in der Glaubenspraxis und den Sprachen die Fundamente zu legen und zugleich die Hand im Schreiben zu üben.31 Genau ausgewiesen sind die einzelnen Stundenanteile für die jeweiligen Lehrgebiete; nichts sollte dem Zufall überlassen bleiben. In der Quarta und der Tertia trat das Lateinische zunehmend in den Vordergrund. Aber nebenher lief weiterhin vor allem das Auswendiglernen von biblischen Texten und des Lutherschen Katechismus; die pietas blieb ein Pfeiler der schulischen Ausrichtung. In der Tertia kam auch das Griechische hinzu, das nun bis in die Prima hinein intensiv gepflegt wurde. Am Schluß stand die Lektüre des griechischen Evangeliums. Darüber hinaus fanden sich u. a. Theognis, Hesiod und Homer auf der Lektüreliste. Selbst im Hebräischen sollten Grundkenntnisse erworben werden. Und natürlich blieben Rhetorik und Dialektik, Moralphilosophie

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

und Geschichte sowie Arithmetik bzw. Mathematik, Musik und die Naturwissenschaften auf dem Plan. Der Prima war als Ziel gegeben: »›Finis est pietatis, linguarum imprimis Latinae, Graecae et Hebreae, ut et artium inferiorum cognitio sobria, morumque et vitae institutio congrua.‹«32 Gleichzeitig wurde vor allem aber in der Sekunda großer Wert auf das Übersetzen ins Deutsche gelegt; die Schulung in der Muttersprache rückte merklich in das Blickfeld. Das 17. Jahrhundert sollte auf allen Gebieten eines der Weichenstellungen auch in diese Richtung werden.

Elias Major Sagittarius blieben nur wenige Jahre, um den Erfolg seiner Bemühungen zu genießen. 1621 starb der 1577 Geborene allzu früh. Nach einer Übergangszeit, in der Michael Poll als Rektor fungierte, kam Elias Major als sein Nachfolger an die Elisabethschule. Ihm waren vier Jahrzehnte fruchtbaren Wirkens vergönnt. Major wuchs im Laufe der Zeit zu einer Institution sui generis heran. Ungezählt sind die an ihn gerichteten poetischen Zuschriften und Widmungsadressen, Lobgedichte und Gratulationen. Er ist als Figur aus dem literarischen Leben der Stadt so wenig fortzudenken wie eine Generation vorher eine Gestalt wie der Stadtphysikus Caspar Cunrad. Mit dem einen und nun gravierenden Unterschied, daß Cunrad im Lateinischen verblieb und als Repräsentant des Späthumanismus verehrt wurde, Major hingegen die Entfaltung der deutschsprachigen Poesie miterlebte und von ihr als wohlwollender Gönner stets freundlich begrüßt wurde. Der Umschwung der Zeiten war allenthalben sichtbar.33 Eine ungewöhnlich lange Lebenszeit war Major vergönnt. Er wurde 1588 in Breslau als Sohn eines Schumachers geboren und starb daselbst hochgeehrt im Jahr 1669. Ob er die Elisabethschule besuchte, ist nicht mit Sicherheit zu erweisen. Ausgestattet mit einem Stipendium seiner Vaterstadt und der Schuhmacherinnung verließ der mittellose Jüngling Breslau im April 1610, um in Wittenberg und Jena vornehmlich Theologie zu studieren. Die Gottesgelehrsamkeit war Fachgebiet der ›kleinen Leute‹, über das ungezählten jungen Menschen der Zugang zum Studium eröffnet wurde. Der Rat wußte offensichtlich, was er an dem strebsamen Zögling hatte. Ein Jahr später verlängerte er das Stipendium für weitere drei Jahre. Dies aber verknüpft mit der Maßgabe, daß der zukünftige Absolvent seine Kenntnisse und Fähigkeiten später einmal in den Dienst seiner Heimatstadt stellen sollte. Neben seinen theologischen und ›artistischen‹ Studien widmete sich der Student in Wittenberg intensiv der Pflege der Musik. Auch gründete er mit Studiengenossen ein ›Collegium

149

150

|  Hochburg des Wissens

declamatorium privatum‹, in dem man allwöchentlich zusammenkam und gemeinsame Übungen veranstaltete. Das mochte fast als ein Vorgriff auf spätere Gepflogenheiten erscheinen. Frischgebacken als Magister nach Breslau zurückgekehrt, wurde Major von dem Rat an das Elisabethgymnasium berufen. Im März 1615 wurde er als ›Collega tertii ordinis‹ eingeführt. Damit begann eine geradlinige Karriere. Bereits im Oktober 1617 wurde er zum ›Collega primi ordinis‹ und zum ›Professor historicarum et oratione‹ befördert. 1626 stieg er zum Prorektor auf. Den krönenden Abschluß bildete das Rektorat, das er seit 1631 für mehr als eine Generation bekleidete. In das gleiche Jahr fiel seine Bekrönung mit dem Dichterlorbeer – eine Auszeichnung, die ein lebhaftes Echo hervorrief. Das Rektorat war traditionell mit dem der Schulaufsicht verknüpft, die Major gleichfalls über Jahrzehnte wahrnahm. So wuchs Major, aus kleinen Verhältnissen stammend, über den klassischen Weg der gelehrten Bildung in eine zentrale Position der Stadt herein. 1618 hatte er Maria Profe geheiratet. Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor. Von den drei überlebenden Söhnen praktizierte der älteste als Jurist, der zweite folgte dem Vater als Konrektor am Elisabethgymnasium nach und der dritte wirkte als Professor der Medizin an der Universität Kiel. Über den Vater war der Weg in akademische Laufbahnen eröffnet worden, den die Kinder dann dankbar ergriffen. Das Wirken von Elias Major aber blieb ganz so, wie der Rat es einst gewünscht hatte, auf den Kreis seiner Heimatstadt beschränkt und erfüllte sich darin. Unermüdlich verfaßte er der Sitte der Zeit entsprechend als Spitzenmann seiner Anstalt gymnasiale Programme, ließ sich zu Ehrbezeugungen herbei und trat gelegentlich als Redner vor die Öffentlichkeit. Der Schwerpunkt seiner Arbeit aber lag auf den alltäglichen schulischen Amtspflichten. Und eben von ihnen legt ein Tagebuch Zeugnis ab, das Major gewissenhaft fast dreißig Jahre lang zwischen 1640 und 1669 führte. Es hat sich leider nicht komplett erhalten, sondern wurde zu Teilen ein Opfer des Zweiten Weltkrieges. Aber es war lange vor dem Kriege von dem ersten Sachkenner und Direktor der Breslauer Stadtbibliothek ausgewertet worden und vermittelt ein reiches, anschauliches Bild. Da wird berichtet, wie sich im Jahre 1641 in die Prima ein Herr mit Degen verirrte, der unauffällig gleich nach Ende der Lektion wieder verschwand. Der Unterricht glich also dem auf der Universität. Es wurden Vorlesungen gehalten und der Herr Professor mochte durchaus den einen oder anderen ›Schüler‹ gelegentlich übersehen. Ansonsten aber füllen Vorkommnisse aus dem weiten Feld der Schulzucht viele Seiten und vermitteln die tröstliche Gewißheit, daß die Lehrerschaft jederzeit vor vergleichbaren Problemen stand.34

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Deklamationen und hohe Literatur im schulischen Alltag Für uns aber sind die Tagebücher und die Mitteilungen über sie aus einem anderen Grund von herausragendem Interesse. Unser Gewährsmann Elias Major berichtet in ihnen wiederholt von öffentlichen Schulactus und dramatischen Aufführungen durch die Schüler des Gymnasiums bzw. auch beider Gymnasien. Die actus scholastici wurden von einem Mitglied des Lehrkörpers entworfen und einstudiert und dienten pädagogischen Zwecken. Übung des Gedächtnisses, Schulung im öffentlichen Sprechen und Vermittlung nützlicher Kenntnisse in aufgelockter Form gehören dazu. Die Schulordnung aus dem Jahr 1643 sah vor, daß monatlich abwechselnd zwischen St. Elisabeth und St. Maria Magdalena agiert wurde. Dem Rat lag so viel daran, daß er sogar die Unkosten für die Einladungen, für die Musik etc. zu erstatten versprach.35 Diese Schulactus bestanden im wesentlichen aus Disputationen und Deklamationen von seiten der Schüler. Gelegentlich wurden einfache szenische Kunstmittel mit eingesetzt. In Christoph Kölers Mayenlust, die im Mai 1642 deklamiert wurde, trat die Blumengöttin Flora in einem blumengeschmückten Kostüm auf, und in Johann Gebhards länderkundlichen Aufführungen trugen die Schüler Gewänder und teilweise auch Waffen, wie sie in den jeweiligen Ländern üblich waren. Auch Gesang und Musik waren beliebt. Ganz verschieden war die Anzahl der Schüler, die sich an den Übungen zu beteiligen hatten; es mochten einige wenige sein, gelegentlich aber auch mehrere Dutzend, ausnahmsweise sogar über hundert. Diese schulischen Spektakel waren öffentlich, und natürlich ließen es sich vor allem die Herren vom Schulamt, aber auch die Honoratioren der Stadt nicht nehmen, hereinzuschauen und sich ein persönliches Bild zu machen. Zu ganz besonderen Tagen wie Jubiläen mußten Hunderte von Einladungen gedruckt werden. Wahrscheinlich, daß im einen oder anderen Fall für die beteiligten Schüler ein Geschenk abfiel. Ganz anders stand es um die dramatischen Aufführungen, wie sie in beiden Schulen üblich waren. Ausführlich berichtet Major über sie, und in mehr als einem Fall bildet er die einzige Quelle. Die Breslauer Gymnasien wetteiferten hier mit den Aufführungen der Jesuiten auf der Kaiserlichen Burg. Die hatten das Schauspiel als Medium religiöser Propaganda wenn nicht entdeckt, so doch souverän in ihre Dienste gestellt. Der Breslauer Rat sah mit Neid, aber auch mit Sorge auf diese professionell gehandhabte Praxis in den Mauern der Stadt, ohne daß er hätte intervenieren können. Die Protestanten mußten reagieren und die Schule war der gegebene Ort der Einstudierung wie der öffentlichen Präsentation unter der Kontrolle des Rates. Dabei gehörte es zu den Reizen

151

152

|  Hochburg des Wissens

gerade dieser schulischen Übung, daß Stücke jüngsten Datums auf die Bühne gebracht wurden, ja, zuweilen mit Blick auf den schulischen Zweck überhaupt erst geschrieben wurden. Die Geschichte der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts sähe anders aus, wenn es die beiden Breslauer Gymnasien nicht gegeben hätte, die noch den Berühmtesten unter den Dichtern ein Forum der Aufführung boten. Ihre große Zeit fiel genau in jene von Elias Major. Bevor eine Aufführung anberaumt werden konnte, mußte die Erlaubnis des Rats zu dem jeweiligen Titel eingeholt werden. Lag sie vor, konnte man an die Arbeit gehen, und dies mit dem Ziel, ein Publikum für das gewählte Stück zu gewinnen. Die Schüler agierten selbst und durften sicher sein, von dem Eintrittsgeld zu profitieren. Die Zeitverhältnisse spielten massiv hinein. Das Theaterspiel wurde vor allem während der zweiten Hälfte des Dreißigjährigen Krieges für längere Zeit verboten. Auch für die Gattung der Komödie gab es Auflagen. Sie sollten biblischen Stoffen gewidmet sein. Immerhin, Stücke die später zum unverzichtbaren Kanon der deutschen Literatur zumindest in Gestalt von Lesedramen gehören sollten, erlebten ihre Uraufführung auf den Brettern der Breslauer Gymnasien. So kam die Judith von Martin Opitz im Februar 1651, also mehr als zehn Jahre nach seinem Tod, zur Aufführung. Gryphius und Lohenstein waren mit der Mehrzahl ihrer Stücke zuerst im schulischen Repertoire zugegen und in der Regel sollte es dabei bis in die jüngste Zeit hinein sein Bewenden haben. Den Papinian, Cardenio und Celinde, die Rache Gabaon und die Felicitas von Gryphius würdigten die Schüler von St. Elisabeth einer Darbietung. Von Lohenstein sind Aufführungen der Cleopatra, der Agrippina, der Epicharis und der Sophonisbe bezeugt. Auch der letzte in der Breslauer Trias, Johann Christian Hallmann, erlebte hier sein Debüt. Nicht auszudenken, wie es um die Geschichte der dramatischen Literatur im Deutschland des 17. Jahrhunderts bestellt gewesen wäre, wenn das Theaterspiel auf den Brettern der Breslauer Gymnasien nicht ausdrücklich in den Schulordnungen vorgesehen gewesen wäre.

Ehrung eines Schulmanns Es gab genügend Anlässe, dem verdienten Schulmann Dank, Anerkennung und Freundschaft zu bezeugen. Das Gelegenheitsgedicht war das Mittel der Wahl dafür. Es heftete sich an Personen, und wenn das Glück es wollte, entstanden ganze Folgen von poetischen Sträußen, die einen Lebensweg begleiteten und ihn festlich schmückten. In vielen Fällen sind diese ehrerbietigen lyrischen

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Darbietungen die einzige Quelle für Stationen, berufliche Bewandtnisse, persönliche und kollegiale Kontakte im Leben eines Menschen. Der Historiker als Biograph ist allemal dankbar, wenn er diese zumeist unscheinbaren kleinen Stücke verfügbar hat. Aber wie selten wurde von ihnen bislang Gebrauch gemacht. Was die Breslauer Schulgeschichte angeht, so hat nur Gustav Bauch sie immer wieder in seine eben deshalb so anschaulichen Darstellungen einbezogen. Er kannte sich in den Breslauer Sammlungen aus wie kaum ein anderer. Aber er blieb auf die Zeit bis zum Ende des Reformationsjahrhunderts beschränkt. Für das 17. wie das 18. Jahrhundert bleibt eine Fortsetzung seiner Studien aufgetragen. Wir können nur einige wenige und ausgewählte Kapitel streifen. So auch im Falle des Elias Major. Es wäre von Reiz, die Gedichte und ihre Verfasser näher zu betrachten, die sich etwa zu seiner Hochzeit oder zu seinem Dienstjubiläum oder auch zu seinem Begräbnis versammelten. Verharren wir für einen Moment bei seiner Krönung zum Dichter, die genau wie seine Berufung zum Rektor am Elisabethgymnasium in das Jahr 1631 fiel. Die nobilitas literaria von nah und fern war mit einer opulenten Festschrift zur Stelle. Major war eben zu dieser Zeit schon ein bekannter Mann. Man ehrte nicht nur ihn, sondern auch sich selbst, indem man mitwirken durfte an einem festlich-geselligen Akt dieses Rangs. Im nachhinein aber bedarf es nur eines Blicks, um zu gewahren, wer zum auserwählten Kreis gehörte und allzu gerne wüßten wir, wer sich vor Ort verantwortlich wußte, das Bouquet zu binden, denn auch für die Abfolge galten verbindliche Regularien. Vermutlich wurden dem Drucker Baumann in Breslau genaue Anweisungen erteilt. Viele Schriften mit poetischen Huldigungen sind die Jahrzehnte über durch unsere Hände gegangen. Wir können uns nicht erinnern, eine ähnlich aufwendige je gesehen zu haben. Über siebzig Beiträger versammeln sich, um dem gekrönten Schulmann Ehre zu erweisen. Gewiß, darunter sind auch Schüler und dem Gefeierten anderweitig Nahestehende, deren Namen sich verloren haben. Doch viele der Beteiligten sind bekannt und leicht wäre es, kleine Porträts von ihnen zu zeichnen. Nicht nur das geistige Breslau, nein, das geistige Schlesien versammelte sich und das geschah dann eben doch nur ausnahmsweise. Manche der Namen sind uns bereits begegnet bzw. werden uns im folgenden begegnen. So mag es statthaft sein, einige wenige von ihnen Revue passieren zu lassen. Die Schrift, die mit zwölf Quartbogen den Umfang eines kleinen Buches angenommen hat, trägt eine eigene lateinische Widmung. Sie gilt dem ›Capitano‹, den Räten und Senatoren der Stadt Breslau. Elias Major hat sie selbst abgefaßt, er war also in ihre Vorbereitung einbezogen bzw. hat sich nach ihrem Empfang an ihrer Drucklegung beteiligt. Major ist inzwischen gekrönt und unterzeichnet

153

154

|  Hochburg des Wissens

dementsprechend womöglich ein erstes Mal als ›Pöeta Laur. Caes. Gymnasij Patrii Rector & Professor. caeterarumque Scholarum Inspector.‹ Was er zu sagen hat? Nun, er weiß die übermäßige Huldigung, die ihm zuteil wird, als eine den von ihm angesprochenen Spektabilitäten und darüber hinaus dem gesamten Gemeinwesen geltende zu apostrophieren. Dieser allgemeine, dem Vaterland allemal zugute kommende Akt, habe ihn bewogen, einer Veröffentlichung des festlichen Bouquets sein Einverständnis zu erteilen – und das, obgleich mehr als ein Beitrag allzu viel des Lobes enthalte. Der Gepriesene weiß um die Tugend der Bescheidenheit und hat die Namen vieler Autoritäten bereit, die von ihr gekündet haben. Habe er sich aber nun einmal gewisse Verdienste erworben, so alleine dank göttlichen Ratschlusses und göttlicher Gnade. Was immer da zum Ausdruck gebracht worden sei – als Ansporn wolle er es betrachten, dem hohen Anspruch auch inskünftig zu genügen. Hätte der Geehrte seine eigene Festschrift eleganter auf den Weg in die Öffentlichkeit geleiten können? Den Reigen der Zuschriften eröffnet sodann der Kaiserliche Hofgraf, Kursächsische Oberhofprediger und Doktor der Theologie Matthias Hoë von Hoënegg, gefolgt von Zacharias Hermann, gleichfalls Doktor der Theologie, Pastor bei St. Elisabeth und Inspektor der Breslauer Schulen. Der Dritte im Bunde steht in vielen Zuschriften angesichts seines Ranges sonst an erster Stelle, Reinhard Rosa von Rosenigk, Kaiserlicher Pfalzgraf und Herzoglich Liegnitzischer Rat sowie Syndikus der Stadt Breslau. Und so geht es fort. Ein David Rhenisch, Ekklesiast und Professor am Elisabethgymnasium, ein Caspar Cunrad, betagter und seit mehr als einem Menschenalter gefeierter Nestor der Späthumanisten, ein Christoph Schwartzbach, gleichfalls ein noch von Tobias Scultetus gekrönter Dichter, und wie sie heißen, melden sich zu Wort. Sie alle dichten selbstverständlich auf Latein. So haben sie es gelernt, in diesem Idiom fühlen sie sich sicher, im Deutschen würden sie womöglich versagen.36 Um so überraschter sind wir, daß eine unbekannte Größe namens Johannes Fock sich an ein langes Alexandrinergedicht wagt. Und am Schluß stockt der Atem. Wir stoßen zunächst auf vier Distichen von Georg Gloger, sodann auf vier Anagramme, versehen mit einem kurzen Kommentar und einer Reminiszenz von Caspar Barth, der sich noch zwei weitere Male zu Wort meldet und mit einem Chronogramm die Schrift überhaupt beschließt. Uns aber geht es um den zweiten deutschen Beitrag im Anschluß an die vier lateinischen Anagramme. Er ist überschrieben ›Als H[err]. M[agister]. Elias Major Poëta Laureatus worden.‹ Um seinetwegen haben wir Halt gemacht auf unserer Wanderung. Denn das Gedicht trägt am Schluß den Namen eines Dichters, der in der Tat es wagen durfte, zum Deutschen zu greifen und in dem Chor der gelehrten Latinisten

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Ehre und Würde der deutschen Sprache unter Beweis zu stellen: ›von Leipzig vbersendets Paull Flemming.‹

Ein Beitrag Paul Flemings im Breslauer Kontext Ein Juwel in deutscher Sprache hat Aufnahme in das festliche Bouquet gefunden. Aus Leipzig grüßt Fleming nach Breslau herüber. Sein Stern ging eben am poetischen Himmel auf. Wir wissen nicht, ob überhaupt und wenn ja, wo die beiden sich kennengelernt haben. Doch nun trägt neben dem Leipzig verbundenen Caspar Barth eben auch Flemings so früh verstorbener Freund Georg Gloger bei. Gloger stammte aus Schlesien und hielt den Kontakt zu den schlesischen Studenten in Leipzig ebenso aufrecht wie in seine Heimat. So ist es sehr wohl denkbar, daß er den Freund Fleming gewann, an der Festschrift für den Rektor in Breslau mitzuwirken. Ein knappes Jahrzehnt nach der Opitzschen Reform hätte dann auch ein großes deutsches Gedicht von einem Dichter der ersten Garnitur den festlichen Gruß schmücken sollen. Und in Schlesien würde wahrgenommen werden, daß die Musen deutscher Zunge auch in anderen Landstrichen inzwischen heimisch geworden waren. Der Dichter selbst hatte in einem kleinen lateinischen Vorspann die Erinnerung an die Opitzsche Reform hergestellt. In dieser sich eben erst formierenden Tradition deutschsprachigen Dichtens wußte er sich. Ein Alexandrinergedicht hat auch Fleming verfaßt. Damit verband sich stets ein besonderer Anspruch im Blick auf den dichterischen Vorwurf. Der war mit der Krönung zum Dichter gegeben. Eine derartige Ehrung betraf immer beide, den Auserkorenen selbst und den Stand der Poeten generell. Ein jeder mit dem Lorbeer Gekrönte trug bei zum Ruhm der Poesie. Und an deren Feier beteiligte sich ein jeder Dichter gerne. Entsprechend hielt es auch Fleming. Poesie ist verschwistert mit Verewigung. Umwoben von dem Wort des Dichters geht der Bedichtete ein in die Unsterblichkeit. Dieses einzigartige Amt hüten und preisen die Dichter. Doch wissen sie, daß mit jedem gelungenen Gedicht sie selbst sich einschreiben in das Buch der Ewigkeit. Der Name des Gefeierten wie der des zur Feder Greifenden bilden eine Symbiose. Was in Schrift überführt wird, ist umgeben von der Glorie der Dauer. Aller Schrift eignet ein Versprechen auf Unsterblichkeit. Nur einer schriftlichen Verlautbarung aber ist es vorbehalten, sich dem Phoenix aus der Asche gleich unentwegt zu erneuern. In einem jeden Akt des Vernehmens einer von den Musen inspirierten Eingebung vollzieht sich das Wunder einer geistigen, an Vers und Bild und Ton haftenden Reinkarnation. Davon vermochte ein jeder im Geist

155

156

|  Hochburg des Wissens

des Humanismus erzogene Dichter zu künden. Hoch erhoben wußte er sich über das einfache Volk, die plebs. An die Götter heran reichte er mit seinem Vermögen, schöpferisch seinem musischen Amt zu genügen. Die Himmlische Kunst/ durch die wir vnsre Sinnen/

die auch vom Himmel sind/ zu Himmel schwingen künnen/ hoch vber vnsre Grufft; der wahre WiderTod/ der vns nach vns belebt/ vnd machet frisch vnd roth/ wenn wir vorlängst erblasst/ das sind die hohen Gaben/ die von der Poësie ein reger Muth kan haben/ der mehr als Erde liebt; der durch die Zeit sich reisst. durch sie er schon ein Gott/ weil er noch Mensch ist/ heisst. Der klugen Geister Witz der ist hierzu vonnöthen. Der fleiß kan nicht allein’ vns machen zu Poëten. Hier muß das beste thun die günstige Natur/ die vnsre Seelen weist auff eine bessre Spur/ als wo der Pöbel kreucht.

Dann aber wendet sich der Blick zu dem Gefeierten. Er verkörpert in seiner Person und beglaubigt durch sie, was da im allgemeinen lobpreisend von der Dichtkunst und dem Dichter verlautete. Dabei ist es gleichgültig, ob der Angesprochene zu den großen Namen in der Zunft gehört oder nicht. Als im lateinischen Idiom gelegentlich zur Feder greifender Gelehrter ist er nicht anders denn als Sachwalter aller in der Artistenfakultät angesiedelten Künste des Denkens, Redens und Schreibens Repräsentant und Garant dafür, daß den schönen Wissenschaften und Künsten ihr Platz in der Gesellschaft bewahrt bleibt, der Menschheit ein unverzichtbares Gut verfügbar ist, welches sie adelt und zu ihrer Bestimmung geleitet. Dichter zu sein und Gelehrter im Fach der Poetik und Rhetorik, wie dieses gerade auf der Schule seinen festen Platz hat, sind eins, solange wie Humanisten als Sprecher alteuropäischer Geistigkeit ihr Wort in die Wagschale zu werfen haben. Darum darf der Dichter den Schulmann, der so viel Jüngere den Älteren über Raum und Zeit hinweg grüßen, wohl wissend um das geziemende Decorum, zu dem es gehört, daß dem Angesprochenen die ›Hochheit‹ gebührt, die die des Sprechers weit überstrahlt. Vnd jhr seyd auch von diesen/ so sich der Himmelßgunst sehr freundlich hat erwiesen/ vnd sie mit Kunst erfüllt. auch jhr glüht von der glut/

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

die der Poëten Sinn’ allzeit beflammen thut. Wolan/ so nehmt nun hin die jmmergrüne Crone/ die Euch/ Herr Major/ gibt für euren fleiß zu lohne der klugen Schwestern Zunfft. nehmt hin vnd setzt sie auff/ vnd schwingt Euch frewdig hin/ wo der Poëten Hauff ’ vmb jhren Pindus tantzt. die frische Hippocrene fleust reicher/ als zuvor. der breite Platz ist schöne von newem gantz begrünt/ auff dem jhr tichten sollt. Das gantze Himmelßfeld ist Blaw vnd pures Gold. Apollo gibt Euch selbst von Hand zu Hand die Seiten/ die er auff seiner Harff ’ auch führete vor zeiten. Der gantze Helicon ist still’/ vnd höret an/ was dieser newe Gast für schöne Lieder kan/ wie Er so wol besteht. Jch/ der ich weit zurücke von Eurer Hochheit bin/ wüntsch’ Euch zu diesem Glücke/ was mancher wünschet Jhm. Thut/ was Jhr vor gethan/ daß man auch seh/ an Euch/ was ein Poëte kan.37

Die Schule bei St. Maria Magdalena auf dem Weg zum Gymnasium Voller Stolz wiesen die Schulmänner des Magdaleneums, sofern sie sich denn als Historiker ihrer Schule betätigten, darauf hin, daß auch schon vor Erhebung zum Gymnasium eine Reihe später illustrer Persönlichkeiten die Anstalt verlassen und umstandslos den Weg zur Universität eingeschlagen hatte. So ein Johann Birkenhan, der als Propst und Pastor zu St. Bernhardin starb, so ein Esaias Hermann, der das Amt des Seniors bei St. Elisabeth bekleidete, so der berühmte Geschichtsschreiber Senior Nikolaus Pol, so der gekrönte Poet Andreas Calagius und so schließlich auch Johannes von Hoeckelshoven selbst. Es bedurfte keinesfalls des Übertritts in das Elisabethgymnasium, um den Schritt in die akademische Welt zu tun; mit Namen konnte auch die zweite lateinische Schule vor Ort allemal glänzen. Aber nun steuerte sie auf die gymnasialen Würden zu. Und davon ist in Kürze zu berichten. Die letzte vorgymnasiale Phase fällt in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und seine dramatische Vorgeschichte – zwei Ereignisse, die tiefe Spuren auch in der Gelehrtengeschichte hinterließen, blieben sie doch verquickt mit dem konfessionellen Kampf. Für das Lateinische war in der fraglichen Zeit kurz vor der Jahrhundertwende Adam Cureus d.J. zuständig, ein Sohn des an der Magdalenenkirche wirkenden Pastors, der uns als irenisch gestimmter Geist bereits begegnete. Auch diesem

157

158

|  Hochburg des Wissens

blieb es nicht erspart, in die unerquicklichen Verdächtigungen hineingezogen zu werden. Er hatte in den aufgewühlten Zeiten die Unvorsichtigkeit begangen, einen delikaten konfessionellen Streitpunkt zum Gegenstand eines lateinischen Exercitiums zu erheben. Es ging um die Einsetzungsworte zum Abendmahl. Und die paraphrasierte Cureus auslegend und vor seinen Schülern dolmetschend wie folgt: »›Es haben alle redlichen Christen allezeit geglaubt und bekannt, dass im rechten Brauch des heiligen Abendmahls der wahre Leib und das wahre Blut Christi wahrhaftig mit dem Glauben genossen werden. Denn diese Worte: das ist mein Leib, das ist mein Blut – – sind Worte der Verheissung, welche nicht können mit Zähnen gebissen oder mit dem Munde verschlungen werden, sondern müssen mit wahrem Glauben ergriffen werden etc.‹«38 Da artikulierte sich die Stimme der gesunden Menschenvernunft. Die aber hatte für die Lutheraner seit Jahrzehnten einen verdächtigen, sprich calvinistischen Beigeschmack. Realiter würden Leib und Blut in Brot und Wein genossen, keinesfalls nur symbolisch und also ergriffen allein im Glauben. Der arme Cureus hatte wie sein Vater eine Generation früher alle Hände voll zu tun, den Verdacht des Kryptocalvinismus – so lautete die Ursünde, die die Lutheraner da jüngst kreiert hatten – von sich abzuwehren. Der Schulinspektor und Pastor zu St. Elisabeth Dr. Johannes Fleischer – auch ihn lernten wir bereits kennen – kam ihm großmütig entgegen. Die Sache schien glimpflich zu verlaufen. Doch nun nahm sich der Rat ihrer an. Cureus, so die Meinung der Stadtoberen, habe »›etliche gefährliche und ungebräuchliche Lehren der blühenden Jugend und Schülern proponirt, dadurch er wider die alte dieser Kirchen und Schule Lehre, Anordnung und Gebräuche gehandelt‹«.39 Darauf aber stand Amtsenthebung und Stadtverweis. So teilte Cureus das Schicksal, das vorher schon einen Ursinus ereilt hatte. Er ging zunächst nach Liegnitz, von dort nach Wittenberg und schließlich in die Schweiz, wo als Lehre sanktioniert war, was ihm im evangelischen Breslau zum Verhängnis geworden war. Derart unheilgeschwängert nahm sich die Atmosphäre aus, in der die gelehrten Studien vonstatten gingen. Ein falscher Schritt – die Eiferer leckten Blut und waren anklagend zur Stelle. Große Verdienste um das Magdaleneum wie um das Elisabethgymnasium erwarb sich der jüngere David Rhenisch. In den späten neunziger Jahren wurde er Lehrer an der Schule zu St. Maria Magdalena, bevor er später als Ekklesiast und dann als Professor zum Gymnasium an St. Elisabeth herüberwechselte. Aus seiner Zeit an der Magdalenenschule haben sich eine Reihe von Nachschriften erhalten, dieser distinguierten, weil von Anschauung gesättigten Quelle des schulischen Lebens, da es an anderen Zeugnissen des schulischen Alltags häufig mangelt.40

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Noch einmal geht es um die verfänglichen Theologoumena. Da werden etwa von Melanchthon vorgegebene und definierte Begriffe aufgegriffen und einer eingehenden Auslegung gewürdigt. Eine halbe Folio-Seite benötigt der Reformator, um den Begriff ›Deus‹ zu erläutern. Bei Rhenisch werden daraus fast elf engbeschriebene Quartbogen. Weitere Exspectorationen zum trinitarischen Wesen Gottes und also zu Begriffen wie ›Deus aeternus Pater‹, ›Filius‹, ›Spiritus sanctus‹ schließen sich an. Der Unterricht vollzieht sich auf Latein, doch fließen Zitate aus der Heiligen Schrift wie aus den Kirchenvätern und damit griechische und gelegentlich hebräische Wendungen mit ein. Ein linguistisches und ein theologisches Interesse werden also gleichermaßen befriedigt. Ein Jahr vor Ausbruch des Krieges übernahm Magister Michael Poll die Leitung der Anstalt, nachdem Hoeckelshoven infolge eines Schlaganfalls daniederlag. In der kurzen Zeit seines Wirkens, die ihm in den Jahren zwischen 1617 und 1621 vergönnt war, nahm er nicht weniger als 800 Schüler auf. Die Anstalt blühte und erfreute sich hohen Ansehens. Davon zeugen auch die vielen Auswärtigen, die sie besuchten. Nicht nur Liegnitz und Lauban, Hirschberg, Bunzlau und Sprottau, sondern auch Annaberg und Krakau sowie Thorn und Landsberg an der Warthe sind zum Beispiel als Herkunftsorte der Schüler bezeugt. Auch aus dem Gymnasium von St. Elisabeth kamen immer wieder Schüler herüber. Keine Rede konnte davon sein, daß sie hinter der Schwesteranstalt am Rathausplatz und Ring zurückstand.41 Eine schwere Krise für die Fortentwicklung beider gelehrter Anstalten resultierte aus der in den zwanziger wie in den dreißiger Jahren immer wieder auftretenden Pest. Die Schülerzahl ging schlagartig zurück, und auch unter der Lehrerschaft waren Opfer zu beklagen. Die Schweden und die Sachsen hielten die Dominsel besetzt, in der Umgebung Breslaus wurde gekämpft und der tödliche Keim sprang über. Als Magister Heinrich Klose im Jahr 1637 sein Amt als Rektor antrat, fand er ganze sechs Primaner vor. Er hatte vorher bei St. Elisabeth gelehrt und brachte zahlreiche Schüler von dort mit, einige von ihnen bezeichnete er als seine Tischgenossen, andere als seine Privatschüler. In den sechs Jahren bis zum Stichjahr 1643 gelang es ihm noch einmal, an die von Poll erreichten Zahlen heranzukommen. Wiederum sind 800 Einschreibungen über die Matrikel bezeugt. Die Schule erfreute sich in den Jahren vor ihrer Erhebung zum Gymnasium, als die Lage sich in der Stadt für eine Weile beruhigte, noch einmal eines ausgezeichneten Ansehens. Prominente Persönlichkeiten wie der Kirchenliederdichter Johann Heermann schickten ihre Söhne in das Magdaleneum, bevorzugten es also gegenüber dem Elisabethgymnasium. Als die Schule im Jahr

159

160

|  Hochburg des Wissens

1638 einer Renovierung unterzogen wurde, fand sich Herzog Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels persönlich ein, um den Reden und feierlichen Zeremonien beizuwohnen. Auch der Adel verschmähte das schulische Angebot nicht. Die Namen der von Gersdorff, von Hoberg, von Schaffgotsch, von Nostiz, von Nimptsch und wie sie heißen sind aktenkundig.42

Überführung der Schule bei St. Maria Magdalena in ein Gymnasium Schon vor der Elisabethschule war diejenige bei St. Maria Magdalena baulich erneuert worden. An der beschränkten Verfügbarkeit von Räumen änderte sich freilich wenig. Weiterhin standen nur zwei Zimmer für den Unterricht bereit, die sog. große Stube zu ebener Erde und ein ›Stüblein‹ im oberen Stockwerk. Um so mehr waren die Kirchenmänner darauf bedacht, die Schule durch Ausschmückung ansehnlich zu machen. Die um die Schule stehenden Buden wurden in den Anstrich mit einbezogen. Ein Maler entwarf an der Außenwand der Schule einen Kompaß, vermutlich eine Sonnenuhr. In der Schule und außen prangten griechische und lateinische Verse, die Magister Bonaventura Rösler verfertigt hatte, über der Haupttür hatte er eine lateinische Inschrift angebracht. Martin Helwig sorgte selbst für die Ausschmückung der Schulzimmer. Sentenzen in deutscher, lateinischer, griechischer, polnischer und italienischer Sprache waren zugleich Muster der Kalligraphie. Auch die Existenz von Gemälden ist bezeugt. Die Schule selbst aber mußte noch siebzig Jahre warten, bis auch sie in ein Gymnasium überführt wurde.43 Wiederum sind wir in der glücklichen Lage, eine Schilderung der feierlichen Zeremonie aus der Feder von Johann Christian Kundmann zu besitzen, die zeigt, mit welchem Stolz man inmitten des Dreißigjährigen Krieges diesen städtischen Akt vollzog. Als »biß An. 1643. da der 30jährige Krieg viele begütterte Einwohner Schlesiens nach Breßlau gezogen, welches man aus den Geburths= und Todten=Listen […] deutlich wahrnehmen können, und durch ihre Kinder die Zahl der Lernenden sehr zu genommen; so wurde nach allergnädigster Kayserl. Erlaubniß diese Schule auch zu einem Gymnasio inauguriret. Bey dieser Inauguration erschienen am 30 April in obersten Auditorio die Herren Schul=Praesides, […] Ernst Pförtner und der Höllen, Heinrich von Reichel und Schmoltz, D. Iohannes Pein, Ober=Syndicus, und Caspar Kretschmer; wie auch der Schulen Inspectores, Joachimus Fleischerus, Inspector der Kirchen und Schulen, und Pastor zu St. Elisabet, und Elias Major, Rector des Gymnasii daselbst, wie auch die Professores und Collegae des Gymnasii zu St. Elisabet und dieser Schulen, auch sonst viele ansehnliche Zuhörer aus

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

denen Gelehrten und der Bürgerschafft. Gedachter Syndicus trug die Allerhöchsten Kayserl. Erlaubniß und Eines HochEdl. Gestrengen Raths Willen und Meynung vor; und zwar solten die Lectiones mit denen in dem Gymnasio zu St. Elisabet gleich gehalten, und die Auditores Gymnasii Magdalenaei primi ordinis wochentlich einmahl in die Lectionem Theologicam des H. Inspectoris geführet werden. Der damahlige Moderator Scholae, Henricus Closius, Philosophiae Magister und ehmaliger Professor Elisabetanus, wurde zum Rectore, Valentinus Kleinwechterus Phil. M[agister]. zum Pro-Rectore, und Wolfgangus Stirius zu einem neuen Professore Gymnasii ernennet, und zu zwey neuen Collegis Vti Ordinis wurden von St. Elisabet Theodorus Paricius und Davides Scholtzius vociret. Darauf hielt der neue Rector eine Dancksagungs=Rede, so niemals im Druck gesehen.«44 In das gleiche Jahr 1643 und damit in die Amtszeit von Elias Major fiel nun die Veröffentlichung einer neuen Schulordnung, an der er als Rektor des Elisabethgymnasiums wesentlich mitgewirkt haben dürfte. Mit der Überführung der Schule zu St. Maria Magdalena in ein Gymnasium trat eine neue Situation ein. Die Lage in bezug auf den Lehrkörper änderte sich schlagartig zugunsten der neu hinzugekommenen Anstalt. Es konnte zusätzlich ein Professor von auswärts bestellt werden, und zwei Präzeptoren wechselten von St. Elisabeth herüber nach St. Maria Magdalena. So wirkten ab dem Stichjahr am Elisabethgymnasium außer einem Pastor, der theologische Vorlesungen hielt, der Rektor, drei Professoren und acht Präzeptoren; am Magdalenengymnasium der Rektor, zwei Professoren und gleichfalls acht Präzeptoren. Der Gleichstand war also fast erreicht und entsprach damit den tatsächlichen Verhältnissen, denn die effektive Schülerzahl unterschied sich kaum. Die Unterrichtszeit erstreckte sich vormittags auf die Stunden von sieben bis zehn, nachmittags auf die von eins bis drei. Die Geistlichen wurden gebeten, insbesondere in der Mittagszeit, wie bislang üblich, keine Beisetzungen vorzunehmen.45 Mochte also Parität herrschen, so blieb der bauliche Zustand des Magdaleneums beklagenswert. Auch darüber berichtet Kundmann eindringlich. »Da aber zu St. Maria Magdalena bey dem neu bestellten Gymnasio nicht mehr als zwey Zimmer zu Auditoriis waren, so blieb das oberste zu dem ersten Ordine, die fünff andern Ordines aber wurden zwey und zwey, und Secundus Ordo allein, mit bretternen Blancken unterschieden, welches aber nicht verhinderte, daß, weil diese oben offen, man nicht das Lehren der Praeceptorum, und Recitiren der Schüler, über dieses das Geräusper, offtmahls mehr als von 200 Schülern, unter einander solte gehöret haben. Darzu noch kommen, daß weil dieses Gebäude

161

162

|  Hochburg des Wissens

mitten auf der Albrechts=Gasse gelegen, und auf keiner Strassen mehr Carossen fahren, als dieser, daß das Gerassel von Pferden und Wagen, wie auch die offentlichen singenden und mit Paucken und Trompeten und anderer Music gehenden Processiones Catholicorum, offtmahls im Lehren und Zuhören grosse Verhinderungen gebracht.«46 So also sah es aus im schulischen Alltag. Es sollte noch bis in das neue Jahrhundert hinein dauern, bis die zum Gymnasium erkorene Schule bei St. Maria Magdalena über ein neues und der Würde der Anstalt angemessenes Etablissement verfügen konnte.

Die große gymnasiale Zeit im Jahrhundert der Aufklärung Mancherlei aus dem 17. Jahrhundert wäre noch zu berichten. Indes, wir streben dem folgenden Jahrhundert zu, und das im Blick auf die beiden Gymnasien nur noch in rhapsodischer Absicht. Denn beide Anstalten sind nun versehen mit Lehrern, deren Namen sich weit über die Schulgeschichte im engeren Sinn erheben. Sie waren als Fachleute auf ihren Gebieten tätig und teils internationale Koryphäen. Doch sie wirkten vielfach in das kulturelle Leben innerhalb der Stadt hinein und bekleideten Ämter, in denen sie Großes leisteten. Sie begegnen uns also wieder auf unserer weiteren Wanderung durch die gelehrten Körperschaften vor Ort und sollen daselbst in ihrem Wirken gezeigt werden. Hier mag nur der eine oder andere knappe Hinweis seinen Platz haben. Statt dessen muß der gewonnene Raum genutzt werden, um dem Neuen, das sich mit dem Jahrhundert der Aufklärung ganz entschieden verbindet, zu seinem gebührenden Recht zu verhelfen.

Rektorale Sequenz im Elisabethgymnasium Bleiben wir zunächst beim Elisabethgymnasium. Hier folgte auf Elias Major in der Position des Rektors Elias Thomae. Er hatte schlesische und österreichische Wurzeln; die Eltern kamen aus Linz. Sie prägten seinen ungewöhnlichen Lebensgang. Er hatte in Leipzig und Altdorf sein Studium absolviert, bevor er am Gymnasium in Preßburg eine Stelle erhielt. Dies jedoch für eine knapp bemessene Zeit. Thomae wurde Sekretär in der Kaiserlichen Gesandtschaft, besuchte in dieser Funktion mehrere deutsche Höfe und gelangte auch nach Schweden. 1669 wechselte er dann in seine Geburtsstadt Breslau herüber. Dort nahm er am Elisabethgymnasium die Stelle des Rektors wahr, die er bis zu seinem Tod 1687 innehatte.47

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

In seine Amtszeit fiel der Tod des letzten Piastenherzogs. So trat auch er mit einem großen ›Panegyricum in obitum Georgii Wilhelmi, Ducus Silesiae‹ hervor, wie Kundmann und nach ihm Jöcher sich ausdrücken. Der originäre Titel lautet: Raptum Diei Sive Silesiaci Solis festinatum und erschien in Breslau bei Baumanns Erben im Jahr 1676. Die monumentalen Sammelbände zu dem schmerzlichen Ereignis, eröffnet zumeist mit dem ›Castrum Doloris‹, enthalten diesen Titel gelegentlich. Auch zum Tod Lohensteins griff Elias Thomae wieder zur Feder. Er mochte sich zu diesen funeralen Ehrbezeugungen besonders berufen fühlen, war er doch schon 1659 durch Sigmund von Birken zum poeta laureatus gekrönt worden. Breslau besaß also neuerlich eine bekannte Persönlichkeit im Amt des Rektors zu St. Elisabeth.48 Dann ging das Rektorat im Jahr 1688 auf Martin Hanke über, der es bis zu seinem Tod im Jahr 1709 bekleidete. Man wird ihn vielleicht als die bedeutendste gelehrte Gestalt bezeichnen dürfen, welche die Breslauer Gymnasien in der Frühen Neuzeit an sich zu binden vermochten. Das freilich mit der sogleich hinzuzufügenden Einschränkung, daß der Typus des Gelehrten in den drei Jahrhunderten zwischen der Reformation und dem ausklingenden 18. Jahrhundert derart eminenten Wandlungen unterworfen war, daß Vergleiche in bezug auf Rang und wissenschaftliches Profil sich verbieten.49 Wie Kirstenius gehörte Hanke zu den großen Orientalisten. Sein Schwerpunkt lag in der Byzantinistik. Seiner Heimat Schlesien aber diente er als Historiograph und insbesondere als unermüdlicher Personenkundler. In der Nachfolge eines Cunrad und Henel zielte er darauf ab, alle ins öffentliche Leben getretenen Schlesier bis in seine Gegenwart hinein unter diversen Aspekten und in immer neuen Anläufen zu dokumentieren. In späteren Partien unseres Buches wird daher von ihm und seinen Arbeiten die Rede sein. Auf Hanke folgte eine weitere prominente Figur. Viele gelehrte Köpfe hat die einzigartige Rhedigersche Bibliothek, die ja in der Elisabethkirche lange Zeit über aufgestellt war, als Sachwalter ihrer Schätze besessen. Und auch hier gilt mit der allfälligen Einschränkung, daß ihr bedeutendster Repräsentant der langjährige Rektor des Elisabethanums Gottlob Krantz gewesen ist. Er wirkte seit 1687 als Professor für Mathematik daselbst, 1701 übernahm er das Prorektorat, 1709 nach dem Tod Hankes das Rektorat, das er bis in sein Todesjahr 1733 innehatte.50 Wie im Falle Hankes ist zu konstatieren, daß er sich als Wissenschaftler auf einer Reihe von Fachgebieten vor allem in der allgemeinen und der Kirchengeschichte hervortat, daneben aber Vorbildliches in der Erschließung insbesondere der Handschriften der Rhedigeriana leistete. Das war den wenigen Kennern stets gegenwärtig. An die Öffentlichkeit gelangten diese seine Arbeiten jedoch

163

164

|  Hochburg des Wissens

nur ausnahmsweise. Man muß bis heute in die Katakomben der alten Breslauer Stadtbibliothek herabsteigen, wenn man seines monumentalen Werkes ansichtig werden möchte. Eben diesen Schritt werden wir im folgenden Kapitel tun. Christian Stieff hatte schon das Amt des Prorektors und des Rektors nebst dem Bibliotekariat am Gymnasium zu St. Maria Magdalena wahrgenommen, bevor er nach dem Tode von Krantz auf das Rektorat am Elisabethgymnasium herüberwechselte, das ganz offensichtlich immer noch die größere Attraktivität ausübte und die erste Adresse in der Stadt blieb. Im Juli 1734 übernahm er das Amt, das wie bei seinen Vorgängern mit der Aufgabe eines Inspektors über das Breslauer Schulwesen verbunden war. Daniel von Riemer und Riemberg, Kaiserlicher Rat und Obersyndikus der Stadt Breslau, hielt die Einführungsrede, die dem beliebten Thema des Auf- und Niedergangs von Ländern, Städten und Schulen gewidmet war. Auch Christian Stieff beteiligte sich an der Erschließung und Dokumentation vor allem der Schätze des Magdaleneums; wir begegnen ihm folglich wieder.51 Auch Gottlieb Wilhelm Keller, der nach Stieffs Tod 1751 zum Zuge kam, wechselte vom Rektorat am Magdalenengymnasium auf dasjenige am Elisabethgymnasium herüber. Er hatte sich schon daselbst um die Katalogisierung der reichlich über Stiftungen in die Bibliothek gelangenden Handschriften und Bücher verdient gemacht. Am Elisabethgymnasium aber waren ihm nur sechs Jahre des Wirkens vergönnt, so daß sein Name, der uns gleichfalls wieder begegnen wird, vor allem mit dem Magdaleneum verbunden bleibt. Gleichfalls nur kurze Zeit wirkte Christian Gottlieb Habicht als Rektor am Elisabethgymnasium, nachdem er vorher an beiden Gymnasien das Fach Mathematik vertreten hatte. Dann wurde er abgelöst von Johann Kaspar Arletius, auch er Sammler und Bibliothekar von Passion, dem eben deshalb eine eingehende Betrachtung vorbehalten bleiben muß. Mit seinem Geschick und dem des Vaters Kaspar Arletius wiederum ist sodann der Werdegang von Johann Ephraim Scheibel verknüpft. Mit ihm wird die illustre Reihe der Rektoren im 18. Jahrhundert beschlossen und der Übergang in das neue Jahrhundert genommen, das schulisch, bibliothekarisch und kulturell auch für Breslau eines von immensen Umwälzungen sein sollte. Wir werden diese Fluchtlinien anzudeuten haben.52

Das gymnasiale Magdaleneum und sein neues Gebäude Wir blicken noch einmal zum Magdaleneum herüber. Mit einer Dankesrede des vom Moderator zum ersten Rektor der Anstalt herüberwechselnden Heinrich Klose waren die Feierlichkeiten zur Eröffnung des Gymnasiums zu Ende

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

gegangen. Der Wechsel in Nomenklatur und innerer Struktur insbesondere infolge einer Vergrößerung des Lehrkörpers hatte die erwünschten Auswirkungen auf die Zahl der Schüler, die sich eine Weile kontinuierlich erhöhte. Die Gepflogenheit der Redeübungen belebte sich zusehends. Worüber da gehandelt wurde? Nun, das unerschöpfliche Schlesisch-Lausitzische Kabinett der Breslauer Universitätsbibliothek verwahrt die entsprechenden Programme, die sich zu einem großen Teil die Jahrhunderte über erhalten haben, herrührend aus den Beständen der Gymnasien selbst. Da ging es um Nutzen und Notwendigkeit der Redekunst, um die Philosophie als Sterbekunst, um die Beherrschung seiner selbst, die Verbindung von Gelehrsamkeit und Nachruhm, aber auch um Themen wie die Lobsprüche und den Schmuck der griechischen Akademien, die Freude über die Geburt Christi und sein Heranwachsen unter den Menschen, die Epigramme des Claudian etc. Gegenstände des Altertums wie der christlichen Lehre und Tradition kamen ebenso zur Sprache wie landeskundliche Vorwürfe und solche die Stadt Breslau selbst betreffende. Schulischer Lehrstoff aller Zweige wurde überführt in rednerische Praxis, die dem Zentrum humanistischer Ausbildung allemal entgegenkam, der Pflege der Sprache in all ihren Manifestationen.53 Als Klose 1651 starb, wurde der Konrektor Valentin Kleinwächter auf die Stelle berufen, dem Johann Fechner nachfolgte. Der letztere reihte sich ein in die Folge der Breslauer Schulmänner, denen es vergönnt war, ihr Amt mit der Laureatenwürde schmücken zu dürfen. Fechner hatte in Frankfurt an der Oder und in Leipzig studiert. Er ging zunächst nach Löwenberg als Konrektor, fungierte dann in Bautzen als Rektor, bevor er 1661 das Rektorat in Breslau antrat. Da hatte er bereits eine Reihe von Publikationen vorgelegt, die durchweg bei Baumann und seinen Erben in Breslau erschienen waren und gewiß zu dem erfolgten Ruf beitrugen. Kaspar Gottlieb Lindner, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts die literarische Ernte Schlesiens edierend und übersetzend einfuhr, hat sich auch Fechners angenommen und seine lateinischen Gedichte ins Deutsche übertragen. In das Lob seiner schlesischen Heimat schrieb sich der gebürtige Freistädter mit seinen Elysiae sylvae ein, in denen er sich, eine lange Tradition aufnehmend, an der poetischen Vergegenwärtigung des Landes in allen seinen Erscheinungen in Natur und Kultur versuchte. Den Freunden Opitzens und seines Kreises blieb er in Erinnerung mit der Fama posthuma auf den 1658 verstorbenen Kollegen und ersten Opitz-Biographen Christoph Köler.54 Dann tauchte wie ein Komet der Sohn des Andreas Gryphius am gelehrten Himmel Breslaus auf. Schon der Schulhistoriker Kundmann weiß von seinen Meriten zu künden. Fechner folgte 1686 »der berühmte Christian Gryphius den

165

166

|  Hochburg des Wissens

8. Aug. dieses Jahres, da er zuvor Professor bey dem Gymnasio zu St. Elisabet gewesen. Er war ein berühmter Literator, und guter Graecus, und vortrefflicher deutscher Poete, zu Fraustadt gebohren, dessen Vater der nicht minder berühmte Poet und Glogauische Land=Syndicus, Andreas Gryphius, gewesen. Nach Hrn. Advocat Schildbachs Tode wurde er anno 1699. Bibliothecarius bey der Magdelenäischen Kirchen=Bibliothec, und hatte Gelegenheit sich Hrn. Barons von Logau vortreffliche Privat=Bibliothec von raren Büchern, als seiner eigenen, zu gebrauchen.«55 Auch Christian Gryphius gehört ungeachtet aller sonstigen Verdienste also hinein in die Geschichte der bibliophilen Akkulturation Breslaus. Und weit mehr als das. Seine umfassende Gelehrsamkeit machte ihn zu einem der Stammväter der Breslauer Anatomie, die ihrerseits eine museale Komponente kennt, über die zu handeln sein wird.

Feierliche Inbesitznahme des Gymnasiums Die Einweihung des neuen Gebäudes erlebte der jüngere Gryphius nicht mehr. 1706 starb er. Fünf Jahre später war der Einzug in das endlich den schulischen Bedürfnissen genügende Haus zu begehen, das mehr als anderthalb Jahrhunderte seine guten Dienste leisten sollte. Inzwischen war Gottfried Küpfender zum Rektor ernannt worden. Auch dieser aus Oels Gebürtige kam von dem Elisabethgymnsasium an das Magdaleneum herüber und nahm dort seinen Aufstieg über den ›Professor tertius‹ und das Prorektorat zur Spitze. Den Höhepunkt seiner Laufbahn bildete die magistrale Inszenierung der Hausweihe. Kundmann hat es sich nicht nehmen lassen, das Ereignis eingehend zu dokumentieren. Er konnte dabei zurückgreifen auf ein dem Festakt gewidmetes Bouquet, das alle Einzelheiten der sich über Tage hinziehenden Zeremonie festgehalten und sich gleichfalls erhalten hat. Es lohnt sich, einen Blick darein zu tun.56 In einem ›Vorbericht‹ des nicht genannten Redaktors bekundet sich der Stolz auf eine Stadt, die es sich nicht hatte nehmen lassen, seit dem Aufbruch in die neue Zeit, wie ihn Humanismus und Reformation bezeichneten, die Pflege der Gelehrsamkeit und der freien Künste an die oberste Stelle zu rücken. »Gleich wie unser gesambtes Vaterland Schlesien von derjenigen Zeit an/ da die freyen Künste und Wissenschafften in Europa wiederum zu blühen angefangen/ sich um die Fortpflantzung der Gelehrsamkeit eyfrigst bemühet; also hat insonderheit die berühmte Stadt Breßlau weder Sorge noch Kosten gesparet/ denen anderwerts verjagten Musen einen beständigen Sitz zu schaffen. Jn welcher Absicht nicht allein unterschiedliche Teutsche nebst einer Lateinischen Trivial-Schulen/ sondern auch zwey stattliche Gymnasia hier angeleget/ und in denselben

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

durch die wohl=bestellte Information treuer Professorum und Collegarum, die studirende Jugend in Lateinischer/ Grichischer und Hebräischer Sprache/ nebst andern einem jungen Menschen unentbehrlichen Wissenschafften/ auf alle best=ersinnliche Art täglich unterrichtet wird.«57 Die Schule bei St. Maria Magdalena, so der Chronist, sei zwar die weitaus ältere, hinsichtlich Lage und Unterbringung gegenüber der Schule bei St. Elisabeth jedoch im Nachteil gewesen. Der Magistrat der Stadt habe daher seit langem auf Abhilfe gesonnen, doch wollten sich die Umstände nicht fügen. Eine Wende bezeichnete der Übergang der Kaiserkrone auf Joseph I. und die in seine Regierungszeit fallende »verneuerte allerhöchste Religions-Freyheit«, die »viele Christliche Gemüther zu neuem Beytrag vor Kirchen und Schulen aufgemuntert«. Da erinnerte der Berichterstatter also an die Altranstädter Konvention, die soeben verabschiedet worden war, deren segensreiche Wirkungen dem so lange geknebelten Land nun zugute kamen. Stifter und Wohltäter fanden sich – an der Spitze der Kauf- und Handelsmann Johann Kretschmer –, die bereit waren, einem wie eh und je armen Stadtregiment zur Seite zu stehen. Binnen anderthalb Jahren konnte der Bau in einer ›Vollkommenheit‹ errichtet werden, dazu angetan, alle Unannehmlichkeiten der Vergangenheit vergessen zu machen – und das »ohne tödliche Beschädigung eines eintzigen daran arbeitenden Menschen«, was offenkundig die Ausnahme war.58 Alles von Rang und Namen in der Stadt wurde zu der Festivität geladen. Ein Heer von Arrangeuren war mit der Vorbereitung beschäftigt, ganz so, wie bei Hofe spektakuläre Ereignisse ihre Schatten lange vorauswarfen. Die Glocken der Schulen läuteten den Tag in der Frühe ein, die Schüler versammelten sich zum morgendlichen Gebet, der Rektor machte die Runde und entbot Geleit zum Festort. Das ging nicht ohne erhobenen Zeigefinger ab; nahtlos griffen religiöse und politische Ermahnung ineinander. Alle erinnerte er »zu verbindlichstem Dancke gegen GOTT/ gegen die allerhöchste und hohe Obrigkeit/ und gegen den vornehmen Wohltäter/ ermahnete sie zu aller Modestie im Hinüberführen/ und zu Bezeugung neuen Fleisses/ neuer Gottesfurcht/ und tugendhafften Wandels im neuen Gymnasio […] und ließ unter bereitstehender Music das Danck=Lied: Nun preiset alle GOTTES Barmhertzigkeit/ etc. welches von dem sämtlichen Coeru mit lauter Stimme/ nicht ohne innerliche Bewegung/ mitgesungen ward/ anstimmen.«59 Als der Festsaal sich gefüllt hatte, schritten die »Hoch=Edel Gebohrnen Ritter und Herren« herein, der Oberkämmerer Magnus Antonius von Goetz, der Kämmerer Carl Henrich von Haubt, der Kaiserliche Rat und oberste Stadtsyndikus Daniel von Riemer und Riemberg und wie sie hießen. Das Geleit

167

168

|  Hochburg des Wissens

gaben ihnen auserwählte Repräsentanten des Rats; im Saal selbst wurden sie ehrerbietig empfangen, an der Spitze von Hans Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Erst danach trat das ›Collegium Magdaleneum‹ ein und nahm Platz. Pauken und Trompeten intonierten die ›Intrada‹, welche unter dem Motto stand »HERR/ hebe an zu segnen dein Haus«. Dann nahm von Riemer und Riemberg das Wort; später antwortete der Rektor danksagend. Münzen mit den Wappen der Edlen und einer Inschrift mit Bezug auf den festlichen Anlaß gingen als Geschenk an die »Collegia Scholastica und andere Amicos honoratiores«, selbst die Gymnasiasten wurden noch bedacht. Im Schulactus kam man auf diesen Höhepunkt in der Geschichte des Magdaleneums zurück, und der Arrangeur und Zeuge der Festivität versprach deren baldigen Druck. Alles war getan, um Mit- und Nachwelt teilhaben zu lassen an dem gymnasialen Kairos.

Die letzte Phase des Magdaleneums im Alten Reich Blicken wir nun zum Schluß auf das so glanzvoll eröffnete neue Jahrhundert, das Magdaleneum im Auge, so wird konstatiert werden dürfen, daß sich die Hoffnungen nur zum Teil erfüllten, die den Einzug in das neue Gebäude begleiteten. Die Rektoren der Anstalt zogen es schließlich doch immer wieder vor, bei sich bietender Gelegenheit in das Elisabethanum herüberzuwechseln. So hielt es Christian Stieff, der 1717 die Nachfolge von Gottfried Küpfender antrat und 1734 den Übertritt vollzog, so Gottlieb Wilhelm Keller. Unter seiner Leitung feierte das Gymnasium 1743 sein hundertjähriges Bestehen. 1751 folgte er Stieff in die Schwesteranstalt. Und auch Rektor Johann Kaspar Arletius hielt es nur sechs Jahre im Amt am Magdaleneum, 1761 tat auch er es seinen Vorgängern gleich. Nur Christian Weinisch, Rektor zwischen 1751 und 1755, und Ernst Ludwig Böhm, Rektor in den Jahren 1761 und 1762, verblieben auf ihren Posten, ohne sich sonderlich profilieren zu können.60 Das Lateinische war wie seit eh und je der Grundpfeiler des Unterrichts, wie am Elisabethanum aber wurden auch das Griechische und Hebräische gepflegt, beides vor allem im Blick auf das Alte und Neue Testament. Immerhin mehrten sich die Indizien, daß auch dem Deutschen zumindest auf dem Felde der Poesie ein Recht eingeräumt wurde. Katalysator dieser in die Zukunft weisenden Entwicklung blieben auch im Magdaleneum die poetischen Ehrenbezeugungen im Gelegenheitsgedicht und vor allem die dramatischen Aufführungen. Auch im 18. Jahrhundert erfreuten sich exotische politische Stoffe erheblicher Beliebtheit. Da ging es um den Tyrannen Attila, um den hingerichteten Kaiser Konstantinopels Mauritius, aber auch um den Untergang Absaloms und Davids

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Trauer um ihn. Einen Höhepunkt bezeichnete die Ehrung, die Opitz unter der Leitung des Kaspar Arletius anläßlich seines 100. Geburtstages in einem festlichen Schulactus im Jahr 1739 widerfuhr.61 Eine Wende brachte der Übergang in die Preußische Zeit auch für das Magdaleneum. Ihm wurde auf lebhaftes Betreiben des Berliner Ministers für Schlesien, Ernst Wilhelm von Schlabrendorff, ein Realgymnasium angegliedert. Die modernen Sprachen, aber auch Rechnen und Zeichnen, Geschichte und Geographie, Heraldik und Baukunst, Feldmessen und Landwirtschaft etc. verlangten ihr Recht neben den klassischen Humaniora. Nützliche Kenntnisse waren gefragt. Der Minister hatte sich da nur ein Anliegen der Stadtväter zu eigen gemacht. Rektor Johann Christian Leuschner, seit 1762 im Amt, fügte sich schweren Herzens, war doch die Erweiterung dazu angetan, die Parität mit dem Elisabethanum zu gefährden. Das Magdaleneum führte nun den Namen ›Realgymnasium‹. In der Bürgerschaft wurde die Wendung der Dinge lebhaft begrüßt. Wenn dann der Präses des Rats-Kollegiums und des städtischen evangelischen Konsistoriums Albrecht von Sebisch seine bedeutende Gemäldesammlung kurz danach der Schule stiftete, so mochte darin ein Akt der Anerkennung und des Dankes von seiten der Stadt erblickt werden.62 Dem Gymnasium freilich war die Annexion der Realien nicht zuträglich. Kritik wurde laut, daß allzu viel praktischer Lehrstoff in den Unterricht eingedrungen und nicht immer genügend qualifiziertes Lehrpersonal verfügbar sei. Als der letzte Rektor im 18. Jahrhundert, der auch als Dichter, Übersetzer und Historiker hervorgetretene Johann Kaspar Friedrich Manso, der 1790 das Prorektorat und drei Jahre später das Rektorat übernommen hatte, im neuen Jahrhundert kritisch Rückblick hielt, waren die Mißstände unübersehbar. Nach knapp fünfzig Jahren war das Experiment beendet. Es mußte als gescheitert gelten. Für die Realien-Fächer, so die Einsicht der Stadtväter, mußten besondere Anstalten geschaffen werden. Das Magdaleneum aber erhielt seinen alten Namen zurück. Seit 1810 firmierte es wieder als ›Gymnasium‹. Eine neue Ära hob an.63

Eine Trias formt sich heraus: Die Heilig-Geist-Schule bei St. Bernhardin Unsere kleine gymnasiale Revue verfolgt zwei Zwecke. Sie soll die Erinnerung wach halten an Agenturen akademischer Gelehrsamkeit und sie tragende Personen. Zugleich aber geht es uns auch darum, die Voraussetzungen zu schaffen für spätere Ausführungen. Die Gymnasien sind die Springquellen des intellektuellen Lebens in einer Stadt der Frühen Neuzeit. Was an ihnen geschieht, hat Auswirkungen in vielen Bereichen. Das gilt insbesondere für die mit den

169

170

|  Hochburg des Wissens

Gymnasien eng verbundenen Institutionen wie Bibliotheken, Archive und sonstige Sammlungen; es gilt aber genauso für die im akademischen Einzugsbereich liegenden Vereinigungen, gelehrte Gesellschaften, Forschungsinstitute, Lesezirkel etc. In diesem Sinn bildet das Gymnasium eine Matrix für vielerlei Initiativen. Und deshalb erstaunt es, wie wenig Aufmerksamkeit gerade diese gelehrte Anstalt immer noch auf sich zu ziehen vermag. Wir aber, bestrebt, das städtische kulturelle Ensemble im Auge zu behalten, dürfen akzentuierend verfahren. Und das nach Maßgabe dessen, was für das Ganze förderlich ist und in dieses hineinwirkt. Entsprechend wenden wir uns, dem Abschluß dieses dicht gefüllten Kapitels zustrebend, einer dritten Schule zu. Und das wiederum nicht, um den schulischen oder gelehrten Ertrag wie auch immer verknappt zu resümieren. Noch einmal geht es um Personen, die sich über den schulischen Bereich hinaus beteiligten an der Verarbeitung des geistige Erbes, das die Vorfahren hinterlassen hatten und das nach Köpfen und Händen verlangte, die es in die Gegenwart hinüberretteten und wo immer möglich der Zukunft zubereiteten. An solchen hat es gerade in der Schule zum Heiligen Geist bei der Kirche St. Bernhardin nicht gefehlt. Ja, zuweilen waren einzelne Mitglieder ihres Lehrkörpers an der überlieferungsgeschichtlichen Sichtung und Sicherung an vorderster Stelle beteiligt. Eben das ist der Gesichtspunkt, unter dem wir uns in vorbereitender, wenn man so will in propädeutischer Absicht gerade diesem Institut innerhalb der reichen Breslauer Schullandschaft zuwenden.64 »Die dritte Schule der Königl. Haupt=Stadt Breslau, welche 1525 in einen dem H. Evangelio gemässen Zustand, durch die rühmliche Sorgfalt des hiesigen Hochlöbl. Magistrats gesetzt wurde, ist die erstlich und eigentlich bey der Probstey zum heil. Geist gestiftete, und hernach nach Bernhardin in der Neustadt versetzte Trivial=Schule. Jn derselben wurden jedoch, von der Zeit an, mehr die Kenntnisse der reinen Religion als der gelehrten Wissenschaften, der Breslauer Jugend, beygebracht. Jndessen haben doch auch ihre, zum Theil, gelehrte Rectores von Zeit zu Zeit, das Jhrige zur Pflanzung, Erhaltung und Ausbreitung der Evangelischen Religion, nach Kräften beygetragen.«65 So Siegismund Justus Ehrhardt in seiner Breslauer Presbyterologie, die eben auch für die Schulgeschichte eine unschätzbare Quelle darstellt. Mit großer Sorgfalt hat er die einschlägigen Informationen zu den maßgeblichen Personen aller drei Breslauer schulischen Anstalten zusammengetragen und in reichhaltigen Anmerkungen zu kleinen, überaus informativen Biographien verarbeitet. Den Kirchenmann interessieren naturgemäß die Beiträge der Professoren zur Theologie und insbesondere zur Fortbildung der Lehre Luthers. Wir sind darauf

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

bedacht, das Personal auch dieser Schule unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, was es neben der Vertretung des eigenen Faches zur kulturellen Infrastruktur der Stadt beitrug. Entsprechend beginnt die Geschichte der Schule als Pflanzstätte großer Sammler, Bibliothekare und Sachwalter schlesischen Kulturguts im strengen Sinn erst im 18. Jahrhundert. Daher nur in wenigen Strichen einige Worte zur Vorgeschichte. Das Hospital zum Heiligen Geiste, die mit ihm verbundene Schule und auch die Bibliothek bildeten über Jahrhunderte eine Einheit. Ihr Historiker Michael Morgenbesser tat daher gut daran, ihnen eine gemeinsame Abhandlung zu widmen. Die Stiftung selbst ging noch auf die Zeit Herzog Heinrichs I. des Bärtigen zurück. Sie war ausdrücklich den Armen gewidmet und der Name stellte die Verbindung zum Stiftungszweck her, galt der Heilige Geist doch als ein Tröster der Armen. Der Besitz an gestifteten Gütern mehrte sich kontinuierlich. Das Hospital nebst der Kirche stand nahe dem Sandtor in der nach dem Hospital benannten Heiligegeistgasse. Der Propst war immer einer der Augustiner-Chorherren vom Sandstift. Eine Brücke verband die beiden Stifte. An der Wende zum 16. Jahrhundert setzte ein zunehmender Verfall ein. So übernahm der Rat 1525 das Stift. Jetzt setzte die Kooperation mit der Kirche St. Bernhardin ein. Der Pfarrer Petrus Nadus daselbst, ein Franziskaner, nahm das Predigeramt in der Kirche zum Heiligen Geist wahr und wurde ihr erster lutherischer Prediger. Das Hospitalhaus wurde neu aufgeführt, der Gottesdienst in St. Bernhardin abgehalten. Mitte des 16. Jahrhunderts stand auch eine neue Schule zur Verfügung. Ein großer Umschwung trat zu dessen Ende infolge von Maßnahmen zur Befestigung der Stadt ein. Das Hospitalgebäude wurde abgerissen, und durch ein neues ersetzt, und die Kirche zum Heiligen Geist nach St. Bernhardin verlegt. Die Schule aber zum Heiligen Geiste, die zuweilen auch Schule zu St. Bernhardin genannt wird, müßte im Grunde genommen Schule zum Heiligen Geiste und St. Bernhardin heißen, weil sie in Verbindung mit beiden Hospitälern stand und steht. Natürlich kennt auch sie eine ins Mittelalter zurückführende Geschichte. Ihre bekannte setzt mit der Übernahme des Stifts durch den Rat ein. Ambrosius Moibanus verordnete einen Schulmeister; 1550 sind zwei Lehrer bekannt. Im Zuge des erwähnten Revirements kam auch die Schule in ein Haus gegenüber der Bernhardinerkirche, wo sie verblieb. Ihrer beider gemeinsame Geschichte nahm ihren Anfang. Zu den ersten Lehrern gehörten Thomas Pol, der Vater des schlesischen Chronisten Nikolaus Pol. Erste Programme sind von Michael Cölius bekannt, der 1624 seinen Dienst antrat. So ist es leicht begreiflich, daß er bald zum Elisabethgymnasium herüberwechselte, wie dies so viele nach

171

172

|  Hochburg des Wissens

ihm taten. Es erfolgten aber auch Übergänge in die umgekehrte Richtung, so bezeugt für Johann Bersch, und so auch für Christoph Bremer, der als erster den Rektorentitel führen durfte, nachdem er 1674, von dem Elisabethgymnasium kommend, seinen Dienst bei der Schule zum Heiligen Geist angetreten hatte. Auch fungierte er als Bibliothekar an der Schule zu St. Bernhardin so wie vorher schon Martin Zobte. Auch hier also begann sich eine Personalunion herauszukristallisieren. Wir begegnen diesen Gestalten alsbald wieder. Bremer war gebürtiger Hamburger. Er hatte das dortige Gymnasium besucht, genoß dann Privatunterricht u. a. bei dem gebürtigen Schlesier Georg Volkmar, studierte in Wittenberg u. a. bei dem angesehenen Naturkundler Johann Sperling, betrieb Physik, Mathematik und die morgenländischen Sprachen und erwarb den Magister. Als glänzend ausgebildeter Gelehrter kam er 1646 nach Breslau. Den Weg dahin wies ihm vermutlich Esaias Major, der Sohn des Elias Major, mit dem er zusammen in Wittenberg studiert hatte. Mit dem Theologen Christoph Schlegel begab er sich alsdann auf eine Reise nach Oberungarn, lernte das Kirchwesen in Siebenbürgen kennen, besuchte die Wallachei und nahm nach Rückkehr in Breslau Hofmeisterdienste u. a. bei dem Ratsherrn Johann Sigismund von Haunold. Der Ruf an die Elisabethschule ließ nicht lange auf sich warten. Mehr als zwanzig Jahre lehrte er dort, und doch bedeutete das Gymnasium zu St. Elisabeth keine Endstation. Das Rektorat an der Schule zum Heiligen Geist, verknüpft eben mit dem Bibliothekariat und einer Kantorenstelle bei St. Christophorus, bildeten den Höhepunkt einer Karriere, die derjenigen an den beiden Gymnasien gewiß ebenbürtig war. Schule und Bibliothek befanden sich auf dem Weg nach oben.66 Dem korrespondierte der Aufstieg, den nun das Deutsche auch als Sprache an der Schule nahm. Bremer war von Schulinspektor Johann Acoluth mit einer deutschen Rede eingeführt worden. Er antwortete seinerseits auf Deutsch. Auch einem der späteren Rektoren, David Mayer, wurde ausdrücklich vom Magistrat anläßlich seiner Installation in dieser Position aufgetragen, eine deutsche Rede zu halten. Die Schule wurde als Bürgerschule betrachtet, akquirierte gleichwohl bedeutende Gelehrte. Das gilt für Johann Georg Thamm, der sich aus umfassender Kenntnis besonders um die Bibliothek verdient machte. Und das gilt in herausragendem Maße für Samuel Benjamin Klose, dessen schriftstellerisches, bibliothekarisches und dokumentarisches Erbe uns im folgenden in wechselnden Zusammenhängen begegnen wird. Ihm wurde ungeachtet seines weitgespannten wissenschaftlichen Interessenbereichs auch als Pädagoge ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. »Unter ihm blühte die Schule und gelangte zu dem guten Rufe, daß die Schüler der

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

Gymnasien, welche aus der heiligen Geist=Schule kamen, die besten waren.«67 Mit Georg Samuel Bandtke, dem gewissenhaften Sachwalter und ersten Historiker der Bibliothek, kam die hier zu schildernde Phase auch der Schule zu einem glücklichen Abschluß und Michael Morgenbesser, Nachfolger Bandtkes im Amt, ging daran, die Geschichte der Schule, der Kirche und der Bibliothek der Nachwelt zu überliefern.

Eine Neugründung in der preußischen Ära: Das Friedrichs-Kolleg Die drei Schulen zu St. Elisabeth, zu St. Maria Magdalena und zu St. Bernhardin führten zurück in das Zeitalter von Humanismus und Reformation. Die preußische Ära zeitigte im 18. Jahrhundert, mit dem wir schließen, noch eine spektakuläre schulische Gründung, bevor das neue Jahrhundert glanzvoll mit der Gründung einer Universität in den Mauern der Stadt eröffnet wurde. Darin glichen sich die beiden Schwesterstädte im Osten, Königsberg und Breslau. Was die Burgschule bzw. das ›Collegium Fridericianum‹ für Königsberg, war das Friedrichs-Kolleg für Breslau. Noch einmal aber hatte die Konfession einen maßgeblichen Anteil an den beiden Schöpfungen. Nun aber war es erstmals das reformierte Bekenntnis, das im Bunde mit der Aufklärung und dem Pietismus den Geist der Schule hier wie dort prägte.68 Weihnachten 1741 – König Friedrich war eben eingezogen – konnte erstmals wieder ein reformierter Gottesdienst in Breslau in der Wohnung eines Generalmajors von Dohna abgehalten werden. Die Predigt hielt bemerkenswerterweise ein Gottesgelehrter namens Ursinus. Schon zu Anfang des nächsten Jahres stand eine Hauskapelle im Oberamtshaus des Fürsten Hans Carl von Carolath-Beuthen zur Verfügung. Der König erließ eine Konzession zur öffentlichen Abhaltung des Gottesdienstes und Johann Ernst Vigilantius wurde als erster reformierter Prediger installiert. Bald danach wurde der Fürstensaal des ehemaligen General-Steueramts für den Gottesdienst hergerichtet und noch in der zweiten Hälfte der Grundstein für die Hofkirche gelegt, deren Bau im September 1750 vollendet war. Parallel dazu ging die Etablierung einer Schule. Alle Hindernisse, die den Reformierten zwei Jahrhunderte entgegenstanden, schienen mit einem Mal beseitigt. Eine segensreiche Entwicklung nahm ihren Anfang.69 1764 lag eine Denkschrift von seiten der Evangelisch-reformierten Gemeinde zur Einrichtung einer Schule vor. »Unsere gegenwärtige Zeiten fordern mehrere Sorgfalt. Gott hat Frieden nach der Verwüstung geschenkt. Gott hat Schlesien seinem Glorwürdigsten Besitzer erhalten. Sein erhabnes Exempel feuret nicht

173

174

|  Hochburg des Wissens

nur jeden rechtschaffenen Unterthan an, sich gleich ihm in edle Bemühungen nach der verschiedenen Beschaffenheit seines Standes hervorzuthun. Der Allergnädigste Wille unsers Monarchen gehet dahin, daß Schulen errichtet werden, welche jedem Stande nützlich sind.«70 So der Tenor der Einlassung unmittelbar nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges, in dem der König wiederholt nur knapp mit dem Leben davon gekommen war. Vorbild für die neue Schule aus der Mitte der jungen reformierten Gemeinde heraus, in der die Oberaufsicht beim Presbyterium lag, waren die soeben in Berlin ins Leben gerufenen Realschulen. Das praktische Element, die Ausbildung für ein breites berufliches Spektrum, stand von Beginn an in den Satzungen. Eine Konkurrenz zu den am Ort befindlichen Gymnasien lag nicht im Interesse der Gründer. Am Geburtstag des Königs, dem 24. Januar des Jahres 1765, wurde die Schule feierlich, aber ausdrücklich ohne übermäßigen zeremoniellen Prunk eingeweiht. Fortan firmierte sie nahezu fünfzig Jahre als Realschule, bevor sie im Schicksalsjahr 1812 in ein Gymnasium überführt wurde. Elf Jahre nach ihrer Gründung wurde sie zu einer Königlichen Schule erhoben und erhielt den Namen, unter dem sie berühmt wurde: Friedrichs-Schule bzw. Friedrichs-Kolleg.71 Die Schule stand die ersten Dezennien im Zeichen eines Mannes, um dessentwillen wir nicht zuletzt dieses kleine Porträt verfaßt haben, mit dem unser ›scholastischer‹ Rundgang endet. Schon drei Monate nämlich nach ihrer Eröffnung verlor die Schule ihren ersten Direktor Pastor Ludwig Samuel Noltenius, Sohn des Hofpredigers Johann Arnold Noltenius in Berlin. Von ihm und seinem älteren Amtsgenossen, dem Hofprediger Jakob Loos, war die Idee der Gründung einer Schule im wesentlichen ausgegangen. Nun aber kam ein Dritter rasch in den Vorzug, eine keinesfalls innerlich schon gefestigte Institution übernehmen zu dürfen, die er nach seinem Bilde zu prägen vermochte. Vierzig Jahre hat er das Amt des Rektors ausgeübt. Die Geschichte der reformierten Schule zu Breslau beginnt mit der überragenden Gestalt des Daniel Heinrich Hering.

Ein Schluß-Porträt »Ein Mann von grossen Geistesgaben u. eben so grossen Verdiensten, um Religion u. Wissenschaften, dessen treue Freundschaft ich mir für wahres Glück u. Ehre schätze!« So eröffnet der schon so häufig herangezogene Siegismund Justus Ehrhardt seine Vorstellung Herings, mit der der erste und überaus gehaltreiche, den Kirchen und Schulen Breslaus und den in ihnen wirkenden Personen gewidmete Band seiner Presbyterologie zugleich zum Abschluß gelangt. 1780

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

erschien der erste Band seines Werkes. So konnte er die Gründungsgeschichte der reformierten Kirche und Schule eben noch erzählen.72 Mit ihr wurde ein neues Kapitel eröffnet. Für Ehrhardt wie für uns markiert sie aus ganz verschiedenen Gründen einen Abschluß. Ehrhardt erfreute sich des Vorzugs, einen eigenhändigen Bericht des so rührigen Historikers benutzen zu können, den er als seinen Freund betrachtete. Er ist der einzige geblieben, der die Verdienste des großen Mannes in das rechte Licht rückte. Die einschlägigen Lexika der jüngeren Zeit bis hin zu unseren nationalen Biographien sind bis heute an ihm vorbeigegangen. Grund genug also, wie in so vielen anderen Fällen, Erinnerungsarbeit zu leisten.73 Hering stammte aus Stolp in Hinterpommern, wo er 1722 geboren wurde. Frühzeitig kam er mit dem reformierten Schulwesen in Berührung. Von 1734 bis 1738 besuchte er die Reformierte Friedrichs-Schule in Küstrin. Den entscheidenden Schritt tat er mit dem Wechsel nach Berlin, den er als junger Mann 1738 vollzog. Dort setzte er seine Ausbildung am Joachimsthaler Gymnasium fort, das rasch Berühmtheit erlangt hatte. Auch wurde er in das Theologische Seminar aufgenommen, das unter der Leitung des schon erwähnten Hofpredigers Noltenius Senior stand. Hier erfolgte die zukunftsweisende Weichenstellung. Zwischen 1741 und 1743 studierte er an der gleichfalls erfolgreichen preußischen Universität in Halle. Auch Hering schlug wie so viele andere spätere Berühmtheiten keinen geradlinigen akademischen Weg ein. Lange Jahre zwischen 1743 und 1757 verbrachte er als Privatlehrer und Erzieher der Söhne des Königlichen Schloßhauptmanns Friedrich Paul Graf von Kameke. Er nutzte die Zeit für weitere Studien und trat mit ersten Publikationen hervor. Von der Berliner Gelehrten Gesellschaft wurden von 1747 bis 1750 die Berlinische Bibliothek und von 1756 bis 1760 die Abhandlungen und Urtheile über das Neueste aus der Gelehrsamkeit herausgegeben, über die auch Hering ein publizistisches Forum fand. Auch seine berufliche Karriere blieb zunächst weiterhin mit Brandenburg-Preußen verbunden. 1757 wurde er zum reformierten Prediger in Eberswalde berufen; dann folgte 1759 eine Rückkehr nach Halle, nun als Prediger an der Königlichen Schloß- und Domkirche, wo er sechs Jahre wirkte. Hernach trat er den lebensbestimmenden Schritt nach Breslau. Er führte nochmals über das Predigeramt an der jungen Hofkirche, nun jedoch sogleich verbunden mit dem schulischen. In Herings eigenen Worten: »Die beiden damaligen Prediger, Hr. Hofprediger Loos und Pastor Noltenius, hielten dabei [zur Eröffnung] schickliche Reden, und die Zahl der ordentlichen Lehrer, welche anfänglich angesetzt wurden, waren drei, wozu noch, als ausserordentliche, oder Maitres, ein Zeichenmeister

175

176

|  Hochburg des Wissens

und ein Tanzmeister kamen. Doch Past. Noltenius wurde gleich darauf zum Königl. Hof=Prediger nach Berlin beruffen, und ich kam, von Halle hieher, an seine Stelle. Jch trat mein Amt bei der Kirche den 7 Jul. 1765 an, und mußte auch alsobald die besondre Direktion der jungen Schule übernehmen, welche mir auch nun ganz allein überlassen wurde, da sonst, nach dem ersten Plan, eine Alternation in solcher Direction statt haben solte. Das Publikum schenkte der jungen Anstalt sogleich ihr Zutrauen, ja sie wurde auch bald ausser den Schlesischen Grenzen, besonders in Polen, Lithauen und Rußland bekannt.«74 Eine Erfolgsgeschichte hob an und Hering hatte maßgeblichen Anteil an ihr. Und das auch, weil er als Gelehrter weit über Breslau und Schlesien hinaus wirkte. Als Schulmann in seiner Eigenschaft als Direktor verfaßte er so gut wie jedes Jahr gehaltreiche Schulprogramme. Die waren Themen vor allem aus dem Umkreis der Theologie und Moralphilosophie gewidmet. Hinzu kamen gediegene biographische Porträts.75 Aber natürlich widmete er sich auch der Geschichte der eigenen Schule, trat zu feierlichen Anlässen wie der Übertragung des Königlichen Namens auf die Anstalt als Festredner hervor und bewies ein untrügliches Gespür für die einzigartige Bedeutung des Beuthener Gymnasiums, indem er diesem in Form von Schulprogrammen eine detaillierte Darstellung, basierend auf intensiven Studien zum Lehrpersonal, schenkte.76 Seine ganze Liebe galt jedoch sein Leben lang dem Haus BrandenburgPreußen und dem mit ihm auf deutschem Boden langfristig zum Durchbruch gelangten reformierten Glauben. Als Historiker der reformierten Kirche Brandenburgs und Preußens ist er in die Kirchengeschichtsschreibung eingegangen. Noch Ende der siebziger Jahre setzte er mit einer Darstellung der ersten Anfänge der reformierten Kirche in Brandenburg und Preußen ein. Damit hatte er das Thema seines Lebens gefunden. Es dauerte keine fünf Jahre, da erschienen bereits umfängliche Verbesserungen und Zusätze – ein auch schon in der Geschichte des Beuthener Gymnasiums beobachtetes Verfahren. Mitte der achtziger Jahre lag dann eine große Gesamtdarstellung vor. Doch auch ihr folgten alsbald Neue Beyträge. Und damit nicht genug, wandte sich der späte Hering, nun wieder in Form von Programmen, auch noch den Merkwürdigkeiten der Brandenburgischen Geschichte zu, verließ also das Gebiet der Kirchengeschichte. Was würde man darum geben, daß dieser engagierte Historiker sich auch den Geschicken des reformierten Glaubens auf schlesischem Boden zugewandt hätte. Doch das war eine Geschichte, die weitgehend im Untergrund verlief. Sie blieb gezeichnet von Wunden und Malen des Leidens. Womöglich vermied es der Schulmann in herausgehobener Position bewußt, an eben erst vernarbende Stellen zu rühren. So blieb es der Zukunft vorbehalten, dieses schmerzliche Kapitel

Gymnasien, Professoren – und eine fehlende Universität  |

schlesischer Frömmigkeitsgeschichte aufzuschlagen. Daß dies aber dann doch geschah, wird seinem Urheber zu bleibendem Ruhm gereichen. Wieder kam er aus der Mitte der reformierten Gemeinde. Und wieder verschwand sein Name aus dem allgemeinen Bewußtsein und blieb nur Kennern gegenwärtig. Die aber wußten und wissen, welche Leistung hinter dem monumentalen zweibändigen Werk mit dem unscheinbaren Titel Crato von Crafftheim und seine Freunde des Predigers an der Hofkirche zu Breslau Johann Franz Albert Gillet steht, das eine lange schmerzlich gefühlte Lücke schloß. Mit den Namen eines Hering und eines Gillet sei auch unser Porträt des schlesischen Gymnasialwesens in der Frühen Neuzeit beschlossen. Daß es wie andere Kapitel eng mit der Religions- und Konfessionsgeschichte verwoben blieb, liegt in der Natur der Sache. Auf dem Felde der Theologie wurden die großen und vielfach unerquicklichen Schlachten geschlagen. Das gilt auch für Schlesien. War es nach dem Wort Melanchthons, mit dem wir anhuben, reich gesegnet mit Schulen, so doch auch deshalb, weil sie über lange Zeit Pflanzstätten des Glaubens blieben. Das ›Kollegium Fridericianum‹ machte davon noch im Zeitalter der Aufklärung keine Ausnahme. Schließlich war es ein Prediger, der ihm vorstand und es über alle Fährnisse hinweg in das neue Jahrhundert geleitete.

177

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive Gedächtnis von Stadt und Region Ein dritter Fokus ist dingfest zu machen. Geistliche und Gelehrte sind in den Städten der Frühen Neuzeit und in diversen Funktionen die Sachwalter des verschriftlichten Wortes. Und das in dem doppelten Sinn der Produktion und Rezeption nicht anders als in dem der Registratur und Magazinierung. Schrift, das Wort in Handschrift und Druck, ist ihr Lebenselixier. Diese Passion duldet keine der Aufmerksamkeit enthobenen Freiräume. Das einmal Verlautete, und sei es noch so ephemer, erheischt Integration in den intellektuellen Kreislauf. Und der kennt keine Grenzen. Er erstreckt sich auf den gesamten Transfer des ins Wort Gesetzten. Es will verarbeitet und verhandelt, aber eben zugleich verfügbar und also umfassend visibilisiert sein. So ist im Modus dieser gelehrten Praxis in aller Regel der Autor und Korrespondent wie der Sammler und gelehrte Archivar zugleich präsent. Zunächst in einzelnen Händen und über kurz oder lang in Archiven und Bibliotheken strömt zusammen, was der Feder der rührigen Zunft entstammt. Ortsverhaftung, Regionalität, lokales Kolorit sind das Signum dieser wie auch immer medial verpuppten und magazinierten Ware. In ihr ist der Geist einer Stadt, einer Region so lebendig gegenwärtig wie an keiner anderen Stelle sonst. Darum gehört die Kenntnis der Archiv- und Bibliothekslandschaft vor Ort zu dem elementaren und unverzichtbaren Rüstzeug eines Kulturhistorikers, der sich darauf eingelassen hat, sein bevorzugtes Arbeitsfeld dem alten deutschen Sprachraum in seinen reichen lokalen Facetten zu widmen. Regional geprägte Geistesgeschichte ist, richtig betrieben, zu einem Gutteil Bibliotheks- und Archivgeschichte. In diesem Sinn wenden wir uns den Breslauer Verhältnissen zu, und das vornehmlich im Blick auf die Bibliotheken; die Archive müssen sich in unserem Zusammenhang mit einem Seitenblick bescheiden, übergangen werden sie aber selbstverständlich nicht.

Sonderfall Breslau Ein seltener Glücksfall in der Geschichte der Breslauer wie der schlesischen Kulturgeschichte hat es mit sich gebracht, daß der Historiker, der angetreten ist, den vielen bislang Namenlosen bei diesem Unterfangen zu ihrem Recht zu

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

verhelfen, auf eine insgesamt immer noch einmalig im alten deutschen Sprachraum dastehende Überlieferung der einschlägigen Quellen zurückgreifen kann. Daß dies so ist, hat seinen Grund in dem trotz aller Katastrophen vergleichsweise günstigen Geschick, das den Breslauer Bibliotheken die Jahrhunderte über beschieden war. Noch einmal betreten wir eine gelehrte Region, die sich mit Breslau in einer Weise verknüpfte, wie dies schwerlich ein zweites Mal im alten deutschen Sprachraum zu gewahren sein dürfte. Wir müssen Vorsicht walten lassen, uns vor Übertreibungen und Überspitzungen um der Pointe willen hüten. Und doch – was im alten Breslau an Büchern und Handschriften zusammengeströmt war, hatte exorbitanten Charakter. Wir wissen um die Bücherhochburgen im alten Reich und seinen Anrainern, haben uns in den Sammlungen und den an ihnen haftenden Geschichten umgetan, ob in Hamburg, Bremen oder Lübeck, in Straßburg, Augsburg oder Nürnberg, in Königsberg, Danzig oder Riga, und wie alleine die kommunalen Spitzenadressen sonst lauten mögen. Auch diese und andere Städte bargen einen kaum vorstellbaren Reichtum an schriftlichem Gut. Und doch machen wir uns anheischig, für Breslau nochmals eine besondere Konstellation in Anschlag zu bringen. Die herausragende Stellung der Stadt im Land, ihre komplizierte politische und konfessionelle Verfaßtheit, ihre ökonomische Potenz und nicht zuletzt ihre gelehrte Infrastruktur brachten es mit sich, daß für das Gedeihen von Büchersammlungen optimale Bedingungen bestanden.1

Bibliophilie in Grenzregionen Zu denken geben muß, daß es Städte in Grenzregionen sind, in denen Büchersammlungen und mit ihnen Sammler selbst bevorzugt heranwachsen. Das mag womöglich auch in gewissem Grade für eine Stadt wie Straßburg und ihre Nähe zu Frankreich oder für Nürnberg mit der Nähe zu Böhmen und den Habsburger Landen gelten. Für Breslau wie auf andere Weise für Königsberg oder Danzig trifft es aus verschiedenen Gründen allemal zu. In Königsberg sorgte Herzog Albrecht dafür, daß das mit der Reformation auf die geschichtliche Bühne tretende Herzogtum einen Fokus seines Werdens und Wachsens im gedruckten Wort erhielt. In Danzig führte die Oberherrschaft unter dem polnischen König zu besonderen Anstrengungen der Bürgerschaft, ihr ständisches Selbstbewußtsein in aufwendigen kulturellen Stiftungen zu bezeugen. Ganz Analoges ließe sich für die baltischen Metropolen zeigen. Unter schwedischer und russischer Hoheit gedieh eine von Deutschen getragene intellektuelle und bibliophile

179

180

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Blüte, in der sich das junge Siedlervolk seiner Identität in immer neuen Akten schöpferischen Fortzeugens versicherte.2 Breslau aber stellt in diesem Reigen wiederum einen Sonderfall dar. Die Stadt fungierte als metropolitanes Herz eines Landes, das so vielgestaltige herrschaftspolitische, konfessionelle und kulturelle Strukturen aufwies wie keine andere Region im alten deutschen Sprachraum. Polyphonie aber setzt intellektuelle Aktivitäten frei. Ganze Stäbe von berufenen Schriftkundigen sind damit befaßt, der als solcher empfundenen Besonderheit des Landes auf die Spur zu kommen und in den diversen zur Verfügung stehenden literarischen Formen Kunde von ihr zu geben. Sammlungsstrategisch hat dieser gelehrte Fleiß zur Folge, daß sich über die Jahrzehnte große Mengen von handschriftlichen und alsbald auch gedruckten Dokumenten in den Mauern der Stadt sammeln, die auf den verschiedensten Wegen in den zentralen Speichern und Magazinen zusammenströmen. Am Ende sind es in aller Regel die städtische Bibliothek und das städtische Archiv, welche den kaum faßlichen Reichtum bergen. Doch damit nicht genug. In den Siedlungen des Ostens ist ein dezidierter Wille erkennbar, mit den kulturellen Zentren im Westen gleichzuziehen. Die kostbare Handschrift, das aufwendige Buch nicht anders als Gemälde, Mobiliar, exotische Curiosa, sind Trophäen, an denen herrschaftlicher Glanz haftet. Das gilt für die höfischen Kunstkammern ebenso wie für die Interieurs des Adels und der bürgerlichen Oberschichten in den Städten. Im Osten aber kommt hinzu, daß auf einem jungen Boden und in einer vielfach fremden Umwelt gesiedelt und kulturell agiert wird. Das hat den Elan nochmals merklich befördert. Der Stolz ist unverkennbar, wenn weit über Stadt und Land hinaus die Kunde von den Pretiosen die Runde macht, die sich jenseits des Reichs in einer Metropole wie Breslau zusammengefunden haben. Es sind nicht zuletzt Reiseberichte, die davon Kenntnis geben. Und Handschriften nicht anders als Bücher stehen immer wieder an der Spitze, wenn es denn um die Denomination der Schätze geht.

Phasen des Sammelns Drei große Phasen des Sammelns und Dokumentierens vermögen wir zu unterscheiden. In der Glanz- und Blütezeit des Bürgertums, die mit der Entfaltung des Humanismus und – leicht zeitversetzt – der Reformation zusammenfallen, werden auf Reisen weit über das Reich hinaus die Hochburgen des Kunst- und Buchhandels aufgesucht, Prachtstücke für viel Geld erworben und auf den Weg in die Heimat gebracht. Ein Patrizier wie Thomas Rhediger gibt dafür ein Beispiel. Er handelt wie viele seiner vermögenden Standesgenossen. Das späte Mittelalter,

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

die Zeit vom Ende des 14. bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts, da die Städte überall erblühen und sich ein staunenerregender Schatz in ihren Mauern sammelt, ist auch die Zeit, welche sich mit der Gründungsgeschichte hervorragender Kollektionen auf allen Gebieten des geistigen und künstlerischen Lebens verbindet. Museen, Archive, Bibliotheken geben vielfach bis heute Kunde davon. In der Spätphase des Humanismus im Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert verlegt sich der Elan auf die Produktion eines gelehrten Schrifttums von bemerkenswerter Vielfalt und Dichte, und das gleichermaßen in bezug auf Menge und Güte wie auf Gattungen und Formen. Es scheint, als solle die im europäischen Humanismus unter Führung Italiens errungene Sammlung an Mustern ständig erneut probiert, variiert und zugleich kanonisiert werden. Kein Landstrich im alten deutschen Sprachraum hat sich diesen gelehrten Usancen passionierter hingegeben als Schlesien und seine Hauptstadt. Schlesien galt den Zeitgenossen als ein Hauptquartier späthumanistischer gelehrter Studien. Erst viel später verlor sich die Erinnerung an diese Blütezeit, und heute reichen die Kräfte bei weitem nicht hin, den Reichtum an Quellen, der sich in Bibliotheken und Archiven verbirgt, ans Tageslicht zu befördern und kulturgeschichtlich zu erschließen. Im Zeitalter der Aufklärung, das eine dritte Phase bezeichnet, wußte man allenthalben noch um das Einzigartige der schlesischen Kulturlandschaft. Unaufhörlich machten sich Einzelne ans Werk, um der überbordenden Überlieferung Herr zu werden, ihr verzeichnend, dokumentierend, gelegentlich auch edierend Genüge zu tun. Es ist dies ein Wirken, das sich vielfach im Verborgenen vollzieht. Und so haben sich auch die Namen derer, die auf diesem Feld Aufgabe und Sinn ihres Lebens fanden, verloren und sind allenfalls noch Kennern bekannt. Wir haben allen Anlaß, ihrer mit besonderem Nachdruck zu gedenken, ist es doch ihre Tätigkeit zumeist, an die anzuknüpfen eine dankbar empfundene Verpflichtung darstellt. Nicht nur als Zeit des Aufbruchs, sondern auch als Zeit des Abschlusses will das 18. Jahrhundert begriffen werden, da die gelehrte Ernte der Frühen Neuzeit in die Scheuern gefahren und magaziniert wird. Das Zeitalter der Aufklärung ist ganz entgegen herrschender Vorstellung gerade auch durch diese restaurative Aktivität gekennzeichnet, die wir als eine vorbildliche zu würdigen lernen sollten.

Das Herz der bürgerlichen Gemeinde und der Krieg Hier geht es in einem ersten, durch die vorangehenden Kapitel wohlvorbereiteten Schritt darum, die Schatzhäuser des Geistes, die Bibliotheken und am Rande auch die Archive näher zu inspizieren. Wir dürfen uns dabei kürzer fassen als von

181

182

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

der Sache her geboten, da umfängliche Studien jüngeren Datums aus der Feder des Verfassers vorliegen, auf die zum näheren Studium verwiesen werden kann. Vorab jedoch hat ein den Bibliotheken und Archiven und ihrer Geschichte noch vorgeordnetes Wort aus der Optik der jüngsten Vergangenheit zu verlauten. Als Historiker von Städten und deren kultureller Ensembles haben wir es in aller Regel primär mit städtischen Bibliotheken und Archiven zu tun. Nur ausnahmsweise – wie eben im Falle Breslaus oder etwa auch Königsbergs – treten universitäre bibliothekarische Schöpfungen oder staatliche archivarische Institutionen hinzu. Städtische Bibliotheken und Archive aber hatten ihren Platz im Herzen der Stadt, waren sie doch für die Bürgerschaft bestimmt. Anders als den höfischen Bibliotheken war ihnen nur ausnahmsweise ein splendides Ambiente eigen. Bürgerliches Selbstbewußtsein gab sich in dem Reichtum und der Gediegenheit der Quellen zu erkennen, nicht in der Aufmachung des Lokals. Uns stehen ungezählte Bilder mit überbordenden Magazinen vor Augen, in denen allenfalls die Angestellten des Hauses eine Übersicht bewahren konnten. Nicht die Schauseite zählte, sondern die bibliophile Substanz. Sie mochte in ausgewählten Stücken Vitrinen oder Schausammlungen zieren; ein ostentatives Prunken war verpönt. In den städtischen Bibliotheken wie auf andere Weise in den Archiven hatten sich Geist und Geschichte der Bürgerschaft sedimentiert. Galten die Archive der inneren Organisation und den ungezählten verwaltungsförmigen und diplomatischen Aktivitäten der Stadt, so schlug in den gedruckten Sammlungen primär zu Buche, was von der gelehrten kommunalen Klientel die Jahrhunderte über erzeugt war. Es gab keine zweite Institution, in der man sich so umfassend sachkundig über die geistige Verfaßtheit der jeweiligen Stadt informieren konnte wie in der heimatlichen städtischen Bibliothek. Sie war das in ständigem Fluß befindliche Gedächtnis der bürgerlichen Gemeinde. Es bildete ihr Herz, pulste in der Schrift doch der vom Atem der Geschichte gestreifte und zugleich dem Vergänglichen enthobene Genius der städtischen Korporalität. Eben deshalb die zentrale Positionierung des bibliothekarischen Quartiers im baulichen Ensemble der Stadt.3 Warum aber diese Erinnerung? Weil zahlreiche dieser städtischen Memorialstätten im Zweiten Weltkrieg untergegangen sind. Was Straßburg schon im deutsch-französischen Krieg 1870 widerfuhr, einer Stadt wie Löwen im Ersten Weltkrieg, wurde das Schicksal ungezählter Häuser in dem Inferno des Bombardements zwischen 1941 und 1945. Jahrhunderte über gewachsene Sammlungen mochten da in einer Bombennacht ausgelöscht, ungezählte Städte ihrer im Druck bezeugten Geschichte auf allen denkbaren Feldern mit einem Schlag

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

beraubt werden. Kein Buch, kein optisches Medium gibt uns Kunde von dem mentalen Verlust, der mit dieser kulturellen Entwurzelung einherging und auf alle Zeit einhergehen wird. Städte wie Hamburg oder Frankfurt oder Leipzig, um nur drei prominente Beispiele zu erwähnen, haben mit dem weitgehenden Verlust ihrer Stadtbibliotheken die Speicher und Generatoren ihres geschichtlich geprägten Antlitzes auf immer verloren. Das meint die Rede von der irreversiblen Zäsur, die die nationalsozialistische Barbarei im Blick auf Europa, nirgendwo jedoch nachhaltiger als im Blick auf Deutschland, bewirkt hat.4

Auch Breslau nicht verschont Auch an Breslau ist die Katastrophe nicht spurlos vorbeigegangen. Vier Monate Festungszeit reichten hin, um dem baulichen Organismus verheerende Schädigungen zuzufügen. Und doch will es im nachhinein wie ein Wunder erscheinen, daß die stolze neugotische städtische Bibliothek am Roßmarkt von schwereren Treffern verschont blieb. Was ein Opfer im Hause selbst wurde, ging meist auf frevelhaften Leichtsinn und Übermut der auch in dieser Bibliothek einquartierten Soldateska zurück. Zettelkataloge und Broschüren vor allem in der einzigartigen Genealogica-Sammlung waren als kurzfristig herrenloses Gut von derartigen Übergriffen besonders betroffen. Die vielfach dickleibigen Folianten und Quartanten mit Zehntausenden von unersetzlichen Drucken indes haben den Krieg zumeist unversehrt überstanden. Es gibt unseres Wissens – Nürnberg womöglich ausgenommen – keine städtische Bibliothek im alten deutschen Sprachraum, die auch heute noch über einen derart staunenswerten Reichtum an lokalen Quellen zu Stadt und Region verfügt wie die in erster Linie aus der alten Breslauer Stadtbibliothek hervorgegangene jetzige Breslauer Universitätsbibliothek. Ihre historischen Sammlungen fanden in dem zerstörten und wieder errichteten Gebäude der alten deutschen Breslauer Universitätsbibliothek auf der Sandinsel eine würdige Bleibe und haben Generationen von Forschern seither unschätzbare Dienste geleistet. Wir sprachen von den Büchern, dem gedruckten Wort. Ganz anderes gilt im Blick auf die Handschriften. Breslau besaß eine der glanzvollsten Handschriften-Sammlungen im alten Deutschland. Einzelne Spitzenstücke hatten Weltrang. Es war selbstverständlich, daß die Handschriften als erste in die kriegsbedingten Auslagerungen einbezogen wurden, die wie überall, so auch in Breslau vorgenommen wurden. Der Exodus der Zimelien wurde vielen von ihnen zum Verhängnis. Kein Buch existiert bislang, das uns über die eingetretenen Verluste im einzelnen unterrichtete. Fachleute aber gehen von einer Einbuße

183

184

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

von mehr als einem Drittel des einstmals Vorhandenen aus. Wir werden auf unserer Wanderung in diesem Kapitel und den drei folgenden allenthalben von diesen Einbußen zu berichten haben. Das besonders Tragische inmitten dieser Katastrophe ist darin zu erblicken, daß die Verwundungen sich nicht nur auf alle Abteilungen erstrecken, sondern inmitten von mehrteiligen Einheiten auftreten, so daß auch das Bewahrte nur allzu häufig um seinen Wert gebracht ist. Wir nutzen die Gelegenheit auch an dieser Stelle, unserer Bewunderung im Blick auf die bislang erfolgte Dokumentation der eingetretenen Schäden Ausdruck zu verleihen und verbinden sie mit der Ermunterung lebhaft fortzufahren, bis auch die letzte Recherche absolviert, der letzte Nachweis geführt ist. Die paläographisch interessierte Öffentlichkeit in aller Welt blickt auch und gerade gespannt nach Breslau angesichts des bezeugten Reichtums.5 Wir aber haben uns nun der Geschichte des Erhaltenen wie des Zerstobenen und damit den bibliothekarischen und am Rande den archivarischen Quartieren und den in ihnen wirkenden Menschen in aller gebotenen Kürze zuzuwenden – erfüllt von Dankbarkeit, was schließlich an Unschätzbarem auf uns gekommen ist und der forscherlichen Erschließung sich immer noch darbietet, erfüllt von Dankbarkeit aber auch im Blick auf die Menschen, die uns die Jahrzehnte über zur Seite standen, wenn es darum ging, nähere Bekanntschaft mit dem Geretteten zu machen.

Druckort Breslau Die elementarste Voraussetzung für einen blühenden Bibliotheks-Standort ist die Anwesenheit potenter Drucker und Verleger vor Ort. Viele Städte gerade im Osten hatten überhaupt erst seit dem 17. Jahrhundert das schwarze Handwerk in ihren Mauern. Entsprechend setzt auch dann erst ein literarisches Leben ein. In einer spätmittelalterlichen Großstadt wie Breslau ist das selbstverständlich anders. Nahezu im Gleichschritt mit den großen Drucker-Metropolen im Südosten und Südwesten setzt in der Stadt bereits im 15. Jahrhundert das Druckgeschehen ein, das bezeichnenderweise jedoch erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Schwung kommt. Die Rezeption des Humanismus wie der Reformation konnte also auch in Breslau aus genuinen Kräften im Druckwesen gefördert werden – eine entscheidende Bedingung für die interne Kommunikation vor Ort. Gleichwohl ist einzuräumen, daß auch Breslau für längere Zeit wie andere Städte im mitteleuropäischen Raum im Schatten Krakaus verblieb, dieser Hochburg gelehrter Innovationen im Osten.6

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Etablierung des Druckwesens in der Stadt Der erste Drucker Breslaus ist der Kleriker Kaspar Elyan.7 Er hatte in Leipzig, Erfurt und Krakau studiert und war dann nach Breslau gekommen. An der Heilig-Kreuz-Kirche fand er eine Wirkungsstätte als Unterkantor. Hernach wechselte er als Kanonikus herüber an die Kathedrale auf der Dominsel. Dort im Umkreis des Bischofs Johannes IV. Roth war das intellektuelle Milieu gegeben, das anregen mochte, nun auch Breslau eine Druckerei zu verschaffen. Möglicherweise hatte auch der Förderer der Künste und Wissenschaften Matthias Corvinus Einfluß genommen. Dann hätte der Bischofssitz nicht anders als der bibliophile König einen humanistischen Funken entfacht, der buchgeschichtliche Wirkung zeitigte, und dies im Einklang mit vielen anderen und zumal oberdeutschen Städten, auch wenn sich die schmale Produktion im wesentlichen auf theologische und pastorale Texte beschränkte. Zwischen 1475 und 1483 ist ein knappes Dutzend Drucke aus der Offizin von Elyan bezeugt, darunter immerhin einer des berühmten italienischen Wanderhumanisten Poggio Bracciolini. Elyan blieb überraschenderweise der einzige Drucker der Wiegendruckzeit. Breslaus große Zeit kam erst im 16. Jahrhundert – und das weniger noch im Gleichschritt mit der Reformation denn des Späthumanismus und seiner immensen Fruchtbarkeit im schwarzen Gewerbe, das an die Existenz funktionstüchtiger heimischer Druckereien geknüpft blieb.8 Gleich zu Beginn des neuen Jahrhunderts setzte die Produktion Konrad Baumgartens in Breslau ein.9 Zwischen 1503 und 1507 ist er als Drucker in der schlesischen Metropole aktenkundig. Nun war der humanistische Durchbruch erfolgt. Einer der ersten bekannten Drucke aus der Baumgartenschen Offizin ist das Carmen Elegiacum De Apolline et nouem Musis des Laurentius Corvinus. Vorher hatte Corvinus z. B. in Krakau und Basel drucken lassen; noch 1502 war sein Hortulus Elegantiarum in Krakau bei Johann Haller herausgekommen. Jetzt gelangte Breslau zum Zuge. Der Hortulus erlebte noch im gleichen Jahr eine weitere Auflage in Breslau, bevor er an zahlreichen weiteren Druckorten Karriere machte. Die überaus verdienstvolle Bibliographie der schlesischen Renaissance von Gustav Bauch bleibt ein willkommener Führer durch die frühe Produktion von schlesischen Autoren, die nun sukzessive auch in Breslau Fuß zu fassen vermochten. Baumgarten hat sich in die Breslauer und schlesische Druckgeschichte vor allem durch eine illustrierte Hedwigslegende eingeschrieben, die 1504 erschien.10Als Wanderdrucker war er den raschen Ortswechsel gewohnt. Schon 1506 zog er weiter an die neugegründete Universität Frankfurt an der Oder. So beginnt die

185

186

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

eigentliche Geschichte des Breslauer Buchdrucks mit den vor Ort ansässigen Druckern Adam Dyon und Kaspar Lybisch.11

Die ersten in Breslau ansässigen Drucker Dyon hatte als Buchdrucker und Buchführer in Nürnberg gewirkt, bevor er um 1519 nach Breslau kam, wo er ein gutes Jahrzehnt arbeitete, unterbrochen von gelegentlichen Besuchen in Nürnberg. Zeitweilig parallel ging auch Lybisch in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre seinem Druckgewerbe in der Stadt nach. Nach dem Tod Dyons zu Anfang der dreißiger Jahre nahm er seinen Betrieb in Breslau wieder auf, war also eine Weile nochmals allein in der Stadt tätig, während er seinerseits zu Beginn der vierziger Jahre dann abgelöst wurde von Andreas Winkler. Es waren die ›Sturmjahre der Reformation‹, in denen Dyon, aus einer Hochburg der Reformation kommend, in Breslau seine Werkstatt aufschlug und die Chance wahrnahm, Titel Luthers und der ihm Nahestehenden im Osten zu verbreiten. Gleich im Jahr 1519 lagen neben anderen Schriften Luthers sein Sermon von dem Ablass sowie sein Sermon von dem ehelichen Stand vor, zwei Jahre später folgte u. a. sein Sermon von dreyerley gutem Leben das Gewissen zu unterrichten. 1523 tritt Lybisch sogleich mit einer erklecklichen Zahl von Luther-Drucken hervor, später kommen Zwingli und Krautwald, Schwenckfeld und Moibanus hinzu. Bei Dyon ergreift 1524 erstmals der Breslauer Reformator Johann Heß das Wort; im gleichen Jahr ist ein Taufbuch auf deutsch verfügbar, wiederum ein Jahr später hat Bugenhagen seinen ersten Auftritt in der Breslauer Offizin Dyons. Erste evangelische Gesangbücher schließen sich an. Es bleibt ein faszinierendes Ereignis, die junge Buchdruckerkunst im Verein mit der Reformation jeweils vor Ort Platz greifen zu sehen. Auch Breslau bietet für diesen prominenten Vorgang in der Kulturgeschichte einer Stadt ein ergiebiges Beobachtungsfeld. Das Auftreten Winklers bezeichnet einen Einschnitt in der erst wenige Jahrzehnte währenden Druckgeschichte Breslaus.12 Es ist kein Zufall, daß wir über ihn bereits im Kontext der Schulgeschichte zu berichten hatten. Je mehr sich der Ruf der Breslauer Schulen und insbesondere der führenden Anstalt bei der Elisabethkirche festigte, um so mehr mußten die Verantwortlichen in der Stadt darauf bedacht sein, eine zuverlässige und leistungsstarke Offizin für alle schulischen Angelegenheiten vor Ort verfügbar zu haben. Winkler hatte seine Ausbildung in der Elisabethschule erhalten und dann in Krakau und Wittenberg studiert, wo er 1535 bei Melanchthon den Magistertitel erwarb.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Drei Jahre später erteilte ihm der Rat der Stadt das Druckerprivileg. Natürlich nahm auch er teil an dem florierenden Geschäft mit Reformationsdrucken. Und merklich ist, wie der Humanismus sich buchkundlich sukzessive Eingang in die Stadt verschafft. Der Schwerpunkt aber liegt auf der Produktion von Lehrbüchern im weiteren Sinn, war dies doch überhaupt die Voraussetzung dafür, daß sich Winkler in der Stadt als Drucker betätigen durfte. Winkler ist die Einführung griechischer Typen zu verdanken, wie sie für die auf die schulischen Zwecke ausgerichtete Literatur unentbehrlich waren. Wiederum bietet die Bibliographie von Marta Burbianka beredte Zeugnisse für die verschiedenen Zweige der Produktion.13

Beherrschende Figur der zweiten Jahrhunderthälfte Von Winkler ging das Druckgeschehen zu Beginn der fünfziger Jahre auf die Scharffenbergs über.14 Sie prägten den Buchdruck in der gesamten zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, bevor die Dynastie der Baumanns aufstieg, die dann weite Teile des 17. Jahrhunderts beherrschen sollte. Mit den Scharffenbergs assoziiert sich primär die Blüte des Buchdrucks in der humanistischen Hochburg Polens. Entsprechend geleiten auch Spuren von Crispin Scharffenberg nach Krakau. Dort erlernte er in den dreißiger Jahren das Buchdruckerhandwerk bei Mat­ thias Scharffenberg. Dann führte ihn sein Weg über Görlitz nach Breslau, wo er sich dauerhaft niederließ, 1552 die Druckerei Winklers übernahm und ein Jahr später eine eigene Offizin eröffnete. Ihr stand er mehr als zwei Jahrzehnte vor, dann ging sie in die Hände des Sohnes Johann über, der die Werkstatt bis in die späten achtziger Jahre betreute. Nach seinem Tod heiratete seine Frau den Drucker Georg Baumann, mit dem die glorreiche Geschichte des Buchdrucks im 17. Jahrhundert eröffnet wird. Noch einmal sind wir in der glücklichen Lage, die Produktion der Scharffenbergs in Breslau dank Marta Burbianka und Marta Samocka zu übersehen. Der erste Druck aus dem Jahr 1553 ist der Heirat Sigismunds II. August mit Katharina, der Tochter Ferdinands I., gewidmet. Gelegenheitsdichtung im weitesten Sinn, wie sie nun in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Schwung kommt und eine Domäne der Späthumanisten bleiben wird, prägt – wenn nicht vielleicht der sachlichen Bedeutung, so allemal doch der numerischen Menge nach – fortan das Bild der städtischen Druckereien. Und das ist besonders ausgeprägt in einer gelehrten Hochburg wie Breslau. Keine Bibliographie darf sich anmaßen, in diesem Zweig vollständig zu sein; mit Nachträgen ist allemal zu rechnen. Und so eben auch hinsichtlich der

187

188

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Scharffenbergs. Dutzende solcher bislang unbekannter Stücke sind anläßlich der systematischen Bearbeitung der Breslauer Bestände schon jetzt für die Offizinen der Scharffenbergs und sodann der Baumanns ans Tageslicht getreten. Weitere werden folgen. Das Druckgeschehen der literarischen Zentren, vierhundert Jahre zurückliegend, ist weiterhin im Fluß – und das zumindest solange, wie das Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven aus ebendiesen Zuwachs erhält. Blicken wir aber über diese Dutzendware hinaus, so mag notiert sein, daß Melanchthons Lehrbuchwerk weiterhin im Programm steht. Auch Hutten erscheint vereinzelt. Für Luthers reiches Druckwerk wird bereits 1563 ein bibliographisches Resümee gezogen. Ein Erasmus erfreut sich des gelegentlichen Interesses Scharffenbergs. 1564 liegen die Bucolica Vergils vor. Seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre spielt sodann die Türkengefahr wiederholt in das Programm hinein. Und registriert werden sollte auch, daß musikologisches Schrifttum und damit der Notendruck nun bei Scharffenberg eine Heimstatt findet. Der Einzug Rudolfs II. in Breslau ist über Andreas Calagius bei Scharffenberg ebenso aktenkundig wie der Tod Maximilians II. über Crato, dessen mächtige Oratio funebris der Breslauer Drucker betreut. Auch die aufmerksame Lesung einer Bibliographie ist dazu angetan, Vergnügen zu bereiten, ist sie doch stets mit Überraschungen verbunden.

Installation der Baumanns in Breslau Noch in das Ende des 16. Jahrhunderts fällt der Einzug der Baumanns in Breslau.15 Wie so häufig erfolgte auch in diesem Fall der Zuzug aus dem mitteldeutschen Raum. Erfurt gehörte im 16. Jahrhundert zu den blühenden kulturellen Zentren. Dort hatte sich der erste der Baumanns niedergelassen. Seit den späten fünfziger Jahren ist er dort tätig. Der Sohn wird zwanzig Jahre später zunächst an diesem Platz mitgearbeitet haben. 1592 findet sich in den Erfurter Drucken Georg Baumanns erstmals der Zusatz ›Senior‹. Die familiäre Differenzierung wird damit auch druckgeschichtlich aktenkundig. Seit 1590 ist der gleichnamige Sohn in Breslau bezeugt, wo er zunächst als der ›Jüngere‹ firmiert. Seit 1591 sind erste Breslauer Drucke von ihm bekannt, darunter gleich 1592 das berühmte Gedicht des Andreas Calagius auf den Hortulus des Lorenz Scholtz, der schon 1587 ein erstes Mal herausgekommen war. Auch das Werk mit Epigrammen verschiedener Autoren auf den Scholtzschen Garten erschien 1594 bei ihm. 1596 erhielt er das Privileg von Rudolf II.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Es war dem ersten der Baumanns in Breslau keine allzu lange Zeit des Wirkens beschieden. 1607 starb er und der Betrieb wurde von seiner Witwe fortgeführt. Die konnte gleich 1608 mit der berühmten arabischen Grammatik des Petrus Kirstenius herauskommen – ›Prodromus‹ der Orientalistik, die sowohl in Breslau als auch in Hamburg, wohin ein Enkel des Kirstenius nach Gründung des Gymnasiums ging, eine Blüte erleben sollte. Es handelte sich um den ersten Druck in arabischer Sprache auf deutschem Boden. Der Autor hatte den Druck finanziert und auch die Typen gestellt. Ihm sollten binnen drei Jahren zehn weitere von Kirstenius betreute Drucke folgen.16 Einen Namen machte sich Georg Baumann II. auch als Drucker von Notenwerken. Breslau war zu einer führenden Stadt des Liedes im alten deutschen Sprachraum aufgerückt, das gerade um 1600 nochmals eine Blüte erlebte. Der Name Samuel Beslers steht dafür beispielhaft ein. Und schließlich blieb die Presse Baumanns und seiner Witwe der Umschlagplatz des nun rapide um sich greifenden Flugschrifttums am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Seinem nochmals gleichnamigen Sohn – und also dem inzwischen dritten der Baumanns – war es dann vergönnt, das Emporwachsen der neuen deutschen Literatur im antiken Gewand zu begleiten und ihr ein Forum zu bieten. Im Jahr 1618 wurde er alleiniger Inhaber der Druckerei. Zwei Jahre später empfing er in Gestalt einer der letzten Amtshandlungen des ›Winterkönigs‹ das Privileg Friedrichs I. Zahllose Drucke zu Ehren des Pfälzers hat Baumann gedruckt.17 Der Jubel über den sehnlich erwarteten Einzug des Königs hallt in den Baumannschen Drucken in einem vielstimmigen Chor wider. Endlich schien sich eine Hoffnung der Reformierten auf schlesischem Boden zu erfüllen. Dann ging die Katastrophe über Stadt und Land hinweg. Noch einmal griff ein Zeitzeuge nach dem anderen zur Feder, doch der Elan der Anhänger des gescheiterten Pfälzer Kurfürsten war gebrochen, man mußte sich rasch umstellen und den neuen Herren, die die alten waren, Ehrerbietung bezeugen. Mit dem berühmten Verleger David Müller, dem Freund Opitzens und dessen Weggefährten, teilt sich Georg Baumann III. den Ruhm, den Autoren der ersten Hälfte des ›schlesischen Jahrhunderts‹ der deutschen Literatur den Weg in die Öffentlichkeit gebahnt zu haben. Opitzens Buch von der Deutschen Poeterey wurde zwar in Brieg gedruckt, jedoch von David Müller in Breslau verlegt. Auch die erste von dem Dichter autorisierte Ausgabe seiner Acht Bücher Deutscher Poematum, die ein Jahr später erschien, verlegte Müller. Gleich danach erschien die Übersetzung von John Barclays Argenis, mit der Opitz in sicherem Gespür für das der Zeit Gebührende die Geschichte des verschlüsselten politischen Romans auf deutschem Boden einleitete. Und so ging die Reihe fort. Als

189

190

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Müller 1636 starb, verfaßte Opitz – der schon auf dem Weg ins Exil in Thorn weilte – ein Trauergedicht, das gleichfalls Berühmtheit erlangte.18 Eine selten intensive Beziehung zwischen Autor und Verleger im frühen 17. Jahrhundert hatte ihr Ende gefunden. Über den Tod Müllers hinaus bewahrte Opitz in den wenigen Jahren, die ihm selbst verblieben, den Verwandten und Nachfahren Müllers die Treue. Auch Baumann aber bedachte Opitz gelegentlich. Seine Übersetzung des Hohen Liedes kam bei ihm heraus, desgleichen die der Capta Rupella des Hugo Grotius. Auch seine Judith erschien bei ihm und natürlich wurden immer wieder Gelegenheitsgedichte auf lateinisch wie auf deutsch von Opitz bei Baumann gedruckt. Hinzu traten die Freunde. Opitzens und Christoph Kölers Gemeinschaftsarbeit Von der Wahrheit der Christlichen Religion, die einer Vorlage des Hugo Grotius folgte, erschien hier. Viele Gelegenheitsgedichte Kölers, die leider niemals in einem Band vereinigt wurden, kamen bei Baumann als Einzeldrucke heraus. Als Baumann 1650 starb, griff selbstverständlich auch Köler zur Feder, so wie er es schon vorher zum Tode von Müller getan hatte. Und auch Andreas Tscherning publizierte lebhaft bei Baumann, bevor er nach Rostock herüberwechselte. Die erste Auflage seiner Deutscher Gedichte Früling erschien 1642 noch dort, dann löste Johann Richel in Rostock den Breslauer Drucker ab, nachdem Tscherning dort eine Professur übernommen hatte. Damit aber sind nur einige wenige Namen genannt. Von Johann Heermann wäre zu sprechen oder von Andreas Scultetus, von Angelus Silesius oder – und das wiederum mit Blick auf David Müller – auch von Daniel Czepko. Eine komplette Baumann-Bibliographie, wie sie erwünscht wäre, würde ein dickes Buch mit illustren Namen und Titeln füllen. Auch das Jubiläum des Buchdrucks konnte Baumann noch in einer Festschrift im Jahr 1640 würdigen, zu der beitrug, was Rang und Namen in Breslau und Umgebung hatte. Der Drucker selbst gab dem Werk eine Widmung an die Präsiden und Ratsherren der Stadt Breslau mit auf den Weg, in der er, erfüllt von Stolz auf die von Deutschland ausgegangene Erfindung, dankbar bekannte, daß ihm ›Fürtreffliche Gelehrte Leute‹ zur Hand gegangen seien, um den Anlaß auch in Breslau würdig zu begehen.19

Ausklang im 17. Jahrhundert: Esaias Fellgiebel Wir dürfen die Baumannschen Erben übergehen. Am Schluß des Jahrhunderts war es nochmals die Gestalt eines Verlegers, die sich in der zweiten Hochphase der schlesischen Literatur hervortat. Wir sprechen von Esaias Fellgiebel. Als »einer der großen Unbekannten der deutschen Buchhandelsgeschichte« wurde

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

er aus berufenem Munde bezeichnet.20 In kurzer Zeit führte er sein Geschäft zu großem Erfolg. In den beiden buchhändlerischen Zentren, in Leipzig und in Frankfurt am Main, unterhielt er Buchläden. Und ein solcher befand sich auch in Breslau, ohne daß Fellgiebel daselbst eine Druckerei betrieben hätte. Seine Bücher ließ er von Druckereien in Breslau, Leipzig und anderwärts herstellen. Oftmals erscheinen Breslau und Leipzig gemeinsam im Impressum. Fellgiebel besuchte Leipzig vor allem zu den Messen und besaß dort ein Gewölbe als Buchladen. »Nicht ohne Grund wurde er ›bibliopolarum Vratislavensium primarius‹ genannt. Man könnte nach unserem heutigen Wissen hinzufügen: Er war der wichtigste deutsche Verleger für Barockliteratur im engeren und weiteren Sinne.«21 Das gilt in erster Linie gewiß für Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Seine Deutschen Übersetzungen und Gedichte kamen bei Fellgiebel in zahllosen Ausgaben heraus, desgleichen seine Übersetzung von Guarinis Pastor fido sowie der Sterbende Socrates. Für Andreas Gryphius konnte Fellgiebel nur noch am Schluß der Schaffenszeit des großen Dichters tätig werden. Immerhin, seine beiden Komödien Die geliebte Dornrose und sein Gesang-Spiel Verliebtes Gespenst verlegte er, und der Sohn Christian vertraute die Werke seines Vaters in zwei mächtigen Bänden ebenfalls Fellgiebel an. Hinzutrat sodann Gryphius’ Nachfolger im dramatischen Fach, Daniel Casper von Lohenstein. Einzelne seiner Dramen erschienen bei Fellgiebel. Vor allem aber wurden von der Witwe und den Erben sodann die Sammelausgaben der Lohensteinschen Werke betreut. Auch der letzte in der illustren Reihe der schlesischen Dramatiker, Johann Christian Hallmann, ließ eine Sammlung seiner Schaustücke 1672 bei Fellgiebel herausgehen. Der größte Roman des Zeitalters freilich, Lohensteins Arminius, in dem die Reichs-Utopie ein einziges Mal sinnfällige Gestalt annahm, war nicht mehr mit dem Namen Fellgiebels verknüpft. Er kam nach dem Tod Lohensteins 1689 in der Bücherhochburg Leipzig heraus. Eine Literaturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit ließe sich also über weite Strecken auch über eine Drucker- und Verlegergeschichte herausspinnen.

Übergang zu den Bibliotheken Wir halten hier inne. Im 18. Jahrhundert steigen die Verleger allenthalben auf. Sie profitieren nicht nur von der üppig ins Kraut schießenden Lesekost für breitere Schichten. Ihre Namen haften auch an den nun in großem Stil in Gang kommenden gelehrten Aktivitäten, wie sie sich in der Gründung von Vereinen und Periodika spiegeln. Davon soll im letzten Kapitel die Rede sein. Wir tun

191

192

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

den Schritt von den Druckern und Verlegern zu den Bibliotheken und – ganz am Rande – auch zu den Archiven. Geht es um eine Morphologie kultureller Ensembles, als welche wir Städte gerne sehen lernen würden, so gehören die Sammelstätten des gedruckten und geschriebenen Wortes allemal dazu. Sie sind die Speicher der Erinnerung und damit Stifter kommunaler Identität, wie wir sagten. Sie sind aber auch die Brennpunkte gelehrter Arbeit. Diese vollzieht sich vor Ort. Nur in den selteneren Fällen strahlt der Glanz berühmter Häuser über Stadt und Land hinaus. Dann bilden sie Anziehungspunkte für die Eliten aus aller Herren Länder. In der Regel fällt diese Rolle den Häusern in den Hauptstädten einer Nation zu. Deutschland aber, dezentral verfaßt, nennt weitgestreut über das Land Schatzhäuser des Buches sein eigen. Keines gleicht dem anderen, ein jedes hat seine eigene Geschichte und – man erlaube den Terminus ausnahmsweise – sein eigenes Schicksal. Ringe des Wachstums haben sich in einem an jedem Ort anders verlaufenden Prozeß herausgeformt. Aber auch Male der Versehrung, ja der Schädigung bis in die Wurzeln hinein sind oftmals zu gewahren. Der mentale Status der intellektuellen Elite einer Nation bemißt sich nicht zuletzt daran, in welchem Maße ihr die bibliothekarische und archivarische Infrastruktur des Landes oder einer Region bzw. einer Stadt gegenwärtig ist. Nicht nur Museen und Theater, Konzert- und Opernhäuser bedürfen der aufmerksamen Begleitung einer kritischen Öffentlichkeit. Auch die weniger spektakulären Institutionen bleiben angewiesen auf Zuwendung und kommunikativen Transfer. Wir ergreifen mit Überzeugung freudig eine jede sich bietende Gelegenheit, um Bibliotheken in das Blickfeld zu rücken, geht es doch um nicht weniger als unseren geistigen Nährboden.22

Kirchlich-monastisch gesegnete Landschaft Bibliotheken pflegen eine lange Vorgeschichte zu haben. Bevor sie als solche an die Öffentlichkeit treten, hat sich in aller Regel viel getan. Und das oftmals über Jahrhunderte. Will man ihre Physiognomie verstehen, muß man sich der Geistigkeit versichern, der sie ihr Leben verdanken. Und entsprechend führt der Weg in den großen Städten, zu denen Breslau zählt, allemal zurück ins Mittelalter. Keine Stadt im alten deutschen Sprachraum – Köln vielleicht ausgenommen – war reicher an Kirchen und Klöstern als Breslau. Eine Metropole wie die schlesische Hauptstadt wirkte wie ein Magnet auf die Träger geistlicher und monastischer Kultur. Kaum eine dieser Stätten religiösen Zeremoniells und meditativer Versenkung, die nicht auch verwoben war mit skripturalen Praktiken

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

jedweder Art, welche über kurz oder lang in oftmals kostbar illuminierte und eingefaßte Werke der Buchkunst mündeten.23 Das aber eben nicht zum Zwecke des Sammelns und Repräsentierens, sondern hervorgehend aus dem geistlich-gelehrten Treiben, welches sich stützt auf die Schrift und schreibend wie abschreibend unaufhörlich für Mehrung des Schatzes sorgt. Und so mag es geschehen, daß sich sukzessive ein Fundus bildet, der erst Jahrhunderte später die schützenden Mauern verläßt und sodann in ursprünglich wesensfremde Kontexte eingerückt wird. Breslau bietet dafür geradezu paradigmatisch ein kaum zu erschöpfendes Feld der Anschauung – eine Anschauung, die umspielt bleibt von Zwiegesichtigkeit und von Trauer, wie sie für einen sensiblen Beobachter den Weg in eine säkulare Moderne begleiten. Das eine Zentrum bildeten die Klöster und die mit ihnen verbundenen Kirchen.24 Erheblicher Bücherbesitz ist für die Augustiner-Chorherren und die Prämonstratenser bezeugt. Die Bibliothek von St. Vinzenz, das Matthiasstift der Kreuzherren und das Stift St. Bernhardin markieren bibliothekarische Kristallisationspunkte. Typisch aber für Schlesien war die Massierung von Buchbesitz im ganzen Land. Und davon muß mit Breslau im Blick gesprochen werden, weil es eben die Bestimmung der schlesischen Hauptstadt werden sollte, in zwei großen Wellen zu Beginn des 19. und in der Mitte des 20. Jahrhunderts vielfach das Erbe dieser reichen Kollektionen zumindest in Teilen anzutreten. Es reicht, die Namen der Kirchenbibliotheken von St. Peter und Paul und der Liebfrauenkirche in Liegnitz, aber auch des Kartäuser- und Dominikanerklosters daselbst oder aber die der Dombibliothek in Glogau, der Zisterzienserabteien in Grüssau, Leubus und Rauden und des Zisterzienserklosters Heinrichau aufzurufen, die sich für den Bibliothekshistoriker mit der Erinnerung an kostbare Sammlungen und oftmals auch an splendide Lokalitäten verbindet. Wenn Breslau für seinen Schatz an mittelalterlicher Buchkultur bekannt war, so verdankte es diesen Ruf Quellen, die einst im ganzen Land sprudelten und erst zu vergleichsweise später Stunde in einem einzigen Becken zusammenströmten.

Die Dominsel als spirituelles und bibliothekarisches Zentrum Einen zweiten Kristallisationspunkt bildete die Dominsel. Die magistri unter den Domherren, die teilnehmen wollten am Verkehr mit den gelehrten Zentren, unter denen Krakau hervorragte, blieben angewiesen auf in Umlauf befindliche und in diesem Sinn aktuelle Literatur. Zwischen der Dominsel und dem erzbischöflichen Quartier in Krakau gingen Bücher hin und her und so ist es kein Zufall, daß die erste bezeugte Schenkung eben Krakau gilt.

193

194

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Im Jahr 1261 vererbt der Breslauer Domherr und Dechant von Krakau, Jacob, seine Bibliothek der Krakauer Kirche. Fast zeitgleich gelangte die Bibliothek des Breslauer Bischofs Thomas I. an die Breslauer Dominikaner. Für das 14. Jahrhundert sind weitere gelehrte Domherren als Besitzer von Büchern bekannt, deren natürlicher Bestimmungsort die bereits im späten Mittelalter heranwachsende Dombibliothek ist. Oftmals umfaßten die Sammlungen bereits mehrere hundert Bücher. Als der Breslauer Domherr und Liegnitzer Archidiakon Nikolaus Merboth 1501 starb, vermachte er testamentarisch der Dombibliothek 240 Bände. Mit der Gestalt des Bischofs Johannes IV. Roth verbindet sich auf der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert in der bibliothekarischen Historiographie der eigentliche Beginn der Breslauer Dombibliothek. Seine Bibliothek war die bis dato bedeutendste, die dem Haus auf der Dominsel vor Einsatz der Reformation zufiel, da neue bibliothekarische Zentren sich herausformten.25 Zu Anfang des 16. Jahrhunderts wurde das an der Nordostecke der Domkirche stehende Kapitelhaus gebaut, in dessen oberem Raum die Bibliothek ihren Platz fand. Zwei hohe Pfeiler trugen das kirchenähnliche Gewölbe. Zwei Marmortafeln standen da, die eine den kapitularischen Erbauern und Prokuratoren Peter Jenkwirt und Stanislaus Sauer gewidmet, die andere aus humanistischem Lebensgefühl heraus dem ›Geist‹, der sich allem Wissenswerten anvertraut. Sauer und Jenkwirt besaßen umfängliche Büchersammlungen, die nun den neuen Bibliothekssaal bereicherten. Er gehörte rasch zu den Sehenswürdigkeiten. Als Kaiser Rudolf II. in die Stadt einzog, wurde mit seinem Besuch auch in der gelehrten Enklave gerechnet. Die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts sollte dann im Zeichen des Doktors der Rechte Friedrich Bergius stehen. Er ordnete die Bücher systematisch und fertigte einen Katalog, der 1615 abgeschlossen war. Auf dem vorderen Deckel stand in goldenen Majuskeln: Index Librorum Bibliothecae Ecclesiae Et Capituli Vratislaviensis. Concinnatus Opera Frid. Berghii Canonici Vratlislaviensis. MDCXV. Ihm sollte alsbald unschätzbarer Wert zukommen. Als die Schweden 1632 Breslau besetzten, wurde die Bibliothek ein Opfer von Vandalismus und Brandschatzung. Nur über den sorgsam gearbeiteten Katalog war eine Rekonstruktion möglich. Das aber nur bis in das Jahr 1945. Die kostbare Handschrift war über das Kloster Heinrichau in die Breslauer Universitätsbibliothek gelangt, wurde vermutlich in die Auslagerungen während des Zweiten Weltkriegs einbezogen und kehrte nicht nach Breslau zurück; in der heutigen Universitätsbibliothek haben wir sie nicht mehr gefunden. Die Dombibliothek aber nahm einen Neuanfang und wurde bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

auf einen zweiten Höhepunkt geführt, so daß im 18. Jahrhundert nach weiteren Zugängen glanzvolle Bilanz gezogen werden konnte.26

Reformation und Humanismus in bibliothekarischer Optik Auf den Einsatz des Buchdrucks pflegt auch ein bibliothekarischer Neuanfang datiert zu werden. Wir wahren Zurückhaltung gegenüber dieser eingeführten Weise der Betrachtung. Und das nicht nur, weil das handgeschriebene und gedruckte Buch noch lange Zeit nebeneinander existieren. Auch in der Optik des Sammlers, wie er nun vermehrt hervortritt, macht die Scheidung keinen Sinn. Die Kenner, die sie entweder selbst sind oder die sie in ihre Dienste nehmen, halten in aller Regel gleichermaßen nach der kostbaren Handschrift wie dem wertvollen Buch Ausschau. Neu in das Geschehen kommt mit der schwarzen Kunst, daß das gedruckte Buch selbst fast ein ganzes Jahrhundert lang eben eine Zimelie darstellt. Wenn die Reformation gleichermaßen buch- wie bibliotheksgeschichtlich in gewisser Hinsicht eine Zäsur markiert, so vor allem, weil sie das Privileg des Buchbesitzes lockert. Sie setzt einen Schub an religiös inspiriertem Tagesschrifttum frei, das breitgestreut zirkuliert und dessen Bestimmung es ist, in viele Hände zu gelangen. Und so mag die denkwürdige Situation eintreten, daß das, was als Massenware auf den Markt gelangte, erst viel später zu einem raren und gesuchten Artikel aufrückt. Alle Gattungen sind davon betroffen, die Flugschrift nicht anders als die Predigt, das Lied nicht anders als das Schaustück, der Kalender nicht anders als der Schwank. Brachte also die Reformation eine Revolutionierung der Medien mit sich, so gilt Vergleichbares auch für die literarischen Formen. Sie entspringen einem neuen Willen, über das gedruckte Wort zu wirken, dienten dem Verbrauch, wurden zerlesen, verschwanden also wieder vom Markt und kehrten im Kreislauf des Lebens, wie er auch Büchern eignet, viel später als begehrte Objekte bibliophiler Begierde wieder. Ist jedoch vom Humanismus die Rede, so gilt womöglich teilweise Gegenteiliges. Die Blicke waren in die antike Welt gerichtet. Was an schriftlichen Überbleibseln sich über die Zeiten gerettet hatte, erfreute sich höchster Aufmerksamkeit. Einzelne Humanisten verdankten ihren Ruhm in erster Linie dem Umstand, daß sie das Glück hatten, auf kostbare, und das hieß, auf unikate Träger der antiken Überlieferung gestoßen zu sein. Sukzessive formte sich ein neues Bild zunächst der römischen, dann der griechischen und vereinzelt auch der orientalischen Geschichte und Kultur heraus, geknüpft an die Verfügbarkeit authentischer Quellen. In einem zweiten Schritt mochten einzelne von ihnen

195

196

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

dem Druck zugeführt werden. Das setzte Kennerschaft voraus und blieb ein in der gelehrten Welt aufsehenerregendes und gerne diskutiertes Ereignis. Der humanistische Impetus war ein elitärer, weil an die Kenntnis der alten Sprachen geknüpfter. Wenn dann im Späthumanismus eine Verstetigung und Intensivierung des Schreibens vornehmlich im Lateinischen einsetzt, wie vor allem am Gelegenheitsschrifttum ablesbar, so kommt damit innerhalb der Geschichte des bibliophilen Humanismus ein neues Moment ins Spiel, das auch sammlerisch und bibliothekarisch erhebliche Konsequenzen zeitigt. Ist folglich vom Sammeln und damit von Bibliotheken die Rede, so gilt es, dieser verschiedenen Wurzeln zu gedenken.27

Gelehrte Infrastruktur bibliothekarisch gewendet Soweit eine gewissermaßen ›idealtypische‹ Bemerkung vorab. Wir schauen nach Breslau. Der Einstieg scheint vorgegeben über eine einzige Gestalt. Wir möchten in einer letzten Vorbemerkung einen anderen und weniger gewürdigten Sachverhalt erinnern. Breslau, so zeigten wir, war in der Frühen Neuzeit eine gelehrte Hochburg. Zu den Schulen bei Kirchen und Klöstern waren die von den Reformatoren propagierten und vom Rat der Stadt geförderten schulischen Anstalten getreten. In ihnen behaupteten die Humaniora, gegründet auf sprachliche Kompetenz und Eloquenz, die vorderste Position. Das gelehrte Leben in den Städten der Frühen Neuzeit wurde wesentlich von den Gymnasien geprägt, und das in keiner Stadt mehr als in Breslau mit seinen illustren Häusern, die wir kennenlernten. Nun ist es jedoch ein ehernes bibliothekarisches Gesetz, daß die produktive Professorenschaft zugleich aus ihren Reihen heraus produktive Sammler gebiert. Produktion und Kollektion liegen in einer Hand. Institutionell gewendet heißt dies nichts anderes, als daß die Schulen und vornehmlich eben die Gymnasien in der Frühen Neuzeit bibliophile Schatzhäuser erster Güte waren. Und das weniger zur Zeit der Entstehung des einschlägigen Schrifttums, als vielmehr seit dem 18. Jahrhundert, da es zu einer gesuchten und gewürdigten Ware wurde. Bibliotheksgeschichtliche Studien mit Blick auf kommunale kulturelle Zentren sind deshalb so gut, wie sie den Gymnasialbibliotheken den ihnen gebührenden Platz einräumen. Hier kann nur ein knappes Wort verlauten, dazu bestimmt, immer noch kursierende Fehlurteile zu korrigieren. Drei Bibliotheken teilten sich innerhalb der Mauern der Stadt den Ruhm, Sachwalter in der Magazinierung der umlaufenden Produktion zu sein. Es waren dies die Bibliotheken der Schulen bei den Kirchen zu St. Elisabeth, zu St. Maria Magdalena und zu St. Bernhardin. Zu

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

später Stunde trat das reformierte Friedrichs-Kolleg hinzu. Wir möchten angelegentlich davor warnen, sogleich mit Wertungen hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen Anstalten zur Stelle zu sein. Gewiß, eine von ihnen behauptete eine Sonderstellung, wie dies auch nomenklatorisch zur Geltung kam. Entscheidend blieb, daß alle dreie und schließlich alle viere bedeutende Lehrer und Sammler in ihren Reihen hatten, die Phantastisches gerade auf dem Gebiet des heute so geschätzten Kleinschrifttums zuwege brachten. Wenn die ehemalige Stadtbibliothek Breslau und die heutige Universitätsbibliothek Wrocław über einzigartige Bestände von Umfang und Wert her bezogen auf die gelehrte Infrastruktur der Stadt und des Landes Schlesien besaßen bzw. heute vielfach wieder besitzen, so ist dies neben potenten Stiftern und Mäzenen vor allem den gelehrten schulischen Köpfen zu verdanken, die so häufig in ihrem Nebenberuf Sammler und Bibliothekare waren und als solche vielfach erst in jüngster Zeit die ihnen gebührende Wiederentdeckung und Würdigung erfahren.

Ein Sproß aus dem Geschlecht der Rhedigers Die Bibliothek bei St. Elisabeth bzw. bei der Schule und seit 1562 bei dem Elisabethgymnasium hatte einen besonderen Status seit dem 17. Jahrhundert inne. In der Stadt war seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts ein Geschlecht ansässig, das für eine lange Zeit zu den reichsten und einflußreichsten in ihr gehörte.28 Der erste dieses Namens und Begründer der Familie in Breslau war Nikolaus I. Rhediger. Als Nikolaus nach Breslau kam, wurde er dort von den Haunold, Rindfleisch, Morenberg rasch als einer der ihren angesehen, stieg er doch zum Begründer eines bedeutenden Handelshauses in Breslau auf. In Antwerpen und Danzig hatte er Niederlassungen und im Breslauischen erwarb er Grundbesitz. Das Gut Slisa nannte schon er sein eigen; später kamen Striese, Scheditz und andere Flecken hinzu. Auch an einer Gestalt wie der Nikolaus Rhedigers läßt sich ein Bild von der Potenz dieser Breslauer Führungsschicht gewinnen, die eben auf dem Handel und verknüpft mit ihm auf dem Bankwesen beruhte. Nikolaus heiratete die Tochter des angesehenen und begüterten Stadtschreibers Gregor Morenberg namens Anna. Der Sohn Morenbergs wurde 1534 in den Breslauer Rat gewählt. Später stieg er zum Mitglied des Schulkollegiums und zum Schulpräses auf. Eine politische und gelehrte Bastion war bezogen, die Folgen auch im Blick auf den Schwiegersohn bzw. den Schwager hatte. Schon Nikolaus entschloß sich, eine erhebliche Summe zur Förderung der Wissenschaften in der Stadt auszusetzen. Als er 1553 starb, wurde der älteste Sohn Nikolaus II. Chef des Handelshauses und Haupt der Familie.29 Er war mit der

197

198

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Augsburger Patrizierin Rosina Herbrot verheiratet, der Tochter des kaiserlichen Rates Jakob Herbrot. Die älteste Schwester Anna war Gattin Anton von Banks, der als Mitglied des Rats der Stadt und mehrfach als Landeshauptmann des Fürstentums Breslau fungierte. Noch zehn weitere Kinder, teilweise früh verstorben, wären auf ihrem Lebensweg zu verfolgen. Es könnte gezeigt werden, wie eng die verwandtschaftlichen und über sie hinaus die politischen und geschäftlichen Bande geknüpft waren. Die Rhedigers und die Familien, mit denen sie durch Heirat verbunden waren, gehörten durchweg der Spitze der Stadt an. Die Monau, Hertwig, Pucher von der Puche, Rindfleisch, Rybisch, Hörnig, Rothe und Sauermann zählten dazu. Kaum eine Stadt im Reich, die eine gleich große Zahl namhafter Geschlechter in ihren Mauern hatte. In bibliotheksgeschichtlicher Hinsicht ist zu konstatieren, daß viele Namen aus eben diesen Familien auch als Stifter von Büchern wiederkehren. Es ging in diesen Kreisen nicht nur um Handel und Finanzen. Das lehrt eine Gestalt aus dem Geschlecht der Rhedigers, der noch vor der berühmtesten aus dem Hause für einen Moment unser Augenmerk gelten darf. Unter den Kindern Nikolaus II. Rhediger ist nochmals ein gleichnamiger, der nun als dritter der Sippe figuriert. Er kam 1555 in der Heimatstadt der Mutter zur Welt. Die Ausbildung indes erfolgte in Schlesien, nämlich dem Elisabethanum in Breslau, das soeben zum Gymnasium erhoben worden war, und in der berühmten Schule zu Goldberg, der Gründung Trozendorfs. Über Frankfurt an der Oder und Leipzig führte der Studienweg nach Wittenberg in die Nähe der geistigen Welt Melanchthons – der prägenden Erfahrung dieser Generation, sofern ihr denn das Studium in Wittenberg vergönnt war. Die andere rührte wie für so viele Schlesier her aus der Begegnung mit herausragenden Gestalten in der reformierten Pfalz. Schloß sich dann noch eine Bildungsreise in die Schweiz, nach Italien und womöglich nach Frankreich an, dann war ein geistiges Rüstzeug vorhanden, von dem ein Leben lang gezehrt zu werden vermochte.30 Dieser Sproß der Rhedigers hat die Chance ergriffen. Er verzichtete auf die Betätigung als Kaufmann in der Tradition seiner Familie, nahm auch keine offiziellen Ämter an, sondern führte zunächst in Breslau ein offenes Haus und zog sich dann auf seine ländlichen Güter zurück. Dort lebte er seinen Studien, dem Empfang von Gleichgesinnten sowie der Sammlung von Büchern und Gemälden hingegeben. Ein antikes Ideal mußevollen selbstbestimmten Lebens war diesem Angehörigen aus reichem Haus vergönnt, in dem sich ein humanistischer Impetus mit einem adeligen Ethos traf. Wir werden der Gestalt Nikolaus III. Rhediger sogleich in der Umgebung des gelehrten Freundes Jakob Monau nochmals begegnen. Ein Kopf von der Statur des großen Juristen Nicolaus

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Henel von Hennenfeld hat es sich nicht nehmen lassen, Nikolaus III. ein Porträt in Gestalt eines respektablen Buches zu widmen. Er fungierte zeitweilig als Erzieher der Söhne und ging mit ihnen auf die peregrinatio academica in den Fußstapfen des Vaters.31

Thomas Rhediger als Sammler, Stifter und Namensgeber Einen anderen und doch heimlich verwandten Lebensweg nahm Nikolaus’ Onkel Thomas Rhediger. Noch einmal machte sich die mit dem Humanismus in die Welt gekommene und auf die Künste und Bücher gewandte Leidenschaft geltend. Erfüllen in überdurchschnittlichem Ausmaß aber konnte sie sich nur für die wenigsten. Der Rhediger-Sproß gehörte dazu. Das Gedächtnis an ihn hat sich weder in der Stadt noch in der gelehrten Welt je wieder verloren. Zu spektakulär war, was er reisend, sammelnd und korrespondierend zuwege brachte. Und als dann sein Vermächtnis öffentlicher Besitz wurde, war sichergestellt, daß er über sein unmittelbares Wirken hinaus für alle erdenkliche Zeit an der kulturellen Entfaltung seiner Heimatstadt teilhaben würde. Der Traum eines jeden Sammlers, wie er sich vor allem an Bilder heftet, erfüllte sich in seiner Gestalt ausnahmsweise auch einmal vornehmlich über das Buch. An dem aber hatte das Handgeschriebene bezeichnenderweise noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts einen ganz wesentlichen Anteil. Thomas Rhediger kam 1540 zur Welt.32 Auf der Elisabethschule erhielt er Unterricht. Frühzeitig dürfte sich in der Tradition der Familie der Kontakt zu dem berühmten Arzt Crato von Crafftheim hergestellt haben. Das Studium nahm Thomas in Wittenberg auf. Melanchthon lebte noch. Als dieser 1560 starb, wandte sich Thomas dem Schwiegersohn Melanchthons, Casper Peucer zu. Zum Standesethos gehörte für einen Rhediger die weitausgreifende Bildungsreise. Zunächst ging es nach Frankreich, Paris und Orléans, das aber in den frühen sechziger Jahren zu einer Zeit, da die konfessionellen Bürgerkriege heftig entbrannt waren. Er wich in die Niederlande aus, kam nach Antwerpen, sodann nach Bourges, später sogar nach England, kehrte aber wiederholt nach Paris zurück und folgte seinem Lehrer Jacques Cujas nach Valence. Der Besuch Italiens bezeichnete vornehmlich in einem inneren Sinn den Höhepunkt seiner Reisetätigkeit, setzte hier doch die zunehmend systematisch betriebene Umschau nach Handschriften und wertvollen Büchern ein – und das ausdrücklich mit dem Ziel, seine Heimatstadt Breslau mit einem kulturellen Juwel zu zieren. Padua, Bologna, Siena, schließlich Rom und Neapel bildeten die einschlägigen Stationen, bevor es nach Venedig zurückging.

199

200

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Dann trat der Westen neuerlich in das Blickfeld. Antwerpen, Speyer mit dem Reichsgericht, Köln, schließlich Frankfurt am Main und Heidelberg wurden besucht. Die letzten Jahre führte Thomas das Leben eines Grandseigneurs in Köln. Im Mittelpunkt seines weltoffenen Hauses standen die Sammlungen. Der Bibliothek und der Münzsammlung wurde nach fürstlichem Vorbild eine Kunstkammer angegliedert, in der sich neben Statuen und Gemälden Kuriositäten wie Balsamöl und Zimtzweige befanden. Alles schien darauf angelegt, daß der Breslauer Patrizier inmitten der rheinischen Metropole ein Zentrum geistig-geselliger Kultur schaffen sollte, wie er solche vor allem in Italien kennengelernt hatte. Seine Tage waren jedoch gezählt. Während einer Ausfahrt ereignete sich ein verhängnisvoller Unfall, als sein Gefährt verunglückte und Rhediger sich eine Verletzung zuzog, von der er sich nicht mehr erholte. In Köln starb er 1576, ohne die Heimatstadt wiedergesehen zu haben.33 Die in Breslau verwahrte Briefschaft, nur teilweise erhalten, vermittelt am ehesten ein Bild des weitgespannten gelehrten Netzes, das Thomas Rhediger in seinem kurzen Leben zu knüpfen verstanden hatte. Neben Crato selbst sind es Henricus Stephanus und Carl Clusius, Denis Godefroy und Hubert Languet, François Hotmann und Hubert van Giffen, Janus Dousa und Justus Lipsius, Ludwig Camerarius und Johannes Caselius, um nur einige der großen Namen zu nennen. Auch widmend verlieh die nobilitas literaria über die Grenzen Deutschlands hinaus dem Breslauer Patriziersohn immer wieder ihre Hochachtung, und das über seinen Tod hinaus. Die Sorge des so früh vom Tode Gezeichneten galt am Ende vor allem der Sicherung seines Lebenswerkes. Seine Brüder Adam und Jakob Rhediger setzte er zu Erben seiner Bibliothek, seiner Kunstwerke und seiner Münzen ein, die er zusammengebracht hatte.34 Das aber unter der Bedingung, daß die Schätze nach Breslau überführt und dort ungeteilt und als ganze öffentlicher Nutzung zugeführt würden, versehen mit dem Titel ›Rhedigersche Bibliothek‹ auf einer Gedenktafel an den Stifter. Damit war aus humanistisch-patrizischem und städtisch-patriotischem Geist ein kulturpolitischer Akt initiiert, der nicht aufhören sollte, fortzeugende Kraft in Breslau und weit über die Stadt hinaus zu entfalten. Keine Vorstellung reicht hin und keine summarische Charakteristik ist dazu angetan, den Radius der der Stadt Breslau zufallenden Morgengabe zu umreißen.35 Dürre Daten sind nicht vermögend, das Exzeptionelle des Rhedigerschen Vermächtnisses zu erläutern. Und das ungeachtet der Verluste, die schon auf dem Transport von Köln nach Breslau einsetzten und sich in Breslau nach dem Zeugnis der Chronisten offenkundig fortsetzten. Von 6000 Buchbänden und 300 Manuskripten ist die Rede. Das scheint nicht übermäßig viel. Aber Zahlen

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

besagen in bibliothekarischen Kontexten wenig. Es handelt sich zum überwiegenden Teil um Inkunabeln und Frühdrucke, darunter die ersten Bibeldrucke, Chroniken, Grammatiken bis hin zum Hebräischen, Kartenwerke und Kosmographien, und das vielfach in Prachtdrucken auf Pergament reich verziert und bebildert. Ganze Druckerdynastien mit den klangvollsten Namen wie denen der Manutius, Oporinus, Frobenius, Stephanus, Wechel, Plantin, und wie sie heißen, waren hervorragend vertreten. Kein Gebiet, das ausgespart blieb, aus jeder Disziplin gelangte kostbarstes Gut in die Bibliothek. Die berühmtesten Stücke unter den Pretiosen, die Miniaturhandschrift von Froissarts Chronik, die Weltkarte Mercators oder die Cosmographia Ptolemaei bildeten nur die Spitze unter ungezählten Kleinodien. Einzig der Sproß eines vermögenden Geschlechts, von Geldsorgen unbehelligt, war in der Lage, derart verschwenderisch auf dem internationalen Buch- und Gemäldemarkt einkaufen zu lassen. Schwierig indes gestalteten sich die Dinge in Breslau. Nicht vorzustellen, wie der Stifter reagiert hätte, wäre er mit den nun einsetzenden Komplikationen noch konfrontiert worden. Er muß Gründe gehabt haben, den ältesten Bruder an dem Vermächtnis nicht zu beteiligen. Damit aber wurde auch dessen Sohn Nikolaus III. betroffen, der zwar noch studierte, offensichtlich sich aber gleichfalls Hoffnungen gemacht hatte. Es war ein Glück, daß erfahrene Freunde der Familie vor Ort weilten, die begütigend und schlichtend eingreifen konnten. Ein Crato und ein Jakob Monau waren zur Stelle und walteten ihres Amtes. Dabei erwies es sich als hilfreich, daß Thomas Rhediger die Wahrung der Geschlossenheit zur Bedingung gemacht hatte. Der Zerstreuung der Sammlung war derart ein Riegel vorgeschoben. Als erstes mußte ihre Unterbringung sichergestellt werden. Sie erfolgte zunächst in einem Privathaus. Und das, ohne daß die Schätze ausgepackt worden wären. Dann setzte die Vorkriegs- und die Kriegszeit ein und die Bibliothek trat in den Hintergrund. Dem Rat der Stadt ist es zugute zu halten, daß er auf Vollstreckung des Testaments drang. Und er tat einen Schritt, dessen ganze Bedeutung sich erst viel später herausstellen sollte. Er wies nämlich den Chor der Elisabethkirche, das ehemalige ›Auditorium Theologicum‹, in dem auch die Reformatoren ihre Vorlesungen abgehalten hatten, zur Unterbringung der Bibliothek aus. Dort verblieben Bücher und Bilder, ohne freilich der Öffentlichkeit zugänglich zu sein. Es dauerte noch fast sechzig weitere Jahre, bis auch dieser Verfügung Rhedigers Genüge getan wurde. Daß der so lange sich hinziehende Prozeß schließlich doch ein glückliches Ende fand, ist einem der Großen der Breslauer und schlesischen Geistesgeschichte zu danken, dem Juristen und Syndikus der Stadt, Nicolaus Henel von

201

202

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Hennenfeld. Er war der Familie verbunden, hatte in den Diensten von Nikolaus III. Rhediger gestanden und diesen seinen Förderer und Patron literarisch verewigt. So war er die dazu prädestinierte Persönlichkeit, im Zusammenwirken mit Veit Röthel von Reichenau als weiterem Bevollmächtigten des Breslauer Magistrats und einem Nachfahren der Rhedigers das Knäuel zu lösen und einen hieb- und stichfesten Vertrag auszuarbeiten. 1645 kam er zustande.36 Die Bibliothek ging in den Besitz des Magistrats über. Die Lokalität, für die kein Mietzins erhoben werden durfte, wurde bestätigt. Zum Andenken an den Stifter ward eine eherne Tafel mit goldener Inschrift an der Wand, links vom Eingang, befestigt und darunter das Bildnis Thomas Rhedigers angebracht. Ein Bibliothekar wurde bestellt und auf die Eröffnung der Bibliothek hingewirkt. In einem feierlichen Akt des Jahres 1661 wurde diese vollzogen. Nicht nur in Breslau wurde Bibliotheksgeschichte geschrieben. Wir sind in der glücklichen Situation, das Dokument der Zeremonie zu besitzen. Es lohnt sich, für einen Moment einen Blick hineinzuwerfen.37

Johann Gebhards Eröffnungsrede Vor das Publikum trat der nun erstmals seines Amtes waltende Bibliothekar der Rhedigerschen Bibliothek Johann Gebhard, der am Elisabethanum als Professor und Konrektor wirkte. Noch im gleichen Jahr lag seine Rede im Druck vor. Er widmete sie vier Angehörigen des immer noch weitverzweigten Geschlechts der Rhedigers. Diesem war es vorbehalten geblieben, so der Redner, einen besonders edlen Vertreter in ihren Reihen zu haben. Als unvergleichlicher Musenführer (›Musageta‹) seiner schlesischen Heimat wird er tituliert. In der Großzügigkeit, mit der er seine Bibliothek der Öffentlichkeit hat zukommen lassen, bezeuge sich sein ganzer Edelmut. Denn den allgemeinen Nutzen hatte er im Sinn. Über zwanzig Jahre weiß sich der Redner den Rhedigers verpflichtet. Einen der ihren, Wilhelm Rhediger, hat er erziehen dürfen, und auch einer der Widmungsempfänger, Johann Christophorus, wurde ihm anvertraut. Ein der Familie Verbundener ergreift aus dem schulischen Raum heraus also das Wort. Illustrer Adel und verdientes Gelehrtentum im Bündnis miteinander – diese dem Humanismus affine Symbiose weiß auch Gebhard aufzurufen und in Wort und Tat zu bekräftigen. Was er dann aber vorzutragen hat, bleibt gleichfalls inspiriert von humanistischem Geist. Die heiligsten Geheimnisse der ehrwürdigen Antike seien in der Kollektion des Thomas Rhediger geborgen, die stetig zu mehren er seine Reisen durch Europa unter großen Mühen angetreten habe. Wachstum von Kirchen und Schulen, ja vom Staat selbst, hängen ab vom Vorhandensein guter

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Bibliotheken. Sie sind ›Waffenkammern‹ der rechtgläubigen Religion, nicht anders als der Staatskunst, und als solche durch nichts zu ersetzen. Mit ihnen verbunden ist Glanz und das Versprechen von Unsterblichkeit. Die humanistische Inbrunst angesichts des gedruckten Worts als Unterpfand von Ruhm potenziert sich im Blick auf die Bibliothek als dem dauerhaften Hort jedweden in Schrift überführten Gedankens. Nicht an Reichtum haftet Ruhm, sondern am Wort. Das ist es, was die humanistische Elite der kaufmännischen ins Stammbuch zu schreiben weiß. Eine ›Heilstätte der Seele‹ sei die Bibliothek, wie schon die alten Ägypter wußten. Und so vermag der Redner genügend Beispiele aus der Antike beizubringen, die die Achtung und Wertschätzung vor dem Sammler, dem Stifter und dem Schöpfer von Bibliotheken bekunden. Nicht der erste ist er, aus dessen Mund diese rühmenden Worte verlauten. Vorgetragen aber vor seinem illustren Publikum finden sie, indem sie wieder aufgerufen werden, ihre Verbindlichkeit, begründen Tradition über die Zeiten hinweg. Das Wirken des Thomas hat ungezählte Vorbilder in der Antike; sie adeln auch das seine. ›Musenführer‹ waren auch sie, verschafften sie den Göttinnen doch eine dauernde Heimstatt. Und das über die Flüchtigkeit alles Irdischen hinaus. Die Bibliotheken mochten untergehen; das Gedächtnis an ihre Stifter erneuert sich in einem jeden Akt pietätvollen Gedenkens. Habe auch Thomas Rhediger so manchen illustren Geist dazu bewegt, ihm eine Schrift zuzueignen, so als Zeugnis der Ehrerbietung, zugleich aber auch im Bewußtsein, über das Buch und seine Leserschaft fortan gegenwärtig zu sein. Rhedigers entscheidende Tat hätte darin bestanden, seine Sammlung gemäß testamentarischer Verfügung öffentlich zu machen. Er wollte die Begegnung mit den Geistern der Vergangenheit befördern, ihnen Leben in der jeweiligen Gegenwart sichern. Und so nimmt die Reihe derjenigen, die ihn eben deshalb preisen und die Gebhard aufzurufen weiß, kein Ende. Zu den großen bibliothekarischen Schöpfungen, angefangen bei der in Alexandrien, über die Vaticana und die Palatina, die Medicea und die Marciana bis hin zu den deutschen Häusern in München, in Fulda, in Gottorf und so fort geselle sich nun in Breslau diejenige des Thomas. Die Stadt an der Oder erhält Anschluß an die unvergänglichen Gründungen in der alten Welt sowie im neueren Europa und Aufgabe des Rhetors ist es, diesen sinnstiftenden Bogen zu spannen. In seiner memorialen Rede vollendet sich der ingeniöse Akt des Vorgängers. Was Gebhard sodann an Titeln aus der Rhedigerschen Bibliothek in einer langen Reihe namhaft macht, ist nur allzu geeignet, die Ebenbürtigkeit mit den erwähnten Bibliotheken zu unterstreichen, über die er sich in staunenswertem

203

204

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Umfang unterrichtet zeigt. Nach Fakultäten gegliedert geht er vor und stellt die jeweils einschlägigen Schriften heraus, nichts könnte sinnfälliger die Weite der Interessen demonstrieren, die Thomas bei seinem Vorgehen leitete. Planmäßig wird der Kosmos des Wissens abgeschritten. In der Bibliothek, so der Redner, wird die Summe menschlichen Denkens gezogen, sie ist eine Welt für sich und Ansporn zugleich, auf dem Weg zum Ganzen des schriftlich Bezeugten unermüdlich unterwegs zu sein. Dabei seien auch die Münzen nicht außer Acht zu lassen, präge sich in ihnen in Aufschrift und Bildnis doch allemal Geschichte und damit menschliches Schicksal aus. Und so nicht anders im Blick auf Gemälde und Skulpturen, Goldgeschmeide und andere Erzeugnisse des künstlerischen Handwerks. Auch die Rede eines Gebhard belegt, in welch unerhörtem Maß sich die Kenntnis der Kultur des menschlichen Geschlechts mit dem Aufkommen des Humanismus erweitert hat. Neben die Bibel und die auf sie gegründete Geschichte der Auslegung ist ein antiker Fundus des Wissens getreten, der danach verlangt, aufgerufen und angeeignet zu werden. In Breslau war Gebhard diese ebenso würdige wie delikate Aufgabe anläßlich der Eröffnung der Rhedigerschen Bibliothek zugefallen. Er hat sich ihrer vor den Ohren der Repräsentanten der Rhedigerschen Familie nicht anders als vor den Kapazitäten in der Stadt und im Land souverän entledigt und zugleich dem Ansehen des Elisabethanums wie des Schulwesens Schlesiens insgesamt einen unschätzbaren Dienst erwiesen.

Stetiges Wachstum als Bestimmung der Bibliothek Mit dem Glück- und Segenswunsch für die Familie Rhediger, dem Preis der Kuratoren und einer Anheimstellung der Bibliothek und der Stadt Breslau unter den göttlichen Schutz hatte der Redner geendet. Eingeschlossen in das Lob und den Dank aber waren diejenigen, die sich von dem Rhedigerschen Werk hatten anregen lassen und nun ihrerseits als Sammler und Stifter in Erscheinung traten. In der Tat ist die Geschichte der Rhedigerschen Bibliothek eine solche unentwegten Zuwachses geblieben. Sie war fortan wie keine andere am Ort dazu bestimmt, Schenkungen entgegenzunehmen. Der Rat brauchte nicht tätig zu werden. Aus der Mitte der Bürgerschaft heraus wuchs sie weiter. An den Namen des einen Rhediger hefteten sich diejenigen ungezählter anderer und ihnen allen teilte sich der Ruhm des Gründers mit.38 Die Zustiftungen setzten sogleich nach dem Tod Thomas Rhedigers mit der Übereignung einer zweibändigen Cicero-Ausgabe (Lyon 1578) ein, wie aus

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

einem chronologisch angelegten Zugangsbuch hervorgeht, das dem Historiker der Bibliothek Scheibel vorlag. Doch bedurfte es der Bekanntmachung der Vereinbarung zwischen der Familie und der Stadt, damit sie in Gang kamen. Interessanterweise stiftete in den sechziger Jahren auch der große Büchersammler Herzog August II. von Braunschweig-Lüneburg einige Titel. Rund tausend Bände kamen zur gleichen Zeit, also eben nach der feierlichen Eröffnung, von dem Sekretär bei den Stadtgerichten Chrysostomos Schultz hinzu. Und gleichfalls noch in das 17. Jahrhundert fiel eine Donation, mit der die Bibliothek mit einem Schlag auf ein neues Niveau gebracht wurde. Schon Krantz in seiner Einladungsschrift hatte dem Namen Rhedigers auf dem Titelblatt denjenigen eines von Sebisch hinzugefügt. Es handelte sich um Albrecht von Sebisch, Soldat und Hauptmann der Roten Kompanie, der 1689 gestorben war und seine Sammlungen der nunmehr städtischen Institution zugedacht hatte. Neben Büchern gelangten 12.500 Kupferstiche in 104 Pergamentbänden, dazu Zeichnungen, mathematische Instrumente, Mineralien und Konchylien in die Elisabethkirche: »Welche Bücher von hinten, wie die Rhedigerischen von vornen, dieser Bibliothec das meiste Ansehen geben«, so der Augenzeuge Kundmann. Diese vielseitige Kollektion blieb als ganze apart aufgestellt, wie Scheibel am Ende des 18. Jahrhunderts zu berichten weiß.39 Aber Sebisch machte eben nur den Anfang. Schon ein Jahr später setzte ein Zustrom der Pretiosen des Ratspräses Johann Sigmunds von Haunold ein, auch sie offensichtlich kaum weniger vielseitig, von Büchern und Mineralien, Münzen und anderen Kuriosa ist die Rede. Insbesondere eine Sammlung kostbarer Steine schien bemerkenswert. Haunold hatte sie vor allem in Ungarn, aber auch im Harz aufgetan, »mit welchen zum Theil, nach einer ungewöhnlichen Idee, ein hölzerner Elephant, der eine 3 Ellen hohe viersäulige Pyramide mit Abtheilungen trägt, bedeckt und geziert ist.«40 Rasch mußten Vorkehrungen getroffen werden, die Lokalität zu erweitern, so ergiebig war der Zuwachs. Auch setzten Stiftungen in barer Münze ein, gelegentlich mit einer genaueren Zweckbestimmung versehen, die dem Ausbau der Bibliothek zugute kommen sollten. Wieder bestätigte sich, daß die Installation eines kulturellen ›Leuchtturms‹ in den Mauern der Stadt Angehörige der Bürgerschaft, aber auch solche des Adels in Stadt und Land ermunterte, sich an der Mehrung des zusehends auch in die Ferne hinausstrahlenden Ensembles zu beteiligen. Dazu trug bei, daß die ›Bibliothek‹ eben auch einen Anziehungspunkt über ihre Gemälde bildete, mit denen sie Thomas Rhediger selbst bereits so üppig ausgestattet hatte. Über sechzig Porträts von Personen aus dem 16. Jahrhundert soll er besessen haben, darunter solche von Erasmus, Michelangelo und

205

206

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Clément Marot. Hinzu kamen in Wachs bossierte Medaillenporträts in vergoldeten Lederkapseln sowie in Blei gegossene und bronzierte Medaillenporträts, die letzteren herrührend von dem italienischen Goldschmied Giovanni Paolo Poggini.41 Das alles mochte auch potente und spendefreudige Nachgeborene anregen, nicht nur Bücher, sondern Kunstwerke aller Art in das nun in der Elisabethkirche Gestalt gewinnende Schatzhaus zu geben. Im letzten Kapitel wird ein wenig darüber zu berichten sein, wie die viel später ins Leben tretenden städtischen Museen von diesen kostbaren Gütern zehrten. Wir müssen es uns versagen, den Wachstumsprozeß der nun ausdrücklich als ›Rhedigersche‹ firmierenden Bibliothek zu verfolgen. Hört man, daß 1707 über Magnus Antonius von Goetz das Bildnis des griechischen Bischofs von der Hand Rembrandts ins Haus kam, so mag dies den Preis des schmerzlichen Verzichts an dieser Stelle erhellen. Klangvoller Namen wäre Erwähnung zu tun. Heinrich und Servatius von Reichel stifteten. Sie waren Angehörige eines Geschlechts, das nicht nur viele Ratsmitglieder und immer wieder auch Ratspräsiden stellte, sondern aus dessen Reihen auch das hochverdiente Manuscriptum genealogicum Reichelianum aus der Feder von Albrecht von Reichel hervorging, datiert auf das Jahr 1677, das eine Fundgrube für genealogische Forschungen blieb. Gottfried von Riemer und Riemberg, Reichsgräflich Promnitz-Plessischer Rat, gab seine Sammlung in die Rhedigersche Bibliothek und vermehrte vor allem ihren reichen genealogischen Fundus. Der Freiherr Hildebrand Rudolph von Hund hatte es sich angelegen sein lassen, seine Bibliothek so einzurichten, daß in ihr vornehmlich bislang in der Rhedigerschen nicht vorhandene Werke versammelt wurden. Entsprechend nachhaltig war der Gewinn, als die Übereignung 1748 erfolgte. 1763, im schlesischen Schicksalsjahr, gesellte sich Christian Gottlieb von Riemer und Riembergs Vermächtnis hinzu, im selben Jahr dasjenige des Carl Wilhelm Sachs und zwei Jahre später gelangten die nachgelassenen und vornehmlich handschriftlichen Arbeiten des großen Martin Hanke in die Räume der Elisabethkirche. Der Zustrom hatte kein Ende und kam insonderheit der schlesischen Landeskunde immer wieder zugute. Das 18. Jahrhundert blieb das klassische Säkulum der großen Stiftungen – in Breslau nicht anders als in den Städten allüberall im alten deutschen Sprachraum. Und das auch im Blick auf die ungezählten Kataloge, die jetzt entstanden. Keine der namhaften bibliothekarischen Stiftungen, die nicht begleitet gewesen wäre von einem Verzeichnis der Bücher, sei es, daß sie bereits existierten, sei es, daß sie von rührigen Händen zumeist aus dem Umkreis der Gymnasien nachträglich gefertigt worden wären. Auch sie sind schwer in Mitleidenschaft gezogen worden im Zweiten Weltkrieg. Doch noch immer ist reichliches und

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

allemal beredtes Material vorhanden. Und dies für alle in der Stadt sukzessive zusammenströmenden Bücher, keinesfalls nur für die in der Rhedigerschen Bibliothek versammelten. Der polnischen wie der internationalen Bibliothekswissenschaft bleibt auf diesem Feld ein reiches Erbe zu bestellen, legt doch eine jede Bibliothek Zeugnis ab vom Geist ihres Schöpfers nicht anders als von den Entwicklungen des literarischen Geschmacks und des wissenschaftlichen Interesses, führt also hinein in die kulturelle Physiognomie einer Zeit in den Jahren ihres Wachstums.42

Die Bibliothek bei St. Maria Magdalena Verständlich mag es erscheinen, daß der Lichtkegel der Betrachtung auf der Rhedigerschen Bibliothek zu liegen pflegt. Das Breslauer Wunder, wenn so gesprochen werden darf, besteht jedoch für den Bibliothekshistoriker darin, daß gleich eine ganze Reihe weiterer hochkarätiger Institutionen vor Ort im Laufe von Jahrhunderten heranwachsen konnten. Wir mögen uns täuschen, doch ist uns kein Name einer Stadt gegenwärtig, für die Ähnliches gelten dürfte. Breslau war ein bibliophiler Kosmos. Und das keineswegs nur aufgrund der Präsenz der Rhedigerschen Bibliothek. Es muß eine Freude gewesen sein, in den verschiedenen Häusern weilen zu können und stets auf Sammlungen mit eigenem Profil zu stoßen. Mit großer Dankbarkeit bekennen wir ein, daß es zunächst den deutschen Bibliothekaren im 19. und sodann den polnischen im 20. Jahrhundert gelungen ist, ungeachtet gewaltiger Umbrüche dieses vielgestaltige Antlitz diverser Bibliotheken erhalten zu haben. Von wie vielen Orten und Bibliotheken ließe sich Ähnliches nach den Katastrophen sagen? Wir fürchten, die Anzahl ist nicht eben groß. Für Bibliotheken sind Abbrüche und Neuanfänge in aller Regel von Übel. Sie leben als Zeugen von Tradition ihrerseits von Kontinuität. An die Schulen heftete sich die Ansammlung von Buchgut, in den Kirchen fand es eine Unterkunft und über kurz oder lang erfolgte die formelle Eröffnung einer Bibliothek. So geschah es im Falle der Rhedigerschen Bibliothek. Und so vollzog sich die Entwicklung auch im Schatten der zweiten mächtigen Kirche vor Ort und der ihren Namen tragenden Schule bei St. Maria Magdalena. Ja, ginge es um Prioritäten auf der Achse der Zeit – die Bibliothek zu St. Maria Magdalena dürfte für sich in Anspruch nehmen, noch vor der Rhedigerschen einen feierlichen Akt der Einweihung erlebt zu haben. Und das im Bunde mit einem Redner, der sich wie sonst nur sein Lehrer und Freund Martin Opitz höchsten Ansehens in Breslau und darüber hinaus erfreute. Es will etwas heißen, besagt nämlich etwas über die Bedeutung, die den Bibliotheken beigemessen

207

208

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

wurde, wenn sich die besten Köpfe herausgefordert sahen, ihr Ansehen und ihr rednerisches Talent in den Dienst der bibliothekarischen Sache zu stellen. Nachhaltiger konnten Auge und Ohr der Stadtoberen nicht gewonnen werden. Doch wir sprechen in Rätseln und müssen uns sputen, einem weiteren Höhepunkt anläßlich unseres bibliothekskundlichen Weges auf Breslauer Boden entgegenzueilen. Die Bibliothek zu St. Maria Magdalena bietet ein schönes Beispiel dafür, wie die Reformation stets wieder einen Schub zu entfalten vermochte, der einer Zäsur gleichkam.43 Kostbare Handschriften und Inkunabeln waren auch vorher schon im Besitz der Kirche und des Klosters gewesen. Dann trat Johann Heß auf und fand in der Kirche und an der Schule bei St. Maria Magdalena eine Wirkungsstätte. Seine amtliche Tätigkeit wurde begleitet von wissenschaftlichen Vorhaben. So ist die Arbeit an einer Silesia Magna bezeugt. Ihre Schaffung setzte den Zugriff auf Handschriften und gedruckte Werke voraus, am besten in der unmittelbaren Nähe des eigenen Schreibtisches. Die so im Zuge der praktischen Arbeit heranwachsende Bibliothek muß reichhaltig und vielseitig gewesen sein.44 Sie war kein toter Besitz. Viele Eintragungen von der Hand des Reformators zeugen von einer regen Benutzung. Das kam ihrer – freilich niemals abgeschlossenen – Rekonstruktion zugute. Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1950, trat der bedeutende Mittellateiner Paul Lehmann mit einer Abhandlung hervor, die aufhorchen ließ.45 In der Benediktinerabtei Ottobeuren hatte er zahlreiche Bücher aus dem Besitz des Johann Heß aufgefunden, wie die Einträge des Breslauer Theologen bewiesen. Wie waren sie dahin gekommen? Eine Tochter von Heß, Anna, war mit dem zunächst in Königsberg und sodann in Breslau, in Neisse und anderwärts wirkenden umtriebigen und von Zwielicht umgebenen Theologen Friedrich Staphylus verheiratet. Er hatte schon Aufsehen in Königsberg erregt, so daß der Herzog auf seinen Abschied hinwirkte. Als er dann aber zum Katholizismus überging und ein maßloser Gegner der Reformation wurde, war die Erregung groß. 1560 erhielt er eine Professur für Geschichte, Humaniora und Theologie an der Universität Ingolstadt. Dorthin hatte er aus Schlesien eine Reihe von Büchern mitgenommen, die ihm über seine Frau zugekommen sein dürften. Und sie eben waren später zumindest zu Teilen nach Ottobeuren gelangt, wo sie schlummerten, bis der rührige Handschriftenexperte und Bibliothekshistoriker, dem wir zahlreiche buch- und bibliothekskundliche Arbeiten verdanken, ihre Herkunft aus dem Besitz des Breslauer Reformators identifizierte. Wir erzählen dieses Begebnis, weil es ein Licht wirft auf die Unwägbarkeiten und Imponderabilien, die im Ursprung von nachmals bedeutenden bibliothekarischen Schöpfungen stets wieder zu gewärtigen sind. Weit fort in den

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Bannkreis Herzog Albrechts V. von Bayern waren Bücher verschlagen worden, deren Bestimmungsort Breslau gewesen wäre. Und damit nicht genug. Auch die beiden Söhne Johann – kaiserlicher Beamter und als von Hessen und Stein“ geadelt – sowie Paul – Professor für Medizin in Wittenberg – hatten Bücher aus der väterlichen Bibliothek erhalten. Sie gelangten vornehmlich an den Hof der Herzöge von Münsterberg-Oels, wanderten dann aber weiter und fanden insbesondere in Dresden eine dauerhafte Bleibe. Und doch datiert die Gründung der Bibliothek bei St. Maria Magdalena zurück auf den Breslauer Reformator. Er nämlich verfügte, daß seine Bibliothek nach seinem Tod, der 1547 erfolgte, der Kirche St. Maria Magdalena zufallen solle. Sie war nicht mehr komplett. Doch war sie immer noch so reich, daß auf diesem Fundus aufbauend nun ein kontinuierlicher Zuwachs erhofft werden durfte. Und diese Hoffnung trog nicht. Genau wie die Elisabethkirche füllte sich auch die Magdalenenkirche mit Büchern, so daß es gar nicht lange dauerte, bis auch dort Vorkehrungen für eine längerfristige Unterbringung getroffen werden mußten. Schon in den sechziger Jahren wurde ein eigener Bibliothekar bestellt, der wie üblich zugleich an der Schule wirkte. Die Bibliothek war in das Blickfeld des Rats getreten, und der nahm sich ihrer an. Zu den ursprünglich vor allem theologischen und historischen Büchern trat mit der Bibliothek des Königlich Schlesischen Fiskalbeamten Andreas Hertwig im Jahr 1575 ein entschieden juristischer Bestandteil. Ein beträchtliches Legat kam über den Vater des großen Breslauer Bürgers Stanislaus Aichhäuser in die Bibliothek, der als Schöffe, Senator, Oberkämmerer und Ratspräses in der Stadt gewirkt hatte und dem auf einer Gedenktafel in der Bibliothek gedacht wurde. Auch der uns bereits bekannte Domherr Friedrich Bergius bedachte testamentarisch die Bibliothek bei St. Maria Magdalena. Nochmals trat auch Herzog August II. von Braunschweig-Lüneburg als Stifter auf; die von ihm übergebene Evangelienharmonie war mit einer eigenhändigen Widmung versehen. Und so ging die Reihe fort. »Unter denen Edlen Patritiis, welche sonderlich hierinnen ihre Freygebigkeit offenbar machten/ befanden sich die Althofer/ die Borcken/ die Bütner/ die Eben/ die Engelhardt/ die Fürsten/ die Haunolder/ die Uthmänner/ die Monavier/ die Reichel/ die Ribisch/ die Sauermänner/ die Schmidt/ die Scholtzen«. Auch der Breslauer Landeshauptmann Nikolaus II. Rhediger stiftete genauso wie andere Familien aus dem Adel.46 Das entscheidende Ereignis aber war bereits in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts gefallen. Im Jahr 1641 kam die mächtige Bibliothek von Carl von Žerotin, dem Kaiserlichen Rat und Landeshauptmann in Mähren, in den Besitz der Stadt und wurde für die Bibliothek bei St. Maria Magdalena bestimmt.47 »Auff solche Weise/ und durch solche Mittel/ ist dermassen der Wachsthum

209

210

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

dieser Bibliothec von Jahren zu Jahren hoch gestiegen/ und zur Vollkommenheit gediehen/ daß selbige nunmehro/ was die Vielheit der Bücher betrifft/ wenig Bibliotheken in Teutschland dörffte weichen/ oder etwas nachgeben.« So Lucae zu Ende des 17. Jahrhunderts.48 Die Fülle der einstmals vorhandenen und heute nur noch teilweise erhaltenen historischen Kataloge der im Laufe der Zeit in die Bibliothek gelangten Schenkungen legt ein beredtes Zeugnis ab von dem kaum ermeßlichen Reichtum.49 Ein zweites Bibliotheksquartier war in der Stadt existent, und mit Stolz durfte man auf eine weitere Zierde verweisen.

Eine feierliche Bibliothekseröffnung Wenn aber noch einmal ein Datum in ihrer Geschichte der Erinnerung sich bewahrte, so war dies, wie hernach in der Schwesteranstalt bei St. Elisabeth, einer Initiative aus der Mitte der Schule heraus zu verdanken. Nach der Žerotinschen Stiftung war der Boden bereitet, um an die Öffentlichkeit zu treten. Die schulische Korporation hatte Erfahrung darin. 1639/40 war des hundertsten Geburtstages Opitzens zu gedenken gewesen. Dessen Freund Christoph Köler war zur Stelle und hielt eine Rede, die die Grundlage bildete für die Würdigung von Leben und Werk des großen Dichters und poetischen Reformators.50 Nun war er erneut gefragt und versagte sich nicht. Die Auszeichnung, Erstling auf dem kulturellen Parkett zu St. Maria Magdalena zu sein, wiederholte sich fünf Jahre später noch einmal. Köler hatte seine neue Amtstätigkeit eben aufgenommen, da strömte mit der Žerotinschen Bibliothek ein Bücherschatz unvorstellbaren Reichtums in die Magdalenenbibliothek. Der Rat sah sich daraufhin zur Herrichtung eines erweiterten Quartiers für die Bibliothek veranlaßt, das 1644 feierlich eingeweiht und von Köler mit einer großen Lobrede auf die Bibliotheken und die Stationen ihrer Geschichte sowie speziell auf die Würde und die Einzigartigkeit der Sammlung zu einem weithin wahrgenommenen Ereignis ausgestaltet wurde. Dieser gelungene Schulactus gab das Muster ab für die gut zwanzig Jahre später arrangierte Veranstaltung in der Schwesteranstalt zu St. Elisabeth, von der wir sprachen. Köler aber durfte gleich ein Doppeltes für sich und sein Haus verbuchen. Er hatte es in die Öffentlichkeit gerückt und zugleich seinen Beitrag dazu geleistet, daß auch die Schule zu St. Maria Magdalena in den Rang eines Gymnasiums gehoben wurde. Zu einer üppigen Festschrift ausgestaltet, fand das Ereignis zwei Jahre später im Druck seine opulente Dokumentation.51 Auch Köler bemühte wie sein Nachfolger Johann Gebhard die großen Autoritäten, die seiner Rede zusätzlichen Glanz verliehen. Justus Lipsius in Löwen

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

und Johannes Saubert in Nürnberg sind seine beiden wichtigsten Gewährsleute.52 Beide hatten sie bedeutende Bibliotheken vor Augen, der eine eine höfische, der andere eine städtische, die sie zu ihren Ausführungen anregten und die Köler nach eigenem Bekenntnis nun veranlaßten, Ähnliches für die Bibliothek bei St. Maria Magdalena zu versuchen. Zum Neuen Jahr brachte er die im Druck erweiterte Rede den Stadtoberen als Gabe dar. Den Namen der verstorbenen Stifter sollte ein Denkmal gesetzt, den gegenwärtigen Wohltätern Dank abgestattet und den zukünftigen Geschlechtern ein Vorbild überliefert werden. Streben nach Ruhm und Stiften von Ruhm gehen gut humanistisch noch einmal zusammen. Die Alten geben die Exempla ab; die Neueren mögen es ihnen gleichtun und derart sich ihrer würdig erweisen. Bücher sind das Medium, über das Unsterblichkeit winkt, Bibliotheken der ihnen geziemende Ort in ihrer Eigenschaft als Ruhmeshallen der Unsterblichen. Wohlorganisiert und bestens vorbereitet trat der Redner vor seine illustre Zuhörerschaft. Ob er der gewaltigen Aufgabe gewachsen sein würde? Die Frage mußte mit allem Tremolo aufgeworfen werden, war doch der Beifall nach glanzvoll absolviertem Pensum um so nachhaltiger. In der Tat gebührt Christoph Köler das Verdienst, der nicht abreißenden Kette von Lobreden auf die Breslauer Bibliotheken die entscheidenden Stichworte geliefert zu haben. Ausführlich wandte er sich den Bibliotheken und ihren Geschicken im Altertum und in der neueren Zeit zu. Es bleibt staunenswert, welch eine Fülle von Kenntnissen nach zwei Jahrhunderten ›archäologischer‹ Arbeit der Humanisten verfügbar war, die nun rednerisch bravourös zum Einsatz gebracht zu werden vermochte. Bis in die neueste Zeit hinein erstrecken sich die Informationen. Das Menetekel der jüngsten Vergangenheit bleibt geknüpft an die Pfälzer Hochburg Heidelberg. Nicht ein zufälliges Feuer hat die berühmteste Bibliothek auf deutschem Boden zerstört, sondern das Lodern des Bürgerkrieges. Einer gefangenen Königin gleich wurde sie im Triumph fortgeführt, Deutschland ein Auge ausgestochen, so der Redner. Ein jeder wußte, wer da als Triumphator figurierte. Auch über Bibliotheksgeschichte ließ sich ein Aggressor brandmarken, der mehr zu verantworten hatte als einen Akt kultureller Barbarei. Drei Jahre nach dem böhmisch-pfälzischen Desaster hatte sich der Abtransport der Palatina nach München und Rom vollzogen: die Erinnerung war allgegenwärtig und nirgendwo mehr als im stetig gefährdeten Schlesien. Der Redner stellt Wissen unter Beweis mit seiner Revue der gloriosen Bibliotheken, deren Geschichte bis ins ferne Ägypten zurückführt. Aber auch China, Indien, die Mächte Vorder- und Hinterasiens hat er im Auge. Doch ist es ihm um mehr zu tun als um Namen. Wenn in der gesamten zivilisierten Welt

211

212

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Bibliotheken errichtet wurden, müssen die Begründer gewußt haben, welcher Schatz ihnen damit zufiel. Bibliotheken sind Wahrzeichen für die Wertschätzung von Wissen. Sie leben von der Verpflichtung, Wissen zu speichern und zu tradieren. Darum erkennt eine jede auf Wissensmehrung bedachte Person in der auf Wissensspeicherung gerichteten Aktivität ein eigenes Anliegen wieder. Die Humanisten, geeicht auf Akkulturation, blieben die prädestinierten Laudatoren der Schatzhäuser des Geistes. Und ihrer Hüter! Ein großes Lob auf den Stand des Bibliothekars hat Köler seiner Rede beigegeben und sie eben damit auf ihren Höhepunkt geführt. Die Humanisten wußten, warum sie sich für die Wahrnehmung bibliothekarischer Aufgaben bei Hofe und in den Städten sowie in Kirchen, Schulen und Ratsstuben nicht zu schade waren. Ihr ureigenstes Treiben, Wissen zu generieren, sollte auch sachwaltend in ihren Händen verbleiben. Die Schar der Bibliotheksgründer, die da in Kölers Rede vor den Ohren seiner Zuhörer vorbeizog, belegte auf andere Weise diese Wertschätzung, waren sie alle doch darauf bedacht, ihren Schöpfungen eine angemessene Umgebung zu verschaffen und für ihre Erhaltung und Mehrung Sorge zu tragen. Sammlerisches und bibliothekarisches Wirken gehören zusammen. Der Bibliothekar aber ist Universalist. Er muß sich, so Köler, in allen Chargen des Wissens auskennen. Das macht ihn zu einem Geistesverwandten nicht nur des Gelehrten, sondern auch des Poeten. Im Kontext des Humanismus verfließen die Grenzen, auf die spätere Zeiten so eifersüchtig bedacht waren.53 In diesem Zusammenhang muß einer in eine andere Richtung führenden Akzentsetzung gedacht werden. Köler wird nicht müde, den Geschicken der Bibliotheken nachzusinnen. Wie viele von ihnen sind wieder vom Erdboden verschwunden, von wie vielen haben sich nur kümmerliche Überreste erhalten, über wie viele wird inskünftig Nämliches von den jetzt blühenden zu berichten sein? Auch der Bibliothekshistoriker ist seiner Zeit nicht enthoben. Ein Jahrhundert, erfüllt von Bürgerkriegen, liegt hinter dem Redner und seinen Zuhörern. Noch hat auf deutschem Boden der Frieden nicht Einzug gehalten. Grausamkeiten nie gekannten Ausmaßes haben sich ereignet, nichts erwies sich als so beständig, daß es nicht der Vernichtung und der Verunglimpfung anheimgefallen wäre. Die Welt ist aus den Fugen geraten und in der Mitte des 17. Jahrhunderts zeichnen sich die Konsequenzen ab. Sind selbst die Bibliotheken von den Unbilden der Geschichte nicht verschont, gilt ihrer Pflege das besondere Augenmerk. Auch die junge Schöpfung bei St. Maria Magdalena bleibt göttlichen Schutzes bedürftig und anheimgestellt. Dieser Gott aber, der da angerufen wird, ist ein Freund und Beschützer der schriftkundigen Humanisten.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Sie haben auf Pfade geistiger Erneuerung inmitten des konfessionellen Wütens gesonnen. Ihnen gehört die Zukunft, die in ein Zeitalter der Aufklärung führen soll. An ihr wird nach der Bibliothek bei St. Elisabeth nun auch die bei St. Maria Magdalena ihren Anteil haben.

Ein festlicher Bibliothekssaal als Hort des Geistes und des Glaubens Wir verzichten darauf, dem Redner im Detail zu folgen, ist doch von einer denkwürdigen Maßnahme im Blick auf das Lokal zu berichten, die anläßlich der bevorstehenden Feierlichkeit ergriffen wurde, in Kölers Rede vielfältig hineinspielt und sich noch in der Aufmachung des Druckes widerspiegelt. Die schon zu Anfang des 15. Jahrhunderts erwähnte Bibliothek befand sich oberhalb der Sakristei. Wie diese bestand sie aus einem dreiachsigen Saal mit zwei reichverzierten Säulen. Und wieder sind wir in der glücklichen Lage, auf zeitgenössische Zeugnisse zurückgreifen zu können, die uns ein authentisches Bild vermitteln. Lucae, der ›curieuse‹ Chronist, hat für die Bibliothek bei St. Maria Magdalena ein besonderes Auge gehabt. Ihm war es darum zu tun, das Bild festzuhalten, das sich dem Besucher bot. Kundmann sollte ihm wenige Dezennien später folgen. Man stieg in der Kirche »eine zierliche Schnecken=Stiegen hinauff/ und alsdann durch eine grosse eiserne Thüre in die Bibliothec.«54 Dort befand sich an der Stirnseite des Eingangs bereits im Jahre 1601 eine Tafel, auf der der Schirmherren David Cösler und Michael Fürst gedacht wurde. Sie war angebracht worden, nachdem der Rat die Bibliothek 1601 erstmals zum öffentlichen Gebrauch freigegeben hatte. Anläßlich des Ausbaus der Räumlichkeit zu Anfang der vierziger Jahre wurde auch die Tafel durch eine aktuelle ersetzt. Nun fanden der Stifter Carl von Žerotin, der Ratspräses Stanislaus Aichhäuser, der Schulpräses Rudolf John von Cosel und der Senior Albert Biber Erwähnung.55 Der eigentlichen Bibliothek war ein Vorraum eigen, den man als das Wunder des Ensembles ansprechen durfte. Nur in der Kirche zu St. Maria Magdalena im Kontext der Bibliothek war ein derartiges Mirakel zu bestaunen, das dann auch sogleich Eingang fand in Georg Schöbels prachtvolles Bilderwerk Germanus Vratislaviae Decor aus dem Jahr 1667. Das anheimelnde Air eines Gesamtkunstwerks muß sich den Besuchern mitgeteilt haben. Die Bibliothek, ihrerseits ein Magazin des Wissens aller Disziplinen, war umfangen von einer Art Raritätenkammer, in der einer Synopsis alles Denkwürdigen auf andere Weise Genüge getan wurde. »›Mit dem ersten Eingang in die Bibliothec tritt man gleichsam in einen kleinen Vorsaal/ darinnen eine lange Tafel/ und auff derselben die Himmels= und

213

214

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Erd-Kugel in zimlicher Grösse stehet/ welche wie die Tafel mit einem saubern Teppicht/ mit feinen Decken überzogen sind: rings herumb werden die Wände gezieret mit wohlgemahlten Bildnüssen unterschiedener Käyser/ Könige/ und Churfürsten/ sonderlich Lutheri und Melanchthonis, deßgleichen etlicher hochverdienter Theologorum, unter andern/ Hessi, Curaei, Pollionis, Fleischeri, Scholtzii, und anderer Breßlauischer Prediger. Solchen Zierrath vermehren auch die sehr grossen Geographischen und Genealogischen Tabellen […]. Aus diesem Vorsaal gehet man durch ein gethürtes und von Bildschnitzer=Arbeit recht künstliches gemahltes Soubassement de Colomne, auff welchem die sieben Griechischen weisen Männer in natürlicher Manness=Grösse aus Holtz geschnitzet/ und mit schönen Farben und Mahlwerck überzogen stehen/ welches besagten Vorsaal und die Repositoria scheidet/ in die Bibliothec. Eben diese Repositoria seynd nach dem Modell der Vaticanischen Bibliothec zu Rom disponiret. Mitten längst den Saal hindurch bleibet ein breiter freyer Gang/ wie auch rings herumb an den Wänden; aus dem mittelsten Haupt=Gang passiret man hinein zwischen die offenen Repositoria, welche dergestalt hinter einander stehen/ daß durchgehends zwischen zweyen ein räumliches Spatium bleibet. Und wie in einem jeden Repositorio die Bücher nach dessen Breite doppelt logiren/ und einerseits die Rücken gegen jenes Spatium, und anderseits gegen dieses Spatium wenden/ daher lassen sich die Bücber desto füglicher/ samt denen äusserlich darauf gezeichneten Titulis, besehen/ und heraus langen. Die Bücher haben zwar nicht einerley Bände und Livrée, seynd aber dessen ungeachtet allerseits wohl conditioniret/ und mit saubern starcken Schalen bekleidet. Gleichfalls tragen auch die zimlich hohen Repositoria ihren Zierath vom bräunlicher Farbe/ mit Gold vermischet/ und oben an den Spitzen mit selbigem Glantz überzogenes und von künstlichen Händen ausgearbeitetes Schnitzwerck. Ausser der grossen Menge Bücher lassen sich hier sonst wenig Antiquen und Raritäten sehen. Am merckwürdigsten seynd die alten erdenen Krüge/ worinn das Heydenthum die Asche der verstorbenen und verbrandten Cörper unter der Erden verwahrete/ welche Anno 1614. bey dem Dorff Ransern im Breßlauischen/ wie auch theils bey Trebnitz im Oelsnischen ohngefehr gefunden und ausgegraben/ auch zum Gedächtnüß hieher beygesetzet worden; etliche derselben haben einen engen Halß und weiten Cörper/ andere einen kleinern; etliche haben nur einen Handgriff/ etliche zween Handgriffe/ die Härtigkeit aber betreffende/ so gibt einer dem andern nichts nach.‹«56 Der Rat hatte ersichtlich alle erdenkliche Mühe auf die Ausstattung der Bibliothek gewandt. Ja, es wird berichtet, daß die Vatikanische Bibliothek in Rom bei der Anlage des Saals und der Plazierung der ›Repositorien‹ Pate gestanden

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

habe. Die Regale waren mit kunstvollem Schnitzwerk versehen und in kostbaren Farben gehalten, die Bücher selbst mit schützenden ›Schalen‹ umgeben. Die Bibliothek war dazu bestimmt, sich der Rhedigerschen Bibliothek ebenbürtig zu präsentieren, und dazu trugen auch die wissenschaftlichen Geräte und Tabellen, die Funde aus der Vorzeit und insbesondere die Bildnisse bei, an denen doch die Bibliothek in der Elisabethkirche so reich war; cultu ornatior bot sie sich dar. In der Kirche zu St. Maria Magdalena war die Botschaft der Reformation zuerst verlautet. Der Rat war stolz darauf, daß dies ohne gravierende Behinderungen oder gar Unruhen geschehen war. Nun zierten die Bildnisse Luthers und Melanchthons ebenso wie die der Breslauer Reformatoren und evangelischen Prediger die Wände. Eine Symbiose zwischen der Welt des Glaubens und der des Wissens zeichnete sich ab, die der Bürgerschaft nur zum Guten gereichen konnte. Am sinnfälligsten kam dies am Eingang zur Bibliothek zum Ausdruck, wo auf einer barocken Schranke sieben Skulpturen ihren Platz hatten, die sich wie Schutzpatrone des dahinter liegenden Instituts ausnahmen. Der Wachsbossierer David Pfolimar hatte sie gefertigt. In Sitzstellung präsentierten sich Cleobulus Lindinus, Bias Prieneus, Pittacus Mitylenaeus, Periander Corinthus, Chilon Lacedemonius, Solon Salaminius und Talis Miletus. »Es handelt sich um die sogenannten sieben Weisen des Altertums, wegen ihrer Gelehrsamkeit und Staatsklugheit besonders geachtete Staatsmänner Griechenlands aus dem 7. und 6. Jahrhundert.«57 Dort die Geistlichen, hier die Philosophen – es brauchte keine Zwietracht zwischen der heidnischen und der christlichen Welt zu herrschen. Das war der Kern der Botschaft Melanchthons, und nirgendwo war sie mit mehr Verständnis, um nicht zu sagen: mit mehr Inbrunst aufgenommen worden als in Breslau. Hier war sie von den besten Köpfen lehrend weiterentwickelt und gelebt worden. Nun wurde sie auch in einem eigens zu der Festivität veranstalteten ›Ludus Septem Sapientum‹ durch die Schüler des Gymnasiums, unter denen sich viele aus dem Breslauer Patriziat befanden, vor den Honoratioren der Stadt bekräftigt. Valentin Kleinwächter, Konrektor des Gymnasiums, hatte das Spiel auf der Basis von Vorlagen von Ausonius und Joachim Camerarius eingerichtet. In drei Sprachen, dem Griechischen, Lateinischen und Deutschen, kam es zur Darstellung, und zwar so, daß eine Rede und eine Gegenrede der Weisen verlautete und sodann der jeweils Sprechende seinerseits vorgestellt wurde. Am Ende standen die Wünsche für die Väter der Stadt, die Stadt selbst und die Schule – und dies in zwölf Sprachen! Den Beschluß in 13. Position machte das Deutsche:

215

216

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Vnd daß solch Wunsch/ wie er ward angefangen/ Hochdeutsch/ mit Glück zum Ende mög gelangen: So gieb GOtt/ Heyl und Friede fort für fort/ Den Gebern des/ der Stadt/ und diesem Ort!58

Die Trias Schule, Kirche und Bibliothek barg für den wachen Beobachter ein Versprechen. Und der Kupferstich von David Tscherning sowie eine Gedenkmünze, die beide zum Jubiläum gefertigt wurden, taten das ihrige, um es über die Zeiten hinweg zu erneuern.59

Ein drittes bibliothekarisches Schatzhaus bei St. Bernhardin Kein Wort verliert unser Chronist Lucae über die dritte städtische Bibliothek vor Ort. Und das kaum zufällig. Ihre Stunde kam erst im 18. Jahrhundert. Kundmann kennt und beschreibt sie bereits, versehen freilich mit Einschränkungen, wie sie typisch bleiben sollten. »Die Bibliothec bey der Kirchen zu St. Bernhardin in der Neustadt ist zwar der vorhergehenden so genannten Rhedigerischen zu St. Elisabet, und auch der nachfolgenden zu St. Maria Magdalenen, nicht gleich, weder an Menge noch Güte der Bücher: doch sind verschiedene kostbare Wercke darauf angeschaffet worden, welche auf denen andern Bibliothecken nicht befindlich sind. Welches auch absonderlich an den Herren Bibliothecariis zu loben, daß nicht einer von denen Legatis dieselben Wercke anschaffet, die schon auf denen andern beyden Stadt=Bibliothecken vorhanden.«60 Menge und Güte? Über die Menge läßt sich Verläßliches ausmachen, aber über die Güte? Da kommen sehr verschiedene Vorstellungen im Laufe der Zeit ins Spiel. Ist der Historiker etwa ein Liebhaber des Kleinschrifttums, so wußte er, daß er an keiner Stelle willkommener war als in dem Haus bei St. Bernhardin. Ein Lessing hielt sich dort am liebsten auf. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts waren bei St. Bernhardin Fachleute am Werk, die ihren bibliothekarischen Elan aus ihrer unermüdlichen Forschertätigkeit bezogen. Sie brachten sammlerisch kaum Vorstellbares zuwege. Bis heute zeugen die Stempel mit dem Aufdruck der Bibliothek zu St. Bernhardin davon. Wir plädieren also entschieden für die prinzipielle Gleichrangigkeit der drei Bibliotheken vor Ort. Als ›Stadt=Bibliothecken‹ qualifiziert Kundmann sie. Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Sie wuchsen im Schatten der Kirchen empor, gepflegt aber wurden sie von der Professorenschaft an den beiden Gymnasien und der Schule zum Heiligen Geist. Der Adressat blieb allemal das interessierte städtische Publikum.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Noch einmal: eine derart hochkarätige bibliothekarische Trias nannte im alten deutschen Sprachraum nur Breslau sein eigen. Und wieder ist die Geschichte auch der Bibliothek bei St. Bernhardin über weite Strecken gleichbedeutend mit der der in sie eingegangenen Stiftungen.61 »Die ältesten Nachrichten, welche wir über diese Bibliothek haben, finden sich in einem vom hiesigen Kaufmann David Albrecht, Vorsteher des Hospital zum heil. Geiste und zu St. Bernhardin, 1621 geschenkten handschriftlichen Buche in folio, welches auf der Bibliothek verwahrt wird. Auf dem obern Deckel desselben stehet inwendig unter einem schön gemahlten Wappen des David Albrecht: ›Jm Jahre nach Christi, unsers einigen Erlösers Geburt 1621 am Tage des heiligen Erzengels Michaelis hat Herr David Albrecht, Bürger und Handelsmann, der Hospitalien zum heil. Geiste und St. Bernhardin Vorsteher allhier, auf die neu angehende Bibliothek dieses Orts, welchen er mit Einwilligung anderer Herren Vorsteher auf seine Unkosten kurz vorher renoviren lassen, dieses Buch samt dem Pulpet und zwölf Repositorien zum glücklichen Anfange verehret. Gott gebe den gewünschten Fortgang.‹ Dieses Buch bestimmte er dazu, daß die Bücher, welche damals vorhanden waren, so wie diejenigen, welche diese Bibliothek künftig erhalten würde, nebst den Namen der wohlthätigen Geber darin aufgezeichnet werden sollten, wie auch geschehen ist.«62 Ein Buch mit den Namen der Donatoren war so dank Albrechts Initiative vorhanden, dazu bestimmt, den Prozeß des Wachstums der Bibliothek zu dokumentieren und den Spendern zugleich ein Denkmal zu setzen. Zwar gab es schon vorher, wie nicht anders zu erwarten, Bücher bei den Hospitälern, doch erst jetzt wurde ein symbolträchtiger Akzent gesetzt, dazu angetan, als Gründungsakt zu fungieren. Nimmt es Wunder, daß das Buch der Spender eine Zimelie eigener Art darstellte und in der Bibliothek als ein besonders kostbares Schriftstück gehütet wurde? Der Band war, wie alle bezeugen, die das Glück hatten, ihn in die Hand nehmen zu können, mit kunstvollen Malereien verziert. Aber auch sein Inhalt war bedeutsam, wurden doch die bereits vorhandenen und zumeist aus klösterlichem Besitz herrührenden Bücher aufgeführt. Von siebzehn gedruckten Werken, zumeist Inkunabeln, ist die Rede, des weiteren von neun Handschriften aus dem 16. Jahrhundert sowie drei Büchern und acht weiteren Handschriften in Quart, insgesamt also 37 Einheiten. Das Titelblatt des Donatoren-Buchs erfreute sich des Interesses unter Kennern und fand sogar den Weg in das Handbuch der Kunstdenkmäler Breslaus, das eben noch vor dem Krieg zum Abschluß kam. In der alten Breslauer Stadtbibliothek war das Werk bei den Hunderten von historischen Katalogen eingestellt, die aus den diversen alten Bibliotheken herrührten. Es trug dort die Signatur

217

218

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

›Cat. 200‹. Wir haben alle erdenkliche Mühe bei unseren nicht endenden Aufenthalten in der Bibliothek auf der Sandinsel darauf gewandt, ihn zu Gesicht zu bekommen – vergeblich. Wie ungezählte andere Handschriften wird er im Krieg ausgelagert gewesen und nicht in den bergenden Hafen der nach dem Krieg in eine neue Phase eingetretenen und nunmehrigen Universitätsbibliothek zurückgekehrt sein.63 Neuerlich sind wir gut über den Wachstumsprozeß der Bibliothek im 17. und 18. Jahrhundert unterrichtet. In den allermeisten Fällen haben sich wiederum auch die Kataloge der gestifteten Bibliotheken erhalten.64 Die Namen der Stifter hatten ebenfalls oftmals einen hervorragenden Klang. Das begann gleich mit einem herausragenden Vertreter des schlesischen Späthumanismus, der uns schon begegnet ist und des weiteren beschäftigen wird. Der Breslauer Stadtphysikus Daniel Bucretius, der 1621 hochgeehrt verstorben war, hatte für die Bibliothek bei St. Bernhardin eine Handschrift von Ciceros De Officis und eine kostbare isländische Bibel aus dem Jahr 1564 bestimmt. Die Hochzeit generösen Stiftens lag auf der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. 1682 kamen rund 6000 Bände des Hebräisten am Elisabethgymnasium, David Rhenisch, ins Haus. Fünfzehn Jahre später folgte die Bibliothek des Kaiserlichen Rats, Oberkämmerers von Breslau und Schulpräses Zacharias von Rampusch. Ausdrücklich vermerkt Kundmann, daß neben Werken vornehmlich historischen und juristischen Inhalts der Bibliothek knapp 2000 ›Miscellaneis‹ zugeflossen seien, also eben jenes unscheinbare kleine Schrifttum, das eines Tages den eigentlichen Reichtum der Bibliothek ausmachen sollte. Auch Mittel zur Renovierung des Bibliothekssaales waren dabei – ein Akt, der den Benutzern zugute kam. Überschreiten wir dann die Grenze zum 18. Jahrhundert, so ist der berühmten Namen kein Ende. Im vorletzten Kapitel unseres Buches werden wir manchen von ihnen aus gegebenem Anlaß wiederbegegnen. Der große Historiker und Buchkundler Christian Runge stiftete neben Büchern insbesondere seinen wertvollen handschriftlichen Nachlaß. Er hatte die erste wissenschaftlich seriöse landeskundliche Bibliographie verfaßt, von der ein erster Band 1775 bei Korn erschien, ein weiterer im Status der Handschrift verblieb. Runge war auch der Verfasser eines personenkundlichen ›Who is who‹, betitelt Das Itzt-lebende Breslau, das mehrere Auflagen erlebte. Alle großen Städte kannten diese Kompendien mit den Kurzporträts vor allem der heimischen Gelehrtenschaft. Und Runge berichtete über die vorhandenen und zumeist handschriftlichen Zeugnisse zur schlesischen Geschichte. Bibliothek und Schule bei St. Bernhardin bzw. zum Heiligen Geist stiegen zu einem Zentrum der Schlesienkunde auf, und Runge trug dazu maßgeblich bei.65

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts stand dann im Zeichen von Johann David Raschke und Samuel Benjamin Klose, der eine Pfarrer bei St. Maria Magdalena, der andere zeitweilig Lehrer an der Schule zum Heiligen Geist. Raschke spendete 3000 Bände vornehmlich theologischen Inhalts. Und Klose verzehrte sich als Forscher, Sammler und Abschreiber im Dienst an der schlesischen Geschichte. Sein Nachlaß bildete einen Schatz, der singulär dastand in den Mauern der Stadt. Wir werden dem größten Tradenden vornehmlich schlesischer Denkmäler der Schrift, den Breslau besessen hat, wiederbegegnen und das nicht zuletzt, weil er in ungezählten Fällen nach den Verheerungen des Zweiten Weltkriegs zum letzten Zeugen einstiger Herrlichkeiten aufgerückt ist.66

Auf dem Wege zur Stadtbibliothek Drei Bibliotheken existierten über Jahrhunderte in der Stadt. Die Bestände waren eindrucksvoll, auch wenn sie nur einem kleinen Kreis von Kennern bekannt gewesen sein dürften. Mit der politischen Krise zu Ende des 18. Jahrhunderts kam auch die – viel weniger wahrgenommene – kulturelle. Ein Allmachtstaumel hatte führende Persönlichkeiten ergriffen. Alles schien möglich, alles schien machbar, es bedurfte nur des mutigen Zupackens. Vor den Augen der Zeitgenossen nahm ein politisches Drama unerhörten Ausmaßes seinen Gang, das auch die kulturellen Güter betraf. Bewegung, Modernisierung, Abstreifen überflüssig gewordener Zöpfe schien das Gebot der Stunde. Ein neues Zeitalter war im Anbruch. Jedwedes geschichtlich Überkommene geriet auf den Prüfstand. War ihm kein Grund für die Berechtigung seiner Existenz zu entlocken, gehörte es als lästiger Ballast abgeworfen zu werden. Auch die Bibliotheken blieben von dem Umbruch kaum irgendwo verschont. Sollte Schlesien, sollte Breslau eine Ausnahme machen? Wir werden sogleich von kühnen Projekten zu berichten haben, wie sie nur um 1800 geboren werden konnten. Nicht voraussehbar war, daß auch die im Schatten der Geschichte und der Gegenwart verbliebenen Bibliotheken in den drei Kirchen von dem schneidenden Wind der Moderne ergriffen werden könnten. Der Auftakt erfolgte moderat, gewiß, war aber erst einmal ein Wort zur Veränderung verlautet, so gab es längerfristig kein Halten mehr. Es zeugte fort, wurde aufgegriffen, weiter gesponnen und fand seinen Weg in die Öffentlichkeit. Am Ende mochte man froh sein, wenn Förderliches erreicht wurde und guter Wille nicht im Chaos unterging. Den drei städtischen Bibliotheken ist dieses glückliche Geschick beschieden gewesen. Die Dinge währten mehr als ein halbes Jahrhundert. Dann

219

220

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

aber war eine Neuschöpfung zuwege gebracht worden, der man gerne eine gute Zukunft attestieren mochte.67 Schon zu Ende des 18. Jahrhunderts, genauer im Jahr 1794, war der als Dichter und Fachschriftsteller bekannte Arzt Johann Joseph Kausch in den Ausführlichen Nachrichten über Schlesien mit einer auf Breslau gemünzten bibliothekspolitischen Intervention hervorgetreten. »Obgleich Breslau«, so seine Einlassung, »mehrere Bibliotheken aufweisen kann, so fehlt es doch hier an einer Büchersammlung von einem solchen Umfange, welche den dasigen Gelehrten sicherstellt, in jedem Fache auch nur nach dem Erheblichsten nicht vergebens nachzufragen. Dies ist selbst in Hinsicht auf alle Sachen der Fall bei der Elisabethbibliothek, welche bei weitem die vorzüglichste ist, in Beziehung auf neue Bücher; es ist bei dem kleinen Fond derselben nur Zufall, wenn man das, was man nötig hat, gerade antrifft … Es wäre zu wünschen, daß die schlesischen Schulfonds aller Konfessionen einen jährlichen Beitrag zur Anschaffung neuer Werke an diese Bibliothek zu entrichten im Stande wären. Sollte es denn nicht angehen, daß mehrere Breslauische Büchersammlungen mit derselben verbunden und das Ganze an einem andern schicklicheren Orte unter der Aufsicht eines Vorstehers, der dabei allein seinen Unterhalt fände, aufgestellt würde! Eine große Bibliothek, wodurch die Gelehrten in und außer der Hauptstadt gehörig unterstützt werden, ist für Schlesien allerdings Bedürfnis.«68 Es bedarf keiner Hellsicht, um die Zielrichtung der Argumentation auszumachen. Es fehlte in Breslau an aktueller Fachliteratur. Die drei bestehenden Häuser konnten gerade dieses Bedürfnis nicht befriedigen. Sie waren ausgesprochen historische Einrichtungen. In ihnen zählte das wertvolle alte Buch bis hin zum historischen Klein- und Tagesschrifttum. Wieder einmal machte sich das Fehlen einer Universität in der schlesischen Hauptstadt geltend. Nun aber auf einem weniger ins Auge springenden Feld. Einer Hochschule wäre es erste Pflicht gewesen, die in ihren Mauern versammelten Disziplinen mit aktueller Literatur zu versorgen. Stadtbibliotheken vermochten diese Erwartung nicht zu erfüllen, war ihr Sammlungs- und Bildungsauftrag doch ein anderer. Aus Stiftungen erwachsene Häuser, deren Wert auf dem Reichtum und der Vielfalt der ihnen zugefallenen Schätze an Handschriften und Büchern gründete, waren mit anderen Maßstäben zu messen. Vor den Ansprüchen einer ihre Rechte geltend machenden Akademikerschaft mußten sie versagen, ohne darüber auch nur den Gran ihres Wertes einzubüßen. Daß diese Differenzierung den Zeitgenossen vielfach verborgen blieb, macht das Reizvolle, weil historisch Signifikante des alsbald publizistisch lebhafter traktierten Gegenstandes aus.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Zehn Jahre später schaltete sich der Historiker Karl Adolf Menzel in die Debatte ein. Es geschah dies in seiner Topographischen Chronik von Breslau, die er als eben Zwanzigjähriger zwischen 1805 und 1807 herausgehen ließ und die am Anfang seiner Karriere als einer der produktivsten Historiker der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht. Wir werden auch ihm wieder begegnen. Er wirkte später vierzig Jahre lang als Bibliothekar in der Rhedigerschen Bibliothek, hatte für seine Breslauer Chronik die Bibliotheken seiner Vaterstadt benutzt und wußte also, worüber er sprach. Seine Klage ging dahin, daß die großen Schätze, die insbesondere die Rhedigeriana barg, zu wenig bekannt und gewürdigt seien. Es habe an einem hauptamtlichen Bibliothekar gefehlt, wie er eben eingestellt worden wäre, wenn es zu einer Vereinigung wenigstens der drei Hauptbibliotheken Breslaus gekommen wäre. Die Erfüllung dieses Wunsches, so die Hoffnung, dürfe einer glücklicheren Zukunft vorbehalten bleiben.69 Wiederum fünf Jahre später traf beim Magistrat der Stadt ein Schreiben der Geistlichen- und Schulen-Deputation der Königlichen Regierung zu Breslau ein. Es lautete auf Vereinigung der drei Bibliotheken. Sie solle eine Stadtbibliothek sein, unter dem Magistrat stehen, der sodann einen Bibliothekar berufen möge, welcher der Aufsicht und Bestätigung durch die Deputation unterstellt werden solle. Die Berliner Unterrichts-Sektion unter Leitung von Wilhelm von Humboldt im Ministerium des Innern hatte sich überraschend die Angelegenheit im fernen Breslau zu eigen gemacht und die Geistliche- und Schulen-Deputation in Breslau ihrerseits wußte die Vorteile, die die fragliche Maßnahme für die Stadt Breslau im Gefolge haben würde, lebhaft darzutun. Nicht ausgesprochen blieb der Name des Mannes, der mit Gewißheit den entscheidenden Wink im Zuge seiner viel weitergehenden und auf ganz Schlesien zielenden Pläne gegeben hatte. Wir werden ihn sogleich näher kennenlernen und über ihn nochmals ein neues Licht auf die hier allein zur Rede stehende bibliothekarische Initiative werfen können.70 Genug, daß die Sache einen offiziellen Charakter angenommen hatte und ihre Verhandlung keinen Aufschub duldete. Dazu trug bei, daß sich der Bibliothekar der Rhedigerschen Bibliothek und Prorektor am Elisabethanum Johann Gottlieb Schummel veranlaßt sah, eine ausführliche Stellungnahme zu dem Projekt abzugeben. Auf eine denkwürdige Weise legt sie Zeugnis ab von dem Nimbus, den die ehrwürdigen Bibliotheken in den Augen eines den Idealen der Französischen Revolution zugetanen Zeitgenossen und bekannten Schriftstellers innehatten. Das fing bei Äußerlichkeiten an. Die Bibliotheken seien schwer zugänglich und die Öffnungszeiten viel zu knapp bemessen. Es ermangele ihnen an einer Lokalität zum ungestörten Studium, im Winter bedeute

221

222

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

ein Aufenthalt daselbst eine Zumutung, und so in einem fort. Dann aber kam der selbsternannte eloquente ›Gutachter‹ zum Entscheidenden. Bibliotheken, deren Wert gering sei, würden auch durch ihre Vereinigung nicht besser; »die Vereinigung von noch so vielen Nichts gebiert immer nur wiederum ein Nichts«. »Die Posaune des Lobes, in welche einige ältere Bibliothekare, namentlich Kranz bei Elisabeth und Collerus [!] bei Maria Magdalena stießen, und vor allem die Unkunde des Auslandes und der Mangel an Bekanntschaft mit den wirklich großen Bibliotheken in und außer Deutschland« hätten zu einer grotesken Überbewertung der Breslauer Bibliotheken geführt. So in weltläufiger Gebärde und mit dem Brustton einer von keinem Zweifel getrübten Überzeugung der Erfolgschriftsteller, der nur mit Hohn, Spott und Ironie auf seine zurückgebliebenen Mitbürger blicken konnte. Mit Erschrecken sieht man wenige Jahre nach dem Fall des Ancien Régime Argumente im Umlauf, die in der vorrevolutionären Ära kaum denkbar gewesen wären. Das Schrifttum einer vergangenen Zeit sank mit einem Schlag zu einem veralteten und nicht länger bewahrenswerten herab. Das Neue, Gegenwärtige, Aktuelle war Trumpf, das Vergangene abgelebt, über das man sich in vermeintlicher Aufgeklärtheit erheben zu können wähnte. Perspektiven taten sich da unversehens am Eingang des neuen Jahrhunderts auf, die wenig Gutes verhießen. »Die Betrachtung ist ja so äußerst simpel, daß, so wie der Mensch selbst veraltet, so veralten auch Bücher. Was in früheren Zeiten oft bis in den Himmel erhoben wurde, liegt jetzt verachtet und verschmäht und bloß noch als Makulatur brauchbar da. […] Überall Veraltetes, in deß das Publikum Neues begehrt; überall das vormals Brauchbare, nur nicht das jetzige! Wem zu Nutz und Frommen soll nun wohl diese Vereinigung geschehen? Je länger man darüber nachdenkt, je klarer wird es, daß Breslau überhaupt ganz und gar nicht der Ort zu einer solchen colossalen Bibliothek ist.«71 Da waren die jahrhundertealten Anstalten ins Visier eines ebenso großspurigen wie ahnungslosen Weltmannes gelangt, der sich ob der Provinzialität seiner Heimat nur ironisch abwenden konnte. Nicht auszudenken, welche Wendung die Dinge genommen hätten, wäre der doch zur Pflege der Schätze bestellte Sachwalter längerfristig durchgedrungen. Er hatte sich zum Anwalt der ›Forderungen des gegenwärtigen Jahrhunderts‹ gemacht und in dieses paßten die Fossile einer Zeit nicht, die man hinter sich gelassen hatte. Wie mag der Prorektor Schummel votiert haben, als es tatsächlich zu einer Sitzung der Kommission noch im Jahre 1810 kam? Wir wissen es nicht. Immerhin, erste Namen für ein mögliches Gebäude der neuen Schöpfung wurden genannt. Das Minoritenkloster, die Corpus-Christi-Kirche und das Dominikanerkloster waren im

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Gespräch. Selbst erste Zahlen kursierten. Auf runde 40.000 Bände wurde der Umfang der drei Bibliotheken geschätzt. Bis etwa 1720 sei die Literatur gut vertreten, für das letzte Jahrhundert müsse entschieden nachgearbeitet werden. Auch das erforderliche Bibliothekspersonal wurde namhaft gemacht. Doch alle gutgemeinten Pläne fanden ihr rasches Ende. Es mangelte wie üblich an den Finanzen. Zudem war das Projekt in Konkurrenz mit einem umfassenderen und aussichtsreicheren geraten. »Der Plan blieb, was er gewesen war, ein frommer Wunsch der beteiligten Kreise. Aber der Gedanke wirkte weiter und war nicht vergessen. Ein Gelehrter vom Range G.A. Stenzels, der damals an der Spitze des Schlesischen Provinzialarchivs stand, betrieb, wie er im Jahre 1838 in einem Briefe an seinen Vater erzählt, den Gedanken mit Eifer, und ein vielgelesenes Beiblatt der ›Breslauer Zeitung‹, das sich die Pflege der örtlichen und provinziellen Interessen zur besonderen Aufgabe gemacht hatte, trat im Mai 1847 mit Wärme für die Vereinigung der isolierten, wenig benutzten und fast unbekannten städtischen Bibliotheken zu einer einzigen Stadtbibliothek ein. Aber fast zwei Jahrzehnte gingen noch ins Land, ehe auch die amtlichen Stellen den Plan mit Entschiedenheit aufnahmen und die Gründung der Stadtbibliothek in die Tat umsetzten.«72

Das Kleinod am Roßmarkt Mitte der sechziger Jahre war es soweit. Das alte sog. Leinwand- und das sog. Schmetterhaus waren abgerissen und von dem städtischen Baurat Julius von Roux ein Gebäude für die Stadtverordneten errichtet worden. 1863 fand die erste Sitzung im neuen Saal statt. Unter den Arbeitszimmern für die Deputierten aber lag ein auf 18 Säulen stehender komfortabler Raum, der für die nunmehr vereinigte Stadtbibliothek bestimmt war. Die Repositorien waren aus Eichenholz gearbeitet. Besondere Abteilungen waren für die Kupferstiche, für die Handschriften und für die Rara ausgewiesen. Ein eigenes Lesezimmer war mit den marmornen Gedenktafeln für Thomas Rhediger und Carl von Žerotin geschmückt. Eineinhalb Jahre hatte der Umzug gewährt. Mit der Überführung der Rhedigeriana war begonnen worden, dann folgte die Bernhardina, schließlich die Magdalenaea. 1865/66 konnte die nunmehrige Stadtbibliothek ihrer öffentlichen Bestimmung übergeben werden.73 Doch nur fünfundzwanzig Jahre währte die Unterbringung der Bibliothek daselbst. Im Jahr 1891 wurde das Stadthaus ausschließlich für Zwecke der Verwaltung umgebaut. Für die Bibliothek waren die Räume längst zu eng geworden. In dem von der Städtischen Sparkasse anstelle des alten ›Mühlhofes‹ geplanten

223

224

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

und im Jahr 1891 fertiggestellten Neubau am Roßmarkt sollte sie nebst dem Stadtarchiv eine neue Bleibe finden. Es sollte eine solche werden, die bis in die letzten Tage der deutschen Zeit ihre guten Dienste leistete. Niemand wird den Anblick des mächtigen neugotischen Backsteingebäudes neben dem splendiden Sparkassenbau vergessen, niemand den verwinkelten Charme im Inneren mit dem offenen Blick in die Magazine, der das Glück hatte, mit dem Haus nähere Bekanntschaft zu machen. Und daß dies auch nach 1945 möglich blieb, gehört zu den schönsten Erfahrungen in der lebendigen und an vielen markanten Stellen eindrucksvoll wiedererstandenen Stadt. Was da aber in das Abgeordnetenhaus kam und dann weiter wanderte zum Roßmarkt? Bezeichnenderweise wurden erst jetzt Kataloge gefertigt und im Zuge dieser Arbeiten waren erstmals auch genauere Zahlenangaben möglich. Sogleich wurde offenbar, was jedem Fachmann klar sein mußte, daß nämlich die Schätzungen aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts nur in die Irre führen konnten. Von rund 40.000 Drucken war die Rede gewesen. Nun zeigte sich, daß alleine jede der drei Bibliotheken diese Zahl überschritt. In der Rhedigerschen Bibliothek hatte der zuständige Bibliothekar, Friedrich Pfeiffer, der zugleich an der Breslauer Bibliothek als Privatdozent für Germanistik wirkte, ›88329 Werke‹ verzeichnet, »also einer weit größeren Schlußziffer, als die früheren Schätzungen ergeben hatten.« Aus der Magdalenaea konnten am 31. Januar 1864 42.495 ›Werke‹ als verzeichnet gemeldet werden. In der Bernhardina waren 68.000 ›Werke‹ zusammengekommen. Die Titel waren auf Zetteln aufgenommen worden, die man nun in einem einzigen Zettelkatalog vereinigte. In ihm waren – unabhängig von Dubletten – knapp 200.000 Titel versammelt. Auf dieser Basis konstituierte sich die Breslauer Stadtbibliothek. Und von vornherein war jedem Kenner bewußt, daß sie mit dieser Anzahl von historischen Drucken und zusätzlich den noch gar nicht namhaft gemachten Handschriften zu einer der bedeutendsten Stadtbibliotheken im alten deutschen Sprachraum aufgerückt war. Die Phantasien eines Johann Gottlieb Schummel hatten sich als nichtig entpuppt.74 Es liegt jenseits unserer Möglichkeiten, von dem Reichtum auch nur eine ungefähre Vorstellung zu vermitteln – eines Reichtums, der sich bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts in einem stetigen Prozeß der Mehrung befand. Als 1933 ein Führer durch die Stadtbibliothek herauskam, wurde der nunmehrige Bestand an Bänden auf rund 300.000 beziffert.75 Wie sich der zu den ›Werken‹ verhielt, von denen da wenig professionell in der Literatur die Rede war, blieb eine der Aufklärung bedürftige Frage. Denn die ungezählten Sammelbände, die den größten Reichtum der Bibliothek ausmachten, konnten

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

ja Hunderte von Titeln (von ›Werken‹?) enthalten. Die letzte Zahl rührt her aus dem Jahr 1943 und entstammt dem letzten Band des traditionsreichen Jahrbuchs der deutschen Bibliotheken, als die Verlagerung der Bestände oftmals schon eingesetzt hatte und umgekehrt bereits Kriegsbeute in die Bibliotheken gelangt war. 351.385 Bände sind daselbst für Breslau aktenkundig, bevor ein Jahr später die Stadt zur Festung erklärt wurde, ein Akt, der auch die Bibliotheken schwer in Mitleidenschaft zog.76 Wir begnügen uns damit, an dieser Stelle einen Blick auf die innere Gliederung, die Morphologie der Bibliothek zu werfen, um sodann die Sondersammlungen in Augenschein zu nehmen, die zunächst im Stadtverordnetenhaus und sodann unter dem Dach des Gebäudes am Roßmarkt zusammengeströmt waren. Genetische und provenienzgeschichtliche Aspekte dürfen jetzt zurücktreten, denn wir haben uns mit den drei Stammbibliotheken bereits beschäftigt.

Binnengliederung, Kataloge und Sondersammlungen Eine grundsätzliche Weichenstellung erfolgte sogleich zu Beginn in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Man kann sie nicht genug rühmen. Das Eigengewicht der drei Bibliotheken, die da über Jahrhunderte selbständig herangewachsen waren, machte sich gebieterisch geltend und wurde dankenswerterweise respektiert. Und das nicht zuletzt im Blick auf die Langzeitwirkung. Auch die polnischen Bibliothekare der Nachkriegszeit hielten an den geschichtlich gewachsenen Einheiten fest. Bis heute sind infolge ihrer überaus begrüßenswerten Entscheidung die drei Stammbibliotheken der ehemaligen Breslauer Stadtbibliothek, die weiterhin als ›Rhedigersche‹ firmierte und als solche in die neugeschaffene Biblioteka Uniwersytecka zu Wrocław einging, voneinander geschieden und also in ihrem jeweils genuinen Bestand übersehund rekonstruierbar. Sechs Fachgruppen wurden gebildet und innerhalb der drei Bibliotheken zur Anwendung gebracht. Buchstaben-Siglen verwiesen auf die Provenienz. Für die Rhedigersche Bibliothek wurden die Buchstaben A–F vergeben, für die Magdalenaea die Buchstaben I–O und für die Bernhardina die Buchstaben R–W. Der Buchstabe Y blieb für die Druckschriften der Stadt Breslau reserviert, wie sie Heinrich Wendt eingeführt und in seinem großartigen Katalog dokumentiert hatte. Die Bestände wurden nach Formaten geschieden und aufgestellt. Neuzugänge seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts in der Rhedigerschen Stammbibliothek wurden durch ein in der Signatur mitgeführtes ›n‹ gekennzeichnet.77 Nach 1945 wurde von den polnischen Bibliothekaren

225

226

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

die Gesamtheit aller in der nunmehrigen Universitätsbibliothek zusammengeströmten Bücher mit einem numerus currens versehen, der den diversen internen bibliothekarischen Einheiten folgt.78 Gleichwohl ist es nach wie vor möglich, die Signaturen der alten Stadtbibliothek zu benutzen. Sie sind in den Büchern und in der Abfolge der Aufstellung bewahrt – nochmals: ein weitsichtiges Handeln der bibliothekarischen Ordnungshüter über Ländergrenzen und Sprachen hinweg. Wie so viele alte deutsche Bibliotheken besaß auch die Breslauer Stadt­ bibliothek einen alphabetischen Bandkatalog. Er war schließlich auf knapp 300 Bände angewachsen. Noch heute kann man sich die Freude machen und in ihm blättern. Denn wenn so viele von ihnen im Zweiten Weltkrieg dem Untergang geweiht waren – darunter als der größte auch derjenige der Deutschen Staatsbibliothek zu Berlin –, blieb der Breslauer erhalten. Wir haben vor Jahren für seine Bewahrung durch eine Sicherheitsverfilmung Sorge getragen und sind im heimischen Institut sein stetiger Benutzer geblieben. Der systematische Katalog indes lag nicht als Bandkatalog vor, sondern wurde auf Zetteln geführt. Sie wurden durch Vandalismus zwischen 1939 und 1945 schwer in Mitleidenschaft gezogen, die Rekonstruktion währte Jahre und konnte doch nur noch partiell wieder auf den ehemaligen Zustand gebracht werden.79 Die Breslauer Stadtbibliothek zeichnete sich durch einen hohen Anteil an wertvollsten Sonderbeständen aus, für die mehr oder weniger hilfreiche Instrumente der Erschließung zur Verfügung standen.80 Überragend war die Sammlung der Handschriften. Ihre gemeinsame Verzeichnung war vor 1945 nicht mehr zum Abschluß gekommen. Man bediente sich der in den drei Stammbibliotheken befindlichen zumeist provisorischen Verzeichnisse und schrieb den Katalog der Rhedigerschen Handschriften fort. Einen dringend benötigten Gesamtkatalog bereitete der große Mittellateiner Alfons Hilka vor, der jedoch ein monumentales Fragment blieb. Von über 5000 Handschriften ist in der Literatur die Rede, einsetzend im 7. Jahrhundert nach Christus – eine staunenerregende Zahl, und das ganz unabhängig von dem Wert des je einzelnen Stückes.81 Hinzutrat wie in Königsberg, wie in Danzig oder wie in Riga und anderwärts im deutschen Sprachraum eine herrliche Stammbuchsammlung.82 Ein Stolz waren selbstverständlich die Inkunabeln und die hohe Zahl an Frühdrucken, darunter die reichen Luther- und Reformationsdrucke. In der neu entstandenen Stadtbibliothek hatte man die ›Wiegendrucke‹ aller drei Bibliotheken zusammengeführt, rund 600 an der Zahl; die aus der Magdalenaea herrührenden waren durch ein ›M‹, die aus der Bernhardina herrührenden durch ein ›B‹ gekennzeichnet. Genauso war man auch bei der Bearbeitung der Handschriften verfahren; hier trat zu den aus der Rhedigerschen Bibliothek

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

herrührenden ein ›R‹. Ein repräsentativer separater Inkunabelnkatalog, wie ihn diese herausragende Sammlung wohl verdient hätte, lag nicht vor, nur ein summarisches gedrucktes Verzeichnis. Die Inkunabeln waren schlicht mit im Alphabetischen Katalog verzeichnet. Man machte auch in Breslau – wie so häufig im alten Deutschland – keinen Aufwand von seinem Reichtum.83 In der gesamten Fachwelt berühmt war sodann die Musikaliensammlung. Was sie an Zimelien barg, wurde erst deutlich, als Emil Bohn mit zwei großen gedruckten Katalogen hervortrat, der eine den Musikdrucken bis 1700 gewidmet, der andere den musikalischen Handschriften des 16. und 17. Jahrhunderts. Wären nur für alle Abteilungen gleich gediegene gedruckte Wegweiser zur Verfügung gewesen! Aber das war in Breslau so wenig der Fall wie anderwärts. Bohn pflegte im übrigen auch eine ausgesuchte Partituren-Sammlung. Und er trat im Breslauer Konzertwesen mit seinen ›Historischen Konzerten‹ hervor.84 In der Bildenden Kunst wurde der Besucher nicht nur durch die vielen an den Wänden prangenden Gemälde und durch die an verschiedensten Stellen aufgestellten Büsten erfreut, rund 200 an der Zahl. Alfred Rüffler kommt das Verdienst zu, auch für ihre Inventarisierung Sorge zu tragen.85 Die Bibliothek pflegte selbstverständlich eine eigene gediegene Porträtsammlung, die in einem Zettelkatalog nach dem Alphabet der dargestellten Personen erschlossen war. Rund 8000 Stücke waren da nachgewiesen. Hinzukam eine von Johann Friedrich Schäffer zusammengebrachte Sammlung mit Bildnissen berühmter Ärzte und Naturforscher aller Zeiten, als ›Iconotheca medicorum‹ bzw. als ›Pinacotheca medicorum et physicorum‹ ausgewiesen. Zudem waren 1000 Bildnisse in Sammelbänden enthalten, auch sie gleichfalls registriert. Im letzten Moment konnten die Breslauer Schätze dem einzigartigen Porträtkatalog von Hans Singer zugeführt werden, der eben noch vor der Katastrophe zum Abschluß kam – ein unerschöpfliches Nachschlagewerk und wie jedes gediegene, verzeichnende Handbuch auch zum Blättern und Lesen einladend.86 Einen eigenen Platz beanspruchte sodann die Kartensammlung mit rund 7000 Einheiten, darunter die von Thomas Rhediger erworbenen berühmten Landkarten Gerhard Mercators.87 Alfons Heyer war das Glück beschieden, sie in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts auf einen Wink von Hermann Markgraf hin auf dem Dachboden der Bibliothek zu entdecken. Und da stellte sich rasch heraus, daß die Mercatorsche Weltkarte aus dem Jahr 1569 bislang nur für die Bibliothèque Nationale in Paris nachgewiesen war, die beiden anderen aber, die Europa und die Britischen Inseln zum Gegenstand hatten und aus den Jahren 1554 und 1564 herrührten, bislang überhaupt unbekannt waren. So mochte es überall zugehen in den übervollen Schatzhäusern der Städte mit

227

228

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

kostbarstem historischem Sammlungsgut.88 In Breslau traten der älteste Stadtplan von Breslau aus dem Jahr 1562 und die erste Landkarte von Schlesien hinzu, die Martin Helwig hatte zeichnen und 1561 auf Kosten Nikolaus II. Rhedigers hatte drucken lassen. Weihners Stadtplan war in Öl auf Leinwand gehalten. Eine Kopie zierte die Schausammlung der alten Stadtbibliothek. Noch heute ist sie auf dem Zugang zum Allgemeinen Lesesaal der Breslauer Universitätsbibliothek zu bewundern; den fleißigen Besucher hat sie über Wochen vor allem gegen Abend gegrüßt, wenn die Sondersammlungen ihre Tore bereits geschlossen hatten. Die Bibliothek besaß eine reiche Sammlung an Flugschriften, die auf mehrere tausend Nummern geschätzt wurde. Emil Weller hatte dieser so aussagekräftigen, weil den Ereignissen der Zeit unmittelbar auf der Spur bleibenden Gattung, erstmals einen Gesamtkatalog gewidmet. Nun zeigte sich wiederum rasch, daß auch aus Breslau erhebliches weiteres Material hinzukam, darunter eine Reihe unbekannter Stücke, wie es nicht anders sein konnte. Auch Reste erster und bislang unbekannter ›periodischer Zeitschriften‹ aus dem 17. Jahrhundert fanden sich. Sie waren Sammelbänden aus der Rhedigerschen Bibliothek und der Bernhardina integriert und traten nun bei deren Musterung ans Tageslicht.89 In der Bibliothek existierte ein handschriftlicher Katalog, der die Flugschriften chronologisch verzeichnete und sich auf die Zeit zwischen 1492 und 1815 erstreckte; die späteren Stücke waren im alphabetischen und systematischen Katalog verzeichnet. Sodann pflegte die Stadtbibliothek eine Genealogica-Sammlung, die über die Stammbibliotheken hinweg in einer eigenen Abteilung zusammengefaßt war.90 Rund 32.000 Stücke waren da zusammengekommen. Es liegt auf der Hand, daß diese Kollektion aus familienkundlichem Interesse besonders nachgefragt war. Die Drucke wurden in 200 Pappkästen aufbewahrt, getrennt nach Format und angeordnet nach den Namen der Adressaten. Diese fanden auch Eingang in den alphabetischen Katalog, wo sie vielfach als nachträgliche Zusätze noch heute leicht kenntlich sind. Auch in einem Zettelkatalog waren die Personen aufgeführt. Ein gedruckter Katalog konnte leider nicht erstellt werden. Und als die Zeit dafür nach dem Krieg endlich kam, da waren unter den losen Stücken vielfach empfindliche Verluste eingetreten. Sofern nicht Ersatz in den Sammelbänden verfügbar war, blieben Lücken, die oftmals nicht zu schließen waren, da es sich um unersetzliche Unikate gehandelt hatte. Einzelne Personen und Geschlechter waren für alle Zeit dem im Druck geborgenen Gedächtnis entzogen. Und ein letztes, in unsere Erzählung wiederholt hineinspielend. Die Stadtbibliothek war aufgrund ihrer Geschichte und nach der Vereinigung der drei

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Stammbibliotheken de facto zu einer schlesischen Landesbibliothek aufgerückt, die es formell nicht gab. Innerhalb dieses Rahmens trat als gesonderte Einheit das Druckschrifttum auf die Stadt Breslau hervor. Sie umfaßte alle Sachgebiete, und diese waren dank des meisterhaften Katalogs aus der Feder von Heinrich Wendt mühelos zu übersehen.91 Nur wenige Städte verfügten über ein derart gediegenes gedrucktes Auskunftsmittel. Mehrfachexemplare waren die Regel, da ja alle drei Bibliotheken zu der Kollektion beigetragen hatten. Die kostbaren und vielgesuchten Breslauer Schulschriften zum Beispiel, bis in das 16. und 17. Jahrhundert zurückführend, waren in mustergültiger Ordnung in zumeist dicken Sammelbänden untergebracht. Nicht alles konnte gerettet werden. Gleichwohl, das im heutigen SchlesischLausitzischen Kabinett verwahrte Schrifttum, nach wie vor mit der Sigle ›Y‹ versehen, lädt immer noch ein zum ebenso mußevollen wie ergiebigen Verweilen. Über Kirchen und Schulen, Prediger und Professoren, Drucker und Bibliotheken hätten auch wir nicht berichten können, wären uns die Schätze nicht in Filmen und zuletzt in Form von Digitalisaten aus dem unerschöpflichen Breslau und zumal seiner alten Stadtbibliothek am heimatlichen Schreibtisch verfügbar gewesen.

Das Projekt einer schlesischen Zentralbibliothek Wir sprachen von den Umbrüchen, wie sie die Zeit um 1800 auch für die Bibliotheken mit sich brachte. Rückblickend muß man feststellen, daß die frühen Stimmen, die sich da zur Vereinigung der drei Breslauer Bibliotheken erhoben, nur das Präludium zu viel weiterreichenden Planspielen waren. Alles schien plötzlich möglich, und das auch auf dem Sektor der Bibliotheken, denen kühne Entwürfe in der Regel nicht gut zu bekommen pflegen. Das Stichwort lautete: Säkularisation. Wir rufen es auf und können es nicht hindern, stets neu zu erschaudern. Nun ging es im Gefolge der Revolution um das Kirchengut. Der moderne Verfassungsstaat war im Vormarsch. Wer wollte ihm sein Berechtigtes absprechen? Doch zum einen blieb er über lange Zeit und weite Strecken eine hehre Idee. Und zum anderen bemäntelte die Proklamation des neuen Staatsgedankens nur allzuoft nackte Begehrlichkeiten in bezug auf die geistlichen Güter, die einen tiefen Schatten auf die nun zum Zuge kommenden Maßnahmen warfen. Das hier zur Rede stehende Paradigma lehrt das sinnfällig.92 Bayern war unter Montgelas in der Säkularisation vorangegangen. Unter der Stabführung des Freiherrn Johann Christoph von Aretin war auch klösterliches Buchgut in das Eigentum des Staates gelangt und vor allem der Hofbibliothek

229

230

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

in München zugeführt worden. Im nachfriderizianischen Preußen unter Stein und Hardenberg war Schlesien von vergleichbaren Maßnahmen am meisten betroffen. Das Land zählte 91 Klöster und Stifte. Da tat sich ein weites Feld der Annexion auf. Es gereicht dem Freiherrn vom Stein und seinem Mitarbeiter Theodor von Schön zur Ehre, daß sie von der Säkularisation abrieten und sich mit Anleihen bei den geistlichen Korporationen begnügen wollten. Hardenberg schloß sich dieser Linie nicht an. Zu drückend lasteten die Schulden nach dem Tilsiter Frieden von 1806 auf dem Staat. Das Edikt von 1810 verschaffte dem notleidenden Gemeinwesen den Besitz von Klöstern und Stiften, Balleien und Kommenden und mit ihnen die gesamte kulturelle Habe in Gestalt von Kunstsammlungen, Bibliotheken, Archiven etc. Erwies es sich des Erbes würdig, war es ihm überhaupt gewachsen? In dieser Situation trat ein jugendliches Genie auf den Plan, das für die Umsetzung der Hardenbergschen Reform wie geschaffen schien. Johann Gustav Gottlieb Büsching war soeben im Zuge der romantischen Rückwendung zum Mittelalter gemeinsam mit Friedrich Heinrich von der Hagen in dichter Folge mit einer Sammlung deutscher Volkslieder (1807), mit Deutschen Gedichten des Mittelalters (1808), einem Buch der Liebe (1809) und schließlich dem Museum für Altdeutsche Literatur und Kunst (1810) hervorgetreten. Schon 1812 lag ein Literarischer Grundriß zur Geschichte der Deutschen Poesie von der ältesten Zeit bis in das sechzehnte Jahrhundert vor – allesamt Gründungsdokumente der eben jetzt im Zeichen der Befreiungskriege sich formierenden Wissenschaft von der deutschen Literatur, einer ›Germanistik‹, die zunächst vornehmlich auf die mittelalterliche Literatur gerichtet blieb.93 Genau in dieser Zeit, 1809, brach Büsching nach Schlesien auf. Es geschah dies aus Interesse an Sage, Brauchtum und mündlichem Erzählgut, wie es in dem Land zwischen Oder und Riesengebirge lebendig fortdauerte, verlagerte sich dann jedoch zusehends auf Klöster und Bibliotheken.94 Büsching war über die Hardenbergschen Pläne informiert. Rasch wurde er tätig, wußte er sich doch getragen von der Autorität Humboldts und dessen weitreichenden Plänen für die Zukunft. Er wollte Breslau zu einem Buchquartier für das ganze Land ausbauen. Und das hieß, die in Stadt und Land verstreuten reichen Schätze zusammenzuführen in einer ›Zentralbibliothek‹, wie er sie treffend nannte, flankiert von Dependencen vornehmlich in den Residenzstädten des Landes. Allein aus Breslau sollten rund zwanzig Bibliotheken die neue Schöpfung tragen, darunter selbstverständlich auch die drei uns wohlbekannten Breslauer Stammbibliotheken. Als ›Rhedigersche‹ sollte die neue Schöpfung nochmals firmieren. Sie würde, so Büschings Idee, zusätzlich gespeist werden von den Werken in den

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Provinzial- und Klosterbibliotheken im Lande, die in Breslau nicht vorhanden waren; die Dubletten wären auf Liegnitz und Brieg, Schweidnitz und Hirschberg verteilt worden. Wiederum ist deutlich, daß das Gewachsene nicht mehr zählte; das Alte und Hergebrachte durfte restlos umgepflügt werden. Mit großem Elan machte sich Büsching an die verlockende Aufgabe. Zunächst galt es, Verzeichnisse der in den einzuziehenden Klöstern befindlichen Bücher, Archivalien, Münzen und Kunstgegenstände anzufertigen – eine immense Arbeit und auch von dem Tatkräftigsten nicht binnen kurzer Fristen zu bewältigen. So tat sich gleich zu Beginn eine Schwierigkeit auf, an der das Projekt in der avisierten Form scheitern sollte. Büsching griff wo immer möglich auf vorhandene Kataloge zurück, registrierte das am Platz Befindliche, versah ein jedes Werk mit einem Provenienzvermerk und ließ das kostbare Gut verpacken und nach Breslau abtransportieren. Das Augustinerstift auf dem Sande war als Sammelstelle auserkoren. Dann aber trat eine Stockung ein. Die von Hardenberg eingesetzte Kommission bestand auf kompletter Katalogisierung vor Abzug der Schätze. Es bedurfte eines langen Hin und Her, bevor auch die Kommission einsah, daß der von Büsching eingeschlagene Weg der einzig praktikable war, um rasch zu Ergebnissen zu gelangen. Aber nun war es zu spät. Allzu viel war vor Ort bereits in Unordnung geraten, veruntreut oder anderweitig vereinnahmt worden. Das monastische schlesische Kulturgut konnte als Ganzes nicht gerettet werden. Was alleine die Bibliotheken anging, so hatte Büsching in Breslau selbst rund 72.300 auszuhebende Bände gezählt, im Land rund 95.500. Geschätzte 180.000 Bände wären also in der Zentralbibliothek auf einen Schlag zusammengekommen. Tatsächlich waren es am Schluß etwa 70.000. Unersetzliches Buchgut war preisgegeben, weil einem genialen Außenseiter Fesseln angelegt worden waren. Der wandte sich rasch neuen Aufgaben zu. In Breslau aber begann die Geschichte einer neuen Bibliothek.

Eine imposante Neugründung zu später Stunde Anfang März des Jahres 1811 tauchte in Breslau das Gerücht auf, daß die preußische Universität in Frankfurt an der Oder aufgegeben werden und nach Breslau verlegt werden solle – Folge der geplanten Neugründung einer Universität in Berlin und weiteres Indiz für den alle Gebiete erfassenden Geist des Umbruchs. Bibliothekarisch kam damit erneut Büsching zum Zuge. Denn nun zeichnete sich die Chance ab, aus den Frankfurter Beständen und den aus schlesischen Klöstern ausgehobenen Büchern eine Universitätsbibliothek zu schaffen. Als

231

232

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

letzte vorreformatorische Universität war in Brandenburg unter Joachim I. die Viadrina in der Stadt an der Oder im Jahr 1506 gegründet worden – bevorzugtester Studienort der Schlesier bis in das 18. Jahrhundert hinein. Dreihundert Jahre nach ihrer Gründung wurde sie in den Untergang Preußens hineingerissen und erhob sich im Zuge des Neuaufbaus Preußens unter Hardenberg und Wilhelm von Humboldt nicht wieder. 1811 schloß sie ihre Tore und ging ein in die neugeschaffene Universität Breslau.95 In Frankfurt war über die Jahrhunderte ein respektabler Buchbestand zusammengekommen. Genau wie Königsberg hatte die Stadt das Glück, unter seiner Professorenschaft einen hervorragenden Landeskundler zu besitzen, der die maßgebliche Geschichte des Fürstentums Anhalt schrieb, der in Frankfurt an der Oder als erste Autorität auf dem Gebiet der Universitäts- und Bibliotheksgeschichte hervortrat und der gelehrten Welt frühzeitig die maßgeblichen Werke der eigenen alma mater schenkte. Lautete in Königsberg dieser Name auf Daniel Heinrich Arnoldt, so in Frankfurt auf Johann Christoph Beckmann. Dessen hauptsächliche Wirkungszeit erstreckte sich noch auf die für Frankfurt so wichtige Phase des reformierten Jahrhunderts, während sein kongenialer Partner im Königsberg des 18. Jahrhunderts wirkte. Für eine junge Universität ist ausschlaggebend, ob gerade in der Anfangsphase gelehrte Köpfe vorhanden sind, die um den unverzichtbaren Beitrag gut ausgebauter Bibliotheken für die Entfaltung eines regen geistigen Lebens wissen. Beckmann gehörte dazu. Er war nicht nur an der Anschaffung von Büchern maßgeblich beteiligt, sondern er sorgte auch für vorzügliche Kataloge, die der eigenen Feder entstammten. Und da er darüber hinaus eine monumentale Darstellung der Viadrina anläßlich ihres zweihundertjährigen Jubiläums verfaßte, die neben die gleichfalls monumentale der Professorenschaft trat, blieb nicht nur die Frühgeschichte von Universität und Bibliothek hervorragend dokumentiert. Vielmehr sah sich auch die die Nachfolge antretende Universität Breslau mit einem historiographischen und bibliothekarischen Erbe ausgestattet, das singulär in der Gründungsgeschichte von Universitäten dastand.96 Auch für die Universitätsbibliothek Frankfurt galt, was die Regel in den Stadtbibliotheken wie derjenigen in Breslau ausmachte. Sie lebte im wesentlichen von den Donationen. Wir haben auch für Frankfurt eine historische Provenienz- und Kataloganalyse betrieben – und das über katalogische Quellen, die in der Breslauer Universitätsbibliothek gestanden hatten und nun in der Nachkriegszeit über die Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu verfügbar waren. Auch das bedarf hier nicht der Wiederholung. Nur ein Aspekt sei akzentuiert, weil er einschlägig geblieben ist für den Breslauer Kontext. Frankfurt kam

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

zu später Stunde in den Besitz von Büchern aus der Bibliothek des größten Landeshistorikers, den das Brandenburg benachbarte Pommern besessen hat: Johann Carl Conrad Oelrichs (1722–1798). Er war gebürtiger Berliner und Schüler des Joachimsthaler Gymnasiums. Gleichwohl galten seine forscherlichen Aktivitäten neben Berlin und Brandenburg immer wieder auch Pommern. In seiner Bibliothek bildeten sich diese Schwerpunkte naturgemäß ab. Wenn also die Universitätsbibliothek Breslau bis heute reich ist an Brandenburgica und Pommeranica, so ist dies eben auch der Mitgift zu verdanken, die ihr u. a. und vorzüglich über Oelrichs zufiel.97 Wir aber haben dreier weiterer Quellen zu gedenken, über die die mit der Universität heranwachsende Bibliothek ihre Statur gewann. Es darf ja nicht vergessen werden, daß sich auf dem Boden Breslaus eine – von der Bürgerschaft freilich ungeliebte – Universität befand, die aus dem Jesuitenkolleg hervorgegangene ›Leopoldina‹, die wir auf unserem Gang durch die Breslauer Bildungslandschaft bereits berührten. Sie besaß eine Bibliothek, auch wenn deren nähere Physiognomie sich nicht mehr deutlich abzeichnet, da ein Katalog entweder nicht vorhanden war oder sich nicht erhalten hat, so daß man auf Substitute ausweichen muß. Der Weg führt wie immer über die Stifter. Der uns schon bekannte Domkanonikus Friedrich Bergius ließ der Bibliothek – neben sechs Faß Wein – im Jahr 1641 59 Bücher zukommen, der Domvikar Martin Schuppius folgte zwei Jahre später mit 300 Bänden nach. Ein mächtiger Zuwachs erfolgte um die Jahrhundertwende über die Bibliothek des Breslauer Weihbischofs Karl Franz Neander. 3000 Bände sind katalogisch bezeugt. 1706 anläßlich der förmlichen Eröffnung der Leopoldina wurde auch der sonstige Buchbestand geordnet und inventarisiert, und auch dieser Katalog, der rund 2800 Bände ausweist, hat sich erhalten. So waren im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts rund 5800 Bände vorhanden. Danach versiegen die Informationen. Bekannt allerdings ist, daß die Bibliothek im 18. Jahrhundert erhebliche Verluste erleiden mußte. So kam insgesamt vermutlich nur ein eher bescheidener Teil aus der Bibliothek der Leopoldina an die Breslauer Universitätsbibliothek.98 Ganz anders stand es um die zweite Quelle, nämlich die von Büsching in den Klöstern ausgehobenen Schätze. Schmuckstücke waren selbstverständlich vor allem die aus ihnen herrührenden Handschriften und Wiegendrucke. 2000 Handschriften umfaßte der von Johann Christoph Friedrich frühzeitig in den Jahren zwischen 1821 und 1823 angefertigte Katalog, der bis in das 20. Jahrhundert hinein in Benutzung blieb. Dann unternahmen Willi Gröber und andere einen nochmaligen Anlauf. In 28 Bänden wurde ein monumentaler neuer Katalog geschaffen. Hinzutraten die Verzeichnisse der Spezialbestände, die den Namen

233

234

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

der Breslauer Universitätsbibliothek rasch in die Welt hinaustrugen. Auch ein Inkunabelkatalog wurde von Adolf Friedrich Stenzler erarbeitet. Er umfaßte rund 3000 Inkunabeln, also ein Vielfaches des in der Stadtbibliothek Vorhandenen. Die Klöster waren reich an Drucken aus dem 15. Jahrhundert und eben dies gereichte der jungen Universitätsbibliothek nun zum Ruhm.99 Zu Ende des Jahrhunderts schließlich kam die großartige Bibliothek der ›Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur‹, von der wir hören werden, ins Haus. Hinter ihrer Gründung hatte in den dreißiger Jahren eine andere große Gestalt der schlesischen Kultur- und speziell der schlesischen Bibliotheksgeschichte gestanden, diejenige Hoffmann von Fallerslebens. Er ermunterte zu Spenden und warb vor allem für die Bewahrung und Archivierung von Kleinschrifttum, »Leichenpredigten, Hochzeitsgedichte, Beschreibungen einzelner merkwürdiger Ereignisse« wurden ausdrücklich von ihm für die zu gründende Bibliothek erbeten. Rund 15.000 Bände mit Silesiaca kamen schließlich zusammen. So trat neben die Stadtbibliothek die Universitätsbibliothek als ein kaum zu erschöpfendes Reservoir landeskundlicher Literatur bis hinab zu dem so seltenen Kleinschrifttum. Breslau war ein Dorado für eine jedwede auf die Stadt und das Land gerichtete kulturgeschichtliche Forschung. Welch eine andere Stadt durfte sich rühmen, gleich zwei Sammelstätten zu besitzen, die den im 19. Jahrhundert so machtvoll aufstrebenden ›vaterländischen‹ Studien ein derart reiches Quellenmaterial darboten?100

Ein abschließender Blick auf die Archive Und zu diesem Schatz traten die Archive. Nicht nur ein eigenes Kapitel in unserem Buch, sondern ein eigenes Buch selbst wäre ihnen zu widmen. Wir haben nur ganz am Rande während unserer ungezählten Aufenthalte in Breslau in sie hineingeschaut und dann stets aus speziellem, der Lösung einer Einzelfrage gewidmeten Anlaß. Unser Buch aber schöpft aus der eigenen Anschauung, und also dem steten Umgang mit Handschriften und Büchern, wie wir sie in der nach dem Krieg geschaffenen Breslauer Universitätsbibliothek auftaten, und die uns allemal Stoff für nur vorläufig zum Abschluß zu bringende, weil unerschöpfliche Studien boten. Auch dieses Buch zu später Stunde markiert eine Etappe. Und wenn es seine Bestimmung sein sollte, zu neuen Forschungen zu ermuntern, wäre es sein schönster Lohn. Nur um der Rundung wegen möge nun auch ein ganz knappes Wort zu den Archiven in Breslau verlauten. Und das nicht zuletzt, weil ihre Geschichte teilweise eng mit der der Bibliotheken verbunden ist, auch aber, weil Personen zu erwähnen sind, die die Geschichte

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

der Breslauer und der schlesischen Kultur geprägt haben und denen wir oftmals schon begegneten.

Physiognomie des städtischen Archivs und seiner Direktoren Das städtische Archiv war, wie durchweg in den Kommunen, in der Nähe des Rats untergebracht. Es wuchs naturwüchsig heran, kannte keinen eigens bestellten Sachwalter und führte auch räumlich ein Schattendasein. Ein Anonymus, sehr von sich und seinen stilistischen Meriten überzeugt, hat uns im ersten Band der neuen Folge der Schlesischen Provinzialblätter im Jahr 1862 eine Momentaufnahme überliefert. Bei dem im Schwange befindlichen Interesse am Mittelalter setzte er ein. »Nicht lange erst schenkt man bei uns bekanntlich dem Studium mittelalterlicher Kunst und Sprache Aufmerksamkeit, und den Vorfahren kann der Tadel nicht erspart werden, daß sie, allzu ausschließlich praktischem Interesse anhängend, der geschichtlichen Entwickelung städtischen Lehens keine besondere Aufmerksamkeit widmeten. So nur haben sich ganze stoffartig verwandte und zusammengehörige Sammlungen zerstreuen und theilweise aus den Augen verlieren können, so daß sie großentheils neuerdings erst wieder in verwahrlostem Zustande und lückenhaft aufgefunden worden sind, und daß gleichgültige Familiengeschichten, Pathen=, Lehrbriefe und allerhand werthlose Personalien in rücksichtslosem Gemenge mit Haupt- und Staats-Aktionen zwischen Kaiser und Reich, Königen von Böhmen und Polen, Herzogen, Fürsten, Grafen, Herren und Städten durcheinander liegen, ohne daß bisher, unablässiger Mühwaltungen ungeachtet, in Raum und Zeit allen Bedingunen hätte entsprochen werden können, unter denen die wirre Masse systematisch und chronologisch zu sondern und zu ordnen gewesen wäre.« Nun, die nachfolgenden Bemerkungen über die Personen, die sich da bereits im 18. Jahrhundert ans Werk gemacht hatten, um Ordnung zu schaffen, paßten schlecht zu dem eingangs doch wohl eher auf Effekt bedachten Gemälde. Und was an Schätzen da en passant namhaft gemacht wurde, ließ aufhorchen und erweckte Neugier. Die Hoffnung heftete sich an das neue Stadthaus, in dem auch das Archiv eine würdige Bleibe finden sollte. Und dann, so der letzte Satz, »dürfte auch wohl ein in solchen Dingen heimischer Custos, der, über solche Amtspflicht hinaus, die Schätze mit Dilettantenpassion hegen und pflegen würde, nicht weit zu suchen sein.«101 Ob der Schreiber selbst sich Hoffnungen machte? Die wären dann rasch zerstoben. Als wenige Jahre später der Umzug tatsächlich stattfand, da war es auch mit der Improvisation vorbei. ›Dilettantenpassion‹ hatte schon vorher nichts ausrichten können. Nun wurde ein hauptamtlicher

235

236

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Fachmann bestellt, der die unter einem Dach vereinigten ehrwürdigen Institutionen der städtischen Bibliothek und des städtischen Archivs gemeinsam unter seine Obhut nahm. Man hätte keinen der Aufgabe würdigeren Sachwalter der Schätze finden können. Er hat uns auf unserer Wanderung stetig begleitet, hat uns unaufhörlich Informationen über Handschriften, Bücher und in ihrem Umkreis wirkende Personen übermittelt und tritt nun selbst für einen Moment in unser Blickfeld, hat er doch auch dem Archiv einen bis heute maßgeblichen Artikel gewidmet. Wir hörten, daß Friedrich Pfeiffer in den letzten Jahren, da die Rhedigersche Bibliothek in der Elisabethkirche aufgestellt war, deren Katalogisierung besorgte. 1863 war er für seine entsagungsvolle Arbeit mit dem Amt des Stadtbibliothekars betraut worden. Zugleich wurde ihm die Obhut über das Archiv zuerkannt. Eine Personalunion war begründet, die für zwei Generationen Bestand haben sollte. Schon ein Jahr später legte Pfeiffer eine Denkschrift für eine zweckmäßigere Anordnung und Unterbringung des Archivs vor. Im Auge hatte er das entstehende Stadtverordnetenhaus. Und tatsächlich wurden die Empfehlungen gehört. Archiv und Bibliothek zogen in das neue Gebäude um, und als in den neunziger Jahren ein weiterer räumlicher Wechsel bevorstand, das Gebäude am Roßmarkt bezogen wurde, blieben Bibliothek und Archiv weiter unter einem Dach vereinigt. Und das bis zum Jahr 1945. Pfeiffer stand zehn Jahre im Dienst beider Institutionen. Dann übernahm er im Jahr 1876 eine Professur für deutsche Sprache und Literatur an der Universität Kiel und fand damit eine seinen Qualifikationen angemessenere Position.102 Sein Nachfolger wurde Hermann Markgraf. Gute dreißig Jahre hat er im Dienste beider Institutionen gestanden und ihnen jenes Profil verschafft, das sie zu herausragenden Sammel- und Forschungsstätten machte, als welche sie zunehmend nun auch in der Öffentlichkeit bekannt wurden, und das weit über Breslau hinaus.103 Dazu trugen nicht unerheblich seine publizistische Tätigkeit und die Schaffung von Publikationsorganen für Archiv und Bibliothek bei. Seine Geschichte des städtischen Urkundenarchivs vermittelte womöglich erstmals einen Begriff von den Zimelien, die da im Stadtarchiv verwahrt wurden.104 Und das, obgleich in einem ersten Schritt ausdrücklich eine Beschränkung auf die Urkunden statthatte. Von den ältesten Urkunden aus dem Jahre 1261 führte der Historiker, der bei Droysen promoviert hatte, über die böhmische Zeit und die unter den Habsburgern hinein in die preußische Ära – Stadtgeschichte auf dem Umweg über Quellenkunde; unter den Händen eines ersten Sachkenners vermochte auch derart ein lebendiges Bild entstehen. Markgraf war selbst ordnend und registrierend tätig gewesen und sprach aus unmittelbarer Anschauung.

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

Und mehr als das. Er gedachte, wie es sich geziemt, seiner Vorgänger. An erster Stelle erschien der Name des Rektors der Schule zum Heiligen Geiste, Samuel Benjamin Klose. Wie kaum einer sonst verband er archivarische und bibliothekarische Arbeit in einer Person. Ihm trat zunächst als Gehilfe Johann Carl Roppan zur Seite, der das Archiv in das neue Jahrhundert führte. Und als dann Christian Friedrich Paritius, dem wie Klose große Verdienste auch um die Handschriften zumal der Rhedigerschen Bibliothek zukamen, um die Mitte des 19. Jahrhunderts seine Aufmerksamkeit dem städtischen Archiv zuwandte, da war weit mehr geschehen, als man der Miszelle des Anonymus entnehmen konnte.105 Zunächst Pfeiffer und dann Markgraf vermochten daran anzuknüpfen. Nur der unermüdlichen Arbeitskraft Markgrafs war es geschuldet, daß beide Institutionen jahrzehntelang gleichermaßen zu ihrem Recht kamen. Auf Dauer war eine Trennung der Ämter angesichts der Vielfalt der Aufgaben jedoch unumgänglich. Sie wurde nach dem Ausscheiden Markgrafs aus dem Amt in seinem Todesjahr 1906 vollzogen. Fünfzehn Jahre des Wirkens in Bibliothek und Archiv waren ihm in dem neuen Gebäude am Roßmarkt vergönnt gewesen. »Er hat die beiden Institute, die vor seinem Eintritt in die Leitung ein bescheidenes, wenig beachtetes Dasein führten, zu viel benutzten, wohlorganisierten, in der wissenschaftlichen Welt bekannten und angesehenen Anstalten, auf manchen Gebieten zu Mittelpunkten der wissenschaftlichen Arbeit erhoben und ihnen, zumal nach dem Umzug ins neue Haus, einen Aufschwung gegeben, der die Grundlage und Voraussetzung für eine neuzeitliche Entwicklung der beiden Institute gewesen ist.«106 So Markgrafs Nachfolger. Beide Anstalten hatten ein ausgeprägtes Eigenleben gewonnen – ein Eigenleben, das dem Miteinander unter einem Dach keinen Abbruch tat, sondern ihm zugute kam. Alles hing freilich ab von der personellen Konstellation. Denn nun trat eine jeweils eigene Direktion an die Spitze. Heinrich Wendt wurde zum Leiter des Stadtarchivs bestimmt, Max Hippe zu dem der Stadtbibliothek. Beide sind uns gleichfalls bereits wiederholt begegnet, wie es nicht anders sein konnte, waren auch sie doch wiederum mit einschlägigen Publikationen hervorgetreten. Wendt, nun allein zuständig für das städtische Archiv, hatte eben im Jahr der Amtsübernahme seinen Katalog der auf Breslau bezogenen Druckschriften vorgelegt, der 1915 noch eine Ergänzung erfuhr. Die unmittelbare räumliche Nähe und der persönliche Austausch konnten der auf die Stadtgeschichte gerichteten Arbeit nur zugute kommen.107

237

238

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

Das Schlesische Provinzialarchiv und die Glanzzeit der schlesischen Historiographie Für das städtische Archiv trat indes in ganz anderer Hinsicht eine neue Situation ein, die vielleicht erklärt, warum es in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr so intensiv hervortrat wie dies unter Markgraf der Fall war. Es hat im 20. Jahrhundert unseres Wissens keine große oder gar monographische Darstellung auf sich gezogen. Und das nun im Gegensatz zu der zweiten archivalischen Institution vor Ort, der es beschieden war, zu einem der exzellenten Häuser im alten deutschen Sprachraum aufzurücken. Wir nehmen also unsere kurzfristig unterbrochene Erzählung, wie sie sich an die Entstehung der Breslauer Universitätsbibliothek knüpfte, wieder auf, um sie in einem parallelen und wiederum mit ihr verknüpften Bereich in wenigen Strichen zum Abschluß zu führen.108 Am Eingang der neuen akademischen Bibliothek stand die hünenhafte Gestalt Johann Gustav Gottlieb Büschings, in dessen Hand de facto die Verantwortung für die Durchführung der Säkularisation lag, wie sie der bibliothekarischen akademischen Schöpfung eminent zugute kam. Nämliches aber gilt nun auch für eine parallele, und zwar archivalische Neugründung. Sie verdankt – wie die Universität selbst und deren Bibliothek – ihre Entstehung ebenfalls jener denkwürdigen Epoche des Zusammenbruchs sowie des Neuanfangs des preußischen Staatswesens und an vorderster Stelle dem in Schlesien wirkenden und für die kulturellen Belange seine schöpferischen Talente mobilisierenden Genie Büschings. Denn wie die Bücher und Handschriften verlangten die ausgehobenen klösterlichen Archive und anderweitigen schriftlichen Dokumente eine dauerhafte Bleibe. Das Schlesische Provinzial- und nachmalige Breslauer Staatsarchiv war der Ort ihrer Bestimmung. Büsching war davon ausgegangen, daß alle in Breslau zusammenströmenden Schätze in der ›Zentralbibliothek‹ eine Unterkunft finden würden. Doch sukzessive setzte eine Ausdifferenzierung ein, die im Laufe der Zeit zu einer ganzen Reihe selbständiger musealer Einrichtungen führte. Entsprechend wurde auch im Gefolge der Reform des preußischen Archivwesens, wie sie Hardenberg betrieb, die Verbindung des Archivs mit der Universität gelöst und dieses schließlich 1823 dem Staatsministerium unterstellt. Einher damit ging die Ausgestaltung über die bislang vorhandenen Klosterarchive hinaus zu einem Landesarchiv. Büsching blieb der Ruhm, der Begründer des Schlesischen Provinzialarchivs zu sein. Dessen Leitung aber wurde nun in fachkundige Hände gelegt. Ihre Namen sind aufs engste verknüpft mit der nun gleichfalls professionell sich etablierenden

Drucker und Sammler, Bibliotheken und Archive  |

schlesischen Geschichtsschreibung. Dem Provinzialarchiv war es vorbehalten, zu einem Zentrum der schlesischen Geschichtsforschung aufzurücken. Mit dem Eintritt von Gustav Adolf Harald Stenzel in das Archiv setzte diese Entwicklung ein. Er baute es in den Jahren zwischen 1822 und 1854 zu einem hochkarätigen Landesarchiv aus. Alle dem Staat gehörenden und im Land verstreuten Archivalien wurden dem Provinzialarchiv in Breslau zugeführt. Binnen weniger Jahre vermehrten sich die Bestände um ein Vielfaches. Es waren vor allem die Archivalien aus der österreichischen Zeit, die den Zuwachs bewirkten, auch aber das Bistumsarchiv sowie das fürstbischöfliche Regierungsarchiv in Neisse und das Senitzische Archiv in der Elisabethkirche sowie die Regierungs- und Hausarchive der ausgestorbenen Piastenherzöge trugen zu dem unerhörten Aufschwung bei. Auf Schlesien bezogene historische Forschung vollzog sich fortan in erster Linie im Breslauer Staatsarchiv. Rasch machte sich Raummangel fühlbar. Das Archiv war an dem Platz untergebracht, den Büsching für seine ›Zentralbibliothek‹ auserkoren hatte, residierte also wie die Universitätsbibliothek in den Gemäuern des Augustinerstifts auf der Sandinsel. Die neu geschaffene Stadtbibliothek hatte im Stadtverordnetenhaus eine vorläufige Bleibe gefunden; das Archiv fand ein solches im gleichfalls neuerbauten Ständehaus, dem nachmaligen Kunstgewerbemuseum. Der Umzug im Jahr 1847 ging mit einem bald danach erfolgenden Wechsel in der Leitung einher. Stenzel starb 1854. Nun kam der Mann für einige Jahre zum Zuge, der nach allgemeinem Urteil als der hervorragendste Kenner des schlesischen Urkundenwesens sich einen Namen machte, Wilhelm Wattenbach. Wenn seine Zeit in Breslau knapp bemessen blieb, so eben aufgrund seines wissenschaftlichen Rufes, den er sich erworben hatte. In Heidelberg fand er nach weniger als einem Jahrzehnt im Breslauer Archiv als Professor für Geschichte eine neue Stätte des Wirkens. Zum Leiter wurde Colmar Grünhagen berufen, der Verfasser u. a. der bekannten und bis heute gerne benutzten zweibändigen Geschichte Schlesiens. In seine Zeit fällt ein neuer Umzug. Das Archiv wurde in das extra geschaffene Gebäude an der Ecke der Garten- und Neuen Taschenstraße gegenüber dem Zentralbahnhof verlegt, und zwar an die Stelle, wo später das Kronprinzenhotel seinen Platz hatte. Es war das erste ausschließlich für archivalische Zwecke neu errichtete Gebäude in Preußen und erwies sich doch ebenfalls rasch wiederum als zu klein. So ist der nochmalige und nunmehr letzte Umzug noch einmal mit dem Namen eines bedeutenden Gelehrten verbunden. Im Jahr 1901 übernahm Otto Meinardus die Leitung des Breslauer Staatsarchivs, wie das ehemalige Provinzialarchiv seit 1867 hieß. Zehn Jahre später konnte er ein magistrales

239

240

|  Zentrum des verschriftlichten Wortes

neues Haus beziehen, das allen Stürmen des neuen Jahrhunderts trotzen sollte und bis heute seine guten Dienste für das nunmehrige Wojewodschaftsarchiv leistet. Das Gelände an der Tiergartenstraße wurde gewinnbringend verkauft. Die erlösten Mittel konnten in die Errichtung eines Neubaus in der gleichnamigen Tiergartenstraße fließen.109 Man vermag nachzuvollziehen, daß dem Historiker kein Wort zu hoch gegriffen dünkte, wenn es darum ging, anläßlich der letztmaligen baulichen Gründung Rückblick auf ein Jahrhundert zu halten, an dessen wissenschaftlichem Ertrag in bezug auf Breslau und Schlesien das aus der revolutionären Büschingschen Tat hervorgegangene Archiv einen maßgeblichen Anteil hatte. Die Worte hätten auch mit Blick auf Stadtarchiv und Stadtbibliothek anläßlich des Einzugs in das neue Gebäude am Roßmarkt in ähnlicher Diktion gesprochen werden können. Wir setzen sie an den Schluß eines langen Rundgangs durch Breslaus vornehmste Memorialstätten, seine Bibliotheken und Archive. »Welch ein Abstand zwischen dem heutigen Prachtbau des Staatsarchivs und dem alten schlesischen Provinzialarchiv, das bei seiner Errichtung im Sandstiftsgebäude vor hundert Jahren mit dürftigen drei Zimmern und mit elenden, aus alten Bücherkisten zusammengestoppelten Urkundenschränken hatte vorlieb nehmen müssen! Möge auch in der Zukunft ein gütiges Geschick stets über dem Breslauer Staatsarchiv walten und ihm stets Beamte beschieden sein, die den eisernen Forschergeist eines Stenzel, die Wissenschaftlichkeit und Urbanität eines Wattenbach, die glühende, aufopfernde Liebe zur schlesischen Geschichte eines Grünhagen und das archivalische Organisationstalent eines Meinardus zum Segen dieser Anstalt und ihrer gemeinnützigen Zwecke in glücklicher Verbindung zu verbinden wissen, auf daß das Wort der Heiligen Schrift (Deuteron. XXXII, 7), das im lichtdurchfluteten Treppenaufgang unseres Staatsarchivgebäudes angemalt steht, sich erfülle an den Beamten und Benutzern: ›Memento dierum antiquorum. Cogita generationes singulas. Interrroga maiores tuos et dicent tibi‹ – Vertiefe dich in die Vergangenheit, durchdenke die Aufeinanderfolge der Menschengeschlechter, hole dir Rats bei den Vorfahren und sie werden zu dir reden.«110

7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus Auftakt in Zeichen des Domkapitels Am Eingang des deutschen Humanismus steht die Gestalt Johannes von Neumarkts, die uns Konrad Burdach und seine Schüler unvergeßlich erschlossen haben. Er gehörte als Kanonikus, sodann als Propst dem Breslauer Domkapitel an und starb als postulierter Bischof von Breslau. Seine Reform der lateinischen Kanzleisprache und seine Formelbücher dürften auch in der Breslauer geistlichen Kanzlei nicht ohne Wirkung geblieben sein.1 Der direkte Kontakt ist durch seinen Schüler Dietmar von Meckebach sichergestellt, der 1351 als Kanzler des Fürstentums nach Breslau kam und zugleich als Kanonikus am Dom zu St. Johann wirkte. Damit ist schon gesagt, daß nur am Sitz des Bischofs der gesellschaftliche Kristallisationspunkt gegeben war, um den herum humanistisches Gedankengut sich auszubreiten vermochte. Im Breslauer Domkapitel fand der Humanismus seine erste Heimstätte und das in Koinzidenz mit dem böhmischen Vorspiel frühzeitig.2 In Kontakt zumeist mit dem großen Vermittler Enea Silvio schulte sich die Breslauer Domherrenschaft auf ausgedehnten Italienreisen um die Mitte des 15. Jahrhunderts, so ein Nikolaus Kreul, ein Nikolaus Merboth (der Matthias Corvinus 1469 als offizieller Redner des geistlichen Standes anläßlich seines Einzuges in Breslau begrüßte), ein Johannes IV. Roth, ein Wigand von Salza, ein Johann von Wartenberg und andere. Enge Beziehungen bestanden sodann naturgemäß zu Krakau, wo die Universität das Zentrum des erneuerten geistigen Lebens bildete, welche Breslau schmerzlich vermissen mußte. Bernhardus Krotinphul, Nicolaus Tauchan, Bartholomäus Mariensüß, Nikolaus Czepel und wie sie heißen, hatten ihre akademischen Weihen in Krakau empfangen – sie alle von dem fruchtbarsten Historiographen der jungen intellektuellen Bewegung, von Gustav Bauch, liebevoll und eingehend porträtiert, während es uns verboten ist, ins Einzelne zu gehen. Auch der größte der schlesischen Frühhumanisten, der spätere Bischof Johannes V. Thurzo, hatte in Krakau und dann in Italien studiert. Wir haben darüber

242

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

im vierten Kapitel unseres Buches eingehender gehandelt. Seine Kanzlei wurde ein Sammelplatz humanistisch orientierter Geister, darunter neben Valentin Krautwald zeitweilig eben auch Johann Heß. Nach Deutschland, nach Leipzig, Erfurt, Wien unterhielten die gelehrten Domherren selbstverständlich gleichfalls universitäre Kontakte, doch traten sie bezeichnenderweise am Anfang hinter die beherrschenden italienisch-böhmisch-polnischen zurück.

Erste Verankerung an den Schulen: Die Gestalt des Laurentius Corvinus Es war ein Glücksfall für das intellektuelle Leben Breslaus, daß noch vor der Jahrhundertwende mit Nicolaus Tauchan aus Neisse ein Domscholastikus wirksam wurde, der den Humanismus durch seinen eigenen Bildungsgang kannte und nun auch für dessen Verankerung an den Schulen Sorge tragen konnte. Auf der Domschule kam Georg Smed aus Neisse als erster humanistisch orientierter Schulrektor zum Zuge, der bereits in Krakau über die Politik des Aristoteles und den Trost der Philosophie des Boethius gelesen hatte, genauso wie der spätere Rektor Kaspar Brauner (Fuscinus).3 Am reichsten entfaltete sich der schulische Frühhumanismus Breslaus um St. Elisabeth. Denn hier wirkte die bedeutende Gestalt des Laurentius Corvinus. Auch Corvinus – wie so häufig zünftigem Bürgertum entstammend – reiht sich ein in die Schar der Schlesier, die ihre akademische Ausbildung in Krakau empfingen. Der scholastischen Philosophie, der in Krakau wie nirgendwo sonst blühenden Astronomie und den humanistisch-poetischen Studien gab er sich gleichermaßen hin. Neben Boethius las er nach erworbenem Baccalaureat und Magister auch über Vergils Bucolica.4 Wie für so viele andere wurde auch für Corvinus die Begegnung mit Conrad Celtis wichtig, der gleichfalls seinen Astronomie-Studien in Krakau zwischen 1489 und 1491 nachging und zugleich ein philosophisches Kompendium las. Noch in Krakau trat Corvinus mit einer eigenen, von seinem Schüler Heinrich Bebel 1496 in Basel edierten Kosmographie hervor, in der der neuplatonische Einschlag unverkennbar in der Aufdeckung der verborgenen Kräfte der Natur sich kundtut, die dem Astronomen obliege. Sein Handexemplar in der Dresdener Landesbibliothek – aus dem Besitz von Johann Heß – ist übersät mit handschriftlichen Zusätzen, die durchweg auf Platon rekurrieren. Eingegliedert ist dem Werk neben poetischen Lobpreisungen auf Krakau und Neumarkt eine Silesiae descriptio compendiosa.5 Nicht ausgeschlossen, daß Corvinus noch in Krakau einer der Lehrer des Kopernikus wurde, der sich dort im Sommersemester 1491 einschrieb. 1494

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

verließ Corvinus Krakau, übernahm die Leitung der Pfarrschule in Schweidnitz und schrieb hier die den Krakauer Studenten gewidmete Anweisung zur Dichtkunst Carminum structura, die 1496 in Krakau gedruckt wurde. Sie enthält in ihrer Mitte ein Lob auf die Poesie und den Poeten, wie es seit den frühesten Anfängen in Italien bei Mussato die Geschichte des Humanismus begleitete. Wie bei Celtis ist das Studium der Poesie eingepaßt in den weitesten Rahmen, umfaßt Logik, Philosophie und Naturwissenschaften, die dem poetischen Gestus nicht äußerlich bleiben, sondern den Universalismus poetischer Rede begründen, der zugleich einen Ausweis der umfassenden Kompetenz des Poeten darstellt – eine Argumentationsfigur, die bis in die Tage des Späthumanismus verbindlich war und stets wieder bemüht wurde. Und so nicht anders im Blick auf die immer erneut in Frage gezogenen und deshalb zu rechtfertigenden moralischen Qualitäten des Dichters. Poesie lebt von Wahrheit und Weisheit, verborgen in Bild und Fabel, und der Dichter als Wissender gründet sein Leben auf Einsicht.

Installation der humanistischen Studien im Zeichen des Neuplatonismus Als ein bereits berühmter Mann kam Corvinus nach Breslau. In der festlichen oberen Halle des Rathauses brachte er als erster Humanist noch vor Conrad Celtis am 1. März 1500 mit seinen Schülern die zweite Komödie des Terenz, den Eunuchus, zur Aufführung, der weitere des Plautus folgten. Der Pflege des Lateinischen widmete er seinen 1502 erschienenen Hortulus elegantiarum, der bis 1520 rund dreißig Auflagen erlebte. Für seine Schüler selbst verfaßte er eine kleine Sammlung kindlicher lateinischer Gespräche Latinum ydeoma (Breslau 1503), auch sie weit über dreißigmal aufgelegt. Poetisch am gelungensten ist seine kleine und ganz merklich an Boccaccio angelehnte Traumallegorie Carmen elegiacum De Apolline et nouem Musis (1503). Aus dem Musenort vor den Toren von Neapel oder Florenz ist der liebliche Ort an der Oder geworden, an dem sich im Traume die Begegnung des Dichters mit Apollo und den Musen vollzieht. Apollo ist in platonisch-neuplatonischer Tradition nichts geringeres unter den Göttern aufgetragen als den Wohlklang der Gestirnsmelodien zu erwirken; er ist der Leiter der Sphärenharmonie und der Gesang der Musen von ihr inspiriert. An den Dichter aber ergeht die Aufforderung, den beschwerlichen Aufstieg zum Helikon nicht zu scheuen, sondern vom göttlichen Vorbild sich leiten zu lassen – die humanistische Vokation im

243

244

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Gewande Boccaccios als wohlkalkulierter Akt der Selbststilisierung und Erhöhung, in der sich der Breslauer Frühhumanismus vollendete. Corvinus selbst wechselte 1503 aus dem Amt des Rektors der Elisabethkirche in das des Stadtschreibers herüber, in dem seine humanistischen Neigungen und Fertigkeiten sich nochmals anderweitig entfalten konnten. Nach seiner Rückkehr aus Thorn, wo er zwischen 1506 und 1508 gleichfalls als Stadtschreiber wirkte, nahm er in gut humanistischer Manier für Breslau teilweise hochkarätige Gesandtschaften wahr. Als Freund der Alten, aber im städtischen Milieu, zeigte er sich schriftstellernd noch einmal in voller Meisterschaft in seinem 1516 erschienenen Dialogus de Mentis saluberrima persuasione, in dem er ein aus platonischen, neuplatonischen und christlichen Anschauungen verschnittenes moralphilosophisches Kompendium der städtischen Bürgerschaft seiner Wahlheimat an die Hand gab. Wieder ist die Rahmenhandlung in die vertraute Landschaft verlegt, dieses Mal in die Umgebung von Neumarkt. Die Lehre, nur gelegentlich durch Nachfragen des wißbegierigen Dichters aufgelockert, ist einer schönen Jungfrau anvertraut, die sich selbst als ›Mens‹ apostrophiert, in Begleitung der vier Musen Urania, Polyhymnia, Thalia und Melpomene auftritt und dem Poeten später auf seine flehentliche Bitte hin in der Kirche nochmals Rede und Antwort steht. Entsprechend dem heidnisch-christlichen Szenarium ist das ganze Werk auf die planmäßige Verzahnung beider Bereiche hin konzipiert. Wie so häufig in der moralphilosophischen Literatur des Humanismus nimmt das Gespräch seinen Ausgang von einem neuplatonisch gemodelten Platon. Dieser ist dem Dichter und seinen Standesgenossen aus der berühmten Übersetzung Ficinos bekannt, wie die Annotationen zeigen. Wahre Menschlichkeit, so das binäre und über Platon abgestützte Modell, erweist sich in der Überwindung der nichtigen Begehrungen, gleichgültig ob diese auf die leiblichen Genüsse oder auf Reichtum und Glanz gerichtet sind. Das wahre Begehren richtet sich auf das Himmlische, auf die Schätze des Geistes, der Tugend; nur in ihnen gründet das Dauernde, Ruhm und Ehre mit sich führend. Höchstes Ziel bleibt die Verehrung des himmlischen Vaters und die freudige Annahme seines in Christus vollzogenen Gnadenwerkes. Gedenken waltet im täglichen Nachvollziehen und Besingen des Wunderbaren, wie Bonaventura es in seinen Hymnen praktizierte, deren Druck dem Dichter Corvinus nun durch die Schöne anempfohlen wird. Die Dreieinigkeit Christi ist allen Vernunftschlüssen enthoben und nur glaubend den heiligen Schriften zu entnehmen. Tatsächlich vollzieht sich ihre Explikation wiederum in bekannter humanistischer Praxis über Platon und Dionysos Areopagita,

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Hermes Trismegistos und vor allem Plotin. Mittels Bemühung der christlichen Dogmen zum Schluß der Feier des Meßopfers in einer Elegie wird das argumentative Gleichgewicht aus leicht nachvollziehbaren Gründen, wie überall bis tief in das 17. Jahrhundert hinein, wieder hergestellt. Intendiert, das dürfte deutlich geworden sein, ist nach dem Vorbild der großen neuplatonischen Florentiner Schule auch im fernen Breslau nichts anderes als die Integration des platonisch-neuplatonisch-mystischen Gedankenguts in die christliche Glaubenslehre. Der Dichter indes, der zu diesem großen Werk antritt, salviert sich zugleich mit einem Augustinus zugeschriebenen Diktum: Credendum est simpliciter, quod non potest investigari utiliter. Dem pädagogischen Eros aber gehorcht Corvinus, indem er sich nicht scheut, das hehre Gedankengebäude in kleine Münze in Gestalt von Handlungsmaximen insbesondere für die Jugend umzustanzen. Das rechte Maß in allen Dingen zu halten, ist in ehrwürdiger moralphilosophischer Tradition auch sein alles Einzelne durchwaltender Rat. Und die Schöne weiß ihm zu bestätigen, wie viel Nützliches der Stadt und ihrem Regiment sowie ihren Söhnen von seiten ihres Bediensteten aus einem so gearteten schriftstellerischen Tun zufließen würde. Kein gelungenes humanistisches Werk, in dem man sich nicht auch über den impliziten Adressaten verständigte. Indem ganz zum Schluß nochmals die Frage nach der Dignität Platons im christlichen Milieu aufgeworfen und ein zukünftiges Werk von der Schönen angekündigt wird, in der die Platonische Lehre leicht faßlich ausgebreitet würde, reklamiert auch der nun vorliegende Dialog, mit dem dieses Versprechen ja bereits eingelöst erscheint, einen heidnisch-heiligen Schutzengel für sich. Offensichtlich hat Corvinus mit der Einführung von ›Horen‹ in Bonaventuras Manier an der Elisabethschule in Breslau Ernst gemacht. 1521 erschien in Breslau bei Adam Dyon ein Werk mit dem Titel Cursus sancti Bonauenture de passione domini cum inuitatorio himnis et canticis Laurentij Coruini, mit dem die im Dialogus avisierte Erneuerung Bonaventuras unmittelbar vor der Reformation in Breslau in die Tat umgesetzt wurde.

Bündnis mit der Reformation Auch in das Geschehen der Breslauer Reformation ist Corvinus noch involviert. 1521 ging in Breslau jener berühmte und vielzitierte Brief Melanchthons ein, in dem er Schlesien als das bestausgestattete Land mit Priestern und Kennern der erneuerten Wissenschaften preist. In ihm war von einem am Ort wirkenden ›viro gravissimo‹ die Rede, mit dem er in Verbindung zu treten wünsche.

245

246

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

»›Denn ich kann den nur lebhaft bewundern, welcher, wie ich berichtet werde, in den schwierigsten Geschäften der Stadtverwaltung auch die guten Wissenschaften und am meisten die frommen so sehr zu Freunden hat.‹«6 Das konnte sich nur auf Corvinus beziehen, die Symbiose kommunaler, humanistischer und religiöser Interessen und Fertigkeiten nochmals unterstreichend. Nicht zu sehr den Überlieferungen der Menschen und zumal den mönchischen Reden möge der verheißungsvolle Mann trauen, sondern Wort und Vorbild Christi selbst. Der Wunsch Melanchthons sollte in Erfüllung gehen. Schon die Räumung des Bernhardinerklosters ist sehr wahrscheinlich unter der Regie des Corvinus erfolgt. Er dürfte desgleichen die Berufung des Johann Heß als Pfarrer an die Kirche St. Maria Magdalena in einer Apologie zugunsten des Rats verteidigt haben. Er ist die bewegende Kraft in der vom Rat eingeleiteten Armenpflege. Er steht Heß während seiner Disputation bei der formal korrekten Abwicklung zur Seite und beschließt das ungewöhnliche Ereignis mit einer Rede zum Lobe Gottes und einer Elegie. In letzterer preist er die Zeit, in der die griechische und hebräische Sprache und mit ihnen die Kenntnis der heiligen Schrift und der reinen Lehre nach Deutschland gekommen seien. Fürstenberg, Liegnitz und nun Breslau bilden bislang die entscheidenden Stationen in Schlesien. So hatte sich die Kontamination antiker und christlicher Überlieferungen unter dem Eindruck Luthers im Bekenntnis zum schlackenlosen Evangelium und seines lauteren sprachlichen Gefäßes gelöst. Die Gegner bestätigten denn auch, daß neben den erwähnten Heß und Niger der Humanist Corvinus die entscheidende dritte Gestalt bei der Einpflanzung der Reformation in Breslau gewesen sei. Im Kontroversgespräch mit einem Freund in Przemyśl betonte Corvinus, es ginge nicht um Luthers oder Zwinglis Wort oder irgendeine andere menschliche Überlieferung, sondern allein um das Wort Gottes. Genau das hatte Melanchthon gefordert.

Die Schulen bei St. Maria Magdalena und St. Elisabeth als Pflanzstätten des Humanismus Für den Fortgang des Humanismus im Zeitalter der Reformation wurde die Schule bei St. Maria Magdalena zur Speerspitze. Mit dem Einverständnis des Domscholastikus Wigand von Salza wurde 1520 Ambrosius Moibanus berufen. Er hatte in Krakau und Wien studiert und noch in Wien, wie bereits erwähnt, die Hymnen des Pico della Mirandola herausgegeben. Später als Rektor der Magdalenenschule bezeugte er seine Verehrung für Erasmus, indem er Briefe

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

von ihm, für den Schulgebrauch eingerichtet, herausgab. Als Pfarrer an St. Elisabeth setzte er auch diesen Zweig seines Wirkens fort. Eine vergleichbare Stellung wie Moibanus hatte an der Schule bei St. Elisabeth Johannes Metzler inne. Er hatte in Köln bei Hermann von dem Busche gehört, hatte Melanchthon und Petrus Mosellanus dort kennengelernt, begleitete 1514 den englischen Gräzisten Richard Crocus nach Leipzig, wo dieser die Griechisch-Studien installierte, ging anschließend nach Bologna, um seine juristischen Studien abzuschließen. 1519 fand er als ›Doctor utriusque iuris‹ den Rückweg nach Deutschland, las in Leipzig nun selbst zeitweilig Griechisch – Joachim Camerarius hörte bei ihm –, nahm an der Disputation zwischen Eck, Karlstadt und Luther teil und kehrte noch im gleichen Jahr nach Breslau zurück.7 An der Elisabethschule entfaltete er ein reiches humanistisches Schaffen, las Cicero, übersetzte die Olympischen Reden des Demosthenes, übertrug Plutarchs De liberorum educatione ins Lateinische. 1529 erschien – begleitet von einem Widmungsgedicht des Camerarius – seine griechische Grammatik, die in der Umarbeitung Antonius Nigers mehrere Auflagen erlebte. 1531 lagen die Scholien zum ›Cato maior‹ vor. Unter seinen Schülern ist auch Crato von Crafftheim gewesen, der uns noch eingehender beschäftigen wird. Metzler, wie schon sein Vater zeitweiliger Angehöriger des Rats, 1534 sogar erster Konsul und damit Landeshauptmann, führte in der Tradition gleichermaßen des italienischen wie des oberdeutschen Humanismus ein offenes Haus, in dem die gelehrten Kreise zirkulierten. Er war mit den beiden protestantischen Geistlichen Heß und Moibanus befreundet, unterhielt lebhafte Kontakte zu dem Rektor von St. Elisabeth, Andreas Winkler, und zu Johannes Rullus, dem Rektor von St. Maria Magdalena. Eng blieben auch die Verbindungen zu Joachim Camerarius, der Breslau auf dem Wege nach Preußen besuchte. Schon in Bologna hatte er ein anderes Licht der erneuerten Studien, Johannes Crotus Rubeanus, kennengelernt. Auch diese Liaison erhielt sich die Jahre über. Metzler bekannte sich zu der neuen Religion, was aber eine Freundschaft etwa mit dem gelehrten Domherrn und Propst zum Heiligen Kreuz Georg von Logau oder dem Bischof von Meißen keineswegs ausschloß. So sehen wir im Breslau des Reformationsjahrzehnts einen humanistischen Zirkel sich formieren, in dem die beiden erneuerten geistlichen und geistigen Bewegungen ein enges Bündnis eingingen.

247

248

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Zwiegesichtiges Erbe Luthers Konfliktlos verlief diese Installation des Humanismus auch in Breslau keinesfalls. Der Angriff kam von zwei ganz verschiedenen, im blinden Eifer und borniertem Bildungshaß einander nichts nachgebenden Seiten, im Effekt beide gleich gefährlich für die junge Bewegung und das Ansehen der Humaniora. Ambivalent war – wie auf allen anderen Gebieten so auch im Blick auf die gelehrten Studien – die Stellung des Reformators selbst. Er hatte in seiner Schrift Vom Mißbrauch der Messe aus dem Jahre 1522 die Institution der überkommenen scholastisch ausgerichteten Universität in dem ihm eigenen undifferenzierten Rundumschlag verworfen. Sie sei ein abgöttischer ›Moloch‹, dem die Jugend geopfert würde. Mit »falscher heydnischer kunst und mit gottloßer menschlicher leer« würde sie dort unterwiesen. In seiner maßlosen Weise hatte Luther sich nicht entblödet, die Unwissenden, der Hurerei Hingegebenen, gegen die Lernbegierigen und Tugendhaften auszuspielen. Jene lernten nichts, was nicht leicht wieder zu vergessen sei, sie wüßten um ihre Sünden und seien damit reif für die Gnade; diese hätten ein Gift gesaugt, das sie nicht wieder loswürden, sie hielten fortan das Böse für gut und wären verantwortlich dafür, daß »die ßonne des Euangelij durch menschlichen leer verdunkelt und verblent« sei. Nichts Trefflicheres zur Unterdrückung des Evangeliums hätte der Teufel ersinnen können als die Hohen Schulen – eine wahrhaft diabolische Dialektik.8 In Wittenberg hatte der Luther-Adept Karlstadt gegen die Schulen gewettert. War es verwunderlich, daß die Eiferer für die Luthersche Sache sich in Wort und Tat alsbald vergriffen und jener unsäglichen Dummheit das Wort redeten, daß fromme Einfalt und gelehrte Studien nicht zusammengingen? Luther hatte auch hier den Prädikanten eine mehr als zweifelhafte Mitgift zuteil werden lassen. In einem Brief an den erwähnten Crotus Rubeanus, der sich später von Luther abwenden sollte, hatte er sich wohl distanziert von dem, was die ›Schreier‹ unter Bezug auf seinen Namen unter das Volk brachten. Aber hätte die Gegenseite, ob Bischöfe oder scholastische Theologen, denn anderes verdient, nachdem alle leiseren Töne unerwidert verhallt seien? Wenn einige wenige der Prädikanten nun so unsympathisch lärmten und Ärgernis erregten, würde die Gegenseite »zur Lästerung ermuntert werden«, das aber könne der Sache der Evangelischen nur zugute kommen. Luther hat sich später bekanntlich in einer vielzitierten, 1524 in Wittenberg erschienenen Schrift an die Ratsherren der Städte mit der Aufforderung gewandt, christliche Schulen aufzurichten. In ihr wird dem Erlernen der drei alten Sprachen großer Wert beigemessen. Nur so war sichergestellt, daß das Wort Gottes

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

unverstellt durch Überlieferung studiert und gehört werden konnte. Einen Eigenwert behaupten die Humaniora bei Luther jedoch nirgends. Und natürlich war das tausendfach gehörte und gelesene Wort über die Hohen Schulen damit nicht wieder aus der Welt zu schaffen. Luthers Autorität bewirkte, daß alles aus seiner Feder Kommende in Windeseile sich ausbreitete und ein nicht mehr steuerbares Echo fand.

Konflikte mit übereifrigen Lutheranern Wie nahmen sich die Dinge in Breslau aus? 1540 erschien in Breslau bei Andreas Winkler eine erneuerte Terenz-Ausgabe. In der Widmungsadresse an den Kanzler des Bischofs von Breslau Balthasar vom Promnitz, Johann Lange, beklagt sich Moibanus über die nicht abreißenden Vorwürfe, in den städtischen Schulen würden nur die profanen Schriften der Heiden Cicero und Terenz gelehrt. Da würden Rufe von den Kanzeln laut, diese Schulen müßten geschlossen werden. »Es taucht vor meinem Geist die Erinnerung an die hochberühmten Männer, den Doctor Johann Metzler und Laurentius Corvinus, auf, von denen der eine eine Hauptzierde unserer Stadt, im Griechischen und Lateinischen hochgelehrt und unter den Juristen der größte Liebhaber bürgerlichen Unterrichts war, der andere aber sich um die Stadt Breslau so wohlverdient gemacht hat, daß er es mit vielen seines Standes darin aufnehmen könnte. Diesen mißfielen jene lästigen Ermahner höchlichst, und oft klagten sie nicht ohne Seelenschmerz, daß, wenn sich nicht der gütige Gott jenen schlechten Prinzipien entgegensetze, binnen kurzem jede Religion und jedes Gemeinwesen zugrunde gehen würde. Und wie sie von einer aufrichtigen Frömmigkeit und aller Tugenden Verehrer waren, so verfolgten sie zu jener Zeit, wo diese Erinnys gegen die guten Wissenschaften wütete, Tag und Nacht bei unserm berühmten Breslauer Rate nichts anderes, als daß so schnell wie möglich für die Schulen und die guten Wissenschaften mit ausgezeichneter Freigebigkeit gesorgt und ihnen geholfen würde.«9 Da sehen wir den Stadtschreiber, den Ratsherrn und Juristen sowie den melanchthonisch gesinnten Pfarrer im Bündnis gegen die Eiferer der Wissenschaften und Künste, die nun keinesfalls mehr nur die ›Dunkelmänner‹ der alten Religion sind. »In dieser Stelle werden drastisch genug die ungebildeten, tobenden Prädikanten, meist entlaufene Mönche, geschildert, die der guten Sache der Reformation an vielen Orten die thätige Sympathie der Gebildeten gekostet und viele unter ihnen, welche die Sache von der Person nicht scheiden konnten, in die Arme der alten Kirche zurückgetrieben haben. In Breslau dürften diese Fanatiker, die lutherischer als Luther waren, die Mönche von St. Jacob

249

250

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

gewesen sein, welche sehr zeitig, noch vor Heß, anfingen ›lutherisch‹ zu dem Volke zu predigen.«10 Aus der Mitte der religiösen Reformbewegung selbst kam – hier wie anderwärts – der Angriff gegen die erneuerten Wissenschaften.

Gebrochene Lebensläufe Welche Konsequenzen das hatte? Der Lebenslauf der Besten ist von ihnen durchaus nicht unberührt. Wie immer gibt die Schule das geeignete Beobachtungsfeld ab. Als Moibanus 1523 zum Studium der Theologie nach Wittenberg ging, trat Antonius Niger seine Nachfolge an der Magdalenenschule an. Nur vier Jahre hielt es ihn im Amt. Kein Geringerer als Euricius Cordus hat ihm seine Stimme geliehen, als es darum ging, den raschen Abschied von Breslau zu motivieren. »›Sehr schlimm, bester Cordus, ist die Sache ausgefallen. Wir hofften, von den neuen Theologen würde die Sophistik (Scholastik) und Barbarei ausgerottet werden. Indes ist wider unsere, der Wohlgesinnten, Vermutung das Feld der Wissenschaften zerstampft worden, daß ich nur sehr geringe Hoffnung habe, daß sie je wieder sprossen können. Daher folge ich deinem Beispiele, habe ihnen Lebewohl gesagt und wende mich der Medizin zu.‹«11 Kann es einen Zweifel geben, wen der berühmte Erfurter Humanist im Auge hat? Auf das Bündnis von reformatorischer und humanistischer Bewegung hatten alle Weitsichtigen mit Melanchthon gesetzt und sahen sich von mehr als einem Eiferer für die neue Religion nun im Stich gelassen, wenn nicht gar verraten. Dankbar ergriff Niger den Strohhalm des Rats und ging mit einem Stipendium nach Wien, um sich dem unverfänglicheren Studium der Medizin zu widmen. Das hinderte ihn nicht, weiterhin für die freien Künste zu wirken und sich für ihr Studium einzusetzen – nun aber außerhalb Breslaus. Als Stadtphysikus war er in Braunschweig untergekommen. 1550 ließ er in Magdeburg – begleitet von einem Vorwort des Flacius lllyricus – eine Exhortatio ad liberalium artium studia erscheinen, zwei Jahre später kam für den Unterricht eine metrische griechische Übersetzung von neun Psalmen parallel mit einer lateinischen Übersetzung heraus. Von seiner Überarbeitung der Metzlerschen griechischen Grammatik hörten wir schon; ihr waren mehr als zehn Auflagen beschieden. Seinen Amtskollegen an der Elisabethschule, Johannes Troger, hielt es ein Jahr länger (1521–1526), auch er wechselte zur Medizin herüber und wurde hochangesehener Stadtphysikus zu Görlitz. So wenig wie Niger verleugnete er seine pädagogische Herkunft. Alle drei alten Sprachen lehrte er privatim und öffentlich an der neuen Stelle seines Wirkens weiter. Melanchthon hatte wahrhaft Anlaß gehabt, die Reformatoren Moibanus und Heß nachdrücklich zu bitten,

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die schönen Wissenschaften und ihre Lehrer vor Ort zu unterstützen.12

Humanistische Sammelleidenschaft Wenn sie sich – gefährdet genug! – behaupteten, so vor allem auch deshalb, weil Breslau länger als andere Städte dank des klugen Zusammenwirkens von Magistrat, Bischof und junger evangelischer Kirche von dem Kampf um die Reformation verschont wurde. An der Schule behielten sie ihre bevorzugte Heimstatt. An der Elisabethschule hatte Andreas Winkler die Stafette der Rektoren übernommen, an der Magdalenenschule Johannes Rullus. Beide sind Widmungsempfänger der Metzlerschen griechischen Grammatik. In Rullus tritt uns der passionierte humanistische Büchersammler entgegen. Dessen Physiognomie ist über das Testament in Umrissen durchaus noch erkennbar. Bestimmend für das Bild sind die griechischen und lateinischen antiken wie nachantiken Autoren jedweder Provenienz, Grammatiker und Rhetoriker, Rhetoren und Historiker, Juristen und Mediziner, Astronomen und Geographen, Dichter in Prosa und Vers.13 Das Hebräische fehlt noch. Die Patristik ist durch Johannes Chrysostomos und Gregor von Nazianz vertreten. Die Scholastik aber ist nicht präsent. Die italienischen wie die deutschen Humanisten sind in erstaunlicher Breite der Sammlung integriert; Erasmus und Melanchthon stehen an der Spitze. Weder Zwingli noch Luther reizen den in Krakau in den antiken Studien ausgebildeten Rektor, beide sind nur mit einem Titel vertreten, Luther mit der erwähnten Empfehlung an die Räte der deutschen Städte zur Einrichtung von Schulen und Bibliotheken. Poetisch trat der früh verstorbene Rullus nur mit Zuschriften hervor.

Installation einer Druckerei für das Schul- und Sachbuch sowie die ›schöne‹ Literatur Winkler auf der anderen Seite vermochte es, die führende Position der Elisabethschule durch Einrichtung einer Druckerei zu befestigen. Wir haben auch darüber bereits im schulischen Zusammenhang berichtet. Hier nun sind weitere Informationen zu diesem auch für die Geschichte der Literatur einschneidenden Ereignis beizubringen. Das Ratsprivileg aus dem Jahr 1538 war mit der Zusicherung verbunden, während des Zeitraums von zehn Jahren keine zweite Druckerei zuzulassen. Die gesamte Produktion mußte jedoch selbstverständlich

251

252

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

vorab das kritische Auge des Rats bzw. seiner Bevollmächtigten passieren. Über den Bischof erwirkte er zusätzlich ein königliches Druckprivileg; der Bischof selbst bediente sich der Druckerei. Später, als die Druckerei von Winkler auf Crispin Scharffenberg überging, sorgte der Rat erneut sogleich dafür, daß der König das Druckprivileg wiederholte – dies selbstverständlich auch, um kaiserlichen Zensurmaßnahmen zuvorzukommen.14 Winkler wurde zunächst und zuerst einmal Schulbuch-Drucker. Er begann mit Donat, Melanchthons Elementa latinae grammatices und seine Syntaxis folgten nach, erweitert und in einem Band vereinigt erschienen sie 1551 unter dem Titel Grammatica Latina. Hinzutrat eine Auswahl von Briefen Ciceros, Bembos, Erasmus’ und anderer, mittels derer die Schüler Bekanntschaft machen sollten mit der Art, wie große Autoren den römischen Musterautor nachgeahmt hatten. Die Progymnasmata des Sophisten Aphthonius in der Übersetzung Rudolf Agricolas rundeten das linguistische Lehrprogramm des Lateinischen ab. Das Griechische war durch Folgeauflagen der Metzlerschen Grammatik vertreten, programmatisch zugespitzt auf die Befähigung zur Lektüre des Neuen Testaments, sowie das Elementale Graecum des Aldus Manutius. Das ›grammatische‹ Programm wurde begleitet und unterstützt durch vorbildliche Autoren, an erster Stelle wie üblich durch Terenz, denn aus der Komödie ließen sich neben der Einübung der Umgangssprache zugleich moralische Exempla gewinnen. Entsprechend legte Winkler ein Jahr nach Erscheinen der Komödien eine Ausgabe mit ausgewählten Formeln aus den Komödien nebst deutscher Übersetzung vor. Dem moralphilosophischen Bedürfnis wurde durch die Disticha de moribus des Spaniers Michael Verinus und durch Erasmus’ Civilitas Morum, später durch Juan Luis Vives Unterweisungswerk über die Erziehung von Knaben und Mädchen Genüge getan. In diese Kategorie gehört auch der beliebte Grobianus von Friedrich Dedekind. Später trat eine Auswahl der Oden des Horaz hinzu, in der nun der große römische Dichter im Gewande des Sittenbildners erscheint. Aus 23 Oden sollte ein Kompendium der Horazschen Ethik gewonnen werden; beigegeben sind christliche Epigramme. In der Gattung des Katechismus konnte Winkler auf frühere, von Moibanus veranstaltete und noch in Wittenberg erschienene Ausgaben zurückgreifen, auch sie durch Dialoge, Reden und poetische Beigaben aufgelockert und zu einem literarischen Denkmal der Elisabethschule erhoben. Fromme Gespräche, Erbauungs- und Andachtsbücher sowie Gebete rundeten das Programm auf diesem Felde ab. Auch das Gelegenheitsschrifttum aus dem Umkreis der Schule hatte nun einen festen verlegerischen Platz. Schließlich sei erwähnt, daß auch eine

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

musik­theoretische Abhandlung nach Art eines Katechismus didaktisch zubereitet Eingang in das Programm fand und später Rechenbücher hinzutraten. Losgelöst vom schulischen Betrieb blieben etwa Lorenzo Vallas Bücher der Taten Königs Ferdinand von Aragon (De Rebus Gestis Ferdinandi Arragonum) oder Jan Dubravius’ De Piscinis (1548). Aber auch die poetische Produktion der begabten Schüler konnte Winkler nun verlegerisch betreuen, wirksam kombiniert mit den Schulordnungen, für die er gleichfalls zuständig war. Es bedarf keines Wortes, daß die Druckerei in den Händen des gelehrten Rektors dem Breslauer Humanismus einen erheblichen Schub verschaffte.

Der erste Kartograph und humanistische Schulmann Martin Helwig Wechseln wir wieder herüber zu der Schwesterschule zu St. Maria Magdalena, so ist hier in der Folge der Rektoren der uns bereits bekannte Martin Helwig nochmals bemerkenswert.15 Ihm nämlich ist die erste Landkarte Schlesiens zu verdanken (1561), mit der das imponierende und von den Humanisten getragene landeskundliche Werk der Schlesier eine kartographische Grundlage und Illustration erhielt. Die Breslauer Stadtbibliothek besaß das einzige bekannte Exemplar des von H. Kron in Holz geschnittenen und von Johann Creutziger in Neisse veranstalteten Urdrucks, der seit 1945 verschollen ist. Drei Jahre später folgte die Erklärung der Karte, zehn Jahre später eine lateinische Beschreibung Schlesiens, die leider nicht gedruckt wurde und genauso wie eine erweiterte zweite Fassung verlorenging. Helwig wandte sich auch dem Ursprungsland des Humanismus zu und verfertigte auf der Basis von Ptolemäus eine Karte Altitaliens ›ex Schola Magdalaea‹ und als solche ausdrücklich für den Schulgebrauch bestimmt.16 Helwig hatte in Krakau studiert und dort die florierenden mathematischastronomischen Wissenschaften mitverfolgt. So nimmt es nicht Wunder, daß er eine andere, am Rande der im engeren Sinne philologischen Bemühungen des Humanismus liegende Arbeit dem Rat vorlegte: Vonn allerley StundenZeigern, jhrem vrsprung, vnterscheid vnd gebrauch (Breslau 1570). Das Werk ist auf den 51. Breitengrad, auf dem Breslau in etwa liegt, bezogen und ermöglicht auf dieser Basis die Berechnung des astronomischen Jahres und seiner Erscheinungen. Acht Tafeln findet man dem Werk zur besseren Benutzung beigegeben. Titel dieses und ähnlichen Zuschnitts fanden in den vom Feinhandwerk bestimmten großen Städten ihren idealen, weil fachkundigen Wirkungsraum. Entsprechend sehen wir Helwig mitwirken am Uhrenwerk der erneuerten Magdalenenschule. An der Verzierung der neuerbauten Elisabethschule ist

253

254

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

er mit der Darstellung der neun Musen und Apollos an der Außenwand des Gebäudes beteiligt.17 Daneben steht das normale druckerische Pensum des engagierten, den Humaniora verpflichteten und sie befördernden Schulmannes: kurzgefaßte grammatikalische Anweisungen zum Lateinunterricht auf der Basis von Donat und Melanchthon, ein vermehrtes Kompendium der lateinischen Grammatik (1585), das später von seinem Schüler Johannes von Hoeckelshoven, dem Lehrer Opitzens, fortgeschrieben wurde, schließlich eine Syntax, für die seine Autorschaft durch seinen Schüler Andreas Calagius gesichert ist. Originellen Charakter haben seine Argumente in jambischen Versen zu den Komödien des Terenz, aus dem Nachlaß gleichfalls von Calagius herausgegeben und dem Leibarzt des Herzogs von Münsterberg-Oels zugeeignet. Von seinem Schüler Hoeckelshoven, selbst Plautus-Exeget, ist bezeugt, wie erfolgreich er bei seinen Schülern mit diesem Verfahren war. Im Griechischen wurden Sentenzen, im Lateinischen moralische Gnomen den Schülern geboten, sodann für die Veröffentlichung vorbereitet, mit deutscher Übersetzung herausgegeben und seither bis in das erste Drittel des 17. Jahrhunderts herein immer wieder aufgelegt. Für 1587 ist eine Ethica Puerorum bezeugt, Disziplin, Moral und Frömmigkeit in guter reformatorischer Manier integrierend – Schulhumanismus in der gewiß nicht sonderlich attraktiven, für die Stabilisierung und Ausbreitung der erneuerten gelehrten Studien jedoch achtenswerten und dem Konfessionalismus enthobenen Manier, wie er für die werdende Gruppe der Späthumanisten und der auf ihr fußenden ersten deutschsprachigen Generation der Schriftsteller ein fruchtbares Feld der Exerzitien abgab. Daß diese Zusammenhänge bewußt waren, beweist uns einer der Großen der späthumanistischen Ära, Jakob Monau. Im Anhang zu seinem berühmten Symbolum Ipse Faciet aus dem Jahre 1595 hat er Helwig ein ergreifendes Denkmal gesetzt; ihm, so heißt es da »verdanke ich mehr als anderen die Grundlagen einer echten und aufrichtigen Frömmigkeit und einer Kenntnis der heiligen Dinge, welche er mir als erster derart einprägte, daß mir noch heute seine Sätze in den Ohren klingen. Dieser Lehrer, der mir der liebste und mir am meisten zugetan war, legte uns einmal unter all den anderen Gegenständen, die er in der Schule behandelte, auch einige Oden von Horaz aus, und zwar in einer Weise, daß man auf keiner Universität etwas Besseres und Vortrefflicheres erwarten könnte.«18

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Allegorisch-bukolischer Patriotismus Auch die ›patriotische‹ Liebe verbindet sich noch mit Helwigs Namen; sie war gleichfalls in allen Phasen des Humanismus zu vernehmen und verknüpfte das 16. mit dem 17. Jahrhundert gerade auch in Schlesien. 1520 hatte Helwigs Freund Franz Köckritz ein Gedicht ›Bohemia‹ veröffentlicht, in dem in guter schlesischer Tradition das nationale tschechische Hussitentum gegeißelt worden war. Folgerichtig verteidigte er ein Jahr später Luther vehement gegen seine Widersacher auch in Böhmen.19 In bekannter bukolisch-allegorischer Manier konkretisierte sich dieser Kult der Heimat in der Verteidigung der hergebrachten Freiheiten gegen die usurpatorischen Ansprüche des zum Vitzthum eingesetzten Landedelmanns Friedrich von Rehdern, der da als ›Faunus‹ in dem Werk figuriert. »Darin versammelt Silesia alle schlesischen Flüsse und Berge bei dem Wahrzeichen Schlesiens, dem durch das Schalten des Faunus bekümmerten Vater Zobten, dessen alter Name Slenz dem Lande Schlesien den Namen gegeben hat. Diese Versammlung bietet den Anlaß, die Geschichte Schlesiens und namentlich den Verlust seiner Freiheit an die stammfremden Böhmen zu berichten, aber auch der gelehrten und der um die Gemeinden und das Land verdienten Männer zu gedenken.«20 Dieses brisante Stück gelangte nie zum Druck. Es war Helwig, der wenigstens die die Flüsse betreffende Partie unter dem Titel Idyllion De Fluminibus Slesiae (s.a.) herausgab, ohne freilich der kritischen Zobten-Passage zu gedenken. Als 1565 der Grundstein für den südlichen Turm der Magdalenenkirche gelegt wurde, tauchte das Faunus-Motiv in einer Rede Helwigs nochmals wieder auf, nun auf die Stadt Breslau bezogen, die Faunus von seiner Höhe habe hinabstürzen wollen, was aber von Maximilian II., der 1564 zur Regierung gekommen war und ihre Privilegien nicht angetastet habe, verhindert worden sei.21 Erst 1592 und selbständig überhaupt erst 1715 kam die politisch-bukolische Allegorie lange nach ihrem konkreten Anlaß zum Druck. So bewährte sich das Bündnis des jungen Humanismus in der exponierten schlesischen Metropole unter den kaiserlichen Augen auch im gelegentlichen dichterischen Funkenschlag eindrucksvoll.

255

256

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Zwei Repräsentanten des schlesischen Humanismus Wir verweilen exemplarisch nochmals bei zwei bekannten Figuren der schlesischen Literatur in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, bevor wir zu einem zentralen Thema gelangen, das uns Besonderes abverlangt, nämlich der Formation des Späthumanismus auf schlesischem Boden. Beide Humanisten lassen erkennen, welch weit gespannter Raum in Mittelosteuropa durchmessen wurde, der sich in der Ausbildung wie dem beruflichen Wirken über die Grenzen hinweg auftat und einen kaum faßbaren Reichtum an intellektuellem Austausch und Optionen der Betätigung barg. Schlesien als Brückenlandschaft und seine Hauptstadt waren für diesen mitteleuropäischen Transfer prädisponiert.

Caspar Ursinus Velius Der erste der beiden stieg womöglich zu der bedeutendsten Figur des schlesischen Humanismus in seiner ersten Phase um 1500 auf. Gibt es ein Zögern, so nicht nur im Blick auf die Seriosität derartiger Werturteile, sondern mehr noch angesichts der Lebensläufe dieser gelehrten Dolmetscher der neuen Botschaft, die sich souverän im weiten mitteleuropäischen Raum bewegten und große Distanzen vor allem über den Brief überwanden. Und doch blieb unter den Teilnehmern ein Bewußtsein von Herkunft und heimatlicher Zugehörigkeit gegenwärtig, wie es sich in ungezählten, und sei es noch so unscheinbaren Verlautbarungen und Aktionen bekundete. In diesem Sinn darf auch von Ursinus Velius in einem Kapitel zum schlesischen und speziell zum Breslauer Humanismus mit Fug und Recht gehandelt werden. Aus berufenem Munde wurde er als »unzweifelhaft der hervorragendste unter den Humanisten seiner schlesischen Heimat und ebenso der erste und fruchtbarste Poet der Wiener Hochschule nach dem Tode des Konrad Celtis« bezeichnet.22 Ursinus wurde 1493 in Schweidnitz geboren. Er besuchte wie so viele Schlesier seiner Zeit die Jagiellonen-Universität in Krakau, ging dort seinen griechischen und lateinischen Studien nach und versuchte sich sogleich in lateinischen Versen. Entscheidend wurde die Unterstützung, die er von den Breslauer und Olmützer Bischöfen der Thurzos empfing. Wir haben die Breslauer Bischöfe Johannes IV. Roth und Johannes V. Thurzo sowie den Vater des letzteren, Johann, bereits kennengelernt. Jetzt tritt als bedeutende Figur der Bruder des letzteren, der Olmützer Bischof Stanislaus Thurzo hinzu.23 Die Thurzos »können bei keinem Capitel aus der Geschichte des Humanismus im deutsch-slavisch-magyarischen Osten übergangen werden«.24

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Ursinus erfreute sich des Wohlwollens des Breslauer Bischofs und der Kanoniker um St. Johann auf der Dominsel. Am nächsten stand ihm daselbst Stanislaus Sauer aus Löwenberg, uns gleichfalls bereits als eifriger Chronist des Domkapitels bekannt. Zu ihm gesellte sich der bischöfliche Sekretär Valentin Krautwald, der später zu Schwenckfeld übertreten sollte, damit aus dem Gesichtskreis des Ursinus verschwand und – wie Schwenckfeld selbst – einen schweren, von Verfolgungen und Amtsenthebungen gezeichneten Lebensweg antrat. Früh verließ Ursinus Breslau ein erstes Mal, ging zum Studium nach Leipzig und hörte dort den bedeutenden Humanisten Johannes Rhagius Aesticampianus. Schon in Leipzig machte er von seinen in Krakau erworbenen Griechisch-Kenntnissen Gebrauch; er lehrte möglicherweise als erster das an den Universitäten langsam Fuß fassende Idiom, dessen Beherrschung allemal ein Merkmal auserlesener Kompetenz innerhalb der humanistischen Zunft blieb. Hier ist nicht der Ort, seinen rasch in den Umkreis Kaiser Maximilians I. emporstrebenden Lebensweg im einzelnen zu verfolgen. Genug, wenn wir erwähnen, daß er im Rom Leos X. einem Kreis namhafter Humanisten unter der Schirmherrschaft von Johannes Coritius zugehörte, der sie in guter Tradition in einer ›Sodalitas‹ zusammenführte. Das deutsche Element war zahlreich vertreten, darunter auch Christoph von Suchten aus Danzig. Von Rom aus knüpfte er brieflichen Kontakt mit dem späteren Breslauer Reformator Johann Heß. Als poetische Frucht der römischen Jahre sind insbesondere seine Lobgedichte auf Maximilian I. und Sigismund I. von Polen sowie ein Panegyrikon auf das Haus Habsburg zu erwähnen. Der eben erst erwachte Poet versuchte sich sogleich am höchsten poetischen Vorwurf. Vor allem in Wien sollte sich der gesellige Verkehr der ›sodales‹ später fortsetzen. Dort stellte sich der Kontakt zu so illustren Geistern wie Rudolf Agricola oder Joachim Vadian oder Johannes Cuspinian her – den Wortführern der Wiener Humanisten nach dem Tod des Conrad Celtis. In Wien war es auch, daß die erste Gedichtsammlung des Ursinus, veranstaltet von Agricola und dem jungen Georg von Logau, das Licht der Welt erblickte, darunter ein ›Carmen nataliticum‹, ein Geburtstagsgedicht, für Erasmus. Im gleichen Jahr 1517 wird er zum ersten Mal als ›Doctor, orator et poeta laureatus‹ tituliert. Kaiser Maximilian hatte ihm selbst die Lorbeerkrone aufs Haupt gesetzt.25 Wir haben nach Breslau zu blicken, wohin Ursinus im gleichen Jahr zurückkehrte. »In Breslau traf er noch den alten Freundeskreis an, frei konnte er sich unter gleichdenkenden Männern seinen Idealen hingeben. Stanislas Sauer, Valentin Krautwald, Johann Hess und er bildeten eine Genossenschaft, vereinigt durch den Cultus des Johann Reuchlin und Erasmus; sie galten als die

257

258

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Chorführer in der grösseren Gemeinde der Verehrer dieser beiden Männer.«26 Im Gefolge des Bischofs Johannes V. Thurzo und zusammen mit Laurentius Corvinus als einem Vertreter der städtischen Gesandtschaft brach Ursinus nach Krakau zur Vermählung des polnischen Königs mit Bona Sforza auf. Beide verherrlichten das Fest durch Epithalamien. Dasjenige des Ursinus wurde von Thurzo überreicht. Die Stellung des immer noch jungen Gelehrten und Dichters war eine unangefochtene; er hatte die höchsten Stufen rasch erklommen. An seinem Lebensgang und der ehrenvollen Aufnahme unter den Spitzen der Gesellschaft orientierten sich die Poeten bis tief in das 17. Jahrhundert hinein, solange sie vom Hauch des Humanismus gestreift waren. In Breslau verblieb Ursinus im Umkreis des Bischofs, der ihn auf alle erdenkliche Weise förderte und das aus der Feder des Freunde Herrührende getreulich sammelte. Dank seiner konnten viele der Gedichte des Ursinus nach dem Tod des verehrten Mäzens veröffentlicht werden. Ein Kanonikat übertrug der Bischof ihm als letzte Wohltat. Dann war es an Ursinus, dem 1520 Verstorbenen ein literarisches Denkmal zu setzen. Er verharrte im Dienst der Thurzos und wechselte herüber zu dem Olmützer Bischof Stanislaus Thurzo. Rasch nahte neuerlich eine gerne wahrgenommene repräsentative Herausforderung. Zur Heirat des Erzherzogs Ferdinand mit Anna von Böhmen und Ungarn ließ auch Ursinus sich vernehmen. Der erste Kontakt mit dem späteren König war geknüpft, dem Ursinus noch viele weitere ehrenvolle Aufträge und Anlässe zur poetischen Huldigung verdanken sollte. Wenig später erfüllte sich eine lang gehegte Sehnsucht. In Basel traf Ursinus mit Erasmus zusammen. Eine lebenswährende Freundschaft nahm ihren Anfang. In Basel scharten sich neben Ursinus die beiden Brüder Amerbach aus der berühmten Druckerdynastie sowie Beatus Rhenanus um das Haupt der Humanisten. Regelmäßig traf man sich zur mittäglichen Mahlzeit mit Erasmus. In der Druckerhochburg Basel kamen 1522 bei Johann Froben seine Poemata libri quinque auf Betreiben vor allem des großen Freiburger Juristen Ulrich Zasius heraus.27 Inzwischen hatte die Reformation Einzug gehalten. Ursinus stand ihr ablehnend gegenüber, fürchtete er doch wie so viele um den freien geistigen Verkehr unter den Humanisten, wie er sich eben erst auch in deutschen Landen herausgeformt hatte. Eine zentrale Position wurde ihm auf Betreiben Ferdinands zuerkannt, die Professur für Rhetorik an der Universität Wien, die – angefangen bei Conrad Celtis – durch glänzende Namen sich ausgezeichnet hatte. Hier kam 1524 bereits seine nächste Gedichtsammlung heraus. Ein Jahr später feierte er den Sieg des Kaisers Karl V. über die Franzosen bei Pavia. Der Dichter war

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

zum Hofdichter der Habsburger herangewachsen. So war es nur eine Frage der Zeit, wann er ihnen seine Feder als Historiograph leihen durfte. Die Stunde dafür kam, als Ursinus nach einem Aufenthalt in Ungarn – die Schlacht von Mohács war geschlagen und verloren, die humanistische Blüte in Ungarn geknickt – nach Wien zurückgekehrt war und Ferdinand sich rüstete, den Thron des bei Mohács getöteten ungarischen Königs Ludwig II. zu besteigen. Ursinus wurde beauftragt, mit nach Ungarn zu ziehen und den glorreichsten Moment in der Geschichte der Habsburger poetisch zu verewigen. Glanzvoll kam er der Pflicht nach. Ferdinand empfing in Gran, der altehrwürdigen Krönungsstadt der ungarischen Könige, die Stephanskrone und Ursinus hielt von der Kanzel der Marienkirche die Prunk- und Festrede. Sein um ein weniges jüngerer Freund und Landsmann Georg von Logau weilte unter den Zuhörern. Alsbald lag die Rede im Druck vor. Und als Ferdinand 1531 in Köln zum römischen König gekrönt wurde, feierte ihn Ursinus neuerlich in einer großen Rede, die nun in Köln gedruckt wurde. Lange Zeit ungedruckt blieb hingegen sein historiographisches unvollendetes Hauptwerk De bello Pannonico libri decem, in dem er dem Wirken Ferdinands als Verteidiger des Abendlandes im Abwehrkampf gegen die Türken auf ungarischem Boden ein Denkmal setzte. Er war auf dem Zenit seines Wirkens angelangt, durfte sich öffentlich mit dem Titel eines königlichen Hofhistoriographen schmücken. Ruhmvolle Jahre lagen noch vor ihm, die letzten seines Lebens leider nur unzureichend bezeugt. 1539 starb er unter rätselhaften Umständen wandelnd an der Donau, ohne seine schlesische Heimat noch einmal gesehen zu haben, mit der er bis zuletzt in so engem brieflichen Kontakt geblieben war. Wir beschließen sein kleines Porträt, um herüberzuschauen zu einem der engsten Freunde und Gefährten aus der schlesischen Heimat.

Georg von Logau Georg von Logau entstammte jenem alten und weitverzweigten Geschlecht, das wir in Gestalt des Bischofs Kaspar von Logau bereits kennengelernt haben und dem auch der berühmte Dichter Friedrich von Logau zugehört.28 Im Fürstentum Schweidnitz kam er um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zur Welt, erhielt seine schulische Ausbildung vielleicht in Neisse und nahm sein Studium in Krakau auf, wo er sich, wie vorher Ursinus, wiederum der Unterstützung Bischofs Johannes V. Thurzo erfreuen durfte. Krakau blieb die erste Adresse für die dem katholischen Milieu Schlesiens verhaftete Elite. Von Krakau wechselte von Logau nach Wien. Die entsprechenden Kontakte zur wissenschaftlichen

259

260

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Welt daselbst vermittelte Ursinus. Schon hier gab Logau im Jahr 1516 eine Sammlung mit christlicher Dichtung älteren und jüngeren Datums heraus. Sein Name muß bereits etwas gegolten haben, wenn er zu zwei Dichtungen von Joachim Vadian empfehlende Verse beisteuerte. Vadian hatte in Wien den Lehrstuhl für Rhetorik inne und zählte auch Logau zu seinem Schülerkreis. Logau wurde rasch heimisch in dem gelehrten Milieu im Umkreis der Universität und war ein gefragter Beiträger im Vorspann zu den Werken der in Wien aktiven Gelehrtenschaft. Wichtigster Posten blieb die Mitwirkung an der Ausgabe der Schriften des Freundes Ursinus, für die federführend Rudolf Agricola verantwortlich zeichnete. Logau war in Wien in ein Zentrum des vorreformatorischen Humanismus gelangt, in dem der Geist eines Conrad Celtis lebendig geblieben war. Wir aber haben in die schlesische Heimat Logaus und speziell nach Breslau zu blicken. Der Weg dahin zurück führte über eine intensive Phase der Ausbildung in Italien, wo er bezeichnenderweise wiederum auf schlesische Landsleute stieß, so den Doktor beider Rechte und zeitweiligen Rektor der Universität Bologna Georg Sauermann aus Breslau. Anläßlich des Todes von Johannes V. Thurzo im Jahr 1520 wird er in Breslau geweilt haben, kehrte jedoch bald nach Italien zurück, strebte nun weiter nach Rom, wo Sauermann inzwischen wirkte und ihn in die römischen Gelehrtenschaft und die geistliche Aristokratie einführte. Noch einmal erschloß sich dem schlesischen Adeligen eine Welt, bevölkert von ungezählten illustren Köpfen, darunter ein Pietro Bembo und die Kardinäle Pompeo Colonna und Alessandro Farnese, bevor im ›sacco di Roma‹ die Wende besiegelt wurde, die das von einem glanzvollen Humanismus geprägte Quattrocento beendete und Italien zum Spielball fremder Mächte machte. Logau war eben noch rechtzeitig nach Schlesien zurückgekehrt. Wieder aber ist es bezeichnend für die aus der Zentralität des Landes herrührenden Chancen, daß auch er für eine Weile nach Ungarn herüberwechselte, bevor er wie sein Freund Ursinus in die Dienste Ferdinands von Österreich trat. Auf dem Weg von Prag nach Breslau begleitete er den eben gewählten König, der die Huldigung der schlesischen Stände ein Jahr nach der Unterstellung unter die Krone Böhmens entgegennahm. Stanislaus Sauer, Balthasar von Promnitz, Johannes Metzler zählte er in Breslau zu seinen Freunden. Und bezeichnenderweise auch den Domherren Nikolaus Weidener, der zu den Bekämpfern Luthers und der Reformation an vorderster Front zählte. Es ist die Zeit, da Melanchthon im April 1529 eine Epistel an Ferdinand I. richtete und ihn aufforderte, entweder ein Konzil einzuberufen oder aber, falls die kriegerischen Zeiten dies nicht zuließen, eine Reihe erprobter und gelehrter Männer zu autorisieren, die Dogmen einer

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Prüfung zu unterziehen und – verpflichtet allein auf die reine Lehre Christi – auf einen Konsens unter den zerstrittenen Glaubensbrüdern hinzuwirken. Da erklang noch einmal der Ton des Erasmus. Weidener aber wehrte brüsk ab. Luther und Melanchthon seien für die Zwietracht verantwortlich. Mit Theologen, die das kanonische Recht ablehnten und die alten Dogmen verwürfen, sei kein sinnvolles Gespräch zu führen. Nichts darüber ist bekannt, daß Logau diese Position nicht geteilt hätte. Er gehörte genau wie Ursinus zu jenen Humanisten, die treu zur katholischen Kirche standen. Er blieb an der Seite des Kaisers und des Königs, begleitete sie poetisch auf ihren Feldzügen in Italien und Ungarn und waltete derart seines humanistischen Amtes als Verfasser von Lobgedichten und Lobreden. Ursinus und Logau wurden in den kursierenden Freundschaftsgedichten als ein in Geist und Tat verwandtes Paar apostrophiert. Hell leuchtete das schlesische Gestirn am Poetenhimmel. Dazu trug bei, daß beide sich bevorzugt ihren schlesischen Landsleuten zuwandten, engen Kontakt nach Breslau und insbesondere zu den Thurzos hielten, zu denen sich auch für Georg der Olmützer Bischof Stanislaus Thurzo gesellte.29 Es währte nicht lange und die Zeit war reif für eine erste umfassende Ausgabe von Logaus Gedichten. Sie erschien 1529 in Wien und birgt Hendekasyllaben, Elegien und Epigramme. Keinem Geringeren als dem König von Böhmen und Ungarn und späteren Kaiser Ferdinand I. ist sie gewidmet. Logau als treuer Parteigänger wußte sich berechtigt, so hoch zu greifen. Ursinus steuerte selbstverständlich ein Ehrengedicht bei.30 Er begleitete den König auch auf den berühmten Augsburger Reichstag des Jahres 1530 und kam hier in Kontakt nicht nur mit Johannes Dantiscus, sondern auch mit dem Haupt des Erfurter Germanistenkreises Eobanus Hessus, der sich in Nürnberg aufhielt. Sein Lebensweg verlief weiterhin reisend. Noch einmal erfüllte sich sein Wunsch, Italien wiederzusehen; nun konnte er mit Unterstützung der Fugger Padua besuchen. Dort erwarb er den Doktor der Rechte. Rom sah er wieder, in Venedig weilte er und sorgte für den Druck eines Sammelwerkes bei Manutius, das eine Widmung für Anton Fugger trägt. Auch Wien und der königliche Hof traten nochmals in seinen Gesichtskreis. In Italien stieß er schließlich sogar bis Neapel vor und besuchte das Grab Vergils. 1536 wohnte er dem Einzug Karls V. in Rom bei, der hier mit Papst Paul III. (Alessandro Farnese!) zusammentraf. Und so in einem fort. Es gehörte zu den Vorzügen ständisch hochgestellter Personen, ausgestattet mit gelehrten und poetischen Verdiensten, weit ausgreifen zu dürfen. Auch Georg von Logau bietet ein Beispiel dafür. Als Angehörigem eines schlesischen Geschlechts verband sich mit seiner Person die Erinnerung an seine Herkunft, wo immer er auftauchte.

261

262

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Und so war es mehr als ein Zufall, nämlich gnädige Fügung, daß er mehrfach nach Breslau zurückkehren konnte. Als Johannes V. Thurzo 1520 starb, entwarf er, wie erwähnt, ein Epitaph für den Bischof und ein weiteres für Georg Sauermann, das in der Kreuzkirche auf der Dominsel seinen Platz fand. 1541 erschien in Breslau eine weitere Sammlung seiner Epigramme, derjenigen Gattung, in der auch ein Nachfahre aus dem Geschlecht der Logaus alsbald brillieren sollte. Den Beschluß des Werkes bilden diverse Epicedien aus der Feder Logaus. Die Sammlung nahm den Charakter eines poetischen Testaments an. Von der Ahnung des Todes gestreift sind auch seine letzten kirchenpolitischen Schriften, in denen er sich als ein irenisch gestimmter, um Überwindung des religiösen Zwistes bemühter Geist zu erkennen gibt. Im April 1553 starb er in der schlesischen Heimat in Breslau. Er hatte sich selbst seine Grabschrift in der Kreuzkirche gestiftet.31

Die Formation des Späthumanismus Wir aber haben nun ein besonderes Kapitel aufzuschlagen. Die Verbindung von Humanismus und Reformation hat sich ungeachtet aller immer wieder auftauchender Konflikte in der Forschung besonderer Beliebtheit erfreut. Die späteren Jahrzehnte traten demgegenüber merklich zurück – zu Unrecht. Erst als auch das dritte, das reformierte Bekenntnis sich in Europa formiert hatte, schien die Spaltung der Christenheit vollendet. Denn nun verliefen die Frontlinien nicht mehr allein zwischen Katholiken und Protestanten. Die Konflikte verlagerten sich merklich und ergriffen jetzt die beiden jungen Bekenntnisse. Insbesondere das eben erst geborene Luthertum sah in dem von der Schweiz, von Zürich und Genf ausgreifenden Calvinismus alsbald den eigentlichen Gefahrenherd.32 Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts sind Kanzeln und Katheder, Flugblätter und Flugschriften, politische Lieder und satirische Dialoge erfüllt von dem Schlachtenlärm, der erst allmählich am Ende des Dreißigjährigen Krieges abklingt, um freilich alsbald abgelöst zu werden durch die Auseinandersetzung mit den frühen Pietisten. Unerschöpflich, so mochte es scheinen, waren insonderheit die jungen Kirchen und Bekenntnisse im Aufspüren neuer Frontbildungen und in der Statuierung neuer Feindbilder. Das Pochen auf den Buchstaben schürte den Kampf um die vermeintlich reine Lehre. Die ›Schwärmer‹ wußten, warum sie auswichen und dem lebendigen Wehen des Geistes sich anvertrauten. Die Sache selbst, um die es ging, der christliche Glaube, das christliche Bekenntnis, konnte in den erbarmungslos geführten Schlachten nur Schaden nehmen. Und so war es auch und gerade an den Humanisten, Auswege aus der Krise zu erkunden.

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Die Rede vom Späthumanismus gibt nur einen Sinn, wenn sie entfaltet wird im Kontext der Konfessionalisierung. Im Zeichen der um 1600 politisch wie religiös sich unaufhörlich verschärfenden Zerwürfnisse hat der Humanismus ein neues unverwechselbares Profil gewonnen. Er will, wo immer er zu geschichtlich prägnanter Artikulation gelangt, auch als Antwort auf die theologischen, die konfessionellen, die kirchlichen Friktionen verstanden werden. Als Widerpart zu den allenthalben zu gewahrenden Verwerfungen im Umkreis des nicht länger monolithisch verfaßten Glaubens hat er gedankliche Experimente unternommen, hat Vorstellungen umkreist, die auch den christlichen Glauben betrafen, erfüllt von dem Wunsch, ihm eine Zukunft zu weisen. Doch die Entwürfe, so rudimentär sie vielfach sich gaben, reichten weiter. Ein neues Verhältnis von Glauben und Wissen, von Staat und Kirche, von Politik und Religion zeichnete sich in ersten Umrissen ab. Die Wegmarken wiesen vielfach voraus auf das Jahrhundert der Aufklärung. Um 1600 sind erstmals europaweit Positionen der Moderne bezogen worden. Die Späthumanisten hatten maßgeblichen Anteil daran.33 Und das nicht zuletzt in Schlesien. Denn Schlesien und seine heimliche Hauptstadt waren ein Zentrum der humanistischen Bewegung um 1600. Es gründete auf der gelehrten Infrastruktur im Lande, von der die Rede war, und den weitausgreifenden gelehrten Kontakten, die ein Signum des schlesischen Humanismus in seiner letzten Blütezeit blieben. Nochmals also ist ein Kapitel aufzuschlagen, dem der gebührende Platz in der Bildungsgeschichte des Landes nicht anders als in vergleichender deutscher, ja womöglich europäischer Perspektive zu sichern ist. Hier können nur einige wenige Striche gezeichnet, einige wenige Linien ausgezogen werden.34 Was war es, das Schlesien und speziell Breslau einen besonderen Rang und Nimbus in der europaweiten späthumanistischen Bewegung verschaffte? Den Humanisten kamen die besonderen Gegebenheiten zugute, die Stadt und Land in soziokultureller Hinsicht auszeichneten. Die Dichte der gut ausgestatteten Gymnasien sorgte für eine lateinkundige Elite, die sich redend, schreibend, lebhaft untereinander kommunizierend an der Produktion gelehrten Schreibens im Medium der alten Sprachen beteiligte. Wenn eines Tages einmal die Magazine der alten Breslauer Stadtbibliothek ausgeschöpft sein werden, wird erwiesene Tatsache sein, was bis dato unbewiesene Behauptung bleiben muß, daß nämlich Stadt und Land mit poetischen Beiträgen im Lateinischen so übersät waren wie keine andere Landschaft des alten deutschen Sprachraums sonst. Hunderte der beliebten Epigramm- und Anagramm-Sammlungen haben sich bis heute erhalten, in denen man sich ein freundschaftlich-gelehrtes Stelldichein gab,

263

264

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

sich bedichtete, dichtend ehrte und als Mitglied einer landesweit siedelnden gelehrten Zunft zu erkennen gab.35 Das aber war mehr als eine humanistische Liebhaberei, so sehr diese ins Kraut schießenden Gedichtsammlungen stets auch die Freude an der professionellen Kunstübung zu erkennen geben. Man lebte in einem konfessionell gespaltenen Land. Die vielfach zum reformierten Bekenntnis tendierenden Schreiber genossen in Religionsdingen keine offizielle Anerkennung, war dieses doch bislang von den kurrenten interkonfessionellen Vereinbarungen ausgeschlossen. In der Poesie, in der freundschaftlich-poetischen Huldigung, und mochte sie noch so unscheinbar sein, versicherte man sich eines anderwärts nicht sichtbaren ständischen und religiösen Zusammenhalts, wußte sich geeint in gemeinsamen Zielen, ja sprach sich gegenseitig Mut zu. Besäßen wir eine Geschichte der schlesischen Literatur im Zeitalter des Späthumanismus um 1600, so würden mit einem Schlag gelehrte Netzwerke erkennbar werden, die von Jahr zu Jahr enger geknüpft wurden und für einige Dezennien dazu beitrugen, daß dem Druck der Habsburger und der Gegenreformation standgehalten werden konnte. Die poetische Ernte war phantastisch, und unter vielerlei routinierter Spreu verbergen sich Perlen, von denen eines ferneren Tages, so die Hoffnung, die Liebhaber der schlesischen Lande und ihrer Geistigkeit mit Gewinn Kenntnis erhalten werden. Zur intellektuellen Physiognomie gehörte der wiederum vor allem dem reformierten Bekenntnis geschuldete überregionale, ja in gewissem Sinn durchaus internationale Charakter dieser späthumanistischen Bewegung. Er kam in einer Landschaft wie Schlesien besonders zum Tragen. Bis in die Tage der Reformation verliefen die akademischen Wanderwege neben Italien bevorzugt in den südosteuropäischen Raum. Mit der Reformation trat ein Wandel ein, der sich um 1550 nach dem Auftreten des Calvinismus deutlicher in seinen Konturen abzeichnete. Nun wiesen die akademischen Wegmarken in den Südwesten, in die Pfalz und an den Oberrhein, in die Schweiz und nach Südfrankreich, also in die klassischen Zentren und entsprechenden akademischen Hochburgen des reformierten Bekenntnisses. Die geistigen und mentalen Folgen für die Intelligenz in den mittelosteuropäischen Brückenlandschaften, sofern diese zum Reformiertentum tendierte, sind schwerlich zu überschätzen. Der Umschwung war ein umfassender. Mit einem Schlag wurden die Kontakte in die fernen Regionen des Südwestens wichtiger als die zu den traditionellen Gravitationszentren des Luthertums vor allem in Mitteldeutschland, von dem Zurückweichen der katholischen Studienstätten, die bis dahin bevorzugt waren, gar nicht zu reden. Ein lokaler und geistiger

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Paradigmenwechsel hatte statt, der bislang nicht entfernt in seinen umwälzenden Konsequenzen nachgezeichnet, geschweige denn ausgeschöpft ist.36 Wir bescheiden uns in unserem auf Breslau konzentrierten Werk, indem wir neuerlich repräsentative Personen zu Wort kommen lassen, vertrauen also darauf, daß die angesprochenen allgemeinen Probleme am ehesten in Leben, Werk und Umfeld einzelner herausragender Figuren in ihrer prägenden Statur hervortreten.

Mittelpunkt einer geistigen Elite: Crato von Crafftheim Wo an den Höfen die Fürsten im Mittelpunkt aller kulturellen Aktivitäten stehen, da scharen sich die städtischen Intellektuellen um herausragende Geschlechter und potente Persönlichkeiten von internationalem Nimbus. Eine solche war der Breslauer Mediziner und Leibarzt des Kaisers Crato von Crafftheim. Daß wir ihn in dieser Eigenschaft seit langer Zeit wahrnehmen, verdanken wir einem Geistesverwandten, der sich mehr als dreihundert Jahre später auf die Fährte Cratos begab. Das aber nicht in erster Linie, um einem bedeutenden Mann ein Denkmal zu setzen, sondern um den verborgenen Spuren der Anhänger des reformierten Bekenntnisses in Breslau und auf schlesischem Boden nachzugehen und diese weitausholend zu dokumentieren. Zustandegekommen ist eine der großen Monographien, wie sie in diesem Zuschnitt nur dem 19. Jahrhundert vergönnt waren, als es keine Scheu gab, dem Detail wie den großen Bogenspannungen gleichermaßen Genüge zu tun. Umständlicher Rückgang zu den Quellen war eine selbstverständliche historiographische Ehrenpflicht. Jenen Arbeiten verdanken wir ungezählte Zeugnisse, die in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts vernichtet wurden oder bis auf weiteres als verschollen zu gelten haben. Die Rede ist von Johann Franz Albert Gillet, seines Zeichens Prediger an der Hofkirche zu Breslau, die wir kennenlernten, sowie Senior der reformierten Gemeinde zu Frankfurt am Main. Sein Werk, das er in zwei mächtigen Bänden im Jahr 1860 vorlegte und einem großen Historiker des Reformiertentums, dem Theologen und Pfarrer der reformierten Gemeinde in Frankfurt am Main, Karl Jakob Sudhoff, zueignete, entsprang einem aktuellen Bedürfnis, das der Studie ihren heißen Atem verleiht. Entbrannt war soeben wieder der publizistische Kampf um die Unierung der protestantischen Kirchen, welcher sich wie ein roter Faden durch das 19. Jahrhundert zieht. Es galt, den Beitrag der Reformierten zum Gedanken der kirchlichen Union in Geschichte und Gegenwart herauszuarbeiten und zu profilieren. Die Einleitung zu Gillets Werk nahm sogleich

265

266

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

darauf Bezug und akzentuierte die historische Dimension des Problems. »Die Anfeindung der Union und der dadurch wiedererweckte Confessionsstreit hat in natürlicher Folge zur Geschichte zurückgeführt. Je zuversichtlicher gelehrt und behauptet wurde: die reformirte Kirche ist nur der Abfall von der Reformation Luthers und die lutherische Kirche macht darum nicht Union, sondern sie ist die Union; um so dringender sahen insbesondere die Reformirten sich aufgefordert, die Antwort darauf bei der Geschichte zu suchen. Bei ihr auch hatten sie zu forschen, weshalb denn gerade in ihnen sich die angestammte Liebe zu ihrer Confession mit der aufrichtigsten Liebe zur Union sehr wohl vereinbar zeige.«37 Die entscheidende Einsicht des seiner reformierten Konfession mit Leidenschaft ergebenen Verfassers lag nun jedoch darin, in das 16. Jahrhundert zurückzugehen und inmitten dieses aufgewühlten und in die Moderne geleitenden Säkulums nicht nur den manifesten Erscheinungen des reformierten Bekenntnisses und ihren sich zu Wort meldenden Vertretern nachzugehen, sondern den angefeindeten, unterdrückten, in der offiziellen kirchengeschichtlichen Literatur marginalisierten Verlautbarungen seine Aufmerksamkeit zu widmen und diejenigen Personen dem historischen Bewußtsein zurückzugewinnen, die ihnen Stimme und Überzeugungskraft verliehen hatten. In einer alles sagenden Wortschöpfung hatte sich der stolze Begriff des Calvinismus mit dem des Kryptizismus verbunden. Hier setzte der Verfasser an. »Der Streit der Confessionen, soweit er sich auf dem Gebiete der Geschichte tummelt, wird nicht zum Austrage kommen können, wenn nicht in die noch so dunkle Partie der s.g. krypto=calvinistischen Händel mehr Licht gebracht wird. Dies kann nur durch die Spezialgeschichte geschehen.«38 ›Spezialgeschichte‹. Das meinte Regionalgeschichte. In den Osten, nach Schlesien hatte der historische Betrachter sein Augenmerk zu lenken, wenn anders Licht in das obwaltende Dunkel gebracht werden sollte. Fortan hatte eine jede diesem faszinierenden Vorgang sich widmende konfessions- und kulturhistorische Bemühung sich auf die bahnbrechenden Untersuchungen Gillets zurückzubeziehen. Daß auch die Literaturgeschichte eminent von ihnen zu profitieren vermöchte, ist eine junge Erkenntnis, die bislang keinesfalls die ihr zukommende Geltung erlangt hat. Und das, obgleich doch bedeutende Morphologen der religiösen Bewegungen in der Frühen Neuzeit wie Ernst Troeltsch und im speziellen Fall Herbert Schöffler ihr bereits Bahn gebrochen hatten. Mit Crato betritt um die Mitte des 16. Jahrhunderts noch einmal ein Breslauer die Bühne, dessen Lebensweg weite Teile Mitteleuropas umspannte. Von ihm wie seinem Berufskollegen und Breslauer Landsmann Johann von Jessen

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

gilt, was der Medizinhistoriker Paul Dziallas zu Eingang seines Porträts von beiden feststellte: »Nennen wir die wesentlichsten Städte ihrer Tätigkeit: Breslau, Wittenberg, Leipzig, Padua, Verona, Augsburg, Prag, Wien, Preßburg, ein weiträumiger Schauplatz, der von den Türmen Breslaus her nicht mehr zu übersehen ist. Ihre Wanderstraßen liefen über die Karte ganz Europas. Wir finden in der späteren Geschichte kein ähnliches Beispiel mehr.«39 Nimmt man hinzu, was von gleichfalls berufener Seite im Blick auf das epistolarische Vermächtnis Cratos geäußert wurde, so ergeben sich die Umrisse der Perspektiven, in die Leben und Werk dieser ›uomini universali‹ einzurücken sind. »Ciceros Reden und Briefe sind als Inhaltsverzeichnis seiner Zeit bezeichnet worden. Wie Ciceros Schrifttum das Ende der Römischen Republik widerspiegelt, so gewährt uns Cratos Briefwechsel einen Einblick in die zwischenmenschlichen Beziehungen des mitteleuropäischen Späthumanismus. Crato war der Staatsmann dieser Gelehrtenrepublik, die im Englischen und Französischen wörtlich ›Republik der Briefe‹ genannt wird.«40 In der Rhedigerschen Briefsammlung, von der wir hörten, war dieser Schatz bewahrt. Nur zu kleineren Teilen hat er sich erhalten. Der Zweite Weltkrieg hat furchtbare Verluste auch in der Cratoschen Hinterlassenschaft bewirkt. Wir haben das dunkle Kapitel in unserem Buch berührt, von dem die wissenschaftliche Welt immer noch zu wenig Kenntnis genommen hat. Um so dankbarer sind wir für das, was gelehrte Bemühung auf uns hat kommen lassen. Allein sieben Bände füllte der mit Crato eng befreundete Breslauer Mediziner und Botaniker Lorenz Scholtz seit 1597 mit den ärztlichen Ratschlägen, medizinischen Briefen und Konsilien, geschöpft nicht zuletzt aus der Rhedigerschen Sammlung. Was Rang und Namen hatte, figurierte da. »Insbesondere die schlesischen Ärzte verehrten Crato als ihr Haupt und Orakel. Unter den vielen Heimatsgenossen, die während seines langjährigen Aufenthaltes am Kaiserhofe als Briefsteller sich einfinden, nennen wir den fürstlich Liegnitzischen Leibarzt Johann Hermann, die Breslauer Ärzte Kaspar Hoffmann, Petrus Monavius (1551–1588), Wenzel Raphanus, Abraham Seiler, Laurenz Scholz (1552–1599). Außerhalb Schlesiens zählten zu Cratos intimem Kreise der Nürnberger Physikus Joachim Camerarius (1534–1598), der erbitterte Paracelsusgegner Thomas Erastus (1525–1583) in Heidelberg und Basel, der Epidemiologe Thomas Jordanus (1540–1585) in Iglau, endlich während der letzten Lebensjahre der Humanist Andreas Dudith von Horekowicz (1533–1589), zuletzt in Breslau.«41 So malt sich Cratos Bild aus der Sicht der Medizinhistoriker. Hier geht es um die humanistischen Kontakte. Und da bleibt die monumentale Monographie aus der Feder Gillets die erste Quelle. Er konnte in seinem Lebensbild

267

268

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

noch einmal die ihm in Breslau in der Stadtbibliothek und dem Stadtarchiv sowie im Staatsarchiv ungeschmälert zur Verfügung stehenden Quellen gewissenhaft ausschöpfen. Auf dem Fundament solch gewaltiger Leistungen stehen wir Kulturhistoriker, nach den Katastrophen des 20. Jahrhunderts so viel ärmer geworden, erfüllt von Dankbarkeit, und eine jede Gelegenheit will ergriffen sein, diese zu bezeugen. Nur in wenigen Strichen rekapitulieren wir die Vita.42 1519 wurde Crato als Sohn eines städtischen Beamten in Breslau geboren. Beide höheren Schulen der Stadt besuchte er, bei St. Elisabeth vor allem von Andreas Winkler gefördert, bei St. Maria Magdalena von Martin Helwig. Frühzeitig stellte sich ein Kontakt zu Johann Heß her. In Wittenberg machte er die Bekanntschaft Luthers und Melanchthons. Insbesondere die Freundschaft mit Melanchthon wurde lebensprägend. Das Interesse an den klassischen Studien, Sprache, Poesie und Philosophie gleichermaßen umgreifend, dürfte sich unter dem Einfluß Melanchthons herausgebildet haben. Luther aber ist es gewesen, der die eigentliche Begabung Cratos erkannte und ihm den Weg zur Medizin wies. In Leipzig lernte er auch Joachim Camerarius d.Ä. kennen, mit dem er gleichfalls ein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb. Das Mekka der Mediziner war Padua. Dahin wandte sich auch Crato. Hier hörte er eine der ersten Kapazitäten, Giovanni Battista da Monte (Montanus), erwarb den medizinischen Doktor, praktizierte kurze Zeit in Verona und kehrte über Augsburg in seine Heimat zurück. In Augsburg weilte 1530 Kaiser Karl V., und schon hier und jetzt wurde Cratos ärztlicher Rat von Mitgliedern des Hofes in Anspruch genommen. Eine wiederum für die Zukunft bestimmende Perspektive zeichnete sich ab. Später sollte das Leben Cratos zwischen seiner Heimatstadt, wo er als angesehener Stadtphysikus wirkte, und den wechselnden Quartieren Kaiser Ferdinands I., dem er als Leibarzt folgte, geteilt bleiben. Entscheidend war, daß er die Vertrauensstellung, die er rasch gewann, nutzen konnte, um Ferdinand I. und sodann seinen Sohn Maximilian II. in ihrer mäßigenden Haltung im Blick auf den konfessionellen Konflikt zu bestärken. Nicht zuletzt in dieser Position eines Mittlers wurde Crato ein gesuchter Briefpartner und mehr als einmal sogar ein geistlicher Beistand. Am kaiserlichen Hof selbst rückte Crato zum Geheimen Rat auf und wurde von Maximilian in den Adelsstand erhoben. Ein Jahr später, 1568, trat die Pfalzgrafenwürde hinzu.43 In Breslau, wohin er immer wieder zurückkehrte, scharte sich ein Kreis illu­ strer Geister um ihn. Er bildet die Keimzelle für die gelehrten Aktivitäten, die in Cratos Heimatstadt sich nun sichtbar intensivierten und Breslau zu einem Hauptquartier der späthumanistischen Bewegung im europäischen Kontext

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

machten. Ein Andreas Dudith, einst Bischof von Fünfkirchen in Ungarn und zum Protestantismus herüberwechselnd, zeitweilig mit den Antitrinitariern sympathisierend, fand sich ein. In Breslau residierten die Rhedigers, von denen wir hörten; besonders intensiv gestaltete sich der Kontakt zu Nikolaus II. Rhediger, dem Bruder des Thomas Rhediger. Der Rektor des Elisabethanums Petrus Vincentius blieb in das gelehrte Gespräch involviert. Johannes Aurifaber, Pastor bei St. Elisabeth und Herausgeber der Tischreden Luthers, die Crato aufgezeichnet hatte, war ebenso zur Stelle wie der große Theologe Zacharias Ursinus, der auch nach seinem Weggang von Breslau vom calvinistischen Heidelberg aus mit Crato und den Seinen die Verbindung wahrte. Die Gebrüder Monavius genossen den Vorzug des Umgangs mit ihm. »Die Zusammenkünfte dieser Männer, bei denen religiöse Fragen selbstverständlich eine große Rolle spielten, erweckten den Verdacht des Breslauer Bischofs Martin Gerstmann, als ob da Kalvinistische Gottesdienste abgehalten würden; doch wußte der Breslauer Rat der drohenden Gefahr geschickt zu begegnen. Cratos Haus wurde ein Mittelpunkt des geistigen Lebens in Breslau.«44 In Liegnitz weilte der Leibarzt des Herzogs Johann Hermann, der Schwiegersohn Lucas Cranachs, der seinerseits um den frühzeitig kränkelnden Crato sich bemühte. Noch Rudolf II. bestand auf seiner Hilfe, die er, selbst geschwächt, nur unter größtem Opferwillen leisten konnte. Nach schweren Leidensjahren starb er im Pestjahr 1585 in seiner Heimatstadt in den Armen Johann Hermanns, bis zuletzt geistig hellwach, und wo immer es Zeit und Kräfte zuließen, geistlichen Betrachtungen hingegeben.45 ›Ego vivo et vos Vivetis‹ sollen seine letzten Worte gegenüber dem treuen Gefährten gewesen sein. Sein Sohn ließ ihm in der Elisabethkirche ein prachtvolles Epitaph errichten.46 Sein irenischer Geist hatte sich den Freunden und Schülern, die mehr als einmal Jüngern gleich zu ihm aufblickten, mitgeteilt. Wir zeichnen das Porträt eines ihm Nahen aus der nachfolgenden Generation, dem auf andere Weise nochmals eine gruppenbildende Funktion zukam – und dies nun inmitten des voll zur Entfaltung gelangenden Späthumanismus auf Breslauer und auf schlesischem Boden.

Die Generation der jüngeren Freunde und Schüler: Ein Porträt Jakob Monaus Jakob Monau und sein Bruder Peter entstammten einem alten schlesischen Adelsgeschlecht, das bereits im 15. Jahrhundert im Oelsnischen und Schweidnitzischen bezeugt ist.47 Die Mutter war eine geborene Rindfleisch. So führte eine Linie zu dem nachmaligen Stadtphysikus Daniel Rindfleisch, der seinen

269

270

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Namen in Bucretius umwandelte, unter welchem er von Opitz und anderen als Förderer und Kenner besungen wurde. Der Vater Stanislaus Monau war schlesischer Landeshauptmann. Über beide Familien bestand schon in der elterlichen und großelterlicher Generation ein enger verwandtschaftlicher Kontakt zu den führenden Geschlechtern in der Stadt und im Land, den von Rybisch, den Pucher von der Puche, den Uthmann, den Reichel und wie sie heißen. »Nichts veranschaulicht besser das Wesen dieses in sich geschlossenen und sich durch immer neue Verbindungen unter einander nach außen hin absperrenden Patriziats, als die Darlegung der verwandtschaftlichen Verhältnisse unserer beiden Monau.«48 Jakob und sein Bruder wurden in Breslau geboren, Jakob 1546, Peter 1551. Ihre schulische Ausbildung erfolgte am Elisabethanum. Dann trennten sich ihre Wege zeitweilig. Jakob studierte in Leipzig und wurde entschiedener Anhänger Melanchthons. Diese Ausrichtung wurde bekräftigt und bestärkt, als Monau nach Heidelberg herüberwechselte und in die Nähe von Ursinus geriet. Der trat mit ihm in einen gelehrten Austausch über die Prädestination ein und gewann ihn für den Calvinismus.49 Von Heidelberg in das zweite theologische Zentrum Wittenberg gelangt, knüpfte er Kontakte mit Melanchthons Schwiegersohn Caspar Peucer, in dessen Haus auch Nikolaus II. Rhediger sich bewegte. Hier studierte sein Bruder alsbald Medizin, während Jakob seine begonnenen juristischen Studien wieder aufnahm und zeitweilig in Frankreich fortsetzte. Als er in Begleitung Fabian von Dohnas über Venedig und Padua nach Genf gelangte, hernach in Nürnberg Station machte, hatte er in jungen Jahren entscheidende Stationen und religiöse Brennpunkte berührt, überall in Kontakt mit den Wortführern des europäischen Späthumanismus, die durchweg dem reformierten Bekenntnis zugetan waren. »Monau war die Mittelsperson, durch welche gar Manches zwischen Genf und Heidelberg einerseits und Crato und den aus Wittenberg Vertriebenen andrerseits ausgetauscht wurde. […] Auch er hatte mit seinen religiösen Ueberzeugungen den Weg von Wittenberg nach Genf durchgemacht. Er war kein Lutheraner mehr, sondern ein reformirter Evangelischer.«50 Zurückgekehrt nach Breslau, mußte er sich beruflich positionieren. Er traf eine folgenreiche Entscheidung. Als Privatgelehrter wünschte er in seiner Vaterstadt zu residieren, hingegeben seinen Studien und der Pflege seiner Freundschaften in und außerhalb Breslaus. »Seine lebhafte Correspondenz mit den Häuptern der reformirten Partei, mit Beza, Hotomann und Lambert Danäus in Genf, mit Johannes Sturm in Strasburg, mit Ursin in Heidelberg, mit Hubert Languet, Herdesian u. a., und eben so mit Heinrich Moller in Hamburg, dem vertriebenen Wittenberger, und mit vielen anderen Freunden und Bekannten machte

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

ihn verbunden mit der glücklichen Muße, deren er genoß, ganz geschickt vielfach die Verbindung dieser aller unter einander und mit Crato zu vermitteln, und verlieh ihm auch für die, welche in Breslau und Schlesien überhaupt dieser Richtung huldigten, eine besondere Bedeutung.«51 Monau selbst hielt sich im Hintergrund. Eben dies honorierten seine Freunde und Gesprächspartner. In den letzten Dezennien vor der großen Krise in einer auf eine politische und konfessionelle Entscheidung hindrängenden Zeit hielt er die Fäden in der Hand. Die Gleichgesinnten dankten es ihm. Dafür gab es wie stets den Brief, diese Domäne der Humanisten. Aber an seine Seite trat nun ein weiteres Medium, dem für ein halbes späthumanistisches Jahrhundert die Zukunft gehören sollte, die poetische Zuschrift, gruppiert um einen Wahlspruch. Monau machte damit einen weithin wahrgenommen Anfang. So erwarb er sich einen Anspruch darauf, in die Literaturgeschichte einzugehen, ohne daß er selbst rührig zur Feder hätte greifen müssen. Er wurde bedichtet, indem man seinen Wahlspruch bedichtete, sich von ihm zu einer poetischen Epistel im übertragenen Sinn anregen ließ, um Ehrerbietung und freundschaftliche Teilnahme zu bekunden. ›Ipse faciet‹ lautete diese Formel, war also selbstverständlich auf lateinisch im Umlauf, um die Freunde über die Grenzen der Sprachen und der Länder hinweg einzuladen zum Mittun. Und die ließen nicht auf sich warten. Besäßen wir eine Literaturgeschichte späthumanistischen Dichtens, ›Ipse faciet‹ figurierte darin als ein illustrer Titel. Und das aus keinem anderen Grunde als dem, daß ungezählte Wortführer und Repräsentanten aus der politischen und religiösen Welt in dem Werk sich ein Stelldichein gaben. Fragte man aber nach dem einenden Band, so gibt es sich in der Zuneigung zum reformierten Glauben zu erkennen. In der Hochphase des internationalen, auf allen Feldern agierenden Calvinismus war ein Monau auf schlesischem Boden in der Hauptstadt Breslau zur Stelle, um internationale Gruppenzugehörigkeit zu bezeugen und zu stiften.52

Die Schar der Gleichgesinnten um den Wahlspruch ›Ipse faciet‹ 1581 trat er ein erstes Mal mit einer noch schmalen Sammlung von Zuschriften zu seinem Wahlspruch hervor.53 In zwei Psalmen, beim Propheten Salomo und bei dem Apostel Paulus als dem Verfasser des ersten Thessalonicher-Briefes, so zeigte sich, hatte Monau ihn aufgetan. Und der umspielte ihn nun auf einem Vorsatzblatt, indem er den Namen des alttestamentarischen Gottes Jehova aufrief, den dreieinigen, ewigen, wahren Gott, der alles wohlmacht, wohl gemacht hat, wohl machen wird – »Iehovae Ipsi Deo Vni, Trino: Aeterno, Vero, Vivo. Opt. Max. Qviet Solvs: Et Bene: Facit, Fecit, Faciet Omnia.« Als ein solcher war

271

272

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

er insbesondere den Anhängern des reformierten Glaubens teuer, die mit dem Alten Testament die vornehmste Quelle ihres ebenso wohlgemut wie kämpferisch sich gerierenden Glaubens inmitten der Fährnisse dieser Welt an ihrer Seite wußten. Den drei heiligen Sprachen ist das Motto auf einem Vorsatzblatt anvertraut, dem Hebräischen, dem Lateinischen und dem Deutschen. Wie aber lautet es im heimatlichen Idiom? ›Er wirds wol machen‹. Das war eine Formel, die ein jeder Gläubige zu sprechen und mit Leben zu erfüllen imstande war. Sie war dem konfessionellen Zwist entzogen, entfaltete werbende Kraft, lud ein zu Vereinigung und zu Versöhnung. An einem jeden Ort und zu jeder Zeit mochte sie verlauten. Was gäben wir darum, den Kreis der Personen näher ins Auge zu fassen, der sich auf das ebenso heitere wie tiefgründige Spiel einließ. Die geistlich-geistige und zugleich die politische Elite trat unter dem Schirm des Monauschen Spruches zusammen: Der Kaiserliche Rat und ›Orator‹ Andreas Dudith, der gleichfalls Kaiserliche Rat und ›Historicus‹ Johannes Sambucus, der Rektor der Straßburger Akademie Johannes Sturm, der große reformierte Theologe und Dichter der Psalmen, Theodor Beza, der aus Kreta stammende und in Venedig wirkende Francesco Porto, der in Orléans geborene reformierte Prediger Lambertus Danaeus, der seine ›Bekehrung‹ auf die Verfolgung der Hugenotten in seinem Heimatland zurückdatierte und miterleben mußte, wie sein juristischer Lehrer auf dem Scheiterhaufen der Ketzer endete. Und so geht die Reihe fort. Noch ein Nikodemus Frischlin, gekrönter Dichter und Pfalzgraf, ist schon 1581 dabei. Zu einer derartigen Geste verstanden sich diese berühmten Geister nur, wenn sie die Gewähr hatten, einen Großen aus ihren Reihen zu ehren. Monau, der als Dichter nur ausnahmsweise das Wort ergriff, setzte sich als Humanist ein würdiges Denkmal über sein Wahlspruch-Werk. Doch es blieb nicht dabei. Gute zehn Jahre später, 1595, trat er mit einer wesentlich erweiterten Sammelschrift zu dem nämlichen Motto ›Ipse faciet‹ erneut hervor.54 Jetzt war das Symbolon viersprachig vorangestellt, das Griechische trat hinzu. Und das nicht zufällig, denn nun ist es offensichtlich Monaus erklärter Wunsch, daß die Beiträger sich wahlweise aller vier heiligen Sprachen bedienen. Derart ist ein grandioses polyglottes Werk zustandegekommen, getragen von späthumanistischem und reformiertem Geist – ein poetischer Zenit um 1600 war erklommen. Das geistig verwandte Görlitz, Wahlstatt eines Jakob Böhme, fungierte als Druckort; der Adressat aber residierte in Breslau. An beide Orte, so unsere Hoffnung, möchte sich die Erinnerung an ein großes Denkmal späthumanistischen Dichtens knüpfen.

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

In drei Bücher ist der erste Teil des Werkes nun gegliedert. Die Zahl der Beiträger hat sich immens erhöht. Es erwies sich im nachhinein als klug, ihm einen Vorgänger vorauszuschicken, der Aufmerksamkeit erregt hatte. Jedem Buch steht ein Spruch aus den Psalmen voran. Auch Monau bekennt sich mit seinen Glaubensgenossen zur Sonderstellung der Psalmen unter den biblischen Büchern. Und jedes Buch trägt den Namen eines Widmungsempfängers. Das erste ist geschmückt mit demjenigen des Kaiserlichen Reichshofrates, großen Diplomaten, leidenschaftlichen Büchersammlers und großmütigen Mäzens Joachim vom Berge. Auch er entging wie so viele Leidensgefährten schließlich dem Vorwurf des Kryptocalvinismus nicht. Ein öffentliches Wort Monaus, sieben Jahre vor dem Tod vom Berges in die Welt tretend, kam also einem Bekenntnis gleich. Monau war es auch, der seinen juristischen Rat bei der Abfassung der Fundamentsurkunde für das Stiftungs- und Stipendienwerk vom Berges zur Verfügung stellte, das unbemittelten Personen die Chance eines Studiums eröffnen sollte. Der später berühmte Chronist und Professor am Brieger Gymnasium Jakob Schickfuß, der nachmalige wortgewaltige Hofprediger des Winterkönigs Abraham Scultetus und der erste Rektor der Brüderschule im mährischen Eibenschütz Esrom Rüdinger kamen zum Beispiel in den Genuß der vom Bergeschen Stiftung. Monau wußte also genau, welch renommierte, aber zugleich eben auch gefährdete Person er da als Widmungsempfänger erkoren hatte.55 Und dann die Namen der Beiträger! Die Folge berühmter Persönlichkeiten will kein Ende nehmen. Nie wieder in der Geschichte des Späthumanismus auf schlesischem Boden ist ein so weites Spektrum der internationalen und zum Reformiertentum tendierenden nobilitas literaria in einem einzigen Buch schreibend, und einem Großen aus ihrer Mitte huldigend, zusammengetreten. Den Anfang macht selbstverständlich keinesfalls zufällig Monaus Förderer, Crato von Crafftheim. Ihm folgen Caspar Peucer und Theodor Beza. Eine solche Trias am Anfang eines Werkes mit Zuschriften markiert sogleich einen programmatischen Auftakt. Jedermann verstand, was es mit ihm auf sich hatte. Traten dann später, um nur drei weitere Namen zu nennen, um unseren kleinen Versuch nicht zu überfrachten, zum Beispiel ein Nikolaus III. Rhediger, ein Zacharias Ursinus, ein Schede Melissus hinzu, so rundete sich das von reformierten Zügen geprägte Bild rasch. Monau schuf mit seinem Werk, das da unter dem Titel ›Ipse faciet‹ hinausging, zugleich ein solches letzter Hand. Das bezeugt sein zweiter Teil, im Titel bescheiden als ›Appendix‹ avisiert. In ihm vereinigte Monau, was Bezug hatte auf ihn und seine Familie und das jetzt auch losgelöst von seinem Wahlspruch.

273

274

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

So liest man nun das Gedicht aus dem Jahr 1589, das ihm zu seiner ersten Ehe mit Susanne Vogt von Freunden und Kollegen zugedacht war, hier wieder. Natürlich sind ein Crato und ein Nikolaus Rhediger unter den Gratulanten. Früh verlor Monau die Gattin wieder. Also griffen die dem Witwer Nahestehenden erneut zur Feder. Monau mußte auch erleben, daß sein jüngerer Bruder Peter dahinschied. Auch er erhielt selbstverständlich eine Trauerschrift, die der treusorgende Bruder nun gleichfalls dem Strauß von Gelegenheitsarbeiten beifügte. Theodor Beza und Caspar Peucer machen den Anfang. Dann ist wieder Anlaß zu einem freudigen Ereignis. 1589 heiratete Monau ein zweites Mal. Anna Holzbecher war die Erwählte. Das Haupt der Pfälzer Späthumanisten, Schede Melissus, eröffnet nun den Reigen zu Ehren des den Heidelbergern so nahestehenden Schlesiers und seiner Gemahlin. Epicedien auf den Tod eines Sohnes von Monau und Genesungswünsche für einen weiteren beschließen diesen Teil des Werkes, dem noch eine Reihe von Horaz-Parodien angehängt ist. Derart stiftete einer der Großen der schlesischen Literatur und Geistesgeschichte sein Vermächtnis. 1603 starb er. Erstaunlicherweise ist es bislang nicht gelungen, eine große Sammelschrift zur Ehrung des Toten aufzutun. Weder in Breslau selbst noch auch in Prag ist eine solche aktenkundig. Dafür nahm ein Berufener das Wort und widmete dem Verewigten eine singulär in der Trauerliteratur dastehende poetische Ehrung.56 Und da ihr Verfasser zugleich zu einem Nestor der letzten Generation der schlesischen Humanisten aufrückte, die noch vor der Prager Katastrophe geboren wurde, mag es willkommen sein, mit seinem Porträt ein dem Breslauer und schlesischen Humanismus gewidmetes Kapitel zu beschließen. Diese Generation mußte erleben, wie ihre Blütenträume rasch welkten und eine neue Zeit anbrach, in der für mehr als ein Jahrhundert den Reformierten kein Platz mehr beschieden war, aber auch ihre lutherischen Glaubensbrüder nun ein bitteres Los erwartete. Doch blieb ihr in allem Ungemach das Glück vorbehalten, die nachfolgende Generation, die nun auch dichtend entschieden zur deutschen Sprache griff, begrüßen und oftmals fördern zu können. Mit ihr begann Breslaus und Schlesiens einzig dastehende Mission in der Geschichte der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts.

Schöpfer eines gelehrten Netzwerkes: Der Breslauer Stadtphysikus Caspar Cunrad In Schlesien existiert spätestens seit der Mitte des 16. Jahrhunderts eine konsistente gelehrte und literarische Tradition. Ein Großer gibt dem anderen die Stafette in die Hand. Und um sie scharen sich die Gleichgesinnten aus Stadt und

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Land, bilden das, was literarisches Leben begründet und trägt, ein kennerhaftes Gelehrten- und Mäzenatengeschlecht, das sich in dieser Rolle beheimatet und geehrt weiß. Bis tief in das 18. Jahrhundert hinein darf man Kontinuität dieser Art nur auf einem begrenzten Raum erwarten. Eine die ganze Fläche einer Nation umgreifende literarische Kommunikation ist – wenn überhaupt – Sache der frühen Nationalstaaten. Doch was dem Alten Reich aus vielerlei Gründen ermangelte, wird kompensiert durch ein komplementäres Phänomen, nämlich den Austausch von gelehrten und konfessionellen Zentren über die territorialen Grenzen hinweg. Schlesien bildete seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einen Fixpunkt im kommunikativen Netz des Reichs wie Europas. Um 1600 verdichteten sich die Kontakte noch einmal merklich. Für eine Weile kann geradezu von fieberhaften Aktivitäten gesprochen werden. Sie resultierten aus dem Umstand, daß der Konflikt zwischen Altgläubigen und Reformierten unaufhaltsam auf einen tödlichen Waffengang zusteuerte. Die Wortführer wußten darum und waren auf dem Kontinent unterwegs, um sich der Bündnisgenossen zu versichern und Absprachen zu treffen. In den unaufhörlich hin und her gehenden Briefen setzte sich der oftmals gelehrt kaschierte, tatsächlich jedoch politisch motivierte Austausch fort. Die Ortschaften nicht nur im Alten Reich, sondern in ganz Europa waren zu zählen, in denen sich Knotenpunkte bildeten, um die herum sich Archive und anderweitige sammlerische Zentren gruppierten, in denen der rege externe Verkehr gespeichert wurde. Es macht das Ausgezeichnete auch einer frühneuzeitlichen Metropole wie Breslau aus, an dieses Netz angeschlossen zu sein und eben selbst einen Knotenpunkt darin zu bilden. Und ebenfalls durfte die Stadt sich rühmen, ein üppig bestücktes schriftkundliches Reservoir in seinen Mauern zu beherbergen. Aus ihm sind jene gelehrten humanistischen Lebensbilder zu formen, von denen wir immer noch viel zu wenige besitzen. Entsprechend fahren wir fort, wenigstens erste Hinweise zu geben. Und das selbstverständlich mit Breslau im Fokus. Wir wenden uns einem aus Breslau Gebürtigen und die längste Zeit seines Lebens in der schlesischen Metropole Wirkenden zu – auch er, wie so viele andere kaum noch bekannt, seinerzeit jedoch eine Berühmtheit allerersten Grades. Zu sprechen ist von Caspar Cunrad.57 1571 wurde Cunrad in Breslau geboren. Seine Ausbildung dürfte er in seiner Heimatstadt erfahren haben. Zum Studium wandte er sich an die Universitäten, die für die protestantischen Schlesier am leichtesten zu erreichen waren, nach Frankfurt an der Oder und nach Wittenberg. Den Magister erwarb er 1595 in Leipzig. Damit war die erste Studienphase abgeschlossen. Erst danach fielen die wichtigen Entscheidungen. Auch im Leben Cunrads währte es eine Weile,

275

276

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

bis die Richtung sich abzeichnete. Er bekleidete zur Überbrückung Hauslehrertätigkeiten, wie in seinen Kreisen üblich. Dann erfolgte der Aufbruch. Er war für die angehende schlesische Gelehrtenschaft seit zwei Generationen vorgezeichnet. Wer auf sich hielt und irgendeine Möglichkeit fand, machte sich auf in den Südwesten. Die akademische Trias mit Heidelberg, Straßburg und Basel übte eine unvergleichliche Attraktion für die jungen Adepten aus. Und wenn sie einen Adeligen als Hofmeister begleiten konnten, waren sie am Ziel ihrer Wünsche. Cunrad war zudem als noch junger Mensch kein unbeschriebenes Blatt mehr, war bereits mit ersten moralphilosophischen und poetischen Arbeiten hervorgetreten. Sie hatten ihm schon 1601, im Jahr seines Aufbruchs nach Basel, den Titel eines kaiserlich gekrönten Poeten beschert. Die Ehrung war in Prag vorgenommen worden, und der Strauß der ihm gewidmeten Ehrengedichte hat sich glücklicherweise erhalten.58 In Basel aber galt das Studium dem künftigen Broterwerb. In Breslau hatte er den berühmten Mediziner Daniel Rindfleisch wirken sehen, mit dem er frühzeitig in Kontakt getreten sein muß. Rindfleisch, der sich in guter humanistischer Manier in Bucretius umgetauft hatte, pflegte regen Kontakt mit der studierenden und poetisch ambitionierten Jugend. Er war für die Jüngeren ein Vorbild. Nicht ausgeschlossen also, daß er auch bestimmend auf die Berufswahl Cunrads einwirkte. Drei Jahre hielt dieser sich in Basel auf. Dann kehrte er nach dem Erwerb seines Doktortitels im Fach der Medizin im Jahr 1604 in seine Heimatstadt zurück. Sein Leben daselbst verlief äußerlich unspektakulär. Cunrad ließ sich als Arzt nieder und erwarb zunehmend Ansehen. So bedeutete es zweifellos die Krönung seines beruflichen Lebens, als er im Jahre 1621 die Stelle eines Stadtphysikus erwarb. Er trat die Nachfolge von Daniel Bucretius an und bewegte sich somit auch in den Fußstapfen eines der ganz Großen wie Crato von Crafftheim. Anders aber als diesen zog es ihn nicht in die Weite zur Wahrnehmung ehrenvoller Stellen im Umkreis von Kaiser und König in Wien und Prag. Er wirkte vor Ort. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir in der freiwillig erkorenen Seßhaftigkeit eine der Voraussetzungen für die Konzentration auf sein Werk erblicken, das er sich zur Lebensaufgabe gesetzt hatte. Nur in Breslau und von Breslau aus vermochte er jenen im nachhinein unfaßbar reichen schriftstellerischen Elan zu entfalten, der auf ein einziges Ziel gerichtet war. Cunrad wollte die gelehrte und zumal die poetische Leistung seiner Vaterstadt und seiner weiteren schlesischen Heimat schreibend und sammelnd dokumentieren. Über dieser Aufgabe ist er zum Historiographen des literarischen Lebens eines ganzen Landstrichs geworden. Und da er das Glück

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

hatte, sein Lebenswerk durch seine Söhne auf verschiedenen Wegen fortgesetzt zu sehen, rückten Vater und Kinder Cunrad unversehens zu Zeitzeugen auf, deren Kompendien, in denen sich biographische und poetische Züge fruchtbar kreuzen, noch heute zum eisernen Rüstzeug eines jeden zünftigen Schlesienkundlers gehören.

Schreiben im Dienst von Gemeinschaftsbildung Cunrad bediente sich zweier eingeführter Formen, des an Personen gerichteten Epigramms und der Zuschrift zu einem Motto, wie vor allem Monau sie in Umlauf gebracht hatte. War der Zuschnitt des mitwirkenden Personenkreises bei Monau international angelegt, so interessierte Cunrad der regionale Einzugsbereich. Keinesfalls ausschließlich, aber doch in erster Linie sollten es Schlesier sein, die entweder bedichtet wurden oder die sich mit Gedichten an einem von Cunrad initiierten Gemeinschaftswerk beteiligten. Der Autor wollte eine sich in geistig und literarisch lebendiger Verfassung befindliche Landschaft auf Dauer fixieren, ihr sammelnd, Talente fördernd, berühmte Namen ausstellend, ein Denkmal setzen. Das konnte nur funktionieren, wenn genügend Schreibende zur Stelle waren. Und eben diese Situation war um 1600 in einmaliger Weise in Schlesien gegeben. Die Höfe, die Gymnasien, die Kirchen, die weltlichen und geistlichen Verwaltungen ringsum boten genügend Chargen, in denen des Lateins und des Poetisierens kundige ›Gelehrte‹ tätig waren, die auf Geheiß als Beiträger zu einem Sammelwerk in Erscheinung treten konnten und die sich umgekehrt gerne bedichtet sahen. Ein Hin und Her, ein Geben und Nehmen hatte statt. Cunrad war der angesehene Sachwalter des gelehrten Spiels, dessen Nimbus mit jeder neuen Kreation wuchs. Und derer war während dreier Dezennien kein Ende, ohne daß der Reiz verloren ging oder die Einbildungskraft erlahmte. Hergebrachtes und Neues hielten sich auf schöne Weise die Waage. Im Jahr 1600 setzte Cunrad ein. Eine erste Dekade mit sog. Anagrammgedichten erschien, in denen der Name des Bedichteten, in der Buchstabenfolge leicht versetzt, zum scharfsinnigen Erfinden einer hervorstechenden Eigenschaft einlud. Weitere Dekaden folgten praktisch jedes Jahr. 1606 lag die erste Hundertschaft vor. Cunrad nutzte die kleine Sammelschrift stets dazu, sie mit einer Widmung an bekannte Persönlichkeiten zu verbinden. Und keine Dekade ging heraus, ohne daß sie nicht mit Zuschriften von Freunden, Kollegen, Gönnern und oftmals namhaften Geistern geschmückt gewesen wäre. So formte sich sukzessive ein kleiner poetischer Kosmos heraus. Das Anagrammgedicht in Zehnerfolgen machte den Auftakt zu ihm.

277

278

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

Fast zeitgleich verschrieb sich Cunrad der in reformierten Kreisen so beliebten poetischen Psalmenbearbeitung. Wieder erfolgte über die Dekade eine Reihenbildung. 15 Folgen vermochte Cunrad zwischen 1602 und 1606 vorzulegen, ein Jahr später traten sie vereint zusammen. Der geistliche Vorwurf war keinesfalls allein das Entscheidende. Wieder wollten vor allem Widmungsadressen formuliert und eingegangene Zuschriften dokumentiert und also ein personenkundliches Netzwerk geknüpft sein. Daß dies das vornehmste Interesse Cunrads war, bezeugen seine beiden geistlichen Sammelwerke, seine 1611 erschienene Gnomologia und sein 1616 veröffentlichtes Pratum Evangelicum. Jeweils 15 Autoren vereinigen sich zur zweisprachigen lateinischen und deutschsprachigen poetischen Feier der Sonn- und Festtage des Kirchenjahres. In vielen Fällen handelt es sich um die einzig bekannten deutschsprachigen Beiträge der jeweiligen Autoren. Deutschsprachigkeit blieb auch ein Kennzeichen seiner drei selbstverfaßten geistlichen Sammelwerke, einer Tetrasticha Latino-Germanica Super Evangelia aus dem Jahr 1606, einem Annualium Evangeliorum aus dem Jahr 1615 und einer Ogdoas aus dem Jahr 1631 zu den Periochen der Evangelien. Vier bzw. zwei lateinischen Versen folgen jeweils vier- oder zweihebige Verse auf deutsch. So bahnte Cunrad über sein geistliches Werk zugleich dem Dichten in deutscher Sprache einen Weg. Und dazu paßte sehr wohl, daß er ein Förderer der jungen Dichter wurde, die sich im Deutschen übten – ein Opitz an der Spitze. In der Gattung des Epigramms trennte Cunrad gleich nach Zenturien, so reich war die Produktion. Fünf solcher Hundertschaften erschienen zwischen 1609 und 1613. Illustre Namen stehen ihnen als Widmungsempfänger voran, ein Wenzel von Zedlitz, ein Nikolaus III. Rhediger, ein Abraham von Promnitz, ein Adalbert Popel von Lobkowitz und schließlich der Name des Gründers des berühmten Schönaichschen Gymnasiums Georg von Schönaich. Dieses enge Zusammenspiel zwischen Adel und Gelehrtenschaft blieb wie in Böhmen so auch in Schlesien ein Kennzeichen kultureller Interaktion. Zu diesen gedruckten Sammlungen tritt nun überraschend eine bisher unbekannt gebliebene in handschriftlicher Form. Sie umfaßt elf Bücher, wird heute in der Handschriften-Abteilung der Breslauer Universitätsbibliothek verwahrt – herrührend aus der alten Bernhardiner-Bibliothek, diesem unerschöpflichen Schatzhaus – und müßte dringend ediert werden. In ihr zieht Cunrad wie auf andere Weise ein Monau die Summe seines poetischen Lebens in der ihm liebsten Gattung, dem Epigramm. Geistlichen Gedichten und Zuschriften auf fürstliche Autoren unter Kaiser Matthias folgen Hochzeits- und Trauergedichte, und am Schluß sind Miszellaneen plaziert. Das Bild Cunrads wäre ein anderes in der Literaturgeschichte, hätte diese Sammlung den Weg zum Druck gefunden.

Die Selbstbehauptung des Geistes im Zeitalter des Konfessionalismus  |

Auch in seinen Horaz-Parodien beobachtete Cunrad die Gepflogenheit, eine jede Sammlung wieder mit einer Widmungsadresse zu versehen. Entscheidend aber blieb, daß Cunrad das um einen Wahlspruch gruppierte poetische Spiel aufnahm, wie Monau es so vorbildlich praktiziert hatte. Er führte es zu einem krönenden Abschluß. Denn nun konnte er zu seinen Wahlspruch ›Domini Est Salus‹ nicht weniger als 15 Zenturien vorlegen. Im Jahr 1606 begann das Treiben, zwei Jahre vor Cunrads Tod im Jahr 1631 endete es. Damit waren 1500 Zuschriften in Cunrads Hand. Alles, was schreibend im näheren und ferneren Umkreis hervorgetreten war, sah es als eine Ehre an, dem in Breslau residierenden Nestor der schlesischen Gelehrtenschaft Reverenz zu erweisen. Cunrad war ihrer aller Patron. War eine schönere und ehrenvollere Mission im literarischen Leben denkbar? Die schlesische Literaturgeschichte jedoch weiß kaum etwas über einen ihrer Großen. Der aber war nun gerüstet, um zu einem letzten Schlag auszuholen. Wer so viel Kenntnis über seine Zeitgenossen und deren unmittelbare Vorgänger besaß, durfte sich aufgerufen fühlen, der Wahrer ihrer aller Namen zu werden. Und so schuf er eine Art Literaturlexikon – das aber auf die eines Humanisten würdige Art. Er entwarf nicht Porträts, wie sein großer Landsmann Nicolaus Henel von Hennenfeld dies tat, von dem wir hören werden. Vielmehr verfaßte er in gedrängtesten zweizeiligen Versen, sog. Distichen, winzige poetische Miniaturen. Die aber versah er mit Namen und wo immer möglich mit Lebensdaten und Berufsangaben unter einem jeden Zweizeiler. Sage und schreibe dreitausend solcher Kurzporträts hat er in seinen Prosographiae Melicae in den Jahren 1615 und 1621 veröffentlicht. Alle drei ›Millenaria‹ sind mit Namensregistern ausgestattet, eigneten sich also vorzüglich zum Nachschlagen. Cunrad »hat damit ein Buch geschaffen, dessen Bedeutung ihm den Namen eines Begründers der schlesischen Gelehrtengeschichte für immer sichert.«59 Daß er diese Rolle aber zu spielen vermochte, verdankte er nicht zuletzt seinem Sohn Johann Heinrich. Der nämlich nahm das Spiel auf und trieb es emsig fort. Bis auf 10.000 Distichen soll er es gebracht haben. Was gäben wir darum, diese Handschrift zu Gesicht zu bekommen. Unsere Nachforschungen in Breslau blieben bislang vergeblich. Der Direktor der Breslauer Stadtbibliothek, Max Hippe, der darüber berichtet, hat sie vor dem Krieg womöglich noch in der Hand gehabt. Vielleicht aber war sie mit dem Nachlaß des Sohnes auch in die Bibliothek der Hobergs nach Fürstenstein, oder aber in die Milichsche Bibliothek nach Görlitz gelangt. Wir wissen es nicht. Tatsache aber ist, daß sich viel später ein rühriger Geist namens Caspar Theophil Schindler ans Werk machte, 1500 auf Schlesier bezogene Distichen aus der Handschrift herausfilterte

279

280

|  Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden

und diese unter dem ansprechenden Titel Silesia Togata publizierte. So entstand das wichtigste personenkundliche Werk zum gelehrten Schlesien der frühen Neuzeit, das man heute noch mit Gewinn benutzt. Es war aus dem Geist des Humanismus erwachsen und ist eines seiner bleibenden, dem schlesischen Boden entsprungenen Dokumente.60

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein Schlesische Besonderheiten Wir tun einen Schritt in eine verwandelte und doch verwandte literarische Szene, gleichermaßen geknüpft an die Stadt Breslau wie an ihr Umland. Wenn wir dieses stets mit im Blickfeld haben, so aufgrund der besonderen Situation mit Folgen für das kulturelle, religiöse und literarische Leben. Breslau ist umgeben von einem Kranz von Höfen, zumeist geführt von Fürsten aus dem Geschlecht der Piasten. Dreie ragen heraus, diejenigen in Liegnitz, in Brieg und in Oels. Was sie auszeichnet, ist der Umstand, daß an ihnen nicht nur der Protestantismus frühzeitig Einzug hielt, sondern daß für eine mehr oder weniger lange Zeit auch der Calvinismus in ihnen eine Heimstatt fand. Deswegen brauchte die Bevölkerung diesen Schwenk im Glauben nicht mit zu vollziehen. Aber für die oberen Chargen bei Hof und in den Hofkirchen sowie unter den Gelehrten, etwa an den Gymnasien, war dies eine folgenreiche Tat. Sie konnten sich ermutigt fühlen, den nämlichen Schritt zu tun. Das aber hatte nun wiederum Konsequenzen für die Intelligenz in der Hauptstadt. Sie wußte sich für eine knapp bemessene Weile um 1600 im Einklang mit den Entwicklungen an den Höfen ringsum. Das gab Ermutigung und stärkte den wechselseitigen Zusammenhalt. Es gibt keine zweite literarische Landschaft im weiten alten deutschen Sprachraum, in der eine vergleichbare Konstellation existierte. Konstatieren wir also neuerlich das Besondere im schlesischen und speziell im Breslauer Literaturbetrieb jener Zeit, so ist eben diese soziale und konfessionelle Figuration als erste in Anschlag zu bringen. Von den reformierten Höfen und ihren gelehrten Anrainern gingen die Impulse zur Schöpfung einer deutschsprachigen Kunstdichtung aus. Das beobachten wir im Südwesten am Oberrhein mit der Pfalz und Heidelberg im Zentrum. Das bestätigt sich in Mitteldeutschland an den Höfen, wo unter dem reformierten Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen die ›Fruchtbringende Gesellschaft‹ gegründet wird, die vor allem von reformierten Fürsten getragen ist. Und das gilt nun eben auch von Breslau und den Piastenhöfen im Osten. Drei konzentrische Kreise also sind auszumachen, wenn es um die Ursprünge der deutschsprachigen Dichtung um 1600 geht – diesem

282

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

einschneidenden, um nicht zu sagen revolutionären Paradigmenwechsel, mit dem Deutschland Anschluß findet an die weiter fortgeschrittene Entwicklung im Osten und Westen Europas, Polens und Ungarns dort, der romanischen Länder, Englands und der Niederlande hier. Schlesien aber blieb es vorbehalten, das nationalliterarische Projekt, wie wir es der Kürze halber bezeichnen wollen, ein ganzes Jahrhundert über mit nicht versiegenden Kräften zu befördern. Die Protagonisten in der Pfalz waren nach dem Einfall der Spanier zu Beginn der zwanziger Jahre auseinandergetrieben und fristeten nicht selten ein herbes Los im Exil – ganz so wie ihr einstiger Kurfürst Friedrich V., der nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berge bei Prag seine Kurfürstenwürde verlor, nach Haag in den Niederlanden ausweichen mußte und seine einst strahlende Residenz nicht wiedersah. Sein Schwiegervater, der englische König, hatte ihn vor diesem bitteren Schicksal nicht bewahren können. Der Sieg der Katholiken im Südwesten und im Osten hatte Konsequenzen für alle zum reformierten Glauben tendierenden Höfe. Auch das Reformwerk der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹ verlor für eine Weile an Schwung, mußte der Stoß doch aufgefangen und verarbeitet werden. Wieder anders lagen die Dinge im Osten, und speziell im Falle Schlesiens. In Böhmen selbst zahlten eine Reihe von Wortführern für den versuchten Umsturz mit dem Leben. Ihre Köpfe wurden auf der Prager Altstadtbrücke aufgepfählt. Wie nach dem Hussitensturm ging ein weiteres Mal eine die Keime des Neuen erstickende Welle der Konterrevolution über das Land dahin. Wenn ein so verheißungsvoller lyrischer Ansatz, wie er sich mit dem am Prager Hof tätigen Pfälzer Theobald Hock und seiner Sammlung Schoenes Blumenfeld aus dem Jahre 1601 verband, eine Episode blieb, so ist dies eben dem Umsturz nach 1620 geschuldet. Auch Schlesien bekam den Zorn des katholischen Landesherrn zu spüren. Er äußerte sich jedoch milder, da Sachsen seine schützende Hand über das vielgeprüfte Land hielt. Gewiß, auch die Herzöge in Liegnitz und Brieg vermochten sich auf Dauer nicht zu halten, verloren die Landeshauptmannschaft, und Johann Christian mußte schließlich ins Exil gehen. Gleichwohl blieb eine vielfach kaschierte Resistenz in der Stadt und bei Hof gegenüber dem katholischen Oberherrn gewahrt, die staunend auch von zeitgenössischen Beobachtern wahrgenommen wurde. Sie bildet das schwer greifbare, aber eben doch vorhandene Fluidum für die literarischen Experimente in der deutschen Sprache. Ein Nährboden war in Breslau sowie an den Piastenhöfen bis zu deren Aussterben im Jahr 1675 vorhanden, der der Literatur auf ungezählten unscheinbaren Kanälen zugutekam. Wir besitzen keine Literaturgeschichte, die uns davon im einzelnen berichtete. So akzentuieren

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

wir ein paar Züge in der Hoffnung, daß uns in nicht allzu ferner Zukunft eine gediegene Darstellung der deutschen Literatur im Breslau und Schlesien des 17. Jahrhunderts geschenkt werden möge.1

Eine Dichtergesellschaft in Breslau? Breslau gehört zu den literarischen Zentren in der Frühen Neuzeit. Eine solche Rolle nahm die Stadt im 16. Jahrhundert wahr. Und eine solche spielte sie auf je andere Weise auch im 17. und 18. Jahrhundert. Ein Rätsel bleibt es deshalb, warum sich in ihren Mauern nicht auch eine Gelehrten- und Dichtergesellschaft konstituierte. Oder gab es sie vielleicht doch, nur nicht geprägt durch die üblichen Usancen? Mit dem Humanismus hatte, angeregt von Italien, die Gründung von gelehrten Gesellschaften, von sog. ›Sodalitates‹, auch in Deutschland ihren Anfang genommen. Conrad Celtis, einer der großen Literaturstrategen, wie sie auch Deutschland besessen hat, suchte sie auf der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert anläßlich seiner weitgespannten Wanderungen durch Mitteleuropa zu etablieren; das meiste indes blieb Wunsch oder Programm. Im 17. Jahrhundert erfolgte ein neuer Schub. Nun stand nicht länger die Schaffung von gelehrten Gemeinschaften zur Debatte, die sich der Installation der alten Sprachen und Literaturen auf deutschem Boden verschrieben, sondern Pflege und geregelter Umgang der deutschen Sprache und einer in ihr verfaßten Literatur. Das war schon viel früher Sinn und Trachten der in Italien aus dem Boden schießenden ›Akademien‹ gewesen. Nun war Deutschland am Zuge. Und so nimmt es nicht Wunder, daß der Gründer der ersten Gesellschaft mit diesem Ziel auf deutschem Boden nach Italien herüberschaute und in der Florentiner ›Accademia della Crusca‹ Anregungen für die Gründung seiner ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹ empfing. Das geschah schon 1617. Am Eingang des neuen Jahrhunderts war also auch in Deutschland eine Sozietät am Werk, die große Attraktivität ausübte. Wer auf sich hielt, strebte danach, in sie aufgenommen zu werden. Sie aber war eine fürstlich-adelige Schöpfung. Der Zugang von bürgerlichen Gelehrten zu ihr war nicht einfach. Er blieb den literarischen Wortführern vorbehalten, und selbst dem einen oder anderen unter ihnen gelang der Zutritt nicht. So ist es von großem Interesse zu gewahren, wie auch die Städte versuchten, ihren gelehrten Kreisen einen sozietären Rahmen zu verschaffen. Sie blickten auf zur ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹, wußten in diesem ständisch fest gefügten Zeitalter um den sozialen Rangunterschied und gaben sich bescheiden als niedere ›Pflanzstätten‹ für das im ›Palmenorden‹ mit hohem gesellschaftlichen

283

284

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Anspruch ins Leben gerufene kulturpolitische Projekt. Die Ziele waren die gleichen – zumindest teilweise. Der politische Impetus, der hinter der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹ zumal in ihrer Gründungsphase zu verspüren war, ließ sich nach 1620 auf städtischem Boden jedoch nicht erneuern. So verlegte man sich ganz auf die eine, alle verbindende Aufgabe, für die normierte deutsche Sprache und ihre pflegliche Handhabe in einer der neulateinischen Dichtung nachgebildeten deutschsprachigen Sorge zu tragen. ›Sprachgesellschaften‹ wurden sie deshalb mit freilich nur halbem Recht von der späteren Forschung im 19. Jahrhundert getauft. Man darf nicht sagen, daß diese in den Städten nun wie Pilze aus dem Boden schossen. Straßburg ging 1633 mit der ›Aufrichtigen Tannengesellschaft‹ voran. Philipp von Zesen folgte zehn Jahre später in Hamburg mit der ›Deutschgesinneten Genossenschaft‹ nach. Ein Jahr später, 1644, trat in Nürnberg der ›Pegnesische Blumenorden‹ hervor. Nach dem Dreißigjährigen Krieg kam wiederum in Hamburg Johann Rists ›Elbschwanenorden‹ hinzu. Damit war die offizielle Gründungswelle beendet, bevor im 18. Jahrhundert dann eine neue Bewegung anhob. Man sieht, daß der Namensgebung große Bedeutung beigemessen wurde. Das war bereits in Italien gängige Praxis und wiederholte sich auf deutschem Boden. Und auch wenn es nicht zu formellen Gründungen kam, tauften sich die Dichter eines städtischen Kreises doch gerne auf einen gemeinsamen Namen. Das berühmteste Beispiel stellte das ferne Königsberg, wo Simon Dach und seine Freunde sich in der ›Kürbishütte‹ inmitten des Gartens zusammenfanden, den der Musiker und Freund Dachs, Heinrich Albert, gestiftet hatte. Nichts von alledem, so weit zu sehen, in Breslau. Hier verbirgt sich offenkundig ein bislang nicht gelöstes Rätsel. Wir haben nur eine Erklärung bereit. Die konfessionellen Verhältnisse waren zu prekär, als daß die Dichter es hätten wagen können, als geschlossene Gruppe und womöglich in einer Sozietät mit Satzung und Programm in der Öffentlichkeit von sich reden zu machen. Sie tendierten auch in den ersten Dezennien des neuen Jahrhunderts vielfach zum Calvinismus und waren ansonsten evangelisch sozialisiert. Diese weltanschaulichreligiöse Positionierung war zu öffentlicher Bekundung nicht angetan – und das keineswegs nur im Blick auf den Kaiser und böhmischen König. Der Breslauer Rat selbst wachte ängstlich darüber, daß provokative Akte vermieden wurden. Nur ein einziges Mal trat die ansonsten verdeckt operierende Gelehrtenschaft auch in der Stadt als deutlich erkennbare Gruppe hervor. Das war, als Friedrich V., nunmehriger böhmischer König Friedrich I., im Februar 1620 in Breslau eintraf, um in der schlesischen Hauptstadt die Huldigung der Stände entgegenzunehmen. Da waren sie alle zur Stelle. Ein Jubel erklang aus dem

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Mund eines Melchior Agricola, eines Jakob Bartsch, eines Samuel Besler, eines Caspar Cunrad; von Georg Fabricius, von Paul Hoffmann, von Elias Major und wie sie hießen, nicht zu reden. Ein einziges Mal durfte man ungeschützt seiner Überzeugung Ausdruck verleihen. Und ein einziges Mal fand man sich geeint als Gruppe zusammen in Gestalt der ersten reformierten Gemeinde auf dem Boden Breslaus. Da waren sie wieder an vorderster Stelle, die Sleupner, Henel, Cunrad, Venediger, Nigrinus und so in einem fort. Doch nur wenige Monate währte die Gunst der Stunde. Als der geschlagene ›Winterkönig‹ die Stadt noch einmal berührte, mußte man sich wieder ducken und das Verborgene suchen. Aus reformiertem Geist wäre eine sozietäre Zeugung sehr wohl denkbar gewesen. Für sie blieb keine Zeit, und nach 1620 war schon genug vollbracht, wenn es gelang, das einmal ergriffene Vorhaben der Pflege einer deutschen Dichtung weiterhin zu fördern. Daß dies aber gelang, kommt einem Wunder gleich. Und von ihm haben wir nun zu berichten.2

Auftakt mit Caspar Dornau und Martin Opitz im Schönaichianum an der Oder Zu den schönen – um nicht zu sagen aufregenden – Begebnissen in der Frühen Neuzeit gehören die Ereignisse im geistigen Leben, die sich der Initiative eines Einzelnen verdanken. Spielräume waren zur Genüge vorhanden. Sie wollten wahrgenommen sein. Von einer solchen hatten wir früheren Orts zu berichten. Nun geht es um die literarischen Konsequenzen. Der Freiherr Georg von Schönaich hatte den rechten Moment für seine Schöpfung eines ›Gymnasium Illustre‹ an den Ufern der Oder im Breslau nahegelegenen Beuthen gewählt. Der Majestätsbrief Kaiser Matthias’ war ergangen. Die Konfessionen erfreuten sich eines fruchtbaren Moments des Atemschöpfens. Einmal nach so langer Zeit durften sie eine freie Betätigung entfalten. Und das galt selbst, wenn auch eingeschränkt, für die Reformierten, auf die stets von beiden Seiten, Katholiken und Lutheranern, ein besonders kritisches und mißtrauisches Auge fiel.3 So konnte es Georg von Schönaich wagen, eine gymnasiale Institution ins Leben zu rufen, in der für ihre calvinistische Überzeugung bekannte Lehrer eine Wirkungsstätte finden sollten. Zu ihnen gehörte die vielleicht bedeutendste Persönlichkeit in dem Kollegenkreis, die Georg für sein anspruchsvolles Unterfangen gewinnen konnte. Schließlich ging es um nicht weniger, als dem ohne Universität gebliebenen Schlesien einen ebenbürtigen Ersatz zu verschaffen. Da galten nur Köpfe etwas, die ihren Schülern eine zugleich anspruchsvolle

285

286

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

und moderne Kost zu bieten vermochten. Neue Methoden, neue Lehrinhalte, neue praktische Lösungen wollten erkundet und probiert sein – eine ReformUniversität war das Ziel, wie es heute heißen würde bzw. in den Jahren des Aufbruchs nach 1968 geheißen hat. Der Lehrstuhl für Sitten (mores) war ein solcher reformerischer Programmatik entsprungener. Mit ihm betrat Schönaich Neuland. Den theoretischen Disziplinen sollte eine weitere mit ausdrücklichem gesellschaftlichem Auftrag zur Seite treten. Das war ein Indikator für eine latente Krise der humanistischen Studien und der auf ihnen basierenden Ausbildung. Die neuen Anforderungen, wie sie von den sich festigenden Territorialstaaten ausgingen, machten sich geltend. Die Fürsten waren angewiesen auf fachkundige Beamte, die zugleich ein gewandtes conduite an den Tag zu legen vermochten, den Staat nach außen in ihrem Habitus überzeugend vertraten. Das war etwas anders als das, was in der herkömmlichen Moralphilosophie gelehrt und in einer Mischung aus christlichen und antik-stoizistischen Maximen als Verhaltenskodex an die Hand gegeben zu werden pflegte. Die mores in der Konzeption Schönaichs sollten die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlagen. Und das hieß selbstverständlich auch, einen aufgeklärten Umgang mit den Konfessionen zu pflegen, also das Verbindende vor dem Trennenden zu gewahren. Denn davon hingen Wohl und Wehe der Staaten nur allzu sehr ab, wie vor allem am Beispiel Frankreichs zu studieren. Zu den Theoretikern des modernen Staats im westlichen Nachbarland blickten die Reformer denn auch besonders intensiv herüber. Ein Ramus, ein Bodin, ein de Thou gaben Leitbilder ab. Caspar Dornau war es vorbehalten, die neu geschaffene Professur zu besetzen. Er war bereits ein weitgereister und viel erprobter Mann, als er die Stelle in Beuthen im Jahr 1616, zwei Jahre nach Gründung, übernahm. Er hatte Medizin studiert, war im Umkreis böhmischer Adeliger tätig gewesen, hatte sein Pensum als Hofmeister an der Seite eines Angehörigen aus der namhaften Familie der von Smirziz absolviert und dabei die Zentren des westeuropäischen Calvinismus kennengelernt. In den schulischen Bereich geriet er als Rektor des sehr angesehenen Görlitzer Gymnasiums, für das er eine eigene Schulordnung schuf. Dann erfolgte der Sprung nach Beuthen. Vier Jahre konnte er dort wirken, bis die Böhmische Katastrophe auch die Schönaichsche Gründung erreichte. Es waren die entscheidenden und geistig bewegtesten Jahre weit über Beuthen hinaus. Und sie kamen nun auch den literaturtheoretischen und –programmatischen Überlegungen zugute, wie sie Dornau am griffigsten zu artikulieren verstand.4 Von Kaiser Rudolf II. wußte er zu berichten, daß dieser gezielt Reskripte, Privilegien und Urkunden in deutscher und nicht in lateinischer Sprache heraus­ge­hen

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

ließ. »Es ist kaum auszusprechen, welche Würde, welch ehrenvolle Wertschätzung unserer Muttersprache hieraus erwuchs. Wenn deren Glanz, Reinheit, Großartigkeit und Ausdrucksfülle von uns ebenso mit Eifer und Fleiß bekannt gemacht würde, wie sie von den auswärtigen Wortbrocken Halbgebildeter verschandelt wird, dann wäre fürwahr das Ansehen unserer Sprache und unserer Nation bei den anderen Völkern größer.«5 Das waren Worte, die zündeten. Rudolf knüpfte damit an eine alte Forderung an, die Dornau in eins mit den Humanisten bereits auf Karl den Großen zurückzuführen vermochte. Der weise Fürst nimmt sich der Sprache seines Landes an, läßt sich ihre Pflege angelegen sein, waltet als Schutzherr über sie. Die zitierten Worte Dornaus waren auf die Kanzleisprache bezogen. Aber die Folgerungen für die Dichtung lagen auf der Hand. Die deutsche Sprache stand den Sprachen des Auslands nicht nach. Also taugte sie auch als Idiom gehobener anspruchsvoller Dichtung. Diese Worte und Ideen waren im Schönaichianum im Umlauf. Es war eben eine Pflanzstätte modernster Konzepte. Auch Martin Opitz, der sich just zu dieser Zeit am Gymnasium aufhielt, hörte sie. Und ihm war es gegeben, sie weiter zu entwickeln und in einem aufrüttelnden Programm zu verdichten. 1617 erschien in Beuthen seine als Rede konzipierte Schrift Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae, also ›Aristarchus oder über die Verachtung der deutschen Sprache‹. Aristarchos, das war der Name jenes alexandrinischen Grammatikers aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert, der sich nicht nur als Kommentator der großen griechischen Dichter, sondern auch als Prinzenerzieher und Bibliothekar der phantastischen Bibliothek Alexandriens betätigt und also so umfassend kulturpolitisch agiert hatte, wie es nun auch alsbald Opitz vorschwebte. Der wählte noch einmal das Lateinische für seine Programmschrift, denn er wollte die Gelehrten über die Grenzen hinweg in der ihnen geläufigen Sprache erreichen.6 Sein Plädoyer aber war eindeutig. Zu den Germanen ging er wie ein jeder guter Humanist deutscher Zunge zurück, um seinem Anliegen Gewicht zu verleihen. Tacitus’ Germania war vor einem guten Jahrhundert wiederentdeckt worden und seither Wasser auf den Mühlen der germanophilen Humanisten. Denn nun brauchte man nicht länger nach Rom zu schauen, wenn es darum ging, für die Installation der Studien auf deutschem Boden zu werben. Bei den Germanen waren Gesang und Tanz, verbunden mit Tapferkeit und heldischem Sinn, schon anzutreffen gewesen. Diese ihre kulturelle Befähigung bekam einen neuen Sinn in dem Moment, als es darum ging, den Gebrauch der deutschen Sprache einzuführen. Genau dies vollzog sich mit Opitz und wurde aktenkundig in seiner Beuthener Rede. Und da ergab sich die kuriose

287

288

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Situation, daß die Germanen herhalten mußten für ein sprach- und literaturpolitisches Projekt, das eben durch und durch an den Römern und ihren Nachfolgern in der Moderne ausgerichtet war. Es bedurfte einer Folie der Legitimation, und die mußte uralt und heimisch imprägniert sein. Nicht weniger und nicht mehr bedeutete der Rekurs auf die germanischen Stammväter, und alles was da über sie verlautete, war nur metaphorisch und uneigentlich zu nehmen. Ein aufgepäppelter Mythos der Germanen zum Zwecke aufgeputschter nationaler Leidenschaften lag jenseits einer jeden von humanistischem Geist inspirierten Verlautbarung. Der eben zwanzigjährige Opitz erwies sich nun als ein seinem kulturpolitischen Vorgänger Celtis ebenbürtiger Kopf. Er nutzte die Gunst der Stunde in dem ihm förderlichen Milieu. Nicht nur eine deutsche Sprache sollte es sein, sondern auch eine deutschsprachige Poesie. Die gab es aber doch im geistlichen wie im weltlichen Gewande. Das ganze 16. Jahrhundert über war sie im Kirchenlied nicht anders als im Liebeslied, im Meistergesang sowie in Dialogen und Schaustücken verwandt worden. Opitz wischte all das mit souveräner Gebärde beiseite. Es entsprach nicht den Anforderungen einer gehobenen Poesie, wie die Alten sie gepflegt hatten und wie sie ringsum bereits praktiziert wurde, in Deutschland aber nur im Lateinischen gegenwärtig war. Es bestand dringender Nachholbedarf, und Opitz war es gegeben, das Desiderat zugkräftig zu artikulieren. Das geschah auf zwei Ebenen. Die Forderung mußte ausgesprochen, und zugleich mußten erste Beispiele der neuen Dichtart geliefert werden. Opitz war in der glücklichen Lage, auf eigene Versuche zurückgreifen zu können und diese nun zum Muster zu erheben. Daran knüpfte er sein Plädoyer: »Hinfort muß also Jedermann wissen: es steht nichts im Wege, daß auch unsere Sprache aus dem Dunkel auftauche, und ans Licht gezogen werde, diese schöne, feine kräftige Sprache, die ihres Vaterlandes, der Amme so vieler gewaltiger Helden, so würdig ist, die Sprache, welche unverfälscht und unvermischt ›im Verlaufe schon so vieler Jahre‹ auf uns gekommen ist. Sie müßt ihr lieben, wenn ihr nicht gegen den Himmel eures Vaterlandes, das heißt gegen euch selbst, Feindschaft hegt, an ihrer Ausbildung müßt ihr arbeiten, darin müßt ihr euch als Männer zeigen. Hier ist Rhodus, hier springet.«7 Das war die Geburtstunde einer Theorie und Praxis der Dichtung nach dem Muster der Alten im Medium der deutschen Sprache. Auf schlesischem Boden war sie erfolgt. Mit dem Namen Opitzens und demjenigen Schlesiens verband sie sich alsbald weit über die schlesischen Lande hinaus. Und Breslau hatte maßgeblichen Anteil daran. Denn der schlesischen Hauptstadt nebst der schlesischen Residenzstadt Brieg blieb die Ehre vorbehalten, Druck- und

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Verlagsort derjenigen Schrift zu sein, an die sich bis heute die Erinnerung an den Beginn der neueren deutschen Dichtung knüpft. Wir also kehren zurück nach Breslau und verbleiben bei Opitz und seinen Kreisen.

Martin Opitz in Breslau Opitz war kein gebürtiger Breslauer. Er entstammte dem niederschlesischen Bunzlau, wo sein Vater als Fleischermeister tätig war. So galt es für Opitz, Anschluß an gelehrte Kreise zu finden. In seiner Heimatstadt förderte ihn der Onkel Christoph Opitz, der die Stelle eines Rektors an der Bunzlauer Lateinschule innehatte, freilich schon 1606 starb und nun von Valentin Senftleben abgelöst wurde. Welche Bedeutung dieser Mann für Opitz besaß, geht daraus hervor, daß Opitz ihm 1615 seine erste Gedichtsammlung widmete, die bezeichnenderweise noch einmal nur mit lateinischen Gedichten bestückt ist. Sie war ein Abschiedsgeschenk an seine Vaterstadt. Einen Aufstieg konnte er nur in der schlesischen Metropole nehmen.8 Dank eines Stipendiums glückte dem mittellosen Adepten der Sprung. Er kam ans Breslauer Magdaleneum, damals noch nicht formell ein Gymnasium, aber mit besten Lehrkräften besetzt. Johannes von Hoeckelshoven, den wir schon kennenlernten, stand dem Institut zu jener Zeit als Rektor vor und wurde schnell auf Opitz aufmerksam. Der aber konnte auch bei dem Theologen Johann Kurzmann hören, dem Nachfolger von David Rhenisch in der Position des Konrektors, der 1618 ins Predigeramt herüberwechselte. Abraham Körber fungierte als zweiter Kollege, Jeremias Rother, der hernach als polnischer Prediger nach Powitz ging, als dritter, und Michael Poll, der 1621 zum Rektor des Elisabethgymnasiums aufstieg, als vierter, und so fort. Es war die Zeit, da die ersten, von Schülern veranstalteten dramatischen Aufführungen in der Magdalenenschule abgehalten wurden. Dabei vereinigten sich die Schauspieler zuweilen mit denen des Elisabethanums. Im Februar 1616 zogen die Komödianten beider Schulen in einem festlichen Aufzug um den Ring. Vielleicht hat Opitz das Spektakel noch miterlebt. In die Zeit des Rektorats von Hoeckelshoven fiel aber auch die Stiftung der Vierlingschen Redeactus. Matthias Vierling war Rechtsgelehrter und einziger Sohn und Erbe des Seniors der Magdalenenkirche, Franz Vierling. Er wünschte zu seinem Gedächtnis die Wissenschaften zu unterstützen. Erwogen wurde eine Vereinbarung, derzufolge der Lehrer für Griechisch alljährlich am Mat­ thiastage zum Gedenken des Stifters eine Rede über das Griechische halten solle. Tatsächlich zustande kam eine Regelung, daß zwei im Griechischen tätige

289

290

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Lehrer abwechselnd eine Rede vortrugen. Hoeckelshoven machte wiederum im Februar des Jahres 1616 den Anfang, und nicht auszuschließen ist, daß auch Opitz ihr gelauscht hat. Poesie und Redekunst lagen in guten Händen – eine unschätzbare Mitgift für den jungen Wahl-Breslauer. Opitz hat es nicht versäumt, dieser seiner Schulzeit am Magdaleneum noch sehr viel später ein kleines Denkmal zu setzen. In der Vorrede zu seiner Übersetzung von Hugo Grotius’ Schrift Von der Wahrheit der Christlichen Religion aus dem Jahr 1631 rühmt er Breslau als seine zweite Vaterstadt, »›darinnen ich ob wohl nicht geboren, dennoch zu allem Guten erzogen bin, darinnnen ich dieses Wenige, was ich weiß und kann, erlernet.‹«9 Wichtig wurde nun für ihn auch, daß er ein Unterkommen bei dem uns gleichfalls schon bekannten Stadtphysikus Daniel Rindfleisch alias Bucretius fand. Hier wirkte er als Hauslehrer und kam rasch in Kontakt mit den im Hause Ein- und Ausgehenden. An erster Stelle darf gewiß Caspar Cunrad genannt werden. Opitz hat ihm sein Leben lang die Treue bewahrt und ihn immer wieder bedichtet. Eben war er nach Breslau herübergekommen, da setzte auch schon die poetische Kontaktnahme ein. Opitz wußte natürlich von Cunrads in Umlauf befindlichem Wahlspruch ›Domini est salus‹. Schon 1615 steuerte er einen ersten Beitrag zu Cunrads Sammelwerk bei. Er war auf Latein verfaßt, wie die meisten Zuschriften auch sonst. Erst 1623 kam er an dem von Cunrad bestimmten Ort zum Druck. Da hielt Opitz sich gerade am Liegnitzer Hof auf. Aus einer Cunradschen Handschrift aber wissen wir, daß er ihn bereits im September des Jahres 1615 in Breslau verfaßt hatte. So ist die Gelegenheitsdichtung allemal geeignet, ihren Beitrag zur Biographie eines Autors zu leisten.10 Für Opitz indes waren die Tage in Breslau gezählt. Im kommenden Jahr wechselte er an das Beuthener Gymnasium herüber, der entscheidenden, sein Leben prägenden Bildungsinstitution, die ihn freilich auch nur ein Jahr hielt. Bald nach der Abfassung der Rede wird er den Kreis um Schönaich verlassen haben. Und kaum anders verhielt es sich an seinem Studienort in Frankfurt an der Oder, den er gleichfalls nur kurzfristig besuchte. Sein erster Biograph und Freund Christoph Köler weiß zu berichten, daß Opitz sich unter dem Einfluß des großen Rechtsgelehrten Nicolaus Henel von Hennenfeld, den er in Breslau kennengelernt haben muß, den juristischen Studien widmen wolle. Weit gekommen ist er mit ihnen gewiß nicht. Denn nun ereilte ihn der Ruf an eine Hochburg der Studien, die pfälzische Universität im reformierten Heidelberg. Es sollte die einschneidendste Zeit in seinem Leben werden. Darüber ist hier nicht zu handeln.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Seine Heimat aber hatte sich verwandelt, als er 1623 als ein Weitgereister in sie zurückkehrte. Er war zu einem berühmten Dichter aufgestiegen und verdankte diesen seinen Ruhm seinen inzwischen erschienenen deutschen Gedichten. 1624 kamen sie, besorgt von den Heidelberger und Straßburger Freunden, erstmals in Straßburg heraus. Ein Jahr später lagen sie in einer von Opitz selbst eingerichteten und fortan maßgeblich bleibenden Breslauer Ausgabe vor. Schon ein Jahr zuvor war sein Lehrbuch, das Buch von der Deutschen Poeterey in Breslau erschienen. Seither verbanden sich sein Name nebst seinem Programm und seinem dichterischen Werk mit der Metropole im Osten. Wir also haben uns einen Moment lang umzutun in ihnen, wuchsen sie doch rasch zu den berühmtesten Texten des 17. Jahrhunderts heran.11

Zwei in Breslau erscheinende Musterbücher Opitzens 1617 war Opitz in seinem Aristarchus erstmals mit eigenen deutschen Gedichten hervorgetreten, einem Lehrgedicht, einem Sonett, Anagrammgedichten und manchen anderen, schon damals darauf bedacht, Muster in verschiedenen Formen bereitzustellen. Ein Jahr später war es dann soweit, daß ein erster und sogleich umfänglicher Beitrag zur Hochzeit seines Bunzlauer Landsmanns Sebastian Namsler aus seiner Feder erschien. Die meisten der sonstigen Beiträger bedienten sich des üblichen Lateins. Opitz wählte die deutsche Sprache, und das war Programm. Wieder griff er zum Alexandriner, den er als geräumigen und für hohe gesellschaftliche Anlässe geeigneten Vers der deutschen Literatur gewinnen wollte. Der Publikationsort war nicht Breslau, sondern das mit Breslau in gewisser Weise konkurrierende Görlitz. Und so auch in den weiteren deutschen Gedichten aus dem gleichen Jahr. Der Einzugsbereich der Drucker blieb auch hernach weit gestreut, wie es der rasche Wechsel der Aufenthaltsorte Opitzens mit sich brachte; er erstreckte sich herab bis nach Siebenbürgen. Erst in den Jahren 1624 und 1625 trat Opitz prominent in Breslau hervor. Und das will in Erinnerung gerufen sein, denn was sich da vollzog, löste sich rasch von dem Ursprungsort und geriet zu einem nationalen Ereignis – zumindest im gesamten protestantischen Raum. Nun machte Opitz mit seiner zweiten Programmschrift, dem Buch von der Deutschen Poeterey aus dem Jahr 1624, den Schritt vom Lateinischen zum Deutschen. Sprachliches Gewand und Inhalt paßten zusammen. Ab jetzt wurde es gängige Praxis, zu Fragen der deutschen Poesie in deutscher Sprache Stellung zu nehmen. Auch als Organon theoretischer Fragen gewann sie Nimbus. Und nachdem Opitz mit seiner poetologischen Arbeit in deutscher Sprache

291

292

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

hervorgetreten war, folgten Schlag auf Schlag weitere derartige Wegweiser. Das ganze Jahrhundert über riß die Kette nicht ab. Opitz war nicht nur als Dichter, sondern auch als Poetologe zu einem kanonbildenden Musterautor aufgerückt. Das aber verdankte er seinem unverkennbaren Geschick, schwierige Sachverhalte griffig und pointiert darzubieten. Was er zu sagen hatte, prägte sich umstandslos ein. Er aber gab sich da keineswegs nur als ein Lehrmeister in der Kunst der Verfertigung deutscher Gedichte. Sein Anspruch reichte weiter. Das Wesen der Poesie sowie Statur und Rolle des Dichters standen zur Debatte. Das, so wähnen wir, war das Geheimnis des Erfolgs der kleinen Schrift. Gewidmet war sie noch einmal seiner Heimatstadt Bunzlau, und zwar ihren Bürgermeistern und Ratsverwandten, also der gesellschaftlichen Spitze. Opitz gab sein Büchlein als ein Produkt der wenigen und kostbaren Nebenstunden aus, knüpfte keine großen Ansprüche daran. Alles Weitere und Würdigere sei eine Aufgabe der Zukunft. So mochte es geraten sein, an die Stätte der Kindheit und frühen Jugend zurückzukehren, schlummerten in ihr doch alle Keime für Größeres. Die Stadt ehre er wie seine Mutter und baue auf die Hoffnung, daß eines Tages »nicht alleine ich durch das Vaterland/ sondern auch das Vaterland durch mich bekandter werde.«12 Ruhm war anvisiert. Und das zeitlich wie räumlich gleichermaßen. Das ›Vaterland‹ war das Land, in dem die Heimatstadt lag, war Schlesien. Als Fernziel aber tauchte bereits das weitere ›Vaterland‹ auf. Es war überall dort, wo die deutsche Sprache gesprochen wurde, die deutsche Nation als eine in ihrer Sprache und Literatur geeinte und zusammengehörige sich formte. Mit ihr sollte der Name der Heimatstadt und ihres berühmtesten Sohnes inskünftig eine dauerhafte Verbindung eingehen. Und erfüllte sich diese Hoffnung nicht rascher als je zu vermuten stand? Kein Satz in der kleinen Schrift, der nicht verwandte Vorbilder hätte. Wie Opitz das überkommene Gedankengut zusammenfügte und einprägsame Formulierungen fand, bezeugte seinen Genius. Die Poesie, so seine Rede, sei ein ebenso kostbares wie universales göttliches Geschenk an die Menschen. Alles ließe sich in ihr sagen, und dies so, daß es in Kopf und Herz der Menschen leicht und bewegend Eingang fände. Poesie ist die große Erzieherin der Menschheit. Mittels ihrer verläßt der Mensch den Zustand der Natur, reift heran zur Erfüllung seiner Bestimmung, wird der Segnungen der Kultur teilhaftig. Und deshalb gebührt dem Dichter Ehre und Achtung. Er ist mehr als ein schlichter Verseschmied. Er ist Weisheitskundiger. Die ihm nachgesagten Frivolitäten sind eine Ausgeburt böswilliger Verächter, die den heiligen Auftrag der Poesie und der Poeten herabzusetzen trachten. Zugleich aber ist der Dichter mehr als ein solcher. Er ist qualifiziert für öffentliche Ämter. Seine Mission erfüllt sich, wo

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

er von hohen Standespersonen – darunter ausdrücklich auch von hochgestellten Frauen – gewürdigt und mit Aufträgen versehen wird, ganz so, wie Opitz das bereits von seiten seiner fürstlichen Gönnern widerfahren war. Das Bündnis von Poet und Fürst ist avisiert – und das zum wechselseitigen Nutzen beider. Der eine Stand bleibt angewiesen auf den anderen. Es herrscht prinzipielle Egalität auf verschiedenen Rängen. So der Rahmen, der Opitz’ Namen als den eines einzig in seiner Zeit dastehenden kulturpolitischen Strategen begründete. Das andere waren seine praktischen Rezepte, die er für den Poeten bereithielt, der sich der deutschen Dichtung zuwandte. Schreiben lernte man im Verfassen von Versen. Dafür galt es Muster bereitzustellen. Opitz hatte sie bei der Hand, zumeist entstammten sie seiner Feder. Das Epigramm, das Hirtengedicht, die Elegie, das Echogedicht, den Hymnus, das Gelegenheitsgedicht macht er namhaft; für die Ode hielt er ein Beispiel bereit, das eines der berühmtesten des Jahrhunderts werden sollte. Jch empfinde fast ein grawen Das ich/ Plato/ für vnd für Bin gesessen vber dir; Es ist zeit hienauß zue schawen/ Vnd sich bey den frischen quellen Jn dem grünen zue ergehn/ Wo die schönen Blumen stehn, Vnd die Fischer netze stellen.13

Ein Ausgang in der Natur erfolgt da, der Studierstube, der Beschäftigung mit der schweren philosophischen Kost wird eine momentane Absage erteilt. Das gibt sich anspruchslos und schlicht, dem liedhaften Gedicht gemäß. Doch kein humanistisches Gedicht – und ein solches bleibt es ja auch im deutschen Gewand –, dem nicht ein geheimer Sinn eingeschrieben wäre. Der da hinausstrebt in die schöne Natur, zu Quellen und Blumen und Fischen, ihm ist es gegeben, diese Schönheit ins Wort zu bannen, ihr eine schöne poetische Gestalt zu verleihen. An den Quellen weilen die Nymphen, und die sind im Bunde mit den Musen und der Poesie; Blumen erwachsen da im Freien, sind Gleichnis der Poesie und ihrer blumenhaft geschmückten Rede. So ist es denn auch kein Zufall, daß ein eigenes der insgesamt sieben Kapitel den Gleichnissen gilt. In der verwandlungsreichen Rede des uneigentlichen, des metaphorischen Sprechens erweist sich die Kunst des Poeten. Eben deshalb Opitzens Kampf gegen die ›Pritschmeister‹, die sich auf dieses kunstvolle

293

294

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Geschäft nicht verstehen. Das Schöne will erfindungsreich gesagt sein. Und dazu gehört auch der makellose Fluß der Verse, wie ihn Opitz in der Übereinstimmung von natürlicher und versifikatorischer Betonung nun verbindlich macht. Große Aufgaben standen dem Dichter und seinen Zunftgenossen noch bevor. Das Drama, die Tragödie, wollten der deutschen Literatur erobert werden. Den Gipfel aber bildete das Epos, von Homer und Vergil der europäischen Literatur vermacht. Erst in diesen hohen Formen erfüllte sich humanistisches Dichten. Und so wies Opitz sich und seinen Zeitgenossen den Weg in eine Zukunft, an die sich große Hoffnungen knüpften. Dabei kam ihm zugute, daß er schon ein Jahr später ein poetisches Musterbuch vorlegen konnte. Wieder erschien es in Breslau, und zwar bei David Müller, dem Opitz stets ein ehrenvolles Andenken bewahrte.14 Nun griff Opitz widmungspolitisch zum Höchsten. Eine große Vorrede steht dem Werk voran, dem Gründer der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹ Fürst Ludwig von AnhaltKöthen zugeeignet. Der Beweggrund ist klar. Opitz wollte seinem kulturpolitischen Programm die Aufmerksamkeit in den Spitzen der Gesellschaft sichern und sich zugleich als vielversprechender Kandidat für die illustre Sozietät empfehlen. Beides gelang ihm. Die Vorrede ist eines der großen Dokumente des Aufbruchs. Der Name der Gesellschaft und des Fürsten treten fortan mit dem Begründer der neueren deutschen Dichtkunst in ein Verhältnis wechselseitigen Verweisens, das der Sache nur förderlich sein konnte. Der sich als maßgeblicher Repräsentant der deutschen Poesie gerierende Dichter und die Gesellschaft, verkörpert in ihrem fürstlichen Gründer, haben das nämliche Ziel im Auge. Opitz bewies mit seinen Acht Büchern Deutscher Poematum, wie er sie nannte, einen ausgesprochenen Sinn für Ordnung und Rangverhältnisse. Gesellschaftlicher, poetologischer und poetischer ordo koinzidieren. Geistliche Gedichte machen den Anfang. Niemand sollte sagen können, daß die Humanisten diese poetische Spielart vernachlässigten. Sie waren Gläubige, auch wenn sie sich den Fesseln des Konfessionalismus zu entziehen trachteten. Ein mit der Vernunft nicht in Widerstreit stehender Glaube wollte bezeugt sein. Und erst wenn ein derartiges Pensum, das keinesfalls eine leere Pflichtübung darstellte, absolviert war, kamen die anderen poetischen Gattungen zu ihrem Recht. Die Grenzen zwischen geistlichen und weltlichen thematischen Vorwürfen blieben ohnehin fließend. Das zeigte sich besonders im zweiten Buch, das mit den schon 1625 vorliegenden Opitzschen Lehrgedichten bestückt wurde. Darauf folgen die Gelegenheitsgedichte. Opitz hatte sie in seiner Poetik heftig gescholten. Sie sollten die Würde eines herausragenden Ereignisses wahren. Und so füllte er das dritte Buch mit Huldigungen an ranghohe Persönlichkeiten, angefangen bei

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

dem Kaiser selbst. Eine ganze Schar von Adeligen konnte da gleichfalls schon ehrerbietig angesprochen werden, viele aus altem schlesischen Adel dabei. Erst hernach kamen die ›Bürgerlichen‹ an die Reihe, darunter eben auch die gelehrten Kollegen; zu dem zünftigen Bürgertum ließ man sich nur ausnahmsweise herab. Dann gliederte Opitz nach Formen. Das vierte Buch ist Hochzeitsgedichten gewidmet. Trauergedichte außer den in den vorangehenden Abteilungen stehenden waren noch zu wenige vorhanden, als daß sie ein ganzes Buch hätten füllen können. Im fünften Buch plazierte er seine ›Amatoria‹, die Liebesgedichte, nicht ohne zu betonen, daß es die Früchte der Jugend seien, er also inzwischen würdigere Themen poetisch behandle. Reich bestellt war bereits das Feld mit ›Oden oder Gesängen‹. Ein ganzes Buch konnte Opitz mit ihnen füllen, darunter reizende Gebilde, noch heute mit Freude und Genuß zu lesen. Dann gibt es Sonette, auch da war bereits eine erkleckliche Anzahl zusammen. Und den Schluß machen Epigramme. Ein so reiches poetisches Œuvre in der modernen Façon des Deutschen hatte in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts kein anderer Dichter vorzuweisen. Georg Rodolf Weckherlin, der große am Stuttgarter Hof wirkende Dichter, hatte schon 1618/19 zwei Bücher mit ›Oden und Gesängen‹ herausgebracht, die sein poetisches Genie bezeugten. Aber das waren verglichen mit Opitz eher schmale Bändchen. Von Weckherlin an erster Stelle wäre ein Wurf zu erwarten gewesen, der Opitz ernsthaft hätte Konkurrenz machen können. Doch Weckherlin ging bald an den englischen Hof und verlor für eine Weile den unmittelbaren Kontakt zur deutschen Literaturszene. So währte es bis in die vierziger Jahre, bevor er mit einer großen und nun Opitz ebenbürtigen Sammlung Gaistlicher und Weltlicher Gedichte hervortrat. Aber da war allüberall in deutschen Landen auch auf dem Gebiet der deutschen Poesie und ihrer Präsentation in lyrischen Liederbüchern schon viel geschehen. So blieb Opitz der Ruhm, in der Theorie wie in der dichterischen Praxis die Tore geöffnet und alsbald allseits bewunderte Musterwerke vorgelegt zu haben. Auf ihnen gründete sein Ruhm als ›Vater der deutschen Dichtung‹, und der teilte sich dem Land seiner Herkunft mit, Schlesien. Wir aber haben zurückzukehren nach Breslau.15

Erwachen deutschsprachigen Dichtens Wie war es um die Pflege der Dichtung und speziell der deutschsprachigen im Umkreis von Opitz in Breslau bestellt? Das ist eine schwierige, weil bislang kaum gestellte Frage, und ein Führer zu ihr ist nicht zur Hand. Wir aber haben ein Leitmedium, an dem wir uns orientieren können. Das ist das viel

295

296

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

gescholtene und doch unschätzbare Gelegenheitsgedicht. Über dieses läßt sich auf regionaler Ebene der Prozeß der Eindeutschung der lateinischen Dichtung hinlänglich genau verfolgen. Und gleichfalls in ihm kommen die vor Ort residierenden Gelehrten dichterisch zu Wort. Gerne vereinen sie sich mit ihren Kollegen von auswärts. In Form eines bunt gemischten Straußes möchte man vor die Personen treten, denen man poetisch huldigt. Und das gilt für die am Spiel Teilnehmenden genauso wie für die Sprachen, in die die verschiedenen dichterischen Formen gekleidet werden. Abwechslung, Variation ist das Mittel der Wahl, um Unterhaltung und Vergnügen zu gewähren. Es ist ein aufregender Prozeß zu verfolgen, wie sich das Gelegenheitsgedicht in einer Stadt langsam ausformt. Das geschieht in den großen literarischen Zentren, zu denen Breslau zählt, schon im 16. Jahrhundert. In anderen Städten, und zwar gerade im Osten des alten deutschen Sprachraums, hebt diese Praxis jedoch erst im 17. Jahrhundert an. In vielen Fällen sind die Gelegenheitsgedichte überhaupt die ersten dichterischen Zeugnisse humanistischen Schreibens. Deshalb ist es so wichtig, sie Stadt für Stadt einzusammeln und für eine Studie des literarischen Lebens vor Ort verfügbar zu haben. Und das auch, weil sich in ihnen der Übergang vom Lateinischen zum Deutschen, das Nebeneinander beider poetischer Sprachen und sodann die sukzessive Ablösung des Lateinischen durch das Deutsche optimal verfolgen läßt.16 Auch für Breslau wäre diese Forschungsaufgabe eine reizvolle und höchst ergiebige. Das Problem liegt allenfalls darin, daß Tausende, nein Zehntausende von Gedichten noch heute zur Verfügung stehen. Und das dank der großen Sammler im 18. Jahrhundert, von denen wir sprechen werden, und dank des glücklichen Umstands, daß diese Sammlungen sich vielfach in der alten Breslauer Stadtbibliothek am Roßmarkt erhalten hatten und sodann in die jetzige Universitätsbibliothek zu Wrocław übergingen. Viele interessante Themen warten da auf ihre Bearbeiterinnen und Bearbeiter. So reich wie für kaum eine andere Stadt fließen die Quellen. Man muß also klug auswählend vorgehen. Wie das aussehen könnte, wollen wir zumindest an einem Beispiel andeuten. Eine Option besteht etwa darin, die Gedichte, die einer Person bzw. einem Paar gewidmet sind, möglichst vollständig zusammenzubringen und zu schauen, wie sich das Bild im Blick auf die angedeuteten Fragen wohl ausnehmen mag. Wir haben im vorangehenden Kapitel ein kleines Porträt des Breslauer Gelehrten und Stadtphysikus Caspar Cunrad gezeichnet. Der ist in seinem Leben viele Male bedichtet worden. Er war eben ein Förderer der Dichter und Gelehrten, und die bedankten sich, indem sie ihm zu verschiedenen geeigneten Anlässen ihre Gedichte darbrachten. Das geschah zumeist in Sammelschriften, und

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

gerade die bieten ein besonders ergiebiges Untersuchungsfeld. Wir notieren einige wenige Beobachtungen, die uns zugleich hineinführen in das literarische Leben Breslaus und Schlesiens in den ersten Dezennien des neuen Jahrhunderts. Als Cunrad 1607 ein erstes Mal heiratet, erscheinen sogleich mehrere Sammelschriften an verschiedenen Orten. In Liegnitz und Brieg, in Görlitz und in Glogau sowie in Wittenberg vereinen sich Freunde und Verehrer zur Feier des bereits angesehenen Mannes und seiner Braut. Nur Breslau ist als Druckort nicht dabei, wenn die Überlieferung uns nicht einen Streich spielt, wie stets zu gewärtigen bei diesen unscheinbaren kleinen Schriften. Die berühmtesten Namen sind unter den Gratulanten. Sie bedienen sich ausnahmslos des Lateinischen, gelegentlich auch des Griechischen, nicht ein einziges Mal des Deutschen. Zwanzig Jahre später sind die Freunde und Kollegen aufgerufen, sich zur zweiten Hochzeit Cunrads zu Wort zu melden, nachdem seine erste Frau 1624 gestorben war. Wir schreiben das Jahr 1626. Die Opitzschen Musterbücher liegen inzwischen vor. Reich bestückte Drucke aus Breslau, aus Liegnitz und aus Oels sowie aus einem nicht genannten Druckort liegen vor. Immer noch gibt es Sammelschriften, in denen nur lateinische Gedichte stehen. Und doch hat sich das Blatt gewendet. Ein nur mit seinen Initialen zeichnender Beiträger bietet eine deutschsprachige poetische Paraphrase des 128. Psalms. Und einer der Söhne Cunrads, von dem wir sonst nichts wissen, versucht sich am Schluß der aus Breslau herrührenden Texte in einigen Distichen, denen man anmerkt, wie sauer das Dichten den im Deutschen ungeschulten Verfassern immer noch wird. Das Bild wiederholt sich in der aus Oels herübergesandten Gratulationsschrift. Nun greift ein anderer Sohn Cunrads am Schluß zur Feder und steuert ein sehr persönlich gehaltenes Gedicht bei, in dem die Trauer um den Verlust der Mutter nachklingt: O das hett’ sollen Leben die liebste Mutter mein/ Es solte Tausent mahle vns Brüdern lieber sein/ Es aber ist geschehen der stete Gottes will/ Der jedem Menschen hat gesetzet seines Lebens ziel.17

Nur drei Jahre währte es, bis auch die zweite Frau starb. Eine große Gedenkschrift Ara manalis wurde unter Cunrads Aufsicht aufgerichtet. Ein ›Who is who‹ der schlesischen Gelehrten-Elite ließe sich aus den Kondolierenden herausspinnen. Noch einmal verblieb man in der gelehrten Verkehrssprache des Lateinischen. Immerhin aber setzte ein Breslauer Schöppenschreiber ein deutsches Epitaph auf. Und ein Wilhelm Bundschuh wagte sich an ein großes deutschsprachiges Alexandrinergedicht. Den Clou aber sparte der Arrangeur sich für den Schluß

297

298

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

auf. Sieben Söhne und eine Tochter Cunrads verfassen einen deutschsprachigen poetischen Strauß, eingeleitet durch einen lateinischen Beitrag von dem einzigen der Söhne, der es zu poetischen Ehren brachte, Christian Cunrad. Dieser wiederum dichtete zur dritten Hochzeit, die bereits ein Jahr später gefeiert wurde, eine anspruchsvolle lateinische Ekloge. Aus Brieg und Oels sowie aus Frankfurt an der Oder liegen erneut Sammelschriften vor. Und wer weiß, ob es nicht womöglich mehr waren? Wieder sind die berühmtesten Namen, bei Opitz angefangen, darunter und immer noch überwiegt das Lateinische. Ob es eine Verabredung gegeben hat, den Söhnen Cunrads das Privileg der Deutschsprachigkeit zu belassen? Wieder machen Zweie von ihnen in der Oelser Gratulation den Beschluß. Zu Cunrads siebzigsten Geburtstag kann man sogar eine Ode zu seinen Ehren lesen. Nun ist der Versfluß makellos. Gleichermassen wollt auch jhr O mein Vater/ euch erfrewen; Lasset vnbeschwert von mir Grünen Meyran vmb euch strewen! Last mich; bis deß Hauptes Schnee Gantz begrünet frischer Klee.18

Wenige Monate später war der ehrwürdige Greis verstorben. Ein letztes Mal griff zur Feder, was Rang und Namen hatte. Die Praxis der Anlage hatte sich eingebürgert und blieb in Kraft. Man ehrte den großen Gelehrten im Lateinischen und den Verwandten vor allem blieb es vorbehalten, ihre poetische Kunst im Deutschen auszustellen. Nun kam aber neben den Söhnen auch ein berühmter Dichter wie Andreas Tscherning mit einer großen Ode zu Wort. Und Christian Cunrad zeigte am Schluß, wie man einem würdigen Anlaß ein würdiges Kleid verlieh. Sein großes ›Trawer=Gedichte‹ in Alexandrinern vermochte auch vor den Augen eines Opitz zu bestehen. Die Distinktion des Deutschen als poetische Sprache war also in diesen Gelegenheitsgedichten gerade vermöge ihres sparsamen Einsatzes gewährleistet. Es haben eine Crone Von frischem Lorbeerlaub’ auff jhrem Helicone Die freyen Musen dir getuppelt eingeschrenckt. Die wache Fama, die der hohen Tugent denckt/ Vnd vnabläßlich wil von solchem Eyfer sagen:

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Trägt deinen Nahmen hin auff jhren güldnen Wagen Von hieran/ wo der Tag vns seine Kertz auffsteckt; Biß dahin/ wo sie wird mit schwartzer Nacht bedeckt. Der Leib/ so Asche wird’ schläfft aus in seinem Grabe Vnd ich/ dieweil ich Gold/ vnd frembdes Ertz nicht habe/ Erbawe diese Grufft. Ein Marmorstein zerbricht; Was ein Poete setzt/ verweset ewig nicht.19

Ein Breslauer Schulmann als glühender Verehrer Opitzens Rasch setzte im protestantischen Deutschland eine Welle der Opitz-Verehrung ein. Keiner der Großen ließ es sich entgehen, dem Begründer der neueren deutschen Dichtung, als der er nun angesehen wurde, Reverenz zu erweisen. Es dauerte Jahrzehnte, bevor erste zurückhaltendere Stimmen vernehmbar wurden. Schließlich waren auf Opitz namhafte Autoren gefolgt, ein Paul Fleming, ein Simon Dach, ein Johann Klaj und wie sie heißen. Da mochte sich die Versuchung regen, eine andersgeartete Rangfolge zu statuieren. Durchgesetzt haben sich deren Fürsprecher nicht. Und das hatte seinen Grund in dem Umstand, daß seit der Mitte des Jahrhunderts eine neue Form lyrischen Sprechens erprobt wurde, die entschieden über Opitzens Vorgaben hinausging. Die Schlesier hatten maßgeblichen Anteil daran. Und so spaltete sich die Bewegung in die Opitz-Generation und eine jüngere, nach der Jahrhundertwende zum Zuge kommende der Neuerer. Alsbald waren die Konservativen zur Stelle, die Opitz die Treue wahrten und sich gegen die vermeintlichen Auswüchse der Jüngeren verwahrten. Sie setzten sich auf lange Sicht gesehen durch. Seit der Intervention Gottscheds und anderer Theoretiker in der Frühaufklärung behauptete Opitz eine unangefochtene Stellung. Sein Ruhm als ›Vater der deutschen Dichtung‹ blieb auch deshalb unbestritten, weil er sich im 19. Jahrhundert – auf gelegentlich unschöne Weise – mit nationalen Parolen kreuzte. Es bedurfte einer neuen sozialgeschichtlich ausgerichteten Betrachtungsweise in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, um die Dinge zurechtzurücken und die Opitz zukommende Stellung im politischen, konfessionellen und poetischen Kontext der Zeit zuzuweisen.20 Dabei konnte zurückgegriffen werden auf einen Gewährsmann, dem der Ruhm gebührt, aus eigener Kenntnis heraus die erste Biographie Opitzens geschrieben zu haben, und der auch als Dichter ein getreuer Opitzianer war. Da er in Breslau eine Wirkungsstätte fand und im schulischen Auditorium als gefragter Redner öffentlich über Opitzens Verdienste in einer berühmten

299

300

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Lobrede handelte, mag ein Wort über den so sympathischen und selbst bescheiden zurücktretenden Schulmann verlauten. Als Christoph Köler, vor allem aber in der latinisierten Form als Christopherus Colerus zeichnete er, sofern er sich als Dichter, Redner und Übersetzer zu erkennen gab.21 Köler war fünf Jahre jünger als Opitz; 1602 kam auch er in Bunzlau zur Welt. Bei den Vertrauten Opitzens, Valentin Senftleben und Caspar Kirchner, erhielt er auf der Bunzlauer Schule seine Ausbildung. Dann wechselte er an die Universität Frankfurt an der Oder. Wie für so viele Schlesier, Opitz wiederum an der Spitze, wurde der weiter fortgeschrittene Südwesten auch für Köler zum entscheidenden Bildungserlebnis. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre hielt er sich zum Studium in Straßburg auf. In dieser Zeit weilten rund 120 Schlesier in der akademischen Hochburg am Oberrhein, darunter allein acht aus Bunzlau. Man kann von einer schlesischen Kolonie in der elsässischen Metropole sprechen. Und die meisten der jungen Adepten gerieten rasch in den Bannkreis des Stars der Straßburger Hochschule Matthias Bernegger. Unter dem Patronat Berneggers waren Opitzens Gedichte 1624 in Straßburg erschienen – eine Freundschaftsgabe des ebenso rührigen wie getreuen Opitz-Anhängers Julius Wilhelm Zincgref. So war es kein Zufall, daß schon in Straßburg der Plan Kölers reifte, gleichfalls eine Sammlung seiner Gedichte zu veranstalten. Im Meßkatalog für den Herbst 1626 war sie bereits angekündigt, Ehrengedichte von angesehenen Vertretern der gelehrten poetischen Zunft lagen vor. Zustandegekommen ist sie nicht – mit allen tragischen Konsequenzen, denn eine der beiden Handschriften aus der Breslauer Stadtbibliothek, in der sie verwahrt wurden, ist im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden. Eine reiche Ernte zumal an Gelegenheitsgedichten vermochte Köler aus Straßburg in seine schlesische Heimat mitzubringen. Er hatte sich in der ober­ rheinischen Metropole als Sachwalter Opitzens etabliert, und man dankte ihm dies, indem man ihm die eigenen Gedichte zur Korrektur nach den Regeln von Opitz überließ. In Schlesien angelangt, war es sein Erstes, dem berühmten Dichter in Breslau seine Aufwartung zu machen. Über Hauslehrerstellen beim Adel und einen Unterschlupf am Brieger Hof kam er im Jahr 1634 nach Breslau zurück und fand hier endlich im schulischen Milieu die ersehnte Position. Das war keinesfalls einfach und auch nicht selbstverständlich. Auch Köler stand im Geruch, den Calvinisten zuzuneigen. Es galt also, Überzeugungsarbeit zu leisten, um den vorsichtigen Breslauer Rat zur Freigabe der Stelle zu bewegen. Köler bekannte sich vorbehaltlos zur Augsburgischen Konfession. Schließlich war seine Beteuerung aufrichtiger lutherischer Gesinnung von Erfolg gekrönt. Am Elisabethgymnasium übernahm er die angesehene Stelle eines Professors

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

für Poesie. Und damit nicht genug. Er stieg zum Konrektor auf und lehrte nun auch die Fächer Historie und Rhetorik. Die vielleicht wichtigste Aufgabe erwartete ihn an der Schule zu St. Maria Magdalena. Dort war die Stelle eines Bibliothekars an der reichen Kirchen- und Schulbibliothek frei geworden. Köler bewarb sich und hatte Erfolg. 1639, im Todesjahr Opitzens, trat er die Stelle an und füllte auch sie fortan glanzvoll aus.

Lobrede auf Martin Opitz Köler durfte sich einer ehrerbietigen Huldigung erfreuen. Opitz, Bernhard Wilhelm Nüßler, Andreas Senftleben und Andreas Tscherning beglückwünschten ihn. Phoebus hette selber keinen, Köler, ausser dir erwehlt. Künfftig erst so wird erscheinen, Daß mit dir nicht sey gefehlt, Wann dein fleiß wird aller hoffen Richtig haben eingetroffen. Du kanst mehr als Verse tichten, O du Sohn der Ewigkeit. Mit der Zeit wiltu verrichten, Was bestehn sol nach der zeit, Wann du wirst auff jenes kommen, Was dein Sinn Jhm vorgenommen. Laß die Feder jmmer fliegen, Wo dich dein verstand hinträgt. Hilff die Barbarey besiegen, Die schon hand vnd füsse regt, Ruckwerts laß vnnachgefraget, Was ein Neidhart von dir saget. Laß hier bey den stummen Räthen Deinen Sinnen auch nicht rhu, Biß sie gleichen Fußpfadt treten. Wer gehirnt ist, als wie du, Kan der Bücher beydes wachen Vnd auch selber Bücher machen.22

301

302

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

So dichtete Freund Tscherning. Nun, es wurden keine Bücher, aber doch berühmte Gelegenheitsarbeiten, die Köler einen festen Platz ebensowohl in der Literatur- wie der Bibliotheksgeschichte sicherten. Eben hatte er den neuen Posten übernommen, da trat er auch schon mit einer Rede hervor, die seinen Namen auf immer mit dem seines großen Freundes und Landsmanns verband. Am 20. August des Jahres 1639 war Opitz in Danzig der grassierenden Pest zum Opfer gefallen. Sogleich regte sich bei Köler der Wunsch, dem Verewigten anläßlich seines Namenstages eine öffentliche Ehrung zuteil werden zu lassen. Das war ein Vorhaben, welches sich nicht umstandslos in die Welt setzen ließ. Der Rektor der Anstalt, Elias Major, auch ihn haben wir schon kennengelernt, wandte sich an den Rat und die von ihm bestellten Schulpräsiden. Es wäre das erste Mal, so ließ der gewissenhafte Rektor wissen, daß einem Ortsfremden bereits wenige Wochen nach seinem Tod eine derartige Zeremonie zuteil werden würde, wo doch hochverdiente Breslauer Würdenträger eine vergleichbare Ehrung keinesfalls erhalten hätten. Der städtische Rat aber sah offensichtlich die Chance, die einem öffentlichen Schulactus angesichts des Nimbus der gefeierten Person innewohnte. Er tat dem übervorsichtigen Schulmann alsbald sein Einverständnis kund, und so ging die festliche Zeremonie am 11. November 1639 glorreich über die Bühne. Mit der Stadt Breslau, seiner Schule bei St. Magdalena und dem Namen des Christoph Köler verband sich auf alle Zeit unter den Kundigen die Erinnerung, daß dem ›Vater der deutschen Dichtung‹ in den Mauern der Stadt und in einer seiner beiden illustren Schulhäuser öffentlich gehuldigt worden war.23 Und wie dies geschah! Opitz trat als derjenige in den Gesichtskreis seiner Hörer, als den ihn seine Zeitgenossen schätzten und ehrten. Wie lange aber dauerte es, bis die späteren Generationen in der Lage waren, dieses Bildes wieder ansichtig zu werden und an ihm weiter zu wirken. Ein großer Kulturpolitiker wie Johann Christoph Gottsched am Eingang der Frühaufklärung im 18. Jahrhundert war noch in der Lage, den Radius der Tätigkeiten eines Opitz angemessen abzuschreiten. Als aber die Erinnerung an die humanistische Statur alteuropäischen Dichtens sich verlor, entschwanden auch die Voraussetzungen für das Verständnis einer so exponierten Figur wie Opitz. Dabei hätte ein Blick in die Rede des Weggefährten Opitzens hingereicht, um die Maßstäbe zu gewahren, die anzulegen waren, wenn es denn galt, das Herausragende der Opitzschen Leistung am Beginn eines neuen, eines ›deutschen‹ literarischen Jahrhunderts zu würdigen, wie es vom Osten, von Breslau und Schlesien, seinen Ausgang nahm.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Natürlich blieb Opitz vor allem als Poetologe und als Dichter in der deutschen Sprache in Erinnerung. Das war es ja, was alle um ihn herum auch bestaunten und worüber die Meriten seiner Vorgänger und Gleichstrebenden rasch in den Hintergrund traten. Aber Opitz war mehr als ein großer Dichter. Wäre es anders gewesen, sein Ruhm wäre verblaßt, als Zweifel an seinem dichterischen Talent laut wurden. Opitz hatte keine Gelegenheit verstreichen lassen, sich über Natur und Aufgabe des Dichters, über das Wesen der Poesie und die ihr eigene Würde auszulassen. Besäßen wir eine Arbeit, die die Vorreden zu seinen Dutzenden von Werken daraufhin einmal durchgehen würde – Staunen würde sich regen, ob der Eindringlichkeit und ständigen Variation dieser Themen seines Lebens. Sie waren ihm als Humanisten geläufig. Aber er vermochte es doch, ihnen stets neue und eigene Aspekte abzugewinnen, sie vielfältig zu schattieren und den jeweiligen Anlässen anzupassen. Köler wußte als einer der Ersten und einer der Wenigen darum und erteilte entsprechende Winke. Doch damit immer noch nicht genug. Opitz gerecht zu werden hieß, seiner Rolle im öffentlichen Leben als Kulturpolitiker und ebensosehr als Diplomat auf dem politischen Schauplatz gewahr zu werden. Was das in einer Zeit bedeutete, die zerrissen war von konfessionellen Zerwürfnissen und in sie verschlungene machtpolitische Auseinandersetzungen, das konnte nur ins rechte Licht rücken, wer einen geschulten Blick für die das Zeitalter prägenden Signaturen besaß. Opitz wußte sich den Evangelischen und genauer den Reformierten zugehörig. Gleichwohl brachten die Verhältnisse es mit sich, daß er sich für eine Weile in die Dienste des in Breslau auf der Burg residierenden katholischen Statthalters Karl Hannibal von Dohna begeben mußte, um zu überleben. Er tat das so souverän, daß er es darüber mit seinen alten Freunden und Weggefährten nicht verdarb. Das zeugte von meisterhaftem politischem und diplomatischem Geschick. Und eben dieses zu rühmen wurde Köler nicht müde. Ein einziges Beispiel mag genügen. Opitz war soeben von einer heiklen diplomatischen Mission aus Paris zurückgekehrt, die er im Auftrag seines Dienstherrn unternommen hatte. »Da er nun in Paris, gleichsam als in einem Spiegel, die Wolken und Wetter der zukünftigen Zeiten hatte voraus sehen, da er allerhand partheiische Rathschläge, Kriegszurüstungen und heimliche Anstalten hatte kennen, und da er den Schauplatz von Europa, wie, wenn und wo er würde eröfnet werden? hatte verstehen gelernt; so zog ihn die dringende Noth des Vaterlandes, besonders aber auch das Verlangen seines Burggrafens wieder nach Hause, wie schwer ihm auch das höchstangenehme Frankreich zu verlassen ankam. […] Als er in Breßlau angekommen war; so wurden fast aller Augen auf ihn, als auf einen neuen Ulyssem, gerichtet, und jeder wollte ihm nur

303

304

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

immer zuhören. […] Alle Fragen wußte unser Opitz auf mancherley Art und nach Verlangen zu befriedigen. Klugen Leuten erzählte er kluge, und eitelen eitele Dinge; doch behielt er jederzeit die Geheimnisse für sich. Allein seinem Burggraf Dohna und etlichen andern, welche sie wissen durften und mußten, entdeckte er sie treulich, unterrichtete sie auch von vielen andern merkwürdigen und nützlichen Dingen, welche den gegenwärtigen und künftigen Staat von Europa angingen.«24 Das waren die Worte, die da auf Latein im Auditorium des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena verlauteten. Sie müssen die Zuhörer in ihren Bann gerissen haben. Breslau war zu einem Drehkreuz aktueller politischer Nachrichten aus einer der Hauptstädte Europas geworden, und ein Dichter hatte die Rolle eines entscheidenden Mittelsmannes inne. In diese staatspolitischen Dimensionen müssen die poetischen Belange im Zeitalter des Barock gerückt werden. Opitz setzte Maßstäbe, und sein erster Biograph an der Schule zu St. Maria Magdalena wußte darum.

Deutsche Lyrik im Umkreis Opitzens: Christoph Köler und Andreas Tscherning Weniger glücklich stand es um die Geschicke Kölers als Dichter in der lateinischen und vor allem in der deutschen Sprache. Köler war ein gefragter Beiträger, wenn es galt, einen gesellschaftlichen Anlaß poetisch zu begehen, das erfolgte indes zumeist weiterhin im Lateinischen. Der Ruhm eines Dichters aber entschied sich nach dem Auftreten Opitzens fortan auf dem Felde der deutschsprachigen Poesie. Köler hat diesem Ziel wacker nachgeeifert. Von einer Sammlung seiner Gedichte in einem repräsentativen Werk, geschieden in lateinische und in deutsche Gedichte, hat er sein Leben lang geträumt. Zustandegekommen ist sie in gedruckter Form nicht. In der Geschichte der deutschen Dichtung stände sein Name als ein anderer da, wenn es ihm gelungen wäre, sich als getreuer Opitzianer in versifikatorischen Dingen auch öffentlich Gehör zu verschaffen. Nicht ausgeschlossen, daß Köler bereits eine Druckfassung für eine vermutlich doch auf zwei Bände berechnete Ausgabe vorbereitet hatte. Bekanntgeworden ist sie nicht. Nur zwei Heftchen mit deutschen Gedichten, zumeist aus seiner Straßburger Zeit, fanden sich in seinem Nachlaß. Die ließen einen vielversprechenden Dichter erkennen, und die Zeitgenossen wußten darum. Schlesien das wehrte Land Jst die Mutter der Poëten/

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

die mit ihrer Weisen Hand mitten in den Krieges nöthen/ Deiner Sprache zier und pralen aller Welt für augen mahlen. Opitz/ den mein Bontzlau Dir an dem Bober hat erzogen/ der mit seiner Leyer Zier über Berg und See geflogen/ konnte zu den Lorbeer-Zweigen/ Uns den Weg alleine zeigen. Jhme folget Köler nach/ Tscherning auch/ die sich bemühen/ weil das blaue Himmels-Dach wehret/ für und für zu blühen/ Und mit ihren klugen sachen Weisen Leuten lust zu machen.

So äußert sich ein der Breslauer Szene Nahestehender, der Bunzlauer Landsmann Sebastian Alischer.25 Opitz behauptet selbstverständlich die Spitzenposition. Dann aber folgen Tscherning und Köler. Das Bild eines Quartetts formt sich heraus, das einprägsame Wirkung zu entfalten vermochte. Alischer hatte nämlich den Vorspann zu den Gedichten Wenzel Scherffers von Scherffenstein gewählt, um sein Lob auf die schlesischen Dichter vorzutragen, die fortan das Bild in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bestimmten. Er traf sich in der Wertschätzung Kölers, außer mit Andreas Scultetus und anderen, auch mit Andreas Tscherning. Der stand Köler besonders nahe und scheute sich nicht, den Namen Kölers neben denjenigen Opitzens zu stellen, beide derart als Wortführer der neuen Bewegung in Schlesien apostrophierend. So singen zu können wie die beiden blieb ein Herzenswunsch vieler Jünglinge. Mein wunsch auch were wol/ Ein lied an tag zu bringen/ Alß etwan Himmels=voll Mein Opitz kundte singen/ Vnd Köler/ der durch schreiben/ Nach Jhm/ diß werck sol treiben.26

305

306

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Die Freunde wußten von dem Vorhaben Kölers, seine Gedichte zu publizieren und versprachen sich Großes davon. Mehr als eine Stimme erhob sich, den Dichter aufzufordern, mit seinen Schätzen in das Licht der Öffentlichkeit zu treten. Kein Geringerer als der Breslauer Johann Scheffler alias Angelus Silesius machte sich zum Sprecher der erwartungsvoll Harrenden. Die poetischen ›Wälder‹ wollten besucht und genossen werden: Ach last doch ewren Rhum nicht solches streiten haben/ Jhr andrer Deutscher Schwan/ mit Motten vnd mit Schaben/ Gebt rauß den edlen Wald/ den die gelehrte Welt An seiner Liebligkeit den Rosen gleiche helt/ An werth viel nützlicher alß Gold vnd Perlen achtet/ Nach welchem auch mein Geist so lange hat getrachtet.27

In die gleiche Kerbe schlug der von Lessing wiederentdeckte Andreas Scultetus, auch er dem Breslauer Kreis zugehörig. Opitz war früh dahingegangen. Wer war dazu bestimmt, die Stafette weiter zu tragen? Kein anderer als Köler: Wer hat sich da gefunden/ Der vnsrer Leyer sich so eifrig vnterwunden/ Alß/ werther Cöler/ Jhr? Der Vnsern Vaterland Hat mit der ersten Milch den Himlischen Verstand Jn Ewren Sinn geflößt. Wen diese Stadt der Erden Zum Burger außgesetzt/ dem muß der Himmel werden! Der steigt/ wie Fewer auff[.]28

Erklang das Lob zu Recht? Wir sind nicht mehr in der Lage wie sein Biograph, Kölers beide lyrischen Hefte zu konsultieren; das eine von ihnen ist, wie gesagt, im Gefolge des Zweiten Weltkriegs verschollen. Immerhin, ein Blick in die kleine Blütenlese, die der Bibliothekar der Breslauer Stadtbibliothek veranstaltete, der als letzter das Glück hatte, die sagenhaften Schätze vor Ort wohlgeordnet zusammen zu wissen, reicht hin, um die Frage zu beantworten. In den beiden Heften standen die Texte seiner Jugend. Ein jeder in die Volkssprache herüberwechselnde humanistische Dichter eröffnet seine Produktion mit anspruchslosen kleinen Liebesgedichten. Mittels ihrer übt er sich in dem ungewohnten heimischen Idiom, hat er doch auf der Schule vor allem das Dichten in der lateinischen Sprache gelernt. Dutzende solcher Lieder hat Köler verfaßt, sie alle makellos und gemäß den Opitzschen Regeln eingerichtet. Groß

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

ist der Reichtum an Themen und an Versformen. Es bleibt zutiefst zu bedauern, daß Köler es nicht vermochte, einen Drucker für diese seine poetischen Perlen zu finden. Jtzt ist der Aprill vorbey Vnd erscheint der güldne May, Süd vnd West vnd Nord vnd Ost Wehet volle frewd vnd lust. Andre Knaben gehen hin Mit den Menschern in das grün. Alle welt spatzieret aus, Jch mus bleiben nur zu haus. Alles, was ein bein hat, springt, Von der schönen liebsten singt. Jch mich nicht bewegen kan, Meine Zunge klebt mir an. Blümlein der der liebsten giebt, Sie auch ihrem, den sie liebt. Keine blum mir niemand bricht, Vnd ich acht derselben nicht. Nur du schatz, mein schönste blum, Hast vor allen preiß vnd ruhm. Deines liebes zierligkeit Alle sinnen mir erfrewt. Ob die blumen fallen hin, Bleibest du doch immer grün. Wanns gefroren ist vnd schneit, Bist du mir die lentzenszeit.29

Da klingen wie bei anderen Dichtern der Opitz-Generation Töne und Motive des spätmittelalterlichen Liedguts nach. Neu ist die peinliche Beobachtung des wohlgebauten Verses. Natürliche und versifikatorische Betonung sollen im Gleichklang stehen, so wie Opitz es gelehrt hatte. Ist dieses Gebot erfüllt,

307

308

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

sind der Erfindung keine Grenzen gesetzt. Für wie viele Wendungen mag es Vorbilder geben! Nun zählt allein die künstlerische Rundung. Sie betrifft den Bau des Gedichts als ganzes. Sie macht sich aber ebensowohl in der reizenden Figur am Rande geltend. »Süd vnd West vnd Nord vnd Ost | Wehet volle frewd vnd lust.« Ein solches Bild hätte Opitz nicht ersonnen. Wir vermögen keinen Beweis anzutreten, möchten aber doch vermuten, daß es Köler allein gehört. Derart erbringt ein jeder Dichter in einem Zeitalter, da strenge poetische Vorschriften gelten, einen Erweis dafür, über eine eigenständige lyrische Handschrift zu verfügen. Mit Freude bekennt man sich zu Autoritäten. Unter ihrem Schutz vollzieht sich alles Schreiben. Das aber schließt die ebensogroße Freude ein, im Unscheinbaren und Kleinen das noch nicht Vernommene zu Gehör zu bringen, weiß doch ein jeder Kenner eben diese Stellen wahrzunehmen und zu würdigen. Köler ist ein Meister in der Prägung funkelnder kleiner Miniaturen. Im Chor der Lyriker des 17. Jahrhunderts, nicht anders als derjenigen im Breslau der Opitz-Zeit, ist seine Stimme als eine unverwechselbare zu vernehmen. Auch der Lyriker Christoph Köler alias Christopherus Colerus harrt der Entdeckung. Wäre von einem zweiten Namen in unserer kleinen Breslauer Auswahl zu reden, so lautete er auf den des Andreas Tscherning, auch er wie derjenige Kölers stets zusammen mit Opitz genannt. Dazu trug auch die gemeinsame Herkunft aus Bunzlau bei. Zugleich aber wurde eine Gruppenzugehörigkeit statuiert, die den mit Opitz in einem Atemzug Erwähnten nur zugute kommen konnte. In Breslau kreuzten sich ihrer aller Lebenswege über kurz oder lang, und sei es nur für eine kurze Weile.30 Tscherning kam von Bunzlau aus über das Görlitzer Gymnasium nach Breslau. Die Anwesenheit Opitzens dürfte für die mittellosen Eltern ein Kriterium bei der Ortswahl gewesen sein. Im Winter 1630/31 siedelte Tscherning nach Breslau über. Am Elisabethgymnasium setzte er seine in Görlitz begonnene Ausbildung in den fortgeschrittenen Studien fort. Elias Major nahm eben jetzt seine Tätigkeit als Rektor der Anstalt auf. Ihm sind denn auch die ersten Verse Tschernings gewidmet. Wohnung nahm er bei David Rhenisch, der zunächst an der Schule zu St. Maria Magdalena tätig war, dann an das Gymnasium herüberwechselte und zugleich als Ekklesiast an St. Elisabeth wirkte.31 Als Angehöriger eines alten Breslauer Geschlechts verfügte er über glänzende Verbindungen in der Stadt. Tscherning wußte, was er gerade an Rhenisch besaß und sprach seinem Gönner in einem großen Alexandrinergedicht seinen Dank aus. Wenn er sich erheben durfte über das einfache Volk, sich einreihen konnte in die Schar der Gelehrten und der Dichter, so war es der Förderung durch seinen Patron David Rhenisch geschuldet:

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Worüber andre sich fast Blind vnd höckricht sitzen/ darüber darff nicht erst ein solcher lange schwitzen/ der seiner Jahre lentz auff sprachen vnd verstand vnd auff das edle lob der tugend hat gewandt. Das ich auch/ mit der zeit/ mich auß dem staube schwinge/ vnd von der dicken zahl des armen Volckes dringe/ das an der Erden klebt/ steht jhr mit stattlich bey/ wie hefftig mich auch drückt die Last der Armutey/ die Schwester guter art. Jhr leihet meine sinnen Herr Rhenisch/ auff die Burg der zarten Pierinnen/ die meine frewde sind. Mein wesen das ich führ ist Lust zur wissenschaft/ ist Feder vnd Papir.32

Auch für Breslau brach nun in den frühen dreißiger Jahren eine schwere Zeit an. Tscherning erlebte sie mit. Flüchtlinge kamen in die Stadt, die Pest grassierte, der Tod ging um. So verlautete in dem gleichen Gedicht an Rhenisch der Wunsch nach Frieden. er [Gott] wolle dieser pein der schweren Kriegeslast ein Ende lassen sein/ vnd ausser der gefahr/ nach tausent frommer flehen/ Stadt/ Feld/ Herd/ vnd Altar in Frieden lassen sehen. Wir sein deß Spieles satt vnd werden es gewar: wo Mars die trummel rührt/ raucht selten ein Altar.33

Im Herbst 1634 starb Rhenisch. Selbstverständlich griff auch Tscherning zur Feder. Wir ersehen aus seinen Zeilen wie vordem aus denen Kölers, daß der freie Umgang mit dem deutschen Vers zehn Jahre nach der Opitzschen Reform makellos gelingt; die deutsche Sprache hat sich auch als diejenige gehobener Dichtung binnen kurzem durchgesetzt. WAs noch einig hat gefehlet Zu dem Vnheil meiner Noht/ welches tag vnd nacht mich quelet/ Jst/ Herr Rhenisch/ ewer Todt/ O Jhr Sonne meiner Jugend/ Heller Spiegel aller Tugend. […]

309

310

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Gute Nacht/ jhr Rhuhm der Zeiten/ Mein Herr Vater gute Nacht/ Ihr genießt der Ewigkeiten/ Wo die Schaar der Engel wacht/ Wo der Krantz Euch wird verehret/ Den kein Wetter nicht versehret. Aber/ wir gehn tieff im Leide. Fraw vnd Kinder klagen sich. Euch betrifft die HimmelsFrewde/ Trawren aber Sie vnd mich. Manches Vnheil wird mich lehren Ewre Grufft mit Thränen ehren.34

Mit Dankbarkeit blickte Tscherning auf seine Breslauer Jahre zurück, bevor er ein erstes Mal an seine zukünftige Wirkungsstätte Rostock herüberwechselte. Er hätte als junger Mann für seine Ausbildung keinen anregenderen Ort finden können. »In Breslau ist Tscherning zum Dichter geworden.«35 In meinem strengen Orden darein ich war gesetzt/ ist Breßlaw endlich worden Der hafen meiner Ruhe/ so mir nicht mißgefelt. Es ehre wer da wil die Göttinn aller Welt/ Die grosse Mutter Rom/ ich rühme mehr die gaben/ Mit welchen Breßlaw ist/ die edle Stadt/ erhaben/ Der Außzug der Natur/ der Erden schöne ziehr[.]36

Eine zweite Blütezeit In anderen Städten des 17. Jahrhunderts taten sich die Dichter gerne in Gemeinschaften zusammen. Das geschah in Breslau nicht. Man begegnete sich über die beruflichen Chargen, derer es in der Stadt und im Umland in reichem Maße gab. Und man berührte die Stadt auf den beruflichen Wanderwegen immer wieder und grüßte alte Vertraute. Der Krieg trug das seinige dazu bei, daß Seßhaftigkeit eher eine Ausnahme blieb. Das änderte sich nach dem Friedensschluß im Jahre 1648. Nun hob noch einmal eine neue Phase des Dichtens an. Breslau ist eine der ganz wenigen Städte, in denen eine deutsche Dichtung vom Anfang des Jahrhunderts bis über sein Ende hinaus kontinuierlich gepflegt wurde.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Alle stilistischen Entwicklungen in dem Gründungsjahrhundert der neueren deutschen Poesie wurden in Breslau mitvollzogen und vielfach initiiert. Nach dem Krieg kam die Stadt ihre Lage zugute. Sie profitierte von der, wenn nicht geographischen, so doch politischen Nähe Wiens. Und über die Habsburger verliefen die poetischen Wanderwege, die in die Zentren der poetischen Moderne führten, nach Italien und nach Spanien. Dort dichtete ein Giambattista Marini, hier ein Luis de Góngora. Sie und ihre Jünger waren die Wortführer, als es darum ging, das in die Jahre gekommene humanistische Repertoire zu revitalisieren. Das aber meinte, anzusetzen an dem sprachlichen Duktus der poetischen Gebilde. Was zu sagen war in dem lateinischen wie dem volkssprachigen Gewande von seiten der Humanisten, war gesagt. Drei Jahrhunderte währte die Bewegung schließlich bereits in Italien. Alle Länder waren in zeitlichem Abstand nachgezogen, Deutschland früh im Lateinischen, spät im Deutschen. In Deutschland aber setzte eine Erprobung der neuen Wege in ungezählten Städten und Territorien ein. Es galt, ein von Opitz vorgegebenes Pensum zu absolvieren. Es galt aber auch, eigene Töne zu finden. Eben daher rührt die Vielfalt gerade auch der lyrischen Stile auf deutschem Boden im 17. Jahrhundert, von denen wir noch zu wenig wissen. Als der neue Schub aus der südlichen Romania sich auf deutschem Boden bemerkbar machte, da waren es zwei Städte, die die Führung übernahmen, Nürnberg und eben Breslau – mit einem gehörigen Unterschied: In Nürnberg, wo 1644 der ›Pegnesische Blumenorden‹ von Georg Philipp Harsdörffer und Johann Klaj gegründet wurde, setzte die Umpolung auf das Deutsche überhaupt erst in der Jahrhundertmitte ein. Die beiden Gründer, zu denen rasch Gleichgesinnte traten, versuchten sich sogleich an den kühnsten artistischen Experimenten. Die Sprache war ihnen ein willfähriges Instrument, dem die reizvollsten klanglichen und bildlichen Wendungen zu entlocken waren. Ein Nürnberger Gruppenstil bildete sich heraus, wie es ihn kein zweites Mal auf deutschem Boden gegeben hat, und die Italiener und Spanier standen Pate bei ihren stupenden Kunstspielen.37 In Breslau wie in Schlesien insgesamt war der Boden lange bereitet. Die eine Generation nach Opitz antretenden Dichter wußten sich als Fortführer einer in ihrer Heimat eröffneten und mit Erfolg durchgeführten Praxis. Auch das mochte sie ermutigt haben, entschlossen fortzuschreiten und den Radius des dichterisch Möglichen entschieden zu erweitern. So kam Breslaus und Schlesiens dichterische Stunde binnen kurzem gleich dreimal. Im lateinischen Späthumanismus um 1600 standen die Schlesier einzig da. Im Übergang zum Deutschen stellten sie mit Opitz den Wortführer. Und als die Winde drehten

311

312

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

und aus dem katholischen Süden die nördlichen Zonen erreichten, da waren es die nahe dem katholischen Kulturraum gelegenen Regionen, die von dieser ihrer Lage poetisch profitierten. Breslau – und auf andere Weise eben Nürnberg – bildeten für einige Dezennien die Speerspitze der neuesten poetischen Mode, die viel später auf einen nicht ganz unproblematischen Namen getauft wurde, der da auf das Etikett ›Manierismus‹ lautet. Wir interessieren uns für die Texte, nicht aber für Nomenklaturen und schauen noch einmal herüber zu zwei berühmten Repräsentanten der neuen Ära.

Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Politiker und Dichter Wenn wir uns zunächst Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau zuwenden, so nicht nur ob seiner literarischen Meriten. Die Familie, der er entstammt und der Weg, welchen er nimmt, verdeutlichen noch einmal die besondere Situation, die Breslau während der Dezennien nach dem Augsburger Konfessionsfrieden und der letzten Jahre der Herrschaft der Piasten innehatte. Um die Welt zu verstehen, aus der eine Figur wie Hoffmannswaldau kommt, muß man zurückblicken gleichermaßen zu dem Vater und zu den Kreisen, in denen er verkehrte, wie zu der Mutter und ihren verwandtschaftlichen Beziehungen in Breslau. Noch einmal werden soziale wie kulturelle Impulse erfahrbar, um derentwillen das alte Breslau als eine Metropolitan-Region auch und gerade in Dingen des Geistes angeschaut und vergegenwärtigt sein will.38 Anders als Opitz und so viele weitere Schlesier entstammte der 1616 geborene Hoffmannswaldau einer namhaften Familie. Ein Onkel des Vaters wirkte als Professor für Ethik und Dialektik an der Universität in Wittenberg und wurde als Kryptocalvinist seines Amtes enthoben. Über den Vater verlief der Kontakt zu einem der großen Adelsgeschlechter Schlesiens, den von Burghaus. Johann Hoffmann wurde als Erzieher des Sohnes von Nikolaus II. von Burghaus und Stoltz berufen. Das hatte weitreichende Konsequenzen. Die großen Späthumanisten, die wir kennen lernten, verkehrten im Hause des Prager Hofkammerrates, ein Tobias Scultetus, ein Daniel Bucretius, ein Caspar Cunrad, ein Henel von Hennenfeld und wie sie heißen. Diese Symbiose zwischen Gelehrtentum und Adel bildete das Ferment für das Erblühen der späthumanistischen Studien auf schlesischem Boden. In gewisser Weise war derart auch noch die Laufbahn des jungen Christian vorgezeichnet. In Begleitung von Nikolaus III. von Burghaus und Stoltz trat Johann Hoffmann seine peregrinatio academica an, die ihn nach Frankreich und Italien führte. In Orléans ebenso wie in Siena traf man auf Schlesier. Diese

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Kontakte blieben ein Leben lang erhalten. Als Nikolaus II von Kaiser Matthias zum Präsidenten der Kammer für Ober- und Niederschlesien bestellt wurde, siedelte auch Hoffmann nach Breslau über und stieg zum Sekretär der schlesischen Kammer auf. Vier Jahre vor der Geburt Christians verlieh Kaiser Matthias ihm und seinem Bruder Georg in Prag das böhmische Adelsdiplom, versehen mit dem Zusatz ›von Hoffmannswaldau‹. Seine Ausbildung erhielt Christian am Elisabethgymnasium. Die wichtigste Persönlichkeit für den Eleven dürfte Christoph Köler gewesen sein, der auch private Lektionen anbot. Während dieser wird der Schüler mit der Pflege der neuen Dichtkunst Bekanntschaft gemacht haben, wie sie Köler aus erster Hand vermitteln konnte. Hoffmannswaldau hat dieser Zeit später dankbar gedacht. »Meine Jugend traff gleich in eine Zeit/ da der gelehrte Mann Martin Opitz von Boberfeld/ der berühmte Schlesische Buntzlauer/ durch der Frantzosen und Holländer poetische Wercke angeleitet/ mit seiner Feder in das Licht trat. Meiner Natur gefiel diese reine Schreibens=Arth so sehr/ daß ich mir auß seinen Exempeln Regeln machte/ und bey Vermeidung der alten rohen Deutschen Art/ mich der reinen Liebligkeit/ so viel möglich gebrauchte[.]«39 Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau war das Glück beschieden, Opitz noch persönlich kennenzulernen. Das mag sich schon in Breslau zugetragen haben. Mit Gewißheit aber ist es für Danzig bezeugt, wo der angehende Dichter und Jurist seine Ausbildung am berühmten Akademischen Gymnasium fortsetzte. Zwischen 1636 und 1638 hielt er sich in der Ostseemetropole auf, also zu eben jener Zeit, da auch Opitz seine letzten Lebensjahre daselbst verbrachte. Am 9. November 1636 trug sich Opitz in das Stammbuch Christians ein. Ein solcher Eintrag kam einem Ritterschlag gleich. Hoffmannswaldaus späterer Lobredner, der um zwanzig Jahre jüngere Daniel Casper von Lohenstein, wußte also, was er sagte, als er feststellte: »Opitz/ der berühmte Schlesier/ welcher die Deutsche Poesie auf den Fuß gebracht/ schätzte seine [Christians] Gemein= und Freundschafft schon dazumal hoch; gleich/ als sehe er vorher: daß unser gelehrter Pan nicht einen schlechten Fichten= sondern drey Lorber=Kräntze zu tragen würdig seyn würde.«40 Über die Generationen hinweg war ein zukunftsweisender Brückenschlag erfolgt. Es entsprach dem Stand, den der Vater erklommen hatte, daß nun der Sohn in den Genuß einer ausgedehnten Bildungsreise kam, die über Holland nach England, Frankreich und Italien führte. Hier geht es um die Stellung des Dichters in Breslau. Und die nahm sich alsbald spektakulär aus, nachdem er 1641 in die schlesische Metropole zurückgekehrt war. Eine Scheidung des Lebens in einen öffentlich-diplomatischen und einen privat-poetischen Bereich nahm ihren

313

314

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Anfang, für die es in dieser Radikalität keine Parallele im Zeitalter geben dürfte. Nicht, daß die Trennung beider Sphären nicht übliche Praxis gewesen wäre. Das Besondere in der Situation Hoffmannswaldaus lag darin, daß der Repräsentant der Stadt, als der er zunehmend hervortrat, auch als Amtsinhaber eine Variante der Poesie pflegte, die, wäre sie öffentlich geworden, nur als Provokation hätte empfunden werden können. Der Dichter betrieb im Rahmen der von ihm favorisierten petrarkistischen Liebeslyrik eine Zuspitzung der erotischen Bildwelt, die bis dato unerhört war. Radikal behauptete der Dichter die Exklusivität der lyrischen Kunstwelt als eines autarken und autonomen Bezirks, der gegen jedwede obrigkeitliche und kirchliche Einrede abgeschirmt sein wollte. Und das mit dem einen Ziel, ein um so nachhaltigeres Spiel mit den überkommenen Motiven zu eröffnen, die einer artistischen Durchformung unterworfen wurden, für die es nur ein Gegenstück gab – eben im Nürnberg der Pegnitzschäfer. Zurückgekehrt nach Breslau, vollzog sich der Aufstieg Christian Hoffmann von Hoffmannswaldaus. Zunächst wurde er in den Breslauer Rat gewählt. Als Mitglied des Schöffenkollegiums, das dreimal pro Woche tagte, nahm er seine politische Arbeit auf. Über die Mutter des Dichters verliefen verwandtschaftliche Beziehungen zu drei der bedeutendsten Ratsgeschlechter, den Artzats, den Sebischs und den Reichels. Zugleich war ihm an der Seite des Ratspräses und zweier weiterer Ratsherren die Aufsicht über das Schulwesen übertragen. Weitere Ämter schlossen sich rasch an. Eine erste Gesandtschaft führte Hoffmannswaldau 1653 zum Regensburger Reichstag, dem nach dem Friedensschluß von Münster und Osnabrück auch für Breslau insonderheit im Blick auf den konfessionellen Status erhebliche Bedeutung zukam. 1657 erfolgte der Übergang als sechster Senator in den inneren Rat, verbunden mit einer Fülle neuer Pflichten. Im gleichen Jahr war er Mitglied einer Gesandtschaft an den Hof des Kaisers. Diese war verknüpft mit der Erhebung zum Kaiserlichen Rat. Weitere Gesandtschaften nach Wien schlossen sich an. Hoffmannswaldaus Präsenz in Wien war für die Stadt unverzichtbar geworden. Seine diplomatischen Fähigkeiten wurden allseits gerühmt. Gekrönt wurde die berufliche Karriere in der Doppelrolle als Schöffenpräses und Ratsältester. Hoffmannswaldau hatte die oberste Stufe im städtischen Regiment erklommen.

›An Lauretten‹. Ein Blick in die Lyrik Hoffmannswaldaus Dieser politisch äußerst exponierten Figur verdanken wir Gedichte, die einer gänzlich anderen Welt entstammen und einen denkbar starken Kontrast zur öffentlichen Sphäre markieren. Eine Kunstwelt tut sich auf, mit deren Statuierung

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

ein Freiraum erobert wird, den der Dichter souverän behauptete und der seiner öffentlichen Stellung keinen Abbruch tat. Fast zeitgleich mit der Übernahme des Schöffenamtes setzte die poetische Produktion Hoffmannswaldaus ein. ›Poetische Grab-Schriften‹ und ›Geschichtreden‹ sowie ›Geistliche Oden‹ und poetische Episteln, ›Helden-Briefe‹ und Übersetzungen und immer erneut Gelegenheitsgedichte entstanden. Unser Augenmerk gilt der Liebespoesie. Auf diesem Feld entschied sich der Fortgang und Fortschritt im Fach der Dichtkunst. Sie wurde überall gepflegt und bot sich daher zum Vergleich förmlich an. Und sie war immer noch mit dem Odium des Unziemlichen behaftet. Auch Hoffmannswaldau entzog sie daher den Augen der Öffentlichkeit. Er traute ihr nicht zu, das Artifizielle der künstlerischen Übung zu gewahren und zu würdigen. Und er hatte allen Anlaß zu dieser Vorsichtsmaßnahme. Nirgendwo klaffte eine derartige Kluft zwischen Amtsprestige und kalkulierter artistischerotischer Libertinage wie auf diesem Feld.41 Der an vorderster Stelle im städtischen Gemeinwesen stehende Jurist versuchte sich in der petrarkistischen Tradition an exponierten Gebilden, die ihren Reiz aus einer implizit herbeigeführten Konfrontation beziehen. Wollte man einen Schritt weiter gehen, so vermöchte sich sehr wohl die Überlegung einzustellen, daß der sein Handwerk beherrschende Dichter sein Publikum in einen Lehrgang hätte hineinziehen wollen, die eigenen Gesetze und also die Autonomie der Künste betreffend. Und welches Medium hätte sich dazu besser geeignet als das erotische Poem? Der Dichter wußte, daß er seine Zeitgenossen überfordert hätte. An der Radikalität seines künstlerischen Anspruchs änderte sich damit nichts. In Breslau, so möchten wir pointiert und vielleicht ein wenig überspitzt formulieren, ist der Gedanke der Freiheit der Kunst, wo nicht geboren, so doch in seltener Prononciertheit vorexerziert worden. Er konnte sich seither nicht mehr verlieren. Und wenn später in der lyrischen Moderne der Rückgriff gerade auf die barocken ›Manieristen‹ beliebt war, so hatte das Wissen um deren Meriten im Kampf um die Autarkie der Künste daran maßgeblichen Anteil. Nur in Handschriften zirkulierten viele der Gedichte Hoffmannswaldaus lange Zeit.42 Sie trugen nicht unwesentlich bei zum geselligen Verkehr in der Stadt und wo immer sonst sie gelesen wurden. Erst Jahrzehnte später gelangten sie in einer berühmten Anthologie vornehmlich schlesischer Dichter an die Öffentlichkeit. Mit Hoffmannswaldaus Namen warb der rührige Herausgeber auf dem Titelblatt. Er wußte, daß man sich von dem Ratspräses Besonderes und womöglich Delikates versprach. Was der zu bieten hatte?

315

316

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

An Lauretten LAurette bleibstu ewig stein? Soll forthin unverknüpffet seyn Dein englisch=seyn und dein erbarmen?

Komm/ komm und öffne deinen schooß Und laß uns beyde nackt und bloß Umgeben seyn mit geist und armen. Laß mich auff deiner schwanen=brust Die offt=versagte liebes=lust Hier zwischen furcht und scham geniessen. Und laß mich tausend tausendmahl/ Nach deiner güldnen haare zahl/ Die geister=reichen lippen küssen. Laß mich den ausbund deiner pracht/ Der sammt und rosen nichtig macht/ Mit meiner schlechten haut bedecken; Und wenn du deine lenden rührst/ Und deinen schoß gen himmel führst/ Sich zucker=süsse lust erwecken. Und solte durch die heisse brunst/ Und deine hohe gegen=gunst Mir auch die seele gleich entfliessen. So ist dein zarter leib die bahr/ Die seele wird drey viertel jahr Dein himmel=rundter bauch umschliessen. Und wer alsdenn nach meiner zeit Zu lieben dich wird seyn bereit/ Und hören wird/ wie ich gestorben/ Wird sagen: Wer also verdirbt/ Und in dem zarten schoose stirbt/ Hat einen sanfften tod erworben.43

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

So weit hatte niemand in Deutschland sich bislang vorgewagt. Die gemäß petrarkistischen Vorgaben sich verweigernde ›steinharte‹ Geliebte wird erstmals mit dem nackten erotischen Begehren von seiten des Liebhabers konfrontiert. Ein Akt der Überbietung hat statt, in dessen Vollzug zugleich an den Grundfesten des überkommenen lyrisch-erotischen Sprechens im Rahmen des petrarkistischen Systems gerüttelt wird. Die da nackt und bloß Daliegenden, so die Imagination des lyrischen Sprechers, sie mögen ›Umgeben seyn mit geist und armen‹. In die Umarmung, in das liebende Umfangen, mischt sich der Odem der Liebenden, und der ist umspielt von Wort und Sprache, denen ein Spirituelles, denen ›geist‹ beigesellt ist. Der erotische Akt vollzieht sich zugleich als ein poetischer. Und so fällt ein Licht auf den Namen der Geliebten. Auf ›Lauretta‹ ist sie getauft. Die Assoziation an Petrarcas ›Laura‹ und mit ihr an den Lorbeer stellt sich ein. Dieser Geliebten ist es eigen, steinhart und engelhaft zugleich zu sein. Wird aber ›erbarmen‹ über sie kommen, wird ihr ›schooß‹ sich öffnen, so ist Besonderes, ist Delikates zu gewärtigen. Auf ihrer ›schwanen=brust‹ genießt der Liebende seine ›offt=versagte liebes=lust‹. So bleibt im Bild des Schwanes das des Poeten gegenwärtig. Diese ›liebes=lust‹ ist eine ausnahmsweise gewährte. Es bedarf der besonderen Stunde, des poetischen kairos, damit sie Wirklichkeit wird. Angst vor dem Gelingen ist ihr beigesellt. Und tritt zu dieser ›furcht‹ die ›scham‹, so mag auch darin bedeutet sein, daß der Dichter nicht mit einem gewöhnlichen Vorwurf hervortritt. Als mit ›furcht und scham‹ Genießender reklamiert der Liebende eben jene Tugenden, die er als des Wortes mächtiger um so entschiedener hinter sich läßt. So viele Küsse seien da gewechselt, wie die Geliebte ›güldene haare‹ ihr eigen nennt. Es sind die poetisch umspielten, durch die Musen veredelten, die ihr Pendant in den ›geisterreichen lippen‹ besitzen. Keine leibliche Schönheit, die nicht durch Kunst geadelt wäre. Diesem ›küssen‹ entsprießt anderes und mehr als leibliche Lust. Mit seiner ›schlechten haut‹ bedeckt der Liebende die ›pracht‹ der Geliebten, die Samt und Rosen übersteigt. Darf er es wagen, als derart Apostrophierter sich ihr zu nähern? Nun, die ›schlechte haut‹ ist ein concettistischer Euphemismus, verbirgt sich in ihr doch das neue Gewand, in das er die Geliebte kleidet, ihre natürliche ›pracht‹, in ›sammt und rosen‹ gehüllt, noch einmal überbietend. Dieser ›schoß‹, der sich da in der Lust aufbäumt, er strebt dem ›himmel‹ zu. Was aber der Natur versagt bleibt, ist der Kunst vorbehalten. Die ›zucker=süsse‹ ist eine immerwährende, ist sie doch Wort und unvergängliche Gestalt geworden. Im Schutze der Poesie darf das Verfänglichste und Verführerischste aufgerufen werden, dazu bestimmt, als erotische Delikatesse das Bild für die Raffinesse der Poesie zu stellen.

317

318

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Zugleich aber geht diese ›zucker=süsse lust‹ einher mit einem Opfergang. Wo die Seele im geistlichen Gesang verzückt in die Seeligkeit Gottes sich ergießt, eine unio mystica mit dem Höchsten statthat, da opfert der Liebende im erotischen Gedicht nach Maßgabe des Petrarkismus sein Bestes auf dem Altar der Geliebten, ihrem ›zarten leib‹, der im gleichen Moment in eine ›bahr‹ sich verwandelt. Dort die geistliche, hier die poetische Transfiguration. Die Früchte gleichen sich und könnten doch verschiedener nicht sein. Seine ›heisse brunst‹ und ihre ›gegen=gunst‹ haben im Liebesakt ein Geschöpf hervorgebracht, dem die ›seele‹ des Liebenden einverleibt ist. Der ›himmel=runde bauch‹ der Geliebten birgt keine leibliche Frucht, vielmehr ein himmlisches Geschenk. Es ist eines der Musen und also des poetischen Genius; rund und folglich vollendet bietet es sich dar. Mit dem Tod bezahlt der seine Lust büßende Liebende. Es ist ein sanfter, weil metaphorischer Tod, ist doch das Ersterben des Liebenden im zarten Schoß der Geliebten die Geburt des Dichters und das Gedicht die Frucht dieses privilegierten Aktes der Liebe. Sie will angeschaut, will genossen sein, weit über den Tod ihres Schöpfers hinaus. Diese Geliebte ist nicht zu messen mit dem Maße menschlicher Treue. Ihre liebespendende Kraft ist eine unerschöpfliche, in jedem Akt des Vernehmens sich erneuernde. Sie erblüht, indem sie viele Liebhaber in ihren Bann zieht, ohne daß sie darüber ihre Unschuld verlöre. Der kontrafaktische Bezug zum geistlichen Bereich bleibt allgegenwärtig. Es lag uns daran, in Erinnerung zu halten, daß diese lyrische Revolution, als welche wir das beschriebene Ereignis titulieren wollen, auf dem Boden Breslaus sich vollzog und von einem der Repräsentanten der Stadt initiiert wurde. So gewagt vermochte nur zu dichten, wer selbstbewußt um die genauen Scheidelinien zwischen Leben und Kunst, sozialem Prestige und poetischem Komment wußte. Provokanter konnte im 17. Jahrhundert poetisch nicht agiert werden. Hoffmannswaldau war bei den fortgeschrittensten Geistern Europas in die Schule gegangen. Wer aber wußte um die Hintergründe des vorgeblich frivolen und doch restlos vergeistigten Spiels? Ein solches Gedicht durfte nur vor die Augen von Kennern gelangen, und Hoffmannswaldau trug dem Rechnung, indem er es den Augen der Öffentlichkeit entzog. Eine äußerste Grenze lyrischen Sprechens war markiert, und Breslau, an dessen Spitze ein Diplomat und Poet stand, der Schauplatz der denkwürdigen Zeugung.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Daniel Casper von Lohenstein als Dichter der ›Blumen‹ und des ›Arminius‹ Nur einer hätte Berechtigung gehabt, sich mit einem Dichter dieses Kalibers zu messen. Er zollte ihm höchste Verehrung und schritt da fort, wo der Andere Halt gemacht hatte. Stets denkwürdig wird es bleiben, daß es der Stadt Breslau vorbehalten war, die beiden bedeutendsten Dichter der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zeitweilig in ihren Mauern zu beherbergen und ihre beruflichen wie ihre poetischen Wege sich kreuzen zu sehen. Wir sprechen von Daniel Casper von Lohenstein. Nicht ganz so eng mit Breslau verbunden wie Hoffmannswaldau, hat er in gleichfalls höchsten Positionen und während wichtiger, seinem Werk gewidmeter Jahre in ihr gelebt. Wie keiner vor ihm und keiner nach ihm im 17. Jahrhundert hat er das Spektrum der Gattungen erweitert. Als einziger hat er zu bewerkstelligen vermocht, was Opitz und den Seinen aus geschichtlichen Gründen noch versagt war, gelang es ihm doch, neben den lyrischen Formen und den Exempeln oratorischer Kunst die beiden königlichen Disziplinen gemäß dem Verständnis der Zeit, die ›Tragödie‹ in Gestalt des Trauerspiels und das Epos in Gestalt des Romans in großartigen Texten manifest werden zu lassen. Wir müssen uns auf einige wenige Hinweise beschränken.44 Daniel Casper kam auf Schloß Nimptsch, südlich von Breslau im Fürstentum Brieg gelegen, im Jahr 1635 zur Welt, gehörte also der vorletzten der im 17. Jahrhundert in Schlesien und speziell in Breslau zu Wort kommenden Generation von Dichtern an. Zur Ausbildung wechselte er bereits nach Breslau, wo er das eben jetzt zum Gymnasium erhobene Magdaleneum besuchte. Schon hier trat Lohenstein wiederholt mit Disputationen und Reden sowie anläßlich von theatralischen Aufführungen hervor. Sein erstes eigenes Drama Ibrahim geht noch auf seine Zeit als Primaner zurück. Zum Studium wechselte Lohenstein zunächst nach Leipzig, dann nach Tübingen, und widmete sich der Jurisprudenz. Die obligatorische akademische Reise führte ihn über den Regensburger Reichstag und die Schweiz in die Niederlande und von dort über Hamburg zurück in die Heimat nach Breslau. Auf einer zweiten Reise wurde der Besuch Italiens und Frankreichs nachgeholt. Auf ihr lernte er auch Wien und Teile Ungarns kennen. Die berufliche Karriere begann. In Breslau ließ sich Lohenstein als Rechtsanwalt nieder. Hernach wechselte er an den Hof nach Oels, wo er die Stelle eines Regierungsrats übernahm. Friedrich von Roth dürfte die Stelle vermittelt haben, dem später die Gedichtsammlungen Rosen und Hyacinthen gewidmet wurden. Als Syndikus kehrte er nach Breslau zurück und rückte fünf Jahre später (1675) zum Obersyndikus auf.

319

320

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Wie Hoffmannswaldau erwarb sich auch Lohenstein Verdienste um die Stadt am kaiserlichen Hof in Wien. Auch er wurde zum Kaiserlichen Rat ernannt und bezog den Hof immer wieder in seine Widmungen ein. Verbunden blieb Lohenstein desgleichen dem Haus der Piasten. Dessen Untergang erlebte er mit. Ihm widmete er, wie gezeigt, eine rasch Berühmtheit erlangende Gedenkschrift und entwarf das allegorische Programm der Piastengruft in der Johanniskirche zu Liegnitz. Er starb 1685 an dem Tag, da das Bündnis Kaiser Leopolds I. mit dem Polenkönig Johann III. Sobieski gegen die Türken besiegelt wurde. Nach dem Ratsältesten von Artzat und nach Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau hätte Breslau, so ein Anonymus, nun einen dritten großen Verlust zu beklagen. Man wußte – auch im Blick auf das Aussterben der Piasten –, daß für Stadt und Land eine Ära zu Ende ging.45 Lohenstein hat sich als Lyriker im engeren Sinn anders als Hoffmannswaldau nicht sonderlich hervorgetan. Die Fortschreibung der petrarkistischen Formensprache betrachtete er nicht als seine Sache; sie wußte er bei Hoffmannswaldau in guten Händen. Seine Domäne blieb das repräsentative Gelegenheitsgedicht. Und auch hier waltete Bedacht. Mit Vorliebe wandte sich der im öffentlichen Leben am Hof und in der Stadt an vorderster Stelle wirkende Jurist namhaften gesellschaftlichen Ereignissen und Personen zu. Eine schlesische und Breslauer Kulturgeschichte über die ersten Dezennien nach dem Westfälischen Frieden könnte sich zu guten Teilen auf einschlägige Texte Lohensteins stützen. Lohensteins Feder war gesucht, und der Autor wußte es. Das begann bei den Widmungsadressen und endete nicht bei der professionellen Aufmachung der Titel in Vers oder Prosa. Ein Zenit im huldigenden Sprechen war erklommen und keine Frage mehr, daß dies nun unter Ziehung aller rhetorischen Register wie selbstverständlich im Deutschen erfolgte.46 Auch Lohenstein hielt in seinen Blumen, die erst 1680 wenige Jahre vor seinem Tode bei Esaias Fellgiebel in Breslau erschienen, an der eingeführten Praxis fest, mit geistlichen Gedichten zu beginnen. Ein eigenes Buch widmete er der poetischen Behandlung eines Kapitels aus dem Propheten Jesaia. ›Thränen Der Mutter Gottes unter Dem Creutze des HErren‹ fanden ihre Artikulation in Alexandrinern. Keine Rede konnte also davon sein, daß die Befassung mit geistlichen Themen in der zweiten Jahrhunderthälfte womöglich in den Hintergrund getreten wäre. Es würde sich lohnen, den religiösen Duktus eines derart prominenten Autors während des sich dem Ende zuneigenden konfessionellen Zeitalters zu würdigen. Das Kräftefeld des Glaubens blieb in Breslau und Schlesien unter dem Zepter der Habsburger immer erneut auszutarieren.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Vergleichbares galt auf der Ebene der poetischen Widmungsadressen. Wie selbstverständlich setzten die Rosen mit einem ›Zuruff‹ auf die Vermählung Kaiser Leopolds ein. Nach wie vor war der Blick der politischen Spitzen auch in Breslau in Fragen der Herrschaft nach Wien hin gerichtet. Und erst wenn den Verpflichtungen gegenüber dem Kaiserhaus Genüge getan war, mochten anderweitige Formen und Themen hervortreten. Lohenstein flocht nun neben ins Lehrhafte hinüberspielenden Gedichten über die Liebe auch ›Poetische Geschichtreden‹ ein. So trat schon in der Lyrik die eminente Bedeutung der Geschichte hervor, die diese im Werk des Autors innebehalten sollte. Gab es dann auch eine ›Vereinbarung der Sterne und der Gemüther‹ in den Rosen zu lesen, so zeigte sich, daß Lohenstein in der internen Komposition seiner Blumen neue Wege beschritt. Eine Mischung der Gattungen wurde wie selbstverständlich praktiziert. In den Hyacinthen, welche die dritte Position in der vom Autor komponierten Sammlung innehatte, traten Lohensteins Gelegenheitsgedichte vornehmlich zusammen. Nur in Schlesien war es möglich, in so großem Umfang den führenden Adelsfamilien in Stadt und Land zu huldigen. Die von Bibrans, die von Artzats, die Pucher von der Puche, die von Assigs, die von Logaus und wie sie heißen wurden bedacht. Eingeblendet in die illustre Folge der Gelegenheitsgedichte erschien das große Trauergedicht Lohensteins für den Syndikus des Glogauischen Fürstentums und Kollegen im dramatischen Fach, Andreas Gryphius. Und selbstverständlich ergriff Lohenstein die Feder auch anläßlich des Todes von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau im Jahr 1679. Der Nachruf erschien als Separatdruck, wurde aber zusammen mit den Funeralschriften von Heinrich Mühlpfort und Christian Gryphius in Hoffmannswaldaus Deutsche Übersetzungen und Gedichte des gleichen Jahres eingerückt und fortan mit ihnen immer wieder gedruckt. Die geistige, gelehrte, dichtende Elite Breslaus und Schlesiens huldigte sich derart über die Zeiten hinweg. Für wenige Jahrzehnte stand sie konkurrenzlos da im Alten Reich.47 Über den Dramatiker Lohenstein wird sogleich zu sprechen sein. Das in unseren Augen aufsehenerregendste Schauspiel vollzog sich am Ende des allzu kurzen Lebens des großen Dichters. Lohenstein machte sich an einen Roman. Der war als Gattung nicht nur im Garten der europäischen Literatur eine späte Zeugung. Auch in Deutschland kam er erst nach dem Friedensschluß von 1648 in Schwung. Opitz vermochte übersetzend Muster zu bieten, einen eigenen Roman schrieb er nicht. Wieder sollte es Schlesien und des näheren Breslau vorbehalten bleiben, mit dem doch wohl spektakulärsten Werk in der jungen Gattung auf deutschem Boden im 17. Jahrhundert hervorzutreten. Erklärungen

321

322

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

für den Ursprung großer Schöpfungen in der Kunst gibt es nicht. Wohl aber Annäherungen. Noch einmal machte sich die politische, verfassungsrechtliche und religiöse Gemengelage auf schlesischem Boden geltend. Die Evangelischen suchten sich unter denkbar schweren Bedingungen, wie sie auch nach 1648 weiterhin bestanden, zu behaupten. Die reformierte Glaubensrichtung war zurückgedrängt. Doch nicht nur unter den Piasten fand sie nach wie vor Anhänger. Überwölbt wurde die herrschaftliche und religiöse Vielfalt von dem katholischen Kaiserhaus. Wie sollte in dieser Situation ein großes geschichtliches Epos gedeihen? Es war ausgerichtet seit den Tagen Vergils auf einen politischen Fluchtpunkt, das Heranwachsen eines Volkes über die Jahrhunderte hinweg zu einer Nation, gipfelnd in einem universalen Kaisertum. Eben diese Vision hatte auch ein Lohenstein im Auge, als er daran ging, dem Roman als dem Nachfolger des Epos einen geziemenden historischen Prospekt zu verleihen. Noch einmal machte ein humanistisches Erbe sich geltend. Germanien in seinem Repräsentanten Arminius stellte das Ur- und Leitbild, in das die imaginierte politische Zukunft projiziert zu werden vermochte. Germanien und Arminius, sie standen für eine universale Monarchie, in der Gegensätze und Konflikte auf einer höheren Ebene zum Ausgleich gelangt waren, weil Vielfalt und Einheit sich in einem fortan harmonischen Miteinander befanden. Nur das katholische Kaiserhaus vermochte diesen Rahmen zu stellen. Er blieb für den Schlesier Lohenstein ein Haftpunkt der politischen Orientierung. Konfrontiert jedoch mit dem aus Germanien herrührenden Anspruch durfte und mußte die Monarchie darauf verpflichtet werden, das Lebensrecht der vielfältigen dezentralen politischen und konfessionellen Bildungen zu respektieren und zu sichern. Dieser grandiose Gedanke ist in Lohensteins Arminius poetisch durchgespielt und begleitet von einem unerhört reichen gelehrten Aufgebot diskursiv durchgearbeitet und derart der Mit- und Nachwelt überantwortet worden. Auch diese nur eben noch zu erwähnende romaneske Episode gehört in die fast unerschöpfliche Geschichte deutscher Literatur auf Breslauer Boden im 17. Jahrhundert.48

Breslau als Wiege des deutschen Kunstdramas Die Geschichte des Dramas im 17. Jahrhundert führt ebenfalls zurück nach Breslau. Wieder mußten die ersten Versuche im deutschen Gewand zunächst im Medium der Übersetzung absolviert werden. Die Nationen ringsum waren auch hier vorangegangen, und in Deutschland bestand Nachholbedarf. Opitz, der geniale Literaturstratege, hatte dies erkannt und sorgte in beiden Zweigen,

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

der Tragödie und der Oper, für Muster mittels Übersetzungen. Auch für die Komödie, der Opitz als niederer Gattung wie dem Pikaroroman keine nachhaltigere Beachtung schenkte, fanden sich Dolmetscher des reichen europäischen Repertoires. Die entscheidende Herausforderung bestand darin, unter selbstverständlichem Rückgriff auf in Umlauf befindliche Texte, eine genuine Tradition auf deutschem Boden zu begründen. Dafür wären wie im Ausland in erster Instanz die Höfe zuständig. Die aber verschrieben sich frühzeitig der Oper und den diversen theatralischen Mischformen. So mußte das Experiment in der Stadt erfolgen. Und da tat sich keine unter ihnen im weiten deutschen Sprachraum mehr hervor als eben wiederum Breslau. Wir hatten unser Augenmerk bereits auf die Schulen gerichtet. Nun führt uns der Weg noch einmal zurück, vor allem zu den beiden illustren Anstalten bei St. Elisabeth und St. Maria Magdalena. An den Lateinschulen hatten seit Melanchthons Zeiten allüberall Redeübungen ihren festen Platz. Sie dienten auch zur rednerischen Schulung. Vor allem aber sollte der freie Umgang mit dem Lateinischen geübt und gefestigt werden. Zu dem Grammatik- und LektüreUnterricht trat die Deklamation, die einen Hauch altrömisch-republikanischer Patina in den schulischen Alltag zurückholte. Eine Ahnung mochte sich regen, welch eine Bedeutung die Kunst der Rede auf den Agorai im alten Griechenland und den Foren im antiken Rom besessen hatte. Der heute unvorstellbar gewandte und wie selbstverständliche Gebrauch des Lateinischen bis weit in das 18. Jahrhundert hinein bei einem jeden Schüler, der eine Lateinschule durchlaufen hatte, rührte nicht zuletzt von diesen rednerischen Exerzitien, denen sich ein jeder von ihnen zu unterziehen hatte. Und das, wie wiederholt bezeugt, mit Freude und Engagement.49 Lag es dann aber nicht auch nahe, die Schüler in gemeinsamen Auftritten zusammenzuführen, ihnen Dialoge und wechselseitigen Disput anzuvertrauen? Das beförderte den Erfindungsreichtum und die Kunst der situativen Anpassung der Rede. So gelangte wie selbstverständlich ein dramatisches Element in die schulische Übung. Das mochte dazu ermuntern, über die obligatorischen und seit langem in Pflege befindlichen Schulactus hinauszugehen und die szenischen Keimzellen zu dramatischen Schöpfungen sui generis weiterzuentwickeln. Auch das geschah in den Schulen überall, wo der Humanismus wirksam geworden war. Und mehr noch. Selbst Aufführungen einzelner Stücke wurden von den Schülern durchgeführt. Entweder ließen sich die Lehrer herbei und zimmerten einen dramatischen Plot. Oder aber man versuchte sich tatsächlich an einem antiken Text, bevorzugt aus dem Fach der Komödie. Plautus und Terenz standen hoch im Kurs. Aber auch Aufführungen von der einen oder anderen Tragödie

323

324

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

des Seneca sind bezeugt. Entscheidend blieb dies eine, daß die Stücke auf Latein zum Spiel gelangten, der erwünschte pädagogische Zweck also gewahrt wurde.

Geburt des Trauerspiels und der Komödie im Gymnasium Es bezeichnet daher einen Umschwung von schwerlich zu ermessenden Dimensionen, wenn nun um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf der Schulbühne ein Übergang zum Deutschen sich vollzog. Und das mit erheblichen Konsequenzen. Denn nun war der Boden bereitet dafür, daß der theatralische Text sich von der schulischen Bühne löste, um jenseits ihrer zu Aufführung und Wirkung zu gelangen. Das heißt nicht, daß sich die zum Deutschen übergehenden Dichter von der Schule verabschiedeten. Es sind genügend Zeugnisse zur Hand, die von weiterhin statthabenden schulischen Aufführungen berichten. In mehr als einem Fall mußten nicht unerhebliche Vorkehrungen in der Schule getroffen werden, um den szenischen Anforderungen Genüge zu tun. Insofern mag in Abwandlung einer berühmten Formulierung Nietzsches im Blick auf die deutschen Verhältnisse sehr wohl von einer Geburt der Tragödie aus dem Geist des Gymnasiums gesprochen werden. War indes der Schritt zu Tragödie und Komödie im deutschen Gewand erst einmal getan, so lag die Emanzipation von der Schule auf der Hand. Und sie betraf weit mehr als den Wechsel von Schaustätten, so wichtig er war. Die Texte, nicht mehr nur auf schulische Zwecke hin entworfen, entfalteten ihre eigenen Gesetzlichkeiten. Das deutsche Drama, die deutsche Komödie, an den antiken Vorgängern und ihren Nachfolgern in der Moderne gebildet, waren auf Ebenbürtigkeit geeicht, und die war nur über ein hinlängliches Maß an Autonomie zu erreichen. Eben dieses theatralische Wunder vollzieht sich in Breslau so nachhaltig wie an keiner anderen Stätte sonst im weiten deutschen Sprachraum. Unsere Anschauung des barocken Dramas verbindet sich mit wenigen Namen, und die führen so oder so zurück nach Breslau bzw. im Einzelfall an den einen oder anderen Hof in der näheren Umgebung. Das mußte Gründe haben. Sie sind vielfältiger Natur. Die Jesuiten hatten überall dort, wo sie Fuß fassen konnten, glanzvoll bewiesen, welche propagandistischen Möglichkeiten dem Drama in Glaubensdingen zukam. Auch in Breslau waren sie gleich nach ihrer Niederlassung tätig geworden, gegen die der Rat der Stadt sich doch so heftig zur Wehr gesetzt hatte. Es waren prunkvolle Propaganda-Veranstaltungen, die durchaus ihr Publikum fanden. Also galt es Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Und das, wo immer möglich, im Deutschen, waren die Jesuiten doch beim Latein geblieben. Hier lag eine Chance für die Protestanten.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Es darf als ein Glücksfall angesehen werden, daß ein engagierter Dichter wie Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau eben in diesen Jahren als ›Praeses Scholarum‹ fungierte. Ihm nicht zuletzt ist es zu verdanken, daß Aufführungen gerade von zeitgenössischen Stücken an den Gymnasien einen festen Platz einnahmen. Der Dichter und Politiker fand sich mehrfach als Zuschauer, Beobachter und Berater vor Ort ein. Und hier stieß er mit Elias Major vom Elisabethanum, aber auch mit anderen Professoren in beiden Gymnasien auf theaterbegeisterte Rektoren und Konrektoren, die die Chance sahen, welche sich ihren Anstalten und zugleich der Weiterentwicklung der deutschen Literatur in ihrer Heimat bot. Ein Historiker des dramatischen Gewerbes in Breslau wie der uns sogleich begegnende Johann Kaspar Arletius wußte noch im 18. Jahrhundert sehr genau um diese Zusammenhänge.

Partielle Auswanderung aus der Schule Die Dezennien um die Mitte des 17. Jahrhunderts sind die goldenen Jahre im Breslauer Theater gewesen. Die Umstände fügten es, daß sie zugleich eine Blüte des deutschen Theaters überhaupt bezeichneten. Und dies aufgrund der Talente, die zur Stelle waren, als es galt, dem dramatischen Fach und dem gesprochenen Wort auf deutschem Boden jenseits der überall an den Höfen florierenden Oper Statur zu verleihen. Sie wirkten an vorderster Stelle in der Öffentlichkeit, sei es wie Hoffmannswaldau oder Lohenstein in Breslau selbst, sei es wie Christian Gryphius im Fürstentum Glogau. Die Verbindungen zu den städtischen Spitzen waren beruflich und gesellschaftlich bedingt die engsten. Und so konnte es geschehen, daß sich Familien fanden, die ihre Häuser für die Aufführungen der aufwendigeren Schaustücke zur Verfügung stellten. Wo es in den romanischen Ländern vor allem die Höfe waren, in denen auch das gesprochene Schauspiel zur Aufführung gelangte, wo im London Shakespeares mit dem ›Globe Theatre‹ oder in Amsterdam mit der ›Schouwburg‹ große Spielplätze inmitten einer Metropole verfügbar waren, da kamen in Breslau neben den Gymnasien einzelne adelige und bürgerliche Häuser zum Zuge, in denen die Texte der großen schlesischen Dramatiker ihre Präsentation erfuhren. Das hat ihren Gestus geprägt. Der ungeheure disputative und gelehrte Aufwand, der diesen Texten eigen ist und sich darüber hinaus in mächtigen Anmerkungs-Apparaten manifestiert, war geeicht auf ein hochgestelltes Publikum, das in der Lage war, den gelehrten Komfort zu genießen. Daß die partielle Auswanderung der Dramatiker aus der Schule im übrigen mit dazu beigetragen hat, den mutigen Schritt zum Deutschen zu befördern,

325

326

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

liegt auf der Hand. Das protestantische Drama in seinen bleibenden Manifestationen ist anders als der erst langsam sich vom Lateinischen lösende Schul- und Redeactus ein in deutscher Sprache gedichtetes. Das mochte seine Rezeption in breiteren Kreisen befördern. Auf lange Sicht gesehen reichte diese linguistische Umpolung jedoch nicht hin, um ihm eine Heimstatt auf den deutschen Bühnen zu sichern. Zu massiv war die gelehrte Mitgift, als daß sich im Zuge einer Verschiebung der bildungsgeschichtlichen Voraussetzungen das auf die humanistischen Fundamente gegründete barocke Drama im Spielplan hätte behaupten können. Die Wiederauferstehung auf der Bühne in den nachfolgenden Jahrhunderten blieb die Ausnahme. Immerhin kam sie vor. Und das auch in unseren Tagen. Ein schönes Zeugnis dafür ist verfügbar, an das wir uns im Anschluß an eine kleine Breslauer Aufführungsrevue halten wollen, müssen wir doch, da stets nur wenige Seiten verfügbar sind, auf Exempel und damit auf Anschauung bedacht sein.50 1631 hatte Elias Major sein Amt als Rektor am Gymnasium zu St. Elisabeth angetreten. Im Jahr 1640 begannen die Schüler mit der Aufführung einer ›Comoedia‹ im Haus der Wagenknechts, also außerhalb der Schule. Im Jahr darauf, Prorektor Christoph Köler waltete nun seines Amtes, spielte man wie auch später 1651 nochmals in der Schule, wo mit nicht unerheblichem Aufwand eigens eine Verwandlungsbühne im größten Klassenzimmer hergerichtet werden mußte. Dann trat zunächst eine Pause ein, vermutlich den Wirren in der Schlußphase des Dreißigjährigen Krieges geschuldet. Im Friedensjahr 1648 kam im Breslauer Haus des Freiherrn von Žerotin eine ›Tragikomödie‹ vom Krieg und Frieden zur Aufführung, die vermutlich von Johann Rist herrührte. Das Vorrecht, den Einzug des Friedens ein ganzes Jahr über in unentwegter Folge festlich zu begehen, konnte keine Stadt, auch nicht Breslau, der alten Reichsstadt Nürnberg streitig machen, in der eben der ›Pegnesische Blumenorden‹ gegründet worden war, der nun vor aller Öffentlichkeit seine Bewährungsprobe ablegte. Hier waren mit Georg Philipp Harsdörffer, Johann Klaj und Sigmund von Birken drei Dichter zur Stelle, die die protestantische wie die katholische Seite gleich glanzvoll bedienten.51 Auch in Breslau ging indes das dramatische Agieren kontinuierlich fort. In der Breslauer Stadtwohnung des Herzogs von Oels spielten die Schüler vom Magdaleneum die Judith des Martin Opitz. Ein Jahr später brachten sie möglicherweise Lohensteins Erstling, den Ibrahim oder aber Andreas Gryphius’ Leo Armenius auf die Bühne. Jetzt begann die Zeit der drei großen schlesischen Dramatiker Gryphius, Lohenstein und dem Nachzügler Johann Christian Hallmann. Im Februar 1660 kam Cardenio und Celinde von Gryphius zur Darstellung, ein

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Jahr später sein Papinianus. Von Lohenstein spielten die Elisabethaner 1661 die Cleopatra, fünf Jahre später traten dessen Agrippina und Epicharis hinzu und im Mai 1669 brachten die Magdalenäer seine Sophonisbe auf die Bühne. Schließlich beteiligte sich auch Hallmann mit acht Stücken, von denen in einigen der Übergang zur Oper sich abzeichnet, die wie überall an den Höfen, so nun auch in den Städten die Oberhand gewann – ein eigenes und wiederum spannendes Kapitel. Breslau war für zwei, drei Jahrzehnte in dichter Folge der Schauplatz von Uraufführungen des deutschsprachigen Dramas aus der Feder der ersten Garnitur im Fach, und das nicht nur im Blick auf die schlesische, sondern die deutsche Literatur überhaupt. Dieser Ruhm wird der Stadt bleiben. Nur wenige Dramen boten zeitgenössische Stoffe. Am berühmtesten in dieser Hinsicht ist Gryphius’ Carolus Stuardus, der von der Ermordung des englischen Königs Karl I. im Jahr 1660 im Zuge der englischen Revolution handelt. Zumeist zog man es – genau wie im höfischen Roman – vor, die Handlung in ferne Räume und Zeiten zu verlegen. Entsprechend werden die Trauerspiele Lohensteins in türkische, römische und afrikanische rubriziert. Damit befriedigte man gewiß auch das Interesse an exotischen Milieus. Viel wichtiger aber war es, daß die Dichter sich derart vor die Herausforderung gestellt sahen, aktuelle Ereignisse und Probleme in verdeckter Manier, nämlich gespiegelt in Vorgängen einer fernen Vergangenheit unter fremden Völkerschaften zur Darstellung zu bringen. Sie bewiesen derart nicht nur Scharfsinn und Gelehrsamkeit, sondern muteten auch ihren Zuhörern das Wagnis zu, im verfremdeten Kostüm die eigene Zeit verborgen zu sehen und die hin und herlaufenden Fäden zu verknüpfen. Barockes Drama ist durch und durch allegorisch durchwirkt. Das macht seinen Reiz aus, begründete aber für die nachfolgenden Zeiten zugleich die Schwierigkeiten des Umgangs mit ihm. Es will immer zugleich angeschaut und entziffert werden.

Präsenz Roms in Breslau: Ein abschließender Blick auf Lohensteins ›Epicharis‹ Blicken wir also abschließend auf ein Beispiel. Ein jeder Text käme mit gleichem Recht in Frage. Wir entscheiden pragmatisch. In der Spielzeit des Jahres 1977/78 wurde von dem Schauspielhaus in Köln der Versuch gemacht, ein seit Jahrhunderten nicht mehr aufgeführtes Drama zumindest für eine Weile auf die Bretter einer Bühne zurückzuholen.52 Dafür waren in der Branche unübliche Vorkehrungen zu treffen. Ein wissenschaftlicher Beirat wurde bestellt. Die Erarbeitung einer Bühnenfassung vollzog sich im engen Zusammenwirken mit

327

328

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Experten. Gewählt hatte man Lohensteins Epicharis. Womöglich versprach man sich von der aufs höchste gesteigerten Theatralik dieses Stücks, den aufgeputschten Leidenschaften und den massiv hineinspielenden Greuel- und Folterszenen einen Effekt beim medienverwöhnten Publikum. Vielleicht aber ging es auch nur um die Erinnerung an die untergegangene dramatische Welt des deutschen Barock, wo doch die großen Autoren der Romania und Englands, ein Calderón und Lope de Vega, ein Corneille und Racine, ein Shakespeare und Marlowe auf deutschen Bühnen keine Unbekannten waren. Wie auch immer. Was bekam das Publikum zu Gesicht, wie nimmt sich ein uns Heutigen ferngerückter Text aus?53 Das Werk war, wie erwähnt, im Mai 1666 abwechselnd zusammen mit Lohensteins Agrippina von den Schülern des Breslauer Elisabethgymnasiums aufgeführt worden. Lohenstein hatte sich, wie immer, vielfältiger Quellen aus der Antike, und zumal aus Frankreich bedient. Das tat dem Charakter des Werkes keinen Abbruch, forderte im Gegenteil dazu heraus, die dem Text eigene Stoßrichtung herauszufinden. Der Schlüssel liegt in aller Regel in der genauen Beobachtung der Signale, die hindeuten auf die zeitgenössische politische Situation im weitesten Sinn. Ein Politiker wie Lohenstein verleugnete sich auch als Dichter nicht. Aber er betätigte sich auch nicht als Propagandist. Kunstvoll eingewoben in das dramatische Geschehen sind die zeitgeschichtlich relevanten Impulse. Nur ein von den Musen gewirktes Gewebe ist des betrachtenden Nachsinnens wert. Diese humanistische Erbschaft verlor sich auch im 17. Jahrhundert keineswegs. Lohenstein war wie Gryphius und auf andere Weise Hallmann ein Meister des Verknüpfens der dramatischen Fäden und des Ponderierens der Gewichte. Das Drama spielt zur Zeit Neros, gehört also wie die etwa zeitgleiche Agrippina zu den ›römischen Trauerspielen‹ Lohensteins. Die beiden Dramen sind von ihrem Schöpfer unverkennbar komplementär angelegt. Im Verbund der Aufführungen, wie er für Breslau bezeugt ist, kam dieser Zusammenhang auch in der theatralischen schulischen Praxis zur Geltung. In beiden Fällen stützte sich Lohenstein auf den römischen Historiker Tacitus und dessen Annalen, die in den Jahren 112ff. nach Christus entstanden waren. Die Stunde des Römers kam bezeichnenderweise um 1600 inmitten der konfessionellen Bürgerkriege und der Herausformung des modernen Staates. Der große niederländische Staatsdenker und Politologe Justus Lipsius hatte in den Jahren 1574–1575 eine erste Tacitus-Ausgabe geschaffen, die bis 1600 sieben weitere Auflagen erlebte. Sie war ausgestattet mit einem vorbildlichen Kommentar, den auch Lohenstein benutzte. Der italienische Staatsmann und Historiker Guicciardini, der französische Moralist Montaigne, der Lohenstein besonders faszinierende Spanier

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Baltasar Gracián und ungezählte andere schätzten Tacitus gleichermaßen. Die europäischen Moralisten gingen bei ihm in die Schule. Die politischen Köpfe verbanden ihre Bewunderung für den Römer mit der für den modernen niederländischen Staatsdenker. Auf dem Titelblatt der Ausgabe finden sich Tacitus und Lipsius als die Stammväter politischen Denkens im neueren Europa sinnfällig gemeinsam porträtiert.54 In seinen Annales behandelt Tacitus die Regierungszeit der römischen Kaiser Tiberius, Claudius und Nero. In seinen beiden Trauerspielen Agrippa und Epicharis greift Lohenstein auf zwei in den Annalen besonders hervorstechende Ereignisse zurück: Die Ermordung der Kaisermutter Agrippina durch ihren Sohn Nero im Jahre 59 (ann. 14, 1–13) und das Scheitern der gegen Nero gerichteten Pisonischen Verschwörung im Jahre 65 nach Christus (ann. 15,47.74), in deren Zusammenhang auch der Philosoph und Dramendichter Seneca den Tod fand. In dem ersten der beiden Dramen stellt Lohenstein den Mord der Agrippina als die Folge eines Mutter-Sohn-Inzests dar. Agrippina greift zu diesem letzten Mittel, um ihre Konkurrentin, Neros neue Favoritin Poppaea, auszuschalten. Beide Frauen buhlen um die Gunst Neros, beide setzen zur Erreichung ihrer politisch motivierten Ziele ihre körperlichen Reize ein. Als ein Ratgeber Neros den Kaiser zu überzeugen vermag, daß hinter der Bereitschaft zur Blutschande die zum Umsturz sich verberge, erdolchen Häscher sie in ihrem Bett. Ambivalent hat Lohenstein Agrippinas Rolle angelegt. Maßlose Ehrsucht läßt sie zum Erlangen ihrer Ziele zu einem letzten Mittel greifen. Heroisch nimmt die Lasterhafte den Tod auf sich. Der Geist der Toten kommt mitsamt den Furien qualvoll über das Gewissen des Muttermörders. Blinde männliche ›Wollust‹ und machtlüsterne weibliche Verstellung stehen sich in der Agrippina diametral gegenüber. Aus ihrem Zusammenprall und dem Ringen der beiden Frauen bezieht das Drama seine innere Spannung. Ganz anders in der Epicharis. Die Heldin ist frei von Zwiegesichtigkeit. Ihr ganzes Trachten ist auf ein einziges Ziel gerichtet, in dessen Dienst sie sich bedingungslos stellt. Aus der Mitte der Verschwörer heraus wird ihr Aufstand gegen den Kaiser verraten. Er endet in einer Katastrophe, und in dieser offenbart sich zugleich das Wesen der Verschwörer, die von so ganz anderer Statur sind als die Titelfigur. Der Kaiser aber nutzt die Gelegenheit, gegen seinen eigenen früheren Lehrer und Minister vorzugehen, der im Kontext der Verschwörung in Ungnade fällt. Auch der Philosoph Seneca wird ein Opfer des gescheiterten Aufstandes. Vor allem dieses Ereignis schrieb sich in das Gedächtnis der Nachwelt ein und zeitigte Dramen und anderweitige Texte.55 Meisterhaft in dem Strudel des Untergangs ist die Titelheldin Epicharis positioniert. Sie

329

330

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

macht Lohenstein entgegen der Quellen zur treibenden Kraft des Geschehens und zur Seele der Verschwörung. Bezeugt war, daß sie im Gegensatz zu den Männern der Folter tapfer standhielt und niemanden verriet. Daran vermochte der Dichter anzuknüpfen und sie zur Heroin zu erheben. Und das im Interesse einer großen Idee, welche ihre Leuchtkraft über die Zeiten hinweg bewahrte. Der erste Akt gehört den Verschwörern und der Titelheldin. Aus dem Sklavenstand ist sie aufgestiegen und nach Rom in den Umkreis des Hofes gelangt. Zu einer tragenden Figur in einem Drama darf der Dichter gemäß der Ständeklausel sie nur machen, sofern sie hoher Abkunft ist. Die aber wird – wie so häufig im Drama und Roman der Zeit – erst viel später offenbar. Lohenstein hat die Exposition meisterhaft genutzt, um Epicharis im Gespräch mit den männlichen, zum Aufstand bereiten Protagonisten zu profilieren und in dem Stimmengewirr zugleich die großen politischen Fragen der Zeit ein erstes Mal anklingen zu lassen. Von dem Problem des Tyrannenmordes, das auch schon bei Gryphius verhandelt wurde und die zeitgenössische Publizistik aus naheliegenden Gründen beherrschte, nimmt die Diskussion ihren Ausgang. Lohenstein verbindet sie mit der gleichfalls brandaktuellen über die beste Regierungsform. Die meisten Stimmen erheben sich zur Befürwortung der Monarchie. Epicharis plädiert unbeugsam für eine vom Volk ausgehende und von ihm legitimierte politische Gewalt, und das aus einem einzigen Grund. ›Freyheit‹ ist derart am ehesten sichergestellt. Dieser Begriff durchzieht ihre Reden vom ersten Moment an. Und deshalb gilt, »daß das Haupt des Hauptes dieser Erden | Sol Rath und Bürger seyn« – genauso wie in Breslau herrschende Praxis.56 Auch Seneca ist indirekt am Gespräch beteiligt. Das aber nur, um seine Apathie gegenüber allen um die Politik kreisenden Fragen zu bekunden. Ihm ist kein wegweisendes Wort zu entlocken. Er hat abgeschlossen mit der politischen Hoffnung. Alles Wesentliche im Leben ist ganz in das Innere verlegt. Und dazu gehört die wie selbstverständliche Bereitschaft, jederzeit in den Tod gehen zu können. So sind gleich eingangs Positionen markiert, die dem Zuschauer erlauben, nach Orientierung im nachfolgenden Geschehen Ausschau zu halten. Eröffnet aber wird das Drama mit dem Bild des brennenden, in Auflösung befindlichen, in den Zustand der Natur zurückfallenden Rom, da der Frevel selbst vor den Göttern nicht Halt macht. Inmitten der Kaiserzeit gerät jedwede politische Ordnung in Verfall. Abgründe tun sich auf, wo doch das Kaisertum des Augustus eben erst mit dem Versprechen dauerhafter Friedensstiftung in die Welt getreten war. Wieder scheint das Unterste zuoberst gekehrt. Über die Zeiten hinweg zeigt die Geschichte ihr dunkles, ihr verhängnisvolles Antlitz. Keine Epoche war mehr darauf geeicht, eben diese Züge zu entziffern als

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

diejenige, in der die Bürgerkriege seit nunmehr einem Jahrhundert tobten. Rom ist das geschichtliche und dichterische Experimentierfeld, in dem eine unheilgeschwängerte Gegenwart ihr eigenes Schicksal gespiegelt sieht. Das barocke Drama ist politisches Drama durch und durch. Auch auf den Brettern der Breslauer Gymnasien wurden die weltpolitischen Fragen drängende ästhetische Gegenwart. Kein Bild, keine Rede, kein Geschehen im dramatischen Ablauf, dem nicht ein aktueller Zug anhaftete. Dieses von geschichtlichen Impulsen durchwaltete Theater bot einem Zeitalter unerschöpflichen Stoff, das um die Omnipräsenz und damit die Unentrinnbarkeit der Politik wußte. Ein jedwedes Private avanciert zum Exempel. Zu Recht hat man in Lohenstein den genuinen Wahlverwandten Schillers gesehen. Zu diesem Szenarium gehört, daß auch das scheinbar Menschlichste, daß auch die Liebe, restlos politisch infiltriert und funktionalisiert ist. Zu Beginn des zweiten Aktes – in der zeitgenössischen Sprache der ›Andren Abhandlung‹ – gesteht einer der Anführer der Verschwörer namens Peroculus der Epicharis seine Liebe. Sie schöpft sofort Verdacht, wittert Gefahr für die Verschwörer und greift zum Mittel der Verstellung. Ein jedes ›politisches‹ Mittel ist erlaubt, wo es dem rechten Zweck gilt. Dieser modernen Maxime getreu handelt auch Epicharis wie selbstverständlich. Und zudem weiß sie: Es ist die Zeit nicht angetan zum Lieben, solange das Scheusal des Tyrannen nicht beseitigt ist. Auch die Liebe hat so oder so ihren Tribut an die Politik zu entrichten. Tugend regiert vor Sinnenlust, öffentliches Wohl vor privatem Glück. In der Befolgung dieser einen essentiellen, weil staatstragenden Einsicht scheiden sich die Geister. Epicharis wird jedes Instrument zu handhaben wissen, das ihrer Überzeugung Geltung verschafft. Das begründet ihre Größe, ihre heldische Statur. Einer Frau ist es vorbehalten, politisches Ethos zu verkörpern. Wo die Männer – und so auch ihr Gegenüber – immer wieder den Reizungen der ›Wollust‹ erliegen, sich an die Leidenschaften, an die Natur und damit an das Geschichtslose und Nichtige verlieren, gebietet die Frau souverän über sich. Auch ihr Körper ist durch und durch funktionalisiert und politisiert. Er vermag als verführerische Waffe zum Erreichen selbstgesetzter Zwecke eingesetzt zu werden, und er ist als ein zum Erleiden gezwungener noch der grausamsten Folter gegenüber resistent. Freiheit, höchster Wert für die Heldin, bewährt sich am eigenen Leib als totale Verfügung über ihn. Vollkommenheit in diesem Sinn attestiert Lohenstein nur der Frau. Um verschmähter Liebe willen wird der Gedemütigte die soeben noch angebetete Geliebte und damit die Verschwörung verraten. Die Idee hat keine Macht über ihn. Die Liebeslust regiert vor dem Staatswohl. So kommt bereits im zweiten

331

332

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Akt die Stunde der ersten großen Bewährung für Epicharis. Sie hat sich vor den Augen und Ohren des Kaisers zu verantworten. Meisterhaft setzt sie neuerlich das Mittel der Verstellung ein und leugnet jedwede verschwörerische Absicht in Vergangenheit und Gegenwart. Sie wird überführt und weiß sogleich, was ihr bevorsteht. Man wird die Namen der Verschwörer aus ihr herauszupressen suchen. Ihre Antwort, die sie einem ihrer – vorerst noch – Getreuen offenbart: Sorg’t/ Freunde/ nicht für mich/ mir ist mein Leben feil Für euch/ Rom/ und die Welt. Jch wil höchst freudig sterben/ Kan ich die Leiche nur in Nerons Blutte färben. Der Hencker wird mich eh’ entseelt seh’n/ eh er mich Euch sol verrathen hör’n.

Die Reaktion des Angeredeten: Die Tugend freuet sich/ Wenn sie sol wider Neid und Blutt=Tyrannen kämpffen; Auch läß’t ihr Feuer sich in keinem Kercker dämpfen/ Nicht ihre Thätligkeit verhindern durch Gewalt. Der Kampff=Platz ist ihr Hauß/ Gefahr ihr Auffenthalt/ Der Sarch ihr Ehren=Thron. Ja aus den Todten=Knochen/ Die ein Tyrann erschell’t ein Hencker hat zerbrochen/ Steig’t ein belieb’t Geruch des Nachruhms in die Welt/ Der den Entgeisterten beim Leben noch erhält.57

Das ist heldisches Feuer pur, in Rom entfacht, auf einer jeden barocken Bühne neu auflodernd, und seien es auch nur die provisorischen Bretter eines Breslauer Gymnasiums. Lohenstein hat wie keiner in seinem Zeitalter sonst diesem Ethos Stimme und Statur verliehen. Und doch stellen sich sogleich Erinnerungen ein. Zu Anfang des Jahrhunderts, in Opitzens Trostgedichte in Widerwärtigkeit des Krieges, waren ganz ähnliche Töne erklungen. Opitz konnte sich seinerseits zurückbeziehen auf die großen Epiker aus dem Kreis der Hugenotten, einen Guillaume du Bartas und einen Agrippa d’Aubigné. Sie waren Zeugen der Greuel in der Bartholomäusnacht zu Paris gewesen, da Tausende von Hugenotten abgeschlachtet wurden. Er kannte die Widerstandsdichtung der Niederländer, die sich unerschrocken der spanischen Aggressoren zu erwehren hatten. In den europäischen Bürgerkriegen zwischen 1550 und 1650 sind nicht nur Bilder der größten Katastrophe seit Menschengedenken gezeugt worden, sondern zugleich

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

auch solche heroischen Todesmuts. Das aus den Bürgerkriegen aufgestiegene kaiserliche Rom, das zurückgefallen war in Tyrannei, stellte das geschichtliche Arsenal, dem die Szenen und Figuren entsprangen, welche im BürgerkriegsEuropa der neueren Zeit ihre verwandlungsreiche Wiedergeburt erfuhren. Der Blick in den Abgrund der Geschichte und die Zeugung einer unbändigen Kraft, die im Ruhm die Gewalt der reißenden Zeit überwindet, gehören zusammen. Lohensteins Werk steht dafür wie kein zweites ein. Nun ist es die Aufgabe, in den folgenden beiden Aufzügen die Verschwörer der Feuerprobe eines vor nichts zurückschreckenden blutrünstigen Tyrannen zu unterwerfen. Das Fazit ist ernüchternd genug. Willfährige Kreaturen sind am Hof sofort zur Stelle, um das Bad des Martyriums mit Lust zu bereiten. Unter den Verschwörern breitet sich die Botschaft, daß sie verraten seien, rasch aus. Schon dies genügt, um das Häuflein zu spalten. Befürworter und Gegner des Festhaltens am einmal eingeschlagenen Weg halten sich die Waage. Das läßt nichts Gutes für das Projekt erwarten. Die ganze Palette möglicher Reaktionen unter den Verschwörern fächert der Dichter auf. Piso, der dem Aufstand den Namen gab, entpuppt sich als Feiger und Zögerlicher, seiner Führerrolle nicht entfernt gewachsen. Aber auch bei allen anderen, die zunächst standhaft leugnen, reicht allein die Drohung mit der Folter, um sie zum Reden zu bringen und die Gefährten zu verraten. Einer nach dem anderen schwenkt um und zieht im Niedergang den Gesinnungsfreund zur Linken und Rechten mit in den Abgrund. In Rom ist niemand zur Stelle, der alte römische Tugend bewiese. Alle sind tingiert von dem Krebsgeschwür der öffentlichen, der politischen Nullität, wie es sich in der Kaiserzeit unaufhörlich fortgepflanzt hat. Die Stadt, der Staat sind reif für den Untergang, für das Verschwinden von der politischen Bühne. Um so leuchtender erstrahlt das Bild der Heldin. Einer aus der Ferne und dem Sklavenstand Kommenden ist es vorbehalten, als Inkarnation altrömischer Tugend zu figurieren und diese über die Zeiten hinweg zu bezeugen. Auch Epicharis streitet alles ab und nutzt zugleich die Gelegenheit, den Ruchlosen und seine Kreaturen zu schmähen und bloßzustellen. Keine Folter vermag ihren Geist zu brechen. »Die Marter sol mein Ruhm/ der Tod mein Siegs=Krantz seyn.« Das ist ihre Antwort. Eine ›Zauberin‹ dünkt sie dem Kaiser, der keine Macht über sie hat. Noch in der ärgsten Qual beschimpft sie ihn als ›Todfeind‹ und ›Blutthund‹, als ›Hencker‹ und ›rasend=tolle(n) Hund‹.58 Die Folter verkehrt sich vor aller Augen in ein Tribunal. Die zum Reden gezwungen wurde, soll nun am liebsten schweigen. Doch erst in der Ohnmacht verstummt sie. Als Siegerin verläßt sie anders als die männlichen Verschwörer den Schauplatz. Man trägt eine Bewußtlose, die nichts sich hat abringen lassen, in den Kerker.

333

334

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Unter den Verratenen ist auch Seneca. Er ist der einzige neben Epicharis, der sich nicht schrecken läßt. Er hat Sympathie mit dem Aufstand bekundet, nicht mehr. So braucht er nicht zu leugnen, gibt sich auf eine eindrucksvolle Weise unbesorgt um sein Leben; er lebt seine Philosophie und geht sokratisch heiter in den Tod. Der Körper stirbt nur einmal, die Tugend aber nie, so sein Diktum.59 Gleichwohl gibt auch er den Namen eines Verschwörers preis. Und das nicht aus Not, sondern aus Unbeteiligtheit. Das politische Getriebe ist ihm fremd, wo nicht verhaßt. Ganz auf sich zurückgezogen, kehrt er der Bühne der Welt den Rücken zu, anders als Epicharis unbesorgt darüber, was Undenkbares auf ihr sich ereignet. Der Stammvater des Dramas im Zeitalter der Renaissance und des Barock, er verbleibt in Lohensteins Werk zunächst über weite Strecken im Schatten der Heldin, und schwerlich will dies als ein Zufall erscheinen. Je mehr Namen von Verschwörern fallen, desto erschrockener muß der Kaiser erkennen, welch tiefe Wurzeln der Aufstand bereits in Rom gefaßt hat. An dem Kaiser klebt das Blut der Mutter. Nun färbt der Tiber sich blutrot. Fleckig macht der ›Blutt=Fürst‹ die sieben Berge rings um Rom. Kein Ort, der nicht von dem Frevel kündete.60 Rom, das ›Haupt der Welt‹, hat keinen Platz mehr, da es sich betten könnte. Weltuntergang herrscht. Und der Tyrann sucht – angestachelt von der nunmehrigen Kaiserin Poppaea, die ihn an Unmenschlichkeit überbietet – in den Untergang zu ziehen, wessen immer er habhaft zu werden vermag. Und das sind so gut wie alle, die sich soeben noch als Verschwörer groß getan hatten. Ein derartiges Szenarium, in die Vergangenheit Roms verlegt, war nur im Angesicht eines Katastrophen-Jahrhunderts inmitten der Konfessionskriege zu ersinnen, da alle Bande zerrissen waren und noch das Schändlichste mit dem Mantel des Göttlichen umgeben wurde. Wo aber der Menschen Kunst und Witz versagt, um dem Unheil zu wehren, macht Natur selbst die Rache sich zu eigen. Denn wie künden die römischen Berge zu Ende der dritten ›Abhandlung‹ im ›Reyen‹? Stopff ’ immer auf die Alabaster Röhren Du heil’ger Vater Apennin; Und laße sich der Tyber Wellen mehren: Daß sie den Blutthund reißen hin/ Den vnsre Schultern kaum mehr können tragen. Denn/ wo verspiel’t der Menschen Witz/ Da müßen/ Berge/ Flüße/ Blitz Ja Sternen selbst Tirannen niderschlagen.61

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

An der Heldin, an Epicharis, demonstriert das System seine Unmenschlichkeit, macht sie zum Exempel seiner Verworfenheit. Im Kerker erwacht die Geschundene. Als solche findet sie die Worte, die diese Wahrheit bezeugen. Brechen Tränen aus ihr hervor, so nicht wegen erlittener Qual, sondern vergossen aus ›Wehmuth‹ über das, was aus Rom wurde, das in den kaiserlichen Henkern sein wahres Antlitz offenbart. »Jtzt geh’t dem Vaterlande | Das Waßer biß in Mund«, so weiß sie.62 Im Schicksal der Epicharis tritt das des geschundenen Rom ans Licht. Epicharis steht im Übergang vom Leben in den Tod im Begriff, sich in ein Sinnbild der Verfaßtheit des Staates zu verwandeln. Ihr Leiden drängt auf den Schauplatz, sucht die Öffentlichkeit, nicht um Mitleid zu erheischen, sondern um Anklage zu erheben. Genügend Beispiele, angefangen bei Sokrates und Cato, hat sie zur Hand, wenn es gilt, den Sieg der Gerechten, der nach Freiheit Strebenden über die Tyrannen zu verkünden, gehört ihnen doch das Gedächtnis der Menschheit und also die Zukunft. Leid weiß sie als ein Geschenk umzudeuten; dies jedoch nicht aus christlicher Demut oder aus stoischer Ergebung, sondern aus einer heldischen Gesinnung heraus, die sich des Fortzeugens der gerechten Sache versichert hält. Ihr kämpferischer Mut ist ungebrochen, teilt sich mit, spornt an. Sie bleibt die Seele des Aufstands, der wahrlich nicht an ihr scheitert. Hat iemals hier/ wo Furcht und Nacht den Kärcker schwärtzen/ Die Tugend einen Geist/ solch Feuer zarte Hertzen Mit mehrer Krafft beseelt? Der müste steinern seyn Dem solch ein Helden=Strahl nicht flöste Flammen ein Zu reger Tapferkeit!63

Gehören Eingang und Mitte des Dramas Epicharis und den Verschwörern, so sein Ausgang in erster Linie Seneca. Auf grandiose Weise gelingt es dem Dichter, ein Fazit der innersten Antriebe derjenigen Philosophie zu ziehen, die dem Zeitalter die kostbarste blieb und in einer Gestalt wie der des Lipsius soeben eine überzeugende Reformulierung gefunden hatte. In der ›Pest Der Zeit‹ leben sie.64 Darauf antwortet die Philosophie Senecas wie auf andere Weise die heldische Tat der Epicharis. Das dramatische Kalkül könnte nicht überzeugender funktionieren. Seneca verweist selbst auf den inneren Zusammenhang der beiden Personen, die zugleich zwei Lebensformen verkörpern. Einer Heldin und einem Weisen können keine äußeren Mächte etwas anhaben, sie versagen vor einem Inneren, das mächtiger ist als diese.65 Diesen Faden spinnt Seneca nun weiter. Ein Weiser läßt sich nicht instrumentalisieren, nicht für die schlechte, aber auch nicht für die gute Sache. Er ist der leibhaftige Widersacher der Zeit

335

336

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

und all dessen, was Gutes und Böses an ihr haftet. Welten liegen zwischen dem Weisen und dem Mystiker. Und doch verlaufen über diesen einen Punkt Verbindungslinien, über die nachzudenken wäre. Seneca lehnt den Tyrannenmord ab, und das einfach deshalb, weil ein Stellungnehmen zugleich ein Einlassen auf die Welt implizierte. »Kein Recht vergönnt mir mich am Nero zu vergreiffen.«66 Es ist das selbstgesetzte Recht der Selbstbescheidung, das da ins Spiel kommt. Es steht quer zu jedwedem politischen Aktionismus und konnte als Ideal nur im nachrepublikanischen Zeitalter geboren werden. Senecas Philosophie bleibt der Kaiserzeit im Innersten verhaftet, da Epicharis über sie hinausweist. Wo Seneca über die Zeiten hinweg immer wieder Trost spendete in den Unbilden der Zeit, da vermochten sich alle auf Widerstand geeichten Personen und Epochen in der Heldin Epicharis wiederzuerkennen. Am Schlusse jedoch finden beide Protagonisten sich vereint. Und das nicht nur in der unerschrockenen Todesbereitschaft, sondern auch in der gemeinsamen Schmähung des Kaisers und seiner Trabanten. Erst als Seneca einstimmt in die Geißelung des Verruchten, erkennt Epicharis ihn wieder als den einstmals Verehrten. Als sein Haupt fällt, labt sie sich an seinem Blut zum Zeichen ihres im Tode erneuerten Einsseins. Das Urteil Senecas und Epicharis’ über ihre eigene Gegenwart ist ein nämliches. Nun aber liegt das schmähende Wort bei Seneca. Er muß sich einbekennen, daß sein Erziehungswerk am Kaiser gescheitert ist. Weise sein heißt durchaus nicht, auf Urteil zu verzichten. Die Reden, die der Dichter ihm im Schlußakt in den Mund legt, hätten nicht vernichtender ausfallen können. »Unzucht/ Brand und Morden«, so der Philosoph, ist »Des Käysers Zeit=Vertrieb der Römer Schauspiel worden.«67 Das Schauspiel, welches da zu Ende des 17. Jahrhunderts in Szene gesetzt wird, es ist Wirklichkeit gewesen im Rom Neros. Diese Differenz von Geschichte und Kunst zeichnet sich zum Schluß ab. Das Rom Neros, das kaiserliche Rom, ist dem Untergang geweiht. Das entweihte Kaisertum ist weitergewandert, hat bei den Habsburgern seine Heimstatt gefunden. Bei ihnen steht es, die kaiserliche Idee mit neuem Leben zu erfüllen. Kaiserliches Wirken beruht auf Gerechtigkeit, und die schließt Lebensrecht für alle Stände und Konfessionen ein. Auf den rex iustus laufen alle Linien in Drama und Epos zu, ohne daß dieser in Erscheinung träte. Er wird im letzten ›Reyen‹ nach dem vierten Akt geheimnisvoll geweissagt. Da treten die drei von Rom unterjochten Erdteile Europa, Asien und Afrika gemeinsam mit Rom und der Sibylle von Cumae auf. Die Rache wird nicht auf sich warten lassen; von der Geschichte gerächt, werden sie das in Schmach und Schande daniederliegende Rom beerben, um als verjüngte neu in die Weltgeschichte einzutreten.

Deutsche Dichtung zwischen Opitz und Lohenstein  |

Große Götter/ wie viel Jahre Sol der Welt=Kreiß eine Baare Rom der Völcker Zuchthauß seyn? Jeder Abgott tritt mit Füßen Uns/ die wir ihm opffern müßen/

Schleust in Stahl und Stein uns ein. Schickt demnach gerechter Sache/ Große Götter/ Rache Rache!68

Sie naht und die cumäische Sibylle weiß darum. Die geknechteten Völkerschaften dürfen Hoffnung schöpfen. Bei ihnen liegt die Zukunft. Wol! wol! Die gerechte Rache Nimmt sich unser gutten Sache Mit gewünschtem Nachdruck an. Ja nun Rom nur muß erfahren: Daß kein Wolf geraubte Wahren Ohne Schmertz verdeihen kan; Haben unsre Schmertz= und Wunden/ Rache/ Salb’ und Pflaster funden.69

Mit dieser Botschaft bescheidet sich der Dichter. Mehr war nicht vonnöten, um in das römische Drama eine von Grund auf erneuerte Herrschaft einzuschreiben. Der Politiker Lohenstein hatte sich auf der Bühne nicht zu verleugnen. Er nahm wie ein Hoffmannswaldau, wie auf andere Weise ein Gryphius eine so nur in Schlesien gegebene geschichtliche Figuration auf und verlieh ihr dauerhaftes Lebensrecht im dichterischen Wort. Den Städten, dem Adel, den Fürsten sollte in der Monarchie ein Forum der Entfaltung gewährleistet bleiben, welches das Siegel und den Namen des römisch-deutschen Kaisers trug. Alle Stände wurden folglich genauso wie der Kaiser von Lohenstein widmend bedacht. Die Epicharis ist Otto von Nostiz zugeeignet. Er war Landeshauptmann von Breslau und später auch von Schweidnitz und Jauer. Als Förderer der Künste und Wissenschaften selbst ein namhafter Sammler von Büchern und Gemälden, stand er ein für eine alteuropäische geschichtliche Kultur, die auch die Exponenten der modernsten politischen und literarischen Bewegung im 17. Jahrhundert immer noch als die ihrige betrachteten. So zeichnet sich – ungesagt – auch in der Epicharis das letzte große Projekt des Dichters ab, das dem Arminius-Roman und damit einer gewaltigen epischen

337

338

|  Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts

Krönung galt. Nur in einem Land, das in Identität und Differenz zum Kaiserhaus der Habsburger sein Lebensrecht besaß, vermochte die monarchische Utopie in ihrer geschichtlichen Tiefendimension gestaltet zu werden. Wie in der religiösen Mystik, so lag auch in der coincidentia oppositorum der politischen Vision die Mission Schlesiens in des Landes größtem dichterischen Jahrhundert.

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren

Wir haben unseren Gang durch das 17. Jahrhundert mit einem Blick in ein Werk des Daniel Casper von Lohenstein beschlossen – und das in dem Wissen, daß noch vielerlei zu berichten wäre. Wir haben so gut wie kein Wort verloren über die schlesische Mystik, die auch in Breslau eine Heimstatt besaß. Zwischen Görlitz und Breslau verliefen zur Zeit Jakob Böhmes die lebhaftesten Verbindungen. Ein Dichter wie Angelus Silesius fand seine letzte Ruhestätte im Schatten der Matthiaskirche. Eine andere Leitfigur wie Daniel Czepko weilte immer wieder in der schlesischen Hauptstadt. In der späteren Zeit prägte der in Breslau gebürtige Quirinus Kuhlmann das Bild lyrischen geistlichen Schreibens und riß die Zeitgenossen mit seinen prophetischen Sendschreiben in den Bann – und so in einem fort. Wir müssen uns bescheiden, schreiben keine Literaturgeschichte Breslaus. Vielerlei soll zu seinem Recht kommen. Entsprechend verzichten wir darauf, eines der faszinierenden Kapitel der frühneuzeitlichen literarischen Bewegung aufzublättern, nämlich den Übergang vom 17. zum 18. Jahrhundert zu verfolgen. Breslau im engeren, Schlesien im weiteren Sinn bieten dafür ein ideales Beobachtungsfeld. Der lyrische Elan bleibt über das Ende des Jahrhunderts hinaus erhalten. Wie vieler Namen wäre zu gedenken. Ein Heinrich Mühlpfort oder Hans Assmann Freiherr von Abschatz, ein Christian Gryphius oder Hans von Assig wären zu würdigen, von einem nochmals Großen wie Johann Christian Günther gar nicht zu reden. Ihre Namen und mancher andere sind auch mit Breslau verbunden. Und dann der dramatische Vorgang einer allmählichen Lockerung des hochbarocken Schreibgestus! Nirgendwo läßt es sich intensiver studieren als in Schlesien. Die erwähnte siebenbändige Neukirchsche Sammlung vornehmlich schlesischer Autoren bietet das beste Beispiel für diesen spannenden Prozeß des Eindringens klassizistischer Normen, in denen ein neues aufgeklärtes Stilideal sich Bahn bricht. Breslau führt den Prozeß noch einmal an. Doch nun ist unverkennbar, wie die Stafette auf neue literarische Hochburgen übergeht. Leipzig, Hamburg, Zürich treten hervor, um nur drei Namen zu nennen.

340

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Nehmen wir also Abschied vom literarischen Breslau, so ist dieser ein schmerzlicher, mit Verzicht verbundener. Eine andere, eine weniger beachtete Seite im geistigen Leben Breslaus will aufgeschlagen sein, wenn es denn um das letzte frühneuzeitliche Jahrhundert, das der Aufklärung im Spiegel der schlesischen Metropole gehen soll. Das 18. Jahrhundert ist noch einmal so reich an produktiven Geistern wie nur je zuvor. Ein neuer Impetus ist zu vernehmen. Eine Phalanx von namhaften Gelehrten ist in Schule, Kirche und Bibliothek zugegen, die um die große Vergangenheit Schlesiens und seiner Hauptstadt weiß. Ehrfurcht regt sich. Und das Bewußtsein einer Verpflichtung. Ein Erbe will angeeignet, erschlossen und der Gegenwart zugeführt werden. Darauf haben die Besten im neuen Jahrhundert von dessen Anfang bis zu seinem Ende ihre Kräfte gewandt. Das 18. Jahrhundert ist auch in Breslau eines der schöpferischen Restauration. In schier unfaßlichem Arbeitseifer wurde Kärrnerarbeit geleistet, Summen gelehrten Lebens gezogen, eine unerschöpfliche Vergangenheit in Bibliographie, Edition und Darstellung der Gegenwart als Ansporn und Auftrag zugeführt. Nie wieder hat Grundlagenforschung einen so unverächtlichen Klang besessen. Wir verharren in Respekt vor dieser entsagungsvollen Tätigkeit, bleibt sie doch einer jeden Generation neu aufgetragen, die sich aufgeklärten Impulsen verpflichtet weiß. Mit Freude nehmen wir die Gelegenheit wahr, große Namen und Projekte aus Breslaus aufgeklärtem Jahrhundert erinnernd zu vergegenwärtigen. Und noch einmal geschieht dies über Personen, die oftmals an vorderster Spitze wirkten, gerne aber auch im eher Unscheinbaren verblieben.

Zwei Gestalten des Übergangs: Nicolaus Henel von Hennenfeld und Martin Hanke Auf der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert stand eine imponierende Gestalt wie der Jurist und Politiker, Historiograph und Schöpfer von Hunderten von Gelehrtenporträts, Nicolaus Henel von Hennenfeld. Sein Name ist uns auf unserer Wanderung wiederholt begegnet. Wie hätte es anders sein können? In schier unvorstellbarer Arbeitskraft gelang es ihm, die Grundlagen für eine schlesische Landeskunde auf zahlreichen Gebieten zu legen. Das Schicksal wollte es, daß nur ein Bruchteil von dem Erforschten an die Öffentlichkeit gelangte. Die großen Würfe, häufig überhaupt erst in einem zweiten Anlauf als solche sich herausformend, verblieben im Status des Manuskripts. Zu unruhig waren die Zeiten, zu sensibel die von ihm umkreisten Bereiche, als daß eine dem Calvinismus sich zuneigende Gestalt wie Henel sich ungefährdet als Autor hätte exponieren können. Seine große schlesische Landeskunde Silesiographia wurde

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

ebensowenig in der zweiten gänzlich umgearbeiteten Auflage veröffentlicht wie seine Gelehrtenvita Silesia Togata. Er mußte es nicht mehr erleben, wie diese seine beiden Hauptwerke um die Jahrhundertwende einem Jesuiten in die Hände fielen, der sie von verdächtigen Passagen reinigte und in einem klug disponierten gewaltigen Kompendium unter dem Titel Silesiographia Renovata zusammenführte. Handschriften des ursprünglichen Textes kursierten genügend in Schlesien. Beide Werke waren wiederholt abgeschrieben worden. Die Kenner wußten, was sie an ihnen hatten. Bis heute sind die originalen Fassungen in gedruckter Version nicht zugänglich. Und der Zweite Weltkrieg hat auch im Falle Henels grausame Ernte unter dem reichen nachgelassenen Erbe gehalten.1 Wir vermeinen, die Stimme eines Wahlverwandten zu vernehmen, wenn wir uns auf der Schwelle zur Aufklärung nun einer Gestalt wie Martin Hanke zuwenden. Ein Indiz für diese geistige Nähe ist der Umstand, daß sich auch Hanke an der Überlieferung des Henelschen Werkes als eifriger Abschreiber beteiligte. Die als verläßlichste Version geltende zweibändige Silesia Togata entstammt seiner Feder. Hanke aber hat wie kein zweiter das gelehrte Vitenwerk seines Vorgängers in eigener Regie fortgesetzt. Und wie im Falle Henels ist auch in demjenigen Hankes nur ein Bruchteil zur Publikation gelangt. Die große Masse schlummert unter den Handschriftenbeständen der Breslauer Universitätsbibliothek. Und wie im Falle Henels ist auch im Falle Hankes der handschriftliche Nachlaß Hankes 1944/45 schwer versehrt worden. Wir haben die Jahre über stets erneute Recherchen angestellt und uns um eine Synopsis des Geretteten bemüht. Es bleibt fast unverständlich, daß das Henelsche wie das Hankesche unschätzbare bio-bibliographische Werk nicht seit langem fachkundige Editoren gefunden hat. Unser Bild vom gelehrten Schlesien in der Frühen Neuzeit sähe anders aus, wenn uns diese Kompendien gut erschlossen verfügbar wären. Einem der Großen im Fach des schlesischen Buch-, Bibliotheks- und Archivwesens, dem langjährigen Direktor des Breslauer Stadtarchivs und der Breslauer Stadtbibliothek verdanken wir die Wiederentdeckung Martin Hankes. Auch er ist uns immer wieder begegnet. Nun lernen wir ihn in diesem abschließenden Kapitel noch einmal als Porträtisten und Sachwalter der unerschöpflichen Hinterlassenschaft seiner Vorgänger im weiteren Sinn kennen. Hermann Markgraf hat uns in einem kleinen Absatz vor seiner Vergegenwärtigung von Leben und Werk Hankes in der ihm eigenen Bescheidenheit wissen – oder besser vielleicht: ahnen – lassen, was es für ihn bedeutete, mit den Handschriften und Büchern auch dieses Gelehrten wie so vieler anderer täglichen Umgang pflegen zu dürfen.

341

342

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

»Und wenn man dann, durch die Bibliotheksräume gehend, ihre Bildnisse von den Wänden herabgrüßend anschaut und sogar des Vorzugs sich erfreut, sie als seine eigenen Vorgänger in der Hut der Bücherschätze ansprechen zu können, so wächst dieses Interesse allmählich zu einer Intimität, daß man sich über die Jahrhunderte hinweg ihnen als guten Bekannten nahe gerückt fühlt. Der Feder eines Riehl hätte es wohl gelingen können, den poetischen Reiz eines solchen Verhältnisses zu schildern; ich will nur in bescheidener Weise das Bild eines der Männer, die mir durch die Menge ihrer hinterlassenen Manuskripte aus einem mir näher vertraut gewordenen Wissensgebiet erst Arbeit und dann Teilnahme abgenötigt haben, zu erneuern suchen.«2 Das ist dem Verfasser wahrlich gelungen. Wir haben neuerlich nicht mehr zu tun, als einer fachlichen Autorität zu folgen, stets glücklich darüber, wenn eine solche vorhanden ist. Das Vermitteln von Wissen über die Zeiten hinweg ist eine Kunst, die ihre eigenen Gesetze kennt und ein unverächtliches Geschäft darstellt. Geht es doch immer darum, Vergessen entgegenzuarbeiten. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Weit zurückliegende Leistungen und die mit ihnen verbundenen Personen wollen von einer jeden Generation neu angeeignet werden. Eine auf diesem Feld sich abzeichnende Geschichte ist selbst eine eigene und darstellungswürdige. Nur ausnahmsweise ist der jeweils Schreibende oder Sprechende der erste, der von einer Entdeckung zu künden hat. Fast immer hat er Vorläufer, und sei das von ihnen bereits Geleistete noch so geringfügig und unspektakulär. Gut angelegte Anmerkungsapparate leben von diesen Hinweisen auf vom Vergessen bedrohte Zeugnisse. In den Geisteswissenschaften aber gibt es nichts, das preisgegeben werden dürfte. Auch die in einer jeden neuen Gegenwart Tätigen werden eines gar nicht fernen Tages auf Menschen angewiesen sein, die ihre Arbeit zu würdigen und fortzuschreiben wissen. Wir also halten uns für eine bemessene Weile an der Seite unseres verehrten Vorgängers, sind aber natürlich gerüstet, eigene Recherchen mit in das Vorzutragende einzubeziehen. Denn seit dem Zweiten Weltkrieg ist nichts mehr so wie es über Jahrhunderte war. Jeder Baustein muß neu gesetzt und der Wiedergewinnung eines neu zu erstellenden Gebäudes des Wissens zugeführt werden. Die ehrwürdige Disziplin der Grundlagenforschung meint nichts anderes als eben dieses entsagungsvolle und doch so beglückende Geschäft. Martin Hanke »entstammt einer jener zahlreichen Familien Oberschlesiens, die im 16. und 17. Jahrhundert, bis zu der gewaltsamen Durchführung der Gegenreformation in Oberschlesien und damit der Unterbindung seines Verkehrs mit den im geistigen Leben führenden Gegenden Deutschlands, im Landes-, Stadt- und Kirchendienst sowie in der geistigen Bewegung des schlesischen

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Stammes eine erheblich größere Rolle gespielt haben, als dieses Oberschlesien nachher je wieder beschieden gewesen ist. Sein Vater, Magister Johann Hanke, Sohn eines Leobschützer Ratsherrn, hatte nach Bekleidung mehrerer Pfarrämter in Oberschlesien die Pfarre zu Borne im Neumarktischen erhalten; seine Mutter Agnes stammte ebenfalls aus dem Jägerndorfer Fürstentum und war die Tochter des Fulsteinschen Predigers Martin Pittich. Seine Geburt, am 15. März 1633, fällt in das verheerendste aller Pestjahre, die Schlesien erlebt hat. Dazu war der Feind im Lande. Da ging es knapp zu im Pfarrhause zu Borne, zumal die Frau Pastorin ihren Eheherrn mit zehn Kindern beschenkte. Indes wurde der Vater drei Jahre nach Martins Geburt an die Barbarakirche in Breslau berufen. So jung nach Breslau gekommen, konnte der Sohn später dieses wohl als seine Vaterstadt ansehen, lieben und rühmen. In jenen Zeiten eines noch unentwickelten Staatsgefühls nahm die Heimatsliebe in den Gemütern der Menschen einen besonders breiten Raum ein.«3 So der souveräne Landeshistoriker, der das Individuelle mit dem Allgemeinen wie selbstverständlich zu verknüpfen weiß – die wichtigste, einem jeden Biographen abverlangte Tugend. Wir zitieren ihn nicht nur, um ihm die Ehre zu geben, sondern auch, um an Personen, Orte und Ereignisse zu erinnern, die sich für Kenner dieses Landstrichs auch heute noch mit Anschauung verbinden mögen. Als einen Breslauer also dürfen wir auch Martin Hanke unserer kleinen Porträt-Galerie zugesellen. Und das nun vor allem von Ausbildung und Wirkungskreis her. Auf dem Elisabethgymnasium erhielt er unter Rektor Elias Major seine schulische Erziehung. Anläßlich der Schulfeiern trat er, deutsche oder lateinische Verse oder Prosapartien deklamierend, kontinuierlich hervor. Besonders viel verdankte er Christoph Köler, sodann Johann Gebhard, der, wie erwähnt, die reiche Rhedigersche Bibliothek betreute und als ihr Historiker hervorgetreten war, schließlich Johann Fechner, dem Dichter der Schönheiten des Riesengebirges. Frühzeitig ließ er sich in Frankfurt an der Oder in die Matrikel der Universität einschreiben. In Jena widmete er sich weniger den ihm eigentlich aufgetragenen theologischen als vielmehr den philosophischen und philologischen Studien, und beteiligte sich an den beliebten Disputationen. Bereits 1654 trat er mit einer Centuria epigrammatum hervor, die er dem herzoglich Gothaischen Kanzler Georg von Franzke widmete. Franzke war kaiserlicher Pfalzgraf, durfte also Dichterkrönungen vornehmen, und so wurde auch Hanke mit der Würde eines poeta laureatus bedacht. 1656 erschien daraufhin in Jena ein kleines Bändchen Teutscher Getichte des Laureaten. Sie sind besser, als der Biograph es mit seinem Gewährsmann August Kahlert, den Vorurteilen seiner Zeit in poetischen

343

344

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Dingen verhaftet, wissen konnte. Als Mentor des thüringischen Adeligen Gideon von Wangenheim verdiente er sich sein Studium. Mit ihm lebte er im Hause des Theologen Christian Chemnitz. 1656 legte er sein Magisterexamen ab, ein Ereignis, das selbstverständlich auch poetisch gefeiert wurde.4 Durch Franzkes Vermittlung kam er als Lehrer nach Gotha. Dort hatte Herzog Ernst der Fromme beim Aufbau seines Fürstentums dem Schulwesen besondere Aufmerksamkeit angedeihen lassen. Hanke gelangte an eine der modernsten Anstalten. Im ›Auditorium extraordinarium‹ des Schlosses, das der Herzog eigens hatte herrichten lassen, lehrte er Adelige und die besten Schüler des Gymnasiums Physik, Ethik, Politik und Historie. Hanke konnte hier die reiche Büchersammlung im Hause Franzkes benutzen. Als sein Gönner starb, widmete Hanke ihm eine Gedenkschrift.5 Der Herzog übertrug ihm auf seinen Wunsch hin statt der Physik die Fächer Logik und Dichtkunst. Und er beauftragte den begabten jungen Mann mit der Abfassung eines geschichtlichen Lehrbuchs. So schienen sich die Wege in Gotha zu ebnen und auf eine Stelle in dem attraktiven Herzogtum hinauszulaufen. Als freilich 1661 ein Ruf an das Elisabethgymnasium erfolgte, zögerte Hanke nicht. Seine Laufbahn in Breslau begann. Historie, Ethik, Politik und Rhetorik im Zeichen Roms sollte er vornehmlich dozieren, so hieß es in dem an Hanke ergangenen Ruf. Das kam dem Adepten mit ausgesprochen historischen Neigungen entgegen. Aber es waren gewiß eben auch spezielle Vorzüge Breslaus, die schließlich den Ausschlag gaben. »Bei seinen Erwägungen über Annahme oder Ablehnung dieses Rufes schien ihm auch der Dienst in einer städtischen ›Republik‹, die stark genug sei, den Protestantismus für ihre Bewohner zu schützen, vor dem Dienste eines Fürsten den Vorzug zu verdienen, auch wenn dieser ein so ausgesprochener Freund des Schulwesens war, wie Herzog Ernst.«6 Hanke heiratete die Tochter seines Lehrers Fechner, der inzwischen zum Rektor des Gymnasiums bei St. Maria Magdalena aufgestiegen war, und die gesamte gelehrte Zunft huldigte dem Paar in einem Epithalamium. Aus den Vornamen ›Martinus‹ und ›Theodora‹ ließ sich per Anagramm das Motto ›Durat amor honesti‹ gewinnen. Unter ihm standen die Glückwünsche.7 Hankes amtliche Laufbahn verlief problemlos und in stetigem Aufstieg. 1681 wurde er Prorektor des Elisabethgymnasiums, 1688 Rektor als Nachfolger von Elias Thomae. Über zwanzig Jahre, bis zu seinem Tod im Jahr 1709, hatte er das zentrale städtische Amt inne, nachdem er das Rektorat des Magdalenengymnasiums nach dem Tod seines Schwiegervaters abgelehnt hatte. Von 1670 bis zur Übernahme des Rektorats verwaltete er auch die Rhedigersche Bibliothek,

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

die dank Henels juristischem Beistand zu einem öffentlichen Institut erhoben worden war, ihren Platz aber im Elisabethgymnasium behielt. Zahllose Bücher vermachte er ihr, sie alle am Schluß ausgezeichnet mit seinen Initialen ›M.H.‹ und versehen mit dem Zusatz ›Aeternitatem cogita‹. Mit dem Bibliotheksamt war die Aufsicht über die Buchhandlungen und die Handhabung der Zensur verbunden. Hanke spielte also im gelehrten Leben der Stadt rasch eine hervorragende Rolle. Seinen weit über die Stadt hinausreichenden Ruf aber erwarb er sich über seine gelehrten Studien. Mit einem Werk zu den römischen Schriftstellern trat er bereits im Jahr 1669 hervor. Es handelte sich um eine in der Zeit beliebte Auflistung derjenigen Autoren, die über römische Geschichte gearbeitet und publiziert hatten, keinesfalls nur der alten, sondern der bis in die Gegenwart hinein tätigen Gelehrten, also zugleich eine Bücherkunde, wie sie nun zu einer zentralen Disziplin aufrückte. Bis zu Johannes Freinsheim, dem bekannten Straßburger Historiker, der die verlorenen Bücher des Livius und Curtius ergänzt hatte, rückte er vor. Jeder Schriftsteller hat drei Rubriken: Vita, Scripta und schließlich Judicia, also Urteile über Person und Werk. Sechs Jahre später erschien ein Nachtrag. Das Werk verschaffte seinem Verfasser einen Ruf für Geschichte nach Jena, den er aber ablehnte. Ein weiteres, 1677 nachfolgendes Werk, widmete sich in einem analogen Verfahren den byzantinischen Schriftstellern. Dieses vor allem begründete Hankes Ruhm als den eines führenden Orientalisten seiner Zeit. Das Werk ist Kaiser Leopold gewidmet. Werk und Widmung brachten ihm eine Audienz in Wien ein. Sie blieb der Höhepunkt in seinem Leben.8 Hernach wandte sich Hanke der schlesischen Geschichte zu. Er ging zurück bis in die ersten bezeugten Anfänge und trat zunächst mit einer Untersuchung zu den Namen der Schlesier hervor. Die gesamte bis dato vorliegende Literatur wird beigezogen und kritisch überprüft. Ziel aber bleibt es, die These vom deutschen Ursprung der Bevölkerung zu erhärten. Noch im gleichen Jahr 1702 erschien sein Versuch über die älteste Geschichte Schlesiens bis in das Jahr 550 n. Chr. Auch dieses Werk ist von einem patriotischen Standpunkt aus gearbeitet. 1705 erfolgte die Fortsetzung für die deutsch-polnische Zeit bis zum Jahr 1170. Die nachfolgende Epoche, für die erstmals reichere Quellen vorliegen, kam leider nicht mehr zur Darstellung.9 Hanke verlegte sich auf ein anderes Thema, das für uns von erheblich größerer Bedeutung ist und ihn zu einer bis heute zu konsultierenden Autorität erhob. Als Biograph und Testimoniar der Schlesier ist er vor allem zu würdigen. Damit aber vollziehen wir den Übergang zu seinem immensen handschriftlichen Nachlaß, den er seinem Gymnasium vermachte.

345

346

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Das Viten-Werk Hankes Mit ihm trat Hanke in die Fußstapfen Henels. Dessen Sohn vermachte Hanke eine Handschrift von Henels Silesia Togata, die dieser abschrieb – das Original hat sich nicht erhalten! – und sodann auf eigenen Wegen fortschritt. Er verband diese Arbeit mit seiner schulischen Tätigkeit, indem er Schüler die von ihm ausgearbeiteten Biographien vortragen ließ. Zum Druck gelangten nur zwei Werke, in denen er 85 in Schlesien und 16 außerhalb Schlesiens geborene und hier heimisch gewordene Gelehrte der Zeit zwischen 1150 und 1550 porträtierte.10 Die Biographien der entscheidenden nachfolgenden Jahre fanden nicht mehr den Weg zum Verleger. Unter dem Titel Annales de Silesiorum rebus sind fünf Bände mit der Fortsetzung für die Jahre 1551 bis 1660 überliefert, ein weiterer für die Jahre 1661 bis 1700 wurde nicht mehr zu Ende geführt. Samuel Benjamin Klose widmete diesem unschätzbaren Zeugnis schlesischer Personenkunde eine Abschrift. »Diese schöne, bequem zu lesende Abschrift Kloses bietet jetzt in der Stadtbibliothek ein häufig benütztes Nachschlagewerk für die schlesische Personengeschichte.«11 Dieser Satz hatte bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts Geltung. Der Krieg hat auch diesem Memorialwerk herbe Verluste zugefügt. Wir haben an anderer Stelle einen genauen Überblick über das Vorhandene und Verlorene gegeben und müssen uns an dieser Stelle mit einem Verweis bescheiden.12 Hanke aber leistete mehr und anderes auf dem weiten Gebiet der schlesischen Personenkunde. Er sammelte in drei Bänden Grabschriften, in zwei weiteren Ehrenschriften und mancherlei mehr.13 Hanke machte sich aber auch um die Bildungsgeschichte Breslaus verdient. Seine in zwei Auflagen erschienene Kompilation der in den Breslauer Schulen wirkenden Gelehrten einschließlich der Schulpräsiden und Schulinspektoren ist eine bis heute gerne genutzte Quelle aus erster Hand geblieben.14 Hanke pflegte auch eine schöne Münzsammlung, die sein Sohn später der Stadt verkaufte. Dieser hat sich um das Werk seines Vaters sehr verdient gemacht. Hanke selbst hatte schon in den siebziger Jahren eine Sammlung und Publikation seiner Reden vorgenommen.15 Sein Sohn brachte das gesamte im weitesten Sinn als Gelegenheitsschrifttum zu qualifizierende Œuvre seines Vaters, wie es zumeist in Einzeldrucken vorlag, in einem mächtigen Folioband zusammen, der in der Stadtbibliothek Breslau verwahrt wurde.16 Zum Druck beförderte der Sohn posthum die sog. Monumenta Hankes.17 67 solcher Stücke sind in ihm vereint, die nochmals eine Fülle von biographischen Informationen enthalten. Das letzte ›Monument‹ entstammt der Feder von Gottlob Krantz und ist Hanke

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

selbst gewidmet. Der Band ist geziert durch ein sehr eindrucksvolles Porträt des Stechers David Tscherning. Es ging später ein in Johann Jakob Bruckers Ehrentempel der Deutschen Gelehrsamkeit, in dem die Erinnerung auch an Hanke wachgehalten wurde.18 Hanke war auf der Wende zur Aufklärung zur ersten Autorität der schlesischen Landes- und Personenkunde und speziell der Breslauer Biographik aufgerückt. Ein Maßstab war gesetzt, an dem die Nachfolger sich messen lassen mußten. Ein glücklicher Umstand hat einer Reihe großer Persönlichkeiten das gesamte Jahrhundert über die Feder geführt. Auch wir wollen ihr Gedächtnis ehren und wiederum das eine und andere Porträt zeichnen, auf strenge Auswahl und Verknappung bedacht.

Der Nachfolger Hankes im Amt: Das handschriftenkundliche Werk des Gottlob Krantz Dem Wirkungsraum Hankes kam zustatten, daß ein Nachfolger bereitstand, der wiederum eine ansehnliche gelehrte Statur besaß. Diese Figuren hätten selbstverständlich ihren Platz an einer Universität gehabt. Sie taten das ihre, um den akademischen Geist in den schulischen Mauern lebendig werden zu lassen. Alle einschlägigen Berichte versichern, daß das Niveau gerade in den oberen Klassen und zumal in der Prima dem an den Universitäten gleichkam. Eine Anstalt wie das Elisabethgymnasium in Breslau war in der Lage, das Fehlen einer Universität vergessen zu machen. Und das nicht zuletzt aufgrund des weiten räumlichen und sozialen Einzugsbereichs der Schüler, die es sich etwas kosten ließen, in der schlesischen Landeshauptstadt eine optimale Ausbildung zu erhalten. Begegneten ihnen Personen wie die hier porträtierten, so war sichergestellt, daß sie ein Leben lang von den empfangenen Anregungen zehren konnten. Hankes Freund Caspar Neumann, der Kircheninspektor und Pastor von St. Elisabeth, hielt die Trauerrede für den Verstorbenen. Hanke hatte selbst noch auf dem Krankenbett den Text für die Predigt bestimmt: »Ich habe einen guten Kampf gekämpft« (2. Timotheus 4,7–8). Sein Nachfolger im Amt aber machte es sich zur ehrenvollen Aufgabe, eine Funeralschrift zuwege zu bringen. Die Lehrer der drei Schulen zu St. Elisabeth, St. Maria Magdalena und St. Bernhardin widmeten ihm Trauergedichte, diejenigen vom Elisabethgymnasium auf Latein, diejenigen vom Magdaleneum auf deutsch und diejenigen der Schule zum Heiligen Geist in beiden Sprachen. Auch die Schüler wurden in den poetischen Nachruf einbezogen. 133 Schüler des Elisabethanums verfaßten kurze

347

348

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

lateinische Gedichte, während die Primaner der Magdalenenschule jeweils in einem lateinischen und einem deutschen Gedicht ihrer Trauer Ausdruck verliehen. Weitere Trauergedichte von Persönlichkeiten aus Breslau selbst sowie der näheren und weiteren Umgebung rundeten das Bild ab. In den Leipziger Acta eruditorum war ein ausführlicher Nachruf zu lesen.19 Johann Jakob Brucker verewigte, wie erwähnt, in seinem Ehrentempel der Deutschen Gelehrsamkeit den Verstorbenen in Text und Bild. »Und heute? Zwar ist er eingesargt in dem großen Kirchhofe der Allgemeinen Deutschen Biographie, aber wer bleibt noch mit einiger Andacht an seinem Grabe stehen?«20 Diese vor hundert Jahren gestellte Frage hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Aus der Neuen Deutschen Biographie ist der Name Martin Hankes verschwunden. Sein Nachlaß ist anders als derjenige Henels nicht detaillierter erschlossen, geschweige denn wenigstens zu Teilen publiziert. Es bleibt anzukämpfen gegen das Vergessen, und rührige Hände wünschten wir vor allem vor Ort am Werk, um die Schätze gerade auch unter den Handschriften ans Licht zu fördern und der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Gottlob Krantz folgte Hanke im Amt des Rektors am Elisabethgymnasium. »Man sorgte, aus dem Bereiche der ganzen Provinz die gelehrtesten Männer für das Gymnasium zu gewinnen; es zeigte von ächt patriotischem Sinne das Streben, in dem Flor einer wohleingerichteten Schule den Ruhm der Hauptstadt zu erhöhen. Viel ward für die Unterhaltung des Lehrerpersonals gethan, und besonders waren die Professoren der obern Klasse in gewisser Beziehung den Lehrern der Hochschulen mehr gleichgestellt, als jetzt. Zu Anfange des 17. Jahrhunderts, ehe das Magdalenäum als Gymnasium ins Leben trat, hatte das Elisabethanum 17 ordentliche Lehrer, und lange Zeit unterrichteten in der Prima ausschließlich 5 Professoren. So war es natürlich, daß die Lehrer ihre Kräfte nicht zu sehr zersplitterten und sich mehr einem bestimmten Fachstudium ergaben, und daß namentlich das Elisabethan eine Menge geistreicher Männer als Glanzpunkte wissenschaftlicher Bestrebungen in unserm Vaterlande aufzuweisen hatte.« Zu ihnen gehörte zweifellos Hankes Nachfolger Krantz.21 Gottlob Krantz wurde 1660 zu Haugsdorf am Queis in der Oberlausitz geboren, war also zwei Jahre älter als Hanke. Dort wirkte sein Vater als Pastor. Nach Erhalt von privatem Unterricht bezog er 1677 das Magdaleneum in Breslau. Wie Hanke fand auch er einen väterlichen Freund in dem Rektor Fechner. Schon zwei Jahre später verließ er Breslau für eine Weile, um der grassierenden Pest zu entgehen. Sein Weg führte ihn über Frankfurt an der Oder und Danzig bis hinauf nach Königsberg, in deren Gelehrte Gesellschaft er später aufgenommen werden sollte. Dort widmete er sich in erster Linie dem Studium der

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Mathematik, hörte aber auch historische und juristische, politische und naturwissenschaftliche Vorlesungen. Die Spannbreite seiner Studien sollte ihm in seinem späteren bibliothekarischen Wirken zugute kommen. Über Großpolen, dieser gleichfalls reichen kulturellen Landschaft, kehrte er 1682 nach Breslau zurück. Doch noch einmal erfolgte ein Aufbruch, bevor er endgültig in Breslau Wurzeln faßte. Leipzig war auf der Wende zum 18. Jahrhundert für jedermann erkennbar im Aufstieg begriffen. Die Universität zählte zu den angesehensten, bevor mit Göttingen eine neue Phase eröffnet wurde. Hier widmete sich Krantz der Kirchengeschichte, der Physik, dem neuen glanzvoll in Leipzig vertretenen Fach der Litterärgeschichte und bei Mencke der Jurisprudenz. Eine Hofmeisterstelle im Fürstentum Jägerndorf bei Karl von Trach auf Birkau schloß sich an. Hernach wechselte er als Adjunctus auf das von Herzog Sylvius II. Friedrich von Württemberg-Oels neu gegründete Gymnasium, wo er neben Philosophie Historie und Rhetorik lehrte.

Der Sachwalter der Rhedigerschen Handschriften So war er bestens gerüstet zur Übernahme des Amtes am Elisabethanum, das er 1686 antrat und fast fünfzig Jahre bis an sein Lebensende im Jahr 1733 bekleidete. Schon zwei Jahre später wurde ihm die Aufsicht über die Rhedigersche Bibliothek übertragen. Der Arbeit an ihren Schätzen widmete er unermüdlich seine Kräfte, hier vollbrachte er Bahnbrechendes und legte Fundamente, die bis heute tragfähig blieben, aber viel zu selten aktiv genutzt wurden. Am Gymnasium wirkte er mit Martin Hanke, der soeben das Rektorat übernommen hatte, ebenso zusammen wie mit Elias Major d.J. und Kaspar Arletius, dem Vater von Johann Kaspar Arletius, der uns sogleich zu beschäftigen hat. Nach Majors Emeritierung übernahm Krantz das Prorektorat der Anstalt. Und als Hanke 1709 starb, folgte er ihm im Amt des Rektors nach. Der Kirchen- und Schulinspektor Caspar Neumann führte ihn in dieses ein. Das Elisabethanum war zu dieser Zeit die berühmteste gymnasiale Lehranstalt in Schlesien. Eine weitläufige und konsequent auf ein Ziel hin gerichtete Ausbildung und berufliche Tätigkeit hatte an herausragender Stelle ihren krönenden Abschluß gefunden. Auch Krantz trat mit historischen Arbeiten hervor, zu denen alsbald juristische kamen, sie alle bezeichnenderweise buchkundlich hervorragend fundiert. Dazu gehörte die kommentierende und mit Zusätzen versehene Bearbeitung von Hermann Conrings berühmtem litterärgeschichtlichen Kompendium Commentarius de Scriptoribus XVI. post Chr. nat. Saecul. sowie eine Einführung in die Historia Civilis für die Zwecke der Breslauer Gymnasien, die auch in einer

349

350

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Kurzfassung Verbreitung fand und sich an den Gymnasien großer Beliebtheit erfreute, schließlich ein kirchengeschichtlicher Abriß aus seinen späten Jahren, der erst nach seinem Tod publiziert wurde.22 Hinzu traten ungezählte Programme. Hier geht es um den Buchkundler und maßgeblichen Erforscher der Handschriften der Rhedigerschen Bibliothek. In gedruckter Form liegen eine münzgeschichtliche Arbeit sowie die Publikation eines 1698 abgehaltenen großen Schulactus zu den Schätzen der Rhedigerschen Bibliothek und ihrer Geschichte vor, die wir bereits kennenlernten.23 Der ganze Reichtum seiner über Jahrzehnte in der Bibliothek betriebenen und vornehmlich auf die Handschriften gerichteten Forschungen verbarg sich in seinem Nachlaß. Von ihm ist hier vor allem Kunde in der üblichen Kürze zu geben. Krantz ist der erste gewesen, der sich systematisch um die Verzeichnung der einzig in der Welt dastehenden Rhedigerschen Handschriftensammlung bemüht hat. Er folgte damit einem Impetus seines Vorgängers im Amt, der auch schon begonnen hatte, eine Verzeichnung herbeizuführen. Beide sahen eine Aufgabe als dringlich an, deren Bedeutung sie mit geschultem Blick erkannt hatten und an deren Lösung sich auch später Nachfolger versuchen sollten, ohne jemals zu einem befriedigenden Abschluß zu gelangen. Heute, da ungezählte Stücke verloren sind, ist sie dringlicher denn je. Wir möchten auch an dieser Stelle unserer Hoffnung Ausdruck geben, daß das ebenso reizvolle wie schwierige Projekt nach Maßgabe des Möglichen in der Zukunft die ihm gebührende Förderung erfährt.24 Krantz legte einen nach Repositorien und Formaten gegliederten Katalog an, orientierte sich also an der vorgefundenen Aufstellung.25 Gleich an zweiter Stelle konnte er eine der größten Kostbarkeiten der Breslauer Handschriften aus der Rhedigerschen Bibliothek präsentierten, den sog. ›Froissart‹. Insgesamt verzeichnet Krantz in einer ersten Folge nicht weniger als 266 Handschriften im Großformat, also im Folio. Dann schließen sich die Handschriften im Quartformat an. Wir zählen 56 Einträge. In den beiden weiteren Formaten des Oktav und des Duodez sind es naturgemäß weniger, 25 dort, 5 hier. Doch gleich im Anschluß daran setzen die ›Appendici‹ ein. Nun kommen die in jüngerer Zeit in die Bibliothek gelangten Handschriften an die Reihe, die der Sebisch, der Haunold, und wie die großen Stifter heißen. Auch provenienzgeschichtlich stellt das Werk von Krantz eine unschätzbare Quelle dar. Seinen größten – und in dieser Form nie wieder erreichten – Wert empfängt es durch die reichlichen und allemal von Kennerschaft zeugenden Annotationen zu den einzelnen Stücken. In Breslau wußte man, was man an dem Werk hatte. Es wurde immer wieder ab- und fortgeschrieben. Ein Christian Ezechiel, ein Christian Friedrich Paritius,

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

und wie die großen Paläographen hießen, die Breslau sein eigen nannte, und auf die wir sogleich zu sprechen kommen, beteiligten sich daran. Auch diese gelehrten Bemühungen aber verblieben allesamt im Status der Handschrift, und niemand weiß, was sich über die Zeiten erhielt, was vor allem im Zweiten Weltkrieg verlorenging. Würden auch diese wenigen Zeilen dazu führen, daß ein Kenner der Materie sich entschlösse, das Krantzsche Werk bald dreihundert Jahre nach seinem Tod der Öffentlichkeit in gedruckter und wiederum eingehend kommentierter Form zugänglich zu machen – wir wären mehr als zufrieden. Vergleichbares gilt auch für eine weitere, auf Krantz zurückführende und an die tausend Seiten heranreichende Handschrift, in der nun insbesondere der Historiker voll zu seinem Recht kommt.26 In ihr werden die in der Bibliothek befindlichen geschichtlichen Werke in Handschrift und Druck in Auswahl aufgeführt und wiederum eingehend beschrieben. Was da am Schluß sich abzeichnet, ist nicht weniger als eine kommentierte Bücherkunde der Weltgeschichte im Spiegel der sagenhaften Breslauer Bestände. Das beginnt im alten Orient mit den heiligen Schriften, setzt sich fort mit Texten aus der griechischen und römischen Antike, um sodann überzugehen zu den frühchristlichen und mittelalterlichen Jahrhunderten, und in der Gegenwart zu enden. Auch Arbeiten zur Methodologie und Chronologie, zur Münzkunde und anderen Disziplinen der historischen Hilfswissenschaften befinden sich darunter. Hier wird der bibliophile Grund gelegt für die großen buchkundlichen – in der Terminologie der Zeit ›litterärgeschichtlichen‹ – Kompendien des 18. Jahrhunderts. Ist es ein unbilliger Wunsch, auch ein solches Werk aus der Frühzeit der Aufklärung wissenschaftlich wohlaufbereitet in einem schön gedruckten Buch zu Gesicht zu bekommen? Digitalisate sind das eine, von fachlicher Kompetenz auf jeder Seite durchwirkte Bücher das andere. Sie bleiben unersetzlich.

Wahlverwandtschaft aus dem Geist von Frömmigkeit und Aufklärung: Christian Ezechiel Halten wir Rückblick auf eine weitere Figur, die für die Überlieferung der schlesischen Kultur und insbesondere die Personenkunde Maßgebliches geleistet hat, so möchten wir bei Christian Ezechiel verweilen und sodann weiter vorausblickend ein Wort wiederum über einen Wahlverwandten verlauten lassen. Beide haben sich, abschreibend und tradierend, ebenso wie personenkundlich und genealogisch recherchierend insbesondere um die schlesische Biographik verdient gemacht. Ihre Bemühungen um die Grabinschriften stellen ein Denkmal funeralkundlicher Kultur dar, wie sie in Breslau und darüber hinaus in Schlesien

351

352

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

in Blüte stand. Es reicht, an das große Memorialwerk des Georg Thebesius zu erinnern, um des Reichtums inne zu werden, dessen das Land sich im Umkreis von Höfen und Städten, Gymnasien und Schulen, Pfarreien und Propsteien, Archiven und Bibliotheken etc. erfreuen durfte.27 Blicken wir zunächst zu dem Peterwitzer Pfarrer und Kreisältesten Christian Ezechiel, dessen Name auch mit der Breslauer Bibliotheksgeschichte aufs engste verknüpft ist.28 Er hat seine »›Nebenstunden – die sonst andere auf nichtige Weltlust wenden‹«, wie es sich für einen Pfarrer geziemt und wie er in seiner Selbstbiographie bekennt, »fast ausschließlich auf die ›Untersuchung denkwürdiger Geschichte dieses geliebten Vaterlandes Schlesien, dazu mich schon von der Schulen an weiß nicht was vor eine stammende Begier entzündet hat,‹ verwendet. Er hat die wichtigsten schlesischen Quellenschriftsteller, ehe sie noch durch den Druck zugänglich waren, in wohl hundert Folianten, Quartanten und Octavbänden abgeschrieben, Sammlungen von Briefen und Urkunden angelegt, zahlreiche Anmerkungen und Fortsetzungen zu Schickfuß und andern Chroniken verfaßt, besonders aber für die schlesische Litteraturgeschichte und Genealogie so stattliche Collectaneen theils selbst angelegt, theils in seinen Besitz gebracht, daß ihn nicht nur seine Zeitgenossen vielfach mit großer Hochachtung erwähnen, sondern auch jetzt der Forscher auf dem Gebiete der schlesischen Geschichte seinen Spuren allerorten begegnet.«29 So nochmals Hermann Markgraf, der auch Ezechiel ein lesenswertes Porträt gewidmet hat. So wie Markgraf sich skeptisch zu den historischen Leistungen Hankes äußerte, so hat er auch seiner Zurückhaltung in bezug auf die wissenschaftliche Statur der Sammler und Abschreiber vom Schlage eines Ezechiel Ausdruck verliehen. Im Rückblick nehmen sich die Dinge anders aus. Ein hohes Maß an Ehrfurcht vor der vaterländischen heimischen Geschichte bekundet sich in der entsagungsvollen, registrierenden und transkribierenden Tätigkeit. Geschichte und Personen, Taten und Werke sollten bezeugt sein und vor dem Vergessen bewahrt werden. Niemand hätte voraussagen können, welch unschätzbaren Wert dieser Konzentration auf die Stiftung von Überlieferung einmal zukommen sollte. In ungezählten Fällen sind die Abschriften eines Ezechiel und der ihm verwandten Geister die letzte verbliebene Spur von originalen Dokumenten, die zumal den Zweiten Weltkrieg nur allzu oft nicht überstanden haben. Könnte nicht zurückgegriffen werden auf derartige Kopien – es stände weitaus schlechter um die schlesische Lokalgeschichte auf vielen Gebieten, insbesondere dem der schlesischen Personenkunde. Wir haben Anlaß, in großer Dankbarkeit auch einer Gestalt wie derjenigen des Christian Ezechiel zu gedenken.

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Christian Ezechiel kam 1678 in Mollwitz im Herzogtum Brieg als Sohn eines böhmischen Exulanten und nunmehrigen Schulmannes zur Welt. Seine Ausbildung erhielt er in Brieg. Auch dort hatte sich die Lage der Protestanten nach dem Aussterben der Piasten verschlechtert. Noch im Geburtsjahr Ezechiels war den evangelischen Ständen die Berufung Gottfried Thilos an das herzogliche und nun kaiserlich-königliche Gymnasium geglückt. Doch gegenüber dem Gymnasium wurde nun ein Jesuitenkolleg gegründet. Das Gymnasium wurde ebenso wie das Hedwigstift zur Alimentierung des Kollegs herangezogen und entsprechend das Personal sukzessive reduziert. Ezechiel hatte das Glück, 1697 – und also knapp zehn Jahre vor der Altranstädter Konvention – nach Breslau in das Magdaleneum herüberwechseln zu können, das er bis 1700 als Schüler der Prima besuchte. Hier begegnete er Kapazitäten wie dem Schulinspektor und Hauptpfarrer bei St. Elisabeth, Caspar Neumann, sowie dem Rektor der Anstalt, Christian Gryphius. Der war im selben Jahr, da Ezechiel als Schüler zu ihm kam, Bibliothekar der Bibliothek geworden – ein entscheidendes Ereignis im Leben des jungen Ezechiel. Denn angeleitet von Gryphius fand er hier die entscheidende Stütze für seine frühzeitig einsetzenden genealogisch-biographischen Arbeiten, um derentwillen er uns teuer ist.

Der Historiograph der Breslauer Epitaphien Als erstes machte er sich gleich nach Eintritt in das Gymnasium daran, das Werk seines Lehrers Thuana sive Catalogus scriptorum biographicorum abzuschreiben.30 Jacques-Auguste de Thou, der langjährige Präsident des Pariser Parlaments, hatte den dramatischen Ereignissen im Gefolge der französischen Bürgerkriege eine Darstellung gewidmet, die als bedeutendste historiographische Leistung in bezug auf das 16. Jahrhundert gelten darf. Knapp dreihundert darin figurierende Namen von Schriftstellern hatte Gryphius exzerpiert und in knappen Porträts zusammengeführt. So geriet Ezechiel frühzeitig auf das Feld der Zeitgeschichte und der mit ihr verknüpften Historiographie. Dann folgte eine Abschrift eines Berichts über das Breslauer Kirchwesen aus der Feder von Caspar Sommer. Sie befand sich in der Stadtbibliothek zu Breslau sowie an dem zweiten Verwahrungsort von Handschriften des Ezechiel, der Hobergschen Bibliothek in Schloß Fürstenstein. Beide Handschriften sind seit dem Zweiten Weltkrieg verschollen. Dann kam aus der Feder – noch des Primaners – die erste eigene Arbeit zustande, eine Sammlung mit über tausend Einträgen von Breslauer Epitaphien, nach Kirchen geordnet und ausgestattet mit einem alphabetischen Index. Wir

353

354

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

haben sie zu unserer Freude in Breslau in der Hand gehabt und eingehender beschrieben.31 Sie wurde später für die berühmte Grabinschriften-Sammlung des Grafen Hoverden verwendet, die sich leider nur zu Teilen erhalten hat. Frühzeitig fiel ihm auch das Breslauer Wappenbuch von 1577 und 1578 in die Hände – ein unschätzbares Wertobjekt für den passionierten Genealogen. Er äußerte viel später, daß es ihm die wichtigste Hilfe bei seinen eigenen Arbeiten geblieben sei. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, das Werk fortzuführen und noch rund vierhundert Nummern hinzuzufügen. Dabei kam ihm ein glücklicher Umstand zustatten. 1712 starb einer der großen Genealogica-Sammler Christoph Heinrich von Gfug, Angehöriger eines Geschlechts, dessen Name eng mit der Biographie bedeutender Späthumanisten verbunden ist. Gfug hatte ein schlesisches Adelslexikon geplant, wie es dann wenig später Sinapius schaffen sollte. Es kam nicht zustande, aber die Sammlung ging an den seit 1717 als Pastor in Peterwitz wirkenden Christian Ezechiel über. Es hätte in keine kundigeren Hände gelangen können. Doch wir greifen zeitlich vor. Als Ezechiel zum Studium nach Leipzig ging, konnte er bereits auf ein ansehnliches schriftstellerisches Werk zurückblicken. Rastlos setzte er seine historischen Arbeiten fort. Ein Opus Miscellaneum, bestehend aus sieben Oktavbänden und herrührend aus der Leipziger Zeit, kam zustande, das meiste davon die Hussitenzeit betreffend.32 Im berühmten Paulinum zu Leipzig hatte er die Quellen aufgetan. Auch die akademische Zeit, die bis 1704 währte, war also neben den theologischen Studien nachhaltig quellenkundlich genutzt worden. Die erste Station des jungen Predigers bildete das Herzogtum Bernstadt, wo Ezechiel zugleich als Konrektor und sodann als Rektor der Schule fungierte. Bis in das Jahr 1717 hielt es ihn dort. Herzog Heinrich Wenzel hatte in Bernstadt gewirkt, insonderheit die Schule gefördert und wurde entsprechend von Opitz als Förderer der Dichter und Gelehrten besungen. Es war die Zeit, da Ezechiel auf die Silesia Togata Henels stieß, die er abschrieb und damit zu ihrer Rettung beitrug. Auch die beiden anderen großen Werke Henels, seine Breslographia und seine Silesiographia, fanden in Ezechiel ihren sachkundigen und im Blick auf den Duktus seiner Handschrift vorbildlichen Sachwalter. An seinen Namen bleibt derjenige des großen Landeshistorikers Henel von Hennenfeld auf immer geknüpft. Nebenher lief die Beschäftigung mit den schlesischen Geschichtsschreibern weiter. Ezechiel bekam die deutsche und lateinische Version von Peter Eschenloer in die Hände und schrieb sie ab. Das Werk gelangte später in den Besitz von Klose, der es in seiner Geschichte Breslaus benutzte, von der wir hören werden. Er blieb beim Abschreiben von Chroniken, exzerpierte Arbeiten

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

zu einzelnen schlesischen Städten, so Bunzlau, Namslau, Strehlen, zeichnete einen Atlas des Fürstentums Oels etc. Wenn nichts davon zum Druck gelangte, so womöglich auch, weil in den Jahren 1729 und 1730 die Scriptores rerum Silesiacarum von Sommersberg erschienen waren, mit denen vieles verwirklicht wurde, was dem Liebhaber und Autodidakten der schlesischen Geschichte vorgeschwebt haben mag.

›Silesia litterata‹ Sein Herz hing an einer Gelehrtengeschichte Schlesiens. Wer vermöchte ihm das nicht nachzufühlen angesichts der großartigen Leistungen seit dem Anbruch des Humanismus? Über drei Jahrhunderte erstreckte sich inzwischen das Fortzeugen respektabler Entwürfe. Und deren Zeit war keineswegs beendet. Ezechiel wurde Zeuge, wie die Arbeit lebhaft fortschritt, und er beteiligte sich nach Kräften. Eine Silesia litterata war zu schaffen, also ein Werk, wie wir es bis heute nicht besitzen und wie es womöglich nicht mehr zustandekommen wird. Denn um was ging es? Um nicht weniger als die Registratur der gesamten gelehrten Überlieferung, geknüpft an die Namen der in Schlesien wirkenden Gelehrten einschließlich ihrer wissenschaftlichen Biographien. Ein Henel, ein Caspar Cunrad nebst Sohn Johann Heinrich, ein Hanke und andere hatten sich auf je eigene Weise an diesem, sie alle faszinierenden Projekt versucht. In den ersten Dezennien des 18. Jahrhunderts war die rechte Stunde gekommen, die Ernte einzufahren. Man erstaunt, daß auch ein Kenner wie Markgraf sich durch den Titel irritieren ließ. Er konstatiert mit leicht monierendem Unterton, daß man die schöne Literatur in Ezechiels Werk vergeblich suchen würde. Sie war selbstverständlich nicht Gegenstand einer ›litterärgeschichtlichen‹ Unternehmung im Sinne des 18. Jahrhunderts, also einer umfassenden Literaturkunde. Es ging um ein Lexikon gelehrter Schriftsteller wie schon bei Ezechiels großem Vorbild Henel. Porträt nach Porträt wird erstellt, angefangen bei drei großen Namen, Joachim Curaeus, Henel von Hennenfeld und Jakob Schickfuß, gefolgt von Elias Major und so in einem fort. Ein jeder Eintrag zerfällt in drei Abteilungen, ganz so wie Hanke auch bereits verfahren war. Eine erste ist ›Scripta‹ nominiert. Darin kommt zum Ausdruck, daß die Werke vor dem Leben den Vorrang haben. Aufgelistet wird, was zum Zeitpunkt der Niederschrift in Handschrift und Druck bekannt ist – also eine unschätzbare Quelle. Unter dem Stichwort ›Vita et Mors‹ folgen knappe Biographien, oft nur einige Zeilen, versehen stets mit Quellennachweisen. Eine dritte Rubrik ist ›Epithaphium seu Effigies‹ betitelt.

355

356

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Ezechiel war ein leidenschaftlicher Sammler von Porträts. Sie gingen beim Brand seines Peterwitzer Pfarrhauses im Jahr 1733 wie vieles andere zugrunde. In der Handschrift fehlen sie, aber die Namen der Stecher werden angegeben. Ein letzter Abschnitt lautet auf ›Encomium & Symbolum‹. Er ist oftmals mit der dritten Abteilung zusammengezogen. Ein ›Symbolum‹ zu besitzen, gehörte zur Ausstattung eines zünftigen Gelehrten. Wir haben diejenigen von Monau, von Cunrad und anderen kennengelernt. Auch auf diesem Zweig blieb Ezechiel eine unschätzbare Quelle. Und mit den ›Encomia‹ wurde der Nachhall angedeutet, den Leben und Werk eines Autors erfahren hatten. Mehr konnte man nicht erwarten und eigentlich auch kaum wünschen. Nach 1945 aber, da kein Stein auf dem anderen im alten Mitteleuropa verblieben ist, muß alle Arbeit von vorne einsetzen, und viel zu wenige sind bereit dazu, sich dieser Aufgabe zu unterziehen. Sie aber ist unerläßlich, wenn es denn um unsere gelehrten Vorfahren und ihr geschichtliches Vermächtnis geht, an der unsere kulturelle Überlieferung haftet. Markgraf berichtet von einer vierbändigen Handschrift der Silesia litterata des Ezechiel, die sich in der Fürstensteiner Bibliothek befand. Drei Bände galten dem Text selbst, ein vierter war dem Register vorbehalten. Ezechiel hatte bis zu dem Ende seines Lebens an dem Werk fortgeschrieben, wie die von zittriger Hand geprägten Einträge im Register zeigen. Die Handschriften der Fürstensteiner Bibliothek aber – eine der kostbarsten Sammlungen auf schlesischem Boden – sind seit dem Zweiten Weltkrieg zum größten Teil verschollen. Sie wurden entweder kurz vor oder nach Kriegsende vernichtet oder gelangten wenigstens zu Teilen in die Hände der Sieger und wurden nach Rußland abtransportiert. Das Kapitel der Fürstensteiner Bibliothek ist eines der bislang am wenigsten erforschten.33 Wir haben das große Glück gehabt, in der Handschriftenabteilung der Breslauer Universitätsbibliothek eine Abschrift des Werkes aufzutun, von der Markgraf erstaunlicherweise nicht berichtet. Man ersieht daraus, daß auch dem passionierten Abschreiber, als welchen Ezechiel sich verstand, eine rettende überlieferungsgeschichtliche Initiative zustatten kam. Rund ein Jahrhundert nach Ezechiel machte sich ein Gelehrter auf den Spuren des Vorgängers an die Arbeit – Christian Friedrich Paritius. Er hat auch die Silesia litterata in den Händen gehabt und betrachtete sie offenkundig als so wert- und gehaltvoll, daß er sich seinerseits nicht scheute, ihr eine Abschrift zu widmen. Die Fürstensteiner Handschrift ist bis auf weiteres verschollen und womöglich vernichtet. Die Abschrift hat sich erhalten und über sie ist uns bis hin zu dem genauen Titel der Inhalt des Werkes bekannt.34 Und mehr als das. Paritius hat im Anschluß an seine Abschrift eigene Annotationen hinzugefügt, sich also

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

seinerseits recherchierend und fortschreibend betätigt. Auf das Jahr 1804 ist seine Arbeit datiert, reicht also eben noch in das neue Jahrhundert hinein, in dem das der Aufklärung so teure litterärgeschichtliche Treiben zum Erliegen kommen sollte. Wir stehen bis heute auf diesen Fundamenten. Wie Ezechiel, so sind wir Christian Friedrich Paritius in Respekt und Hochachtung verpflichtet. Ohne ihrer beider Wirken wären wir entschieden ärmer an Zeugen und Zeugnissen der schlesischen Gelehrtengeschichte. Ezechiel hatte sein Amt als Pfarrer in Peterwitz im Jahr 1717 angetreten, in dem er mehr als vierzig Jahre tätig sein sollte. Im September 1758 verstarb er als Senior seines Kirchenkreises. Aus der Ferne seines Dorfes heraus hatte er Gelegenheit, den Fortgang der gelehrten Studien in Breslau und Umgebung zu verfolgen. Ein reger persönlicher Kontakt war zu guten Teilen dem wissenschaftlichen Austausch von Informationen sowie von Handschriften und Büchern gewidmet. So stoßen wir auch an späterer Stelle nochmals auf seinen Namen. Wie es sich für seinen Berufsstand geziemte, ist er weiterhin schriftstellerisch tätig geblieben. Er wandte sich der Sammlung und Abschrift schlesischer Fürstenakten zu, die er insbesondere in der Breslauer ElisabethBibliothek vorfand. Wir wollen uns beschränken, also auf der litterärgeschichtlichen Spur verbleiben und damit bei der Königsdisziplin des 18. Jahrhunderts verharren. Das aber soll am Beispiel eben des Paritius geschehen, mit dem sie im 19. Jahrhundert ausklingt.35

Ein wahlverwandter Nachfahre: Christian Friedrich Paritius Mit ihm kommt ein Mann zu Wort, der primär nicht im schulischen oder pfarrherrlichen Milieu zu Hause war. Um so eindrucksvoller, daß für Gelehrte auch in anderweitigen Berufen das Sammeln und Kommentieren von Namen attraktiv blieb. Christian Friedrich Paritius, 1775 in Breslau geboren und also hundert Jahre jünger als Ezechiel, wirkte in seiner Heimatstadt, wo sein Vater als Kaufmann tätig war, als Stadtrat. Er hatte das Glück, seine Ausbildung am Friedrich-Gymnasium zu erhalten, das in der Stadt zur ersten schulischen Adresse aufgerückt war. Schon früher hatte er beim Küster der reformierten Kirche Unterricht genossen. Lange vorbei waren die Zeiten der Ächtung des Reformiertentums. Nach Abschluß der schulischen Studien im Jahr 1791 empfing er in Breslau von dem dortigen Bauinspektor Krug eine Unterweisung in der Baukunst. Er wurde als Bau-Conducteur vereidigt und war in dieser Eigenschaft in Breslau tätig. Der Umschwung trat ein, als die Stadt in den Napoleonischen Kriegen belagert und in die Kriegshandlungen einbezogen wurde.

357

358

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Paritius war offensichtlich vermögend genug, um sich von seinen beruflichen Geschäften zurückziehen und fortan ausschließlich seinen gelehrten Interessen leben zu können. Der Breslauer und schlesischen Kulturgeschichte hat dieser Entschluß zum Segen gereicht. Wir berichteten, daß sich Paritius bereits 1803/04 als Abschreiber von Ezechiels großer Epitaphien-Handschrift betätigt hatte, die auf diese Weise gerettet wurde. Lange vor seinem Wechsel in den Stand des Privatiers hatte er das Feld also entdeckt, auf dem er fortan vor allem tätig werden sollte. Er begann, sich eine ansehnliche Bibliothek aufzubauen, von der wir wie im Falle Ezechiels nähere Kenntnis besitzen.36 Der sammlerische Elan erstreckte sich jedoch auch auf andere Gebiete. Eine Kollektion von Münzen, von Gemmen und von Kameen nannte er sein eigen. Gleich nach seinem Abgang aus dem Dienst aber widmete er sich seinem Lieblingsfach der schlesischen Litterärgeschichte. Und das wie bei seinen Vorgängern mit einem staunenswerten Ertrag. Nun aber, im 19. Jahrhundert, war niemand mehr zur Stelle, der sich wie im vorangegangenen Säkulum der Kunst der Abschrift befleißigt hätte. Und so liegt über dem edlen Tun des Paritius ein tiefer Schatten. Auch sein Werk wurde in die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs hineingerissen, von der niemand der großen gelehrten Figuren verschont blieb, mit dem Unterschied aber nun, daß ein Verlust im nachhinein nicht mehr kompensiert werden konnte. Wer weiß noch um die Einbußen, welche die Kulturgemeinschaft in Breslau und etwa auch im Blick auf das Werk das Paritius hat hinnehmen müssen? Von Anfang des Jahres 1814 bis zur Mitte des Jahres 1816 widmete er sich auf seine Weise den nun in Schwange kommenden ›vaterländischen‹ Studien, derart nämlich, daß er dem aufgeklärten Impetus treu blieb. Er machte sich an Kollektaneen über schlesische Gelehrte und brachte zwei mächtige Bände neben einem schmaleren Nachtragsband zustande. In einem ersten Band, 400 Folioseiten stark, figurieren 2400 Einträge, in einem zweiten, 600 Seiten umfassend, 2600; der Nachtrag enthält 890 Nummern. Die Bände waren durch Register bestens erschlossen. Damit war Paritius weit hinausgekommen über seine Vorgänger. Heute können wir nur noch auf den ersten der beiden Bände nebst Nachtrag zurückgreifen. Der zweite ist ein Opfer des Krieges geworden, wie sie eben für so gut wie alle einst geschlossenen Sequenzen in der Abteilung der Breslauer Handschriften zu beklagen sind.37

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Breslauer Grabschriften und schlesische Presbyterologie Der Name des Paritius verbindet sich darüber hinaus mit der eindrucksvollen schlesischen und Breslauer Sepulchralkultur. Als Abschreiber Ezechiels auch auf diesem Gebiet lernten wir ihn bereits kennen. Er hat auf ihm gleichfalls selbständig fortgewirkt. Zehn Jahre nach der Arbeit an seinen Gelehrtenviten wandte er sich den Breslauer Grabschriften zu. Wieder gingen drei Jahre ins Land, bis er die Feder aus der Hand legte. Und wieder haben wir Nachfahren seit 1945 einen herben Verlust zu beklagen. Von dem wiederum zweibändigen Werk hat sich nur der zweite Teil erhalten. In ihm werden siebzehn Kirchen erfaßt und in ihrer sepulchralen Ausstattung erschlossen. Wir nennen sie, erscheint ihr Name doch in den meisten Fällen ein erstes und einziges Mal in unserem Buch. Es sind: S. Adalbert, S. Anna, S. Antonius, S. Clara, S. Corpus Christi, S. Dorothea, S. Jacob, S. Joseph, S. Lazarus, S. Maria, S. Matthias, S. Mauritius, S. Michael, S. Nicolai, S. Trinitatis, S. Vincentius sowie die Kirche der Jesuiten. Ein Register der Kirchen und Personen steht dem Werk voran. Kann eine Kulturgemeinschaft es sich leisten, auf die Publikation eines derartigen Schatzes zu verzichten?38 In dem verlorenen werden mit Gewißheit vor allem die Hauptkirchen ihren Platz gehabt haben. Diese Vermutung wird bestärkt durch einen Fund, der uns gelungen ist und der womöglich bis zu einem gewissen Grad Ersatz zu bieten vermag für den nicht mehr vorhandenen ersten Band.39 Es handelt sich um ein Arbeitsheft mit vielen Ausstreichungen sowie mit Numerierungen, die sich vielleicht auf eine Reinschrift beziehen. Entscheidend ist, daß im Mittelpunkt der Handschrift die Elisabethkirche steht. 72 bzw. 73 Einträge infolge einer Doppelzählung sind ihr sowie der Krappschen Kapelle gewidmet. Nach der Plazierung eines Namensregisters schließt sich eine detaillierte Beschreibung der Sepulchralkunst der ›Pfarrkirche zu St. Maria Magdalena‹ an. 169 sehr ausführliche Einträge weist das Grundwerk in Reinschrift aus. Dann folgen mit jeweils neuer Zählung Einträge zur großen Sakristei und zu Denkmälern außerhalb des Kirchenraums mit 14 bzw. 58 Positionen. Noch elf weitere Kirchen werden erfaßt, angefangen bei der Pfarrkirche zu St. Bernhardin in der Neustadt, gefolgt von Einträgen zu St. Barbara, St. Christophorus, Kirche und Hospital zur Hl. Dreifaltigkeit, Kapelle und Kirchen-Hospital zum Heiligen Grab, zu St. Salvator, Kirche und Hospital zu Aller-Heiligen, zu den Kirchen in Domslau, Potrich, Riemberg und Schwoitsch sowie schließlich zu den Gedenkstätten im Umkreis des Breslauer Rathauses. Was gäben wir dafür, das derart nach Maßgabe des Möglichen rekonstruierte zweibändige Werk wohlkommentiert in einem schönen Neusatz fortan zum Blättern und Sinnen unter uns zu wissen.

359

360

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Wir dürfen Paritius jedoch nicht verlassen, ohne ein letztes und wiederum kaum hoch genug zu schätzendes Verdienst zu würdigen. Unser Werk zehrt über weite Strecken von der grandiosen vierbändigen und leider nicht zum Abschluß gelangten Presbyterologie von Siegismund Justus Ehrhardt. Auch auf diesem Feld ist Paritius tätig geworden. Wieder entstand eine zweibändige Handschrift, und wieder hat sich nur einer der beiden Bände erhalten.40 Der erste Band galt dem Fürstentum Schweidnitz – er ist verschollen. Das ist ganz besonders bedauerlich, weil auch der entsprechende Ehrhardtsche Band, der dem nämlichen Gegenstand gewidmet war, nicht mehr zum Druck gelangte und schon im 19. Jahrhundert nicht mehr auffindbar war. Der zweite erhaltene Band aus der Feder des Paritius ist u. a. Wohlau sowie den Standesherrschaften Trachenberg, Militsch und Wartenberg gewidmet. Paritius hat sich bewußt in die Nachfolge Ehrhardts gestellt. Das bekundete er auch damit, daß er Register zu dem monumentalen Werk Ehrhardts anfertigte und es auf diese Weise überhaupt erst erschloß. Hatten wir bislang stets von Verlusten zu sprechen, so will es wie ein kleines Wunder dünken, daß diese dem Presbyterologen Ehrhardt zugewandte Arbeit des Paritius offenkundig komplett erhalten ist.41

Ernte in der Spätaufklärung Wollen wir bei den großen Buchkundlern, Sammlern und Schreibern als den vornehmsten Hütern des Erbes aus der Vergangenheit verbleiben, so müssen wir den Übertritt in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts vollziehen, um erneut einer Trias von staunenerregender Statur zu begegnen. Von Paritius war im Vorgriff bereits die Rede. Also kommt die Reihe nun an Samuel Benjamin Klose, Johann Kaspar Arletius und – am Rande – an Johann Ephraim Scheibel. Mit ihren Porträts wollen wir unseren Rundgang durch das 18. Jahrhundert beenden, sehr wohl wissend, daß noch viele Namen zu erwähnen und ihr Werk eingehender zu würdigen wäre. Wir müssen auf Auswahl und Pointierung bedacht bleiben, und das nicht nur, um die Linien nicht zu verwischen, sondern auch um der Verteilung der Gewichte willen. Die Namen und Werke, die wir hervorheben, sollen sich dem Lesenden einprägen, auf daß er fortan eine Vorstellung mit ihnen verbindet. Vollständigkeit ist einem solchen Vorhaben abträglich. Ihr zu genügen stehen andere Verfahren zu Gebote und andere Hilfsmittel zur Verfügung.

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Historiker und unermüdlicher Schreiber: Samuel Benjamin Klose In der Mitte zwischen Ezechiel und Paritius erhebt sich als dritter unermüdlicher Schreiber die Gestalt Samuel Benjamin Kloses. Nicht daß er sich darauf beschränkt hätte. Man verdankt ihm eine Geschichte Breslaus, die teils zum Druck gelangte, teil in der Handschrift verblieb, und manches andere. Unsterblichkeit aber hat er sich als Abschreiber erworben. Und das einfach deshalb, weil er seit 1945 zum vielfach letzten Zeugen wichtigster Texte geworden ist, von denen wir nur noch dank seiner Kopien nähere Kenntnis haben. Das mag auf Originalität bedachte Gemüter ein Geringes dünken. Wir stehen nicht an, ihn dankbar in die Galerie der ehrfurchtgebietenden Geister der Aufklärung einzureihen, denen die Sorge um die Überlieferung des von großen Vorgängern Geschaffenen oberste Richtschnur in ihrem Leben blieb.42 Auch Klose war geborener Breslauer; er kam 1730 als Sohn eines Kürschners zur Welt. Seine erste Ausbildung empfing er im Magdalenengymnasium. Hier geriet er noch in Kontakt mit Johann Kaspar Arletius, dem späteren Rektor des Elisabethgymnasiums, dem wir sogleich nähertreten. Hernach wandte er sich dem Studium der Theologie in Halle und Frankfurt an der Oder zu. Zurückgekehrt nach Breslau verdingte er sich mit Privatunterricht, bevor er wiederum im Magdalenengymnasium eine Anstellung fand. Er wurde der Nachfolger von Karl Friedrich Flögel, dem bekannten Literaturhistoriker, der später in seiner Vaterstadt Jauer und an der Ritterakademie in Liegnitz wirkte, und dem Klose verbunden blieb. Am Magdaleneum hielt es ihn freilich nur ein gutes Jahr. Die Schule zum Heiligen Geist berief ihn 1763 als Nachfolger von Johann Georg Thamm zum Rektor, wo er volle 35 Jahre bleiben sollte. Er muß gewußt haben, hier optimale Bedingungen für seine ganz im Verborgenen sich abspielende Arbeit zu besitzen, nicht anders ist es zu erklären, daß er selbst die Stelle eines Rektors am Elisabethgymnasium zweimal ausschlug, nachdem sein Ruf in Breslau sich gefestigt hatte. Die Behörden wußten, was sie an dem überfleißigen angesehenen Gelehrten hatten. Er verfaßte im Auftrag des Ministers von Carmer ein Gutachten zur Verbesserung der Jesuitenschulen, und er beteiligte sich mit Scheibel und anderen Ende der siebziger Jahre unter Minister von Zedlitz an einem Plan zur Umgestaltung der Breslauer Schulen. Niemand stand Lessing in seinen Breslauer Jahren zwischen 1760 und 1765 so nahe wie Klose. Er muß ein gewinnender Geist gewesen sein, dem seine tiefe Gelehrsamkeit nichts von seiner Liebenswürdigkeit genommen hatte. Der Bibliothek von St. Bernhardin, der dritten großen im Lande, ist seine unermüdliche Zuwendung sehr zustatten

361

362

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

gekommen. Ihm vor allem und sodann Arletius ist der unvorstellbare Schatz gerade an kleinen Schriften zu verdanken, den diese gelehrten Köpfe für ihre tägliche Arbeit benötigten. Klose begann seine schriftstellerische Tätigkeit als Mitarbeiter an den gerade jetzt aus dem Boden sprießenden gelehrten Organen. Deren Zentrum in Schlesien war selbstverständlich Breslau. In der literarischen Beilage der bei Korn erscheinenden Schlesischen Zeitung, den Schlesischen Berichten von Gelehrten Sachen, die später unter Kloses Ägide in Breslauische Nachrichten von Schriften und Schriftstellern umgetauft wurden, schrieb er unermüdlich zumeist kleine Rezensionen. Zudem sahen ihn Flögels Vermischte Beyträge zur Philosophie und den schönen Wissenschaften zwischen 1762 und 1764 als Mitarbeiter. Im Jahr 1774 veröffentlichte dann derselbe so rührige Verlag Neue Litterarische Unterhaltungen, die es allerdings nur auf zwei Jahrgänge brachten. In ihnen dürfte Klose im wesentlichen als alleiniger Autor fungiert haben. Nun erweiterten sich seine Beiträge häufig zu kleinen Abhandlungen, die alle Wissensgebiete umspannen und durchweg einen aufgeklärten Geist atmen, Parteiengezänk und Intoleranz, Vorurteil und Aberglauben gleich abhold. Vielfach zitiert er aus Handschriften der Breslauer Bibliotheken, so daß seine Beiträge auch eine wichtige Quelle geblieben sind. Seinen Namen in der gelehrten Welt machte sich Klose als Historiker. Gustav Adolf Harald Stenzel bezeichnet ihn in der Vorrede zu seiner Geschichte Schlesiens als »den um die Geschichte Schlesiens Verdientesten«. Jahre wandte er auf die Vorbereitung seines Hauptwerkes, das schließlich 1781 zu erscheinen begann, seine Geschichte Breslaus. Mit ihm wurde eine neue Epoche der schlesischen Geschichtsschreibung eröffnet, war eine jede Nachricht doch quellenkritisch abgesichert. Vorausgegangen war ihm der 1748 verstorbene Prorektor des Magdaleneums, Christian Runge mit seinen Notitia historicorum et historiae gentis Silesiacae, die Klose in Form schulischer Vorträge womöglich noch gehört hat. 1775 gab er deren ersten Teil selbst heraus. Klose wählte die Form des Briefes zur Darbietung seines Stoffes. Programmatisch äußerte er sich zu den Anforderungen, die an eine Stadtgeschichte zu stellen seien. Sie »›muß uns, sowie die Biographie eines denkwürdigen Mannes, nicht allein die gegenwärtige Beschaffenheit derselben vorstellen, sondern auch die Stuffen zeigen, worauf sie zu dieser gelangt ist. Sie muß uns daher als treue Gesellschafterin von ihrem Ursprung an jede wichtige Veränderung nach ihren denkwürdigen Zeitpunkten, wie sie zu dem Umfang, zu der Größe, zu der Blüthe, zu dem Glanz, zu dem Reich­ thum gestiegen, wie sie bald gesunken, bald wieder sich emporgeschwungen; sie muß uns die Personen, welche diese Veränderungen veranlaßt und bewirkt,

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

verzeichnen: sie muß uns die Schicksale, Denkungsart, Handlungsweise, Sitten und Gebräuche der Einwoner so charakteristisch darstellen, daß wir selbst in ihre Zeiten versetzt zu sein glauben.‹«43 Das klang wie ein historistisches Plädoyer. Tatsächlich ging es Klose darum, allen Erscheinungsformen städtischen Lebens gleichermaßen darstellerisch Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Daher sein unablässiges Erschließen und Befragen der vorhandenen Zeugnisse, das schließlich zu der umfassendsten quellenkritischen Rekonstruktion der Geschichte Breslaus geleitete, die wir für die Zeit bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts besitzen. Fünf Bände galten der Zeit bis in das Schicksalsjahr 1526/27, da Schlesien an Habsburg fiel. Die Fortsetzung allein für das 16. Jahrhundert hätte gewiß nochmals ebenso viele Bände gefüllt. Sie verblieb jedoch zum Verdruß von Klose im Manuskript. Acht Bände hatte er nochmals zu füllen gewußt. Wiederholte Erwägungen, auch sie später zum Druck zu befördern, wurden nicht realisiert. Nur eine Abschrift wurde für das Königliche Staatsarchiv in Breslau gefertigt. Ob sich wirklich alles erhalten hat?

Das Klosesche Abschriftenwerk Uns indes interessiert seine Person nicht primär in dieser ihrer Rolle als Chronist, sondern in der des abschreibefreudigen Dokumentaristen. In seinem Nachlaß fanden sich Tausende von Seiten mit Abschriften von stets akkurater Hand. Sie wurden später von dem uns wohlbekannten Hermann Markgraf geordnet und in 248 (!) Mappen zumeist in Folio, zum Teil auch in Oktav zusammengeführt und gebunden. Die Sammlung Klose hatte ihr bibliophiles Profil aus der Hand eines vorzüglichen Sachkenners gewonnen. In einer ersten Abteilung wurden neben den unveröffentlichten Teilen der Breslauer Stadtgeschichte vor allem Kloses Schulreden untergebracht. Die drei folgenden Abteilungen enthielten die Amtsbücher des Breslauer Rats und die Urkunden der Breslauer Kirchen sowie Referenzen auf einzelne Ereignisse und Persönlichkeiten Breslaus. In der fünften Abteilung kam eine Ordnung nach Personen und Orten mit Bezug auf Schlesien zur Geltung. Eine sechste Gruppe galt der Gelehrtengeschichte Breslaus im 16. und 17. Jahrhundert, und zum Schluß waren Abschriften einsortiert, die keinen unmittelbaren Bezug auf Breslau bzw. Schlesien besaßen. Muß gesagt werden, wo wir einhaken? Selbstverständlich dort, wohin die Historiker bislang weniger geschaut haben, in die Abteilung sechs, die zahllose Überraschungen bereithält. Zunächst ist jedoch wie immer seit 1945 die Situation der Überlieferung dieses Kloseschen Lebenswerkes zu überprüfen, und dafür ist weit in die Vorkriegszeit zurückzugehen. Klose führte eine große Bibliothek,

363

364

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

die wie üblich zur Versteigerung kam, so daß über den Katalog auch Näheres über ihre Physiognomie bekannt ist. Die Handschriften wurden – und das ist ein eher seltener und stets sehr glücklicher Umstand – geschlossen von dem Professor am Elisabethgymnasium, Johann Wilhelm Oelsner erworben, der später als Kaufmann, Kommerzienrat und Fabrikant tätig war und es zu Vermögen brachte. Oelsner, der ein großer Sammler von Gemälden, Handschriften und Büchern war, residierte in Trebnitz. Dorthin kamen auch die Kloseschen Handschriften. Der nunmehrige Besitzer veranlaßte eine erste Inventarisierung. Sachbearbeiter war niemand anderes als der Rektor des Elisabethgymnasiums, Samuel Gottfried Reiche, dem wir die einschlägige Geschichte des Hauses verdanken, welche wir in dem entsprechenden Abschnitt gerne benutzten. Auch noch im 19. Jahrhundert kreuzten sich also die Wege immer wieder. 1080 Positionen weist das 1828 abgeschlossene Inventar aus. Der Sohn entschloß sich dreißig Jahre später zum Verkauf. Wieder war das Schicksal der Kloseschen Kollektion wohlgesonnen. Die Absicht gelangte einem Kenner wie Wilhelm Wattenbach zur Kenntnis, dem Leiter des Breslauer Provinzialarchivs – des späteren Staatsarchivs. Er empfahl den Ankauf und das Stadtarchiv als Verwahrungsort. Dorthin kam sie in zwanzig voluminösen Paketen, nachdem die Stadt sie auf einer Auktion erworben hatte. Eine erste in das 19. Jahrhundert fallende Phase war glücklich beendet. Und wieder muß es als ein Glücksfall betrachtet werden, daß mit Markgraf zwanzig Jahre später im Stadtarchiv ein Direktor zur Stelle war, der den inkommensurablen Wert der Sammlung erkannte und sich an ihre Sichtung, Ordnung und Bindung machte. Er hatte in Ernst Volger einen Mitarbeiter zur Seite, der die Verzeichnung übernahm und sich dieser diffizilen Aufgabe glänzend entledigte. Der Volgersche Katalog der Kloseschen Handschriften gehörte zu den Schmuckstücken im Stadtarchiv und alsbald auch in der Stadtbibliothek zu Breslau.44 Wären andere Schätze ähnlich penibel aufgenommen worden, es stände anders auch um unsere derzeitige Kenntnis. Der entscheidende, weil folgenschwere Akt erfolgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Sammlung wurde nun zwischen Stadtarchiv und Stadtbibliothek geteilt, die eher historisch angelegten verblieben im Archiv, die eher gelehrten- und literaturgeschichtlich orientierten gingen über in die Bibliothek. Und eben das letztere wurde ihnen zum Schicksal. Während die vom Archiv im Zweiten Weltkrieg ausgelagerten erhalten blieben, erlitten die von der Bibliothek expatriierten wie alle ihr zugehörigen Handschriften schwere Einbußen. Wir müssen einen Moment ins Einzelne gehen, handelt es sich doch um eine die europäische Kulturgemeinschaft als ganze betreffende Angelegenheit.

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Die einst im Breslauer Stadtarchiv verwahrten Klosiana werden heute im Staatsarchiv in Wrocław verwahrt, denn ein Stadtarchiv existiert ja nicht mehr. Dort können die Nummern 1–159 aus der von Markgraf geschaffenen Kollektion eingesehen werden. Sie interessieren – sofern überhaupt – vor allem die Historiker und eine polnische Historikerin ist es denn auch, die ihnen eine erste Monographie seit Entstehen der Sammlung gewidmet hat.45 Ganz anders in der Stadtbibliothek. Wie allen Handschriften ist auch ihnen der Zweite Weltkrieg zum Verhängnis geworden. Hier wurden die Handschriften Klose Nr. 160 bis 248 verwahrt. Von diesen 89 Einheiten kehrten nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur 54 zurück. Die Zahl erhöhte sich im Laufe der Zeit noch geringfügig. Leichte Schwankungen einkalkuliert, wie sie sich aus dem fortlaufenden Revisionsprozeß ergeben, ist mit einem Fehlbestand von rund 30 Konvoluten zu rechnen. Das ist genau die prozentuale Verlustrate, die man in der Regel für mehrbändige Werke und Reihen mit Blick auf die Handschriftenabteilung der ehemaligen Breslauer Stadtbibliothek insgesamt in Anschlag bringen muß – ein erschreckendes, bislang von der Fachwelt jedoch viel zu selten in seinen Folgen gewürdigtes Ereignis. Auf dem Sektor der Handschriften, weniger dem der alten Drucke, hat Breslau seine herbsten Verluste erleiden müssen.

Klose und Volger als Sachwalter der Breslauer Briefsammlungen Wir können nur ganz weniges hervorheben und dürfen uns bei der Registratur des Erhaltenen und Verlorenen im einzelnen nicht aufhalten. Klose verdankt man die Abschrift der Rhedigerschen Briefsammlung, dieser vielleicht wichtigsten Quelle des Humanismus auf schlesischem Boden, mit Ausstrahlungen weit über das Land und das Reich hinaus und über ganz Europa sich erstreckend; Volger die ins einzelne gehende Erschließung des immensen Briefcorpus.46 Es setzte sich in seinem Kern aus neun voluminösen Foliobänden zusammen, die die Signatur R 241–249 trugen, wobei stets zu beachten blieb, daß der Band R 242 bereits frühzeitig verschollen war und auch schon Volger nicht mehr vorlag, eine Beschreibung sich jedoch erhalten hat. Der Band R 250 enthielt ein von Klose erstelltes schmales Namensregister zu der Sammlung. An diese erste Folge schloß sich eine zweite, in etwa gleich starke an, die die Bände R 251–260 umfaßte. Weitere Einzelstücke, über die gesamte Rhedigersche Bibliothek verstreut, folgten. Die nobilitas literaria Europas vornehmlich des 16., aber auch des 17. Jahrhunderts gab sich in diesen Bänden ein Stelldichein. Sammlern wie dem Begründer der Rhedigerschen Bibliothek, Thomas Rhediger, aber auch einem Henel von Hennenfeld, einem Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und

365

366

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

anderen war es gelungen, ein kaum faßliches Material zusammenzubringen. In der ganzen paläographisch informierten Welt war diese zwanzigbändige Breslauer Kollektion nebst Annexen mit Tausenden von Briefen und verwandten Zeugnissen als ein einzigartiges Juwel humanistischer Geistigkeit und Frömmigkeit bekannt. Denn niemals darf ja vergessen werden, daß auch die Reformationsgeschichte massiv in die Sammlung hineinspielte. Machen wir aber nun die Verlustrechung auf, so kennt das Erschrecken kein Ende. Und wären nicht ein Samuel Benjamin Klose im 18. Jahrhundert und ein Ernst Volger im 19. Jahrhundert zur Stelle gewesen und hätten beide sich nicht abschreibend und registerführend betätigt, das Fazit wäre noch viel trostloser. Immerhin lagen viele Bände doch im Original und in der Abschrift Kloses vor. Das hat nicht hindern können, daß mehrere vermutlich auf immer verloren sind. Täuschen uns unsere Nachforschungen nicht, die wir in dem Handschriftenlesesaal auf der Sandinsel wiederholt angestellt haben, so nimmt sich das Bild, bezogen auf R 241 bis R 260 wie folgt aus: Von der ersten Folge sind vier der neun Bände nicht mehr in Breslau, von einem hat sich eine Abschrift Kloses erhalten, ein anderer ist in die Staatsbibliothek nach Berlin gelangt. Das Klosesche Register hat sich in einer Abschrift aus der Bernhardiner-Bibliothek erhalten. Innerhalb der zweiten Sequenz R 251–260 hat Breslau von den zehn Bänden genau einen retten können, die Nummer R 254. Sechs Bände sind nach Berlin in das sog. ›Depot Breslau‹ gelangt. Drei Bände sind bis auf weiteres verschollen und vermutlich vernichtet.47 Wir könnten so fortfahren, denn die gesamte Klosesche Kollektion mit ihren insgesamt 89 Bänden enthielt weiteres, nicht weniger einschlägiges, handschriftliches Quellengut. Wir belassen es jedoch bei diesem gezielten Lichtkegel und dürfen es um so eher, als inzwischen verwiesen werden kann auf nähere Informationen an anderer Stelle. Ist es aber nicht ein Unding, so möchten wir auch an dieser Stelle fragen, daß da in Berlin nach Breslau gehörige Handschriften verwahrt werden und in Krakau ein Herzbestand der Berliner Staatsbibliothek? Unsere Politiker sind offenkundig nicht in der Lage, zwei der Europäischen Gemeinschaft angehörige Länder auf einem sensiblen Terrain kulturpolitisch zusammenzuführen. Oder mangelt es ihnen nur an Interesse?48

Ein Freund der Dichter des 17. Jahrhunderts: Johann Kaspar Arletius Neben einem unermüdlichen Abschreiber wie Klose steht eine Gestalt wie Johann Kaspar Arletius, der sein vielleicht vornehmstes Anliegen darin sah, seine Kräfte der sammlerischen Vergegenwärtigung der deutschen Dichtung

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

des 17. Jahrhunderts und einiger ihrer vornehmsten Repräsentanten zu widmen. Auf andere Weise wurde auch er derart unversehens zu einem Retter vom Untergang bedrohter Handschriften und Drucke. Keinesfalls alles aber, was er zusammenbrachte, hat den Krieg überdauert. Wieder müssen wir gewärtig sein, eine Bilanz zu ziehen, in der ein reiches Gut an Erhaltenem einem kleinen, aber besonders wertvollen handschriftlichen Schatz gegenübersteht, der verschollen ist. Doch was immer auch im einzelnen zu beklagen bleibt – schwerlich kann es einen Zweifel daran geben, daß mit Johann Kaspar Arletius eine der wichtigsten Figuren in der ungeschriebenen Geschichte der Überlieferung der deutschen Literatur des 17. Jahrhunderts in unser Blickfeld tritt.49 Schon der Vater wirkte am Magdalenengymnasium; der schulische Weg war also für den 1707 Geborenen vorgezeichnet. Er führte wie selbstverständlich in das Elisabethgymnasium, das unter dem Direktorat von Gottlob Krantz stand. Der junge Arletius kam u. a. in den Genuß der Vorlesungen des Theologen und Inspektors des Breslauer Schulwesens, Johann Friedrich Burg, von dem bekannt war, daß er eine große Bibliothek führte. Auch bei dem derzeit wohl bedeutendsten Historiker Schlesiens, Christian Runge, hörte er. Zwischen 1728 und 1732 studierte er in Leipzig und Halle Theologie; die junge Hallenser Universität nahm einen raschen Aufschwung, und entsprechend verlor Frankfurt an der Oder seine Attraktion für die Schlesier allmählich. Wes Geistes Kind Arletius war, das wurde deutlich, als er den kirchlichen Weg ausschlug und sich auf das Fach des Hebräischen, Arabischen und Jiddischen warf. Rasch stieg Arletius zur ersten Kapazität vor Ort auf; entsprechend stellten sich die Kontakte zu den Koryphäen in Hamburg und Leipzig her – den beiden aufgeklärten Hochburgen auf deutschem Boden. Die unerschöpfliche Bibliothek von Karl Joseph Maximilian von Fürst und Kupferberg bildete eine verläßliche Stütze während seiner Studien. Dann kam das väterliche Erbe zur Geltung. Als Johann Christian Nimptsch an das illustre Brieger Gymnasium berufen wurde, trat Arletius in das Magdalenengymnasium ein. Schon 1749 bekleidete der das Prorektorat nach dem Abgang des Lexikographen der schlesischen Literatur, Johann Sigismund John. Und als die erste Kapazität in der Stadt für das Hebräische und Arabische, Christian Weinisch abging, folgte ihm sein Schüler Arletius im Rektorat. Zugleich hielt er Vorträge im Hebräischen am Elisabethgymnasium, war also in beiden Anstalten verwurzelt. So mochte es nur eine Frage der Zeit sein, bis er das Rektorat am ersten Platz vor Ort übernahm. Am Elisabethgymnasium hat er gute zwanzig Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1784 gewirkt. Das schulische Treiben war das eine; das bibliothekarische das andere. Nach Hanke und Krantz übernahm nun

367

368

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Arletius die Pflege der Rhedigerschen Bibliothek. Ein Jahr nach seinem Eintritt in die Anstalt war 1762 ihr zweihundertjähriges Jubiläum zu begehen, das Arletius zu einem glanzvollen Ereignis auszugestalten wußte. Mit einer zweihundert Hexameter umfassenden ›Oratio‹ trat er ebenso hervor wie mit seinem erwähnten Beitrag zur Breslauer Theatergeschichte. Was Rang und Namen in der Stadt hatte, ließ sich vernehmen, und am Schluß war eine mächtige Festschrift zustandegekommen – die bedeutendste in der inzwischen 450jährigen Geschichte des Gymnasiums.50 Der ›Ehre Schlesiens und Breßlaus‹ gedachte er mit seiner Exkursion zum Breslauer Theater ein Denkmal zu setzen. Damit ist der geheime Beweggrund seines über die Schule hinausreichenden Schaffens bezeichnet. ›Vaterländisch‹ zu votieren heißt, für Stadt und Region als Sammler und Schriftsteller tätig zu werden und den Beitrag der heimischen Gelehrtenschaft zum geistigen Heranwachsen des ›Vaterlandes‹ sichtbar werden zu lassen. Daran hat Arletius alle seine Kräfte gewandt, nun aber erstmals vornehmlich darauf bedacht, den Dichtern im engeren Sinn ihren nur allzu verdienten Platz im Chor der schöpferischen Geister anzuweisen, und das nicht über Darstellung und Kritik – beides würde ein bescheidener Gelehrter, der Arletius geblieben war, sich gar nicht erkühnen –, sondern Zeugnisse sammelnd und Texte edierend. Doch auch auf diesem letzteren Felde blieb er in den – grandiosen! – Vorarbeiten stecken. Er war mit allzu großen Skrupeln behaftet, als daß er nicht nur restlos Ausgereiftes aus den Händen gegeben hätte. Die Philologie der schlesischen Literatur des 17. Jahrhunderts leidet darunter bis heute, und daran wird sich in vielen Fällen nichts mehr ändern, denn ungezählte Stücke aus seiner einzigartigen Sammlung sind nicht mehr verfügbar; die Ausgaben der Dichter, die ihm vorschwebten, aber nicht realisiert wurden, bleiben alle notgedrungen von diesem Verlust gezeichnet. Und darüber muß in einem Buch zur Breslauer Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit ein Wort verloren werden. Arletius war Opitz-Liebhaber und Forscher, wie es sie nur wenige gegeben hat. Sein Neffe Johann Ephraim Scheibel wußte das noch: »Am meisten aber beschäftigte er sich mit der Geschichte des Lebens und der Schriften des Schlesischen Vaters der Deutschen Dichtkunst, Martin Opitzes von Boberfeld; sammlete und copirte, was er nur von ihm und über ihn auftreiben konnte, und unterstützte D. Caspar Gottlieb Lindnern bey der Ausgabe seiner ›Umständlichen Nachricht von Opitzes Leben, Tode und Schriften, Hirschberg 1740 f II Theile, in 8.‹«51 Das eben war das erste große Dokument der enthusiastischen Opitz-Rezeption im 18. Jahrhundert, welches aus Opitzens schlesischer Heimat stammte und die wichtigste primäre Quelle für Leben und Werk geblieben ist.52 In der

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

Handschriften-Abteilung der Rhedigerschen Bibliothek war zusammen, was Arletius von Opitz an Autographen hatte auftreiben können, Briefe, Abschriften von Texten, Zeugnisse zu Opitzens Leben und Nachwirken im 17. Jahrhundert etc. Diese Kollektionen des Arletius traten neben die von Ezechiel. Kein Ort auf der Welt war so reich an Opitiana wie die Handschriften-Abteilung der alten Breslauer Stadtbibliothek, herrührend eben von diesen beiden Sammlern.53 Nur ein Bruchteil hat sich erhalten. Die große Opitz-Ausgabe, wie sie erst im 20. Jahrhundert nach dem Zweiten Weltkrieg von George Schulz-Behrend in Angriff genommen wurde, weiß davon zu berichten. Dankbar indes bleiben wir auch für die wiederum immense Sammlung von Opitz-Drucken, die Arletius sein eigen nannte und die heute einen gewichtigen Bestandteil der nach wie vor weltweit größten Opitz-Kollektion in der nunmehrigen Breslauer Universitätsbibliothek bildet. Eine Opitz-Ausgabe zu schaffen, war Arletius nicht vergönnt. Auch anderen schlesischen Dichtern wandte Arletius seine Aufmerksamkeit zu und bewies dabei untrüglichen Sinn für Qualität. Er kümmerte sich um das Werk des größten unter ihnen, dasjenige des Johann Christian Günther.54 Und hier getraute er sich tatsächlich, eine ›Nachlese‹ zu bieten, selbstverständlich aber, ohne seinen Namen preiszugeben; anonym ging sie heraus und wurde sogar ein zweites Mal wieder aufgelegt. Auch um Opitzens Landmann Andreas Tscherning kümmerte sich Arletius. Für das Werk von Christoph Köler interessierte er sich, und auch hier hat sich, wie erwähnt, nur ein Teil des einstigen Schatzes erhalten. Mit ganz besonderem Respekt gewahren wir jedoch seine Bemühungen um einen der Großen zu Anfang des 17. Jahrhunderts, dessen Schicksal es blieb, in den Schatten von Opitz zu treten und dort bis in jüngste Zeit zu verharren. Wir sprechen von Daniel Czepko.55 Mit ihm trat die andere Seite schlesischer Geistigkeit in Erscheinung, die Weiterentwicklung der lutherischen Theologie zu mystisch inspirierter Frömmigkeit, die bei Czepko – neben den Sinnsprüchen des Angelus Silesius – den dichterisch vielleicht überzeugendsten Ausdruck fand. Seine schäferlich-ländlich angelegte Verserzählung Phyllis und Coridon zeigt die beiden Liebenden auf dem Weg in die Einsamkeit und zugleich auf dem Weg zu Gott. Wie nur bei Jakob Böhme ist der Gehalt ein unerschöpflicher. Dem geistlichen Dichter Daniel Czepko steht seine Entdeckung in breiteren Kreisen noch bevor, und diese bleibt geknüpft auch an das – wiederum kriegsbedingt versehrte – Vermächtnis eines Arletius. Schließlich aber zu einer bemerkenswerten literarhistorischen Kuriosität. Arletius hat seine Blicke nämlich auch über Schlesien hinaus in den Nordosten gerichtet. Dort traf er im fernen Königsberg auf denjenigen Dichter, von dem er wußte, daß er von gleichem Rang war wie derjenige, welcher sich mit dem

369

370

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Namen Opitzens verband. Arletius war ein Liebhaber und leidenschaftlicher Sammler des Werkes von Simon Dach. Zu keinem Zeitpunkt seines Lebens hatte Dach eine Ausgabe seiner rund tausend Gelegenheitsgedichte zustandegebracht, vielleicht auch eine solche gar nicht ins Auge gefaßt. So kursierten seine Hochzeits- und Trauergedichte ebenso wie seine zu akademischen Feierlichkeiten verfaßten Gratulationen und Festgedichte in zumeist minimaler Auflage in aller Welt; manches war bereits definitiv verschollen, anderes nur noch in einem einzigen Exemplar erhalten. Das mußte einen sammlerischen Genius vom Schlage eines Arletius reizen. Er hat die Kräfte seines Lebens daran gewandt, im engsten Zusammenwirken mit Kollegen zumal in Königsberg und Leipzig aller Dachschen Texte habhaft zu werden, der gedruckten wie der handschriftlich in Umlauf befindlichen.56 Am Ende hatte er die größte bekannte Dach-Sammlung zusammen, und das, obgleich doch mehrere große Köpfe auf Jagd gegangen waren, bei dem Leipziger Literaturpapst Johann Christoph Gottsched angefangen. Sie alle träumten davon, dem liebenswerten Poeten an dem Pregel die nur allzu verdiente Ausgabe seiner Gedichte zu verschaffen. Zustandegekommen ist sie nicht. Und als kundige Hände zu später Stunde im 20. Jahrhundert daran gingen, das Überfällige nachzuholen, da waren die ästhetischen Maßstäbe nicht dazu angetan, die rechten editorischen Entscheidungen zu treffen. Denn was soll man von einer großen vierbändigen Ausgabe halten, in der die gesamte lateinische Poesie eines Autors fehlt, der doch selbstverständlich sein Leben lang genau wie Opitz und andere zweisprachig dichtete; was von einer Edition, in der die barocken Titel der Gedichte getilgt sind; was von einer Textdarbietung, in der die Schreibart teilweise modernisiert, die Virgeln durch Kommata ersetzt sind, die Verspräsentation nicht exakt der Vorlage nachgebildet ist etc.? 57 Vor allem aber hatte es der Königsberger Volkskundler Walther Ziesemer, dem wir ungeachtet der Monita großen Respekt zollen, versäumt, eine dem Werk Simon Dachs gewidmete Bibliographie zu schaffen. So benutzte er für seine Ausgabe, was ihm zumal in Königsberg leicht zugänglich war und kümmerte sich nicht um den Nachweis weiterer Exemplare. Wir haben uns Jahrzehnte später an die Arbeit gemacht und darum bemüht herauszufinden, was denn in dem untergegangenen Königsberg einst an Dach-Drucken vorhanden gewesen und im Zweiten Weltkrieg vernichtet oder in alle Welt verstreut worden war.58 Da bedeutete es bei dieser Trauerarbeit einen Trost, an der Oder im fernen Breslau die mächtige Dach-Sammlung des Arletius weitgehend gerettet zu wissen. Sie wird die Grundlage bilden, wenn es denn eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages darum geht, eine neue und nun komplette Ausgabe

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

der Werke Simon Dachs zu schaffen. Auch eine Ehrenschuld gegenüber einem Großen aus dem Zeitalter der Breslauer Aufklärung wird damit abgegolten.59

Ein Nachfahre: Johann Ephraim Scheibel Wir haben uns dem Ende des 18. Jahrhunderts genähert. Blicken wir zu einer Figur wie Johann Ephraim Scheibel, dem Neffen des Arletius hinüber, so überschreiten wir die Scheide der Jahrhunderte bereits.60 Auch er war gebürtiger Breslauer, besuchte die Schulen daselbst und wurde mit 23 Jahren im Jahr 1759 als Professor für Mathematik und Physik an das Elisabethanum berufen. Nun aber hatte die ehrwürdige Anstalt Konkurrenz bekommen. Für einen Aufsteiger wie Scheibel, der sich auch in seinen Schriften als ebenso selbstbewußter wie ehrgeiziger Gelehrter zu erkennen gibt, bedeutete es offenkundig eine Verbesserung, wenn er in gleicher Eigenschaft an das eben gegründete reformierte Friedrich-Gymnasium herüberwechseln konnte. Dort bekleidete er das Rektorat und nahm zugleich das Amt des Inspektors der protestantischen Breslauer Schulen wahr. Er hat hier mit einem Gelehrten wie Daniel Heinrich Hering zusammengearbeitet, den wir als Historiker des Schönaichianums und sodann der reformierten Kirche Brandenburgs kennenlernten. Beide zehrten nach eigenem Bekenntnis bei ihren wissenschaftlichen Arbeiten von den Sammlungen des Arletius. Der wissenschaftliche Kontakt unter der geistigen Elite Breslaus war der engste in den letzten Jahrzehnten der alten Zeit vor dem Umbruch. Wer mitwirken wollte an der Bilanzierung dessen, was da in den vergangenen drei Jahrhunderten geistig auf den Weg gebracht worden war, der leistete sein Bleibendes auf dem ›vaterländischen‹ Terrain. So auch symptomatischerweise eine Gestalt wie Scheibel. Seine dem eigenen Fach gewidmeten Arbeiten dürften lange der Vergessenheit anheimgefallen sein. Sie begründeten seinen Ruhm unter den Zeitgenossen und bescherten ihm einen Ruf in die Berliner Akademie der Wissenschaften und die patriotische Gesellschaft Schlesiens, das eine Mal über mathematische, physikalische und astronomische, das andere Mal über ökonomische und geodätische Arbeiten. Entsprechend figuriert sein Name im renommierten Werk von Poggendorff mit den Biographien bedeutender Forscher auf dem Gebiet der ›exakten Wissenschaften‹.61 Das aber, was seinen bleibenden Beitrag ausmacht, sucht man dort und selbst in der Allgemeinen Deutschen Biographie vergeblich. An vorderster Stelle im schulischen Wesen Breslaus zu wirken war gleichbedeutend mit der Herausforderung, einen gediegenen Beitrag zu den Schätzen zu leisten, die

371

372

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

sich in den Mauern der Stadt im Umkreis der Kirchen und Schulen gesammelt hatten. Auch Scheibel hat es daran nicht fehlen lassen. Wir haben ihn als Biographen von Arletius kennengelernt. Seine Arbeit erschien 1789 in Breslau und ist durchsetzt mit Hinweisen auf den Wachstums­ prozeß der Sammlungen des Verstorbenen sowie mit Angaben über ihre Provenienz. Zahlreiche kleine Porträts der Gelehrten, denen Arletius begegnete, hat Scheibel in seine Biographie eingearbeitet; für einige Dezennien liest sie sich wie ein ›Who is who‹ Breslauer Geistigkeit um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Der Stolz, so viele bedeutende Männer an einem Ort vereint zu wissen, ist unüberhörbar und führt dem Historiographen die Feder. Daß Anekdotisches reichlich mit einfließt, gehört zum Metier. Die Zusammenkunft des Arletius mit dem späteren preußischen König bezeichnet einen Höhepunkt in der Biographie. Und daß Arletius wie Klose beinahe ums Leben gekommen wäre, als eben der König die Stadt bombardieren ließ, erfahren wir gleichfalls über Scheibel. Staunend verneigt sich der Biograph vor der stupenden Sprachenkenntnis des Arletius und seinem universalen Wissen. Noch einmal wurde mit ihm die Gestalt des Polyhistors lebendig und fand in dem bescheidenen Gelehrten eine liebenswerte Verkörperung. Dessen Zeit ging definitiv zu Ende. So nimmt die Scheibelsche Hommage auch den Charakter eines Abgesangs auf einen Typ von Gelehrsamkeit an, dem die Erinnerung zu bewahren zum vornehmsten Geschäft des Historiographen der Frühen Neuzeit gehört. Was mag einen Naturwissenschaftler bewogen haben, sich auch der Bibliothek anzunehmen? Ganz offensichtlich gehörte es zum rektoralen Geschäft, sich auf diesem Feld auszuweisen. Das aber wäre gewiß nicht geschehen, wenn der Nimbus, der sich insbesondere mit der Rhedigerschen Bibliothek verband, nicht ein so überragender gewesen wäre. Man stellte sich in eine inzwischen respektable Tradition und wußte, an einem unabschließbaren Werk mitzuwirken, in das mit dem eigenen Namen einzugehen Ehre versprach. Scheibel ist nach Gebhard und Krantz der Dritte – oder, wenn man denn Hanke mitzählt, der vierte –, der sich um die Rhedigersche Bibliothek verdient gemacht hat. Schon 1763 war Scheibel mit einer Untersuchung zu einer berühmten Handschrift der Rhedigerschen Bibliothek hervorgetreten, dem lateinischem Codex der vier Evangelien, den er mit der griechischen Version und der Vulgata verglich.62 Er widmete die selbständig erschienene Schrift der ersten Autorität vor Ort namens Johann Friedrich Burg und bezog sich sogleich in seiner Einleitung auf Gottlob Krantz und dessen ›Memorabilia‹ zurück. Der Textvergleich wird für die in der Handschrift erhaltenen Passagen von Matthäus und Markus durchgeführt. Scheibel gebührt das Verdienst, als einer der ersten mit der Präsentation

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

einer Handschrift aus der berühmten Breslauer Bibliothek tatsächlich an die Öffentlichkeit getreten zu sein. Seine eigentliche Bedeutung als Historiograph der gelehrten Anstalt wird man in seinen Nachrichten von den Merkwürdigkeiten der Rehdigerschen Bibliothek zu Breslau zu suchen haben, die 1794 zu erscheinen begannen und als Fortsetzungswerk geplant waren.63 Sie markieren einen Abschluß der gelehrten Bemühungen auf diesem Feld im 18. Jahrhundert. War die Kollation der Evangelien-Handschrift noch auf lateinisch verfaßt, so bediente sich Scheibel jetzt des Deutschen; das heimische Idiom hatte sich als Sprache der Wissenschaft durchgesetzt. Scheibel war nicht anspruchslos. Er scheute sich nicht, sein Werk dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. zu widmen. Der Aufhänger? Der Besuch, mit dem der Prinz vor Jahren das Haus beehrt hatte. Unvergeßlich habe er sich dem Schreiber der Zeilen eingeprägt – Preußen hatte im einstigen Schlesien der Habsburger Wurzeln gefaßt, und man durfte seine Anhänglichkeit an das Königshaus bekennen. Der Prinz und nachmalige König hatte nach dem Zeugnis Scheibels begonnen, sich mit der berühmtesten Handschrift aus dem Rhedigerschen Vermächtnis zu beschäftigen, dem ›Froissart‹. Das war Anlaß genug, eben dieser Handschrift nun eine eingehende Würdigung zuteil werden zu lassen. Als Dankesgabe für die vor zwei Jahren erfolgte Aufnahme in die Königliche Akademie zu Berlin versteht sie sich zugleich. Für uns ist die Scheibelsche Schrift von Wert geblieben, weil ihr vor der Präsentation der Handschrift ein gehaltreicher ›Vorbericht‹ vorangestellt ist, der auf wenigen Seiten eine Fülle einschlägiger Informationen birgt. Scheibel, so wird man vermutlich feststellen dürfen, ist es zu verdanken, daß eine klare Trennungslinie zwischen der der Elisabethkirche eigenen Bibliothek und der Rhedigerschen Stiftung sowie der nachfolgend inkorporierten Legate gezogen wurde. Die sog. Rhedigersche Bibliothek ist eine öffentliche, städtische Institution, das hatte Henel, dem Impetus des Stifters folgend, rechtlich verbindlich durchgesetzt, und eben diese vom Rat abgesegnete Publizität begründete den Stolz der Stadt und ihrer Bürger im Blick auf das Juwel, das der städtischen Gemeinde zugefallen war. Wenn Scheibel sich nun daran machte, die Reihe der Stifter nochmals durchzugehen, dann war klar, daß Wachstum und Gedeihen allein von bürgerlichem Engagement abhingen, und das auch auf eine jede erdenkliche Zukunft hin. Die Ehrengalerie lud ein zur Nachfolge, und so war sie gemeint. Die ungemeine ökonomische Potenz der Stadt war einem kulturellen Schmuckstück zugute gekommen. Es war von schöner zeichenhafter Bedeutung, dieses Gesetz am Ende des aufgeklärten Säkulums nach mehr als zwei Jahrhunderten steten

373

374

|  Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition

Wachstums bekräftigt und inmitten des sich ankündigenden Umschwungs aller Verhältnisse als ein Vermächtnis der Zukunft überantwortet zu sehen.

Im Zeichen der Schrift Denn nun standen die Zeichen der Zeit nicht nur auf Veränderung, sondern auf Revolution. Schlesien, Breslau konnte sich ihnen nicht entziehen. Und wenn sie auf einem Gebiet sich besondern energisch geltend machten, so auf dem der Kultur. Sie blieb Indikator des Wandels und behaftet mit den Malen der Verheißung wie des Schreckens. Auch Schlesien hat teil an der großen Publizistik, wie sie die Französische Revolution über die Grenzen hinweg in Europa freisetzte. In Paris residierte Gustav Graf von Schlabrendorff, der Sohn des Friedrich II. treu ergebenen schlesischen Provinzialministers Ernst Wilhelm von Schlabrendorff.64 Um ihn, der mit Reichtum gesegnet war und die Rolle des Mäzens genoß, scharte sich, was aus aller Welt in die Hauptstadt der Revolution strömte, um an dem weltgeschichtlichen Ereignis als Augenzeuge und womöglich als Mitspieler teilzuhaben. In seinem Werk Napoleon Bonaparte und das französische Volk unter seinem Konsulat (Germanien 1804!) kommentierte und deutete Schlabrendorff den Fortgang der Revolution und den Aufstieg Napoleons. Überzeugter Republikaner, der er blieb und deswegen nur um Haaresbreite dem Schafott entging, verharrte er in gleich intensiver Ablehnung gegenüber Robespierre und den Seinen wie gegenüber Napoleon und dem rasch sich etablierenden bonapartistischen System. Zu ihm und seinen Kreisen stieß, gleichfalls aus Schlesien kommend, einer der fruchtbarsten Publizisten der Revolution und des Bonapartismus, Konrad Engelbert Oelsner aus Goldberg.65 Die Nachricht vom Bastillesturm war eben bekannt geworden, da machte sich der Fünfundzwanzigjährige sogleich auf in die französische Metropole. Der Doyen der schlesischen Landsleute von Schla­ brendorff führte auch ihn in die französische Welt und ihre führenden Köpfe ein. Lebensbestimmend wurde – wie auf andere Weise für Schlabrendorff – der Kontakt mit dem Haupt der Liberalen Sieyès. Ihm diente er als Sekretär. So war er dem Geschehen nahe und erlebte die zunehmende Ausdifferenzierung und Radikalisierung der Bewegung, welch letzterer, die in dem von ihm gehaßten Robespierre ihre Verkörperung fand, er sich versagte. Er wurde Zeuge des Überlebenskampfes der Gironde. Seine Bruchstücke aus den Papieren eines Augenzeugen und unpartheyischen Beobachters der französischen Revolution aus dem Jahre 1794 und Lucifer oder gereinigte Beiträge zur Geschichte der Französischen Revolution

Heimstatt von Landeskundlern, Litterärhistorikern und Laudatoren  |

aus den Jahren 1797 bis 1799 sind authentische Dokumente ersten Ranges aus erster Hand geblieben, deren Echo bis in das ferne Schlesien vernehmbar blieb. Wir aber erinnern an diesen schlesisch-linksrheinischen Akkord, weil alsbald im neuen Jahrhundert, der von Schlabrendorff wie von Oelsner gleichermaßen kritisch beäugte Aufstieg und Fall Napoleons auch für Schlesien die weitreichendsten Konsequenzen zeitigte. Und das eben auch auf jenem Sektor, der Richtschnur und Leitfaden unserer abschließenden Betrachtung bildet, der um Handschriften und Bücher, Archive und Bibliotheken gruppierten und in ihrem Schicksal sich flektierenden Breslauer Geistigkeit. Auch Oelsner gehörte jener Fraktion der Reichspublizistik an, die im Gefolge der Revolution zu einer Säkularisierung der geistlichen Herrschaften sich bekannte. Sie mußte in einem Land wie Schlesien, das derart intensiv geprägt geblieben war durch die klerikalmonastischen Traditionen Alteuropas, zu einer Kulturrevolution ungeahnten Ausmaßes führen. Denn nun wurden Schritte ergriffen, die unwiderruflich in die Moderne führten – einer Moderne, die von der ersten Stunde an ihr zwiegesichtiges Antlitz zu erkennen gab. Es muß als ein Fanal im fernen Breslau gewirkt haben, daß der preußische König und sein Minister planten, die Universität Frankfurt an der Oder aufzugeben und nach Breslau zu verlegen. Ein solcher Schritt implizierte ein Dreifaches: Eine über zweihundertjährige akademische Geschichte an der unteren Oder wurde mit einem Federstrich beendet, um weiter oderaufwärts einen Neuanfang zu inszenieren, der sich zugleich als Einlösung einer über drei Jahrhunderte währenden und stets vergeblich gebliebenen Bemühung ausnehmen mochte. Zugleich war damit das Ende der gegen den Widerstand der Stadt in ihre Mauern angesiedelten Leopoldina besiegelt, in der das Habsburg zugewandte Schlesien eine Bastion gewonnen hatte, die nun unversehens ein Opfer des mit dem Fall und Aufstieg Preußens verknüpften Reformprozesses wurde. Vor allem aber und drittens gelangte Breslau im Gleichklang mit Berlin und der dortigen Humboldtschen Schöpfung mit einem Schlag an die Spitze einer akademischen Bewegung, die das gesamte 19. Jahrhundert prägen sollte. War Breslau die Heimstätte illustrer Gymnasien gewesen, so rückte die Universität in einzelnen Fächern – genau wie das aus deutsch-baltischer Wurzel erwachsene Dorpat in Estland – in den Lichtkegel gelehrter Innovation, hatte teil an dem Aufschwung deutscher akademischer Kultur, wie sie am Ende des Jahrhunderts – ungeahnte Impulse entfaltend und weltweit bestaunt – singulär dastehen sollte.

375

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien Nochmals in eigener Sache Der Reigen kultureller Institutionen und Aktivitäten in einer bedeutenden Stadt wie Breslau ist ein schwer erschöpflicher. Und das schon in der Frühen Neuzeit selbst und zumal in ihrem letzten Jahrhundert, dem achtzehnten; vorzüglich dann aber im neunzehnten und den ersten Dezennien des zwanzigsten. Eine Kulturgeschichte wird bemüht sein – und sollte dies –, die verschiedenen Bereiche abzuschreiten und dabei so gut als irgend angängig das Gleichgewicht unter den einzelnen Sparten zu wahren. Unser Anspruch ist bescheidener und gewährt uns eben deshalb größere Freiheit. Wir dürfen darauf verzichten, in die Konzertsäle, die Theater, die Opernhäuser einen Blick zu werfen, von den überhaupt erst in der neueren Zeit aufkommenden Medien der Information und Unterhaltung ganz zu schweigen. Die an die Schrift gebundene geistige und künstlerische Tätigkeit steht im Mittelpunkt unserer Betrachtung, und auch sie fokussiert nicht ausschließlich aber doch im wesentlichen auf die Frühe Neuzeit. Diese Einschränkung mag schmerzlich, vielleicht auch befremdlich sein. Wir bleiben bei unserem Vorsatz, aus der unmittelbaren Fühlungnahme mit der reichen kulturellen Überlieferung zu schöpfen, wie sie uns in der eigenen Arbeit in Breslau entgegentrat. Entsprechend sind auch die ›schönen Künste‹, sofern denn die Rede knapp auf sie kommen wird, ein Gegenstand allenfalls musealer Präsentation, und dies genauso wie die Bibliotheken und Archive es für Bücher und Handschriften waren. Gibt es einen Blick auf die künstlerische Praxis selbst, so auf dem Feld, für das wir uns hinlänglich gerüstet fühlen – der Literatur. Ihr sind daher die drei vorangegangenen Kapitel unseres Buches vorbehalten geblieben. An dieser Stelle mag abschließend der Versuch seinen Platz haben, weiterer Institutionen und Organe des im weitesten Sinn gelehrten Transfers ansichtig zu werden, über die und in denen das reiche und vielfach in den Mauern der Stadt selbst produzierte Wissen seinen Weg in die städtische Öffentlichkeit nahm. Das große Gründungsjahrhundert bleibt allemal das achtzehnte – und so auch in Schlesien. Die Etablierung gelehrter Gesellschaften ging voran und zog alsbald zumeist aus ihrem Schoße hervorgehende Periodika nach sich.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Wir wünschten, daß dieser Prozeß gerade für das Jahrhundert der Aufklärung in Schlesien besser erforscht wäre. Insbesondere die Verlautbarungen in den Gründungsdokumenten sind eine mentalitätsgeschichtliche Quelle ersten Ranges. Wir stützen uns vor allem auf sie, entgehen sie doch allzu häufig der Aufmerksamkeit der historischen Zunft. Unser Beginn ist ein beliebiger. An diversen Stellen regt sich im 18. Jahrhundert schöpferisches intellektuelles Leben. Eine Aktivität ruft die andere hervor, Kooperationen werden gesucht, Fehden ausgetragen, Lager gebildet. Die gelehrte Zunft verliert ihr exklusives Monopol. Das Forum der Disputanten erweitert sich entschieden. Das Latein bleibt als Verkehrssprache in Kraft. Das Deutsche aber gewinnt merklich an Attraktion. Damit werden neue Schichten erschlossen, und das gleichermaßen auf seiten der Autoren wie des Publikums. Der Preis für dieses frohgemute Agieren ist augenfällig. Viele Initiativen, eben gestartet, verlieren sich wieder im Nichts. Erkennbar ist ein Überhang des Geplanten und programmatisch Artikulierten vor dem tatsächlich Realisierten. Der Attraktivität dieses intellektuellen Feuerwerks tut das keinen Abbruch, im Gegenteil. Alle diese Verlautbarungen sind ein Medium zeitgenössischen Bewußtseins ersten Ranges, ihre Entzifferung ein kaum zu erschöpfendes Vergnügen. Epochale Signaturen geben sich zu erkennen, denen ein hohes Maß geschichtlicher Authentizität eignet. Der Überschuß des zur Behandlung sich anbietenden Materials gegenüber dem tatsächlich zur Sprache zu bringenden ist immens. Ein Königsweg bietet sich daher kaum jemals an; ein Schuß des Arbiträren bleibt unvermeidlich. Aber gereicht das einem Buch nur zum Nachteil? Er birgt Chancen des freien Umgangs, die wahrgenommen sein wollen.

Sprießen von gelehrten Organen und ein Lob auf den Sachwalter der Schaffgotschen Bibliothek Dies vorausgeschickt, beginnen wir bei unserem kleinen Rundgang mit dem, was dem Zeitalter besonders lieb war, dem Gründen von Zeitschriften und anderweitigen periodischen Organen. Sie sprießen auch in Schlesien zuhauf. Nun aber kommt dem Land erneut seine herrschaftlich vielgestaltige Verfaßtheit zugute. An den verschiedensten Stellen regen sich Aktivitäten und kaum übersehbar ist die Fülle der Periodika wie auch der Namen ihrer Gründer. Dazu trägt bei, daß viele von ihnen so rasch wieder vom Boden verschwanden wie sie in die Welt getreten waren. Ist es also ohnehin in so gut wie jeder kulturgeschichtlichen Betrachtung auf deutschem Boden in der Frühen Neuzeit geboten, nach Regionen gestaffelt und gegliedert vorzugehen, so wiederholt

377

378

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

sich diese Ausgangslage auf schlesischem Boden potenziert. Wir aber sind auch ob dieses Umstandes unbesorgt und verharren der Akzentuierung und Pointierung wegen bei einzelnen Unternehmungen, wohl wissend, daß auch bei dieser Beschränkung die Monographie das Mittel der Wahl bleibt, welche allem Sagenswerten genügend Raum bietet. Die Kunst der Verknappung will also wiederum beobachtet sein. Bedienen wir uns eingangs eines authentischen, gleichwohl selten bemühten Führers. Schlesien besaß die reichsten Bibliotheken. Neben den Städten und Kirchen ließen sich die Gelehrten und die Herrschaftsstände in allen Gruppierungen die Pflege von Bibliotheken angelegen sein. ›Silesiaca‹ in Handschrift und Druck bildeten häufig einen Sammelschwerpunkt, oftmals verknüpft mit genealogischen Akzentuierungen und gerne zugespitzt auf die um ein einzelnes Geschlecht sich sammelnde schriftliche Überlieferung. Zu den herausragenden Bibliotheken im Lande zählte die Bibliothek der Grafen von Schaffgotsch, die zuletzt in Warmbrunn eine Bleibe gefunden hatte.1 Sie besaß um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einen Bibliothekar, der sich nicht nur um ihre Mehrung bemühte, sondern der ihre Schätze auch dokumentierte, indem er Kataloge nicht nur für den internen Gebrauch erarbeitete, sondern ausgewählte zum Druck beförderte. Ein ganzer Band ist alleine den ›Schaffgotschiana‹ in dieser Bibliothek gewidmet.2 Ein anderer und umfangreicherer gilt den ›Silesiaca‹.3 Da war in staunenswerter Geschlossenheit alles Einschlägige zusammen. Und so bleibt es ein Grund zur Freude, daß die Bibliothek – im Gegensatz zu ihrer gleich bedeutenden Schwester auf Schloß Fürstenstein – den Krieg glimpflich überstanden hat. Jedoch blieb sie hernach nicht geschlossen in Schlesien, sondern mußte dazu beitragen, der Nationalbibliothek in Warschau wieder einen gediegenen Fundus an Altdrucken zu verschaffen. Viele mit einem ›S‹ ausgezeichnete kostbare Werke und gerade auch unersetzliche Sammelbände verweisen auf die Herkunft aus der Schaffgotsch’schen Bibliothek. Die immer wieder verlautende Rede, daß keine Silesiaca aus dieser Bibliothek nach Warschau gekommen seien, ist eine Mär. Die Bibliographie aus der Feder des zuständigen Bibliothekars Heinrich Nentwig ist professionell aufgebaut, wie es kaum anders sein kann. Das beginnt bei den landesgeschichtlichen Bibliographien – an der Spitze selbstverständlich der auch von uns ständig konsultierte ›Thomas‹, der ansonsten, wie es scheint, kaum jemals ausgeschöpft wird –, geht fort mit der ›Gelehrtengeschichte‹, wechselt herüber zu den Bibliotheken und repräsentiert schließlich die Fachgebiete ›Buchdruckerkunst‹ und ›Buchhandel‹ – jede Sparte eine Fundgrube. Dann schon folgen die ›Vereinsschriften‹, die uns sogleich im nächsten Abschnitt

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

beschäftigen werden. Sie sind gesondert von den ›Zeitschriften‹, mit denen wir einsetzen, ohne freilich zu versäumen, zurückzublicken in die Rubrik ›Bibliographie‹, denn auch dort sind wichtige Hinweise enthalten. Der Kenner verbindet mit so gut wie jedem Titel mehr oder weniger genaue Vorstellungen. Er liest eben auch eine gut gearbeitete Bibliographie mit Gewinn und Behagen. Aber natürlich bedürfte ein jeder Titel des Kommentars. Das wiederum obliegt der Gattung der landesgeschichtlichen annotierten Bibliographie. Eine solche zu später Stunde zu schaffen, und sei es allein für die aus der Frühen Neuzeit herrührenden Organe, wäre eine höchst verdienstvolle Aufgabe. Das bibliographische Gewerbe zählt im Fach nicht viel. Dafür ist es mit einem Vorzug begabt, welcher vielen der rasch dahingefingerten sonstigen Schriftsätze nicht zuteil wird: Der gediegenen Bibliographie ist wie der gediegenen Edition ein langes, ein unverwüstliches Leben eigen.

Kleine Revue gelehrter Magazine nebst bibliophilen Annotationen Gleich der erste Titel läßt aufhorchen. Und das wegen des Gegenstandes, auch aber wegen des Namens von einem der beiden Herausgeber. Es handelt sich um eine Sammlung Von Natur= und Medicin- Wie auch hierzu gehörigen Kunst= und Literatur-Geschichten/ So sich […] In Schlesien und andern Ländern begeben. […] Als ein Versuch ans Licht gestellet Von Einigen Breßlauischen Medicis. Aus dem weiten Gebiet der Medizin in ihren theoretischen wie ihren praktischen Aspekten vermochten die rührigen Herausgeber in der kurzen Frist zwischen 1718 und 1730 18 Bände zu bestreiten. Einer der beiden Verantwortlichen war der große Sammler und landeskundliche Chronist Johann Christian Kundmann, dem wir bereits begegnet sind.4 Werfen wir nun einen Blick in eine noch vor dem Krieg erarbeitete Fachbibliographie, so stellen wir fest, daß dort nur für eine einzige schlesische Bibliothek ein komplettes Exemplar nachgewiesen ist, eben für diejenige in Warmbrunn.5 Diese gelehrten Organe sind zwar nicht ganz so selten wie die Tageszeitungen, von denen wir hier gar nicht sprechen können. Vollständige Sequenzen insbesondere aus den frühen Zeiten aber sind auch unter ihnen eher die Ausnahme. Es bedurfte der Sammler aus Passion, zu denen wir gelegentlich auch späte Nachfahren zu dieser im 18. Jahrhundert zu Ehren gelangenden bibliophilen Zunft zählen dürfen, um auch dem periodischen Schrifttum die volle Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Heinrich Nentwig gehört zu ihnen. Wie es sich im gelehrten Metier gehört, ist der zweite der beiden Verantwortlichen, Johann Kanold, in den Jahren zwischen 1726 bis zu seinem Tod

379

380

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

im Jahr 1729 mit einem vierbändigen Supplement zur Stelle. Von diesem hat unser Bibliograph Willy Klawitter, zu dem wir parallel herüberblicken, nur eine eingeschränkte Kenntnis. Er verweist auf ein inkomplettes Exemplar in der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau. Er hat von Nentwig zwar die höchst wertvolle periodische Berichterstattung zur landeskundlichen Literatur in der Nachfolge von Joseph Partsch in der Hand gehabt, offensichtlich aber nach Ausweis seines Literaturverzeichnisses nicht die beiden speziell der Schaffgotsch’schen Bibliothek gewidmeten Bücher.6 Bibliothekskataloge haben ihre eigenen Vorzüge. Das bestätigt eine jede Stichprobe. Die Schaffgotsch’sche Bibliothek ist anders als die Stadt- und die Universitätsbibliothek in Breslau als einzige im Besitz eines kompletten Grundund Komplementär-Exemplars gewesen. Die Daten der Veröffentlichung lehren uns auch, daß das Organ sich nur während der beiden ersten Jahre in Breslau zu halten vermochte. Schon ab 1721 wechselte es nach Leipzig und Bautzen, der letzte Jahrgang, nun betreut von Andreas Elias Büchner, kam in Erfurt bei Jungnicol heraus. Erfurt mit Jungnicol in Kommission und unter der Stabführung von Büchner, auch dies lehrt uns der Nentwigsche Katalog, nicht aber die Klawittersche Bibliographie, war auch der Ort, da ein fast 800 Seiten umfassendes Register zu dem Periodikum erschien, das sich seinerseits, wie gleichfalls nur aus Nentwig ersichtlich, aus insgesamt 38 ›Versuchen‹ zusammensetzte. Wir brechen sogleich ab. Fachsimpelei gehört zu den mit Passion gepflegten Usancen unter Bibliographen. Knapp zwanzig weitere Titel von Zeitschriften mit Gründungsdatum im 18. Jahrhundert kann Nentwig für die Schaffgotsch’sche Bibliothek ausweisen. Eine jede verdiente Erwähnung und Kommentar. Da figuriert selbstverständlich eine Moralische Wochenschrift. Da existiert tatsächlich noch eine auf Latein verfaßte und auf Experimenten beruhende medizinische Fachzeitschrift mit dem schönen Titel Medicorum Silesiacorum Satyrae. Da gibt es ›Von allem Etwas, oder der Schlesische Schriftsteller nach der Mode‹ und ein ›Schlesisches Allerlei nicht für Gelehrte, sondern für den Liebhaber nützlicher Sachen‹ gleich in mehreren Folgen. Auch die berühmte Bunzlauische Monatsschrift gehört in das 18. Jahrhundert. Und selbst noch das wichtigste und langlebigste Organ, die Schlesischen Provinzialblätter, denen wir uns sogleich zuwenden, gründen noch im 18. Jahrhundert. Wir aber schlagen bei Nentwig zurück in die Rubrik ›Bibliographie‹ und werden daselbst auf andere Weise einschlägig fündig.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

›Gelehrte Neuigkeiten Schlesiens‹ im Zeichen der Schaffgotschs Nentwig hat ordnungsgemäß im Anschluß an das Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien aus der Feder von Johann George Thomas und die landesund volkskundliche Bibliographie von Joseph Partsch, die er selbst fortsetzen sollte, die beiden maßgeblichen Bio-Bibliographien von Johann Heinrich Cunrad und Johann Christian Leuschner aufgeführt, die aus der handschriftlichen Masse dieses Genres allein den Weg zum Drucker fanden. Er zählt sie zu den Bibliographien genauso wie das nachfolgende bekannte und verdienstvolle Werk von Johann Jacob Füldener aus dem Jahr 1731, weil die Viten der Gelehrten mit dem Verzeichnis ihrer Schriften verbunden sind.7 Dann aber folgt bereits in sechster Position ein Titel, der uns aufhorchen läßt, geraten wir doch erneut an frühes, aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts herrührendes gelehrtes periodisches Schrifttum, mit dem Schlesien Anschluß findet an die überall in den Hauptstädten der Aufklärung wie Pilze aus dem Boden schießenden gelehrten Journale. Und wieder bleibt es nicht bei der Nomination eines einzelnen Titels. Eine ganze Folge von Periodika, kreisend um das ›gelehrte Schlesien‹ und um ›gelehrte Sachen‹ im schlesischen Kontext stand in der Warmbrunner Bibliothek in schöner Geschlossenheit zusammen. Das wird in den Breslauer Bibliotheken nicht anders gewesen sein. Im Falle der Schaffgotschs aber zahlte sich nun aus, daß ein gedrucktes Verzeichnis der Schätze vorlag, Interessierte sich also mühelos über das sachlich Zusammenhängende orientieren konnten. Eröffnet wurde die Kollektion mit einem berühmten Titel: Gelehrte Neuigkeiten Schlesiens/ in welchen so wohl, Was von Hohen und andern Schulen/ von Bibliotheqven und Cabineten/ von versprochenen und heraus gegebenen Schrifften und Gedichten; Als auch Von gelehrten Anmerckungen und Erfindungen/ Jngleichen Lebens= und Todes=Fällen der Gelehrten, Darinne Merckwürdiges Jm Jahr 1734. zu erforschen gewesen/ Zum Vergnügen allerhand Liebhaber mitgetheilet wird. Da war also erstmals ein Organ auf schlesischem Boden zuwegegebracht worden, das nicht auf eine einzelne Disziplin beschränkt, auch nicht auf den Kranz der Fächer in einer der Fakultäten eingeschränkt war, sondern sich als Instrument der Information auf allen für die Pflege von gelehrten Belangen einschlägigen Institutionen und Sachgebieten verstand.8 Wir haben mit einem Zweig aus dem breit gefächerten Angebot des Wissens im Zuge unserer auf Schlesien bezogenen bibliothekshistorischen Forschungen nähere Bekanntschaft unter der Rubrik ›Von offentlichen und Privat-Bibliothequen‹ gemacht. Die daselbst versammelten Berichte zeugten von stupender

381

382

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Informiertheit. Nachrichten, die an keiner anderen Stelle sonst zu lesen waren, konnte man hier finden. Thomas, der sich auskannte, und später das Periodikum ganz an den Anfang seiner landeskundlichen Bibliographie rückte, urteilte ebenso lakonisch wie zutreffend, daß die Gelehrten Neuigkeiten Schlesiens »als die ersten Schles. Literaturzeitungen anzusehen« seien.9 ›Literatur‹ aber meinte hier den alten im 18. Jahrhundert im Umlauf befindlichen Begriff, wie er in die Gattung der ›Litterärgeschichte‹ einging. Diese unterrichtet systematisch titularisch und kommentierend über alle Wissensgebiete. Was dort enzyklopädisch versammelt war, kam in dem gelehrten Periodikum in zeitlicher Folge, fortschreitend von Monat zu Monat und von Jahr zu Jahr zur Behandlung. Das jeweils Neue und Aktuelle war Trumpf. Breslau freilich war nicht der Ort, da die Gelehrten Neuigkeiten erschienen. Der Gründungsort verband sich mit dem Namen von Schweidnitz und damit der Landeshauptmannschaft der Schaffgotschs. Wieder bestätigt sich, daß Personen in Gründungsakten den Ausschlag geben. Eine exzellente gelehrte Infrastruktur allein tut es nicht. Kein Herausgeber schmückte das Titelblatt mit seinem Namen. Und das offensichtlich kaum zufällig. Was wir über die Person wissen, die verantwortlich zeichnete für die Etablierung des Organs und ihren Fortgang in den Jahren zwischen 1734 und 1738, paßt zu dieser Zurückhaltung. Daß wir darüber des Näheren unterrichtet sind, verdanken wir einem der großen Personenkundler des 18. Jahrhunderts in Schlesien, der uns auf unserer Wanderung stetig begleitet hat. In dem letzten Band, den Siegismund Justus Ehrhardt von seiner Presbyterologie zum Druck bringen konnte, Stadt und Fürstentum Liegnitz gewidmet, findet sich auch ein Porträt von Gottfried Balthasar Scharff. Dort spielt der Name Scharffs zwar kaum eine Rolle im Blick auf die Gelehrten Neuigkeiten, dafür aber sind die Informationen über die Person und das anderweitige Werk um so ausführlicher. Ehrhardt muß seinen Amtskollegen sehr geschätzt haben und bescheinigt ihm hohe menschliche Qualitäten, gründend in frommer Bescheidenheit.10 »Ein würklich grosser Gelehrter, u. um die Ev. Luthr. Religion hochverdienter Theologe.« So leitet Ehrhardt seine Vorstellung Scharffs ein. Er hatte in Liegnitz und am Elisabethgymnasium seine schulische Ausbildung empfangen, dann in Leipzig und Wittenberg studiert und 1699 seinen Magister erworben. Nach Wahrnehmung einer Hofmeisterstelle »rief ihn das berühmte Schweidnitz zu sich.« Hier faßte er dauerhaft Wurzel. Über das Amt des Diakons und Archidiakons stieg er zum Senior des geistlichen Ministeriums auf. Seit 1737 war er Pastor primarius und Inspektor der Schulen bei der Dreifaltigkeitskirche. Es war das Jahr, da er in hohem Alter als Sechzigjähriger die Gelehrten Neuigkeiten

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Schlesiens ins Leben rief. Seine Karriere aber war damit nicht beendet. Nach dem Übergang Schlesiens unter die preußische Krone »belohnte der unsterbl. Monarch, K. Friedr. II. der Grosse, v. Preussen, A. 1742 seine allgemein erkannte grosse Verdienste um Religion u. Wissenschaften, mit dem Karakter eines Kgln. Jnspektors aller Ev. Kirchen u. Schulen in den Fürstenth. Schweidnitz, Münsterberg u. der Grsch. Glaz.« Dies wiederum war das Jahr, da die Gelehrten Neuigkeiten ihr Erscheinen einstellten. Sie waren aus Schweidnitz nach Liegnitz herübergewechselt – und das wiederum nicht zufällig. Für die drei letzten Bände der Jahre 1739 bis 1741 – ein angekündigter Band für 1742 erschien nicht mehr – zeichnete nämlich ein anderer Herausgeber verantwortlich, dessen Name bekannter ist als derjenige des Gründers, Kaspar Gottlieb Lindner.11 Er hat sich auf Dauer weniger als eifriger Dichter im Geist der Frühaufklärung, der er auch war, Ruhm erworben, denn als passionierter Sachwalter des Opitzschen Erbes, als den wir ihn kennengelernt haben. Lindner war gebürtiger Liegnitzer und hatte zunächst in Jena und dann vor allem in Halle Medizin studiert, wo er auch den Doktortitel erwarb. 1732 ließ er sich als Mediziner in Hirschberg nieder. Die Wahl dieses Ortes wurde bestimmend für sein weiteres Leben. In Hirschberg existierte ein ›Collegium poeticum‹, das sich im Zeichen Gottscheds konstituierte, zu dem u. a. der Fabeldichter Daniel Stoppe, der Bibliothekar und Inspektor der Schaffgotsch’schen Herrschaft Giesdorf Johann Carl Neumann und der nunmehrige Arzt und Hirschberger Ratsherr Lindner gehörten. Lindner blieb zutiefst beeindruckt von den landschaftlichen Schönheiten des vor den Toren der Stadt sich ausbreitenden Riesengebirges, die er unaufhörlich in seinen Gedichten besang. Sammelnd und Quellen erschließend, war auch er vom Gründungsfieber gelehrter Journale angesteckt. 1740 plante er die Herausgabe einer Monatsschrift Beyträge zur schlesischen Geschichte. Sie sollte neben die seit 1734 erscheinenden Gelehrten Neuigkeiten Schlesiens treten. Das Vorhaben aber wurde hinfällig, als Lindner eben diese übernahm. Es war genau die Zeit, da er mit seiner zweibändigen Memorialschrift für Opitz beschäftigt war, die in den Jahren 1740 und 1741 an seinem Wirkungsort Hirschberg erschien. Ehrhardt hat eine kleine Episode überliefert, die ein Licht wirft auf das Verhältnis der beiden Herausgeber, deren Namen sich auf Dauer mit den Gelehrten Neuigkeiten verbinden sollte. Da wir uns auf dem Terrain der Bibliophilie bewegen, blenden wir die kleine Trouvaille ein. Scharff war freigiebig mit dem Versand von Büchern aus seiner offensichtlich unerschöpflichen Bibliothek. Er mußte die Erfahrung machen, daß nicht selten der Dank ausblieb und das Entliehene nicht zurückkehrte. So erging es

383

384

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

ihm auch mit Lindner, der für seinen Opitz Literaturbedarf hatte. »Der Hr. D. Lindner, jetziger Continuator, (neml. v. 1741 u. 42) macht es eben so, u. hat 12 wichtige Bände, so er zu Mart. Opizens Leben auf 4 Wochen begehrte, nicht wiedergegeben, mit dem unhöfl. Vorwande: Jch würde sie nicht brauchen, und sie würden keine grosse Lücke in meiner Bibliothecke machen. Jch habe auch nicht ein Exemplar von der Continuation [der Gelehrten Neuigkeiten] bekommen, sonst wolte gern damit aufwarten«.12 Zugeeignet hat Scharff die nunmehr in die Welt gehenden Gelehrten Neuigkeiten dem Reichsgrafen Karl Gotthard von Schaffgotsch, dem Sohn des betagten Schlesischen Landesdirektors Johann Anton Graf von Schaffgotsch. Dieser bedeutende Politiker war zugleich Förderer der Wissenschaften und Kultur. Er vermehrte die Familienbibliothek in dem von ihm errichteten Hermsdorfer Schloß und begründete die nachmalige Schaffgotsch’sche Majoratsbibliothek, in der eben auch ein Nentwig wirkte. Er starb 1742, ohne daß es zu einer Aussöhnung mit Friedrich II., gekommen wäre. Auch der Sohn Karl Gotthard blieb dem Haus Österreich treu verbunden. Der Vater genoß in Breslau wie im ganzen Land hohes Ansehen. In den Worten Scharffs klingt dies nach. Durch die »Hohe Gnade des Allerhöchsten Ober=Hauptes/ unseres allerliebsten Landes=Vaters«, sei der älteste Sohn aus erster Ehe Johann Antons an die Seite des Vaters gerufen worden. Die Zeit war aufgewühlt, der preußischösterreichische Konflikt zeichnete sich ab, der auf dem Rücken des böhmischen Nebenlandes ausgetragen wurde. Eine kaum zu bewältigende Verantwortung lag auf den Schultern des Landesherrn. So waren die Worte gegenüber dem Sohn zugleich dem Vater und dessen Wohlergehen zugesprochen. »Da nun der grösseste Theil Seines Wohlstandes auch an dem Leben Jhro Excellentz hanget; so hoffet es [das ›Vaterland‹] umb so viel zuversichtlicher: Göttliche Gütte werde Jhm diesen seinen Atlas/ der mit so grosser Weißheit und aus allen seinen Kräfften den Himmel seines Wohlseyns träget/ desto länger gönnen: jemehr Jhro Reichs=Gräflichen Gnaden dem väterlichen Hertzen Freude bringen/ und je lieber Sie mit gemeinschafftlichem Rathe Jhre Schultern zu Erleichterung der fast unbeschreiblichen Last darreichen.«13 In alter humanistischer Tradition verband sich die Widmung an den Erben der Schaffgotsch’schen Regentschaft mit der Bitte um die Wahrnehmung der mäzenatischen Rolle in der Tradition der Familie. »Das Theil der Einwohner Schlesiens/ so sich mit Wissenschafften und Büchern bemühen/ ehret eben auch daher mit freymüttiger Zuversicht Jhro Hoch=Reichs=Gräflichen Gnaden/ als den nechsten Erben/ nicht nur der väterlichen Würden und Gütter/ sondern auch Staats=Erfahrenheit/ Liebe zur Gelehrsamkeit/ und Gnade gegen die Gelehrten;

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

in der festen Hoffnung auch Deroselben Schutz und Gnade gewürdiget zu werden.«14 ›Staats-Erfahrenheit‹ und ›Liebe zur Gelehrsamkeit‹, seit eh und je von den Humanisten zusammengedacht und gemeinsam eingefordert, traten da in einem neuen sprachlichen Gewand noch einmal in einer Symbiose auf, die dem aufgeklärten Absolutismus des 18. Jahrhunderts teuer blieb. Im Fall der Schaffgotschs aber konkretisierte sie sich auf eine den Gelehrten besonders sympathische Weise. Sie waren Förderer einer bedeutenden Familienbibliothek, auch das spielte in schönen Worten in die Widmung hinein. Zu ihr hat man sich im Blick auf die zukünftige Zeitschrift »auch deswegen verbunden geachtet/ weil eine/ ob gleich noch gantz unvollkommene Nachricht darinnen von der vortrefflichen Schaffgotischen Bibliotheqve/ als ein schöner Diamant im dunckeln/ den grössesten Glanz ihnen giebet.«15 Die Schicksale von Bibliotheken, angefangen bei der Schaffgotsch’schen, sollte neben denen von Vereinen, Akademien und gelehrten Publikationen ein aktiver Merkposten in dem jungen Organ bleiben. Der Name Schlesiens aber, »so lange es Schlesien heissen wird«, solle sich verbinden mit dem Hause Schaffgotsch.16 Wie immer sind die einleitenden gründungspolitischen Passagen von allgemeinerem Interesse. Da sprach ein Theologe. Um die Koinzidenz von Glauben und Vernunft, von Theologie und Wissenschaft ging es in einer Wendung, wie sie nur das aufgeklärte Zeitalter zu prägen vermochte. Das ›patriotische‹ Element stiftete das einigende Band. Schlesien, von konfessionellen Kämpfen erschöpft, sollte endlich die Früchte einträchtiger Liebe zu Gott und den Wissenschaften genießen dürfen, so wie es einem Land geziemte, in dem der Geist Melanchthons lebendig geblieben war. Schlesien gewann Anschluß an eine große und inzwischen deutlich wahrnehmbare aufgeklärte Tradition und Scharff machte sich zu ihrem Sprecher in seiner Heimat. »Die Ehre GOttes/ der beydes die Liebe und den Seegen auch zu den irrdischen Wissenschafften giebt/ haben wir auch also gemeinet zu befördern/ wenn man mehr/ als viele bißher geglaubt/ aus diesen schlechten Blättern erkennen möchte/ daß von beyden noch kennbahre Fußstapffen bey den Liebhabern der Gelehrsamkeit in unserm Vaterlande zu sehen seyn. Solte aus dieser kleinen Bemühung auch unserm geliebtesten Schlesien selbst einige Ehre zuwachsen/ würde es dieser unserer Absicht gar nicht zuwieder lauffen. Den Nutzen des Nechsten können wir so wohl daraus hoffen/ als genung bekannt ist/ was zu Beförderung der Gelehrsamkeit und Künste dergleichen Schriftten in andern Ländern bereits von vielen Jahren her beygetragen haben.«17

385

386

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Die Gründung der ›Schlesischen Provinzialblätter‹ Noch in das 18. Jahrhundert reicht auch die Gründung jenes Organs hinein, das im Rückblick womöglich für sich die Auszeichnung beanspruchen darf, zumindest für eine Reihe von Jahrzehnten in seiner langen Geschichte das vielseitigste und den Geschicken Schlesiens am engsten verbundene Periodikum gewesen zu sein. Es hat mancherlei Wandlungen erfahren. Und doch blieb ihm auf eine schwer zu fassende Weise die Aura seiner Zeugung im vorrevolutionären Jahrzehnt eigen. Wenig später wurde auch in Schlesien die Erfahrung der Moderne virulent. Die Blätter verschlossen sich ihr nicht. Gleichwohl bewahrte sich ein schöner Zug rückwärtsgewandten Denkens und Anschauens, der eine Fülle von Erinnerung umspielter historischer Miniaturen zeitigte. Das Land erkannte sich in dieser Zeitschrift, wußte darum, daß seine eigensten Anliegen in ihr den ihnen zukommenden Platz besaßen. So war es kein Zufall, daß immer wieder des Schreibens Kundige und mit den Eigenheiten des Landes Vertraute zur Feder griffen und das Journal mit ihren Beiträgen versorgten. Die Zeitschrift ist hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Autoren und ihrer Erscheinungsweisen gut erforscht. So darf wieder eine Beschränkung auf die kulturgeschichtlich signifikanten Merkposten statthaben. Sie geben sich in den um die Gründung gruppierten Quellen am sichtbarsten kund.18 Das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts stand im Zeichen des Grafen Hoym. Er erfreute sich bis in die Kreise der Schriftsteller hinein großer Beliebtheit. »Der Adel, in dem dieser Mann den Ton angab, war der Träger vornehmer Geselligkeit, aber eine regere Anteilnahme an literarischen Bestrebungen war hier nicht zu finden. Auf der anderen Seite stand das Bürgertum. Das aber war seinen wirtschaftlichen und Handelsangelegenheiten hingegeben und sah in aller geistigen Tätigkeit, die nicht auf den unmittelbaren Nutzen hinzielte, eine zwecklose Zeitvergeudung. Nur ein kleiner Kreis, in dem der Kammersekretär Streit eine maßgebende Rolle spielte, stand in engeren Beziehungen zu der eigentlichen ›gelehrten Welt‹, die, an Zahl gering, sich um die geistigen Führer Garve und Hermes scharte und in der Hauptsache aus der Geistlichkeit und den Rektoren und Professoren der Gymnasien bestand. Diese geistige Oberschicht, die lange in steifer Absonderung und Abgeschiedenheit vom geselligen Leben verharrt hatte, wurde allmählich eine Art Brücke zwischen Adel und Bürgertum, besonders seit Garve, dem zeitlebens eine kleine Schwäche für vornehmen Verkehr anhaftete, der unbestrittene Mittelpunkt geworden war.«19 So gesehen mußte es als ein Glücksfall gelten, daß Garve Anfang der siebziger Jahre den Weg in seine Heimatstadt zurückgefunden hatte.20 Er hatte

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

in Frankfurt an der Oder Theologie studiert und dort bereits bei dem namhaften Philosophen Baumgarten gehört. Nach dessen Tod wechselte an die Universität Halle. Hier hörte er bei Semler Theologie und bei Georg Friedrich Meier Philosophie. Die dritte Station bildete Leipzig, wo er in Gellerts Haus Aufnahme fand und damit automatisch mit einem großen Kreis um Gellert gescharter Geister zusammenkam. Mit Christian Felix Weiße und dem Theologen Zollikofer schloß er eine lebenslange Freundschaft. Weiße stand im Mittelpunkt der jungen, von Gottsched sich emanzipierenden Generation, pflegte Kontakt mit Lessing, mit Gellert, mit Rabener, mit Ewald Christian von Kleist und wie sie hießen. Seine Bibliothek der Schönen Wissenschaften und der Freyen Künste, die in Leipzig zwischen 1757 und 1765 erschien, war ein angesehenes philosophisch-literarisches Organ, in dem die junge Generation ein gern wahrgenommenes Forum fand und in dem auch der junge Garve publizierte. In Leipzig erhielt er Ende der sechziger Jahre jene Professur für Moralphilosophie, die vorher Gellert bekleidet hatte. Er mußte aus gesundheitlichen Gründen das in der geistig und gesellig lebendigen Stadt reizvolle Amt jedoch bald aufgeben. Auch in Breslau blieb er gezeichnet von der Krankheit, verzichtete auf ein Schulamt, lebte als freier Schriftsteller seinen ›lebens‹- und moralphilosophischen sowie seinen pädagogischen und literarischen Studien und scharte einen Kreis von Freunden und Verehrern um sich, einen Manso, einen Schummel, einen Tralles und wie sie wiederum hießen. So war es kein Zufall, daß schon im Vorfeld des neuen publizistischen Organs sein Name wiederholt fällt. Wir sind im glücklichen Besitz eines gerne zitierten, weil sprechenden Dokuments, in dem sich die Erwartungen und Hoffnungen, die sich an die Zeitschrift knüpften, anschaulich spiegeln.

Der Atem der Aufklärung »An einem fröhlichen Abende zu Anfang d. J. 1784, an welchem das, was in Breslau die gelehrte Welt bildete, sich zusammengefunden hatte und im traulichen Gespräch über die damals allerwärts sich regende literarische Thätigkeit einzelnes Bedauern laut geworden war, daß gleiche Regsamkeit in der Hauptstadt Schlesiens nicht sich zeige […], an diesem Abende ward die Herausgabe eines […] Journals beschlossen. Jetzt ging es an ein Streiten und Kämpfen über den Zweck dieses Journals, über dessen Ziel und Streben, über dessen Maas und Richtung und über, Gott weiß was alles. Garve, welcher vom Anfange an der Meinung gewesen war, der Zeitschrift weder eine einseitige Richtung zu

387

388

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

geben, noch selbige allzu hoch zu stellen, brachte zu Begründung dieser seiner Meinung so wichtige Gründe vor, daß man sich endlich dahin vereinigte, das Journal solle gar keine bestimmte Signalflagge aufstecken, in seinem Inhalte dem Publikum in dessen weitester Ausdehnung verständlich sein, gerade allen Lesern recht genießbar und schmackhaft gemacht werden, bei dieser populären Tendenz aber gleichwohl jedem gelehrten Geiste in Schlesien, welcher dem Arme, die Feder zu rühren, gebieten möchte, zu Aufnahme seiner Geisteskinder offen stehen, sobald sich der Verfasser mit seinen Gedanken nicht von Schlesien entfernen oder sich nicht etwa in das Gebiet so abgeschlossener Wissenschaften begeben sollte, in welches der größere Theil des leselustigen Publikums zu folgen, weder Lust und Begehr noch Geschick und Beruf habe.«21 Wo ließe sich prägnanter der Atem aufgeklärten Geistes spüren als in derartigen Zeilen? Die Gestalt Garves war präsent, gewiß. Doch hätte sich sein Plädoyer nicht durchsetzen können, wenn es nicht den Nerv getroffen hätte. Breite Kreise sollten angesprochen, der Raum des gelehrten Metiers überschritten werden, ohne doch der Trivialität zu verfallen. Journale für einzelne Disziplinen der Wissenschaft waren vorhanden. Sie sollten nicht durch ein weiteres vermehrt werden. Das Ziel war anspruchsloser, aber eben auch weitgesteckter. Kein Bereich des Lebens sollte ausgespart werden, ein jedes eine breite Schicht von Menschen interessierende Sujet zur Darstellung und Diskussion gelangen und das in ansprechender, die Menschen verschiedenster Herkunft erreichender Manier. Unterhaltsame Belehrung, Durchdringung der Gesellschaft mit dem Leben zugewandten aufgeklärten Impulsen blieb das Ziel. Den Gelehrten war das Monopol der Artikulation seit langem entglitten. Fachleute, die nur solches waren, blieben außen vor. Ein gemeinsames Band aber umschlang alle Beiträge. Die zur Verhandlung kommenden Themen sollten einen Schlesien betreffenden Duktus aufweisen. Der kosmopolitische Gestus der Aufklärung war auch ein regional gefärbter und in diesem Sinn ein ›patriotischer‹. Universalismus der traktierten Gegenstände und ihre Brechung im Spiegel der geliebten Heimat waren das Signum nicht nur dieser Gründung. Denken und Schreiben aus dem Geist der ›Landschaft‹ heraus blieb auch im 18. Jahrhundert ein Ziel aufgeklärter kultureller Initiative und Programmatik. Im Titel Schlesische Provinzialblätter kam dieser Impetus zur Geltung. Er sollte sich in ihrer langen Geschichte nicht wieder verlieren.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Gründergestalten Wiederum tritt eine Gründergestalt markant hervor. Von einem Kammersekretär Streit war da in dem Beitrag des schlesischen Literaturhistorikers Hans Heckel als eines Mittelpunktes im Kreis der potentiellen Gründer die Rede.22 Streit war 1751 in Glogau als Sohn eines Kriminaldirektors und Hofrats zur Welt gekommen. Er besuchte das Züllichauer Gymnasium und studierte dann in Frankfurt an der Oder Philosophie und Rechtswissenschaften. 1772 wurde er Hofmeister beim General Tauentzien und im folgenden Jahr Auditeur beim Gouvernement zu Breslau und beim Regiment von Falkenhayn. Das sah nicht nach einer schriftstellerischen Karriere aus. Gleichwohl betrat er in Nebenstunden diesen Weg. Und das bezeichnenderweise wieder als Herausgeber. 1773 gab er ein Theatralisches Wochenblatt heraus, das freilich bald wieder einging. Zugleich war er Mitarbeiter an den von Samuel Benjamin Klose ins Leben gerufenen Breslauischen Nachrichten. 1776 erschien sein Lexikon der 1774 in Schlesien lebenden Schriftsteller, mit dem er Anschluß fand an die in Schlesien wie allerorten sonst blühende Gattung der personalen Lexika. Über dieses nun selbstverständlich in deutscher Sprache vorgelegte Werk blieb sein Name in Fachkreisen lebendig. Es war handlich und rasch informierend, genügte also neuerlich dem Anspruch aufgeklärter Weitläufigkeit.23 Auf Empfehlung von Tauentzien stellte ihn Hoym 1778 als Kammersekretär bei der Breslauer Kriegs- und Domänenkammer ein. Das Haus Streits wurde zum geselligen Mittelpunkt der gebildeten Kreise Breslaus in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts. Streit gründete eine Lesegesellschaft und richtete auch in seiner Wohnung ein eigenes Lesezimmer ein. Mit Unterstützung des Breslauer Buchhändlers und Verlegers Korn legte er dort die neuesten Bücher und Zeitschriften aus. 1792 trat er als Herausgeber der Schlesischen Monatsschrift hervor, die freilich über den ersten Jahrgang nicht herauskam. Sein Lebenswerk blieb die herausgeberische Betreuung der Schlesischen Provinzialblätter. An seiner Seite stand Friedrich Albert Zimmermann.24 Er entstammte kleinen Verhältnissen, konnte deshalb nicht studieren und wurde Schreiber und Bedienter bei der Steuerbehörde. Über eine Publikation erregte er die Aufmerksamkeit des Grafen Hoym und fand eine Anstellung in der Königlichen Breslauer Kammer, wo er 1774 zum Kammerkalkulator aufstieg. Jetzt in der Spätzeit der Aufklärung war es nicht mehr vonnöten, in jedem Fall ein Studium absolviert zu haben, um schreibend hervorzutreten. Es waren inzwischen genügend Hilfsmittel vorhanden, um sich umfassend zu informieren. Und das auf keinem Gebiet mehr als auf dem der schlesischen Landeskunde.

389

390

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Zimmermann gelang es, neben seiner dienstlichen Tätigkeit zwischen 1783 und 1786 eine dreizehnbändige Folge mit ›Beiträgen zur Beschreibung von Schlesien‹ vorzulegen. Auch auf dem Feld der Gesellschaftsgründung machte er sich verdient, wie gleich zu hören. Er war offensichtlich ein versierter Koordinator. Hier geht es um seine Mitwirkung bei der Konstitution der Schlesischen Provinzialblätter im Verein mit Streit. An ihrer Herausgabe nahm er bis 1812 teil. Er ließ sie seinem Schlesischen Volksblatte beilegen, das auf öffentliche Kosten gedruckt und in den Behörden verteilt wurde; so erreichte er für die Blätter ein weitgestreutes Publikum. Auch auf Reisen war er werbend für das ihm am Herzen liegende Organ tätig. Die beiden Initiatoren müssen sich glücklich ergänzt haben. 1785 traten sie mit dem ersten Heft des monatlich erscheinenden Blattes hervor. Blickt man in den ersten Jahrgang, der wie die Nachfolger in zwei Halbbänden erschien, so erstaunt die Fülle und Verschiedenheit der Themen. Knapp 80 Gegenstände kommen in den jeweils rund sechs Bogen starken Heften und also rund 600 Seiten umfassenden beiden Halbjahresbänden zur Sprache. Das setzte einen großen Mitarbeiterkreis und erheblichen redaktionellen Aufwand voraus. Ob es um eine ›Ode an den Pantoffel‹ ging oder eine ›Ode an die Gesundheit‹, dem Grafen Hoym zugeeignet, ob um ›Etwas für Lavaters Freunde auf Anlaß seiner Herzens-Erleichterung‹ oder um den ›Erweis des Wachsthums toleranter Gesinnungen der Protestanten und Katholiken in Schlesien‹, ob um eine Nachricht aus dem Schlesischen Knappschafts-Institut oder um die Abnahme der Ehen im Land angesichts des grassierenden Konkubinats, ob über eine Überschwemmung oder über die Verbesserung der Güter im Glogauischen, ob um Zuschriften an einzelne Personen wie Schummel und Garve oder um den Entwurf zu einer Biographie bzw. zu einem illustren Todesfall – die Schlesischen Provinzialblätter scheinen keine sachlich auszumachende Begrenzung zu kennen. Der Vorsatz, nicht eine einzelne Disziplin zu favorisieren, sondern einem breiten Publikum vielerlei ansprechende Kost zu bieten, wurde ersichtlich erfüllt. Bis hin zu Tagesthemen, wie man sie in einer Zeitung erwarten würde, erstreckte sich der Radius des Mitteilungswürdigen. Historisches und Zeitgeschichtliches, Chronikalisches und Aktuelles blieben gleich wichtig. Das Organ war unterhaltend, informierend, belehrend, ganz so, wie die Runde um Garve, die da projektierend aktiv geworden war, es sich vorgestellt hatte.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Zwei Nachfolger: Büsching und Oelsner Es wäre nun von großem Reiz, dem Fortgang des Unternehmens auf der Spur zu bleiben. Das ist hier nicht möglich und angesichts der Tatsache, daß ausführliche Untersuchungen vorliegen, auch nicht erforderlich. Einen innovativen Schub erhielt das Organ im Zuge der Reorganisation Preußens und damit auch Schlesiens. Diese stand, wie wir hörten, kulturpolitisch im Zeichen der Säkularisation und damit im Zeichen Büschings. Der hatte natürlich ein Auge auf die Provinzialblätter und beteiligte sich durch Beiträge wie durch kritische Zuschriften. Es blieb ein Charakteristikum der neuen Gründung, daß sie praktisch zeitgleich mit ihrem ersten Auftreten Stimmen herausforderte, die sich zu ihrer Physiognomie und ihrer zukünftigen Ausrichtung äußerten – auch dies nicht nur publikationsstrategisch, sondern mentalitätsgeschichtlich ein reizvolles und ergiebiges Feld. Büsching machte sich im übrigen auch herausgeberisch um die Provinzialblätter verdient. Eine Reihe von Jahren stand er Streit zur Seite. Dann, nach Streits Tod im Jahr 1826, übernahm er die Blätter in alleiniger Regie. Er konnte zurückblicken auf über vierzig erfolgreiche Jahre. Und der Vielgereiste und umfassend Gebildete mußte es wissen, wenn er feststellte, daß »eine Stimme durch das ganze Land Schlesien in den Provinzialblättern gebildet worden [sei], wie keine andere Provinz sich erfreuen kann, indem sie für alle Stände, Verhältnisse und Alter den entsprechenden Ton zu finden wußten. Möge dieser auch fortan als ein befreundeter durch das schöne und gesegnete Land erschallen.«25 Büsching war freilich nur eine kurze Frist des Wirkens beschieden. 1829 starb er im 46. Lebensjahr, erfüllt von Projekten, von denen das eine oder andere auch in diesem Kapitel noch zur Sprache kommen wird. Nun gingen die Provinzialblätter in den Besitz des Verlegers Korn über und die Redaktion übernahm der Breslauer Regierungsrat Wilhelm Heinrich Sohr, dem wir die eingangs wiedergegebene anschauliche Schilderung aus der Gründungsphase verdanken, die Sohr freilich auch nur noch vom Hörensagen kannte.26 Der noch von Büsching gewählte Titel Streits Schlesische Provinzialblätter wurde bis 1830 beibehalten, dann kehrte man zum ursprünglichen Titel zurück, doch bewahrte sich die Variante in der Erinnerung, während der Name des Mitbegründers Zimmermann sich verlor. Mit Sohrs Nachfolger, Karl Gabriel Nowack, traten die Provinzialblätter im Jahr 1844 in ihre vorletzte Phase ein. Nowack verdankt man eine wertvolle Arbeit zur Bibliothek der ›Vaterländischen Gesellschaft‹, auf die wir zurückkommen, und ein wertvolles Schriftstellerlexikon, mit dem er zum Fortsetzer Streits wurde.27 Ansonsten pflegen die Chronisten mit dem Abgang Büschings auch den Höhepunkt der Schlesischen Provinzialblätter überschritten zu sehen.

391

392

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Wir sind sehr vorsichtig mit derartigen Urteilen. Nach wie vor bargen die Blätter eine Fülle wissenswerten und anderweitig nicht überlieferten historischen Gutes auf allen Gebieten. Sie waren ein Medium der Bildung von landschaftlicher Identität über die Pflege von Tradition. Und ungeachtet der lebhaft im 19. Jahrhundert aus dem Boden schießenden Journale und Tageszeitungen behaupteten sie eine singuläre Stellung in ihrer das Land in der Gesamtheit seiner geistigen Kultur repräsentierenden Gediegenheit. Das wurde rasch offenbar, als die Blätter an ihr Ende gelangten. Das nachlassende Interesse veranlaßte den geschäftstüchtigen Verleger, die Schlesischen Provinzialblätter mit Ende des 130. Bandes bzw. des 65. Jahrgangs im Jahr 1849 einzustellen. Doch damit sollte es nicht sein Bewenden haben. Ganz offenkundig war eine Lücke entstanden, die durch kein anderes Periodikum ausgefüllt wurde. Und so war es nur eine Frage der Zeit, wann der Versuch einer Wiederbelebung unternommen werden würde. Theodor Oelsner ist dieser mutige Schritt zu verdanken.28 Er stammte aus der Goldberger Familie der Oelsners, war also verwandt mit dem Zeitgenossen der Französischen Revolution und Parisreisenden, Konrad Engelbert Oelsner, den wir kennengelernt haben. Theodor Oelsner hatte seine Ausbildung in Breslau erhalten, zunächst im Elisabethgymnasium, dann auf der Universität. Gleich nach der Revolution von 1848 war auch er publizistisch und journalistisch tätig geworden. Seit 1867 war er wiederum Bibliothekar der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur‹, konnte also im Blick auf ›vaterländische‹ Quellen aus dem Vollen schöpfen. Zwischen 1862 und 1875 erschien eine Neue Folge der Schlesischen Provinzialblätter in vierzehn stattlichen Bänden. Oelsner war nicht nur als Herausgeber, sondern auch als reger Beiträger aktiv. Er blieb der geistige Vater des Unternehmens. Der wiederholte Wechsel der Verleger signalisierte freilich rasch, daß es um dessen ökonomische Lage nicht zum besten stand. Daran vermochte auch die 1868 erfolgte Umbenennung in Rübezahl nichts zu ändern. Oelsner redigierte die Provinzialblätter bis in die letzten Tage seines Lebens. Ohne sein Engagement war das Blatt nicht länger lebensfähig und wurde 1875 eingestellt. Eine nahezu hundertjährige und zeitweilig glanzvolle Geschichte war definitiv beendet.

Die erste Akademie auf deutschem Boden Wir wechseln das Thema und das auf den ersten Blick in einem harten Schnitt. Es wird sich rasch zeigen, daß mannigfache Linien der Verbindung zu konstatieren sind und also auch darstellend verknüpft sein wollen. Gründungsgeschichten sind auf markante Daten, Ereignisse und Personen verwiesen. Das

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

gilt auch für eines der faszinierendsten Kapitel der frühneuzeitlichen Kulturgeschichte, die Schöpfung von gelehrten Akademien und verwandter sozietärer Bildungen. Wie in allen anderen Bereichen, so setzte auch die Etablierung von humanistisch geprägten Zusammenschlüssen am frühesten in Italien ein. Wenn man so will, mag man eine poetische Gründungsakte bereits in Dantes pastoral verschlüsseltem Briefwechsel mit Giovanni del Virgilio erblicken. In Italien vollzogen sich alle schöpferischen Neuerungen der Verfaßtheit des Landes entsprechend dezentral. Deutschland, dem Nachbarn im Süden seiner offenen politischen Struktur nach so verwandt wie kein anderes Land in Europa sonst, sollte ihm auch auf diesem Weg folgen. Inzwischen aber waren die großen nationalen Akademien in Frankreich, Spanien und England in die Welt getreten. Beides blieb nicht ohne Einfluß auf die Sozietätsbewegung in Deutschland. Wir betrachten einen kleinen Ausschnitt aus schlesischer Optik.29 Der Weg führt uns für einen Moment nach Schweinfurt. Dort lud kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges der Stadtphysikus Johann Lorenz Bausch seine Kollegen in der freien Reichsstadt zur Gründung einer Akademie der Naturforscher ein – ein Akt, der so im frühen Italien undenkbar gewesen wäre, nun aber zeigte, welch eine Bedeutung die Naturwissenschaften inzwischen in ganz Europa gewonnen hatten. Vater und Sohn Bausch hatten in Italien geweilt, viele aufblühende Städte gesehen und u. a. in Padua studiert. Die italienische Erfahrung mochte beitragen zu dem Entschluß, auch in der unterfränkischen Heimatstadt am Main kulturpolitisch tätig zu werden.30 Eine ›Academia Naturae Curiosorum‹ schwebte dem weltläufigen Mediziner vor. Und natürlich fehlte der Verweis auf die italienischen Anstalten so wenig wie der auf die – freilich ganze andere Ziele verfolgende – ›Fruchtbringende Gesellschaft‹ in Deutschland. Den Ende des Jahres 1651 angeschriebenen prospektiven Mitgliedern – sie alle rekrutierten sich aus der Schweinfurter Ärzteschaft – war aufgetragen, einen Gegenstand ihrer Wahl aus dem weiten Feld der Naturgeschichte zu bearbeiten. Zu Beginn des neuen Jahres erfolgte die formelle Gründung. Nun ergingen Einladungen an auswärtige Kollegen zur Mitwirkung. Zehn Jahre nach ihrem Bestehen zählte man indes gerade einmal zwanzig Mitglieder – Indiz für mancherlei hier nicht weiter namhaft zu machende Schwierigkeiten. Vermutlich wäre die erste naturkundliche Sozietät rasch wieder eingegangen, wenn ihr nicht Hilfe von außen zugekommen wäre. Und an dieser Stelle kehren wir zurück nach Breslau.

393

394

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Philipp Jakob Sachs von Löwenheim: Der Beitrag Breslaus zur ›Academia Naturae Curiosorum‹ Als 17. Mitglied war im Jahr 1658 Philipp Jakob Sachs von Loevenheim bzw. von Loewenheimb der Vereinigung beigetreten.31 Sachs war 1627 in Breslau geboren. Schon sein Vater war nach Breslau gekommen, wurde dort Kaufmann und 1621 Münzschreiber. Er erwarb die Güter Kl. Bresa im Kreis Neumarkt und Alt Tuschker. 1645 wurde er mit dem Prädikat ›von Löwenheimb‹ in den erbländisch-österreichischen und böhmischen Adelsstand erhoben. In zweiter Ehe war er seit 1626 mit Ursula Rindfleisch verheiratet, der Tochter des berühmten Breslauer Stadtphysikus Daniel Rindfleisch. So erfolgte der verwandtschaftliche Brückenschlag zu einem höchst angesehenen Gelehrten und Freund der Späthumanisten um Henel und Scultetus sowie einem Schutzpatron der Generation um Opitz. Ein Jahr später kam der Sohn Philipp Jakob zur Welt, der den Weg des illustren Großvaters einschlagen sollte. Er besuchte das Elisabethgymnasium, studierte in Leipzig Medizin, erwarb dort 1647 den Grad eines Baccalaureus und ein Jahr später den Magister der Philosophie. Drei Phasen eines anschließenden ausgedehnten Reiselebens lassen sich ausmachen. Zunächst besuchte er Städte vornehmlich im Reich wie Dresden, Lübeck, Altenburg, Hamburg und Emden, sodann Leiden. Sein Interesse galt der Botanik und Anatomie. Dann erfolgte der Übergang nach Antwerpen und Brüssel, Löwen und Utrecht, Heidelberg, Straßburg und Basel, schließlich Paris und Montpellier. Dort wurde der von Heinrich IV. begründete Botanische Garten besucht. Den krönenden Abschluß bildete die nähere Bekanntschaft mit Italien. Siena, Bologna, Pisa, Florenz, Rom, Ferrara und Venedig kennenzulernen, war dem jungen und offenkundig wohlhabenden Breslauer vergönnt. Den Abschluß machte Pisa, wo er 1651 den medizinischen Doktortitel erwarb. Über Innsbruck, Wien und Leipzig ging es nach Breslau zurück; dort ließ er sich als praktizierender Arzt nieder. Einen Gelehrten dieses Horizonts muß es gelockt haben, mit fachlich verwandten Geistern in einen kollegialen Austausch zu treten. So nahm er die aus Schweinfurt ergangene Offerte an. Sie wäre nicht ergangen, hätte der Mediziner nicht in Breslau selbst, aber auch darüber hinaus bereits gute Kontakte besessen. Der Name des Daniel Bucretius dürfte zusätzlich förderlich gewesen sein. Dazu paßte, daß Sachs von Löwenheim selbst zum Stadtphysikus in Breslau aufrückte. Bei seinem Eintritt in die Akademie erhielt er den Gesellschaftsnamen ›Phosphorus‹. Alsbald entfaltete er eine lebhafte kulturpolitischdiplomatische Initiative. Er drang darauf, daß die Akademie den Weg an die

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Öffentlichkeit suchte und sich bekannt machte. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran, korrespondierte mit einem befreundeten Kollegen in Lyon über den Zweck der Akademie, suchte den Kontakt mit einem befreundeten Professor in Kopenhagen und holte sich Anregungen bei dem Sekretär der Royal Society in London. Derart rückte Sachs zu einer eigentlichen Gründerfigur der Akademie auf. Im Reich bemühte er sich um die Protektion der Fürsten und des Kaisers. Er wandte sich an den Bevollmächtigten des Kaisers auf dem Regensburger Reichstag, den Fürstbischof von Salzburg, und vermittelte über einen Kollegen den Kontakt zum Fürstbischof von Mainz, verbunden jeweils mit der Bitte um Fürsprache. Er setzte sich mit den kaiserlichen Leibärzten in Verbindung, schaltete den böhmischen Vizekanzler Otto von Nostiz ein und versicherte sich der Unterstützung des kaiserlichen Vizekanzlers, des Grafen Leopold Wilhelm von Königsegg und Rothenfels. Die Früchte seiner Bemühungen zu ernten, war ihm nicht vergönnt. In dem Jahr, da er von dem Kaiser mit einer goldenen Halskette beschenkt worden war, starb er 1672. Sachs hatte gute Beziehungen auch zu dem Hofkriegsrat-Präsidenten Graf Montecuccoli in Wien gepflegt. Dieser wurde im Jahr 1677 der erste Protektor der Schweinfurter Akademie. So gelang es, der Akademie zu ihrem zwanzigjährigen Bestehen eine kaiserliche Bestätigung durch Leopold I. zu erwirken. Als ›Sacri Romani Imperii Academia Naturae Curiosorum‹ firmierte sie fortan. In das Diplom gingen neue Statuten ein, die im wesentlichen Sachs entwickelt hatte. Er war bis zum Ende seines Lebens die entscheidende Figur auf dem akademischen Parkett geblieben. Und dazu trug wesentlich seine wissenschaftliche Publizistik bei. Wert gelegt wurde auf die Veröffentlichung der von den Mitgliedern erarbeiteten Forschungen, die – und dies war eine Novität – ausdrücklich auch experimentelle Vorhaben einschlossen. Als erstes Mitglied der Sozietät legte Sachs im Jahr 1661 eine Arbeit vor, wie dies in den Statuten verpflichtend vorgeschrieben war. Es handelte sich um eine Ampelographia und des näheren, so der Untertitel, um ein physikalisch-philologisch-historisch-medizinisch-chemisches Werk.32 Auf 700 Seiten war niedergelegt, was in der vorliegenden Literatur über die Fachgrenzen hinweg über den Weinstock geäußert worden war, also eine mächtige Kompilation, die einen reichen Fundus an zu konsultierenden Büchern voraussetzte, wie sie in Breslau gewiß in erheblichem Umfang vorhanden waren. Im Jahr 1670 verschaffte Sachs von Löwenheim der Akademie auch ein Periodikum.33 Es gilt als die älteste medizinisch-naturwissenschaftliche Fachzeitschrift der Welt, deren Etablierung sich also auch mit dem Namen Breslaus verknüpfte.

395

396

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

In Breslau war das Schweinfurter Unternehmen auf einen fruchtbaren Boden gestoßen. Neben Sachs von Löwenheim standen Freunde und Kollegen sowie deren Nachfolger, die sich von der Idee begeistern ließen und teilweise ihrerseits mit bedeutenden Publikationen hervortraten. Lang ist die Liste der schlesischen Mediziner und Naturforscher, die die Akademie durch ihre Mitgliedschaft zierten.34 Alleine bis zum Ende des Jahrhunderts hatten knapp dreißig schlesische Gelehrte Aufnahme gefunden, darunter eine ganze Reihe von kaiserlichen Leibärzten. Sachs selbst hatte auf dem Totenbett die Sorge um die weitere Herausgabe der Ephemeriden seinen Breslauer Kollegen und Mitgliedern der Akademie Heinrich Vollgnad und Johannes Jänisius ans Herz gelegt. Er war die Seele des Unternehmens. »Es war zuletzt nur natürlich, daß die Akademie diesen Mann zu ihrem literarischen Leiter und, dem entsprechend, seine Vaterstadt und den Ort seines ärtzlichen Wirkens, Breslau, zum Redactionsort erhob. […] Hier war in Folge des grossen Handelsverkehrs die günstige Gelegenheit zum Empfang und zur Beförderung von Briefen und anderen Mittheilungen gegeben; an diesem Orte ferner wohnten mehrere Mitglieder der Akademie, vor Allem der zuverlässige, eifrige und alle an Gewandheit übertreffende Sachs selbst, dem die übrigen Breslauer Ärzte in seiner Aufgabe behilflich sein konnten. Als im Jahre 1670 das erste Heft der Mitteilungen, ›Ephemerides‹ genannt, von der Akademie herausgegeben wurde, hatte dieses Ereigniss zur Folge, dass Männer wie Boerhaave und im Anschluss an ihn später Haller dieses Jahr für das der Gründung der Akademie hielten«.35 Noch auf der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert war in Breslau ein großes Werk auf den Weg gebracht worden, das die Geschichte der in den Jahren 1699 bis 1702 in Breslau grassierenden Krankheiten zum Gegenstand hatte.36 Angeregt von der Akademie, entstand auch eine vielbändige Sammlung Von Natur= und Medicin- Wie auch hierzu gehörigen Kunst= und Literatur-Geschichten.37 Zwar nahm die Akademie ihren Sitz in Breslau formell erst im 19. Jahrhundert unter dem Präsidium Nees von Esenbecks. Ihr Einfluß war aber schon viel früher, nämlich tatsächlich seit ihrer Gründung, in der Stadt wirksam. Und so war es nur eine Frage der Zeit, wann es in Breslau zu einer selbständigen wissenschaftlichen Vereinigung kam.

Die ›Oekonomisch-patriotische Societät‹ zu Breslau Natürlich gab es auch in Breslau teilweise schon seit längerem die im 18. Jahrhundert überall florierenden Gruppenbildungen verschiedenen Charakters. Ob es sich um Musikgesellschaften handelte oder die sog. ›Ressourcen‹, um

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Freimaurerlogen oder Israelitische Brüdergesellschaften, um Lese- oder Sterbegesellschaften – an ihnen allen, um nur einige Namen zu nennen, hatte auch Breslau mehr oder weniger lebhaften Anteil.38 Wir haben uns zu konzentrieren und erwähnen sie nur beiläufig. Denn nun ist in unmittelbarer Fortführung der von Breslau mitgetragenen Schweinfurter Unternehmung von einer solchen in Breslau selbst zu berichten, der auf lange Sicht hin gesehen im geistigen Leben der Stadt und des gesamten Landes eine erhebliche Bedeutung zukommen sollte. Und das nicht zuletzt, weil sie wiederum mit der Schaffung von Periodika verknüpft war, mit denen Stadt und Land Anschluß fanden an Pioniertaten überall dort, wo die aufgeklärten Ideen Freunde gewonnen und sich Zirkel und Institutionen herausgeformt hatten, die Publizität suchten und sich entsprechende Organe schufen. Schlesien besaß, wie wiederholt erwähnt, keine eigene Universität. Die 1702 in Breslau gegründete ›Leopoldina‹, von der wir gleichfalls hörten, konnte diese Lücke nicht wirklich ausfüllen. Es handelte sich um eine katholische Universität, die sich in dem vorwiegend protestantischen Niederschlesien nicht zur Volluniversität zu entwickeln vermochte. Neben der katholisch-theologischen gab es selbstverständlich eine philosophische Fakultät, nahm sie doch an allen Universitäten propädeutische Aufgaben wahr, an der ›Leopoldina‹ also die einer Vorbereitung auf das Studium der Theologie. Die Naturwissenschaften hatten, wie so häufig, an den älteren landesherrlichen Schöpfungen keinen eigentlichen Platz inne. Dem sollte nun in Breslau zumindest partiell Abhilfe geschaffen werden. Gründungsgeschichten im akademischen und speziell im sozietären Raum haften an Personen. Im jetzt zur Rede stehenden Fall ist ein denkwürdiges Zusammenspiel zu beobachten. Schlesien war gezeichnet von dem Siebenjährigen Krieg. In dieser Situation kam dem Land das Wirken einer Reihe herausragender Gestalten zustatten. Zu ihnen zählte der seit 1768 amtierende Schlesische Justizminister Johann Heinrich Casimir von Carmer.39 Er war ein enger Vertrauter Friedrichs des Großen, der ihn später zum Großkanzler erhob, und in dessen Händen die Verantwortung für die Schaffung des ›Allgemeinen Preußischen Landrechts‹ lag, das 1794 nach jahrzehntelanger Vorbereitung unter maßgeblicher Mitwirkung von Carl Gottlieb Svarez zum Abschluß gelangte. Eine der ersten Amtshandlungen des Justizministers, der sich dem Adelsstand in besonderer Weise verbunden wußte, war die Etablierung eines ›landschaftlichen Kreditsystems‹, wie es 1768/69 entwickelt wurde und 1770 als sog. ›Schlesische Landschaft‹ in Kraft trat.40 Carmer war damit zum entscheidenden Gegenspieler von Schlabrendorff aufgerückt. Dessen lebhafte Begrüßung der

397

398

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Französischen Revolution hatte ein Vorspiel in seinem Einsatz für die Rechte des Bauernstandes, mit dem er sich die Feindschaft Carmers zuzog. Die hier nur eben anzudeutende Episode ist von Belang, weil sie entschieden hineinspielt in eine gleichfalls von Carmer ergriffene Initiative, die bereits ein Jahr später zur ersten formellen Gesellschaftsgründung auf schlesischem Boden führte. 1771 trat Carmer mit einem Schreiben ›An sämtliche zur schlesischen Landschaft verbundene Herren Fürstenthums Directores, Kreisältesten und Landstände‹ in Schlesien hervor. Gleich im ersten Absatz stellte er einen Bezug her zu dem ersten allgemeinen Landtag des vergangenen Jahres, auf dem er seine Vorstellungen entwickelt hatte, »wie unsere auf Wiederherstellung und Unterstützung des Kredits abzielende Verbindung zugleich ein Mittel zur allgemeinen Aufnahme unseres geliebten Vaterlandes werden könnte. Eine Verbindung der angesehensten Stände des Landes mit dem gemeinen Akkermann zur Verbesserung der Landwirthschaft, mit dem Fabrikanten und Kaufmann zur Veredlung der Landesprodukte und Beförderung ihres Debits, würde unter der weisesten und gütigsten Regierung, derer wir uns zu erfreuen haben, ein Land, wie Schlesien ist, auf den höchsten Grad seiner möglichen Vollkommenheit bringen können.«41 Da war also ein direkter Brückenschlag erfolgt von der Errichtung der ›Schlesischen Landschaft‹ zu einer weiteren koordinierten Initiative, die über die bisherige Maßnahme hinausführen sollte, gleichwohl als deren naheliegende Fortschreibung erschien. Niemand hätte zu diesem Zeitpunkt voraussagen können, daß der enge Nexus, welchen Carmer in bester Absicht in seinem Schriftsatz herstellte, in gar nicht allzu ferner Zukunft als ein Fallstrick sich erweisen und dem gutgemeinten Zweck ein rasches Ende bereiten sollte – freilich nur ein vorläufiges, denn alsbald konnten die Fäden wiederaufgenommen und neu geknüpft werden. Carmer handelte im vollen Wissen darum, daß dem König die Initiative überaus zupaß kam. Die ›weiseste und gütigste Regierung‹, die sich in ihm verkörpert fand, gab sich auch in diesem auf Schlesien bezogenen gouvernementalen Akt als inspiriert von aufgeklärtem Gedankengut zu erkennen. Maßnahmen zur Beförderung von Landwirtschaft im Bündnis mit Handel und Industrie gehörten zum festen Repertoire einer jeden vom Geist des Merkantilismus gestreiften Regierung. Nun sollte sie dem ›geliebten Schlesien‹ zugute kommen. Der patriotische Impetus, wie er da aufgerufen wurde, betraf das nach dem Siebenjährigen Krieg in allen Bereichen auf Reformen bedachte Preußen nicht anders als seine ihm erst jüngst zugefallene ›Provinz‹. ›Patriotismus‹ blieb das Losungswort, dem Einheit zu stiften aufgetragen war. Ökonomie, Stabilisierung von Herrschaft und Bindung der Untertanen über ein ›vaterländisches‹

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Bewußtsein gingen ein Bündnis ein, in dessen Zeichen die Sozietätsbewegung im vorrevolutionären Ancien Régime eine so vorher unbekannte Richtung nahm.42 Die programmatische Adresse des Justizministers ging einher mit einer Abfertigung der bisherigen sozietären Gründungen auf dem Gebiet der Ökonomie – dieser Begriff im alteuropäischen Sinn weitgefaßt. »Die nun schon durch ganz Europa errichteten ökonomischen Gesellschaften sind viel zu eingeschränkt, als daß sie den versprochenen Nuzzen gewehren könnten. Ihre speculative Betrachtungen machen keinen Eindruk auf den an seine Handgriffe gewöhnten Akkersmann, und die gelehrten Künsteleien werden demselben lächerlich. Soll also die Landwirthschaft durch gesellschaftliche Bemühungen in mehreren Flor gebracht werden, so muß dergleichen Societät hauptsächlich aus solchen Mittgliedern bestehen, welche dabei unmittelbar interessirt sind, einen festgesezten Ruf, geschikter und erfahrner Wirthe vor sich haben, und daher durch ihr Beispiel die übrigen ihrer Mitbürger, sowol von dem verderblichen Vorurtheil für die alte Gewohnheit zurük zu bringen, als sie von ihrem wahren Besten durch den Augenschein zu überzeugen im Stande sind.«43 An den praktischen Bedürfnissen vorbei hatten die von den Intellektuellen geprägten Vereinigungen agiert. Es war zu keiner Liaison zwischen den Produzenten von Konzepten und den auf dem Land Tätigen gekommen. ›Speculative Betrachtungen‹ hatten vorgeherrscht, will sagen, daß die Erfahrungen aus der Sphäre der ländlichen Arbeit in diese nicht eingeflossen waren. Ein pragmatischer Kurs für die prospektive Sozietät wird gefordert, und dessen Regularien regierungsamtlich vorgegeben. Landwirtschaftliche Produktion und bürgerlicher Handel müssen Hand in Hand arbeiten, die Maßnahmen zum gemeinsamen Ganzen aufeinander abgestimmt, und das Land insgesamt zu einer exportkräftigen wirtschaftlichen Macht fortentwickelt werden. »So lange der Kaufmann und der Landwirth sich über ihr gemeinschaftliches Interesse nicht verstehen, und solches wol gar als widereinander laufend betrachten, so lange ist es vergeblich, wenn wir uns auf einen auswärtigen Debit unsrer Produkte mit einiger Zuverlässigkeit Rechnung machen wollen.«44 Das aber setzt auch die Förderung der heimischen Industrie voraus, die die im Land erwirtschafteten Produkte weiterzuverarbeiten versteht.

Und der Intellektuelle, sein Beitrag in diesem Prozeß? Mit dieser Maßgabe trat die Sozietät in die Welt. Der Staat durch seinen ersten Beamten im Lande hatte ein machtvolles Wort gesprochen. Das war ersichtlich das Gegenteil von dem Zusammenschluß der Gelehrtenschaft in den Sodalitäten,

399

400

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

inspiriert vom Geist des Humanismus. Auf ein Bündnis mit den oberen Ständen hatte man hingearbeitet, das Zusammenspiel mit Fürst und Hof war seit den Tagen des Quattrocento kulturpolitisches Programm. Immer aber ging es um die Pflege der von den Humanisten verwalteten kulturellen Güter. Nun, da die Ökonomie in den Mittelpunkt der ›Landschaft‹ gerückt war, machte der Staat sich anheischig, massiv in den sozietären Prozeß einzugreifen. Es ging um Bemühungen »zum gemeinen Besten«, alle sollten an ihnen »zum Flor unsers Vaterlandes Theil nehmen, und die Geschiktesten derselben als wirkliche Mitglieder unsrer Gesellschaft aufgenommen und vorgezogen werden.« Des »allerhöchsten Königlichen Schuzzes und Beistandes« dürfe man sich versichert halten, so schloß die insgesamt knappe Verlautbarung.45 Es sollte sich rasch zeigen, daß die praxisorientierte Ausrichtung und der gouvernementale Einschlag der Gesellschaft keineswegs zum ersprießlichen Gedeihen ausschlugen. Im Jahr 1771 trat sie auf der Basis eines Statuts des Abtes Johann Ignaz von Felbiger als ›Oekonomisch-patriotische Societät‹ in die Welt.46 Die Carmerschen Vorgaben waren in ihre Satzung eingegangen. »Nach dem landesherrlich bestätigten Statut (1772) war ihr Zweck: Beförderung des gesammten Nahrungsstandes des Landes, sowohl des Landbaues, als des Handels und der Fabriken. Sie hatte drei Klassen, ›eine ökonomische, merkantilistische und philosophische, wovon die erste wenigstens sechs Landwirthe aus dem Adel, drei aus dem Bürgerstande und zwei Forstbeamte, die zweite wenigstens sechs Kaufleute und drei Fabrikkundige, die dritte wenigstens sechs Gelehrte zählen musste‹«.47 Neben besonderen Kenntnissen und Geschicklichkeit sowie einem untadeligen Charakter und Verschwiegenheit war ›ächter Patriotismus‹ von einem jeden Mitglied gefordert, worin sich der gemeineuropäische aufgeklärte Zug auch in der Breslauer Vereinigung geltend machte.48 Carmer selbst und sein Nachfolger im Amt Graf von Hoym, der ihn im Jahr 1780 im Präsidium der Sozietät ablöste, nahmen sich ihrer intensiv an. Rasch trat sie mit einer Gesellschaftsschrift, den Oekonomischen Nachrichten, hervor, die zwischen 1773 und 1784 erschien.49 Hoym selbst trug zu ihr staatswissenschaftliche Abhandlungen bei. Auch Johann Ephraim Scheibel, heute allenfalls dem Fachmann noch als Sachwalter der Rhedigerschen Bibliothek bekannt, beteiligte sich in seiner Eigenschaft als Mathematiker mit Arbeiten. Zu Wort kamen, nach dem Urteil Kahlerts, Schlesiens größter Botaniker, Graf Heinrich Gottfried von Mattuschka, der Mineraloge Zeplichal, der Zoologe Börner etc. Ein botanischer Garten wurde hinter der Salvatorkirche am Schweidnitzer Stadtgraben angelegt und ein Naturalienkabinett gepflegt.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Dennoch war der Sozietät auf Dauer kein Erfolg beschert. Die politischen Zielvorgaben und die wissenschaftlichen Belange waren nach dem Urteil des einzig verfügbaren Historiographen, dem die späteren Berichterstatter folgen, offenkundig nicht zu harmonisieren. Die Gelehrtenschaft im Land, weiterhin ohne eine universitäre Plattform, mußte darauf bedacht bleiben, ein Forum des wissenschaftlichen Austausches sich zu bewahren, ohne ständig auf praktische Obligationen verpflichtet zu werden. »Man kann sich nicht verhehlen, dass der Grund in dem Zuschnitte lag, wonach die patriotische Gesellschaft Werkzeug in der Hand der Regierung, und doch zugleich eine freie Association sein sollte. Der engere Ausschuss der Landschaft betrachtete sie, so wenig sie auch kostete, als eine Last.«� Schließlich gab ein eher zufälliges, aber eben doch symptomatisches Ereignis den Ausschlag, »als der eigensinnige Gouverneur von Breslau, der greise Tauenzien, den in den Festungswerken belegenen botanischen Garten plötzlich ohne Weiteres wegnahm (1791). Der engere Ausschuss der Landschaft beschloss nun die Auflösung der Gesellschaft und schenkte ihre Naturaliensammlung der Liegnitzer Ritterakademie.«51

Die Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens Es mußte ein neuer Anlauf genommen werden. Treibende Kraft war Christian Heinrich Müller. In seiner Vaterstadt Breslau als Regimentsquartiermeister angestellt, hingezogen zu den neuesten Entwicklungen in den Naturwissenschaften, faßte er den Plan, die aufgelöste patriotische Gesellschaft in neuer Form wiederauferstehen zu lassen. In der Breslauer ›kleinen Ressource‹ kam man Ende 1803 zu einer ersten Vorbesprechung zusammen. Bereits ein Jahr später war ein ausführlicher Organisationsplan ausgearbeitet, der dem Grafen Hoym vorgelegt und von ihm gebilligt wurde, so daß er noch 1804 als Fundament der von Hoym »unter dem 22sten September 1804 approbirten Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde« in der ›königl. privil. Stadt= und Universitäts=Buchdruckerey bey Graß und Barth‹ 1804 erscheinen konnte.52 Man hatte hinzugelernt. Der Rückbezug auf staatliche Organe und Interessen fehlte. Mehrung der Kenntnisse war das Ziel, und zwar durchaus in praktischer Absicht, aber unter alleiniger Verantwortung der in der Gesellschaft vereinten Mitglieder. Knapp in drei Punkten wurden die ›Zwecke der Gesellschaft‹ resümiert. Ziel war es, das »Studium jener Wissenschaften mit beständiger Hinsicht auf die näheren Beziehungen zu erleichtern, zu beleben und zu verbreiten, in denen sie mit dem wirklichen Leben überhaupt, und mit den Bedürfnissen

401

402

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Schlesiens, mit dem physischen Wohl seiner Einwohner und mit den mancherley Erwerbszweigen derselben insbesondere stehen«.53 Das schien noch einmal auf einen im weitesten Sinn ökonomischen Verwertungszusammenhang hinauszulaufen. Doch in den beiden folgenden Punkten vermochte diese Vermutung entkräftet zu werden. Ausdrücklich ging es darum, Schlesien »in naturhistorischer, physikalischer und technischer Hinsicht genauer kennen zu lernen«. Vor allem, so Punkt drei, sollte der Unkenntnis im Land in aufgeklärter Tradition entgegengewirkt werden. Sie ist »dem physischen Wohl der Einwohner der Provinz nachtheilig« und muß behoben werden. Alle Mittel sind gleich willkommen, die diesem Ziel dienen, und also gilt es, »den Eifer für größere Vollendung mancher Kunsterzeugnisse zu wecken; bewährt gefundene neue Entdeckungen, welche für Schlesien wichtig werden können, sie mögen nun neue Erzeugnisse, oder bloß die Erleichterung und Vervollkommnung der Bearbeitung bekannter und bisher schon erzielter betreffen, mit der nöthigen Ausführlichkeit, Deutlichkeit und Bestimmtheit bekannt zu machen; vor unstatthaften Versuchen dagegen zu warnen; talentvolle und geschickte Gewerbsmänner bekannter zu machen und jede gemeinnützige Unternehmung im Gewerbsfache durch die Mittel zu unterstützen, welche einer Gesellschaft von Privatmännern zu Gebothe stehen.«54 Das war das Entscheidende. Eine ›Gesellschaft von Privatmännern‹, welche ihre eigenen Belange in die Hand nimmt, diese formuliert unter Beobachtung des gemeinen Nutzens und Maßnahmen ergreift, die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Das staatliche Einverständnis zur Aufnahme der derart abgesteckten sozietären Ziele mußte erwirkt werden, nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Mitglieder können alle Personen werden, »die durch ihre Kenntnisse und Einsichten, oder durch ihre Kunstfertigkeiten, oder durch ihren Einfluß oder durch andre Mittel die Erreichung der angeführten Zwecke zu unterstützen und zu befördern im Stande sind.«55 Das ›Centrum der Gesellschaft‹ bilden satzungsgemäß die ›Mitglieder in der Hauptstadt‹, welcher damit eine herausragende Position zufällt.56 Sie werden unterstützt durch Gesellschafter in der gesamten Provinz, die mit den in Breslau residierenden korrespondierend verbunden sind. »Gegenseitiger Austausch von Ideen, Erfahrungen, litterarischen Notizen« bilden den Mittelpunkt des gemeinsamen Wirkens.57 Schon in der ersten Satzung aus dem Jahr 1804 wird der Aufbau einer Bibliothek ins Auge gefaßt, bestückt vorzüglich mit solchen Werken, die in den öffentlichen und privaten Bibliotheken des Landes fehlen. Der Aufbau der Bibliothek bleibt orientiert an den Interessen der Mitglieder und den von ihnen bearbeiteten Sachgebieten. Dem nämlichen Zweck dient die Akquirierung der

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

einschlägigen deutschen und ausländischen Zeitschriften. Ein Naturalienkabinett soll geschaffen, eine Sammlung schlesischer Fabrikate und Modelle angelegt werden, schließlich ein möglichst vollständiger Apparat mathematischer, physikalischer und chemischer Instrumente zur Hand sein. Das ließ Bemerkenswertes für die Pflege der erwähnten Schwerpunkte und insonderheit für die Bibliothek erhoffen. Entsprechende Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Die Bibliothek der nachmaligen ›vaterländischen Gesellschaft‹ genoß nebst ihren Annexen, die alsbald eigene Pflegstätten erhielten, einen guten Ruf und trug zur buchkundlichen Fundierung der ›vaterländischen‹ Studien im Schlesien des 19. wie des 20. Jahrhunderts maßgeblich bei.

Zwei Gründungsreden Auf den 17. Dezember 1804 datierte der Stiftungstag. An ihm wurden zwei Reden vorgetragen, die eine von dem Initiator und Sekretär der Sozietät Christian Heinrich Müller, die andere von Samuel Gottfried Reiche.58 Müller ging es darum, den Weg zur Gründung der Gesellschaft in Erinnerung zu halten. Er schilderte ihn in aller Ausführlichkeit. Doch seine Rede erschöpfte sich darin nicht. Er suchte das Profil der jungen Kreation im Vergleich mit vorangegangenen Unternehmungen herauszuarbeiten. Vorzubeugen galt es der irrigen Vorstellung, »als sey unsere Verbindung eine Nachahmung gelehrter Gesellschaften und Akademien im Kleinen«. Das war sie nicht. Diese »verehrungswürdigen Gesellschaften, denen die Welt unendlich viel verdankt«, haben ihren Zweck darin, »durch wechselseitige Mittheilung und Unterstützung das Studium der Natur zu erleichtern, zu vervollkommnen und aus den gewonnenen theoretischen und praktischen Einsichten das, was von nützlicher Anwendung für das Leben, für Künste und Gewerbe ist, heraus zu heben und bekannt zu machen.«59 Und dann folgte die Abgrenzung. Gewiß, alle derartigen Vereinigungen hätten einen ›gemeinschaftlichen Zweck‹. Die Mittel und Wege aber, um ihn zu erreichen, sind verschieden. »Sie, die gelehrten Gesellschaften und Akademien, scheiden sich aus dem großen Publiko, worin sie leben, aus; sie bilden einen engen geschlosenen Kreis bloß von Gelehrten ex professo, in den sie höchstens nur sehr ausgezeichnete Künstler und Männer von Verdiensten um die Beförderung ihrer Wissenschaften aufnehmen. Ihr Organ, das Resultat ihrer Forschungen und Verhandlungen mitzutheilen und zu verbreiten, ist die todte Schrift.«60 Ganz anders die Breslauer Fundation. »Unsere Gesellschaft bleibt in Verbindung mit dem Publico, in dem sie existirt; sie steht jedem Biedermanne von Bildung offen, dessen Ruf und Wandel unbefleckt ist. Der Patriot und Geschäfts=

403

404

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

oder Gewerbsmann ist uns eben so willkommen, als der Gelehrte und tief erfahrne Künstler. Jn Ihrer Mitte werden unsere Verhandlungen der Beurtheilung aller unterworfen und ihre Gegenstände können so, aus den verschiedenen Gesichtspunkten, von denen der Geschäftsmann, der Fabrikant, Künstler und der Gelehrte ausgehen, allseitig betrachtet; so zu richtigeren Resultaten gebracht, und durch diese verschiedenen Zuhörer am leichtesten auch unter der Classe von Mitbürgern mündlich verbreitet werden, die sie praktisch anwenden können. Außer dieser Verbreitung in der eindringenden lebenden Sprache, sollen die wichtigsten Verhandlungen in der Folge auch durch eine Zeitschrift zum bleibenden Gebrauch aufbewahrt werden.«61 Könnte eindringlicher und prägnanter ein Anliegen der Aufklärung manifest werden? Die wissenschaftliche Arbeit der Gelehrten ist aller Ehren wert. Sie aber bleibt beschränkt auf deren fachlichen Zirkel, und auch die Publikationsorgane dienen der Kommunikation unter der gelehrten Zunft. Den Weg in die breitere Öffentlichkeit zu nehmen, ist nicht intendiert. Nur indirekt und gleichsam auf Umwegen profitiert die Gemeinschaft von dem abgehobenen Treiben. Aufgeklärter Geist aber dringt auf Partizipation. In der schlesischen Gesellschaft ist ein jeder willkommen, der seine Kenntnisse und Fertigkeiten einzubringen bereit ist. Das ist keine erzieherische Maxime. Die Gründerväter wissen vielmehr, daß mit jedem Talent, mit jeder aus beruflicher Praxis erwachsenen Erfahrung dem Ganzen ein unverzichtbarer Beitrag und also ein allseitiger Nutzen zufließt. Das Gespräch unter Köpfen verschiedener Statur ist ein Generator produktiver Ideen. Auf Mündlichkeit basiert die primäre Sozialisation. Sie bildet den Motor des Fortschritts. Und sie erstreckt sich über die Sozietät hinaus. In offener Rede werden die Verhandlungen in ein breites Publikum getragen, das eingeladen bleibt zu antworten und seinerseits seinen Sachverstand zu mobilisieren. Öffentlichkeit und Restriktion jedweder Provenienz schließen einander aus. Eine jede vom Geist der Aufklärung gestreifte Initiative ruht auf dem Vertrauen in die reichen und vielseitigen Anlagen aller am Prozeß des Austausches mit der Natur Teilnehmenden.

Patriotische Wendung und memoriale Kultur Die gelehrte Gesellschaft genügt sich selbst. Eine kleine Zahl bedeutender Forscher reicht hin, um Großes im Bereich der Erkenntnis zuwege zu bringen. Öffnet sie sich, so zum Zwecke des Austausches von Erkenntnissen und ihrer Vertiefung. Diese »zur Anwendung zu bringen«, sind sie »nicht verbunden«.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

»Alle ihre Mitglieder können daher, gleichsam als Priester der Natur, nur ihren Wissenschaften und deren Beschäftigungen leben.«62 Wiederum ganz anders die Sozietät, die den Namen Schlesiens nicht zufällig in ihrer Gründungsakte führt. »Unsere Losung Naturae et Patriae bestimmt unsere Gesellschaft zu einer weit größeren Verbindung, zu weit mannigfaltigeren Zwecken und Geschäften. Wir wollen nicht bloß die Natur und die von ihrer Kenntniß abhängenden Künste im Allgemeinen, sondern immer in Bezug auf unser Vaterland und dessen Cultur studiren. Wir wollen die Naturbeschaffenheit, die Natur= und Kunstprodukte Schlesiens, so wie den physischen Zustand seiner gesammten Einwohner genau kennen lernen; wir wollen durch Aufsammlung, Anwendung und weitere Verbreitung aller nützlichen Naturkenntnisse und Erfahrungen, aller auswärtigen und inländischen Entdeckungen und Erfindungen auf die Vervollkommnung aller Zweige seiner Industrie und auf die Erhöhung des physischen Wohls unserer Mitbürger hinzuwirken uns bemühen.«63 So zeugte der Regionalismus der politischen Verfaßtheit des alten Reichs auf dem kulturellen Sektor die schönsten Früchte. Was immer nah und fern erarbeitet worden war, sollte assimiliert werden. Im Zentrum aber stand das Wohl des Vaterlandes und aller seiner Einwohner. Ihr Los sollte durch eine auf Forschung basierende Praxis verbessert, ihr Lebensstandard gesichert und erhöht, ihre Zukunft unter die Maßgabe stetiger Vervollkommnung gerückt werden. Gewiß, die Ziele der Gesellschaft blieben auf den Austauschprozeß mit der Natur im weitesten Sinn beschränkt. Das ›patriotische‹ Anliegen indes ließ sich nicht beschränken. Schon die sammlerischen Bemühungen zielten darauf ab, den Reichtum der Landschaft in allen Zweigen zu dokumentieren und alles auf dem Boden Schlesiens je Gezeugte zu bewahren. Der Ort der Zusammenkunft, der mehrfach wechselte, könnte, so die Zielvorstellung, »mit der Zeit ein Museum werden, wo Schlesien im Kleinen vollständig betrachtet und studirt werden könnte«.64 Die Güter des Geistes waren mit inbegriffen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, wann die ›vaterländische Gesellschaft‹ sich auch programmatisch höhere Ziele steckte. Unter diesem Aspekt verlohnt sich auch ein Blick in die Rede Reiches. Mehrfach betont er, daß »Theorie und Praxis sich schwesterlich die Hand« reichen müßten. Dabei fällt ein aufschlußreiches kritisches Wort hinsichtlich der Bemühungen in der Gegenwart. Verehrungswürdig nehmen sich die Leistungen aus, die die Vorfahren in Schlesien und speziell in Breslau zuwege brachten, und das aus freien Stücken und ohne staatliche Unterstützung. An letzterer mangelt es gerade in der Gegenwart nicht. Hier ist eine ›weise Regierung‹ am Werk, »die uns das ganze Glück, Menschen zu seyn, genießen läßt,

405

406

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

indem sie unser höchstes Gut, die Denk- und Preßfreyheit schützt und das Fortschreiten ihrer Unterthanen zu immer höherer Ausbildung ihrer geistigen Kräfte edelmüthig unterstützt.« »Aber herrscht in uns wohl noch jener Geist der Aufopferung, jenes Streben nach höherer Kultur, aus dem die Denkmähler hervorgingen, die unsere Ahnen ewig ehren werden; die Bibliotheken, die Lehrinstitute und andre die geistige Kultur befördernde gemeinnützige Anstalten? Werden sie nicht zum Theil mit einer Sparsamkeit unterstützt und fortgesetzt, die in einem widerlichen Contraste mit der Großmuth steht, welche ihre ersten Stifter beseelte?«65 Da machte sich inmitten des Aufbruchs eine rückwärts gewandte Blickrichtung geltend, in der ganz unversehens das Wirken in der Frühen Neuzeit zu einem kritischen Korrektiv gegenüber einer an kreativen Initiativen ärmeren Gegenwart aufrückte. Auch diese einen Zug von ehrenwertem Konservativismus verratende Intervention war dazu angetan, den Gestalten und Zeugnissen der Vergangenheit fortan die ihnen gebührende Aufmerksamkeit zuzuwenden. Und dazu paßte, daß die Rede Reiches am Schluß in eine sympathische Aufforderung einmündete, sich der Taten der Vorfahren zu erinnern und ihnen ein ehrendes Andenken zu bewahren. Wären diese Worte in dieser Tönung möglich gewesen ohne die Begegnung mit der Empfindsamkeit? Alle Bereiche des Lebens hatte sie ergriffen. Zwanglos ging sie ein Bündnis ein mit der religiös geprägten Verehrung der Toten. Und noch die den heimatlichen Landen zugewandte Liebe gibt sich unterfangen von den Werten einer emotionalen Kultur, wie sie erst im 18. Jahrhundert im Schoße der Empfindsamkeit geboren wurde. »Was ist süßer, als dem Vaterlande zu dienen? welche Unsterblichkeit ist uns sicherer, als die, welche in den entfernten Folgen unserer Aufopferungen liegt? Mag er doch meinen Namen nicht kennen, mag er doch nicht wissen, was ich für ihn that, der glückliche Nachkomme, wenn nur die Folgen dessen, was ich für ihn that, seinen Lebensgenuß befestigen oder erhöhen. Ach! wie mancher unserer Vorfahren mag diese Unsterblichkeit schwer sich errungen haben! Sein Name ist verhallt; die Stätte ist uns unbekannt, wo seine Gebeine ruhen; aber Segen über ihn noch heute für den Genuß, der durch seine Anstrengung uns zu Theil ward! O! gewiß, Sie stimmen mit mir ein, dieser Tag sey nicht bloß der Festtag der Stiftung unsers Bundes, er sey zugleich die jährlich wiederkehrende Gedächtnißfeyer, die wir dem Andenken aller bekannten und unbekannten Wohlthäter widmen, die sich um unser Vaterland und um uns, ihre dankbaren Nachkommen, verdient gemacht haben!«66

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Auf dem Wege zur ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹ Die Gesellschaft entwickelte sich vorzüglich. In der rasch ansteigenden Zahl ihrer Mitglieder spiegelte sich ihre Attraktivität. Ihr kam die enge Verbindung zu den Schlesischen Provinzialblättern zugute. Der Kontakt verlief über Zimmermann, der seit zwanzig Jahren Mitherausgeber war. Im Gründungsjahr der naturkundlichen Sozietät, und zwar im Oktoberheft des Jahres 1804, brachten die Blätter das gesamte Statut, das mit einem Schlag weiten Kreisen bekannt wurde. Binnen kurzem waren siebzig neue Mitglieder aus der Hauptstadt und dem ganzen Land gewonnen. So schritt man zur Gründung einer eigenen Zeitschrift, ganz so, wie es dem Anliegen entsprach, an die Öffentlichkeit zu treten. Im Anschluß an ein ›Bulletin der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens‹, das schon 1805 vorlag, traten im folgenden Jahr die ›Verhandlungen der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens‹. Ein anspruchsvoller Plan wurde im ersten Heft entwickelt. Und doch kam das gelehrte Journal über zwei Jahrgänge mit insgesamt drei Heften nicht hinaus. Heute sind die gesuchten Blätter eine bibliophile Kostbarkeit ersten Ranges. Wir haben sie dankbar in Breslau in den Händen gehabt.67 Was war geschehen? Der Staat, repräsentiert in der Gestalt des Grafen Hoym, war aufmerksam geworden und schöpfte Verdacht. Ein selbsttätig agierender Zusammenschluß freier Personen, dem Zugriff staatlicher Organe entzogen – das weckte unangenehme Erinnerungen an die Freimaurerlogen und andere subtil abgeschirmte Clubs im Ancien Régime. Waren nicht sie mitverantwortlich für die geistige Vorbereitung der Revolution, ganz so, wie es ein hellsichtiger Historiker viel später darlegte?68 In der Sozietät ging unabhängig von Rang und Stand ein und aus, wer sich durch Kenntnisse und Fertigkeiten ausgewiesen hatte. Das war das Markenzeichen und Gütesiegel der alteuropäischen Sozietätsbewegung. Auf Vorsicht bedachte Gemüter mochten eine Lockerung der ständischen Schranken befürchten, und das gewiß nicht zu Unrecht. Entsprechend bemühte sich Hoym auf diplomatischem Wege, die Gesellschaft unter die Botmäßigkeit der Kriegs- und Domänenkammer zurückzuführen. Der Gesellschaft drohte das Schicksal ihrer Vorgängerin. Doch es kam anders. Die europäische Politik spielte hinein und die eben gegründete Gesellschaft konnte sich ihr nicht entziehen. Preußen war dem Zusammenbruch nahe, und der machte vor Schlesien nicht Halt. Die Franzosen standen vor Breslau. Die anschließende Zeit der Besatzung ging glimpflich an der Gesellschaft vorbei. Ihre Quartiere und Sammlungen nahmen keinen

407

408

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Schaden, wie befürchtet worden war. Dafür sank die Zahl der Mitglieder, die auf zweihundert angewachsen war, schon 1807 auf die Hälfte. Der Gründungsvater Müller mußte die Stadt verlassen und ging als Münzverwalter nach Glatz. Auch Zimmermann war anderweitig vielfach verpflichtet. Die so hoffnungsvoll ins Leben gerufene Schöpfung befand sich erkennbar in einer Krise. Krisen aber pflegen schöpferische Kräfte freizusetzen. Auch die die Breslauer Sozietät ereilende wirkte sich zu ihrem Guten aus. Sie wurde auf eine breitere Grundlage gestellt. Im Schoße des allgemeinen Umbruchs zeichneten sich die Umrisse einer neuen Gründung ab, der eine große Zukunft beschert sein sollte.69 Wir haben den Redner Samuel Gottfried Reiche gehört. Er übernahm nach dem Abgang Müllers das Sekretariat und trat alsbald wiederum als Redner vor die Gesellschaft. Im Unterschied zu seiner ersten Einlassung blieb sie ungedruckt. Dem rührigen August Kahlert, selbst Mitglied, verdanken wir die einschlägigen Auszüge. Was Reiche da verlauten ließ, war aufsehenerregend genug. Es müßte als ein Wunder erscheinen, daß ein derartiges Projekt überlebte, wären ihm nicht Zeit und Personen entgegengekommen. Mit ›begeisternder Wärme‹, so der Chronist und Zeitzeuge, trug Reiche seine Gedanken vor. Und deren Kern fand in den folgenden Sätzen eine zündende Fassung: »›Die ihrem Namen nach auf Beförderung der Naturkunde und Industrie eingeschränkte Gesellschaft wird zu dem allgemeinen Institute einer Gesellschaft der Schlesier für ihr Vaterland, an welches alles Geistvolle, jedes treue an Vaterland und Regierung festhängende Herz sich anschliesst. Um aber eine sorgfältige Verfolgung einzelner Gegenstände mit der Allgemeinheit der Bestrebungen zu vereinigen, so erwächst das harmonische Ganze aus einzelnen kleinen Vereinen, welche sich zu belehrender Unterhaltung und zur Untersuchung von Gegenständen aus bestimmten Fächern verbinden. Was bisher das Ganze ausmachte, die Gesellschaft für Naturkunde und Industrie, wird also nur zu einem Theile des erweiterten Kreises.‹«70 Damit war ein Riegel gesprengt. Der Gesellschaft blieb ihr naturkundlicher Zweig erhalten. Sie selbst aber stand im Begriff, sich für alle Disziplinen zu öffnen. Das mußte ihre Attraktivität erhöhen. Und so geschah es. Die Franzosen hatten eben die Stadt verlassen, Friedrich Theodor von Merkel war in seine Heimat zurückgekehrt, und in die Gesellschaft kehrte frisches Leben zurück. Ihre neue Ausrichtung verlangte nach einer neuen ›Constitution‹. Sie wurde entworfen, und im März 1809 nach Berlin auf den Weg gebracht zu Wilhelm von Humboldt. Im Dezember lag die Bestätigung in Breslau vor. Ausdrücklich hatte es gleich im zweiten Abschnitt geheißen: »Namentlich soll und kann keine einzelne Verbindung aufgenommen und geduldet werden, die eine politische

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Tendenz hat, und die Schranken ruhiger, friedlicher Unterthanen und Weltbürger überschreitet.«71 Reiche ging es darum, die Gesellschaft von weiterhin drohenden politischen Fährnissen fernzuhalten. Sollte Schlesien womöglich in verschiedene Departments aufgeteilt werden, so wäre der Sozietät eine die Einheit des Landes im Geistigen garantierende Funktion zugefallen. Eine prospektive Ausrichtung war den Sodalitäten seit dem Humanismus durchweg eigen. Nun zeichnete sich eine Symbiose aus ›weltbürgerlichen‹ und ›vaterländischen‹ Zügen ab.

Sozietäre Sektions-Konstruktion – Prominente Rolle der Geschichte Entschiedener als ehemals schritt man zur inneren Differenzierung der Gesellschaft. Das war ein mutiger und, wie sich rasch herausstellte, überaus erfolgreicher Schritt. Nicht länger fürchtete man sich vor dem Odium des ›Kopflastigen‹. Mit einem Mal sahen ehemals nicht zu Wort gekommene Kapazitäten in der Stadt und im Land ein Forum sich auftun, auf dem sie ihre Talente einzubringen vermochten. Und da zeitgleich die neugegründete Universität in Breslau ihre Tore öffnete, bedurfte es keiner Phantasie, um vorauszusehen, daß es zu fruchtbaren Prozessen des Austausches kommen würde, von denen beide Seiten nur profitieren konnten. Natürlich war die Ausformung von disziplinären ›Klassen‹ bzw. ›Sektionen‹ eine im Fluß befindliche. Schließlich aber waren zwanzig solcher Körperschaften zustandegekommen. Wir müssen uns darauf beschränken, gezielt ein paar Hinweise zu geben. Mehr Raum ist nicht vorhanden für eines der faszinierendsten Kapitel der geistigen Geschichte Breslaus auf der Wende von der Frühen Neuzeit zur Moderne.72 Erhalten blieb selbstverständlich eine starke Repräsentanz der Naturwissenschaften in der Gesellschaft. Sie waren breitgefächert vertreten. Das Spektrum erstreckte sich bis hin zur ›Sudetenkunde‹ in Gestalt einer Erforschung des Riesengebirges. Die Medizin wurde gepflegt. Der Obst- und Gartenkunde galt ebenso die Aufmerksamkeit wie der Insekten- und Gewerbekunde. Ein praktischer Zug wurde also gewahrt. Das Aufregende aber bestand in dem Zuwachs aus dem Raum der Geisteswissenschaften im weitesten Sinn. Das begann im Fach Geschichte. Ihre Pflege hatte eine lange Tradition in Stadt und Land. So war es eine Selbstverständlichkeit, daß sie neben der Universität nun auch in die Obhut der Gesellschaft genommen wurde, und das in ihrer ›vaterländischen‹ Komponente, zeitweilig gepaart mit einem geographischen Schwerpunkt. Bleibende Leistungen hatten hier ihren Ursprung. Man vergesse nicht: Dieser Sektion entstammte die Preisfrage »Was ist bis jetzt für die

409

410

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Geschichte und Geographie Schlesiens geschehen? Welche Lücken sind noch auszufüllen? Welche Mängel noch zu ergänzen?« Den Preis trug der bis dato unbekannte Pfarrer zu Wünschendorf bei Löwenburg, Johann George Thomas, mit seinem 1824 in Hirschberg erschienenen Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien davon. Es war uns ein nicht zu erschöpfender Begleiter, da es tief in die Frühe Neuzeit zurückführte und vielfach Kunde auch von ungedruckt gebliebenen Manuskripten gab, über die nur bei dem rührigen Pfarrer etwas zu erfahren war. Mit einem Schlag wurde deutlich, welche Talente in der Provinz schlummerten. Sie wollten erweckt sein, und die Gesellschaft war dazu auserkoren, sie an sich zu ziehen. Es wird ihr zu bleibendem Ruhm gereichen, daß sie Werke wie die von Thomas nicht nur anregte, sondern in ihrem Wert erkannte und prämierte.73 Andere Aktivitäten sind sehr viel bekannter geworden. Büsching und später Johann Gottlieb Kunisch besorgten die Herausgabe der zeitgeschichtlich so überaus ergiebigen Aufzeichnungen von Nikolaus Pol in fünf Bänden.74 Hinzu traten diejenigen von Peter Eschenloer noch aus dem 15. Jahrhundert, die Kunisch alleine herausgab.75 Auch Büschings Edition der Denkwürdigkeiten von Hans von Schweinichen gehörte in diesen Kontext.76 Fünfzig Exemplare des dreibändigen Werkes nahm die Gesellschaft dem Herausgeber ab, der sich wie immer durch ein geistvolles Vorwort hervorgetan hatte. Das und anderes aber war nur ein Vorspiel.

Von der Sektion ›Geschichte‹ zum Verein für Geschichte und Altertum Schlesiens Seit 1822 stand Gustav Adolf Harald Stenzel, wie wir hörten, an der Spitze des Schlesischen Provinzialarchivs.77 Genau ein Dutzend Jahre später übernahm er das Sekretariat in der Sektion Geschichte der Gesellschaft. Und nun drang er darauf, wie kaum anders zu erwarten, daß der Verein eben in seiner historischen Sektion die Edition von Quellen aus dem Einzugsbereich Schlesiens in den Mittelpunkt rücken solle. An die Spitze hätte er sich zu stellen, wenn es darum ging, die einst von Sommersberg begründete Edition schlesischer Urkunden und Geschichtsschreiber wieder aufzunehmen und nach systematischem Plan fortzuführen.78 In zwei immer noch lesenswerten Vorträgen trat er vor sein Publikum und erläuterte Grundlinien der schlesischen Geschichte sowie Erwägungen zu ihrer quellenkundlichen Erschließung.79 Zwischen diesen beiden 1831 und 1833 gehaltenen Vorträgen legte er 1832 der Sektion den Plan zur Herausgabe einer neuen Folge der Scriptores rerum Silesiacarum vor.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Stenzel bediente sich des schon von Büsching erfolgreich eingeschlagenen Weges, das Vorhaben zur Subskription zu stellen. Auf einen Schlag gelang es, 800 Subskribenten zu gewinnen. Das zeigte, wie groß das Bedürfnis nach einem derartigen Unternehmen war. Stenzel hatte es vermocht, eines der bedeutendsten Projekte der schlesischen Geschichtsschreibung mit dem Namen der Gesellschaft zu verbinden. Doch nur für eine vergleichsweise kurze Zeit. Denn das anspruchsvolle Unternehmen ließ sich auf Dauer nicht unter dem Dach der Gesellschaft für Vaterländische Geschichte durchführen, die auf eine Kostendeckung angewiesen blieb. Nur mit Mühe konnte Stenzel die beiden ersten und jeweils über 500 Seiten umfassenden Bände in den Jahren 1835 und 1839 publizieren.80 So tat er einen folgenreichen Schritt. Nachdem seinem Versuch, die Historische Sektion in der Gesellschaft, deren alleiniger Sekretär er 1834 geworden war, in eine Gesellschaft für Schlesische Geschichte umzuwandeln, kein dauerhafter Erfolg beschieden war, ließ er im Oktober 1844 in Zeitungen und in einem gedruckten Zirkular einen ›Aufruf zur Bildung eines Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens‹ herausgehen. Er gehört zu den denkwürdigen Manifesten, an denen Schlesien so reich war und aus denen alleine eine eindrucksvolle Kulturgeschichte sich herausspinnen ließe. Stenzel war bestens informiert über das, was sich inzwischen auf dem Gebiet der Vereinsgeschichte auf deutschem Boden getan hatte.81 »In Deutschland sind jetzt nicht weniger als vier und vierzig Gesellschaften für vaterländische Geschichts= und Alterthumskunde, von denen Baiern allein acht, Sachsen und Thüringen sieben, Würtemberg vier, jede andere deutsche Provinz von einiger Ausdehnung wenigstens eine hat, nur Schlesien nicht.«82 Da wurde dem Land kein rühmliches Zeugnis ausgestellt. Und was Stenzel aus der Sektion für Geschichte der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹ zu berichten hatte, war nicht dazu angetan, das Bild aufzuhellen. Stenzel war nach eigener Einschätzung mit seinen Anregungen und Aktivitäten so gut wie allein geblieben. Vor allem in den Jahresberichten hatte er für seine auf Quellen­ erschließung gerichteten Arbeiten nicht die nötige Unterstützung erfahren. Weit entfernt davon, dem Verein daraus einen Vorwurf zu machen, erinnerte er vielmehr daran, daß dieser zunächst wie seine Vorgänger seinen Schwerpunkt in den Naturwissenschaften besessen habe. Hier sei Ausgezeichnetes geleistet worden, und die Jahresberichte in Gestalt der ›Übersicht der Arbeiten und Veränderungen‹ bewiesen es.83 Und dann kam er zum Grundsätzlichen und fand Worte, die einen jeden für die Grundlagenforschung werbenden Forscher mit Genugtuung erfüllen. »Unserer Geschichte fehlt nun zuförderst, was überall Grundlage jeder Geschichte sein

411

412

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

muß, Reichthum öffentlich bekannt gemachter Quellenschriften und Urkunden. Dieser Mangel muß zuerst beseitigt werden, ehe zur gründlichen Bearbeitung einzelner Theile und Gegenstände, dann des Ganzen und zu dessen angemessener Darstellung geschritten werden kann.«84 Dankbar sei anzuerkennen, was zum Beispiel ein Samuel Benjamin Klose für die Geschichte Breslaus geleistet habe. Schmerzlich aber mache sich das Fehlen einer Gesamtdarstellung der Geschichte Schlesiens bemerkbar. Billig müsse man sich »fragen: was ist denn zur Förderung der Geschichtskunde Schlesiens gerade in der Zeit eines nun fast dreißigjährigen Friedens geschehen, während dessen alle deutsche Länder, wie wir gesehen, für ihre Geschichte eine so fruchtbare Thätigkeit entwickelt haben?«85 Noch einmal zurückversetzt fühlt sich der Historiker in die Tage des späten Humanismus, da die Klage um die deutsche Verspätung eine so lebendig vernehmbare war. Die Ausländer waren vorangegangen in der Schöpfung einer Literatur in ihrer eigenen Sprache, Deutschland aber hinkte hinterher. Und alsbald waren die Wortführer da, die die erschlafften Geister wachriefen. Am wirkungsvollsten ertönte der Aufruf aus Schlesien, wie wir vernahmen. Ein viertel Jahrtausend später ist eine nämliche Stimme zu vernehmen, ganz ähnliche Worte artikulierend, nun aber gemünzt auf das schlesische Heimatland. »Wohlan denn, thun wir uns zusammen. Vereint können wir Vieles bewirken, was Einzelnen unmöglich, Vieles erleichtern, was dem Einzelnen schwer wird. Im Vereine wird es nicht an Hilfsmitteln und Unterstützung für diejenigen mangeln, welche etwas Tüchtiges für die Geschichte ihres Vaterlandes thun wollen. Ein Verein für gesammte schlesische Geschichte und Alterthum trete daher in die Reihen der übrigen deutschen Vereine für gleiche Zwecke; wir werden durch unsere Leistungen beweisen, daß wir anderen Ländern nicht nachstehen. Vergessen wir nur nie, daß Menschen und Völker Ergebnisse ihrer geschichtlichen Entwickelung, und daß sie also gerade so viel werth sind, als ihre Geschichte, und daß diese verachten, sich selbst verachten heißt.«86 Drei Aufgaben benannte Stenzel als vordringlich anzupackende: »Es vereinigen sich die Freunde schlesischer Geschichte erstens, zur Herausgabe noch nicht gedruckter, hauptsächlich in deutscher Sprache geschriebener Quellenschriften der Landesgeschichte; zweitens, zur Herausgabe tüchtiger Aufsätze, welche, aus den Quellen erforscht, Licht über einzelne Theile der Landesgeschichte verbreiten; drittens, zur schriftlichen und mündlichen Mittheilung geschichtlicher Nachrichten und zur Erörterung derselben, also insgesammt zur Förderung der schlesischen Geschichts= und Alterthumskunde auf jede Weise nach allen Richtungen hin.«87 Da war die Stimme Büschings noch einmal

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

vernehmbar. Wo der aber alle kulturellen Manifestationen Schlesiens im Auge hatte, schränkte Stenzel das Aufgabenfeld auf das weite Feld der Geschichte ein, in dem genug zu tun blieb. »Breslau ist der Sitz« hieß es lakonisch. »Hier wird ein geeignetes Lokal ermittelt zur Aufnahme: erstens, der zu haltenden Versammlungen; zweitens, der zu gründenden schlesischen Geschichts=Bibliothek und der etwa aufzunehmenden Alterthümer.«88 Wieder einmal verband sich der Name der Stadt mit einer zukunftsweisenden Unternehmung. Und sie hatte wie auf andere Weise mit Büsching nun mit Stenzel einen Großen in ihren Mauern, der unvergeßlich sich zu artikulieren verstand: »Wir vergehen, wie die Blätter, die der Herbstwind von den Bäumen wehet, was wir aber zur Ehre der Vorfahren und den Nachkommen zum Beispiele und zur Nacheiferung gethan, das dauert fort.«89 Mit diesen Worten beschloß er sein Memento.

Ein Blick in den ›Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens‹ Stenzels Aufruf fand in Breslau, vor allem aber im Land ein reges Echo. Im März 1845 konnte er mitteilen, daß sich fast 200 Mitglieder angemeldet hätten. Stenzel durfte nun aussprechen, »daß der Verein in das Leben treten werde«. Und noch einmal bekräftigte er: »Endlich liegt in unserer Geschichte, das heißt, in dem, was unsere Vorfahren gethan, unsere Ehre; sie giebt uns unsern gemeinsamen Rang unter den Völkern, und wenn wir für das gemeine Beste des Vaterlands arbeiten, so wird auch davon die Geschichte dereinst Nachricht geben.«90 Der patriotische Impetus lebte also in verwandelter Gestalt bei einem programmatischen Kopf auch im Vormärz fort. Die Verbindung zur Gesellschaft für vaterländische Kultur blieb über die gemeinsame Nutzung des Gebäudes der Alten Börse gewahrt. Die Gründungsphase des Vereins selbst aber stand im Zeichen einer lebhaften Diskussion darüber, ob und in welchem Umfang der zukünftige Verein sich auch auf die Sammlung von Altertümern und damit überhaupt auf die Altertumskunde kaprizieren solle. Stenzel lag vor allem an der Publikation ungedruckter Dokumente, und beinahe wäre es über der Frage zu einem Scheitern des ganzen Vorhabens gekommen. Schließlich wurde der Sammelauftrag in die Satzung aufgenommen. Doch war klar, daß hier kein Schwerpunkt liegen würde und also Raum für verwandte Aktivitäten blieb, von denen wir sogleich hören werden.91 Im Jahre 1846 konnte Stenzel den ›Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens‹ gründen. Dieser blieb personell und sachlich eng verknüpft mit der Sektion Geschichte in der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹. Naturgemäß aber geschah es alsbald, daß sich das Interesse von der

413

414

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Sektion auf den Verein verlagerte. Und das um so mehr, als dieser 1855 auch noch mit einer eigenen Zeitschrift hervortrat, die den Landeshistorikern optimale publizistische Möglichkeiten eröffnete. Als Stenzel seine Stelle als Sekretär der Sektion Geschichte in der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur aufgab, um sich inskünftig seinen Aufgaben als Vorsitzender des ›Vereins‹ ungeteilt widmen zu können, war die Trennung auch personell besiegelt, und eine ereignisreiche, vielfältige Früchte zeitigende Vereinsgeschichte hob an. Sie ist glänzend dokumentiert, so dürfen wir uns mit wenigen Strichen begnügen.92 Von vornherein geplant waren Jahrbücher zur Dokumentation der Forschungen aus dem Kreis des Vereins. Eingehen in sie sollten außer Berichten über die Verwaltung und die Sammlungen des Vereins »›Geschichte und Alterthum Schlesiens betreffende Aufsätze zur Aufklärung einzelner Gegenstände, hierher gehörige Anfragen und Nachrichten, Verzeichnisse von Handschriften und nach Umständen auch Abbildungen. Doch können nur Aufsätze angenommen werden, welche als wirkliche Erweiterung der Geschichte und Alterthumskunde Schlesiens anzusehen sind.‹«93 Da war die Stimme des gestrengen Vereinsgründers zu vernehmen, der von vornherein auf wissenschaftliches Niveau setzte. Im übrigen aber wurden bereits erste Umrisse zweier zukünftiger Organe erkennbar, denen es vorbehalten bleiben sollte, den wesentlichen Ertrag der auf Altertum und Geschichte Schlesiens gerichteten Forschung zu bergen. Auch wenn alle gesetzlichen Formalien erst im Jahr 1847 erledigt waren, so galt der Verein doch als im Januar 1846 konstituiert – ein festzuhaltendes Datum auch im Blick auf ein späteres, in dessen Zeichen er sein hundertjähriges Wirken beschloß. Wie sehr der Verein von der Person Stenzels lebte und auf sie zugeschnitten war, wurde sogleich in der Handhabung der Vorträge erkennbar. Von den sechs im ersten und den neunen im zweiten Jahr hielt Stenzel bis auf einen alle selbst. Sie erstreckten sich über die gesamte schlesische Geschichte bis in die preußische Zeit hinein. Ein Fachmann hatte der Gesellschaft seinen Stempel aufgedrückt, und dessen Prägekraft blieb ihr erhalten. Auch wenn sie dem Vereinsleben zunächst nur mittelbar zugute kam, war Stenzels Rolle doch allzu beherrschend. »Nach mehr als zwanzigjähriger, überall grundlegender Arbeit für die schlesische Geschichte hatte er sich gewöhnt, diese ausschließlich als sein eigenes Arbeitsfeld anzusehen, in das ihm Niemand hineinzureden habe. […] Es wurde ihm schwer, Andere mit Anerkennung ihrer Selbständigkeit zu Genossen an der eigenen Arbeit heranzuziehen, zu ermuntern und zu unterstützen und dadurch den einmal vereinigten Kreis in lebendiger Theilnahme zusammenzuhalten.«94 Die Jahre 1848/49 wirkten sich gleichfalls ungünstig auf das Vereinsleben aus. Stenzel wurde in die Frankfurter Nationalversammlung berufen. Und eines

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

der aktivsten Mitglieder, der große Sammler und Dokumentarist schlesischer Inschriften, Christian Friedrich Paritius, dessen Spuren wir an anderer Stelle nachgegangen sind, starb im Juni 1849.95 Als Stenzel zurückkehrte und seine Vorträge wieder aufnahm, war das anfängliche Interesse erloschen. Stenzel wurde in die Preußische Kammer berufen und trat kaum noch in Erscheinung. So kam es auch nicht zur Gründung der satzungsgemäß vorgesehenen Jahrbücher. Die mit so viel Elan in Angriff genommenen Scriptores stagnierten gleichfalls. Drei Bände konnte Stenzel noch vorlegen, darunter Samuel Benjamin Kloses Darstellung der inneren Verhältnisse Breslaus.96 Schließlich zeitigte auch die Sammlung von Altertümern keine nennenswerten Ergebnisse. So blieb es Stenzels Verdienst, die Erforschung der schlesischen Geschichte auf eine gediegene wissenschaftliche und quellenkundliche Grundlage gestellt zu haben. Die Früchte für seinen Verein zu ernten, blieb ihm – genauso wie einstmals Büsching – versagt. Sie reiften erst in der Zukunft. Und die verband sich mit den Namen eines Richard Roepell, eines Wilhelm Wattenbach, eines Colmar Grünhagen, und wie sie heißen, an der Spitze, mit denen eines Hermann Palm, Julius Krebs, Hermann Luchs, und weiteren im zweiten Glied, nicht zu reden von unserem Chronisten selbst, Hermann Markgraf, der viele der großen Persönlichkeiten noch kennenlernen durfte.97 In unserem Zusammenhang ist nur eines mit dem Verein verknüpften Ereignisses zu gedenken, bevor wir nach diesem kleinen Exkurs zur Gesellschaft für vaterländische Kultur zurückkehren. 1855 war Wattenbach, wie an früherer Stelle erwähnt, Nachfolger Stenzels im Schlesischen Provinzialarchiv geworden. Er war es, der den Mitgliedern des Vereins eine Veröffentlichung von Klosterurkunden entbot, wie sie im Land in so großem Umfang vorhanden waren. So entstanden die Anfänge des Codex diplomaticus Silesiae, der zweiten großen Reihe neben den Scriptores, der wenig später unter der Ägide von Hermann Palm, sodann von Julius Krebs, noch die Acta publica sich hinzugesellen sollten. 1857 und 1859 lagen die beiden ersten Bände des Codex vor. 1865 und 1869 traten die beiden ersten Bände der Acta hinzu, eröffnet mit den in den Dreißigjährigen Krieg fallenden Fürstentagen, und zunächst den Jahren 1618 und 1619 gewidmet – eine Fundgrube ersten Ranges für jedwede auf diese entscheidenden Jahre gerichtete kulturhistorische Unternehmung. Binnen kurzem war Schlesien in den Genuß herausragender quellenkundlicher Organe gekommen, deren Fortschreibung bis in die Gegenwart eine dem Lande und ihren gelehrten Repräsentanten geschuldete Ehrenpflicht blieb.98 Schon auf der ersten Generalversammlung nach Stenzels Tod kam man zurück auf den Plan, eine Zeitschrift zu gründen. Und noch in seinem Todesjahr

415

416

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

konnte im August 1855 tatsächlich ein erstes Heft versandt werden. Es war dem Andenken an Stenzel gewidmet und galt den böhmischen Unruhen zwischen dem März und Juli 1618.99 Roepell übernahm zunächst die Redaktion, ihm folgte Wattenbach bis zu seiner Berufung an die Universität Heidelberg im Jahr 1862. Hernach nahm Colmar Grünhagen das junge Blatt in seine Obhut, bestens gerüstet in seiner Eigenschaft als Nachfolger Wattenbachs im Direktorat des Schlesischen Provinzialarchivs. Als eine Übersicht über die in den ersten dreißig Jahren publizierten Arbeiten in der ›Zeitschrift‹ erschien, war jedermann ersichtlich, daß sie sich zum führenden landeskundlichen Organ entwickelt hatte.100 Für die Bewahrung schlesischer Geschichte und die Artikulation schlesischer Geistigkeit behielt sie eine zentrale Funktion inne. Und das bis in die Tage des Zweiten Weltkriegs hinein, bevor auch sie die Katastrophe ereilte und eine fast hundertjährige Geschichte jäh an ihr Ende kam. Bis in das Jahr 1943 blinkten die vertrauten Lebenszeichen. Ein Jahr später versank die Stadt im sinnlosen Kampf um eine zur Festung deklarierte kulturelle Metropole.

Sonderrolle der Germanistik: Büsching und von der Hagen Wir aber haben zurückzukehren zur ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹, dieser gleichfalls gewichtigen Schöpfung auf schlesischem Boden. Als Literaturwissenschaftler blicken wir mit besonderer Neugierde herüber zu der deutschen Literatur nebst ihren Sachwaltern. Und das über einen Umweg. Denn es gehörte zu den Imponderabilien der sukzessive heranwachsenden Gesellschaft für Vaterländische Kultur, daß einzelne Sektionen überhaupt erst lange nach deren Gründung gebildet wurden. So war auch eine Sektion für Philologie erst 1847 gestiftet worden. Die Person, welche als Sekretär an ihre Spitze trat, ist uns gleichfalls bereits bekannt. Dem Direktor der Schule bei St. Maria Magdalena, Carl Schönborn, verdankten wir über seine Programmschriften die einschlägigen Informationen über sein Institut. Er war von Haus aus Altphilologe, entsprechend stand, wie schon im herkömmlichen Terminus ›Philologie‹ bedeutet, die Beschäftigung mit den alten Sprachen und Literaturen im Mittelpunkt. Klangvolle Namen verbanden sich mit dem Wirken der Sektion, so der eines Hermann Palm, Nachfolger des klassischen Philologen August Wissowa und langjähriger Prorektor am Magdaleneum. Ihm verdankt die Schlesienkunde nicht nur die erwähnten grundlegenden Urkundeneditionen, sondern ebenso wichtige Arbeiten zur schlesischen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts, an der Spitze zu Opitz selbst.101

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Palms Platz wäre von daher, wenn nicht in der Sektion für Geschichte, so doch in einer für die neueren Philologien gewesen. Eine solche kam jedoch überhaupt erst zu Anfang des 20. Jahrhunderts zustande. Die Germanistik, Anglistik, Romanistik und Slawistik sollten in ihr eine Stätte der Pflege finden. Auch im Zusammenhang mit ihr sind bedeutende Namen der Erwähnung wert. An erster Stelle gewiß diejenigen von Max Koch, dem Mitbegründer der Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte, dessen Feder vor allem bedeutende komparatistische Arbeiten zu verdanken sind. Sodann derjenige von Levin Ludwig Schücking, dem Anglisten und Begründer der literarischen Geschmacksgeschichte. Später traten der Romanist Fritz Neubert, der Anglist Paul Meißner, der Slawist Paul Diels und der Mediävist Friedrich Ranke hinzu. Mit allen diesen Namen verbindet der Fachmann teilweise herausragende Leistungen. Aber sie rühren her aus den jeweiligen universitären Wirkungsstätten, darunter eben auch Breslau.102 Und so mochte die Situation eintreten, daß der unverwechselbare Breslauer Anteil an der Konstitution der Philologien sich mit der Gründungsphase der Gesellschaft verband, in der eine eigene Sektion noch fehlte, und daß sie ein Fach betraf, das eben erst im Begriff stand, sich zu formieren, die Germanistik. Die Gründung der Gesellschaft fiel in europäischer wie speziell in deutscher Hinsicht in eine Zeit des Aufbruchs. Die Gebrüder Schlegel hatten von Jena aus Marksteine einer europäisch votierenden Literaturwissenschaft gesetzt und waren in großräumigen Vorlesungen vor ein breiteres Publikum getreten. So war es ein bemerkenswertes Ereignis, daß Schlesien in den auf die deutsche Literatur gerichteten Bemühungen an vorderster Stelle einen Platz fand.103 Dabei machte sich das Bündnis zwischen der zeitgleich eröffneten Universität und der Gesellschaft überaus förderlich geltend. Gestalten treten in dieser Gründungsphase hervor, deren Namen sich aus der Geschichte der deutschen Philologie nicht wieder verlieren sollten. Es waren die allgemeinen Zeitströmungen und die besonderen Bedingungen des Zuwachses an Quellen, wie sie gerade auch in Schlesien in unübersehbarem Umfang im Gefolge der Säkularisation hervortraten, die zu dem auf andere Weise nun ›säkularen‹ Ereignis beitrugen. Wir nehmen also unsere in einem früheren Kapitel den Bibliotheken und Archiven gewidmeten Betrachtungen wieder auf und führen sie in einer anderen Richtung zum Abschluß. Wieder ist von der Gestalt Büschings auszugehen. Und wiederum ist Breslau der intellektuelle Umschlagplatz.104 Büsching war gebürtiger Berliner. Schon sein Vater hatte als Geograph einen guten Namen. Er starb 1793 als evangelischer Oberkonsistorialrat und Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster. Der Sohn studierte Jura, beschloß es 1806 als Referendar in Halle und kehrte nach Berlin zurück. Sein Interesse galt

417

418

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

der Literatur. Ihr zugewandt, wurde er als Autodidakt vor allem sammelnd und forschend auf dem Gebiet der älteren deutschen Literatur tätig. Darin traf er sich mit seinem drei Jahre älteren ehemaligen Kommilitonen Friedrich Heinrich von der Hagen. Ein Bündnis wurde geschmiedet, das selten nachhaltige philologische Früchte zeitigte. Sie wären Berlin zugute gekommen, wenn es beide nicht nach Breslau verschlagen hätte. Über Büschings Werk, den Aufbau einer Schlesischen Zentralbibliothek, haben wir gehört. So war es eine glückliche Wendung, daß von der Hagen zu ihm stieß, als sich das Scheitern – oder besser: der Umbau – des großangelegten Büschingschen Projekts bereits abzeichnete. Es geschah dies im Gefolge der Gründung der Breslauer Universität. Und eben an sie wurde nun von der Hagen berufen.105 Auch von der Hagen war zunächst kein zünftiger Philologe. Es spricht für seinen Geschmack, daß er von frühester Jugend an ein Verehrer Jean Pauls war. Zugleich trat eine sammlerische Leidenschaft ebenfalls frühzeitig hervor, die sich ahnend und tastend vor allem auf das ›vaterländische Heldengedicht‹ erstreckte. Vom juristischen Studium in Halle war er so wenig angetan und ausgefüllt wie sein Freund Büsching. Er hörte lieber bei Friedrich August Wolf über Geschichte und Literatur des klassischen Altertums und bei Schleiermacher dessen Vorlesungen zur Philosophie. Ein ganzer Kreis von Personen, die sich alsbald einen Namen in der Philologie und insbesondere in der Germanistik machen sollten, fand sich schon in Halle zusammen, angesteckt von dem Fieber des Aufspürens altdeutscher bzw. altgermanischer Quellen. Im Übergang von der Hagens nach Berlin im Jahr 1802 konkretisierten sich diese literarischen Neigungen. Er kam noch in den Genuß von August Wilhelm Schlegels im Winter 1803/04 vorgetragenen Vorlesungen. Waren diese indes auf die europäische Literatur gerichtet, so entschied sich von der Hagen für die altdeutsche Literatur und speziell das Nibelungenlied. Eine Weichenstellung war erfolgt. Gleich nachdem er mit ersten Proben einer Edition und damit verknüpften grundsätzlichen Erwägungen hervorgetreten war, taten sich zahllose gelehrte Verbindungen auf. Von der Hagen quittierte den Staatsdienst und warf sich ganz auf die altdeutsche Philologie, für die zu wirken er als seine Bestimmung empfand. Mit Büsching zusammen erarbeitete er, wie erwähnt, eine Sammlung Deutscher Volkslieder, die 1807 herauskam, und der sich ein Jahr später die Deutschen Gedichte des Mittelalters anschlossen. Nun war klar, daß nur eine akademische Laufbahn in Frage kam. Seine Leistungen wurden von der Philosophischen Fakultät in Jena mit der Doktorwürde belohnt. Weitere Editionen schlossen sich an, der Blick weitete sich und erstreckte sich zunehmend auch auf die altnordischen Literaturen. So wähnte er sich gerüstet, ein von ihm so genanntes

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Lehrfach ›Deutsche Alterthums-Wissenschaftskunde‹ an der jungen Berliner Universität etablieren zu dürfen. Tatsächlich erhielt er ein Extraordinariat. Seine Vorlesung zum Nibelungenlied freilich stieß kaum auf Interesse. Anders eine solche zur deutschen Altertumskunde. Die finanzielle Ausstattung indes blieb bescheiden. So bewarb sich von der Hagen mit Erfolg auf eine Bibliotheksstelle in Breslau im Rahmen der von Büsching betriebenen Schaffung einer Schlesischen Zentralbibliothek. 1811 erfolgte die Wiederbegegnung der Freunde in Breslau. Ausdrücklich hatte von der Hagen sich vorgenommen, »dort Büsching zu helfen«, wie er an Tieck schrieb.106 Daraus wurde jedoch nicht viel, denn der Höhepunkt der Büschingschen Aktivitäten im Blick auf die Zentralbibliothek war überschritten. Es muß als ein besonderer Glücksfall angesehen werden, daß sein Gesuch um Rückversetzung nach Berlin abschlägig beschieden wurde. So warfen sich die Freunde auf die Literatur. Sie wußten sich getragen von den ›vaterländischen‹ Bestrebungen in der Gesellschaft. Und auch, wenn ihrer beider Wirken nicht formell mit ihr verknüpft war, so entsprach es doch ihren Intentionen, mit dem Unterschied, daß die patriotische Grundierung ihrer Arbeiten eben nicht auf Schlesien beschränkt blieb, sondern der altdeutschen Zeit einschließlich ihrer germanischen Mitgift insgesamt galt. Nur dieser Umstand rechtfertigt es ja, die beiden an den Anfang der Geschichte der Germanistik zu stellen. Entscheidend blieb der Anteil, den Breslau nahm. Er war in dem Wirken von der Hagens an der Universität, dem Wirken beider auf dem Feld der Bibliotheken und der Archive und schließlich der stimulierenden Präsenz der ›Gesellschaft für vaterländische Cultur‹ gleichermaßen begründet. Ihr berühmtestes Werk rührte noch her aus der Berliner Zeit, wo es gemeinsam konzipiert worden war, der schon erwähnte Literarische Grundriß zur Geschichte der Deutschen Poesie aus dem Jahr 1812.107 Er war nichts weniger als eine Gründungsurkunde der deutschen Philologie, zwar in Berlin erschienen, aber eben zu einer Zeit, da die Freunde sich bereits in Breslau aufhielten. Ihrer beider Namen prangten auf dem Titelblatt, derjenige Büschings freilich an zweiter Stelle, wie es wohl auch seinem Arbeitsanteil entsprach. Bis in das 16. Jahrhundert führten sie ihren Grundriß; »die beiden folgenden Verjüngungen der Poesie im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert, haben, besonders durch die Einwirkung des Klassischen und Ausländischen überhaupt, unter Begünstigung der neuen Lehre und deren Verbreitung durch den Druck, einen ganz anderen Karakter.«108 Der ›neuen Lehre‹? Damit war ersichtlich die Reformation gemeint, die eben auch ein druckgeschichtliches Ereignis ersten Ranges war. Verfechter einer langen, bis in das 16. Jahrhundert sich erstreckenden Phase der mittelalterlichen Literatur besäßen also auch in von der Hagen und Büsching

419

420

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

zwei Kronzeugen. Die beschränkten sich auf die poetischen Hervorbringungen, ließen die Prosa außen vor, welche im 15. und 16. Jahrhundert einen so mächtigen Aufschwung nahm. Diese Entwicklung spiegelte sich deutlich sichtbar im »eigenthümliche[n] Streben […] zum prosischen Roman«, die der gesamten Literatur, auch der ›poetischen‹, also in Verse gefaßten, im Sinne der Schlegels den Charakter des ›romantischen‹ verleiht.109 In Breslau waren nach Berlin diese Töne zum ersten Mal zu vernehmen. Wie sehr wünschten wir, diese Linien ausziehen zu können. Wir müssen uns auf einige Sätze beschränken. Noch in Berlin war unter Mitwirkung von Bernhard Joseph Docen, ausgestattet mit einem verheißungsvollen Titel, das Museum für Altdeutsche Literatur und Kunst der beiden Freunde herausgekommen. Es hatte nur eine kurze Blüte in Gestalt eines ganzen und eines weiteren halben Bandes erlebt. In Breslau nahmen die beiden den Faden wieder auf. Sammlung für Altdeutsche Literatur und Kunst lautete nun ihr Unternehmen, das 1812 bei Korn erschien. Wie sensibel sie auf die Zeitereignisse im Medium ihres eben sich konstituierenden Faches reagierten, bewiesen sie, als sie als patriotischen Beitrag gegen Napoleon eine Ausgabe der ›Lebensbeschreibung‹ Götzens von Berlichingen vorlegten, »deren ›reiner Gewinn für die freiwilligen Studierenden‹ bestimmt war, ›die den vaterländischen Fahnen zueilten‹«.110 Bei Graß und Barth in Breslau erblickte das politisch inspirierte Werk 1813 das Licht der Welt. Auch die Altdeutschen Sagen und Lieder kamen noch im gleichen Jahr wiederum in Breslau bei dem gleichen Verleger heraus. Und so ging es Schlag auf Schlag fort. Mehr als ein Dutzend vornehmlich der Edition ›altdeutscher‹ und altnordischer Texte gewidmete Projekte vermochte von der Hagen in seinen Breslauer Jahren auf den Weg zu bringen. Die Edition des Nibelungenliedes geriet zu einem aufsehenerregenden Ereignis, in das eine Kapazität wie Karl Lachmann sogleich kritisch-zürnend involviert war. Die philologische Tätigkeit wurde flankiert von Vorlesungen an der Breslauer Universität. Seit 1815 bekleidete von der Hagen das erste Ordinariat für germanische Philologie an einer deutschen Universität. Er las über ›Altdeutsche und Altnordische Götterlehre‹, über ›Deutsche Sprachlehre‹ und immer wieder über das ›Nibelungenlied‹. Auch eine ›Deutsche Literaturgeschichte‹ kam zur Verlesung, und einmal wurde über Gottfrieds Tristan gehandelt. Doch das blieben Ausnahmen. Die ›nazionalen Fabelkreise‹, also die germanischen Heldensagen, behaupteten das Feld. Breslau war zu einer Hochburg der auf die germanische Vorzeit und die ›altdeutsche‹ Zeit gerichteten Forschungen geworden. So bedeutete es einen Einschnitt, als von der Hagen 1824 auf einen Lehrstuhl ›für das Fach der deutschen Sprache und Literatur‹ an die Universität Berlin gerufen

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

wurde. Er hatte sich gegen seinen Widersacher Lachmann durchgesetzt. Von der Hagen war der Aufschwung jener philologischen Studien geschuldet, die er mit seinem Freund Büsching einst in Berlin entworfen hatte. Dessen Name trat auf dem philologischen Feld im engeren Sinn zurück. Aber er blieb in Breslau präsent. Damit kehren wir nochmals zurück zur Gesellschaft für Vaterländische Kultur und ihre musealen Aktivitäten, die so gut wie alle ihren Stammvater in der Gestalt Büschings besitzen.

Im Umkreis der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹: Sammlungen – Ausstellungen – Galerien Die Gründung der Gesellschaft war zeitgleich erfolgt mit dem Beschluß, die Habe der Klöster und anderweitige geistliche Besitztümer auf schlesischem Boden von staatlicher Seite aus zu vereinnahmen. Rasch sammelte sich ein nur noch schwer überschaubares geistliches Gut in dem von Büsching ausersehenen Augustinerstift auf der Sandinsel. Und da kamen ja nicht nur Handschriften und Bücher zusammen, sondern Skulpturen und Bilder, Möbel und liturgisches Gerät, Schmuck und Sammelstücke aller Art aus der Vorzeit. Das alles verlangte nach Registratur und sinnvoller Sonderung. Breslau stand am Beginn einer neuen aufregenden Geschichte seiner kulturellen Physiognomie. Schätze, die weit verstreut in der ›Provinz‹ geschlummert hatten, strömten an einem Ort zusammen. Die immer schon vorhandene ›Zentralität‹ Breslaus erhielt einen neuen Schub. Mit derartigen Aufgaben konfrontiert, vermochte nur ein Genie von der Statur Büschings Schritt zu halten. Sein universaler Geist verströmte sich in schöpferischer, weit in die Zukunft ausgreifender Planung. Dabei erwies sich die Nachbarschaft der Gesellschaft wiederum als ein Glücksfall. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Grundlagen für die kulturelle Infrastruktur Breslaus gelegt. Deshalb verharren wir bei dieser ›Schwellenzeit‹ besonderer Art. Uns bleibt es aufgetragen, wenigstens einige Linien anzudeuten und einige Schwerpunkte zu markieren. Um die Anfänge geht es jeweils prononciert, nicht um eine im Blick auf einzelne Institutionen bisweilen über 150 Jahre sich erstreckende Geschichte. In Kraft blieb das allgemeine Anliegen der vaterländischen Gesellschaft, sammelnd auf verschiedenen Gebieten tätig zu sein. Gleich im ersten Abschnitt der neuen Satzung des Jahres 1810 war es bekräftigt worden. Bemühen wolle man sich, »die Hülfsmittel zu wissenschaftlichen und andern Untersuchungen, welche für die Beförderung der Geistes- und Gewerbscultur oder für das Wohl des Vaterlandes überhaupt von Wichtigkeit sind, aufzubringen und ein Museum

421

422

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

zu stiften, in welchem besonders die der Provinz Schlesien eigenthümlichen Schätze der Litteratur, Natur und Kunst in der möglichsten Vollständigkeit aufgesammlet werden sollen.«111 Dieser Vorsatz wurde nicht nur respektabel in die Tat umgesetzt. Er verband sich auch mit den Arbeiten in den verschiedenen Sektionen und den organisatorischen und publizistischen Maßnahmen Büschings. Ein Geben und Nehmen hatte statt, wie es förderlicher nicht denkbar war. Es bedeutete daher einen Glücksfall für die Gesellschaft, daß ihr in dem am Salzring stehenden Börsenhaus ein ganzes Stockwerk eingeräumt wurde, in dem für die Sammlungen genügend Raum verfügbar war. Das Börsenhaus und das Augustinerstift blieben neben der Universität für eine Weile den Mittelpunkt innovatorischer Akte weitesten Ausmaßes. Unterstützt wurden die Arbeiten durch Periodika. Zunächst erschien in den Jahren zwischen 1810 und 1815 ein Correspondenzblatt, sodann seit 1819 eine Correspondenz der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹, wie es schon der vorangegangenen Institution zwischen 1807 und 1808 zur Verfügung gestanden hatte.112 Büsching, der als treibende Kraft auch hinter diesen publizistischen Aktivitäten stand, hatte gehofft, ähnliche Absatzzahlen und Abonnenten zu erreichen wie die erfolgreichen Schlesischen Provinzialblätter. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. So entschied man sich für ein jährliches Periodikum. Unter dem Titel Übersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur gelangte es in die Öffentlichkeit.113 Das war ersichtlich nicht die glücklichste titularische Wahl. So erfolgte 1850 der Übergang zu Jahresberichten, die bis in den Anfang der vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein bestanden, am Schluß sich nochmals in mehrere Unterabteilungen aufspalteten und erst im Zweiten Weltkrieg zum Erliegen kamen.114 Daneben aber sprossen zahlreiche spezielle Journale aus dem Boden, und dies vielfach in engem Zusammenwirken mit den Sektionen in der Gesellschaft und den musealen Gründungen unter der anfänglichen Ägide Büschings. Die Gesellschaft hatte sich zu einem das geistige Leben in Stadt und Land ungemein befördernden Unternehmen gemausert. Sie behauptete de facto die Rolle einer dem Land fehlenden ›Akademie‹ neben der Universität. Selbst ein Goethe, seit 1822 Ehrenmitglied der Gesellschaft, bescheinigte ihr Anerkennung für ihre die Grenzen zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften überschreitende, umfassend über die Sektionen konzipierte Arbeit. Gegenüber Präses Baron von Stein erklärte er, »daß ihm kein gemeinnütziger Verein bekannt sey, wo mit solcher Ausdauer und mit solchem Erfolge so mannichfaltige Zwecke verfolgt würden, wie es wirklich in der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Statt findet.« Seine Worte zieren begreiflicherweise eine jede der Gesellschaft gewidmete Arbeit.115

Ein Museum für Kunst und Altertum in Breslau – Am Beginn eines langen Weges Gleich im Jahr 1810 war es zur Gründung einer Sektion für Kunst und Altertum innerhalb der Gesellschaft gekommen. Als Initiator fungierte Johann Gottlieb Rhode, der auch die Stellvertretung des Generalsekretärs der Gesellschaft innehatte.116 Die Idee war so naheliegend, daß sie sich in eins mit der Neukonstitution der Gesellschaft erfüllte. Ein ausführlicher Abschnitt in der ›Constitution‹ von 1810 war allein dem ›Museum‹ gewidmet. Es sollte neben der Bibliothek und dem Archiv enthalten: »c. Ein Cabinett Schlesischer Antiquitäten, Münzen und Medaillen. d. Eine Sammlung von Abbildungen Schlesischer Gegenstände älterer und neuerer Zeit, es seyn Zeichnungen, Kupferstiche oder Gemählde. e. Ein Cabinett Schlesischer Naturalien aus allen drey Naturreichen. f. Eine Sammlung von Gemählden Schlesischer Meister und von andern Werken der Schlesischen schönen Kunst. g. Eine Sammlung solcher Schlesischer Fabrikaten, welche sich zur Aufbewahrung eignen.«117 Ein solches Museum bedurfte der wissenschaftlichen Begleitung. Diese sollte über die Sektion sichergestellt werden. Bezeichnenderweise aber kam das Vorhaben erst in Schwung, als Büsching, der Unermüdliche, sich seiner annahm. Büsching hatte Erfahrung im Umgang mit Dokumenten jedweder historischen Provenienz, war keinesfalls auf Handschriften und Bücher allein kapriziert – der Vorzug des Amateurs in Gestalt des homme des lettres. Schon während seiner ersten Schlesienreise im Jahre 1809 hatte er in den Klöstern und Stiften auch wertvolle Gemälde und anderweitige Kunstgegenstände aufgetan. Sogleich entstand der Plan, in Breslau ein Museum für eine Kunstsammlung zu errichten. In einer Eingabe an den Staatskanzler von Hardenberg entwickelte er das Projekt. »›Aus den Kunstschätzen vieler Klosterkirchen würde eine eigne Sammlung von Kunstwerken zu errichten sein, wozu manche öffentliche Bibliothek zu Breslau schon herrlichen Stoff giebt, z. B. die Maria-Magdalena mit ihrer bedeutenden Gemälde- und Kupferstichsammlung, Elisabeth u.s.w. Mehrere alte Kirchen enthalten viele und wichtige Werke, die einst geweihten, jetzt verlassenen Altären gewidmet waren und nun ihre heilige Kraft verloren, dagegen ihre Kunstkraft bewahrt haben.‹«118 Damit war das Projekt auf den Punkt gebracht. Büsching, der Vergangenheit in all ihren Manifestationen zugewandt, erwies sich als Anwalt der Moderne.

423

424

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Der Glauben hatte die Macht über die Herzen verloren. Die Gegenstände des Kults, an denen er haftete, waren verwaist. Sie wurden frei für museale Zwecke. Von Objekten der Andacht wechselten sie herüber zu solchen des Kunstgenusses. Das Museum trat die Nachfolge von Kirchen und Klöstern an. Derart ratifizierte auch ein Büsching, was in der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Geburt der Empfindsamkeit eingesetzt hatte. Die Kunst war geheiligt worden, und Klopstock machte sich zum Sprecher der neuen Religion. Eine Bewegung hob an, wie sie auf deutschem Boden in Wagners und Georges der Göttin Kunst gewidmeten Manifestationen enden sollte. Auf der Schwelle zum neuen Jahrhundert ließen sich die Jünger der Kunst vom Schlage eines Wackenroder und des jungen Tieck vernehmen, die sich damit als von der empfindsamen Welle getragen bekannten. Die alte italienische und deutsche Kunst wurde zum Vehikel einer emphatischen Kunstfrömmigkeit. Vor ihr war ein Büsching gewiß gefeit. Er ging als Praktiker ans Werk, betrieb ein grandioses Werk der Rettung inmitten der – ein Fazit aus der abgelebten Konfessionalisierung ziehenden – Säkularisation. Als Bestimmungsort für die aus der Provinz in Breslau zusammenströmenden Güter hatte Büsching das schöne und geräumige Augustinerstift auf dem Sande erkoren. Dort kam alles zusammen, was der Reisende auf seinen Expeditionen im Lande aufgetan hatte. Vor Ort aber setzte die mühsame Arbeit der Sonderung der Schätze ein. Über den Weg der Bücher und der Handschriften, der in die Universitätsbibliothek und das Provinzialarchiv führte, haben wir berichtet. Nun geht es um das Verbleibende. Und das war ansehnlich genug. Gemälde und plastische Arbeiten aus Stein, Holz und Elfenbein waren da gespeichert, eine Menge Waffen, herrührend vor allem aus einem kleinen Zeughaus im Kloster Leubus, eine größere Sammlung von Münzen aus dem Augustinerstift in Sagan, schließlich 26 Urnen, mit denen der Grund zur vorgeschichtlichen Sammlung gelegt wurde. Nach einem kurzen Interim – Büsching war wie erwähnt zum Archivar in dem eben jetzt entstehenden Provinzialarchiv ernannt worden – wurde er mit der Einrichtung eines Kunst- und Altertum-Museums betraut. So traten zu den musealen Bestrebungen der vaterländischen Gesellschaft die staatlich geförderten und um Büsching gruppierten. Wir verfolgen für eine Weile den Weg der einzelnen Sammlungen.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Büschings Projekt für eine Breslauer Gemälde-Sammlung in Friedrich Schlegels ›Deutschem Museum‹ Ein besonderes Auge hatte der unentwegt Projektierende und im ganzen Land Recherchierende auf die Gemälde. Für sie erhoffte er, auf Breslauer Boden etwas Bahnbrechendes zu erwirken. Im zweiten Band von Friedrich Schlegels Deutschem Museum aus dem Jahre 1812 stellte Büsching sein Projekt vor.119 Die schlicht als ›Nachricht von der Breslauer Gemähldesammlung‹ betitelte Arbeit geriet zu einem kunsthistorischen Manifest. Friedrich Schlegel selbst ließ sich herbei, ihm eine ›Vorerinnerung‹ vorauszuschicken. Was da in dem fernen Schlesien im Gefolge der Säkularisation geschah, war für die ganze Nation von Bedeutung, wurde doch ein Vergangenes abgelöst und über ein Neues die Zukunft entworfen. Drei Punkte hob Schlegel, von Büsching wohlinformiert, hervor. Der Plan sei entworfen »1) zu einer Hauptbibliothek in Breslau; 2) einer Gemähldesammlung eben daselbst; 3) einem großen Landes=Archiv, ebenfalls in der Hauptstadt.«120 Alles, was das Land in seinen geistlichen Instituten hervorgebracht und verwahrt hatte, sollte ausgehoben und seiner neuen Bestimmung zugeführt werden. Über eine konservatorische Restauration führten die Wege in die Moderne. Nahm es da Wunder, daß Schlegel sein eben gegründetes Deutsches Museum diesem interessanten Experiment öffnete? Das Büschingsche Projekt paßte sich nämlich ein in weitergesteckte Ziele, für die Schlegel wegweisende und nicht veraltete Worte fand. Eine Analogie zwischen der Geschichte der Politik und der Kunst stellte er her, und es bedurfte keiner Phantasie, seine Andeutungen auf anderweitige kulturhistorische Gebiete zu übertragen. Es ging um die Verschränkung von nationalen und regionalen Elementen bei allen auf die Manifestationen der deutschen Geschichte und des deutschen Geistes gerichteten Unternehmungen. Das Vorbild gaben die Historiker ab. »So wie auch im politischen Gebiete erst durch Special=Arbeiten, wie die eines Möser oder Pfister der Weg gebahnt worden ist, zu einer helleren Einsicht in die Unermeßlichkeit und in das Ganze der allgemeinen deutschen Geschichte; so wird auch erst dann einem deutschen Winkelmann eine gründliche Kunstgeschichte unseres Vaterlandes möglich werden, wenn das Beyspiel eines von Murr in Nürnberg, eines Wallraff und Boissere in Kölln, erst mehrere Nachfolge gefunden hat, und Special=Untersuchungen und Sammlungen mit ähnlichem kunstliebenden Sinne und forschendem Fleiße in allen Provinzen Deutschlands begonnen und ausgeführt seyn werden.«121 War dem so, und niemand dürfte sich finden lassen, der dem Verlauteten widerspräche, dann war ein jeder Beitrag aus der Provinz willkommen, bildete er

425

426

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

doch einen Mosaikstein in einem Ganzen, das sich wiederum auf andere Weise als ›vaterländisches‹ am fernen Horizont abzeichnete. Büschings Werk trat da unversehens neben das von Murrs im Südosten und Wallrafs und Boisserées im Westen. Wäre es nicht um die Kunst und speziell die Gemälde gegangen – Schlegel hätte Analoges zum Beispiel für eine Geschichte der deutschen Literatur namhaft machen können. Auf allen denkbaren Gebieten war infolge der dezentralen Verfaßtheit des Reiches einer doppelten Anforderung Genüge zu tun. Und nimmt man hinzu, daß die Schlegels es waren, die stets auch die europäische Dimension jedweder künstlerischen Äußerung im Auge hatten, so zeichneten sich Aufgaben von einem Rang und einer Größenordnung ab, die die genialsten Geister herausfordern mußten. Schlesien hatte das Glück, in Büsching eine Persönlichkeit am Werk zu sehen, die derartigen Anforderungen gewachsen war. Auch sein Beitrag zur ›Breslauer Gemähldesammmlung‹ legt davon Zeugnis ab. Wer nur nach Rafael, Guido Reni oder Domenichino schaue, solle nicht nach Schlesien kommen. Spitzenstücke dieser oder anderer Maler seien dort nicht. Die Beantwortung der Frage, warum das so sei, führte den Chronisten zu einer Revue der Schicksale der Kunst auf schlesischem Boden. Sie ist lesenswert geblieben. Büsching aber wußte sich an einer Wende der Zeiten und aufgerufen, nach Jahrhunderten des immer wieder zu beklagenden Frevels an den Werken der Kunst für das Erhaltene jede denkbare Mühe aufzuwenden. Was er gesehen hatte auf seinen Reisen, veranlaßte ihn, auf eine geschichtliche Strukturierung des immer noch reichen Materials hinzuarbeiten. »Reste einer altdeutschen Mahlerschule« glaubte er entdeckt zu haben, die seinen Enthusiasmus beflügelten.122 Von einer ›Mahlerschule‹ zu sprechen, sei gewiß unzutreffend; er selbst habe sich korrigieren müssen. Wohl aber sei der Begriff ›Mahlerverein‹ statthaft, der auf die zünftige Organisation verwies. »Aus andern deutschen Ländern kam der Meister her und ward hier, in dem durch Kunstliebe gesegneten Lande, zünftig.«123 Aus dieser ›altdeutschen‹ Periode würde in einer geschichtlich orientierten Ausstellung eine erste Gruppe gebildet werden. Sie erstreckte sich bis »in die erste Hälfte des 16ten Jahrhunderts«.124 Da kehrte also die aus dem literaturgeschichtlichen Grundriß bekannte periodisierende Zäsur wieder. Eine überraschende Koinzidenz zeichnete sich ab, ohne daß die Rede von einer ›wechselseitigen Erhellung der Künste‹ einem Büsching auf die Zunge gekommen wäre. Es ging um nichts weniger als die Ehrenrettung einer verkannten Zeit, ganz so wie auf dem benachbarten Feld der Literatur. Auch Bilder, die nicht aus Schlesien stammten, sollten hier plaziert werden. In einigen aufgefundenen Stücken vermeinte Büsching, Holbeinsche Züge entdecken

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

zu können, in anderen Dürersche. Was da zusammenkam, wurde »gleich zur eigentlichen Gallerie bestimmt. Hätte sich nur mehr gefunden!«125 Eine zweite Abteilung sollte dem Genie Michael Willmann gehören. Für ihn fand Büsching die schönsten Worte. So wie Düsseldorf eine Galerie trefflicher Gemälde von Rubens habe, so Breslau künftig eine solche von Willmann. Besonders angetan hatten es ihm zwei in Kloster Leubus aufgetane Bilder, welche die Schöpfung zum Gegenstand hatten. »Die Fülle seines Geistes zeigt sich in der Größe der Composition und der weisen Vertheilung der verschiedenen Momente der Schöpfung, wo keiner den andern stört oder hindert, sondern alles so gestellt ist, daß es als ein wohlgeordnetes Ganzes vor dem Beschauer steht.«126 Eine dritte Abteilung schließlich war den Gemälden vorbehalten, »welche das Glück aus andern berühmten Schulen, von andern berühmten Meistern uns zugeführt oder gelassen hatte«.127 Auch einzelne passende Werke Willmanns sollten sich hinzugesellen. Büsching wußte, daß die Zahl der bedeutenden Stücke noch klein sei, doch das mochte in Zukunft sich ändern. Und keine Scheu hatte er, vereinzelt auch Kopien bedeutender Werke mit aufzunehmen. »So schließe ich denn diese kurze vorläufige Uebersicht in der Hofnung, daß ich oder ein anderer, in weniger Zeit, das fröhliche Wachsthum dieser Institute und ihr glückliches Gedeihen, nach der dargelegten oder andern vielleicht bessern Ansichten, werde bekannt machen können.«127 Eine auf die Zukunft gerichtete Hoffnung durchwirkt seine Zeilen. Wie lange aber sollte es dauern, bis sein Projekt einer Gemäldegalerie in angemessenen Räumen in Breslau Wirklichkeit wurde. Weit vorausgeeilt war er seiner Zeit. Zunächst galt es, im Naheliegenden sich zu bescheiden.

Eine Gemälde- und Altertumssammlung im Augustinerstift auf der Sandinsel Mit der gewohnten Tatkraft ging Büsching ans Werk. Keinesfalls sollten nur die aus Klöstern, Stiften und anderen geistlichen Besitztümern ausgehobenen Schätze in Breslau zusammengezogen und zur Anschauung gebracht werden. Büsching dachte auch an die in Kirchen, öffentlichen Gebäuden und privaten Sammlungen vorhandenen Gemälde. Er nahm mit dem Magistrat Verhandlungen auf, die jedoch zu keinem greifbaren Resultat führten. So betrieb er auf eigene Faust einen teilweise durchaus von Erfolg gekrönten Tausch. Er wußte den Klosterkirchen insbesondere Prälatenbilder zu offerieren und erhielt dafür, was ihm für seine Kollektion geeignet dünkte. In vorzüglicher Weise war er auf Bilder Willmanns erpicht. Das hinderte ihn jedoch keineswegs, das, was ihm

427

428

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

ansonsten während seiner Recherchen begegnete, großzügig einzusammeln und präventiv für Breslau zu sichern. Nie verließ er sich auf das Urteil der ihm beigegebenen Kommissare. Immer nahm er die Bilder persönlich in Augenschein. Die Abrundung wie die Gediegenheit der Galerie ging dem passionierten Sammler über alles.129 Schließlich waren tatsächlich zwischen 700 und 800 Stücke einschließlich einiger Pakete, angefüllt mit Kupferstichen, vorhanden. Genaue Inventarisierungslisten scheinen nicht zu existieren. Als ergiebigste Fundstellen hatten sich in Breslau das Vinzenz- und das Sandstift, in der Provinz die Klöster Trebnitz, Leubus und Grüssau, das Jungfrauenstift in Glogau und die geistlichen Quartiere in der Bischofsresidenz Neisse erwiesen. Von letzterem Ort abgesehen kamen nur vier oder fünf Bilder aus Oberschlesien. Unvergleichlich viel größer war die Anzahl der von Büsching für unbrauchbar deklarierten Fundstücke. In Breslau ging es dann an das Ordnen und Aufhängen der Bilder, und auch darauf behielt Büsching bei jedem Schritt sein Auge. Rund 550 Objekte einschl. einiger Bildhauer- und Mosaikarbeiten wurden am Ende von ihm als tauglich für eine Präsentation deklariert. Doch auch diese Zahl war noch keine fixe. Es wurde weiter kritisch ausgesondert, und dies auch im Blick auf die überaus knappen räumlichen Ressourcen. Am Schluß blieb es bei 471 Bildern, die ersten 96 stammten von Willmann selbst, die Nummern 97–145 aus seiner Schule, die anschließenden 146–205 aus der altdeutschen und die restlichen 206–471 von verschiedenen anderen Schulen und Künstlern. Hinzutraten eine Gruppe von Holzfiguren aus Willmanns Hand sowie einige Bildhauer- und Mosaikarbeiten. Auch diese Zahl aber reduzierte sich noch einmal, als die Schlußrevision anstand, und blieb über all die Jahre im Fluß. Entscheidend war, daß im Juni des Jahres 1815 die Eröffnung der Galerie für das Publikum erfolgen konnte. Ein erster Meilenstein war erreicht. Die Bilder waren von dem Kerzenrauch, der an ihre Herkunft erinnerte, gereinigt und inventarisiert worden und gelangten nun in fünf Zimmern und Korridoren des Hauptgebäudes der Bibliothek auf dem Sande zur Präsentation. An einem jeden Donnerstag nachmittag während des Sommers konnte die Kollektion besichtigt werden. Auch Kopieren sollte daselbst prinzipiell erlaubt sein. Man täuschte sich aber, wenn man wähnte, damit sei das mit so viel Eifer betriebene Werk zu einem Abschluß gelangt. Erst jetzt, da die Bilder hingen, fand Büsching Muße, Qualität und Anordnung nochmals zu begutachten. Der prozessuale Charakter des Experiments wurde gewahrt, wie es bei einem Geist wie dem Büschingschen nicht anders sein konnte. Bis in das Jahr 1818 zogen sich die Arbeiten hin.

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Das war auch das Jahr, in dem die Altertumssammlung für die Besichtigung hergerichtet war. Sie bezog mit der gleichfalls von Büsching verwalteten Sammlung der antiken Gipsabgüsse ein zur Oder hin gelegenes Nebengebäude auf der Sandinsel. Der museale Prozeß schritt also auf beiden Ebenen voran. Im Jahr 1818 war Büsching auch noch zum Generalsekretär der ›Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur‹ ernannt worden. So lagen die Aufsicht über die Schätze auf der Sandinsel und die Verantwortung für die Gesellschaft und ihre sammlerischen Aktivitäten, die sich im Börsenhaus verdichteten, in ein und derselben Hand. Daraus konnte nur Ersprießliches erwachsen. Und wieder war es nur eine Frage der Zeit, wann die bis dato dezentralen Bemühungen sich definitiv kreuzten und in einem gemeinsamen Aufbauwerk trafen. Die Wege führen über das nunmehr sich entfaltende Ausstellungswesen.

Florierendes Ausstellungswesen »In der Stille werden die Künste geübt und vervollkommnet, mühsam werden die ersten Schwierigkeiten überwunden, rathend, helfend, ermunternd tritt der Lehrer, der Freund in die stille Werkstätte, um den zur Vervollkommnung Ringenden zu ermuntern, bis der Kunstübende es endlich wagt, auch einen größern Kreise seine Erzeugnisse vorzuzeigen und anzubieten. Nun tritt ein Wechselverhältnis zwischen dem Künstler und seinen Landsleuten ein; und wenn der Künstler fest und ernst auf seiner Bahn fortgeschritten ist, kann er verlangen, daß sich seine Zeit= und Landes=Genossen freundlich zu ihm wenden und seine Werke betrachten, ja nach ihrem Besitz verlangen, sobald der Künstler geneigt ist, sie aus seinem Besitzthum zu lassen und sich in die Abtheilung derjenigen reiht, die der Ausübung der Kunst ihr Leben, ihre Thätigkeit ganz widmen.«130 So vermochte nur ein Büsching zu sprechen. Wer solche Worte fand, dem war die Fähigkeit eigen, Talente zu entdecken und für seine Zwecke zu begeistern. Die Präsentation von Kunstwerken war ihm ein Herzensanliegen. Und so konnte der Erfolg nicht ausbleiben. Noch im gleichen Jahr 1818 vermochte die Gesellschaft eine erste Kunst- und Gewerbeausstellung zu präsentieren. Büsching war ihr inspirierender Veranstalter. So lag es nahe, ihn auch noch zum Leiter der nun regelmäßig erfolgenden Ausstellungen schlesischer Kunst- und Gewerbeerzeugnisse zu machen. Zehn entscheidende Jahre lang übte er dieses Amt aus. Während die erste nur drei Tage dauerte, während derer ein wenig über hundert Stücke zu bewundern waren, verlängerten sich die Öffnungszeiten alsbald auf drei Wochen; nun wurden zweihundert Objekte gezeigt. Ein Katalog in Gestalt eines Verzeichnisses der zur Ausstellung gelangenden Gegenstände

429

430

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

– Gemälde, Zeichnungen, Lithographien, Holzschnitte, Kupferstiche, Skulpturen, Gewerbeerzeugnisse – begleitete die Darbietung. Schlesien wurde in seiner Hauptstadt Breslau erstmals mit dem Reichtum seiner Kunstschätze bekannt. Alles war unter einem Dach im Börsenhaus versammelt, und neuerlich durfte man sich fragen, wann eine Differenzierung und vermittelt über sie langfristig eine Neugruppierung der insgesamt in Breslau vorhandenen Güter aus dem weiten Bereich der Kunst- und Altertumskunde erfolgen würde. Wir verfolgen, stets neugierig auf beredte Dokumente, ein paar Stationen. Büsching selbst ließ es sich nicht nehmen, in die Rolle des Reporters zu schlüpfen und von den Reaktionen zu berichten, in denen sich eine neue Erfahrung spiegelte, unversehens in den Genuß öffentlich zugänglicher Werke geraten zu sein. »Und was das angenehmste und erfreulichste war, so viel wir auch hin gehorcht, ist uns doch kein liebloses unfreundliches Urtheil zugekommen; es war ein freundliches harmloses Wandeln durch die Geschenke der Kunst, so wie es sich gebührt, wenn Künstler und Beschauer ein zutrauungsvolles Herz zu einander fassen sollen.«131 Wir sind Zeugen der Geburt eines neuen Publikums, das in einer begnadeten Stunde sich sammelt und antwortet auf ein Geschenk, das ihm dargebracht wird. Den ursprünglichen Stätten ihres Lebensraumes hatte der kühne Projektor die Exponate entrissen. Nun zeigte sich, daß Büschings Prognose sich bewahrheitete. Im säkularen Raum begegnete ein angerührtes Publikum den unversiegbaren Kräften der Kunst, und in der Begegnung vollzog sich eine Verwandlung, die Betrachter und Betrachtetes gleichermaßen betraf. Voller Hoffnung mochte der Veranstalter in die Zukunft blicken. Es herrschte Aufbruchstimmung. Und wenn die Rede von der romantischen Aura, wie sie sich mit dem Wirken Büschings immer wieder verband, einen irgend gearteten Sinn mit sich führen soll, so im Blick auf jene Tage, da die künstlerischen Schätze des Landes erstmals vor die Augen einer staunenden Öffentlichkeit traten. Dem Land stand Bedeutendes bevor, es war auf dem Wege zu sich selbst, und Büsching war es gegeben, die zündenden Worte zu finden. »Die herrlichen Folgen werden sich schon im nächsten Jahre bethätigen, und wenn die Lust und Liebe an eine allgemeine Landesangelegenheit immer mehr wächst, wie zu erwarten und grade in Schlesien zu hoffen ist, so kann die Kunst in Schlesien so glückliche Tage erleben, wie sie ihr in diesem Lande noch nie erblühten und die letzten Jahre ihr am wenigsten zu verheissen schienen. Und diese Hoffnung möge ein gütiges Geschick erfüllen!«132 Diesem Wunsch war für eine Weile Erfüllung beschieden. Jahr für Jahr ging eine Ausstellung ins Land. Büsching und andere waren zur Stelle, im nachhinein zu berichten, stets anregend und gedankenreich und also stets lesenswert.133

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Schon 1820 ließ sich ein Anonymus in den Schlesischen Provinzialblättern, die ihre vermittelnde Rolle optimal wahrnahmen, eingehend über den Beitrag der Künstler zu den Ausstellungen des Vereins vernehmen. Sie hatten sich mit reichen Einsendungen um den nicht ausbleibenden Erfolg maßgeblich verdient gemacht und »an Menge und Mannichfaltigkeit der Gegenstände ihre beiden älteren Schwestern«, also die Werke der Skulptur und Keramik, übertroffen. Ein Vergnügen bereite es dem Berichterstatter, denjenigen, »welche die Freuden der Beschauung nicht mit uns theilen konnten, eine Nachricht von den Festtagen zu geben, zu welchen während des Frühlings Wollenmarkts, vom 5–14. Juni die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur wiederum die Freunde der Kunst eingeladen hatte.«134 Breslau war für einige Tage im Jahr zu einem Kunstfest gekommen, und rührige Hände waren bereit, das Ereignis gebührend zu feiern. Aus den Berichten ließe sich nicht weniger als eine Geschichte der zeitgenössischen schlesischen Kunstgeschichte herausfiltern. Wann wohl wird diese Chance ergriffen werden?

Der Beitrag der Künstler, ihr Künstlerverein und die Gründung eines Kunstvereins Eine erste Separierung resultierte aus dem Umstand, daß es zwischen Büsching und den Künstlern zu Mißhelligkeiten kam. Die Künstler wünschten sich an den Einnahmen aus den Ausstellungen und deren Organisation beteiligt zu sehen, während Büsching als geborener Sammler aus den erlösten Mitteln auf Vervollständigung der Ausstellungsstücke drängte. Eine Verschärfung der Lage trat ein, als die Künstler die Büschingschen Ausstellungen erstmals 1826 boykottierten, ein Jahr später einen eigenen Künstlerverein gründeten und mit einer eigenen Ausstellung hervortraten. Damit kam ein weiterer, nunmehr dritter und zeitweilig schwieriger Partner ins Spiel, dem gleichfalls Aufmerksamkeit zu schenken ist. Wir verbleiben für einen Moment im Jahr 1826. Dort war im ersten Jahresband der Provinzialblätter, dem 83. in der Gesamtfolge, ein ›Dringender Wunsch in Bezug auf die Kunstausstellung‹ zu lesen. »Breslau geht jetzt dem neunten Jahre seiner Kunstausstellung entgegen, die Bekanntmachung derselben und die Einladung, sie wieder reichlich auszustatten, stand bereits in den Zeitungen und erfreuliche Andeutungen zahlreicher Ausschmückung der Säle der Ausstellung sind bereits eingegangen.«135 Doch es kam anders. Die Möglichkeit, stets auch ältere Bilder zu präsentieren, hatte sich erschöpft. Man war auf Einsendungen zeitgenössischer Künstler angewiesen. Die Gesellschaft, so

431

432

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

beteuerte der Chronist, habe das ihr Mögliche unternommen, die Künstler aus den erlösten Einnahmen zu honorieren. Doch mußte eingeräumt werden, daß sich im Gegenzug die Mittel für Neuanschaffungen entsprechend verminderten. Ein ›Verein der Kunstfreunde in dem Preußischen Staate‹ versuchte in dieser schwierigen Situation, fördernd einzugreifen. Im November 1825 hatte er sich erstmals in der Neuen Breslauer Zeitung und sodann in den Provinzialblättern artikuliert.136 Der ehrenwerte Vorsatz hatte Anklang im Königlichen Hause zu Berlin gefunden, und erste Erfolgsmeldungen konnten mitgeteilt werden. Wieder war es Büsching, der den Verein aus der Taufe gehoben hatte. In der Ohlauer Straße hatte er sein Quartier, wie unter der Annonce zu lesen. Der Vielgefragte blieb für jedermann ansprechbar. Eine dauerhafte Gründung kam indes erst nach seinem Tod zustande. Im Oktober 1827 veranstalteten die Künstler eine eigene Ausstellung im neuerbauten Realschulhaus am Zwinger. Das stets zuverlässige schlesische Periodikum, nun unter der Büschingschen Ägide, unterrichtete auch darüber.137 Büsching machte das Beste aus der »von einem Schlesischen Künstler=Verein« getragenen Veranstaltung, könne das Publikum von der Initiative doch nur profitieren. Ein kleines Land wie Schlesien würde in seiner Hauptstadt demonstrieren, daß es »nicht allein jährlich eine, sondern sogar zwei Ausstellungen veranstalten könnte.« Reserve aber blieb gewahrt. Ein Verein, der sich »mit dem vielsagenden Namen Künster=Verein« schmücke, müsse auf Sicherung von Qualität bedacht sein, und darüber stehe dem Chronisten kein Urteil zu. Die Zeit würde ihres Amtes walten, und darüber belehren, ob ein ›reger Kunst­ eifer‹ die erhofften Früchte zeitigen würde. Der Beitrag blieb ungezeichnet. Wir wähnen nicht fehl zu gehen, wenn wir auch ihn Büsching selbst zuschreiben. Die Gesellschaft aber sah sich unversehens mit einem konkurrierenden Unternehmen konfrontiert. Auf Dauer konnte daraus nichts Ersprießliches erwachsen. Schon im Bericht für das Jahr 1828 war von seiten des Vereins die geringe Anzahl von Gemälden zu beklagen.138 Über das Büschingsche Lebenswerk hatte sich ein Schatten gelegt. 1829 starb er allzufrüh. Zwei Jahre später kamen auch die von der Gesellschaft veranstalteten Ausstellungen zum Erliegen. Büsching aber wird der Ruhm bleiben, ihr Initiator gewesen zu sein. Sein Ziel war es, »die gesamte Kunstwelt Schlesiens zu vereinen«.139

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Auf dem Wege zur Gemäldegalerie im Ständehaus und zum Museum für Bildende Künste Seine Ideen lebten indes vielfach unterschwellig weiter. Die entscheidende Klippe tat sich im Blick auf die Nachfolger von Büsching auf. Der namhafte Altphilologe Franz Passow wurde als Aufseher über die Kunst- und Altertumssammlungen ausersehen. Er ließ nur ein geringes Interesse an dem Gedeihen der Gemäldegalerie erkennen und tat sich offensichtlich im Veräußern von Bildern aus der von Büsching zusammengebrachten Kollektion hervor – eine schmerzliche Wendung der Dinge. Auch Hoffmann von Fallersleben, der kurzfristig einsprang, scheint sich auf diesem Felde keine Meriten erworben zu haben. Er war als engagierter Literaturhistoriker und berühmter Dichter gewiß nicht der richtige Mann für diese Aufgabe. Tatsächlich äußerte er die Meinung, die guten Stücke der Sammlung anderweitigen bedeutenderen Kollektionen zukommen zu lassen und den Rest sich selbst zu überlassen, also nicht länger in den universitären Räumen des Augustinerstifts zu beherbergen. Und er blieb nicht der einzige mit dieser Ansicht. Der verhängnisvolle Verkauf nahm seinen weiteren Lauf. Der Büschingschen Schöpfung drohte Gefahr. Wo nicht ihre Preisgabe, so zeichnete sich als Menetekel doch ihre Auszehrung ab.140 Doch es kam neuerlich anders. Schon 1832 organisierte die Gesellschaft mit dem Breslauer Künstlerverein wieder eine gemeinsame Ausstellung. Damit treten wir in eine weitere Phase ein, die nur partiell übersehbar ist und aus diversen Quellen rekonstruiert werden muß. Das kann hier wiederum nur in Abbreviatur geschehen. Und zwar auf Wegen, die auf der einen Seite getrennt zu beschreiten sind und sich auf der anderen Seite immer wieder kreuzen, bevor die Separierung eindeutige Formen aufweist und auch institutionell einen von den Gegenständen her vorgezeichneten Charakter annimmt. Wir müssen um der Klarheit unserer Ausführungen willen um Trennung der verschiedenen Stränge bemüht sein, die de facto ineinander verschlungen waren. Bleiben wir bei den Künstlern, ihren Gemälden und einem ihnen nun definitiv gewidmeten Verein!141 Die Spaltung, die zwischen der Vaterländischen Gesellschaft und den Künstlern bzw. dem Kunstverein zeitweilig eingetreten war, hatte offensichtlich nicht nur negative Konsequenzen. Nicht zu übersehen sei, »daß zwei Vortheile aus jener Spaltung sich ergeben haben, einmal: daß die Gesellschaft für vaterländische Cultur in zweyen ihrer Ausstellungen – 1829 und 1831 – eine Anzahl der ersten Meisterwerke der neueren Zeit, dem Publikum vor Augen stellte und die Künstler (Künstlerverein) ihrerseits Alles aufboten, um zu zeigen, was sie vermöchten, während sie sich auch zu einem freundlichen inneren Verbande unter

433

434

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

sich selbst vereinigten und dann: daß beide Theile zu der Ansicht gelangten, daß nur in ihrer Wiedervereinigung für das allgemeine Beste wie für die Künstler selbst, eine wahre Sicherheit und ein glücklicher Einfluß gefunden werden könne.«142 Entsprechend hieß es in einer ›Übereinkunft‹, wie sie zwischen der Gesellschaft für vaterländische Kultur und dem Schlesischen Künstlerverein getroffen wurde: »Der erste Zweck beider Vereine ist Beförderung der Kunst in Schlesien, einmal: durch Sammlungen von Gegenständen der Kunst als Muster zur Nacheiferung der schlesischen Künstler; dann: zur Ermunterung der Künstler selbst, durch Ankauf von ihnen angefertigter, vorzüglicher Kunstwerke.«143 Eben darum ging es, die Belange der Kunst in Stadt und Land insgesamt zu fördern. Das aber war ein Vorhaben, welches über eine Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Künstlerverein hinausging. Die klassischen Ziele eines eigenen Kunstvereins waren formuliert, wie sie in Berlin, in Düsseldorf, Dresden und anderwärts bereits existierten. Diesen Schritt nun auch in Breslau zu tun, mußte im Interesse aller, die Belange der Künstler wie der Kunst vertretenden Förderer und Unterstützer in Stadt und Land liegen. Erklärtes Ziel war es von vornherein, einen freien Kunstverein zu schaffen, keinen, der von den Künstlern selbst, dem Vaterländischen Verein oder irgendeiner sonstigen Institution abhängig wäre. Es sollte ein Kunstverein sein, nicht einer von Künstlern, wie er eben im ›Künstler-Verein‹ bereits existierte. Man wollte die Belange der Kunst im ganzen fördern.144 Dieser Verein hatte naturgemäß ein Interesse daran, eine eigene Galerie aufzubauen. Das sollte durch Erwerbungen geschehen, auch aber durch Integration schon vorhandener Sammlungen. Ein Gravitationszentrum schien sich herauszubilden, in dessen Sog die in Breslau vorhandenen Bilder längerfristig gezogen werden mochten. Anfang der vierziger Jahre konkretisierten sich diese vom Kunstverein ausgehenden Bemühungen. Allein, es mangelte an einer geeigneten Lokalität. Da wurde das Ständehaus im Breslau errichtet. Sogleich artikulierte der Kunstverein seine Wünsche. Er bat 1851 um Bereitstellung von vier Sälen für eine in der Stadt aus vorhandenen Sammlungen zu schaffende Bildergalerie. Und tatsächlich konnte die Galerie im Oktober 1853 mit 540 Nummern eröffnet werden. Ein ansprechender Katalog dokumentierte das Präsentierte. Als vier Jahre später ein weiterer vorgelegt wurde, waren darin auch die plastischen Kunstwerke dokumentiert, die zwischenzeitlich hinzugekommen waren. In der dritten Auflage des Katalogs aus dem Jahre 1863 belief sich die Zahl der Ausstellungsstücke auf 759 Nummern.145 Täglich und unentgeltlich war die Ausstellung zu beschauen. Man vergesse bei alledem nicht, daß diese Aktivitäten fast

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

zeitgleich mit den bibliothekarischen verliefen. Der Zentralismus Breslaus, aufsetzend auf der kulturellen Infrastruktur aus der vorangegangenen Zeit, machte sich eben in der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur industriell, sondern auch kulturell eindrucksvoll geltend. Aus verschiedenen Quellen speiste sich die Kollektion.146 Sie rührten zum Teil her aus der Sammlung des ehemaligen Direktors der Breslauer Kunstund Bauschule Hofrath Bach. Minister vom Stein selbst hatte sich gegenüber dem Oberpräsidenten von Merkel für den Ankauf ausgesprochen, und das in der Erwartung, daß sie den im Besitz der Universität befindlichen Bestand, der eben aus den Büschingschen Kollektionen herrührte, vorzüglich ergänzen würde. Sie ging an die vaterländische Gesellschaft, dies indes mit der Auflage, die Bilder dem größeren Publikum zugänglich zu machen. Dahin aber gelangten wenig später nun auch Bilder aus der Dublettensammlung des Königlichen Museums zu Berlin. Breslau hatte sich gegen Königsberg durchzusetzen vermocht. So formierte sich in der Gesellschaft ein zweiter Schwerpunkt neben der akademischen Kollektion auf dem Sandstift. Schließlich mochte es nur eine Frage sein, wann ihre Vereinigung statthaben würde. Auf Zusammenführung der akquirierten Schätze standen die Zeichen der Zeit, wie sie sich dann seit 1853 im Ständehaus erfüllte. Treibende Kraft blieb der Kunstverein. Er nahm sich der Pflege der Gemälde an und behielt das Ausstellungsprojekt einschließlich der Schaffung einer Galerie fest im Blick. Er machte sich stark dafür, daß die Bilder aus der vaterländischen Gesellschaft in die Galerie überführt wurden. Und sein Auge fiel zum Zwecke der Ausstellung selbstverständlich auch auf die akademische Gemäldesammlung, die ja auf Büsching zurückging. Dem Begehren auf Freigabe wurde stattgegeben. De facto aber waren es nur 82 Bilder, die den Weg ins Ständehaus fanden.147 Als ein besonderer Glücksfall erwies es sich, daß die wertvollen Sammlungen aus der Rhedigerschen und der Magdalenen-Bibliothek in die Galerie überführt werden konnten.148 In der letzteren hatten »Rektor Manso und Professor Rhode in der Bibliothek zunächst durch wahren Zufall unter einem Bücherbrett unter Staub und Moder zwei sofort als Lucas Kranachs angesprochene Porträts Melanchthons und Luthers, letzteres in 2 Stücke gespalten, entdeckt, und dann bei weiterem Forschen auch noch andere werthvolle gänzlich in Vergessenheit gerathene Bilder deutscher Schule aufgefunden.«149 So ging es zu im alten Deutschland. Diese traditionsreichen Häuser waren Schatzstätten ersten Ranges und wußten selbst häufig gar nichts von ihren Juwelen in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die Sonderung setzte überhaupt erst im 19. Jahrhundert ein. Und da mochte es dann wohl geschehen, daß Unverhofftes

435

436

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

zutage trat, nun dazu bestimmt, aus der Dunkelheit in das Licht zu treten und stets beides zugleich zu gewähren, Genuß der Kunst und ein Staunen darüber, was in den Mauern einer Stadt nicht anders als in den Kunstkammern bei Hof sich verborgen hatte und nun dem kulturellen Nimbus zugutekam. Ist einmal ein Kristallisationspunkt vorhanden, so entfaltet er anziehende Kräfte. Entsprechend wuchs auch die Gemäldegalerie im Ständehaus weiter an. Auf Dauer konnte ihres Bleibens dort nicht sein. Noch einmal führte der Weg über Aufrufe und Denkschriften. In der Mitte der sechziger Jahre setzten sie ein. 1870 konstituierte sich ein geschäftsführender Ausschuß. Ein Jahrzehnt später lag die Gründungsschrift vor. Die Bildenden Künstler hatten ein eigenes Heim gefunden, wie es gediegener – und das hieß im Sinne der Zeit: repräsentativer – nicht hätte ausfallen können. Seit 1880 firmierte es unter dem Titel ›Schlesisches Museum der Bildenden Künste‹ im ›Schlesischen Provinzialmuseum‹.150

Verein und Museum für schlesische Altertümer Kehren wir nun zurück und wenden uns den auf das Altertum gerichteten Aktivitäten in der Stadt zu. Noch einmal tritt uns die Gestalt Büschings entgegen.151 Und so mögen hier ein letztes Mal Worte verlauten, die das ganze Maß seiner Aktivitäten eindrucksvoll umspannen. Eine Morphologie der schlesischen Kunstund Altertumssammlungen zeichnet sich da ab, wie wir sie in aller gebotenen Kürze unsererseits rekonstruierend versucht haben. »Da wird mir Freude« – so von Prittwitz in seiner wiederholt herangezogenen, weil quellennahen Abhandlung – »nochmals wieder einem Manne ein bescheidenes Denkmal dankbarer Erinnerung setzen zu dürfen, dessen Verdienste um unsere Kenntniß von Schlesiens Vorzeit trotz Allem, was hierfür in letzter Zeit geschehen ist, ganz gewiß immer noch lange nicht genugsam gewürdigt sind, das ist unserem alten Joh. Gust. Gottl. Büsching. Denn wie die Königliche und Universitätsbibliothek, wie das schlesische Provinzialarchiv, wie das unter Leitung des Herrn Prof. Roßbach stehende archäologische Museum, wie die ehemalige akademische Gemäldesammlung, und fast zahllose Schriften, so verdankt nun auch die jetzt zu behandelnde Alterthümersammlung ihm ihre Entstehung.«152 Nicht noch einmal wollen wir die Büschingschen Unternehmungen im einzelnen verfolgen.153 Sein Anliegen war es von Beginn an gewesen, ein größeres Publikum für die ›vaterländischen‹ Objekte zu interessieren. Die museale Perspektive war stets im Visier. In den Schlesischen Provinzialblättern, in dem Correspondenzblatt der Gesellschaft für vaterländische Kultur und in einem eigens geschaffenen Blatt für die gesamte schlesische Altertumskunde lancierte er die

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

Idee, präsentierte Funde, stellte methodische Erwägungen an.154 Unermüdlich war er unterwegs auf der Suche nach ›Trophäen‹. Der Erfolg blieb nicht aus. Rasch wuchs die Kollektion heran. »Als Büsching am 4. Mai 1829 starb, zählte die Sammlung an Fundstücken aus Schlesien 1500 Thongefäße und 804 Gegenstände aus Stein und Metall, ausserdem 696 nichtschlesische Funde, die er im Austausch gegen Dubletten von fremden Museen, besonders dem Kopenhagener, erhalten hatte.«155 Neuerlich zeigte sich, daß Gründungsakte an Personen hängen. Sind sie nicht zur Stelle, ist ein jedes eben begonnene Unternehmen in Gefahr, und sei es noch so solide fundamentiert. Büschings Nachfolger interessierte das von diesem mit so viel Eifer Aufgebaute und auf einen vermeintlich stetig sich fortbewegenden Gang Befindliche nicht. Es vergingen Jahrzehnte, bis wieder ein Mann auftrat, der hinreichend befähigt und interessiert war, das Büschingsche Werk aufzugreifen und zugleich in neue Bahnen zu lenken. Hermann Luchs, in Beuthen in Oberschlesien geboren und seit 1863 Direktor der städtischen höheren Töchterschule am Ritterplatz in Breslau, wußte, daß es eines Vereins bedurfte, um den auf das Altertum gerichteten Arbeiten und der musealen Präsentation der Schätze eine tragfähige Stütze zu verleihen.156 Er nahm damit eine gleichfalls bereits von Büsching herrührende Initiative wieder auf. 1857 lud er zu einer konstituierenden Sitzung ein. Ein Aufruf an alle Schlesier erfolgte, einen Beitrag zur Errichtung eines Museums schlesischer Altertümer zu leisten. Unter den Gründungsmitgliedern waren Graf Adrian Joseph von HoverdenPlencken und der Geheime Rat Heinrich Robert Göppert. Bald traten Wilhelm Wattenbach und Richard Roepell hinzu. Die professionelle Begleitung des Projekts war damit sichergestellt.157 Der Verein fand zunächst ein Unterkommen in dem nämlichen Lokal der Alten Börse, das auch von der Gesellschaft für Vaterländische Kultur genutzt wurde. Sogleich lebte der Ausstellungsgedanke wieder auf. Auf der einen Seite präsentierte man Stücke aus dem soeben gegründeten Verein, und also solche, die vor allem auf die Büschingschen Aktivitäten zurückgingen. Aber auch Privatbesitz wurde aktiviert. Insgesamt 836 Nummern von 99 Ausstellern konnten gezeigt werden. Der Erfolg war enorm und übertraf die kühnsten Erwartungen. Es wurden 2020 normale Eintrittskarten und 729 ermäßigte Schülerkarten verkauft, dazu Freikarten an Waisenanstalten verteilt. Der Katalog, in zweihundert Exemplaren aufgelegt, war binnen weniger Tage vergriffen; die zweite Auflage mit 500 Exemplaren gleichfalls.158 Zahllose der privaten Ausstellungsstücke flossen der Gesellschaft als Geschenk zu. Sie hatte nicht nur ihr Existenzrecht

437

438

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

unter Beweis gestellt. Sie hatte gezeigt, daß nach ihr in der Stadt und im Land ein eminentes Bedürfnis bestand. Nun war kein Bleiben mehr im Börsenhaus. Eine Odyssee begann. In einem Kaufmannshaus in der Altbüssergasse fand man eine vorläufige (zweite) Unterkunft und errichtete ein Museum, wo 460 Objekte gezeigt wurden. Das konnte kein Dauerzustand sein, zumal das Sammeln und das Entgegennehmen von Geschenken nicht endeten. Was nicht besagen soll, daß der Verein große Sprünge machen konnte. Dazu fehlten die Mittel. Einem Zeugnis des späteren Direktors und namhaften Experten Hans Seger zufolge stand eine einmalige Kollektion mit schlesischen Altertümern des Freiherrn Alexander von Minutoli in Liegnitz zum Verkauf. Sie ging an Breslau vorbei und trug maßgeblich zum Aufbau des Berliner Kunstgewerblichen Museums bei. In der schlesischen Hauptstadt wäre ihr Platz gewesen. Einen erheblichen Fortschritt bedeutete es, daß 1862 die Sammlungen aus dem Königlichen Museum in Breslau mit denen des Vereins zusammengeführt wurden und derart eine gemeinsame Konservierung, Anordnung und Aufstellung unter der Obhut des Vereins erfuhren. In den kontinuierlich erscheinenden Katalogen stieg die Zahl der Objekte stetig an; im Jahr 1880 war die Zahl von 10.000 fast erreicht.159 Diesem unaufhörlichen Zuwachs mußte auch publizistisch Rechnung getragen werden. Seit 1859 erschienen unter der Leitung von Hermann Luchs kontinuierlich ›Berichte‹. Aus ihnen ging 1867 die Zeitschrift mit dem schönen und einprägsamen Titel Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift hervor, der dann auch auf dem aus insgesamt 12 ›Berichten‹ sich zusammensetzenden ersten Band aus dem Jahr 1870 stand. 83 solcher ›Berichte‹ kamen in den Jahren 1859 bis 1894 in Gestalt von fünf dickleibigen Bänden heraus, bevor diese Form der Präsentation in den folgenden zwei und nun von Wilhelm Grempler und Hans Seger herausgegebenen Bänden aufgegeben wurde.160 1890 schließlich konnte dann eine neue Folge in Gestalt eines Jahrbuchs des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer unter Karl Masner und Hans Seger ins Leben gerufen werden – das von Ausstattung und repräsentativer Gestaltung her vielleicht schönste Periodikum, das das alte Breslau und mit der Stadt das ganze Land gekannt hat. Doch bis dahin war der Weg noch weit.

Kunstgewerbe und Altertum vereint im alten Ständehaus Eklatant machte sich das Raumproblem weiterhin geltend. Seit Jahrzehnten schon stand – in denkwürdiger Analogie zu der Stadtbibliothek – die Schaffung eines Kunstmuseums in Breslau auf der Tagesordnung.161 Die Provinz beteiligte

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

sich, und tatsächlich kam es 1880 zur Errichtung eines mächtigen Gebäudes, des Schlesischen Provinzialmuseums, das allen Kunstsammlungen in der Stadt eine Bleibe zu bieten versprach, darunter den immer noch im Museum schlesischer Altertümer provisorisch beherbergten. Doch dies ging nicht ohne Probleme vonstatten. Die Gesellschaft wünschte die Hoheit über ihre Objekte zu bewahren. So nahm man einen vom eigentlichen Museumsgebäude abgeschlossenen Flügel in Besitz, der nicht der Verwaltung des Direktors unterstand. Im Mai 1880 wurde das Museum zum dritten Mal eingeweiht. Wer mochte damals ahnen, daß auch diese Maßnahme eine temporäre bleiben sollte? 1883 beging der Verein mit erheblichem Gepränge sein fünfzigjähriges Jubiläum.162 Ein Jahr später war die deutsche Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in den Räumen des Vereins zu Gast. 1887 hatte dieser den Tod seines Gründers Hermann Luchs zu beklagen. Dem Verein war die Personalunion von Forscher und Obmann für das Museum zum Segen ausgeschlagen. Unter seinem Nachfolger Eugen von Czihak vollzog sich der Ausbau der kunstgewerblichen Sammlungen, wie er überall im Reich lebhaft vonstatten ging. Aber auch die vorgeschichtlichen Sammlungen wuchsen rapide an. Als Czihak 1892 nach Königsberg berufen wurde, übernahm Hans Seger seine Position. Das Kustodiat wurde in ein besoldetes Hauptamt umgewandelt. Zu guter letzt erwarb das Museum die Sammlung des Freiherrn Konrad von Falkenhausen auf Wallisfurth und tätigte damit die bedeutendste Erwerbung seit seiner Gründung. Die Räume im Museum für Bildende Künste waren nicht mehr in der Lage, die Herrlichkeiten zu fassen und ausstellungskonform zur Anschauung zu bringen. So kam es einem Schritt der Befreiung gleich, als im Jahr 1890 ein letzter Umzug fällig wurde und ein Haus bezogen werden konnte, das alle Wünsche für eine unbegrenzte Zeit zu befriedigen versprach. Neben dem Verein für Altertumskunde existierte seit langem (1828) ein Breslauer Gewerbe-Verein. Der war mit erfolgreichen Gewerbe- und Industrie-Ausstellungen hervorgetreten, erwirtschaftete Erlöse und bestimmte sie für ein zu schaffendes Museum. Zunächst war ein Neubau geplant. Dann wurde nach Erbauung des neuen Landeshauses das alte Ständehaus frei. Damit eröffnete sich die Perspektive für ein Kunstgewerbemuseum. Und zugleich bot sich die Chance, dem seit 1881 im Museum für Bildende Künste untergebrachten Museum schlesischer Altertümer eine nicht länger provisorische Bleibe zu bieten. Dem nun wiederum kam entgegen, daß der Verein für das Museum schlesischer Altertümer seine Sammlungen nach kunstgewerblichen und technischen Gesichtspunkten weiter entwickelt hatte. Er hatte seine Musterstücke und seine

439

440

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

Bibliothek den Kunstgewerbetreibenden zur Benutzung anheimgestellt und auf diese Weise das Fehlen eines eigenen Museums zu kompensieren gesucht. So lag es in der Logik der Sache, daß sich beide Vereine verständigten und gemeinsam Quartier im ehemaligen Ständehaus am Exzerzierplatz nahmen. Karl Masner und Hans Seger wurden von den beiden Seiten als Direktoren nominiert. Im November 1899 konnte das Haus seiner neuen Bestimmung feierlich übergeben werden.163 Das Ständehaus war in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet worden. Durch Umbauten wurde der Haupteingang zur Graupenstraße hin verlegt. Er führte unmittelbar zu dem mit einem doppelten Glasdach versehenen Lichthof. Im ersten Stock wurde ein vollständiger Rundgang durch die Sammlungsräume geschaffen. Was die Sammlungen selbst anging, so durfte gleich im ersten Jahrbuch der beiden Vereine lakonisch festgestellt werden: »Kein deutsches Kunstgewerbemuseum besitzt so mannigfache, verschiedenartige Sammlungen wie das Breslauer.«164 Dieser erfreuliche Umstand rührte eben her aus der Vereinigung beider Sammlungen. In sechs Hauptabteilungen, beginnend mit den ur- und frühgeschichtlichen Zeugnissen, wurde das reiche museale Gut präsentiert. Fast alle Ausstellungsstücke kamen aus Schlesien. Wirft der Historiker einen – von Wehmut nicht ganz freien – Blick in den Lese- und Zeichensaal des Museums, so läßt sich der Eindruck schwerlich abweisen, daß es ein Vergnügen gewesen sein muß, in der vorzüglich gegliederten Bibliothek sich umzutun. Nicht weniger als 23 Abteilungen waren gebildet worden, sich erstreckend von den Lexika bis hin zu der Buch- und Bibliothekskunde. Hinzugesellte sich eine nunmehr in 24 Gruppen gegliederte Studienblätter-Sammlung von Naturstudien bis hin zu Porträts. Auf eine denkwürdige Weise, so mochte es den Betrachter dünken, lebte der universale Büschingsche Geist auf der Wende zu einem neuen Jahrhundert weiter.

›Alt-Breslau‹ Eine eigene Abteilung in dem ›Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer‹ galt dem alten Breslau. »In drei Räumen des Erdgeschosses unseres Museums ist eine Abteilung ›Alt=Breslau‹ eingerichtet. Im Gegensatze zu anderen stadtgeschichtlichen Sammlungen stellt sich ›Alt=Breslau‹ die Aufgabe, in gedrängten Zügen darzutun, wie die Kunst vom ausgehenden Mittelalter bis zur Gegenwart das Stadtbild und seine Einzelheiten aufgefaßt hat. Es soll also nicht eine Geschichte der baulichen Veränderungen vorgeführt, eine Topographie von Breslau geliefert werden, sondern wir sollen die Geschichte der Darstellung

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

der Stadt durch die Kunst der verschiedenen Zeiten kennen lernen. […] Die Abteilung ›Alt=Breslau‹ erfüllt zunächst einen Selbstzweck. Als ein städtisches Institut hat unser Museum die Ehrenpflicht, der Nachwelt eine Erinnerung an das eigenartige alte Stadtbild aufzubewahren, das dem Ausbau Breslaus zu einer modernen Großstadt seit einem Jahrhundert in steigender Schnelligkeit zum Opfer fällt. Dann aber soll diese Abteilung auch die Grundlage und die Einleitung zum Verständnis für einen großen Teil der übrigen Museumssammlungen bilden. Dort erhält das Gesamtbild erst seine Ausführung in allen Einzelheiten der alten künstlerischen Kultur unserer Stadt. Eine Ergänzung der Abteilung ›Alt=Breslau‹ bildet die in der Bibliothek des Museums verwahrte Sammlung von Bildern der Stadt und ihrer Kunstdenkmäler.«165 Mit den Stadtprospekten und Stadtplänen aus der Frühen Neuzeit hob die Ausstellung an. Hartmann Schedels 1493 in Nürnberg bei Anton Koberger erschienene illustrierte Weltchronik lag aufgeschlagen mit der bekannten Ansicht Breslaus in einem Holzschnitt da. Auch ein gemalter Prospekt der Stadt aus dem 16. Jahrhundert in Gestalt eines Tafelbildes aus der Corpus-Christi-Kirche konnte gezeigt werden. Bartel Weihners monumentaler kolorierter Plan Breslaus aus dem Jahr 1562 bildete einen weiteren glanzvollen Augenfang. Das Original verwahrte die Stadtbibliothek. Christian Friedrich Paritius hatte handkolorierte Nachbildungen fertigen lassen, von denen eine ausgestellt wurde. Eine Reihe weiterer Pläne schlossen sich an. Schließlich erwarteten den Betrachter die ältesten Einzelansichten der Stadt, darunter Georg Schöbels Prachtwerk Germanus Vratislaviae Decor aus dem Jahr 1667 und das berühmte Aquarell mit einer Plenarsitzung des Breslauer Rates. Ein zweiter Raum galt dem 18. Jahrhundert. Hier lagen 32 fein ausgeführte Miniaturen auf Pergament des Breslauer Miniaturenmalers Johann Georg Wangner sowie das Stammbuch des Breslauer Warenmaklers David Jaenisch nebst weiteren Zeugnissen der Gattung aus. Aber auch ein stark nachgedunkeltes Ölgemälde mit Szenen aus dem Schweidnitzer Keller, datiert auf den Anfang des 18. Jahrhunderts, war zu betrachten. Und eine Preziose stellten die bekannten ›Guckkastenbildchen‹ mit Ansichten von Breslau des schlesischen Zeichners Friedrich Bernhard Werner dar. Glaspokale, Porzellanmalerei und Medaillen trugen des weiteren bei zur Formierung eines säkularen Ensembles. Die Zäsur in jeder Hinsicht bezeichnete das 19. Jahrhundert, dem der dritte Raum gewidmet war. »Es ist für Breslau die Zeit der Entwickelung zur modernen Großstadt, eine Periode des unerbittlichen Kampfes gegen das alte traditionelle Stadtbild und die architektonische Physiognomie der einzelnen Straßenzüge. Den Ausgangspunkt der baulichen Neugestaltung bildet die 1807

441

442

|  Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne

auf Anordnung Napoleons vollzogene Niederlegung der Festungswerke und die 1810 angeordnete Einziehung der rings um die alte Stadtgrenze gelegenen kirchlichen Ländereien. Der damit einsetzenden Bautätigkeit auf dem Vorgelände der alten Stadt und der Anlegung von Vorstädten folgt bald auch die Umgestaltung der inneren Stadt. Der Vernichtungszug gegen das alte Stadtbild bringt im 19. Jahrhundert ein neues, ausschlaggebendes Leitmotiv in die bildliche Wiedergabe der architektonischen Erscheinung von Breslau. Während die Künstler des 15.–18. Jahrhunderts das Breslau ihrer Zeit darstellten und keinen Unterschied zwischen Alt= und Neu=Breslau machten, suchen die des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich nur mehr das alte Breslau auf. An die Stelle der für Weltchroniken, Lobgedichte, geographische Prachtwerke und den Guckkasten bestimmten Prospekte und Darstellungen der berühmtesten Handels= und Verkehrsplätze tritt das Bild, das dem Einheimischen eine ihm lieb gewesene Häuserpartie oder einen künstlerisch bemerkenswerten Ausschnitt aus dem dahinscheidenden alten Breslau festhalten soll.«166 So war das jüngste Museum in der Stadt auch zu einem Hort der kommunalen Kulturgeschichte geworden. In den weit ausgreifenden altertumskundlichen Rahmen war ein städtischer Mikrokosmos eingepaßt. Welche Gedanken und Gefühle mochten den Betrachter bewegen, der da nach einer Jahrtausende umspannenden archäologischen Exkursion zurückkehrte in die drei Räume im Erdgeschoß des Museums und einer fremd gewordenen und doch vertrauten Welt erneut ansichtig wurde? Waren Sinne und Verstand geschärft für den unaufhaltsamen Wandel in der Zeit? Welche Hoffnungen mochte der Besucher hegen für die Geschicke der Stadt in der Zukunft? Auf die Umwälzung hin, die das 19. Jahrhundert auch im Bild Breslaus bewirkte, war die Ausstellung konzipiert. Nun geleitete ein Führer am Ende des Ersten Weltkrieges durch das mächtige Haus mit einer liebevoll hergerichteten Stätte der Erinnerung an das alte Breslau. Ob eine Ahnung den Betrachter streifte, daß die Zukunft Umbrüche ganz anderer Art bereithielt als diejenigen, die die kundigen Kustoden dem soeben zu Ende gegangenen Säkulum attestiert hatten? Keine zwanzig Jahre später lag noch einmal ein Führer durch die einzigartigen Sammlungen vor.167 Er galt neuerlich dem ›Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer‹ in der Graupenstraße 14 sowie dem Schloßmuseum an der Karlstraße bzw. dem Schloßplatz. Eingeleitet wurde er mit einem Zitat aus Mein Kampf. Das bot sich als eine Perversion der auf Erinnerung bedachten musealen Arbeit dar. Nun ging es um Größe und Stolz des Vaterlandes, die

Gelehrte Organe und Vereine, Akademien, Museen und Galerien  |

am Beispiel Breslaus demonstriert werden sollten. De facto handelte es sich in erster Linie um ein ›Bilderbuch‹, wie es in der Einleitung hieß. Sogleich nach dem Machtantritt setzte die mediale Bewahrung des alten Deutschland ein. Waren schon in dem mit Gewißheit kommenden neuen Krieg die Städte nebst ihren kulturellen Kleinoden dem Untergang preisgegeben, so sollten doch zumindest Fotografien und Filme das Bild einer Vergangenheit festhalten, von der alsbald kein Weg mehr in die Zukunft führte. Ein Zivilisationsbruch hatte statt, für den es seit Menschengedenken keine Parallele gab.168

443

Epilog

Wir aber halten inne nach einem langen Rundgang, dessen Charakteristikum es bleiben mußte, daß er nicht zu einem Ende gelangen konnte. Und das nicht nur ob der Fülle der kulturellen Manifestationen, sondern angesichts der Verwandlungen einer nicht endenden Geschichte. Auf der Dominsel hoben wir an. Das geistliche, das vorreformatorische Breslau trat zunächst in unser Blickfeld. Wie hätte es anders sein können? Die großen, von humanistischem Geist berührten Bischöfe hatten maßgeblichen Anteil daran, daß sich die Wandlung im kirchlichen und religiösen Leben nach dem Auftreten Luthers moderat vollzog. In der jungen Bewegung jedoch nistete der Spaltpilz, der verhängnisvolle Wirkungen zeitigen sollte. Wie anders aber und gewiß noch ungleich schärfer hätten sich die Fronten ausgenommen, wären in Stadt und Land nicht nur die Grübler und Gottsucher aufgebrochen, deren Bestimmung es blieb, den Zwist von innen her zu überwinden, sondern eben auch die Humanisten, die so zahlreich zur Stelle waren wie in keinem anderen Landstrich des alten deutschen Sprachraums sonst. Ihnen galt unser besonderes Augenmerk, war in der Begegnung mit ihnen doch zugleich nachhaltig Erinnerungsarbeit zu leisten. Wir bekennen uns angetan und angezogen von den institutionellen Bildungen, die das Breslau nicht anders als das Schlesien der Frühen Neuzeit zeitigte. Ob es um Kirchen ging und ganz am Rande auch um Klöster, ob um Schulen oder Sozietäten, um Druckerdynastien und ganz am Rande auch um Verleger, ob um Bibliotheken und Archive, zu guter Letzt auch noch um Vereine, Museen und Galerien – stets blieb es unser Wunsch, dem Atem des Geistes auf die Spur zu kommen, der diesen ganz verschiedenen Schöpfungen ein nur ihnen eigenes Leben verlieh. Immer konnten nur erste Begegnungen mit den fernen und doch verwandlungsreich fortzeugenden Gestaltungen vergegenwärtigt werden, allemal und an jeder Station wäre Halt zu machen und die Spurensuche fortzusetzen gewesen. Uns ging es um die Markierung ursprünglicher Phänomene und in eins damit um das dichte intellektuelle Geflecht, das einer geistigen Metropole wie Breslau ihre Physiognomie verlieh. Ein geistlicher, ein geistiger, ein von den Künsten durchwirkter Raum wollte als ein Ensemble erfahrbar gemacht werden. Und das auch dann noch, wenn von vornherein klar war, daß nur ausgewählte

Epilog  |

Bereiche zur Sprache kommen könnten. Von der Musik, dem Lied und dem Gesang, dem Konzert und der Oper, dem Ballet und dem Theater war so wenig die Rede wie von anderweitigen Formen des geistigen Ausdrucks und Austausches. Das Wort und am Rande das Bild standen im Mittelpunkt in einem Buch, das auf die ihm zuerkannten Maße Obacht zu geben hatte. Die Rede war gruppiert um dasjenige, was bevorzugt geeignet schien, Zeugnis zu geben über die Zeiten hinweg. Diese aber schreiten fort. Und nötigen zu einem letzten Wort. Was da in den Jahrhunderten gewachsen war, denen unsere vornehmste Aufmerksamkeit galt, im 19. Jahrhundert sich verdichtete und zugleich allenthalben expandierte, im Gefolge des Ersten Weltkriegs nochmals eine nachhaltige Metamorphose erfuhr, wurde binnen wenig mehr als einem Jahrzehnt in den Abgrund gerissen und einem Inferno sinnloser Vernichtung preisgegeben. Das ist ein ein anderes Buch füllendes tragisches Kapitel. Uns aber will es nachsinnenswert erscheinen, daß das alte Breslau, von dem wir handelten, als nunmehrige polnische Metropole Wrocław inmitten Niederschlesiens eine Wiederauferstehung erfahren hat, die niemand in den Schreckensmonaten zu Ende des Krieges zu prognostizieren gewagt hätte. Wir haben die Stadt im Jahr 1979 erstmals betreten. Ein ganzes Album mit Fotos zeugt von dem schon damals sichtbaren imponierenden Wiederaufbau. Ein jeder Tag auf der Sandinsel in der wiedererstandenen Universitätsbibliothek war geprägt durch den Blick auf die Oder, die Dominsel, den Oderpark. Und schaute der Bibliotheksreisende dann von der alten Kaiserbrücke auf die Silhouette der Stadt selbst, mit dem Turm der Elisabethkirche in der Ferne, so mochte es für einen Moment scheinen, als sei sie der Zerstörung entgangen. Ein jeder Gang belehrte darüber, daß auch sie wie eine jede deutsche Großstadt eine geschundene war. Aber eben von der Sandinsel hineinspazierend in das Zentrum, die mächtige Universität an der Oder grüßend, vorbeischreitend am ehemaligen Vinzenzstift, das nun die philologischen Seminare beherbergte, in denen wir stets freundlich empfangen wurden, in den Garten des Ossolineums hineinschauend, einen Moment an der Matthiaskirche verweilend und Angelus Silesius’ gedenkend, den Rathausring umschreitend, im Schatten der Elisabethkirche rastend und über den Salzmarkt hinabsteigend zur alten Stadtbibliothek am Roßplatz war staunend zu gewärtigen, wie viel historische Substanz der Anschauung und somit der Erinnerung zurückgewonnen werden konnte. Ein Volk, in der Geschichte malträtiert und zu wiederholten Malen um seine staatliche Existenz gebracht, wußte – ganz anders als der Nachbar im

445

446

|  Epilog

Westen – um den Sinn und die Würde eines jeden historischen Zeugen für die Wahrung nationaler Identität. Auch das alte und nunmehr neue Breslau/ Wrocław bekundete an ungezählten Stellen diese schlichte Wahrheit. Und die prägte sich um so nachhaltiger dem Besucher ein, als in hartem Kontrast billige Mietsquartiere in der Nachkriegszeit hatten hochgezogen werden müssen, die den memorialen Raum gefährdeten, nein mehr noch, ihm Gewalt antaten und Trauer evozierten, die die Sehnsucht nach einem Vergangenen beflügelten, der es tapfer zu widerstreiten galt. Unser Mikrokosmos in der Stadt blieb das wiedererstandene Augustinerstift auf der Sandinsel, das nun als Heimstätte der Handschriften und alten Drucke fungierte. In ihr wiederholte sich die in der Stadt gemachte Erfahrung eines jeden Tages. Wir haben es gesagt und bekräftigen es ein letztes Mal: Nicht überzeugender hätte das Quartier der alten Bücher restauriert und zugleich neu geschaffen werden können als dies auf der Sandinsel geschah. Wo immer alte aus der Vorkriegszeit herrührende Strukturen erkennbar geblieben waren, wurden sie nicht angetastet, sondern behutsam einem neuen Ganzen eingepaßt. Es blieb ein Wunder, daß wir, einmal vertraut mit dem alten Bandkatalog der Stadtbibliothek, die seinerzeitigen Signaturen benutzen konnten und das Gewünschte, sofern noch vorhanden, erhielten. Ein einstmals funktionstüchtiges bibliothekarisches System wies herbe Versehrungen auf. Aber es war bewahrt und auf einfallsreiche Weise mit den aus anderen bibliothekarischen Quartieren herrührenden Bestandseinheiten zu einem imponierenden Neuen zusammengeschweißt worden. Der fotomechanische Katalog der Titelblätter – auch er nach Provenienzen gegliedert – blieb ein Instrument, das mehr war als ein bequemes Hilfsmittel bei der Suche. In ihm blätternd entstand eine eigene vom Buch geprägte Welt, die einen jeden sensiblen Bibliophilen in ihren Bann zog. Der Blick auf die Dominsel und der Blick in die Kataloge, tagtäglich im zweiten Stock der Altdrucke vollzogen, er blieb einer der ständigen Verweisung. Einer nie dagewesenen Katastrophe war mit einem Vorsatz zur Rettung begegnet worden, der allen Verantwortlichen auf immer zu Ehren gereichen wird. Indem wir diese Zeilen beschließen, steht uns ihr Bild vor Augen. Den aus dem Geiste ehrfürchtigen Gedenkens ans Werk gegangenen Rekonstrukteuren eines geschundenen Alten im Namen eines segensreichen Neuen wissen wir uns verpflichtet und verbunden. Mögen auch diese Blätter davon Zeugnis geben. Und das in dem Sinn, den wir der schöpferischen Restauration allemal vorbehalten wissen möchten. Politische Frevel, wie sie seit 1933 von Deutschland ausgingen, sind so wenig rückgängig zu machen und zu kompensieren wie die

Epilog  |

Konsequenzen einer verspielten Geschichte zu revidieren. Der Schrift und ihr allein ist es vorbehalten, in Aneignung, Deutung und Fortschreibung geschichtliches Geschehen zu transzendieren. Nur sie ist vermögend, Vergangenes in Gegenwart zu verwandeln. In diesem Akt der Verwandlung schießen Vergangenheit und Zukunft als je gegenwärtige zusammen. Undenkbar, daß nicht Trauer sich an das bezeugende Wort heften würde. Erinnerndem Vergegenwärtigen aber ist es eigen, die dunklen Farben mit jenen lichtdurchwirkten der Hoffnung zu vermählen. Hielten wir inne an der Schwelle zur Moderne, so auch um des geziemenden Abstandes wegen, dessen der atemschöpfende Geist bedarf, wenn anders er seine Freiheit bewahren will. Dem alten Breslau ist an vielen Stätten im neuen Polen sein Gesicht zurückgegeben worden. Wir wollen auf unsere Weise fortfahren, dem Vergangenen die Treue zu bewahren, und also auch jener geistigen Erbschaft von Stadt und Land, von Breslau und Schlesien eingedenk bleiben, die das Antlitz Europas in jeder erdenklichen Zukunft prägen wird.

447

Abbildungen

1 Johann Andreas Mauersberger: Breßlau, 1679 (Titelkupfer).

450

|  Abbildungen

2 Stadtplan von Bartel Weihner, 1562.

3 Stadtansicht von Georg Hayer, 1591.

Abbildungen  |

451

4 Prospekt von Matthäus Merian d.Ä., 1650.

452 |  Abbildungen

5 Stadtansicht von Friedrich Bernhard Werner, 1742/1750.

Abbildungen  |

453

454

|  Abbildungen

6 Dominsel mit Kreuzkirche.

7 Sandinsel mit Blick auf die Kirchen der Innenstadt.

Abbildungen  | 8 Grabmal von Bischof Johannes IV. Roth (1426–1506).

9 Grabmal von Bischof Johannes V. Thurzo (1466–1520).

455

456

|  Abbildungen 10 Sandstift und Turm der Sandkirche von Südwesten.

11 Bibliothek des Augustinerstifts auf dem Sande.

Abbildungen  |

12 Das Vinzenzstift von Ostnordost.

457

458

|  Abbildungen 13 Johann Heß (1490–1547).

14 Ambrosius Moibanus (1494–1554).

Abbildungen  |

15 Thomas Rhediger (1540–1576).

459

460

|  Abbildungen

16 Die Bibliothek von St. Maria Magdalena.

17 Die Kirche zu St. Bernhardin von Südwesten.

Abbildungen  |

18 Donationsbuch der Bernhardiner-Bibliothek, 1621.

461

462

|  Abbildungen

19 Das Elisabeth-Gymnasium, Radierung von Johann Matthias Steudlin.

20 Das Magdalenen-Gymnasium, Radierung von Johann Matthias Steudlin.

Abbildungen  |

21 Das Universitätshauptgebäude, Oderfront.

22 Das barocke Portal der Universität, Ansicht von Süden.

463

464

|  Abbildungen

23 Die alte Stadtbibliothek am Roßmarkt.

Abbildungen  | 24 und 25 Jakob Monau: Ipse Faciet sowie Dulc-Amarum, 1595 (Titelblätter).

465

466

|  Abbildungen 26 und 27 Nicolaus Henel von Hennenfeld: Silesiographia Renovata, 1704 (Frontispiz und Titelblatt).

Abbildungen  | 28 und 29 Martin Opitz: Aristarchus, 1617 sowie Buch von der Deutschen Poeterey, 1624 (Titelblätter).

467

468

|  Abbildungen

30 Johannes Scheffler, genannt Angelus Silesius (Gedenktafel an St. Matthias).

Abbildungen  | 31 Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679).

32 Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683).

469

470

|  Abbildungen 33 Martin Hanke (1633–1709).

34 Gottlob Krantz (1660–1733).

Abbildungen  | 35 Johann Caspar Arletius: Historischer Entwurf, 1762 (Titelblatt).

36 Johann Gustav Gottlieb Büsching (1783–1829).

471

472

|  Abbildungen

37 Der Breslauer Ring auf einer Radierung von Carl Remshart, 1736.

38 Der Breslauer Ring auf einem Foto von Hermann Krone, um 1870.

Anmerkungen

1. ›Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt‹ 1

2

3

4

5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt/ Das Haupt Schlesiens/ Besungen Von Einem dero Treuen Söhne. Brieg/ Jn Verlegung David Tschernings/ Kupffer=Stechers/ Druckts Johann Christoph Jacob. Jm Jahr 1679. (Exemplar aus der vormaligen Rhedigerschen Stadtbibliothek Breslau, eingegangen in die Biblioteka Uniwersytecka (BU) Wrocław, SchlesischLausitzisches Kabinett). Hier das Zitat Bl. π3r. Zu Mauersberger vgl. den Eintrag in dem maßgeblichen großen zeitgenössischen Nachschlagewerk von Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Zweiter Theil, Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantischen Kirchen= und Prediger=Geschichte der Stadt und des Fürstenthums Brieg in sich fasset.- Liegniz [!]: Pappäsche 1782, S. 416 f. Weitere Literatur in dem entsprechenden Artikel von Marian Szyrocki in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2., vollständig überarbeitete Auflage. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Bd. VIII.– Berlin: de Gruyter 2010, S. 47. Das Werk besitzt zwei Widmungen, eine des Verlegers David Tscherning, die an die »Herrn Praesidii und Gesammten Rath der Kaiser= und Königlichen Haupt=Stadt Breßlau« gerichtet ist, und eine weitere des Autors, der sein Gedicht eben »Der Weit=Berühmten Stadt Breßlau/ Der Krone und Haupt=Stadt Schlesiens/ Meiner Hoch=werthen und Hertz=geliebten Mutter« zueignet. Eine Interpretation des Gedichts verdankt man Ewa Pietrzak: »Ich singe diese Stadt/ zu mehren Jhren Ruhm«. Stadt und städtische Literatur in Johann Andreas Mauersbergers Lobgedicht auf Breslau (1679).– In: Stadt und Literatur im deutschen Sprachraum der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Garber unter Mitwirkung von Stefan Anders, Thomas Elsmann.– Tübingen: Niemeyer 1998 (Frühe Neuzeit; 39), S. 899–922. Hier S. 918–922 auch ein Auszug aus dem Gedicht (Bl. E3v–F1v). Bl. A2r f. Bl. A4v. Bl. B1r. Bl. B1v. Bl. B4v. Bl. C3v. Bl. D1v. Bl. E3r. Bl. F2v. Bl. F4r. Bl. G2r.

474

|  Anmerkungen

2. Historische Vergegenwärtigung 1

2

3 4

Verwiesen sei an dieser Stelle zur Geschichte Schlesiens nur auf die drei Darstellungen jüngeren Datums. Das maßgebliche Werk, getragen von der Historischen Kommission für Schlesien, geht noch auf die Vorkriegszeit zurück und wurde in der Bundesrepublik dankenswerterweise fortgeführt und zum Abschluß gebracht: Geschichte Schlesiens. Band I: Von der Urzeit bis zum Jahre 1526. Hrsg. von Ludwig Petry, Josef Joachim Menzel, Winfried Irgang. 5., durchges. Aufl.– Sigmaringen: Thorbecke 1988; Band II: Die Habsburgerzeit 1526–1740. Hrsg. von Ludwig Petry, Josef Joachim Menzel. 2., durchges. Aufl.– Sigmaringen: Thorbecke 1988; Band III: Preußisch-Schlesien 1740–1945. Österreichisch-Schlesien 1740– 1918/45. Hrsg. von Josef Joachim Menzel.– Stuttgart: Thorbecke 1999. In der zehnbändigen Reihe Deutsche Geschichte im Osten Europas wurde der Schlesien betreffende Band betreut von Norbert Conrads.– Berlin: Siedler 1994. Ein weiterer von Joachim Bahlcke initiierter und verantworteter Band trägt den Titel: Schlesien und die Schlesier.– München: Langen Müller 2000. Lesenswert in vielerlei Passagen und aufgrund der gediegenen quellenkundlichen Fundierung bleibt auch die ältere Arbeit von dem langjährigen Direktor des Breslauer Staatsarchivs Colmar Grünhagen: Geschichte Schlesiens. Band I–II.– Gotha: Perthes 1884– 1886. Zur Forschungsgeschichte heranzuziehen: Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft. Hrsg. von Joachim Bahlcke.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte; 11). Und schon an dieser Stelle sei verwiesen auf das von uns immer wieder herangezogene bewegende Werk des langjährigen schlesischen Landeskonservators Günther Grundmann, der nach dem Verlust der Heimat eine rege Publikationstätigkeit in der Bundesrepublik entfaltete: Stätten der Erinnerung. Denkmäler erzählen schlesische Geschichte. 2., verm. und verb. Aufl.– München: Korn 1975. Hier heißt es im Vorwort zur zweiten Auflage, dieselbe sei weiter entwickelt worden »zugunsten eines breit gefächerten Erinnerungsbildes an die schlesische Landschaft mit ihren Denkmälern, die über alle Tode und Verluste hinaus noch heute zeigen und bewahren, was einstmals wirkende und gestaltende Kraft ausstrahlte. Solche Kraft aber ist lebendige Geschichte, ihr gilt dieses Buch in seinem neuen Gewande.« Verwandtes wünschten wir auch dem vorliegenden Buch mit auf den Weg geben zu dürfen. Zu Matthias Corvinus als eines Renaissance-Fürsten vgl. das gehaltreiche und ansprechende Werk: Matthias Corvinus und die Renaissance in Ungarn 1458–1541. Katalog der Ausstellung auf der Schallaburg 1982.– Wien (Druck: Baden, Bad Vöslau: Grasl) 1982 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums. N.F.; 118), sowie: Matthias Corvinus and the Humanism in Central Europe. Ed. by Tibor Klaniczay, József Jankovics.– Budapest: Balassi Kladó 1994 (›Studia Humanitatis‹. Publications of the Center for Renaissance Research; 10). Zu seiner Bibliothek: Bibliotheca Corviniana. 1490–1990. International Corvina Exhibition on the 500th Anniversary of the Death of King Matthias.– Budapest: National Széchényi Library 1990. Vgl. neben der oben Anm. 1 angegebenen Literatur Matthias Weber: Das Verhältnis Schlesiens zum Alten Reich in der frühen Neuzeit.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1992 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte; 1). Zum folgenden vgl. neben der in Anm. 1 genannten Literatur vor allem auch die nicht überholte Studie von Felix Rachfahl: Die Organisation der Gesamtstaatsverwaltung Schlesiens

2. Historische Vergegenwärtigung  |

5

6

vor dem dreißigjährigen Kriege.– Leipzig: Duncker & Humblot 1894 (Staats- und sozialwissenschaftliche Forschungen; 13/1). Des weiteren sollten aus der älteren Literatur auch herangezogen werden die beiden Studien von Julius Krebs: Zur Geschichte der inneren Verhältnisse Schlesiens von der Schlacht am weißen Berge bis zum Einmarsche Waldsteins.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 16 (1882), S. 33–62, sowie von Hans Hübner: Die Verfassung und Verwaltung des Gesamtstaats Schlesien in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 59 (1925), S. 74–89, basierend auf ders.: Die Gesamtstaatsverfassung Schlesiens in der Zeit des 30.jährigen Krieges.– Diss. phil. Frankfurt/Main 1922 (Masch.). Aus der neueren Literatur sei verwiesen auf Joachim Bahlcke: Das Herzogtum Schlesien im politischen System der Böhmischen Krone.– In: Zeitschrift für Ostforschung 44 (1995), S. 27–55. Dazu übergreifend die große Untersuchung von Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619).– München: Oldenbourg 1994 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte; 3). Hierin ›Schlesien: Territoriale Vielfalt und reichsfürstliches Verständnis‹, S. 39–47. Dies ein für alle Mal klargestellt zu haben, ist das Verdienst des lange Zeit bis zur Vertreibung als Privatgelehrter in Schlesien wirkenden Volkskundlers Will-Erich Peuckert, der auf der Basis einer phantastischen Bibliothek quellenkundlich reich fundierte und überaus anregende Arbeiten verfaßte. Hier sei gleich eingangs verwiesen auf: Die Rosenkreutzer. Zur Geschichte einer Reformation.– Jena: Diederichs 1928. Darin insbesondere das vierte Kapitel: Abraham von Frankenberg (S. 243–384). Ihm liegt die unveröffentlicht gebliebene gleichnamige Dissertation Peuckerts zugrunde. Eine zweite neugefaßte Auflage des Werkes – jetzt als dritter Band der Trilogie ›Pansophie‹ zugeordnet – erschien 1973 bei Erich Schmidt in Berlin. Hier findet sich auch ein schönes Porträt Peuckerts durch den Herausgeber des Werkes Rolf Christian Zimmermann. Des weiteren einschlägig für Schlesien insbesondere die Schlußkapitel in Peuckerts zweitem Hauptwerk: Pansophie. Ein Versuch zur Geschichte der weißen und schwarzen Magie.– Stuttgart: Kohlhammer 1936. 2. Aufl. Berlin: Schmidt 1956. Beide Werke sind mit einem kaum erschöpflichen AnmerkungsApparat ausgestattet. Vgl. schließlich auch Peuckerts tiefgründiges Böhme-Buch: Das Leben Jakob Böhmes.– Jena: Diederichs 1924. Wichtig geblieben auch das ältere Werk von Gustav Koffmane: Die religiösen Bewegungen in der evangelischen Kirche Schlesiens während des siebzehnten Jahrhunderts.– Breslau: Selbstverlag 1880. Vgl. als jüngsten Beitrag Kristine Hannak: Geist=Reiche Critik. Hermetik, Mystik und das Werden der Aufklärung in spiritualistischer Literatur der Frühen Neuzeit.– Berlin, Boston: de Gruyter 2013 (Frühe Neuzeit; 182). Zur Reformation in Schlesien vgl., um eine erste Anschauung zu gewinnen, das instruktive Quellenbuch zur Geschichte der Evangelischen Kirche in Schlesien. Hrsg. von Gustav Adolf Benrath, Ulrich Hutter-Wolandt, Dietrich Meyer, Ludwig Petry, Horst Weigelt.– München: Oldenbourg 1992 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte; 1). Dazu die entsprechende Darstellung: Ulrich Hutter-Wolandt: Die evangelische Kirche Schlesiens im Wandel der Zeiten. Studien und Quellen zur Geschichte einer Territorialkirche.– Dortmund: Forschungsstelle Ostmitteleuropa 1991 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund. Reihe B; 43). Hinzuzunehmen gerade für die Anfänge die buchförmige Abhandlung von katholischer Seite von Kurt

475

476

|  Anmerkungen

7

8

Engelbert: Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien. Teil I–V. T.I: Stand der Forschung. T.II: Die Disputation des Dr. Johannes Heß. T.III: Die widerrechtliche Inbesitznahme weiterer Kirchen in Breslau. T.IV: Die Einstellung der schlesischen Fürsten. T.V [Schluß: Die Entwicklung in den Erbfürstentümern].– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 18 (1960), S. 121–207; 19 (1961), S. 165–232; 20 (1962), S. 291–372; 21 (1963), S. 133–214; 22 (1964), S. 177–250. Selbständig unter dem gleichnamigen Titel: Hildesheim: Lax 1965. Sehr ergiebig sind auch die Aufzeichnungen des Stanislaus Sauer, auf die im vierten Kapitel wiederholt Bezug genommen wird. Vgl. dazu: Hermann Hoffmann: Die Chronica des Breslauer Domherrn Stanislaus Sauer († 1535).– In: Studien zur historischen Theologie. Festschrift Franz Xaver Seppelt.– München: Zink 1953 (Münchener theologische Zeitschrift; 4), S. 102–118. Zum Verständnis der Situation der Evangelischen im Land die gleichfalls buchförmige Abhandlung von Georg Jaeckel: Die staatsrechtlichen Grundlagen des Kampfes der evangelischen Schlesier um ihre Religionsfreiheit. Teil I–VIII.– In: Jahrbuch für Schlesische Kirche und Kirchengeschichte N.F. 37 (1958), S. 102–136; 38 (1959), S. 74–109; 39 (1960), S. 51–90; 40 (1961), S. 7–30; 41 (1962), S. 46–74; 42 (1963), S. 25–49; 43 (1964), S. 67–88; 45 (1966), S. 71–110; 47 (1968), S. 7–40; 49 (1970), S. 64–117. Zu dieser bewegten Zeit um 1600, die insgesamt immer noch zu wenig erforscht ist, vgl. R.J.W. Evans: Rudolf II and his World. A Study in Intellectual History 1576–1612.– Oxford: Clarendon Press 1973. Corrected Paperback Edition 1997. Deutsche Version unter dem (den Gehalt des Werkes nicht treffenden) Titel: Rudolf II. Ohnmacht und Einsamkeit.– Graz, Wien, Köln: Styria 1980. Für Liebhaber großer und prinzipiell wertbeständiger Monographien sei verwiesen auf: Moriz Ritter: Geschichte der Deutschen Union von den Vorbereitungen des Bundes bis zum Tode Kaiser Rudolfs II. (1598–1612). Band I–II.– Schaffhausen: Baader [1865]–1873; ders.: Politik und Geschichte der Union zur Zeit des Ausgangs Rudolfs II. und der Anfänge des Kaisers Matthias.– In: Abhandlungen der Hist. Klasse der Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften XV/2 (1880), S. 83–170. Ein Sammelband wie: Union und Liga 1608/09. Konfessionelle Bündnisse im Reich – Weichenstellung zum Religionskrieg? Hrsg. von Albrecht Ernst, Anton Schindling.– Stuttgart: Kohlhammer 2010 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in BadenWürttemberg. Reihe B: Forschungen; 178) – wäre auch für die Territorien des alten deutschen Sprachraums im Osten höchst erwünscht.– Zur Historiographie: Radek Fukala: Die Zeit vor der Schlacht am Weißen Berg und dem 30jährigen Krieg in der schlesischen Geschichtsschreibung.– In: Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift Norbert Conrads. Hrsg. von Matthias Weber, Carsten Rabe.– Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens; 4), S. 233–249. Dazu nach wie vor einschlägig die gleichfalls große Monographie von Anton Gindely: Geschichte der Ertheilung des böhmischen Majestätsbriefes von 1609.– Prag: Tempsky 1858. Im Blick auf Schlesien und speziell auf Breslau: Paul Konrad: Der schlesische ›Majestätsbrief‹ Kaiser Rudolfs II. vom Jahre 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und die evangelischen Kirchengemeinden Breslaus.– Breslau: Kauffmann 1909. Aus der neueren Literatur: Zdeněk V. David: A Cohabitation of Convenience. The Utraquists and the Lutherans under the Letter of Majesty. 1609–1620.– In: The Bohemian Reformation and Religious Practice. Ed. by Zdeněk V. David, David R. Holeton. Vol. III.– Prague: Main Library, Academy of Sciences of the Czech Republic: 2000, S. 173–214.

2. Historische Vergegenwärtigung  |

9 Vgl. den gehaltreichen Sammelband: Späthumanismus – reformierte Konfessionalisierung – politische Formierung. Kulturelle, religiöse und politische Beziehungen zwischen Schlesien und dem deutschen Südwesten um 1600. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Albrecht Ernst.– Heidelberg: Verlag Regionalkultur 2012 (Pforzheimer Gespräche zur Sozial-, Wirtschafts- und Stadtgeschichte; 5). In diesem Band einleitend ein Forschungsbericht des Verfassers mit zahlreicher weiterer Literatur. Der Titel: Schlesisch-pfälzischer Brückenschlag um 1600 im Zeichen von Späthumanismus und Konfessionalismus (S. 13–39). Dazu die wichtige Arbeit von Ludwig Petry: Mittelrhein und Schlesien als Brückenlandschaften der deutschen Geschichte.– In: Geschichtliche Landeskunde und Universalgeschichte. Festgabe für Hermann Aubin zum 23. Dezember 1950.– [s.l.] 1950, S. 205–216. In theologischer Perspektive: Werner Bellardi: Schlesien und die Kurpfalz. Der Beitrag vertriebener schlesischer Theologen zur ›reformierten‹ Theologie und Bekenntnisbildung (1561–1576).– In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 51 (1972), S. 48–66. 10 Vgl. Karl Bruchmann: Die Huldigungsfahrt König Friedrichs I. von Böhmen (des ›Winterkönigs‹) nach Mähren und Schlesien.– Breslau: Hirt 1909 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 9); ders.: Die auf den ersten Aufenthalt des Winterkönigs in Breslau bezüglichen Flugschriften der Breslauer Stadtbibliothek. Ein Beitrag zur Quellenkunde des dreißigjährigen Krieges.– Progr. Königl. König-Wilhelms-Gymnasium Breslau 1904/1905; ders.: Archivalia inedita zur Geschichte des Winterkönigs.– Progr. Königl. König-Wilhelms-Gymnasium Breslau 1908/09. Zum Kontext: Erich Fink: Geschichte der landesherrlichen Besuche in Breslau.– Breslau: Morgenstern 1897 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 3). 11 Zitiert nach Norbert Conrads: Schlesiens frühe Neuzeit (1469–1740).– In: Deutsche Geschichte im Osten Europas (Anm. 1), S. 177–344, S. 276. Das Zitat herrührend aus der immer noch sehr lesenswerten, weil reich mit Quellen ausgestatteten Monographie von Johann Adam Hensel: Protestantische Kirchen=Geschichte der Gemeinen in Schlesien Nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes.– Leipzig, Liegnitz: Siegert 1768, S. 299 f. Nämliches gilt für die quellenkundlich gleichfalls reiche Arbeit von J.G. Worbs: Die Rechte der evangelischen Gemeinden in Schlesien an den ihnen im 17. Jahrhunderte gewaltthätig genommenen Kirchen und Kirchengütern geschichtlich dargestellt.– Sorau: Julien 1825. Vgl. auch die detaillierte Dokumentation im elften Jahrgang des ›Schlesischen Pastoralblatts‹ des Jahres 1890 von Soffner: Die Kircheneinziehung im Fürstentum Breslau in den Jahren 1653/54 (Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław II 26100 (1890)).– Zur Gegenreformation in Schlesien vgl. Heinrich Ziegler: Die Gegenreformation in Schlesien.– Halle: Niemeyer 1888 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte; 24); Georg Loesche: Zur Gegenreformation in Schlesien. Troppau, Jägerndorf, Leobschütz. Neue archivalische Aufschlüsse. Band I: TroppauJägerndorf. Band II: Leobschütz.– Leipzig 1915–1916 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte. Jahrgang 32/1–2 und 33/1; Nr. 117–118 und 123); Dorothee von Velsen: Die Gegenreformation in den Fürstentümern Liegnitz – Brieg – Wohlau. Ihre Vorgeschichte und ihre staatsrechtlichen Grundlagen.– Leipzig: Heinsius 1931 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte; 15); Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526–1707.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2003 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte; 8).– Zur Gestalt Karl Hannibal von Dohnas vgl. den Eintrag bei Johann Sinapius: Schlesische Curiositäten.

477

478

|  Anmerkungen

12

13

14

15

16

Teil I–II.– Leipzig: Fleischer 1720; Breslau: Rohrlach 1728, Teil I, S. 26 f., Teil II, S. 65 f. Zum Kontext die große Untersuchung von Joachim Köhler: Das Ringen um die Tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zum Sieg der Habsburger in der Schlacht am Weissen Berg 1564–1620.– Köln, Wien: Böhlau 1973 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands; 12). Vgl. das Kapitel ›Durch Friedenskirchen zum Kirchenfrieden‹ bei Conrads: Schlesiens frühe Neuzeit (Anm. 11), S. 290–302, mit weiterer Literatur. Dazu das schöne Werk des schlesischen Landeskonservators Günter Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien.– Frankfurt/Main: Weidlich 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens. Reihe C: Schlesien; 4). Vgl. die einschlägige Monographie von Norbert Conrads: Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707–1709.– Köln, Wien: Böhlau 1971 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands; 8). Hierin im vorliegenden Kontext hervorzuheben die Kapitel: Das reformierte Bekenntnis in Schlesien und die Altranstädter Konvention, S. 151–164, sowie: Die Verhandlungen um die schlesischen Gnadenkirchen, S. 198–225. Vgl. auch den Exkurs 1: Die Anfänge der Gnadenkirchen, S. 252–270. Vgl. den gehaltreichen neuen Sammelband: Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Ulrich Schmilewski, Thomas Wünsch.– Würzburg: Korn 2010. Vgl. auch Hans Jürgen von Witzendorff-Rehdiger: Die Schaffgotsch, eine genealogische Studie.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau 4 (1959), S. 104–123. Zu dem hier zur Rede stehenden Johann Anton Graf von Schaffgotsch vgl. den Eintrag von Norbert Conrads in: Schlesische Lebensbilder 8 (2004), S. 121–128, mit weiterer Literatur. Ein Sohn Johann Antons, Philipp Gotthard Reichsgraf von Schaffgotsch, wurde in der preußischen Ära Fürstbischof von Breslau, wechselte jedoch im Siebenjährigen Krieg die politischen Fronten und verließ den preußischen Teil seines Bistums. Vgl. hierzu Conrads (S. 127), sowie den Eintrag von Rainer Bendel in: Schlesische Lebensbilder 7 (2001), S. 96–104, wiederum mit weiterer Literatur. Vor allem hervorzuheben: Joachim Köhler: Zwischen den Fronten. Anmerkungen zur Biographie der Breslauer Fürstbischöfe Sinzendorf (1732–1742) und Schaffgotsch (1747–1795).– In: Kontinuität und Wandel (Anm. 16), S. 273–285. Vgl. auch Karl Möhrs: Friedrich der Große und Kardinal Sinzendorf, Fürstbischof zu Breslau. 1740–1747.– Progr. Realgymnasium Königsberg 1885. Zum Kontext: Rainer Bendel: Der Seelsorger im Dienst der Volkserziehung. Seelsorge im Bistum Breslau im Zeichen der Aufklärung.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1996 (Forschungen und Quellen zur Kirchenund Kulturgeschichte Ostdeutschlands; 27). Zu dieser letzten Phase der österreichischen Herrschaft nach 1648 vgl. das dichte und gehaltreiche Kapitel ›Zwischen Barock und Aufklärung (1618–1740)‹ von Conrads, in: Schlesiens frühe Neuzeit (Anm. 11), S. 258–344. Hier auch ein erster Überblick zur Literatur. Dazu auch unten Kapitel 9. Vgl. die beiden wichtigen Sammelbände mit zahlreichen einschlägigen Beiträgen: Expansion und Integration. Zur Eingliederung neugewonnener Gebiete in den preußischen Staat. Hrsg. von Peter Baumgart.– Köln, Wien: Böhlau 1984 (Neue Forschungen zur BrandenburgPreußischen Geschichte; 5); Kontinuität und Wandel. Schlesien zwischen Österreich und Preußen. Hrsg. von Peter Baumgart unter Mitwirkung von Ulrich Schmilewski.– Sigmaringen: Thorbecke 1990 (Schlesische Forschungen; 4). Vgl. des weiteren Norbert Conrads:

2. Historische Vergegenwärtigung  |

Die schlesische Ständeverfassung im Umbruch. Vom altständischen Herzogtum zur preußischen Provinz.– In: Ständetum und Staatsbildung in Brandenburg-Preußen. Hrsg. von Peter Baumgart. Mit einem Geleitwort von Otto Büsch.– Berlin, New York: de Gruyter 1983 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin; 55), S. 335–364. Dazu das Kapitel von Peter Baumgart, ausgestattet mit reicher Literatur, dem wir hier vor allem folgen: Schlesien als eigenständige Provinz im altpreußischen Staat (1740–1806).– In: Deutsche Geschichte im Osten Europas (Anm. 1), S. 345–464. 17 Vgl. Johannes Ziekursch: Beiträge zur Charakteristik des preußischen Verwaltungsbeamten in Schlesien bis zum Untergang des Friderizianischen Staates.– Breslau: Wohlfarth 1907 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 4). Reprint: Aalen: Scientia 1981; Hedwig Nave: Die preußische Behördenorganisation in Schlesien bis zum Jahre 1756.– Diss. phil. Breslau 1923 (Auszug). Zum Kontext: Colmar Grünhagen: Schlesien unter Friedrich dem Großen. Band I: 1740–1756. Band II: 1756–1786.– Breslau: Koebner 1890–1892. Reprint: Hildesheim: Olms 2006. 18 Vgl. zum Vorgetragenen Georg Jaeckel: Zur fridericianischen Kirchenpolitik in Schlesien.– In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte N.F. 54 (1975), S. 105–155, sowie Gerd Heinrich: Religionstoleranz in Brandenburg-Preußen. Idee und Wirklichkeit.– In: Preußen. Versuch einer Bilanz. Eine Ausstellung der Berliner Festspiele GmbH, 15. August – 15. November 1981, Gropius-Bau, Berlin. Katalog in 5 Bänden. Bd. 2: Preußen. Beiträge zu einer politischen Kultur. Hrsg. von Manfred Schlenke.– Reinbek: Rowohlt 1981, S. 61–88. Zur Lage der Protestanten: Ulrich Hutter-Wolandt: Die schlesische Kirche im Zeitalter Friedrichs des Großen. Mit einem Quellenanhang.– In: ders.: Die evangelische Kirche Schlesiens (Anm. 6), S. 73–85. Im Blick auf Katholiken und Jesuiten: Leopold Witte: Friedrich der Große und die Jesuiten.– Bremen: Müller 1892; Eduard Lochmann: Friedrich der Grosse, die schlesischen Katholiken und die Jesuiten seit 1756. Ein Beitrag zur Geschichte der preussischen Kirchenpolitik.– Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1903; Hermann Hoffmann: Friedrich II. von Preussen und die Aufhebung der Gesellschaft Jesu.– Rom: Institutum Historicum Societatis Jesu 1969 (Bibliotheca Instituti Historici. Ser. I; 30). Instruktiv auch die Quellensammlung von Max Lehmann: Preußen und die katholische Kirche seit 1640. Nach den Acten des Geheimen Staatsarchivs. Theil I–III.– Leipzig: Hirzel 1878–1882 (Publicationen aus den K. Preussischen Staatsarchiven; 1. 10. 13). Reprint: Osnabrück: Zeller 1965–1967. Zur Situation der Juden vgl. Peter Baumgart: Die jüdische Minorität im friderizianischen Preußen.– In: Vorträge und Studien zur preußisch-deutschen Geschichte. Hrsg. von Oswald Hauser.– Köln, Wien: Böhlau 1983 (Neue Forschungen zur Brandenburg-Preussischen Geschichte; 2), S. 1–20; Manfred Agethen: Die Situation der jüdischen Minderheit in Schlesien unter österreichischer und unter preußischer Herrschaft.– In: Kontinuität und Wandel (Anm. 16), S. 307–331. Zur Brüdergemeinde und Zinzendorf vgl. Friedrich Schwencker: Friedrich der Große und die schlesische Brüdergemeinde; Bernhard Hans Zimmermann: Das Geschlecht derer von Zinzendorff als Förderer reformatorischer Bestrebungen.– Herrnhut: Winter 1937 (Hefte zur Brüdergeschichte; 1). Zu Philipp Ludwig Graf von Sinzendorff vgl. den Eintrag von Grünhagen in der ADB XXXIV (1892), S. 412–416, und von Bendel in der NDB XX (2001), S. 374 f., sowie die oben Anm. 14 zitierten Studien von Köhler und Möhrs. Die beiden vorgelegten Zitate bei Baumgart: Schlesien als eigenständige Provinz (Anm. 16), S. 374 und S. 368.

479

480

|  Anmerkungen

19 Auch für die schlesischen Kriege ist neben der in Anm. 1 zitierten Literatur zurückzugreifen auf die gewohnt materialreiche Darstellung von Colmar Grünhagen: Geschichte des Ersten Schlesischen Krieges nach archivalischen Quellen. Band I: Bis zum Abkommen von Klein-Schnellendorf. Band II: Bis zum Friedensschlusse von Breslau.– Gotha: Perthes 1881, sowie auf Johannes Ziekursch: Sachsen und Preußen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte des oesterreichischen Erbfolgekrieges.– Breslau: Marcus 1904. Vgl. auch das folgende, Breslau gewidmete Kapitel. 20 Zu Karl Georg Heinrich Graf von Hoym vgl. den gleichnamigen Eintrag von dem Breslauer Staatsarchivrat und Verfasser der grundlegenden Bibliographie der Schlesischen Geschichte (Breslau 1927) Viktor Loewe in: Schlesier des 18. und 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Friedrich Andreae, Max Hippe, Paul Knötel, Otfried Schwarzer.– Breslau: Korn 1926 (Schlesische Lebensbilder; 2); Reprint: Sigmaringen: Thorbecke 1985, S. 14–22. Hier auch der Verweis auf die Fragment gebliebene Biographie Hoyms von Colmar Grünhagen, abgedruckt in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 46 (1912), S. 66–89. Vgl. auch NDB IX (1972), S. 671 f. Im zweiten Band der Schlesischen Lebensbilder auch ein Porträt von Ernst Wilhelm von Schlabrendorff aus der Feder von Hermann von Petersdorff, S. 1–14. Das vorgelegte Zitat bei Baumgart: Schlesien als eigenständige Provinz (Anm. 16), S. 454.

3. Silhouette Breslaus 1

2

Vgl. zum Vorgetragenen Hugo Hartung: Schlesien 1944/45. Aufzeichnungen und Tagebücher.– München: Bergstadtverlag Korn 1956. 2. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1976. Speziell zu Breslau: Friedrich Grieger: Wie Breslau fiel.– Metzingen (Württ.): Die Zukunft 1948; Joachim Konrad: Als letzter Stadtdekan von Breslau. Chronistische Rückschau.– Ulm: Verlag ›Unser Weg‹ 1963; Paul Peikert: ›Festung Breslau‹ in den Berichten eines Pfarrers. 22. Januar bis 6. Mai 1945. Hrsg. von Karol Jonca, Alfred Konieczny.– Wrocław, Warszawa, Kraków: Ossolineum 1966; Ernst Hornig: Breslau 1945. Erlebnisse in einer eingeschlossenen Stadt.– München: Bergstadtverlag Korn 1975. Der Blick auf das Vorkriegs-Breslau: Ernst Scheyer: Breslau, so wie es war. Ein Bildband. Vorwort von [dem schlesischen Landeskonservator] Günther Grundmann.– Düsseldorf: Droste 1979. Vgl.: Breslau’s Bauten sowie kunstgewerbliche und technische Anstalten. Der am 7. und 8. August 1885 in Breslau tagenden Versammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine gewidmet vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Breslau.– Breslau: Trewendt 1885. Darin der Direktor des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Hermann Markgraf: Geschichtlicher Abriss der räumlichen Entwicklung Breslaus, S. 3–32. Vgl. von Markgraf auch den chronologisch-tabellarischen Führer: Geschichte Breslaus in kurzer Übersicht. 2. verm. Aufl. bearb. von Otfried Schwarzer.– Breslau: Kern 1913. Als berühmtes zeitgeschichtliches Dokument: Bartholomäus Stein: Beschreibung von Schlesien und seiner Hauptstadt Breslau 1512/13. In deutscher Übersetzung herausgegeben von Hermann Markgraf.– Breslau: Korn 1902 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 6.). Und stets gegenwärtig zu halten: Nicolaus Henel von Hennenfeld: Breslo-Graphia, Hoc est: Vratislaviae Silesiorvm Metropoleωs Nobilissimae Delineatio Brevissima.– Breslau: Eyring & Perfert 1613. Vgl. von Henel auch: Otium Wratislaviense, hoc est Variarum observationum ac Commentationum Liber, Addita est ejusdem de Studio Juris epistola.– Jena: Nisius 1658.

3. Silhouette Breslaus  |

3

4

5

6

Vgl. zu dem Angedeuteten insbesondere die schöne Abhandlung von Hermann Aubin: Antlitz und geschichtliche Individualität Breslaus.– Hamburg: Christians 1962. Des weiteren: Ludwig Petry: Breslaus Beitrag zur deutschen Geschichte.– Breslau: Nischkowsky 1941; ders.: Breslau in der frühen Neuzeit – Metropole des Südostens.– In: Zeitschrift für Ostforschung 33 (1984), S. 161–179. Leicht veränderte Version in: Europäische Städte im Zeitalter des Barock. Gestalt – Kultur – Sozialgefüge. Hrsg. von Kersten Krüger.– Köln, Wien: Böhlau 1988 (Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für Vergleichende Städtegeschichte in Münster. Reihe A: Darstellungen; 28), S. 121–140; ders.: Breslau in der schlesischen Städtelandschaft des 16. Jahrhunderts.– In: Die Stadt an der Schwelle zur Neuzeit. Hrsg. von Wilhelm Rausch.– Linz: Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung 1980 (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas; 4), S. 259–274; ders.: Breslau und seine ersten Oberherren aus dem Hause Habsburg 1526–1635. Ein Beitrag zur politischen Geschichte der Stadt. Hrsg. von Joachim Bahlcke.– St. Katharinen: Scripta Mercaturae 2000 (Beihefte zum Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-WilhelmsUniversität zu Breslau; 10); Hugo Weczerka: Breslaus Zentralität im ostmitteleuropäischen Raum um 1500.– In: Metropolen im Wandel. Zentralität in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Hrsg. von Evamaria Engel, Karen Lambrecht, Hanna Nogossek.– Berlin: Akademie Verlag 1995 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa), S. 245–262. Vgl. Samuel Benjamin Klose: Darstellung der inneren Verhältnisse der Stadt Breslau vom Jahre 1458 bis zum Jahre 1526. Hrsg. von Gustav Adolf Stenzel.– Breslau: Max 1847 (Scriptores rerum Silesiacarum; 3); Colmar Grünhagen: Breslau unter den Piasten als deutsches Gemeinwesen.– Breslau: Max 1861; Theodor Goerlitz: Verfassung, Verwaltung und Recht der Stadt Breslau. Teil I: Mittelalter. Hrsg. von Ludwig Petry.– Würzburg: Holzner 1962 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 7). Zu den Ratsgeschlechtern: Rudolf Stein: Der Rat und die Ratsgeschlechter des alten Breslau. Hrsg. vom Göttinger Arbeitskreis.– Würzburg: Holzner 1963; Oskar Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741. Band I–V.– Dortmund: Universität Dortmund 1986–1991 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund. Reihe B; 33. 35. 38. 39. 41). Zum Patriziat: Gerhard Pfeiffer: Das Breslauer Patriziat im Mittelalter.– Breslau: Trewendt & Granier 1929 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 30). Reprint: Aalen: Scientia 1973. Exemplarisch: Ludwig Petry: Die Popplau. Eine schlesische Kaufmannsfamilie des 15. und 16. Jahrhunderts.– Breslau: Marcus 1935 (Historische Untersuchungen; 15). Vgl. Peter Moraw: Das Mittelalter (bis 1469).– In: Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien.– Berlin: Siedler 1994, S. 161 f. Für die spätere Zeit: Julius Krebs: Rat und Zünfte der Stadt Breslau in den schlimmsten Zeiten des 30jährigen Kriegs.– Breslau: Hirt 1912 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 15). Vgl. von Krebs auch: Der politische und wirthschaftliche Verfall der Stadt Breslau um die Mitte des 30jährigen Krieges.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 34 (1904), S. 155–175. Zu den Zahlen vgl. den Eintrag: Breslau, Stadtkreis.– In: Deutsches Städtebuch. Handbuch städtischer Geschichte. Hrsg. von Erich Keyser. Band I: Norddeutschland.– Stuttgart, Berlin: Kohlhammer 1939, S. 710–722, S. 712, sowie den Eintrag: Breslau.– In: Schlesisches Städtebuch. Hrsg. von Heinz Stoob, Peter Johanek. Bearb. von Waldemar Grosch

481

482

|  Anmerkungen

unter Mitarbeit von Heinz Stoob, Maria Elisabeth Grüter, Franz-Joseph Post.– Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1995, S. 17–48, S. 26.– Zum Sozialwesen vgl. Susanne Gernhäuser: Obrigkeitliche Armenfürsorge in Breslau vom Spätmittelalter bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Magisterarbeit Historisches Institut der Universität Stuttgart 1993. Zu den Judenpogromen: Moraw: Das Mittelalter (Anm. 5), S. 162, mit weiterer Literatur S. 717, Anm. 144. 7 Zur Reformation in Breslau vgl. – neben den im vorangehenden Kapitel, Anm. 6, zitierten Arbeiten, unter denen insbesondere die Untersuchungen von Paul Engelbert aufgrund der reichen Quellenfundierung von Bedeutung sind – Gustav Bauch: Zur Breslauer Reformationsgeschichte I.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907), S. 336– 352; Paul Konrad: Die Einführung der Reformation in Breslau und Schlesien. Ein Rückblick nach 400 Jahren.– Breslau: Hirt 1917 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 24); Konrad Müller: Das evangelische Breslau 1523–1945.– Goslar: Verlag der ›Gemeinschaft evangelischer Schlesier‹ 1952. Dazu die Textdokumentation: Die Reformation in Breslau I. Ausgewählte Texte vorgelegt und eingeleitet von Georg Kretschmar.– Ulm/ Donau: Verlag ›Unser Weg‹ 1960 (Quellenhefte zur ostdeutschen und osteuropäischen Kirchengeschichte). Zu Schwenckfeld und dem Schwenckfeldianismus – neben den in Anm. 5 des zweiten Kapitels zitierten Arbeiten Peuckerts – grundlegend Horst Weigelt: Spiritualistische Tradition im Protestantismus. Die Geschichte des Schwenckfeldertums in Schlesien.– Berlin: de Gruyter 1973. 8 Zu Johann Heß vgl. den Eintrag von Werner Bellardi in: Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Friedrich Andreae, Erich Graber, Max Hippe.– Breslau: Priebatsch 1931 (Schlesische Lebensbilder; 4). Reprint Sigmaringen: Thorbecke 1985, S. 29–39, mit der einschlägigen Literatur, sowie die Biographie von Julius Köstlin: Johann Heß, der Breslauer Reformator.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 6 (1864), S. 97–131; 6 (1865), S. 181–265; ders: Nachträge zur Biographie des Johann Heß.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 12 (1874), S. 410–421. Das vorgelegte Zitat bei Bellardi, S. 33. Weitere Literatur im folgenden Kapitel 4, Anm. 68. 9 Vgl. Gustav Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation. Der Universität Breslau zum hundertjährigen Jubiläum überreicht vom Verein für Geschichte Schlesiens.– Breslau: Hirt 1911 (Codex Diplomaticus Silesiae; 26). Das erwähnte Zeugnis Stanislaus Sauers hier S. 3–5. 10 Das vorgelegte Zitat bei Köstlin: Johann Heß (Anm. 8), S. 198. Vgl. neben der bereits angegebenen Literatur auch C.A.J. Kolde: Protokoll über die Disputation, welche Dr. J. Hess zu Breslau im April 1524 gehalten hat.– In: Theologisch-kirchliche Annalen 1 (1842), S. 50–61; Julius Köstlin: Die Thesen der Disputation des Johann Heß vom 20. April 1524 in deutschem Texte.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 10 (1870), S. 369–372, sowie Werner Lang: Johannes Heß und die Disputation in Breslau von 1524.– In: Jahrbuch für schlesische Kirche und Kirchengeschichte 37 (1958), S. 23–33, und Otto Scheib: Die Breslauer Disputation von 1524 als Beispiel eines frühreformatorischen Religionsgespräches eines Doktors der Theologie.– In: Beiträge zur ostdeutschen und osteuropäischen Kirchengeschichte. Festschrift Bernhard Stasiewski. Hrsg. von Gabriel Adriányi, Joseph Gottschalk.– Köln, Wien: Böhlau 1975, S. 98–106. 11 Das vorgelegte Zitat bei Bellardi: Johann Heß (Anm. 8), S. 37.

3. Silhouette Breslaus  |

12 Vgl. Köstlin: Johann Heß (Anm. 8), S. 238, Anm. 2. Zum Vorlesungswesen von Heß und Moibanus vgl. auch unten S. 130 f. 13 Zu Moibanus vgl. den Eintrag von Dietrich Meyer in: Schlesische Lebensbilder 9 (2007), S. 109–120. Hier die einschlägige Literatur. Die maßgebliche Biographie stammt von Paul Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche und Schule Schlesiens im Reformationszeitalter.– Halle/Saale: Verein für Reformationsgeschichte (Niemeyer in Komm.) 1891 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte; 34). Sie ist auf der Basis von Ezechiels Sammlung mit Moibaniana aus der Handschriften-Abteilung der Breslauer Stadtbibliothek gearbeitet. Vgl. auch das folgende Kapitel mit den Anmerkungen 26 ff. 14 Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Haupt=Stadt und des Fürstenthums Breslau, wie auch des Namslauer Kreißes in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1780, S. 27 f., Anm. (q). 15 Zu Maximilian und Cureus vgl. die entsprechenden Zeugnisse bei Bauch: Breslauer Schulwesen (Anm. 9), S. 237 f. 16 Die vorgelegten Zitate bei Bauch: Breslauer Schulwesen (Anm. 9), S. 250 f. 17 Vgl. Bauch, S. 252 f. Die Rolle des Calvinismus in Schlesien in großartiger Prägnanz umfassend entfaltet in dem Standardwerk von J[ohann]. F[ranz]. A[lbert]. Gillet: Crato von Crafftheim und seine Freunde. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Nach handschriftlichen Quellen. Erster [und] Zweyter Teil.– Frankfurt/Main: Brönner 1860. Das Werk enthält zahlreiche einschlägige Bemerkungen auch zur Rolle Melanchthons in Schlesien. Vgl. dazu die Angaben unten Anm. 23. 18 Zu Ursinus vgl. neben den Einträgen in den einschlägigen theologischen Lexika vor allem Erdmann K. Sturm: Der junge Zacharias Ursin. Sein Weg vom Philippismus zum Calvinismus (1534–1562).– Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1972 (Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche; 33); Manfred P. Fleischer: The Success of Ursinus. A Triumph of Intellectual Friendship.– In: Controversy and Conciliation. The Reformation and the Palatinate 1559–1583.– Pennsylvania: Pickwick 1986 (Pittsburgh Theological Monographs; 18), S. 101–115, in deutscher Version: Der Erfolg des Ursinus. Ein Ergebnis akademischer Freundschaft.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 28 (1987), S. 99–117. Zum Kontext vgl. Werner Bellardi: Schlesien und die Kurpfalz. Der Beitrag vertriebener schlesischer Theologen zur ›reformierten‹ Theologie und Bekenntnisbildung.– In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 51 (1972), S. 48–66. 19 Vgl. zum Vorgetragenen Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 17), Teil II, S. 402–404; Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 9), S. 256 f. 20 Vgl. Gillet, Teil II, S. 408 f.; das vorgelegte Zitat nach Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 9), S. 257 f. 21 Vgl. die eingehende Schilderung bei Friedrich Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten/ oder vollkommene Chronica Von Ober= und Nieder=Schlesien.– Frankfurt/Main: Knoch 1689, S. 387 und S. 500 ff., sowie bei Nikolaus Pol: Jahrbücher der Stadt Breslau. Hrsg. von J. G. Kunisch. Band V.– Breslau: Verein für Schlesische Geschichte und Alterthümer 1824. Hier der äußerst reichhaltige Eintrag zum Jahr 1620, S. 185–220. Darauf basierend Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 17), Teil II, S. 419–450: Erste Gründung der reformirten Gemeine in Breslau. Verwiesen sei auch an dieser Stelle auf die wichtige Arbeit von

483

484

|  Anmerkungen

22

23

24

25 26

27

Karl Bruchmann: Die auf den ersten Aufenthalt des Winterkönigs in Breslau bezüglichen Flugschriften der Breslauer Stadtbibliothek. Ein Beitrag zur Quellenkunde des dreißigjährigen Krieges.– Progr. Königl. König-Wilhelms-Gymnasium Breslau 1904/05; ders.: Die Huldigungsfahrt König Friedrichs I. von Böhmen (des ›Winterkönigs‹) nach Mähren und Schlesien.– Breslau: Hirt 1909 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 9). Vgl. Gillet, Teil II, S. 438–441. Hier die vorgelegten Zitate nebst weiterer einschlägiger Zeugnisse. Zum Kontext vgl. Julius Krebs: Die Schlacht am weissen Berge bei Prag (8. November 1620) im Zusammenhange der kriegerischen Ereignisse.– Breslau: Koebner 1879; Hans Sturmberger: Aufstand in Böhmen. Der Beginn des Dreißigjährigen Krieges.– München, Wien: Oldenbourg 1959 ( Janus Bücher; 13); Christine van Eickel: Schlesien im böhmischen Ständestaat. Voraussetzungen und Verlauf der böhmischen Revolution von 1618 in Schlesien.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1994 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte; 2). Vgl. zum Vorgetragenen Bauch: Breslauer Schulwesen (Anm. 9), S. 241 f. und S. 247. Das Anm. 17 zitierte Werk Gillets enthält zahlreiche einschlägige Bemerkungen zur Rolle Melanchthons in Schlesien und speziell in Breslau. Vgl. dazu Gerhard Eberlein: Melanchthon und seine Beziehungen zu Schlesien.– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 6 (1898), S. 76–101. Zum Kontext: Robert Stupperich: Melanchthon und der deutsche Osten.– In: Festschrift Stasiewski (Anm. 10) S. 85–97; Manfred P. Fleischer: Die Konkordienformel in Schlesien.– In: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte 58 (1979), S. 50–83. In dem wichtigen Sammelwerk: Melanchthon und Europa. 1. Teilband: Skandinavien und Mitteleuropa. Hrsg. von Günter Frank, Martin Treu.– Stuttgart: Thorbecke 2001 (Melanchthon-Schriften der Stadt Bretten; 6/1) fehlt ein Beitrag zu Melanchthon in Schlesien. Vgl. zum Folgenden die in Anm. 3 zitierte Literatur. Ergiebig auch die in Anm. 5 zitierten Arbeiten von Julius Krebs. Diese und andere Studien, insbesondere die von Hermann Palm veranstalteten Aktenpublikationen, aufgeführt bei Jerzy Maroń: Der 30jährige Krieg in Schlesien. Stand und Perspektiven der Forschung.– In: Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift Norbert Conrads. Hrsg. von Matthias Weber, Carsten Rabe.– Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens; 4), S. 251–256. Detaillierte Schilderungen sodann bei F.G. Adolf Weiß: Chronik der Stadt Breslau von der ältesten bis zur neuesten Zeit.– Breslau: Woywod 1888. Hier die Kapitel: Breslaus Glanz und Macht im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation bis zu seiner Demütigung im Prager Frieden (1490–1636), S. 745–964, sowie: Der Niedergang der Stadt bis zur Besitznahme durch König Friedrich den Großen (1636–1741), S. 965–1040. Krebs: Rat und Zünfte der Stadt Breslau (Anm. 5), S. 22. Vgl. auch die Einträge zu Rosa und zu Pein bei Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter (Anm. 4), Band III, S. 411 f., Band III, S. 199 f. Vgl. auch für diesen Abschnitt das an Informationen reiche Werk von Weiß: Chronik der Stadt Breslau (Anm. 24). Zu der diplomatischen Mission Lohensteins sei hier verwiesen auf die Darstellung mit der erstmaligen Publikation des einschlägigen Aktenmaterials bei Conrad Müller: Beiträge zum Leben und Dichten Daniel Caspers von Lohenstein.– Breslau: Marcus 1882. Reprint: Hildesheim, New York: Olms 1977, S. 43–63. Zitiert bei Weiß: Chronik der Stadt Breslau (Anm. 24), S. 1035.

4. Wiege des Glaubens  |

28 Vgl. das bereits im zweiten Kapitel, Anm. 17, zitierte und gerade auch für Breslau ergiebige Werk von Colmar Grünhagen: Schlesien unter Friedrich d. Großen. Band I–II.– Breslau: Koebner 1890–1892. 29 Vgl. Bernhard Patzak: Von verschwundenen Bauten und Bildern in Alt-Breslau. 1. Das alte Palais Hatzfeld.– In: Breslauer Zeitung 1923, Nr. 277. Das Palais ist bekanntlich wiedererstanden. 30 Zitiert bei Weiß: Chronik der Stadt Breslau (Anm. 24), S. 1111, unter Verweis auf: Hermann Markgraf: Die Entfestigung Breslaus und die geschenkweise Überlassung des Festungsterrains an die Stadt 1807–1813.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 21 (1887), S. 47–115. Vgl. von Markgraf auch: Der Breslauer Ring und seine Bedeutung für die Stadt.– Breslau: Morgenstern 1894 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 1). 31 Vgl. das schöne Werk von Julius Krebs: Wanderungen durch Breslau und dessen Umgebungen nebst weiteren Ausflügen.– Breslau: Friedländer 1836.

4. Wiege des Glaubens 1

2

Günther Grundmann: Die Bauten der Dom- und Sandinsel in Breslau.– In: ders.: Kunstwanderungen in Schlesien. Gesammelte Aufsätze aus den schlesischen Jahren 1917–1945.– München-Pasing: Bergstadt-Verlag Korn 1966, S. 20–34, hier S. 20 (Erstdruck 1944). Der langjährige schlesische Landeskonservator Günther Grundmann, dessen Feder diese unvergeßlichen Sätze entstammen, fand nach 1945 neue Wirkungsstätten in Westdeutschland bzw. der Bundesrepublik Deutschland. Zu seinem 80. Geburtstag wurde ihm eine eindrucksvolle Ehrung zuteil. Das gesamte erste Heft des Jahrgangs 17 (1972) der Zeitschrift Schlesien des gleichnamigen Kulturwerks ist ihm gewidmet. Vgl. auch im zweiten Kapitel dieses Buches die Anm. 1. Es gehört zu den Glücksfällen der kunst- und kulturhistorischen Forschung, daß noch vor der Katastrophe ein monumentales Werk mit Blick auf Breslau auf den Weg gebracht werden konnte, das für ungezählte Monumente und ihre Ausstattung im Äußeren wie im Inneren zu einer letzten Dokumentation in Bild und Schrift geworden ist: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Band I–III. Hrsg. von Ludwig Burgemeister [Band I] und Ludwig Burgemeister und Günther Grundmann [Band II–III].– Breslau: Korn 1930–1934 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien. Band I: Die Stadt Breslau. Teil 1.2.3). Vorangegangen war: Hans Lutsch: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau.– Breslau: Korn 1886 (Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien; 1). Vgl. von Lutsch auch: Bilderwerk Schlesischer Kunstdenkmäler. 3 Mappen. 1 Textband.– Breslau: 1903. Dieses Werk ist im Reprint wieder zugänglich gemacht worden; der Bildband, betreut von Josef Golitschek, erschien 1979, der Textband 1985 jeweils in Mannheim im Verlag Kraft. Im übrigen ist nachdrücklich zu erinnern an die gleichfalls noch vor dem Krieg zum Abschluß gelangte Bibliographie des Ersten Bibliotheksrats der Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek Herbert Gruhn: Bibliographie der Schlesischen Kunstgeschichte.– Breslau: Korn 1933 (Schlesische Bibliographie; VI/1) (der Nachfolgeband VI/2 (1934), betreut wiederum von dem ersten Sachkenner Johannes Hübner, gilt dem Schlesischen Musik- und Theaterwesen).

485

486

|  Anmerkungen

3

4

5

6

Alfred Sabisch: Breslauer Domherren des 16. Jahrhunderts. Im Umkreis ihres Dienstes und ihrer Häuslichkeit.– In: Reformata Reformanda. Festschrift Hubert Jedin. Hrsg. von Erwin Iserloh, Konrad Repgen. 2. Teil.– Münster: Aschendorff 1956 (Reformationsgeschichtliche Texte und Studien. Supplementband; I/2), S. 144–175, hier S. 163. Die folgenden Schilderungen fußen auf der erschöpfenden Darstellung von Werner Güttel, mit der der erste Band der ›Kunstdenkmäler der Stadt Breslau‹ eindrucksvoll eröffnet wird. Vgl. auch Wilhelm Schulte: Geschichte des Breslauer Domes und seine Wiederherstellung. Eine Studie.– Breslau: Aderholz 1907; Joseph Jungnitz: Die Breslauer Domkirche. Ihre Geschichte und Beschreibung.– Breslau: Aderholz 1908; Hermann Hoffmann: Der Dom zu Breslau. Eine Führung. Mit einer Darstellung der Wiederherstellung des Dominnern von Paul Meyer-Speer.– Breslau: Borgmeyer 1934 (Führer zu schlesischen Kirchen; 10). Aus der Nachkriegszeit: Marcin Bukowski: Der Dom zu Wrocław. Übersetzung Anna Stroka.– Wrocław etc.: Ossolineum 1974. Hier S. 60–65 ein Kapitel zur Zerstörung des Doms im April 1945 und S. 66–79 zu den Maßnahmen und weiteren Plänen des Wiederaufbaus. Zum Breslauer Klosterwesen vgl. das schöne und selbstverständlich auch für Breslau einschlägige Werk von Günther Grundmann: Dome, Kirchen und Klöster in Schlesien. Nach alten Vorlagen.– Frankfurt/Main: Weidlich 1982 (Dome – Kirchen – Klöster; 10) sowie den schon im zweiten Kapitel, Anm. 12, zitierten Band von Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien.– Frankfurt/Main: Weidlich 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des Deutschen Ostens. Reihe C: Schlesien; 4); vgl. auch ders.: Barocke Kirchen und Klöster in Schlesien. 2., verm. und verb. Aufl.– München: Bergstadtverlag Korn 1971. Zur Geschichte des Breslauer Bistums vgl. Johann Heyne: Dokumentirte Geschichte des Bisthums und Hochstifts Breslau. Band I–III.– Breslau: Korn 1860–1868. Reprint: Aalen: Scientia 1969. Der hier interessierende dritte Band trägt den Titel: Denkwürdigkeiten aus der Kirchen- und Diöcesan-Geschichte Schlesiens. Von der ersten Hälfte des 15. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts (1418–1648). Quellenkundlich einschlägig: Archiv für die Geschichte des Bistums Breslau. Hrsg. von August Kastner. Band I–III.– Neisse: Selbstverlag des Herausgebers, Komm. Joseph Graveur 1858–1863. Band I: Beiträge zur Geschichte des Bistums Breslau von 1500 bis 1655. Band II (1859): Geschichte und Beschreibung des fürstlichen jungfräulichen Klosterstiftes Cistercienser Ordens in Trebnitz, aus den Stifts=Urkunden und anderen bewährten Schriften zusammengetragen von Aloysius Bach. Durchges., mit Zusätzen und Beilagen verm. und hrsg. von Aug. Kastner. Band III: Actenmässige Beiträge zur Geschichte des Bisthums Breslau von 1599 bis 1649.– Knappe Zusammenfassung: Franz Xaver Seppelt: Geschichte des Bistums Breslau.– Breslau: Fürstbischöfliches Ordinariat 1929 (Real-Handbuch des Bistums Breslau. 1. Teil). Als deutschsprachige Nachkriegswerke: 950 Jahre Bistum Breslau. Hrsg. von Emil Brzoska.– Königstein/Ts.: ›Königsteiner Rufe‹ 1951. Vgl. von dem Herausgeber auch den wichtigen Beitrag: Wissenschaft und Bildung in Schlesien bis zur Reformation.– In: Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte. Gedenkschrift für Kurt Engelbert. Hrsg. von Bernhard Stasiewski.– Köln, Wien: Böhlau 1969 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands; 6), S. 36–75. Des weiteren: Werner Marschall: Geschichte des Bistums Breslau.– Stuttgart: Theiss 1980. Dazu die reich bebilderte dreiteilige Broschüre des ersten Sachkenners Joachim Köhler: Bistum Breslau. Mittelalter. Reformation und Katholische Reform. Neuzeit 1740–1945.– Kehl: EchoBuchverlag 1995–1997 (Christlich leben im schlesischen Raum; 1–3). Der Anschlußband stammt von Werner Marschall: Bistum Breslau. Von 1945 bis zur Jahrtausendwende.– ebd.

4. Wiege des Glaubens  |

7

1999. Leider unveröffentlicht geblieben: Kurt Engelbert: Entwurf einer Geschichte des Bistums Breslau. Vgl. aber von Engelbert die folgenden Einzelbeiträge: Zum 950jährigen Bestehen des Erzbistums Breslau. [Teil I].– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 8 (1950), S. 1–13; II. Bischof Walter von Breslau (1148–1169).– In: Zeitschrift für Schlesische Kirchengeschichte 9 (1951), S. 1–23; Die Anfänge des Bistums Breslau.– In: Beiträge zur schlesischen Kirchengeschichte.– Bergisch Gladbach 1953 (Katholische Arbeitsstelle (Nord) für Heimatvertriebene Köln. Schriftenreihe Heft 2), S 6–34; Das Bistum Breslau im Dreißigjährigen Kriege. 1. Vorgeschichte. Bischof Erzherzog Karl von Österreich und der schlesische Majestätsbrief.– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 23 (1965), S. 85–148; 2. Während des böhmisch-pfälzischen Krieges 1618–21.– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 24 (1966), S. 127–181; 3. Teil [ohne Obertitel, mit zahlreichen Unterkapiteln].– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 25 (1967), S. 201–251. Die quellenkundlich glänzend gearbeitete Studie führt bis zum Westfälischen Frieden. Zum Breslauer Domkapitel die große Studie von Gerhard Zimmermann: Das Breslauer Domkapitel im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation (1500–1600).– Weimar: Böhlaus Nachf. 1938 (Historisch-Diplomatische Forschungen; 2). Vgl. auch die gehaltreiche Studie von Sabisch: Breslauer Domherren (Anm. 3). Hier S. 156–166 auch eine detaillierte Beschreibung der Baulichkeiten auf der Dominsel, aus der oben S. 70 zitiert wurde. Dazu ebenfalls Sabisch: Zur Topographie der Breslauer Dominsel im 16. Jahrhundert, in der oben zitierten Gedenkschrift für Kurt Engelbert, S. 275–293. Zu Johannes IV. Roth vgl. den Eintrag von Werner Marschall in: Schlesier des 15. bis 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Josef Joachim Menzel.– Stuttgart: Thorbecke 2001 (Schlesische Lebensbilder; 7), S. 9–16, mit der einschlägigen Literatur. Voran ging der Eintrag von Hermann Markgraf in der ADB XIV (1881), S. 186–188. Vgl. auch den Eintrag von Josef Joachim Menzel in der NDB X (1974), S. 481 f. Zu verweisen ist vor allem auf die reiche Quellen-Darbietung von Gustav Bauch: Analekten zur Biographie des Bischofs Johann IV. Roth.– In: Studien zur schlesischen Kirchengeschichte. Seiner Eminenz dem hochwürdigsten Fürstbischof von Breslau Herrn Georg Kardinal Kopp ehrerbietigst gewidmet vom Verein für Geschichte Schlesiens.– Breslau: Wohlfarth 1907 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 3), S. 19–102. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Hermann Hoffmann: Aufzeichnungen des Breslauer Domherrn Stanislaus Sauer († 1535) über die Bischöfe Rudolf von Rüdesheim und Johann Roth. Übers. und erw. von Kurt Engelbert.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 13 (1955), S. 82–137. Zum Bibliophilen: C.H. Rother: Über die Büchersammlung des Bischofs Johannes IV. Roth.– In: Schlesische Geschichtsblätter 1923, S. 15–21.– Das berühmte Grabmal von Peter Vischer d.Ä. im Kleinchor des Breslauer Domes findet man u. a. abgebildet im ersten Band der Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 101 und vor dem Beitrag von Hans Hünefeld: Johannes IV. v. Roth (1426–1506). Diplomat, Fürstbischof und Humanist. Ein Beitrag zu den Beziehungen Süddeutschland/Schlesien im Mittelalter.– In: Schlesien 17 (1972), S. 69–76, wo auch eine genaue Beschreibung geboten wird. Vgl. dazu Joseph Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe.– Breslau: Max 1895, S. 16 f. (gleichfalls mit Abbildung); ders.: Der Grabstein des Breslauer Weihbischofs Johann † 1504.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 30 (1896), S. 321–324; ders.: Zum Denkmal des Bischofs Johannes Roth im Breslauer Dom.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N.F. 4 (1907), S. 83–87. Dazu Grundmann: Stätten der Erinnerung. Denkmäler erzählen schlesische Geschichte. 2.,

487

488

|  Anmerkungen

verm. und verb. Aufl.– München: Korn 1975), S. 45 f.: Die Grabplatte für den Bischof Johannes IV. Roth im Breslauer Dom, sowie Joseph Gottschalk: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 37 (1979), S. 185–214, S. 195. Zum Kontext: Walther Nickel: Die Breslauer Steinepitaphien aus Renaissance und Barock.– Straßburg: Heitz 1924 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte; 225).– Das vorgelegte Zitat bei Hünefeld: Johannes IV. von Roth, S. 72. 8 Auch für Johannes V. Thurzo ist zunächst auf den Eintrag in den Schlesischen Lebensbildern zurückzugreifen, der aus der Feder des ungarischen und in Wien wirkenden Archivars Oskar Paulinyi stammt: Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts. Hrsg. von Friedrich Andreae, Erich Graber, Max Hippe.– Breslau: Priebatsch 1931 (Schlesische Lebensbilder; 4). Reprint: Sigmaringen: Thorbecke 1985, S. 1–6. Hier (S. 3) das vorgelegte Zitat sowie abschließend der Grabsteinspruch (S. 6). Vorauf ging wiederum der Eintrag von Markgraf in der ADB XIV (1881), S. 188 f.; in der NDB X (1974), S. 482 f., stammt der Eintrag wiederum von Menzel. Hervorzuheben sind erneut zwei quellenkundlich gut fundierte Abhandlungen: Gustav Bauch: Johann Turzo und Johannes Heß.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 36 (1901), S. 193–224, sowie Hermann Hoffmann: Aufzeichnungen des Breslauer Domherrn Stanislaus Sauer († 1535) über den Bischof Johannes Turzo (1506– 1520). Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Reformation in Schlesien. Übers. und erw. von Kurt Engelbert.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 14 (1956), S. 105–140. Des weiteren das abschließende Kapitel: Bischof Johann V. Turzo und das Breslauer Domkapitel im Verhältnis zur Reformation.– In: Arnold Oskar Meyer: Studien zur Vorgeschichte der Reformation. Aus schlesischen Quellen.– München, Berlin: Oldenbourg 1903 (Historische Bibliothek; 14), S. 148–169.– Das – schon seinerzeit nur noch teilweise erhaltene – Denkmal bei Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe (Anm. 7), S. 18 f. Hier auch neben der erhaltenen Inschrift unterhalb der Figur auf dem Grabmal des Bischofs der nicht mehr erhaltene und aus den Monumenta et Inscriptiones Wratislaviensis des großen Sepulchrologen Christian Ezechiel geschöpfte handschriftliche Eintrag (herrührend aus der Breslauer Stadtbibliothek, der sich erhalten hat). Vgl. auch die Beschreibung und Abbildung bei Burgemeister: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 100 f., sowie bei Grundmann: Stätten der Erinnerung (Anm. 7), S. 70 f., und bei Gottschalk: Die Grabstätten (Anm. 7), S. 195 f. 9 Vgl. den eindrucksvollen Artikel von Joachim Köhler über den schlesischen Kirchenhistoriker Alfred Sabisch in: Schlesische Lebensbilder 10 (2010), dem das vorgelegte Zitat entnommen ist (S. 255), das der nachfolgend zitierten Arbeit von Sabisch entstammt, dem die maßgeblichen Arbeiten über Jakob von Salza zu verdanken sind, dessen Porträt im übrigen in den Schlesischen Lebensbildern noch fehlt. Vor allem ist heranzuziehen Alfred Sabisch: Die Bischöfe von Breslau und die Reformation in Schlesien. Jakob von Salza († 1539) und Balthasar von Promnitz († 1562) in ihrer glaubensmäßigen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit den Anhängern der Reformation.– Münster: Aschendorff 1975 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung; 35). Das vorgelegte Zitat hier S. 68. Sabisch hat auch den Artikel über von Salza in der NDB X (1974), S. 313, verfaßt. Des weiteren Carl Otto: Über die Wahl Jacobs von Salza zum Bischof von Breslau und die derselben unmittelbar folgenden Ereignisse (September 1520 bis September 1521).– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 11 (1871), S. 303–327. Hinzuzunehmen wiederum Hermann Hoffmann: Aufzeichnungen des Breslauer

4. Wiege des Glaubens  |

10

11

12 13

Domherren Stanislaus Sauer († 1535) über den Bischof Jakob von Salza (1520–1539) und seine Zeit. Übers. und erw. von Kurt Engelbert.– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 15 (1957), S. 124–170. Vgl. Sabisch: Die Bischöfe von Breslau (Anm. 9), S. 46 f. Der 1539 im 58. Lebensjahr verstorbene Bischof wurde in der Neisser Stadtpfarrkirche St. Jakob beigesetzt. »Ein schlichtkostbares Renaissance-Epitaph, 1945 erhalten geblieben, bewahrt sein Andenken.« (Ebd., S. 69). Vgl. Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe (Anm. 7), Tafel 9, im Anschluß an den entsprechenden Eintrag S. 20. »Sein Hochgrab aus rothbraunem, gesprenkelten Marmor, welches ursprünglich wohl im Presbyterium stand, befindet sich jetzt neben der Sakristei. Die Relieffigur des Bischofs in Lebensgrösse liegt auf einer Tafel; die Seiten der Tumba sind geziert mit Brustbildern, unter denen am Fussende nochmals das Portrait des Bischofs ohne Amtstracht wiederkehrt. Darüber zeigt eine von Engeln gehaltene Tafel folgende Inschrift in lateinischen Majuskeln: Reverendiss. in Chr‐o Princeps et Dn‐s D. Jacobus a Salza Epu‐s Vratislavien‐. etc. Obiit an‐o Dn‐o MDXXXIX Die XXV. mensis Aug.« (ebd.) Dazu wiederum Grundmann: Stätten der Erinnerung (Anm. 7), S. 72, sowie Gottschalk: Die Grabstätten (Anm. 7), S. 196 f. Vgl. auch Hans Lutsch: Die Kunstdenkmäler des Reg.Bezirks Oppeln.– Breslau: Korn 1894 (Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien; 4), S. 89 f. Vgl. neben der oben Anm. 9 zitierten Abhandlung von Sabisch vom selben Verfasser auch die folgenden Arbeiten: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Balthasar von Promnitz (1539–1562). 1. Teil: Bis zum Regierungsantritt.– Diss. theol. Breslau 1936; ders.: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Balthasar von Promnitz (1539–1562). I. Teil: Wahl und Regierungsantritt.– Breslau: Müller & Seiffert 1936 (Zur schlesischen Kirchengeschichte; 16); ders.: Balthasar von Promnitz als Kanonikus in Breslau 1526 bis 1539.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 70 (1936), S. 224–250; ders.: Zur Geschichte des Breslauer Bischofs Balthasar von Promnitz (1539–1562). Herkunft und Studiengang.– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 2 (1937), S. 101–116; ders.: Das Hirtenschreiben des Breslauer Bischofs Balthasar von Promnitz an den Klerus und die Weihekandidaten vom Jahre 1555, seine Veranlassung und seine Folgen.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 8 (1950), S. 77–104. Hinzuzunehmen die Arbeiten von Gottfried Kliesch: Bischof von Promnitz (1539–1562) Oberlandeshauptmann von Schlesien.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 29 (1988), S. 73–102; ders.: Bischof Balthasar von Promnitz (1538–1562).– In: Mitteilungen des Beuthener Geschichts- und Museumsvereins 49 (1989), S. 33–72. Dazu der Eintrag ebenfalls von Kliesch in: Schlesische Lebensbilder 6 (1990), S. 28–37. Vgl. Sabisch: Balthasar von Promnitz als Kanonikus (Anm. 11), S. 226 f. Charakteristik des Schreibens von Melanchthon und Funktionsbestimmung der ›Epistola‹ bei Sabisch: Die Bischöfe von Breslau (Anm. 9), S. 80–82. Hier S. 76, Anm. 155, auch der Titel der ›Epistola Gratulatoria‹ und des Schreibens von Melanchthon. Vgl. auch Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus (Kap. 3, Anm. 13), S. 57–59. Der in Breslau bei Andreas Winkler erschienene Druck ist auf das Jahr 1541 datiert. Regest und Wiedergabe des Briefes von Melanchthon bei Sabisch, S. 103 f., Beilage IV. Vgl. wiederum auch Konrad S. 61 f. Eine Verhinderung der Kirchenspaltung gelang auch auf schlesischem Boden nicht. »Es liegt in diesem unlösbaren Widerspruche zwischen der bis zum Todesmut festen Anhänglichkeit an die eigene Überzeugung und dem ungestümen Verlangen nach der Einheit der Kirche

489

490

|  Anmerkungen

14 15

16

17

18

eine erschütternde Tragik. Melanchthon ist wohl sein leidvollstes Opfer gewesen, aber auch die meisten anderen Theologen, Katholiken wie Protestanten, sind von ihm ergriffen worden.« Martin Spahn: Johannes Cochläus. Ein Lebensbild aus der Kirchenspaltung.– Berlin: Dames 1898 (Reprint: Nieuwkoop: de Graaf 1964), S. 280 f. Kurt Engelbert: Kaspar von Logau (Anm. 16), S. 77 f. Vgl. auch Sabisch: Die Bischöfe von Breslau (Anm. 9), S. 88 f. Die beiden Zitate bei Engelbert: Kaspar von Logau (Anm. 16), S. 78 und S. 80. Die Grabstätte des Bischofs in der Pfarrkirche zu Neisse findet man wiederum beschrieben und abgebildet bei Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe (Anm. 7), S. 22 mit Abbildung 22. Vgl. auch das Kapitel ›Tod des Bischofs Balthasar von Promnitz‹ bei Kurt Engelbert: Kaspar von Logau (Anm. 16), S. 23–31. Hier S. 27 f. gleichfalls eine Beschreibung des Epithaphs. »Sein Epitaph ist aus poliertem, rotem Marmor gefertigt; das Haupt auf die Linke gestützt, ruht er in Lebensgröße auf hoher Tumba unter einem auf niedrigen Säulen gestützten Baldachin.« (S. 27) Vgl. schließlich Lutsch: Die Kunstdenkmäler des Reg.-Bezirks Oppeln (Anm. 10), S. 91; Grundmann: Stätten der Erinnerung (Anm. 7), S. 73, sowie Gottschalk: Die Grabstätten (Anm. 7), S. 197. Auch Kaspar von Logau hat seinen kompetenten Biographen gefunden, wenngleich das Werk in der geplanten Form nicht zum Abschluß kam. Die Erstlingsarbeit des späteren Doyens der Erforschung des Breslauer Bistums und seiner Repräsentanten galt von Logau: Kurt Engelbert: Kaspar von Logau. Bischof von Breslau (1562–1574). 1. Teil. Ein Beitrag zur schlesischen Reformationsgeschichte.– Breslau: Trewendt & Granier 1926 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 28). Hier das vorgelegte Zitat S. 32. Engelbert (dem nicht zuletzt die Rückführung der Schätze des Breslauer Diözesan-Museums und der Dombibliothek zu verdanken ist) hat zunächst noch in Schlesien und sodann in der Bundesrepublik seine Arbeiten auch zu Logau fortgeführt: Maßnahmen des Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574) zur Hebung des Katholizismus im Bistum Breslau.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 3 (1938), S. 127–151 (auch als Sonderdruck erschienen, nach dem hier zitiert wird); ders.: Maßnahmen des Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574) zur Hebung des Katholizismus im Bistum Breslau (Fortsetzung).– In: ebd. 4 (1939), S. 149–164; ders.: Der Breslauer Bischof Kaspar von Logau (1562–1574) und sein Domkapitel.– In: ebd. 7 (1949), S. 61–125; ders.: Beiträge zur Geschichte des Bischofs Kaspar von Logau (1562– 1574). Bischof Kaspar als Fürst von Neisse.– In: ebd. 10 (1952), S. 121–147; ders.: Beiträge zur Geschichte des Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574). Sein Tod und Begräbnis.– In: ebd. 11 (1953), S. 65–89. Engelbert: Maßnahmen des Bischofs Kaspar von Logau [I] (Anm. 16), S. 4. Zu Sleupner vgl. Johannes Soffner: Sebastian Schleupner, Domherr und Domprediger zu Breslau, gest. 1572.– Breslau: Aderholz 1888. Vgl. in diesem Kontext auch: Franz Machilek: Dominikus Schleupner aus Neisse (um 1483–1547). Vom Kanzler des Bischofs von Jakob von Salza und Domkapitular in Breslau zum evangelischen Prediger und Ratstheologen in Nürnberg.– In: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Festschrift Winfried Eberhard. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Karen Lambrecht, Hans-Christian Maner.– Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2006, S. 235–262. Engelbert: Maßnahmen (Anm. 16), S. 7.

4. Wiege des Glaubens  |

19 Vgl. dazu unten S. 84 f. mit Anm. 22. Zu dem Voranstehenden vgl. den zweiten Teil von Engelberts Abhandlung ›Maßnahmen des Bischofs Kaspar von Logau‹ (Anm. 16) aus dem Jahr 1939. 20 Das Vorstehende nach Engelbert: Beiträge zur Geschichte des Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574). Sein Tod und Begräbnis (Anm. 16). Hier auch S. 75 f. eine Beschreibung des Epitaphs. Eine solche auch u. a. bei Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe (Anm. 7), S. 23 mit Tafel 12, sowie bei Lutsch: Die Kunstdenkmäler des Reg.-Bezirks Oppeln (Anm. 10), S. 91 f.; des weiteren wiederum Grundmann: Stätten der Erinnerung (Anm. 7), S. 74 f., Gottschalk: Die Grabstätten (Anm. 7), S. 197 f. 21 Die maßgebliche Biographie stammt von Joseph Jungnitz: Martin von Gerstmann, Bischof von Breslau. Ein Zeit- und Lebensbild aus der schlesischen Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts.– Breslau: Adelholz 1898. Ergänzend Kurt Engelbert: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Martin von Gerstmann (1574–1585).– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 15 (1957), S. 171–188 (Mitteilung des Adelsdiploms und des Testaments). Dazu die Einträge in der ADB XX (1884), S. 472–475 (Grünhagen) und in der NDB VI (1964), S. 328 (Engelbert) sowie im Lexikon für Theologie und Kirche IV (1960), S. 759. 22 Vgl. die einschlägige Abhandlung von Bernhard von Prittwitz und Gaffron: Die Versuche zur Einführung der Jesuiten in Schlesien vor dem dreißigjährigen Kriege.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 18 (1884), S. 68–89; hier S. 73 ff. Daselbst auch die Einlassung des Ausschusses der Fürsten und Stände gegenüber Rudolf II., wonach »unter Berufung auf die gewährte und von sämmtlichen Kaisern zugesicherte freie Ausübung der Religion augsburgischer Confession und den damit diesen Landen drohenden endlichen Untergang, der Kaiser dringend gebeten wird, er möge die Errichtung des Jesuiten=Collegiums nicht gestatten, und nicht zulassen, daß der Bischof auch als oberster Hauptmann dieser Lande gemeinen Frieden und Ruhe durch dergleichen allseits unerhörtes Vornehmen zerrütte, indem leicht zu ermessen, was bei einem Jesuiten=Collegium herauskommen werde.« (S. 79) Damit hatte sich auch der zweite Anlauf zumindest in Breslau erledigt. Nur im Dom selbst fanden zwei Jesuiten ein Betätigungsfeld. 1595 aber erging dann ein Erlaß zur Entfernung aller Jesuiten aus der Stadt. Es sollte freilich nur ein kurzzeitiger Erfolg sein. 23 Gerstmann starb 1585. Zu seinem Grabmal in Neisse vgl. Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe (Anm. 7), S. 23 mit Tafel 12; Lutsch: Die Kunstdenkmäler des Reg.Bezirks Oppeln (Anm. 10), S. 92 f.; Gottschalk: Die Grabstätten (Anm. 7), S. 198. 24 Richard Fuchs: Die Elisabethkirche zu Breslau. Festschrift zum 650jährigen Jubiläum.– Breslau: Graß, Barth & Comp. 1907, S. 9. Vgl. zum folgenden vor allem den Eintrag ›Elisabethkirche‹ in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 73–154. Hier S. 73 die entsprechende Literatur. Diese auch bei Gruhn: Bibliographie der Schlesischen Kunstgeschichte (Anm. 2), S. 134 f. Vgl. insbesondere auch J.H.C. Schmeidler: Die evangelische Haupt= und Pfarr=Kirche zu St. Elisabeth. Denkschrift zur Feier ihres 600jährigen Bestehens.– Breslau: Max 1857, sowie Hermann Luchs: Die Denkmäler der St. Elisabeth=Kirche zu Breslau. Mit einem lithographirten Grundriß der Kirche.– Breslau: Hirt 1860; ders.: Über die Elisabethkirche zu Breslau und ihre Denkmäler.– In: Abhandlungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Phil.-hist. Abth. 1862, Heft 1, S. 13–68. Von polnischer Seite aus der Feder des ersten Fachmanns Jan Harasimowicz die schöne Studie: Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ›evangelischer

491

492

|  Anmerkungen

25 26 27

28

Zion‹ einer multinationalen Metropole.– In: Harasimowicz: Schwärmergeist und Freiheitsdenken. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Matthias Noller, Magdalena Poradzisz-Cincio.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2010 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte; 21), S. 77–89. Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 77. Fuchs: Die Elisabethkirche zu Breslau (Anm. 24), S. 22. Zu Moibanus vgl. die im vorangehenden Kapitel, Anm. 13, angegebene Literatur. Hinzuzunehmen das Porträt bei Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Haupt=Stadt und des Fürstenthums Breslau wie auch des Namslauer Kreißes in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1780, S. 175–181. Hier auch auf den Seiten 166–289 ein Verzeichnis der Hauptpastoren und Inspektoren, Ekklesiasten und Diakone bei St. Elisabeth, vielfach verknüpft mit biographischen Porträts und Werkverzeichnissen. Das Ehrhardtsche Werk ist eine schwerlich zu erschöpfende Quelle für Informationen aus diversen Sachbereichen. Sodann einschlägig die beiden großen Schulgeschichten des unermüdlichen Gustav Bauch, die bereits erwähnt wurden und auch in den folgenden Kapitel stets wieder heranzuziehen sein werden: Geschichte des Breslauer Schulwesens vor der Reformation.– Breslau: Hirt 1909 (Codex Diplomaticus Silesiae; 25); ders.: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation.– Breslau: Hirt 1911 (Codex Diplomaticus Silesiae; 26); eine geplante dritte Darstellung zur Geschichte der Breslauer geistlichen Schulen im 16. Jahrhundert ist leider nicht mehr zustandegekommen. Hier im ersten, dem vorreformatorischen Schulwesen Breslaus gewidmeten Band zu Ende (S. 287–289) eine für Moibanus einschlägige Passage und S. 288, Anm. 2, der Nachweis der Mirandola-Edition des Moibanus mit den beiden Zusätzen des Herausgebers: »Joannis Francisci Pici Mirandulani Principis, Concordiaeque Comitis Hymni heroici tres, Ad Sanctissimam Trinitatem. ad Christum. Et ad Virginem Mariam Ambrosii Mecodiphri Wratislauiensis Carmen de Origine diuersarum Relligionum una cum hymno, de mysteriis sanctissimae Trinitatis. Impressum Vienne Austriae per Hieronymum Vietorem. Anno Domini 1517. Mense Martio. 4°.« Daselbst auch eine knappe Paraphrase. Das Zeugnis des Melanchthon im nachfolgenden, der Reformation gewidmeten Werk, S. 33 f. (Brief von Melanchthon an Heß vom 17. April 1520). Hier S. 34 ff. auch über die Schulschriften des Moibanus und seine ›Farrago‹ mit Briefen des Erasmus. Vgl. auch die einschlägigen Passagen in der sehr gründlichen Arbeit von Paul Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus (Kap. 3, Anm. 13), in dem Kapitel ›Die Verdienste des jungen Schulrektors‹, S. 12–19. Konrad weist einen Druck des Pico della Mirandola gewidmeten Werkes für die Staatsbibliothek München nach (S. 83 f., Anm. 11). Das Dokument der Investitur durch den Bischof gehört zu den bemerkenswerten Zeugnissen aus dem Zeitalter der Breslauer Reformation. Der Bischof habe der Empfehlung des Rats entsprochen, weil sie mit der Versicherung verbunden war, daß Moibanus »das Wort Gottes ohne Tumult und Aufruhr predigen und nichts in den bisher beobachteten Ceremonien und dem Brauch der Kirche aufs Geradewohl und ohne unser Wissen ändern« werde. (Konrad: Moibanus, S. 25). Moibanus hat dem Bischof ein ehrendes Andenken bewahrt. Nach seinem Tod äußerte er: »Seine Klugheit war so groß, daß er mit ihr, als alles in Unordnung war, nicht bloß die Breslauer Kirche geziert, sondern auch durch eine gewisse christliche Nachgiebigkeit gestützt und erhalten hat. Von ihm, als er meinen Schultern das Amt, das

4. Wiege des Glaubens  |

29

30

31

32 33 34 35

36 37

Evangelium zu predigen, auferlegte, weiß ich bestimmt, die Worte gehört zu haben: ›Gehe hin und predige das Evangelium Jesu Christi‹. Ein Wort, wahrlich eines christlichen Hirten würdig, welches nicht bloß Lob, sondern vor allem Nachahmung bei allen frommen und guten Bischöfen verdient.« Zitiert nach Engelbert: Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien. Teil III: Die widerrechtliche Inbesitznahme weiterer Kirchen in Breslau.– In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 20 (1962), S. 291–372, S. 342. Das wichtige Moibanus-Kapitel bei Engelbert (S. 328–346) ist stets mit heranzuziehen. Das vorgelegte Zitat bei Meyer: Ambrosius Moibanus.– In: Schlesische Lebensbilder 9 (2007), S. 109–120, S. 116. Vgl. auch das Kapitel ›Die Reformation des Gottesdienstes‹ bei Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus (Kap. 3, Anm. 13), S. 25–34. Hier das Zitat S. 32 f. in leicht abgewandeltem Wortlaut. Vgl. auch die Studie von Alfred Sabisch: Der Meßcanon des Breslauer Pfarrers Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte des protestantischen Gottesdienstes in Schlesien in den ersten Jahrzehnten der Glaubensspaltung.– In: Archiv für Schlesische Kirchengeschichte 3 (1938), S. 98–126. So der Titel des ›Catechismus/ Auff zehen Artickel Göttlicher schriftt/ wie man fur Gott vnd den menschen ein Christlich frumes leben furen sol.‹. Vgl. Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus (Kap. 3, Anm. 13), S. 49. Hier das Kapitel ›Der Katechismus Moibans‹, S. 49–54, mit eingehender Inhaltsangabe. So der Eintrag von Bonaventura Rösler auf dem Kalkstein aus dem Jahre 1564. Die zweite Gedenktafel wurde anl. des sechshundertjährigen Bestehens der Elisabethkirche im Jahr 1857 gestiftet. Beide Denkmäler findet man erwähnt in dem mit größter Akribie erarbeiteten Verzeichnis der der Elisabethkirche zugehörigen Epitaphien und Grabdenkmäler in: Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 129. Vgl. auch Luchs: Die Denkmäler der Elisabeth-Kirche zu Breslau. 1860, Nr. 401 und Nr. 7, sowie Konrad: Dr. Ambrosius Moibanus (Kap. 3, Anm. 13), S. 79 f. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 182. Johann Adam Hensel: Protestantische Kirchen=Geschichte der Gemeinen in Schlesien Nach allen Fürstenthümern, vornehmsten Städten und Oertern dieses Landes.– Leipzig, Liegnitz: Siegert 1768, Bl. e4r. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 183. Vgl. den Eintrag daselbst zu Musäus S. 182–188. Vgl. Gottfried Arnold: Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie/ Vom Anfang des Neuen Testaments biß auff das Jahr Christi 1688. – Franktfurt a.M.: Fritsch 1699–1700. Dazu mit der gesamten einschlägigen Literatur Klaus Garber: Die Gemeinschaft der Guten. Urgeschichtliche Paradigmen im Ursprung der Aufklärung: Arnold – Leibniz – Thomasius.– In: ders.: Literatur und Kultur im Europa der Frühen Neuzeit. Gesammelte Studien.– München: Fink 2009, S. 607–657. Hier zu Arnold S. 618–627. Aufführung und Charakteristik der verschiedenen Ausgaben des berühmten Arnoldschen Werkes hier S. 620, Anm. 32. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 187. Zum Folgenden vgl. etwa Ernst Siegmund-Schultze: Kryptocalvinismus in den schlesischen Kirchenordnungen. Eigenart und Schicksal des Kryptocalvinismus.– In: Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 5 (1960), S. 52–68; Manfred P. Fleischer: Die schlesische Irenik. Unter besonderer Berücksichtigung der Habsburger Zeit.– In: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte N.F. 55 (1976), S. 87–107. Hier S. 94 ff.: Der Kryptocalvinismus. Vgl. exemplarisch auch die große Abhandlung von Ferdinand Bahlow: Leonhard Krentzheim, der ›heimliche Kalvinist‹ in Liegnitz.– In: Mitteilungen

493

494

|  Anmerkungen

38 39

40 41

42

43 44 45 46 47

des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz 15 (1934–1935), S. 106–220. Zum Kontext vgl. das Kapitel ›Ursin in Breslau‹ bei Sturm: Der junge Zacharias Ursin. Sein Weg vom Philippismus zum Calvinismus (1534–1562).– Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 1972 (Beiträge zur Geschichte und Lehre der Reformierten Kirche; 33), S. 131–167, und hier insbesondere die Unterabschnitte ›Die kirchliche Situation in Breslau vor Ursins Lehrtätigkeit‹, S. 123–129, sowie ›Melanchthons Eingreifen in den Breslauer Abendmahlsstreit im Jahre 1559‹, S. 129–136, sowie schließlich ›Ursins Entlassung‹, S. 164–167. Des weiteren: Werner Bellardi: Schlesien und die Kurpfalz. Der Beitrag vertriebener schlesischer Theologen zur ›reformierten‹ Theologie und Bekenntnisbildung (1561–1576).– In: Jahrbuch für schlesische Kirchengeschichte N.F. 51 (1972), S. 48–66. Vgl. auch die Darlegungen oben S. 53 ff. Zu Eccilius vgl. wiederum Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 188 f. Vgl. Thomas Kaufmann: Theologische Auseinandersetzungen an der Universität Königsberg im 16. und 17. Jahrhundert.– In: Kulturgeschichte Ostpreußens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Garber, Manfred Komorowski, Axel E. Walter.– Tübingen: Niemeyer 2001 (Frühe Neuzeit; 56), S. 243–318.– Zu Aurifaber wiederum Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 189–192. Zu den beiden Theologen wiederum Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 193–195 und S. 195–197. Einen dringend erwünschten Eintrag zu Zacharias Hermann sucht man in den Schlesischen Lebensbildern bislang vergeblich, die auch nach der Vorlage von bislang zehn Bänden das Fehlen eines gediegenen biographischen Kompendiums für dieses zentrale Territorium Mittelosteuropas immer noch schmerzlich fühlbar erscheinen lassen. Vgl. zur ersten Information wiederum das Porträt bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27). S. 197–200. Vgl. auch den Eintrag bei Jöcher: Allgemeines Gelehrten-Lexikon, Band II, (1750), Sp. 1542. In der ADB fehlt ein eigener Eintrag, doch existiert eine Seitenbemerkung im Eintrag zu dem geistlichen Liederdichter gleichen Namens (Band XII (1880), S. 220 f.). Frewdenpredigt/ Am 20. Sontage nach Trinitatis/ An welchem die Königliche Wahl DEß Durchlauchtigsten/ Großmächtigsten Fürsten vnd Herren/ Herren Friedrich/ Pfaltzgraffen beym Rhein/ deß Heiligen Römischen Reichs Ertz Druchsessen/ Churfürsten/ Hertzogen in Bayern/ Grafen zu Veldentz vnd Spanheim/ etc. zum Haupt/ König vnd Herren im Königreich Böheimb/ in allen Breslawischen Kirchen der Augspurgischen Confession, offentlich publiciret vnd abgekündiget worden. Gehalten Durch Zachariam Hermannum, der H. Schrifft Doctorem, Pfarrherrn vnd Inspectorem der Kirchen vnd Schulen in Breßlaw. Gedruckt zu Bresslaw/ durch Georgium Bauman/ Jn vorlegung Johann Eyrings seligen Erben/ vnd Johann Perferts/ beyder Buchhändler daselbsten. 1619. Exemplar im SchlesischLausitzischen Kabinett der BU Wrocław (Y b 4012, 41), herrührend aus der Bernhardiner Bibliothek, die überging in die Stadtbibliothek Breslau (4 W 80). Ebd., Bl. B2r. Bl. D3v f. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 198 f. Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica Von Ober= und Nieder=Schlesien.– Frankfurt/Main: Knoch 1689, S. 500 f. Huldigungspredigt/ Als der Durchlauchtigste/ Großmächtigste Fürst vnd Herr/ Herr Friedrich König zu Böhmen/ […] Von den hochlöblichen Herren Fürsten vnd Ständen in Ober vnd Nider Schlesien/ zu Bresslaw/ den 27. Tag Februarij dieses 1620 Jahres die Huldigung

4. Wiege des Glaubens  |

48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58

empfangen/ Jn der Kirchen zu St. Elisabeth gehalten Von Zacharia Hermanno, der H. Schrifft Doctore, der Kirchen vnd Schulen in Breßlaw Inspectore.– Breslau: Georg Baumann 1620. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław (Yb 47/8; 48/6), aus der Stadtbibliothek Breslau (4 E 1.1112; 4 F 223). Ebd., Bl. C1v f. Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten (Anm. 46), S. 502. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 199. Ebd., S. 202. Vgl. zu ihm Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 202–206. Ebd., S. 204, Anm. (a). Ebd., S. 204 f. Zu den drei Geistlichen vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 206–208, S. 208–210, S. 210–211. Ebd., S. 211. Zedler: Grosses Vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, Band XXIV, (1740), Sp. 243. Zu Caspar Neumann liegt ein Vorkriegs-Eintrag von Konrad Müller im dritten Band der Schlesischen Lebensbilder – Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts – aus dem Jahr 1928 vor (Reprint: Sigmaringen: Thorbecke 1985). Hier S. 131–138. Dazu im Anhang die Abbildung 12. Vgl. auch den Artikel von Paul Konrad: Kaspar Neumann.– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 7 (1900), S. 49–78. Ebd. im Jahrgang 12 (1912), S. 29–45, auch ein Beitrag von Martin Schian: Caspar Neumann als geistlicher Redner. Vgl. von Schian auch: Orthodoxie und Pietismus im Kampfe um die Predigt.– Gießen: Töpelmann 1912 (Studien zur Geschichte des neueren Protestantismus; 7), S. 109 f., S. 118 f. Des weiteren wichtig der Beitrag von Hildegard Zimmermann: Caspar Neumann und die Entstehung der Frühaufklärung.– Witten: Luther-Verlag 1969 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus; 4). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die wie immer weite Perspektiven eröffnenden Bemerkungen von Herbert Schöffler: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung. Von Martin Opitz zu Christian Wolff.– Frankfurt/Main: Klostermann 1956, S. 178 ff. Eine Biographie stammt von B[ertold]. Schubert: Caspar Neumann 1648–1715. Ein Zeit= und Lebensbild.– Elberfeld: Verlag des lutherischen Büchervereins 1903. Hinzuzunehmen die Einträge in der ADB XXIII (1886), S. 532–535 (Schimmelpfennig) und in der NDB XIX (1999), S. 156 (Peter Koch) sowie im BiographischBibliographischen Kirchenlexikon VI (1993), Sp. 647 f. (Ulrich Rose) und den vier Auflagen von Religion in Geschichte und Gegenwart. Dazu der Eintrag von Barbara Mahlmann-Bauer in der zweiten Auflage von Killys Literaturlexikon VIII (2010), S. 543 f., mit weiterer Literatur. Weniger beachtet, aber sehr ergiebig, nicht zuletzt wegen der erstmals mitgeteilten epistolarischen Quellen: G[ottschalk]. E[duard]. Guhrauer: Leben und Verdienste Caspar Neumann’s. Nebst seinem ungedruckten Briefwechsel mit Leibniz.– In: Schlesische Provinzialblätter 67 / N.F. 2 (1863), S. 7–17, 141–151, 202–209 (mit einer Berichtigung S. 210), 263–272 (hier der Briefwechsel mit Leibniz). Und schließlich immer noch lesenswert der Artikel von Hermann Beck in der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche 13 (1903), S. 770 f. »Es ist etwas Ruhiges, Mildes, Abgeklärtes an dem Manne, der um deswillen von der Achtung und Liebe der Gemeindeglieder in Altenburg und dann in

495

496

|  Anmerkungen

59 60 61

62 63 64

65 66 67 68

Breslau getragen war.« (S. 770) In dem eindrucksvollen Nachfolgewerk der jüngsten Zeit, der Theologischen Realenzyklopädie, hat sich der Name Neumanns verloren. Müller: Schlesische Lebensbilder (Anm. 58), S. 137. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 219. Auch zu Johann Friedrich Burg liegt ein Vorkriegs-Eintrag im zweiten Band der Schlesischen Lebensbilder (1926) aus der Feder von Georg Blümel vor (S. 73–77 mit Abbildung 8). Ihm ist auch die Biographie Burgs zu verdanken: Georg Blümel: Der Kircheninspektor Johann Friedrich Burg. Ein schlesisches Lebens- und Zeitbild aus den Tagen Friedrichs des Großen.– Breslau: Korn 1928. Dazu die Einträge in der ADB III (1876), S. 588 f. (Schimmelpfennig) und in der NDB III (1957), S. 42 (Schüßler), im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon I (1990), Sp. 817 f., sowie in der zweiten bis vierten Auflage von Religion in Geschichte und Gegenwart. Vgl. auch Günther Schiedlausky: Eine Jubiläumsgabe für den Breslauer Theologen Johann Friedrich Burg.– In: Schlesien 12 (1967), S. 143–148. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 223. Das Porträt Burgs von Ehrhardt sei dem Leser nachdrücklich empfohlen (S. 219–229). Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 290. Auch für die Baugeschichte der Kirche St. Maria Magdalena ist allemal zurückzugreifen auf das Vorkriegs-Standardwerk. Der Eintrag zur zweiten Hauptkirche der Stadt eröffnet den zweiten Band von: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 1–72. Er ist insbesondere für die Ausstattung wiederum erschöpfend. Vorangegangen war sehr viel knapper, gleichwohl gehaltreich Lutsch: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 55–59. Darüber hinaus sei verwiesen auf Johann Carl Herrmann Schmeidler: Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Haupt-Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Breslau vor der Reformation.– Breslau: Graß, Barth und Comp. 1838, sowie auf den Jubiläumsband: Siebenhundert Jahre St. Maria Magdalena 1226–1926. Streifzüge durch ihre Vergangenheit, ihren Bau und ihre Gegenwart. Hrsg. vom Gemeinde-Kirchenrat.– Breslau: Korn 1926. Darin Werner Güttel: Baugeschichte der Maria-Magdalenen=Kirche, S. 58–84. Dazu von dem letzten deutschen Pfarrer Ulrich Bunzel: Haupt- und Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Breslau.– Ulm: Verlag ›Unser Weg‹ 1960. Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 12. Bunzel: Haupt- und Pfarrkirche St. Maria Magdalena (Anm. 64), S. 34. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 294. Zum folgenden und damit vor allem zu Johann Heß vgl. außer der im dritten Kapitel Anm. 8 bereits aufgeführten Literatur des weiteren u. a. die Einträge in der NDB IX (1972), S. 7 f. (Georg Kretschmar), sowie in der Theologischen Realenzyklopädie XV (1986), S. 260– 263 (Martin Seils, mit reicher Literatur) und in der vierten Auflage von: Die Religion in Geschichte und Gegenwart III (2000), Sp. 1704 (Heinz Scheible; zu knapp). Es liegen außer der maßgeblichen und oben zitierten Biographie von Julius Köstlin an älteren Arbeiten vor: Carl Adolph Julius Kolde: Dr. Johann Heß, der schlesische Reformator.– Breslau: Trewendt 1846; Adolf Henschel: Dr. Johannes Heß, der Breslauer Reformator.– Halle: Verein für Reformationsgeschichte 1901. Hinzuzunehmen die drei wichtigen Miszellen von Küntzel zur Biographie von Heß in: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche in Schlesien 5 (1896/97), S. 1–7, S. 123–131; 6 (1898/99), S. 213–228. Schließlich ist zu verweisen auf Gustav Bauch: Johann Thurzo und Johann Heß.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 36 (1901), S. 193–224. Von Bauch stammen

4. Wiege des Glaubens  |

auch die gehaltreichen ›Analekten zur Biographie des Johann Heß‹, in: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 8 (1902/03), S. 161–185; 9 (1904/05), S. 34–64. 69 Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 298 und S. 299. 70 Ebd., S. 301. 71 Vgl. die Beschreibung und Abbildung des ihm gewidmeten Epithaphs in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 56–58 mit Abbildung 33. In der Sockelzone befindet sich eine Tafel mit griechischen Distichen von Melanchthon. Das Bild selbst dürfte von einem Breslauer Meister stammen. Es ist »wegen seiner Beziehungen zu bekannten Bildern der Werkstatt Lukas Cranachs (Prag, Gotha, Königsberg u. a.) und wegen der ikonographischen Gestaltung reformatorischer Grundgedanken von hervorragender Bedeutung«. (S. 56). 72 Vgl. zu Halbrod Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 309–311. 73 Auch zu Cureus vgl. den Eintrag bei Ehrhardt, S. 311–315. Das Zitat hier S. 312. 74 Ebd. 75 Vgl. außer den beiden Einträgen bei Ehrhardt S. 315–317 und S. 319–320 auch Küntzel: Lukas Pollio. Pastor primarius an St. Maria Magdalena in Breslau (1567–1583).– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 6 (1898), S. 1–24; ders.: Lebensbild des M. Joachim Pollio. (1577–1644). Pastor an St. Maria Magdalena während des dreißigjährigen Krieges 1618–1644.– In: Correspondenzblatt 8 (1902), S. 186–204. 76 Vgl. die Beschreibung in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 54 f. mit Abbildung 32. 77 Ebd., S. 52–54 mit Abbildung 31. 78 Künzel: Lukas Pollio (Anm. 75), S. 8. 79 Zitiert bei Künzel: Lebensbild des M. Joachim Pollio (Anm. 75), S. 205 (Anhang). 80 Vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 318 mit Anm. (g). 81 Vgl. Ehrhardt, S. 319 f. mit Anm. (xx). 82 Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 320 f. mit Anm. (p). Vgl. auch das ›Monumentum Hermannianum‹, das sich – herrührend aus der Breslauer Stadtbibliothek – im SchlesischLausitzischen Kabinett der BU Wrocław befindet (Yv 205(4)). 83 Auch zu ihm ist Ehrhardt, S. 321 f., zu vergleichen. 84 Ebd., S. 323 f. 85 Ebd., S. 325. 86 Auch für Martin Hanke fehlt in den Schlesischen Lebensbildern bislang ein Porträt. Vgl. zu ihm den Eintrag bei Ehrhardt, S. 326 f., sowie bei Leuschner: Ad Cvnradi Silesiam Togatam Spicilegivm Decimvm Tertivm […] Invitat M. Iohann. Christianvs Levschnervs.– Hirschberg: Krahn [s.a.], Bl. A4v f. 87 Ehrhardt, S. 327. 88 Vgl. Ehrhardt, S. 327–329. 89 Vgl. Ehrhardt, S. 329–331. Vgl. auch den Eintrag in der ADB XII (1880), S. 196 f. (Schimmelpfennig). 90 Vgl. Ehrhardt, S. 393 f. Vgl. auch den Eintrag von Ernst Weber mit der einschlägigen Literatur in: Killy Literaturlexikon. 2., vollständig überarb. Aufl. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Band V (2009), S. 329–331, sowie im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon II

497

498

|  Anmerkungen

(1990), Sp. 762 f. Des weiteren ADB XII (1880), S. 197 f. (Schimmelpfennig); NDB VIII (1969), S. 696 f. (Erich Beyreuther). 91 Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 368. 92 Zur Bernhardinerkirche vgl. wiederum an erster Stelle den Eintrag in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 174–198. Vgl. auch Lutsch: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), S. 71–76. Die beiden maßgeblichen historischen Darstellungen sind älteren Datums, jedoch, wie so oft, nicht überholt: Michael Morgenbesser: Geschichte der evangelischen Haupt= und Pfarrkirche zu St. Bernhardin in Breslau.– Breslau: Graß & Barth 1838; Johann Carl Hermann Schmeidler: Urkundliche Geschichte der evangelischen Haupt= und Pfarrkirche zu St. Bernhardin in Breslau von der ersten Gründung derselben bis auf die heutige Zeit. Denkschrift zur 400jährigen Jubel-Feier dieser Kirche.– Breslau: Methner 1853. 93 Zitiert nach: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 174. 94 Vgl. das Porträt von Nadus bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 373–375. 95 Vgl. zu beiden Ehrhardt, S. 374 f. 96 Vgl. Ehrhardt, S. 375 f. 97 Vgl. Ehrhardt, S. 376 f. und S. 377–380. 98 Vgl. Ehrhardt, S. 380 f. 99 Vgl. Ehrhardt, S. 381–384. 100 Vgl. Ehrhardt, S. 384 f., S. 386 f. 101 Vgl. die angegebene Literatur im zweiten Kapitel, Anm. 18. 102 Zur Breslauer Hofkirche vgl. wiederum den Eintrag in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 210–241. Als neuere ansprechende kleine Darstellung: Ulrich Hutter-Wolandt: Die Hofkirche zu Breslau. Ein Rokokokirchenbau im frühpreußischen Schlesien.– Bonn: Kulturstiftung der Vertriebenen 1999 (Historische Forschungen). Sehr ergiebig auch der Beitrag von J.F.A. Gillet: Kurze Nachricht von der Entstehung der Hofkirchengemeine, ihrer Anstalten und kirchlichen Einrichtungen nach den im Kirchenarchiv befindlichen Quellen zusammengestellt.– Breslau 1850. Hinzuzunehmen wieder der ergiebige Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 485–492. 103 Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 2), Band II, S. 212. 104 Vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 27), S. 489. 105 Ebd., S. 489. 106 Vgl. auch zu ihm noch einmal Ehrhardt, S. 489 f. 107 Wir kommen im folgenden Kapitel ausführlich auf Hering zurück. Ehrhardt und Hering waren befreundet. So steht auch in Ehrhardts Presbyterologie ein schönes Porträt des großen Geistlichen und Gelehrten (S. 491 f.). Mit ihm und seinem Nachfolger Johann Benjamin Wunster beschließt Ehrhardt den ersten Teil seiner unerschöpflichen Presbyterologie.

5. Hochburg des Wissens 1

Auch im folgenden ist eine insgesamt reiche Literatur heranzuziehen. Es will freilich etwas besagen, daß wir uns für unser kleines frühneuzeitliches Breslau-Porträt in Schuldingen nochmals gerne auf das schon im vorangehenden Kapitel herangezogene presbyterologische Werk von Ehrhardt beziehen, dem an versteckter Stelle nicht zufällig reichhaltige schulgeschichtliche Kapitel inkorporiert sind; Kirchen und Schulen wirkten vielfach zusammen.

5. Hochburg des Wissens  |



2

Vgl. die Darstellung bei Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Erster Theil. Erster Haupt-Abschnitt. – Liegnitz: Pappäsche 1780, S. 92–112. Eine ergiebige Fundgrube ist auch das Werk des Arztes und Münzkundlers Johann Christian Kundmann, dem es gelang, aus den figürlichen und textuellen Elementen der Münzen kulturgeschichtliche Porträts zu schöpfen, die neben vielen anderen Bereichen auch der Schulgeschichte zugute kamen. Der Titel des Werkes, das rasch Berühmtheit erlangte, ist wie alle Kundmannschen sprechend und gibt Aufkunft über das, was seinen Verfasser umtrieb: Academiae Et Scholae Germaniae, praecipuè Dvcatvs Silesiae, Cvm Bibliothecis, In Nvmmis. Oder: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes, insonderheit Des Hertzogthums Schlesiens, Mit ihren Bücher=Vorräthen in Müntzen. Wie auch andere ehemals und jetzo woleingerichtete Schulen dieses Hertzogthums. Denen ein Anhang alter rarer goldener Müntzen, so bey Grundgrabung des Hospital=Gebäudes zu Jauer Anno 1726 gefunden worden, beygefüget: Dem Druck nebst nöthigen Kupffern überlassen von D. Johann Christian Kundmann, Medico Vratisl. Der Kayserlichen Reichs=Academ. Nat. Curios. Mitgliede. Breßlau, verlegts Johann Jacob Korn, 1741. Wir werden das Werk häufig konsultieren. Und so nicht anders auch in diesem Kapitel Friedrich Lucaes ›Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten‹ aus dem Jahr 1689, die ebenfalls anschauliche zeitgenössische Porträts enthalten. Vgl. das Kapitel ›Von denen Gymnasiis und Schulen in Schlesien‹, S. 546–627. Gleichfalls kennengelernt haben wir bereits Gustav Bauchs bahnrechende Darstellungen zur Breslauer Schulgesichte vor der Reformation und im Zeitalter der Reformation selbst, auf die wir uns vielfältig stützen werden. Es stände anders um die Schulgeschichte Breslaus, wenn quellenkundlich gleich gediegene Darstellungen auch für das 17. und 18. Jahrhundert verfügbar wären. Ob sie uns in der Zukunft geschenkt werden? Wir verweisen mit Genugtuung auf eine jüngst erschienene Studie, die belegt, daß das Thema und die akademische Disziplin auch im Blick auf Schlesien ihre Attraktivität nicht verloren haben: Christine Absmeier: Das schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation. Ständische Bildungsreformen im Geiste Philipp Melanchthons.– Stuttgart: Steiner 2011 (Contubernium; 74). Daselbst weitere reiche Literatur nebst einem Verzeichnis ausgewählter Quellen. Vgl. zum Voranstehenden Heinrich Wuttke: Die Versuche der Gründung einer Universität in Schlesien.– In: Schlesische Provinzialblätter 112 (1840), S. 412–424, S. 501–514; 113 (1841), S. 3–9; Ernst Theodor Gaupp: Die Stiftungsurkunde des Königs Wladislaus von Böhmen und Ungarn, vom 20. Juli 1505, für die in Breslau zu gründende Universität, aus dem Original mitgeteilt und mit Einleitung und Anmerkungen versehen.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 1 (1856), S. 229–244; Gustav Koffmane: Eine schlesische Universität in der Reformationszeit.– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 2 (1883), S. 34–38; Gerhard Eberlein: Die erste evangelische Universität.– In: Evangelisches Kirchenblatt für Schlesien 4 (1901) Nr. 36/37/38, S. 281–282, 289–290 und 297–298; Hermann Hoffmann: Zur Vorgeschichte der Breslauer Universität.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 68 (1934), S. 108–117; Jan Harasimowicz: ›Pro felici orthodoxe christiane religionis nostre incremento, pro gloria et exaltatione regni ac corone nostre boemie‹. Der Gründungsversuch einer jagiellonischen Universität in Breslau im Jahr 1505.– In: Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Festschrift Winfried Eberhard. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Karen Lambrecht, Hans-Christian

499

500

|  Anmerkungen

Maner.– Leipzig: Universitätsverlag 2006, S. 85–94. Vgl. auch die große Abhandlung von Gustav Bauch: Schlesien und die Universität Krakau im XV. und XVI. Jahrhundert.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907) S. 99–180. Dazu das Kapitel ›Versuch der Gründung einer städtischen Universität in Breslau‹ in dem unten Anm. 7 zitierten Werk Bauchs, S. 241–281. 3 Grundlegend geblieben ist die aus den Quellen erarbeitete große Monographie von Gustav Bauch: Valentin Trozendorf und die Goldberger Schule.– Berlin: Weidmann 1921 (Monumenta Germaniae Paedagogica; 57). Vgl. aus der lexikalischen Literatur vor allem die Einträge von Karl Weidel in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 98–107, sowie von Elke Axmacher im Biographisch-bibliographischen Kirchenlexikon 12 (1997), Sp. 618–623, jeweils mit weiterer Literatur. Zu den Bildnissen von Trozendorf vgl. die reizvolle Miszelle von Richard Förster in: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 7 (1896), S. 502–514. 4 Zum Brieger Gymnasium und den erwähnten zentralen Gestalten vgl. Johann Gottfried Weinschenk: Historische Nachricht von der Stiftung und den Schicksalen des Königlichen Gymnasii Jllustris zu Brieg/ wie auch von dessen Rectoribus und Professoribus, bey dem Andenken der vor zweyhundert Jahren geschehenen Grundlegung desselben.– Brieg: Tramp 1764; Karl Friedrich Schönwälder, Johannes Julius Guttmann: Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Brieg. Zur Dreihundertjährigen Jubelfeier.– Breslau: Nitschkowsky 1869; Franz Nieländer: Das Brieger Gymnasium.– Brieg: Süßmann 1931. Die gesamte und insbesondere ältere Literatur findet man in einer kulturgeschichtlichen Bibliographie zu Liegnitz und Brieg zusammengeführt, die als Anhang dem 19. Band des Osnabrücker Handbuchs des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven aus der Feder des Verfassers beigegeben ist, das in seinem 19. und 20. Band den Beständen von Liegnitz und Brieg gewidmet ist, die sich heute in der BU Wrocław befinden (Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2007). 5 Diese vielleicht interessanteste gelehrte Schöpfung auf schlesischem Boden in der Frühen Neuzeit bildet einen der thematischen Schwerpunkte in einem soeben erschienenen Buch des Verfassers. Hier ist die gesamte quellenkundliche und wissenschaftliche Literatur verarbeitet, so daß der eine Verweis an dieser Stelle ausreichen mag: Klaus Garber: DAPHNIS. Ein unbekanntes Epithalamium und eine wiederaufgefundene Ekloge von Martin Opitz in einem Sammelband des schlesischen Gymnasium Schönaichianum zu Beuthen in der litauischen Universitätsbibliothek Vilnius.– In: ders.: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Bibliotheken und Archiven Mittel- und Osteuropas; 4), S. 1–102. Hierin das zweite Kapitel: Das Gymnasium Schönaichianum zu Beuthen an der Oder und ein zeitgenössischer Sammelband aus seinem Umkreis, S. 15–36. Hinzuzunehmen der quellenkundliche Anhang zu der Abhandlung: Verzeichnis bio-bibliographischer handschriftlicher und gedruckter Hilfsmittel zur schlesischen Personenkunde der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung des Späthumanismus, S. 97–157. 6 Vgl. zu dem Angedeuteten zuletzt den mit reicher Literatur versehenen Überblick von Christine Absmeier: Schul- und Bildungsgeschichte.– In: Historische Schlesienforschung (Kap. 2, Anm. 1), S. 543–563. 7 Hierzu und zum folgenden sei noch einmal verwiesen auf die grundlegende Darstellung von Gustav Bauch, der wir folgen: Geschichte des Breslauer Schulwesens vor der Reformation.– Breslau: Hirt 1909 (Codex Diplomaticus Silesiae; 25).

5. Hochburg des Wissens  |

8

9 10

11 12

13 14

Auch hier muß um der einschneidenden Bedeutung willen der Titel des Bauchschen Werkes wiederholt werden, das nur zwei Jahre nach dem Vorgänger abgeschlossen wurde und von einer immensen Arbeitsleistung zeugt: Gustav Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation.– Breslau: Hirt 1911 (Codex Diplomaticus Silesiae; 26). Dazu die oben Anm. 1 aufgeführte neue Arbeit von Christine Absmeier. Vgl. zum Vorgetragenen die Darlegungen bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 33 ff. Zu Troger bzw. Tröger vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 38–40. Zu Metzler vgl. Bauch, S. 54 f. nebst Register, sowie ders.: Beiträge zur Litteratur-Geschichte des schles. Humanismus. IV.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 32 (1898), S. 49–104. Hier zu Metzler S. 49–81. Zu Johann Heß vgl. die in den Kapiteln 3 (Anm. 8) und 4 (Anm. 68) angegebene Literatur. Zu den Anfängen des Vorlesungswesens neben der Literatur zu Moibanus und Heß vor allem wiederum Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 56 ff. Zu der – problematischen – Gestalt des Staphylus, der in Königsberg in den Osiandrischen Streit verwickelt war und nach Breslau herüberwechselte, später zum Katholizismus konvertierte und sich als ein eifriger Verfolger der Protestanten gerierte vgl. die Einträge von Paul Tschackert in der ADB XXXV (1893), S. 457–461, sowie von Karl Forstreuter in der Altpreußischen Biographie II (1967), S. 690. Vgl. auch Konrad Müller: Friedrich Staphylus, ein Konvertit des 16. Jahrhunderts.– In: Jahrbuch für schlesische Kirche und Kirchengeschichte 36 (1957), S. 24–45. Dazu das Porträt bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 171–174. Hier S. 172 f. die Charakteristik seiner Antrittsrede. Zu Andreas Winkler vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 97–97 mit Anm. (m); Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 99–115 nebst Register. Eine große Monographie zur Geschichte des Elisabethgymnasiums, die der Bedeutung dieser herausragenden Anstalt und der in ihr wirkenden Personen gerecht werden würde, fehlt bis heute und es muß als fraglich gelten, ob sie noch zustandekommen wird. Wünschenswert wäre es allemal. Sie hätte ihren Ausgang zu nehmen von dem aus der Stadtbibliothek herrührenden und heute im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław verwahrten Sammelband Yu 1050 mit Programmschriften und anderweitigen Quellen. Die einschlägigen Jubiläumsschriften langen allemal nicht hin. Am ergiebigsten ist bezeichnenderweise die im 18. Jahrhundert anläßlich der Zweihundertjahrfeier veranstaltete: Sammlung der Jubelschriften, welche bey der Feyer des zweyhundertjährigen Andenken der Stiftung und Einweihung des Elisabetanischen Gymnasii zu Breslau am 29ten Tage des Jänners im Jahre 1762. von Lehrenden und Lernenden, theils vorgetragen, theils verfertiget, auch anderwertsher zugeschickt worden, nebst einer Vorrede Sr. Hochw. des Hrn. Oberconsistorialrath; Prof. und Inspector Burg und einer kurzgefaßten Geschichte dieses Musensitzes.– Breslau: Korn 1762. Vgl.: Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau. Hrsg. von der Verwaltung der Stadtbibliothek. [Bearbeitet von Heinrich Wendt!].– Breslau: Morgenstern 1903, S. 305. Hier auch ein kurzes Verzeichnis der wesentlichen Bestandteile des Werkes, das heute – unter den alten Wendtschen Signaturen – gleichfalls im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett verwahrt wird (Yu 833 und Yu 834) (Film und gebundene Kopie im Filmarchiv und in der Bibliothek des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück). Die auf dem Titelblatt angekündigte ›kurzgefaßte Geschichte dieses Musensitzes‹ rührt her von Carl Benjamin Stieff, ›der Geschichtkunde und lateinischen Sprache

501

502

|  Anmerkungen

15

16

17

18 19

20

ordentl. Lehrer in gedachtem Gymnasio, wie auch verschiedner gelehrter Akademien und Gesellschaften Mitgliede.‹ Sie beschließt die Festschrift: Kurzer Abriß einer Geschichte des Elisabetanischen Gymnasii in Breslau, bey Desselben zweiter Jubelfeier als ein Beytrag zu denen dabey verfertigten Schriften, S. 301–361. Die Geschichte des Gymnasiums im 17. und 18. Jahrhundert ist auch bei Stieff sehr knapp geraten. Hinzuzunehmen daher die gleichfalls noch aus dem 18. Jahrhundert stammende Darstellung des seinerzeitigen Rektors Johann Ephraim Scheibel: Beytrag zur Geschichte des Elisabetanischen Gymnasii.– Progr. Breslau 1799 (Im wesentlichen ein Auszug aus der 1631 einsetzenden Matrikel). Exemplar im Schlesisch-Lausitzisches Kabinett der BU Wrocław: Yu 1050 (2). Es bleibt zu bedauern, daß die Abhandlung von dem seinerzeitigen Rektor Samuel Gottfried Reiche: Geschichte des Gymnasiums zu St. Elisabet. Erste Periode von der Errichtung der Elisabetschule bis zu deren Erhebung zu einem Gymnasium. 1293–1562.– Progr. Breslau 1843, keine Fortsetzung gefunden hat. Vgl. bei Kundmann: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes (Anm. 1) das Kapitel ›Von der Schulen bey der Kirchen zu St. Maria Magdalena, zu St. Elisabeth, und zu St. Bernhardin in der Neustadt in Breßlau‹, S. 31–106. Das vorgelegte Zitat hier S. 32 f. Übersetzung der Inschrift: Der Anfang der Weisheit besteht in Gottesfurcht. Weisheit und Gelehrsamkeit verschmähen wahrlich nur Törichte. Vgl. auch die eingehende Beschreibung des poetischen und skulpturalen Schmucks der nova schola des Elisabethgymnasiums bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 185–189. Grundlegend wiederum Gustav Bauch: Petrus Vincentius. Der Schöpfer des Görlitzer Gymnasiums und erste Breslauer Schulinspektor.– In: Mitteilungen der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte 19 (1909), S. 269–330. Dazu der Eintrag von Hartmut Freytag in: Schlesische Lebensbilder 8 (2004), S. 60–68, mit einem Verzeichnis der Werke des Vincentius sowie der einschlägigen Literatur. Sehr ergiebig auch der Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 97 f. Die ungedruckte Antrittsrede befand sich im Staatsarchiv Breslau: Ms E 2, 2, fol. 438 f.: Oratio habita Vratislauiae in Schola Elisabethica a D.M. Vincentio Rectore Anno Christi […] 1569. Der Titel der berühmten Schulordnung des Vincentius: Constitutiones Scholasticae Wratislavienses, oder Leges Gymnasii Wratislaviensis Elisabethani.– Breslau 1570. Zur deutschsprachigen Breslauer Schulordnung aus dem gleichen Jahr vgl. Schönborn: Beiträge III (Anm. 20), S. 1–22. Das Zeugnis von Monau bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 293. Zu Monau vgl. eingehend unten S. 269 ff. Vgl. zu ihm Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 98; Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 312–318. Vgl. auch den knappen Eintrag mit dem Verweis auf die einschlägigen älteren Referenzwerke bei John L. Flood: Poets Laureate in the Holy Roman Empire. A Bio-Bibliographical Handbook. Vol. I–IV.– Berlin, New York: de Gruyter 2006, Vol. IV, p. 1887 f. Zum Magdaleneum liegt eine informative mehrteilige und bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts sich erstreckende Studie des langjährigen Rektors der Anstalt Schönborn vor, wie wir sie für das Elisabethanum so schmerzlich vermissen: Carl Schönborn: Beiträge zur Geschichte der Schule und des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena in Breslau. I: Von 1266 bis 1400. Progr. Breslau 1843. II: Von 1400 bis 1570. Progr. Breslau 1844. III: Von 1570 bis 1616. Progr. Breslau 1848. IV: Von 1617 bis 1643. Progr. Breslau 1857. Für die Folgezeit

5. Hochburg des Wissens  |

21 22 23

24 25 26 27

28

29 30 31 32 33

greift man zu Johann Caspar Friedrich Manso: Über die Verfassung des Magdalenäums seit dem Jahre 1710.– Progr. Breslau 1810, sowie zu Ferdinand Meister: Beiträge zur Geschichte des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena.– In: Festschrift zur 250jährigen Jubelfeier des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena zu Breslau am 30. April 1893. Hrsg. von dem Lehrerkollegium der Anstalt. Teil I.– Breslau: Breslauer Genossenschafts-Buchdruckerei 1893. Wiederum erwähnt (da zumeist nicht wahrgenommen) sei auch der reichhaltige Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 104–109. Auch hier finden sich Porträts der Rektoren der Anstalt.– Zu Helwig vgl. man den Eintrag von Herbert Gruhn in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 108–113. Ergiebig auch die Ausführungen bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 115–124. Zu Pridmann vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 106, Anm. 5, sowie Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 319–324. So eine zeitgenössische Äußerung aus dem Jahr 1591, zitiert bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 324. Zitiert wiederum bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 124. Daselbst S. 325–333 die maßgeblichen Äußerungen über ihn und sein Werk. Vgl. auch Schönborn: Beiträge III (Anm. 20), S. 27–30 sowie S. 43 f. Wir kommen auch auf Hoeckelshoven zurück. Vgl. vorerst auch wieder Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 106. Vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 333–336. Vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 336–338. Zitiert bei Schönborn: Beiträge IV (Anm. 20), S. 19. Zu Kirstenius vgl. die Einträge in der ADB XVI (1882), S. 34 f. (Schimmelpfennig) sowie im Svenskt biografiskt lexikon. Ny följd. Band X (1907), S. 190–192. Ich danke Inken SchmidtVoges (Osnabrück) für die Anfertigung einer Übersetzung. Vgl. auch Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 98, Nr. IV. Zum Hamburger Gymnasium vgl. die Literatur, die zusammengeführt ist bei Klaus Garber: Hamburg – nicht nur ein Sonderfall der deutschen Geschichte. Eine Betrachtung zur Literatur der Frühen Neuzeit und ihrer geschichtlichen Voraussetzungen. – In: Hamburg. Eine Metropolregion zwischen Früher Neuzeit und Aufklärung. Hrsg. von Johann Anselm Steiger, Sandra Richter. – Berlin: Akademie Verlag 2012 (Metropolis. Texte und Studien zu Zentren der Kultur in der europäischen Neuzeit; 1), S. 13–43. Zu Michael Kirstenius vgl. den Eintrag in: Hans Schröder: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. Band III (1857), S. 590–595. Hier eine Bibliographie seiner Schriften und weitere lexikalische Nachweise. Zu Sagittarius vgl. ADB XXX (1890), S. 173 (Hoche); NDB XXII (2005), S. 351 f. (Gerhard Menk); Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 98 f., Nr. V. Vgl. zum folgenden Schönborn: Beiträge IV (Anm. 20), S. 1–17: Die Einrichtung der Schule zu St. Maria Magdalena nach der Schulordnung vom Jahre 1617. Ebd., S. 5. Ebd., S. 11. Auch Elias Major verdiente seit langem eine große Monographie, wie sie bislang nicht vorliegt. Noch nicht einmal in die Schlesischen Lebensbilder ist sein Porträt bislang eingegangen. Heute greift man zunächst zu Flood: Poets Laureate (Anm. 19), Band III, S. 1233–1237, sowie zu: Killy Literaturlexikon. 2. Aufl. Band VII (2010), S. 627 f. (Taegert). Sodann wiederum

503

504

|  Anmerkungen

34

35

36

37

38 39 40

Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 99, Nr. VII. Hier auch die Literatur aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Vgl. Max Hippe: Aus dem Tagebuche eines Breslauer Schulmannes im siebzehnten Jahrhundert.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertum Schlesiens 36 (1901), S. 159–192. Hier S. 160 f. eine knappe Biographie Majors. Vgl. von Hippe auch: Volkstümliches aus einem alten Breslauer Tagebuche.– In: Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 6, Heft 12 (1904), S. 59–85. Dazu grundlegend: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert. Einladungsschriften zu den Schulactus und Szenare zu den Aufführungen ›förmlicher Comödien‹ an den protestantischen Gymnasien. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Konrad Gajek.– Tübingen: Niemeyer 1994 (Rara ex Bibliothecis Silesiis; 3). Vgl. M. Eliae Majoris Vratislaviensis, Ann. Chr. M.DC.XXXI. [1631] Calendis Majis, Laurea Caesarea Poetica solemniter redimiti; & VIII. Idus Majas Rectoris Gymnasii Vratislaviensis, publicè & legitimè renunciati, Adorea partim Utraqve, partim Alterutra, Fautorum, Amicorum, Discipulorum, Gratulationibus, ominibus, votis, ornata. Wir zitieren im folgenden nach dem Originaldruck der Festschrift für Elias Major, die in der Bibliothek zu St. Bernhardin in Breslau verwahrt wurde (Signatur 4 V 56 (32)), überging in die Breslauer Stadtbibliothek und heute ihren Platz in der BU Wrocław hat (Signatur: 534547). Eine Analyse der Sammelschrift mit Nominierung aller Beiträger findet man in: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band X: Breslau / Wrocław – Universitätsbibliothek / Biblioteka Uniwersytecka. Abt. II: Stadtbibliothek Breslau (St. Bernhardin). Teil II. Mit einer einleitenden Skizze von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2003, S. 486 f. (Nr. 1145). Das Gedicht steht in dem festlichen Bouquet auf den Blättern I4v und K1r. Es ist nicht eingegangen in die einzige, posthum ohne Jahr in Lübeck erschienene Ausgabe der Gedichte Flemings. Der bzw. die Herausgeber hatten es offensichtlich nicht verfügbar. Es wurde erstmals als Einzelstück gedruckt in: Paul Fleming: Deutsche Gedichte. Band I–II. Hrsg. von J[ohann]. M[artin]. Lappenberg.– Stuttgart 1865 (Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart; 82. 83). Reprint: Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965. Hier Band I, S. 116 f. mit dem Kommentar Band II, S. 701 f.. Lappenberg kannte den Text aus der Sammlung Meusebach in Berlin. Er modernisierte die Orthographie. Aufmerksam gemacht auf die beiden Freunde hatte der erste Kenner der schlesischen Literatur des 17. Jahrhunderts und zumal Opitzens und seiner Freunde Hermann Palm. Er hatte den Majorschen Druck bereits in der Hand. Vgl. Hermann Palm: Paul Fleming und Georg Gloger.– In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Mit einem Bildnisse von M. Opitz.– Breslau: Morgenstern 1877. Reprint: Leipzig: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik 1977, S. 103–112. Vgl. auch den herausragenden Eintrag von Arno Herzig zu Georg Gloger in: Schlesische Lebensbilder 7 (2001), S. 57–61. Schönborn: Beiträge III (Anm. 20), S. 25 f. Ebd., S. 26. Zu David Rhenisch und dem folgenden vgl. die eingehenden Ausführungen bei Schönborn: Beiträge III (Anm. 20), S. 30–35.

5. Hochburg des Wissens  |

41 Vgl. den Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 99, Nr. VI, sowie die Ausführungen bei Schönborn: Beiträge IV (Anm. 20), S. 26 f. 42 Zu Klose vgl. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 107, Nr. I, sowie zur Situation der Schule unter seinem Rektorat Schönborn: Beiträge IV (Anm. 20), S. 33 f. 43 Vgl. Schönborn: Beiträge II (Anm. 20), S. 43 f.; Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 81–83. 44 Vgl. Kundmann: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes (Anm. 1), S. 34 f. 45 Vgl. Hippe: Aus dem Tagebuche eines Breslauer Schulmannes (Anm. 34), S. 164 f. 46 Kundmann: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes (Anm. 1), S. 35. Vgl. auch Schönborn: Beiträge IV(Anm. 20), S. 36. 47 Vgl. Flood: Poets Laureate (Anm. 19), Band IV, S. 2084, mit den einschlägigen Referenzen. Dazu der (auch bei Flood fehlende) Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 99, Nr. VIII. 48 Vgl. zum Voranstehenden Klaus Garber: Das Liegnitzer und Brieger Bibliothekswesen im kulturellen Kontext.– In: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band XIX: Breslau / Wrocław – Universitätsbiblio­ thek/ Biblioteka Uniwersytecka. Abt. IV: Bestände aus Liegnitz und Brieg. Teil I. Mit einer bibliotheks- und kulturgeschichtlichen Einleitung und einer kommentierten Bibliographie von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann, Klaus Garber.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2006, S. 75 f., Anm. 98. 49 Grundlegend Hermann Markgraf: Martin Hanke, einer der großen Rektoren des 17. Jahrhunderts, und seine Bedeutung für die schlesische Geschichtschreibung.– In: ders.: Kleine Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus.– Breslau: Morgenstern 1915 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 12), S. 30–52. Vgl. auch den Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 99 f., Nr. IX. Jüngst: Garber: Martin Opitz (Anm. 5), S. 115–121. Dazu die Ausführungen unten im zehnten Kapitel, S. 340 ff. 50 Die Gestalt von Gottlob Krantz wird uns im folgenden wiederholt beschäftigen. So sei an dieser Stelle vorerst nur der Verweis auf den Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 100 f., Nr. X angeführt. 51 Vgl. auch hier wiederum nur vorläufig Ehrhardt : Presbyterologie I (Anm. 1), S. 101, Nr. XI. 52 Zu den erwähnten Personen – mit Ausnahme Habichts – vgl. das folgende Kapitel sowie vorläufig die Einträge bei Ehrhardt, S. 101–102, Nr. XII, XIII und XIV. Mit Arletius beschließt Ehrhardt seine Folge der Porträts von Rektoren des Elisabethgymnasiums. Vgl. zu Arletius und zu Scheibel unten S. 366 ff. und S. 371 ff. 53 Vgl. die entsprechenden Beispiele bei Schönborn: Beiträge IV (Anm. 20), S. 28 ff.; Meister: Beiträge (Anm. 20), S. 23 f. 54 Vgl. zu Fechner – neben Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 107 f., Nr. III, der auch ein Porträt Kleinwächters bietet (S. 107, Nr. II) – Flood: Poets Laureate (Anm. 19), Band II, S. 538–541. Dazu der schöne Beitrag von Alfred Rüffler: Johannes Fechner (1604–1686) und seine poetische Landeskunde von Schlesien.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 70 (1936), S. 275–303. 55 Vgl. Kundmann: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes (Anm. 1), S. 102. Ein reicher Eintrag wieder: Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 108, Nr. IV. Weitere Literatur unten Kapitel 6, Anm. 43 ff.

505

506

|  Anmerkungen

56 Vgl. Kundmann, S. 36–65. Vgl. auch die zeitgenössische Schilderung, derer Kundmann sich bedient: Solennia, Welche Bey offentlicher Inauguration Und Einführung der Schul=Jugend in das neu=erbauete Gymnasium Zu Sanct Maria Magdalena in Breßlau Den 26. Junii Anno 1710. Vorgegangen. Breslau/ Verlegts Christian Brachvogel (Exemplar im SchlesischLausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yu 1055,5). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die oben Anm. 20 zitierte Arbeit von Manso. Zu Küpfener der Eintrag bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 109, Nr. V. 57 Solennia (Anm. 56), Bl. π2r. 58 Beide Zitate ebd., Bl. π2v. 59 Ebd., Bl. π3r. 60 Vgl. die Einträge bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 109 f., Nr. VIII und X. 61 Vgl. Meister: Beiträge (Anm. 20), S. 28, sowie unten Kapitel 8, S. 299 ff. 62 Ebd., S. 29 ff. 63 Ebd., S. 33 f. Zu Manso vgl. Friedrich Wilhelm Kluge: Johann Caspar Friedrich Manso als Schulmann und Gelehrter. – In: Schlesische Provinzialblätter 84 (1826), S. 213–261. Weitere Literatur in dem instruktiven Artikel von Alfred Rüffler in: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 110–119. 64 Vgl. Michael Morgenbesser: Geschichte des Hospitals und der Schule zum heiligen Geiste so wie auch der Bibliothek zu St. Bernhardin zu Breslau zum Andenken der 600jährigen Dauer des Hospitals.– Breslau: Graß und Barth 1814; Ernst Maetschke: Vorgeschichte und Geschichte des Realgymnasiums zum heiligen Geist in Breslau 1538–1899.– In: Festschrift zur 50jährigen Jubelfeier des Realgymnasiums zum heiligen Geist in Breslau. Hrsg. vom Lehrerkollegium der Anstalt.– Breslau: Grass, Barth und Co. 1899. Dazu die Einträge bei Kundmann: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes (Anm. 1), S. 86–88, sowie bei Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 110–113. 65 Ehrhardt, S. 110–112. 66 Zu Bremer vgl. die Darlegungen bei Morgenbesser: Geschichte des Hospitals (Anm. 64), S. 29 f., sowie den Eintrag im Lexikon der Hamburgischen Schriftsteller (Anm. 28), Band I (1851), S. 391. 67 Morgenbesser, S. 36. 68 Zum Friedrichs-Kolleg vgl. Johann Benjamin Wunster: Ausführliche Nachrichten von der Königlichen Friedrichs=Schule zu Breslau. Erstes [bis] Sechstes Stück. Progr. Breslau 1808–1813; Ludwig Gädke: Gedenkblätter aus dem ersten Jahrhundert des FriedrichsGymnasiums.– In: Saecularprogramm des Königlichen Friedrichs-Gymnasiums zu Breslau […] zu der am 24. Januar 1865 stattfindenden hundertjährigen Stiftungsfeier der Anstalt, S. 5–42. Wir greifen zudem zurück auf ein aus der Stadtbibliothek Breslau herrührendes und heute im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław verwahrtes Konvolut mit Programmen des Friedrich-Gymnasiums aus den Jahren 1764–1789 (Yu 1016,1), von dem die Bibliothek des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück eine Kopie besitzt. Die Programmfolge wird 1764 eröffnet mit einer ›Nachricht von einer bey der Evangelisch=Reformirten Gemeine aufzurichtenden Schule‹, der sich 1765 eine weitere anschließt. Dann folgt im Jahr 1766 die erste ›Umständliche Nachricht von der bey der Evangelisch=Reformirten Gemeinde zu Breßlau errichteten Real=Schule und deren jetzigen Verfaßung.‹ Im gleichen Jahr bietet Daniel Heinrich Hering seine erste Abhandlung ›Von der guten Lehrart in den Schulen‹, die gleichfalls Fortsetzungen findet. Hering

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

69 70 71

72 73

74 75

76

wird bis in die neunziger Jahre hinein stetig Programm-Beiträge liefern. Die FriedrichsSchule ist derart seit ihren Anfängen die bestdokumentierte – und das dank ihrer beiden großen Rektoren Hering und Wunster, deren Namen lebendig bleiben sollten. Wir verweisen zurück auf die im vorangehenden Kapitel Anm. 102 zitierten Arbeiten zur Geschichte der reformierten Gemeinde und der Hofkirche in Breslau. Nachricht 1764 (Anm. 68), S. 1. Auch zu diesem Anlaß ließ sich die rührige Gründerfigur in einer Programmschrift vernehmen: Rede, welche bey feierlicher Erhebung der Evangelisch=Reformirten Real=Schule zu Breslau zur Königlichen Friedrichs=Schule ist gehalten worden von Daniel Heinrich Hering, Pastor der Evangelisch=Reformirten Kirche, und der Königlichen Schule Director.– Breslau: Johann Ernst Meyer 1776. Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1): Von der Evangelisch=Reformirten Parochial=Kirche zu Breslau, und deren Hochwürdigen Ministerio, S. 485–492, S. 491. Zu Hering (dessen Porträt auch in den Schlesischen Lebensbildern bislang fehlt) vgl. den Eintrag bei Karl Konrad Streit: Alphabetisches Verzeichnis aller im Jahr 1774 in Schlesien lebender Schriftsteller.– Breslau: Korn 1776, S. 62 f., sowie den eingehenden Eintrag bei Hamberger-Meusel: Das gelehrte Teutschland. 5. Aufl. Band III (1797), S. 237–239, mit wichtigen Zusätzen im 9. Band von 1801 sowie im 11. Band von 1805 und im 14. Band von 1810. Ein Eintrag nebst Werkverzeichnis auch bei Heinrich Döring: Die gelehrten Theologen Deutschlands im 18. und 19. Jahrhundert. Band I (1831), S. 688–690, sowie im BioBibliographischen Kirchenlexikon XXVII (2007), Sp. 642–645 (Matthias Wolfes). Ehrhardt: Presbyterologie I (Anm. 1), S. 486–488, Anm. (d), mit Wiedergabe des ihm von Hering überstellten eigenhändigen Berichts. Das Zitat daselbst in der über drei Seiten sich erstreckenden Anmerkung S. 487. Vgl. Hering: Biographische Nachrichten von einigen gelehrten und berühmten Männern. Erstes [bis] Achtes Stück. Progr. Kgl. Friedrichs-Schule Breslau 1790–1797. Auch diese Programme werden im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett und in Kopie in Osnabrück verwahrt. Zu Hering als maßgeblichem Historiker des erwähnten Gymnasium Schönaichianum in Beuthen vgl. Garber: Martin Opitz (Anm. 5), S. 16–21, Anm. 10. Hier auch eingehender zu Ehrhardt.

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes 1

Wir dürfen für das Folgende verweisen auf eine eingehende Bibliographie zum Breslauer Bibliothekswesen in: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band I: Breslau / Wrocław – Universitätsbibliothek / Biblioteka Uniwersytecka. Abt. I: Stadtbibliothek Breslau (Rhedigeriana/St. Elisabeth). Teil I. Mit einer bibliotheksgeschichtlichen Einleitung und einer kommentierten Bibliographie von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann, Martin Klöker.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2001, S. 51–80. Hinzuzunehmen die Abhandlung des Verfassers: Bücherhochburg des Ostens. Die alte Breslauer Bibliothekslandschaft, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und ihre Rekonstruktion im polnischen Wrocław.– In: Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Garber.– Tübingen: Niemeyer 2005 (Frühe Neuzeit; 111), S. 539–653. Eingegangen in ders.: Das alte Buch im

507

508

|  Anmerkungen

2

3

4

alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents.– München: Fink 2006, S. 313–438, mit überaus umfänglichen und vielfach kommentierenden Hinweisen auf die bibliotheksgeschichtliche Literatur gerade auch älteren und nicht selten bis in das 17. Jahrhundert zurückreichenden Datums. Vielfach identische Nachweise jetzt auch bei: Detlef Haberland in Verbindung mit Weronika Karlak und Bernhard Kwoka: Kommentierte Bibliographie zum Buch- und Bibliothekswesen in Schlesien bis 1800.– München: Oldenbourg 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; 39). Vgl. zu Königsberg Klaus Garber: Apokalypse durch Menschenhand. Königsberg in Altpreußen. Bilder einer untergegangenen Stadt und ihrer Memorialstätten.– In: Kulturgeschichte Ostpreußens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Garber, Manfred Komorowski, Axel E. Walter.– Tübingen: Niemeyer 2001 (Frühe Neuzeit; 56), S. 3–116. Eingegangen in ders.: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 1), S. 491–596. Zu Danzig ders.: Die alte Danziger Stadtbibliothek als Memorialstätte für das Preußen königlich polnischen Anteils. Sammler, Sammlungen und gelehrtes Leben im Spiegel der Geschichte.– In: Kulturgeschichte Preußen königlich-polnischen Anteils in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Sabine Beckmann, Klaus Garber.– Tübingen: Niemeyer 2005 (Frühe Neuzeit; 103), S. 301–355. In erweiterter Version in: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 1), S. 439–489. Zum Baltikum ders.: Schatzhäuser des Geistes. Alte Bibliotheken und Büchersammlungen im Baltikum.– Köln, Wien, Weimar: Böhlau 2007 (Aus Bibliotheken, Archiven und Museen Mittel- und Osteuropas; 3). Zum Kontext ders.: Das alte Buch im alten deutschen Sprachraum des Ostens. Stand und Aufgaben der Forschung am Paradigma des personalen Gelegenheitsschrifttums.– In: Deutscher Buchdruck im Barockzeitalter. Teil I–II. [Hrsg. von Gillian Bepler, Thomas Bürger].– Wiesbaden: Harrassowitz 1997 (Wolfenbütteler Barock-Nachrichten; 24/1–2), S. 445–520. Eingegangen in: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 1), S. 679–748. Vgl. Klaus Garber: Bibliothek und Stadt als Orte des Eingedenkens.– In: Königsberger Buch- und Bibliotheksgeschichte. Hrsg. von Axel E. Walter.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2004 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 1), S. 69–83. In erweiterter Version eingegangen in ders.: Nation – Literatur – Politische Mentalität. Beiträge zur Erinnerungskultur in Deutschland. Essays, Reden, Interventionen.– München: Fink 2004, S. 147–164 (mit reichhaltiger Bibliographie). Exemplarisch gezeigt für die drei bedeutendsten Stadtbibliotheken im alten deutschen Sprachraum Hamburg, Straßburg und Nürnberg – neben den bereits erwähnten Arbeiten zu Königsberg, Danzig, Breslau und den baltischen Bibliotheken – von Klaus Garber: Der Untergang der alten Hamburger Stadtbibliothek im Zweiten Weltkrieg. Auf immer verlorene Barock- und Hamburgensien-Schätze nebst einer Rekonstruktion der Sammlungen Hamburger Gelegenheitsgedichte.– In: Festschrift Horst Gronemeyer. Hrsg. von Harald Weigel.– Herzberg: Bautz 1993 (bibliothemata; 10), S. 801–859; ders.: Elegie auf die alte Straßburger Stadtbibliothek.– In: Literatur und Kultur im deutschen Südwesten zwischen Renaissance und Aufklärung. Festschrift Walter E. Schäfer. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann.– Amsterdam, Atlanta: Rodopi 1995 (Chloe, Beihefte zum Daphnis; 22), S. 13–73; ders.: Ein Blick in die Bibliothek Sigmund von Birkens. Handexemplare der eigenen Werke und der Ordensfreunde – Überliefertes und Verschollenes.– In: Methodisch reflektiertes Interpretieren. Festschrift Hartmut Laufhütte. Hrsg. von Hans-Peter Ecker.– Passau: Rothe 1997, S. 157–180. Alle drei Arbeiten – wie die drei Vorgänger – bei Garber: Das alte Buch im alten

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

Europa (Anm. 1), S. 237–283, 185–236 und 285–312 (die letztere Arbeit unter dem Titel: Zur Krisis reichsstädtischer Überlieferung. Die Bibliothek des Pegnesischen Blumenordens in Nürnberg und die verschollenen Handexemplare Sigmund von Birkens). Zur umfassenden Dokumentation das erschütternde, gleich nach dem Krieg publizierte Werk des Direktors der vom Krieg verschonten Tübinger Universitätsbibliothek Georg Leyh: Die deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken nach dem Krieg.– Tübingen: Mohr (Siebeck) 1947. Der Verfasser arbeitet an einem Buch zur Geschichte der deutschen Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg unter dem Aspekt ihrer Verluste. 5 Wir verweisen vorläufig und vorausgreifend auf die drei abschließenden Kapitel, betitelt: ›Das Schicksal der beiden führenden Breslauer Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg‹, sowie: ›Ein vorläufiges Fazit‹ und ›Die junge polnische Schöpfung der Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu‹, unter Verwendung auch einschlägigen Aktenmaterials und der entsprechenden Literatur bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 613–653 bzw. S. 394–438. Vorausgegangen war – hervorgegangen aus der Schule von Hans Joachim Koppitz – die wichtige Arbeit von Ortrud Kape: Die Geschichte der wissenschaftlichen Bibliotheken in Breslau in der Zeit von 1945 bis 1955 unter besonderer Berücksichtigung der Universitätsbibliothek.– St. Catharinen: Scripta Mercaturae 1993. Zur Stadtbibliothek vgl. von deutscher Seite aus den gleichfalls erschütternden Bericht ›Die Stadtbibliothek im Zweiten Weltkrieg‹ bei Alfred Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau im Spiegel der Erinnerung. Geschichte – Bestände – Forschungsstätte.– Sigmaringen: Thorbecke 1997 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 28), S. 155–164, mit der Anlage III, S. 169 f. Die reichhaltige polnische Literatur findet man aufgeführt in der oben zitierten Bibliographie des Verfassers. 6 Der Breslauer Buchdruck ist eine Domäne der jungen polnischen Buchwissenschaft in der Nachkriegszeit gewesen, die in der nach dem Krieg gegründeten Zeitschrift Roczniki Biblioteczne ein exzellentes Fachorgan zur Verfügung hatte. Es bleibt zu bedauern, daß diese grundlegenden Arbeiten in aller Regel nicht auch deutschsprachig zugänglich sind. Vgl. Anna Żbikowska-Migoń, Elżbieta Herden: Geschichte der schlesischen Buchkultur in der polnischen Forschung (1945–2000).– In: Kulturgeschichte Schlesiens (Anm. 1), Band II, S. 399–445. Die einschlägigen Arbeiten bei Haberland: Kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 26 ff. (Allgemeines), S. 122 ff. (Breslau). Hinzuweisen ist an dieser Stelle auch auf die offensichtlich unpubliziert gebliebene, bei Hans-Joachim Koppitz in Mainz entstandene und ausgezeichnet gearbeitete Bibliographie zum schlesischen Bibliothekswesen von Martina Graf, die der Verfasser dank freundlicher Vermittlung von Koppitz die Jahre über benutzen konnte. Was die geschichtlich angelegten Arbeiten selbst angeht, so greift man von deutscher Seite aus mit Gewinn immer noch zurück auf einen Autor, über den an späterer Stelle ausführlicher zu handeln sein wird. Vgl. Johann Ephraim Scheibel: Geschichte der seit dreihundert Jahren in Breslau befindlichen Stadtbuchdruckerey als ein Beitrag zur allgemeinen Geschichte der Buchdruckerkunst.– Breslau: Grass und Barth 1804. Informativ geblieben der Handschriften, Buchdruck und Bibliotheken gleichermaßen berührende Überblicksartikel von Wilhelm Molsdorf: Das Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen in Schlesien.– In: Schlesische Landeskunde. Band II: Geschichtliche Abteilung. Hrsg. von Franz Kampers.– Leipzig: Veit 1913, S. 227–246. Für die Frühgeschichte Helmut Bahlow: Die Frühzeit des Breslauer Buchhandels und Buchgewerbes.– In: Beiträge zur Geschichte der Stadt Breslau 7 (1939), S. 48–92. Interessant auch die Miszellen von Hans

509

510

|  Anmerkungen

7

8 9

Jessen: Der Breslauer Buchdruck und das Königreich Polen.– In: Jahrbücher für Kultur und Geschichte der Slaven 3 (1927), S. 492–494; von Wilhelm Mosdorf: Die Frühgeschichte des Breslauer Druckgewerbes.– In: Klimschs Druckereianzeiger 1927, S. 159–163, sowie von Alfred G. Świerk: Die Anfänge des Buchdrucks in Breslau.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 23 (1982), S. 171–177. Wichtig sodann – und keinesfalls nur für die ›Barockliteratur‹ – der Beitrag eines gleichfalls großen Sachkenners der Schlesischen Buch-, Verlags- und Bibliotheksgeschichte Hans-Joachim Koppitz: Die Vermittlerrolle schlesischer Verlage für die Verbreitung der Barockliteratur.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 38/39 (1997/1998), S. 405–432. Zu Krakau als humanistischer Metropole in seinen Beziehungen zu Schlesien immer noch vorbildlich Gustav Bauch: Schlesien und die Universität Krakau im XV. und XVI. Jahrhundert.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907), S. 99–180. Vgl. von Bauch auch: Deutsche Scholaren in Krakau in der Zeit der Renaissance 1460–1520.– Breslau: Marcus 1901. Zu Elyan vgl. die grundlegend gebliebene Arbeit von Karl Dziatzko: Caspar Elyan, Breslaus erster Drucker.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 15 (1880), S. 1–32, mit den Nachträgen von Dziatzko in der oben genannten Zeitschrift 16 (1882), S. 290–293, und 19 (1885), S. 386–394. Vgl. von Dziatzko auch den Eintrag in der ADB VIIIL (1904), S. 342 f., sowie von Ferdinand Geldner in der NDB IV (1959), S. 472. Des weiteren Bahlow: Die Frühzeit (Anm. 6), S. 50–54. Vgl. auch von dem exzellenten Kenner der schlesischen Buch- und Bibliotheksgeschichte Bronisław Kocowski: Prognostyk Wrocławski na rok 1502 [Das Breslauer Prognostikon für das Jahr 1502].– In: Roczniki Biblioteczne 14 (1970), S. 97–112 (mit russischer und deutscher Zusammenfassung sowie 12 Abbildungen). Auch Marta Burbianka, der wir im folgenden stets wieder begegnen werden, hat sich zu Elyan geäußert: Badania nad warsztatem Kaspra Elyana [Untersuchungen über die Werkstatt des Kaspar Elyan].– In: Roczniki Biblioteczne 16 (1972), S. 39–48 (mit russischer und deutscher Zusammenfassung). Zuletzt das Porträt von Alfred G. Świerk: Kaspar Elyan aus Glogau (um 1435–1486).– In: Schlesische Lebensbilder 7 (2001), S. 17–25. Vgl. Gustav Bauch: Bibliographie der schlesischen Renaissance (1475 bis 1521).– In: Silesiaca. Festschrift Colmar Grünhagen.– Breslau: Morgenstern 1898, S. 145–186. Hier die ElyanDrucke, S. 149 f. Zu Konrad Baumgarten vgl. die große Abhandlung (mit russischer und deutscher Zusammenfassung) der ersten Sachkennerin für den polnischen und speziell den Breslauer Buchdruck in der Frühen Neuzeit, Marta Burbianka: Drukarnia Konrada Baumgarta we Wrocławiu [Konrad Baumgartens Druckerei in Breslau].– In: Roczniki Biblioteczne 14 (1970), S. 53–96. Die Arbeit enthält – wie alle vergleichbaren aus der Feder der Verfasserin – eine Bibliographie der Breslauer Drucke Baumgartens sowie zehn Abbildungen. Von deutscher Seite hinzuzunehmen Albrecht Kirchhoff: Die Breslauer Buchhändler und der Buchdrucker Georg Baumann. Actenstücke.– In: Archiv für Geschichte des Deutschen Buchhandels 6 (1881), S. 94–113. Mit Blick auf Danzig das Werk des langjährigen Direktors der ehemaligen Danziger Stadtbibliothek und jetzigen Bibliothek der Polnischen Akademie der Wissenschaften Zbigniew Nowak: Konrad Baumgart i początki sztuki drukarskiej w Gdańsku w XV wieku [Konrad Baumgarten und die Anfänge der Druckkunst in Danzig im 15. Jahrhundert].– Gdańsk: Zakład Poligraficzno-Wydawnicy Druk 1998.

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

10 Vgl.: Die große Legende der heiligen Frau Sankt Hedwig geborene Fürstin von Meranien und Herzogin in Polen und Schlesien. Faksimile nach der Originalausgabe von Konrad Baumgarten Breslau 1504. Band I–II. Text und Bilddeutung von Joseph Gottschalk.– Wiesbaden: Pressler 1963. 11 Vgl. wiederum Marta Burbianka: Adam Dyon i Kasper Lybisch – Wrocławscy drukarze reformacyjni [Adam Dyon und Kaspar Lybisch – zwei Breslauer Drucker der Reformationszeit.– In: Roczniki Biblioteczne 5 (1961), S. 65–113 (mit deutscher und russischer Zusammenfassung). Der Beitrag enthält eine Bibliographie der Drucke von Dyon und Lybisch, verbunden mit Annotationen und Referenzen. Die Präsenz der Reformatoren im Breslauer Buchdruck läßt sich über die chronologisch angelegte Bibliographie genau verfolgen. Vgl. dazu auch Gustav Koffmane: Bibliographie der Reformation in Schlesien.– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 1 (1882), S. 42–48. Von deutscher Seite des weiteren dazu: Hans Volz: Die Breslauer Luther- und Reformationsdrucker Adam Dyon und Kaspar Libisch.– In: Gutenberg-Jahrbuch 1967, S. 104–117; Helmut Claus: New Light on the Presses of Adam Dyon and Kaspar Libisch in Breslau (1518–1540).– In: The German Book 1450–1750. Studies Presented to David L. Paisey in His Retirement. Ed. by John L. Flood, William A. Kelly.– London: The British Library 1995, S. 61–80 (mit wichtigen Ergänzungen aus der Offizin Dyons und Lybischs). 12 Zu Winkler wiederum Marta Burbianka: Andrzej Winkler – drukarz wrocławski XVI wieku.– In: Roczniki Biblioteczne 4 (1960), S. 329–445 und 636–638 (mit französischer und deutscher Zusammenfassung). Zu dem Drucker griechischer Texte vgl. Janina Czerniatowicz: Początki grecystyki a rozwój drukarstwa greckiego na Śląsku do połowy XVII w. [Die Anfänge der Gräzistik und die Entwicklung des griechischen Druckwesens in Schlesien bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts].– In: 500-lecie polskiego słowa drukowanego na Śląsku. Materiały sesji naukowej 9–11 X 1975 Wrocław [Das fünfhundertjährige Jubiläum des polnischen gedruckten Wortes in Schlesien]. Red. Kazimiera Maleczyńska.– Wrocław: Wydawnictwo Universytetu Wrocławskiego 1978 (Bibliotekoznawstwo; 7. Acta Universitatis Wratislaviensis; 364), S. 57–73 (mit deutscher Zusammenfassung). Gleich im Jahr 1539 setzen die Drucke von Lehrbüchern Melanchthons ein. Aber auch eine Sammlung mit lateinischen Briefen von Musterautoren ist dabei. 1543 liegt Johannes Metzlers griechische Grammatik vor. Die reformatorische Produktion steht ganz im Zeichen von Moibanus. Winkler ist aber auch der Drucker für ein Werk wie den Grobianus von Friedrich Dedekind (1549). Ganz am Schluß kommt 1553 auch Crato von Crafftheim mit einer Schrift zur Verhütung einer Ansteckung mit der Pest zu Wort. 13 Vgl. die von Burbianka erarbeitete Bibliographie in der in Anm. 12 genannten Untersuchung, S. 413–439. 68 Drucke macht die Verfasserin für die Jahre zwischen 1539 und 1553 namhaft. 14 Vgl. auch zu Scharffenberg erneut die Monographie einschließlich einer Bibliographie von Marta Burbianka: Produkcja typograficzna Scharffenbergów we Wrocławiu.– Wrocław: Zakład Narodowy im. Ossolińskich 1968 (Wrocławskie Towarzystwo Naukowe. Śląskie Prace Bibliograficzne i Bibliotekoznawcze; 12). Dazu der Nachtrag von Tadeusz Pietras: Dwa nieznane druki Kryspina Scharffenberga [Zwei unbekannte Drucke des Crispin Scharffenberg].– In: Roczniki Biblioteczne 17 (1973), S. 607–632 (mit russischer und deutscher Zusammenfassung). Zur Offizin Scharffenberg liegt darüber hinaus in der Tradition der polnischen Schule ein Beitrag von der langjährigen verdienstvollen Leiterin der

511

512

|  Anmerkungen

15

16

17

18 19

20 21

Altdruck-Abteilung der BU Wrocław vor, die den wenigen Forschern und Kennern, welche sich in dem kleinen Lesesaal im zweiten Stock des Gebäudes auf der Sandinsel einfanden, der nun leider nicht mehr zur Verfügung steht, stets hilfreich zur Seite stand. Vgl. Marta Samocka: Druki Scharffenbergów wrocławskich 1553–1590. Uzupełnienia do bibliografii Marty Burbianki Produkcja typograficzna Scharffenbergów we Wrocławiu [Die Druckschriften der Breslauer Scharffenbergs 1553–1590. Ergänzungen zur Bibliographie ›Die typographischen Produkte der Scharffenbergs in Wrocław‹ von Marta Burbianka].– In: Roczniki Biblioteczne 33 (1989), S. 263–288 (mit russischer und deutscher Zusammenfassung). Ein letztes Mal ist zu verweisen auf Marta Burbianka: Z dziejów wrocławskiej drukarni Jerzego Baumanna.– In: Rocznik Biblioteki Narodowej 4 (1968), S. 69–83; dies.: Z dziejów drukarstwa śląskiego w XVII wieku. Baumannowie i ich spadkobiercy. Do druku przygotowała Helena Szwejkowska [Aus der Geschichte des schlesischen Buchdrucks im 17. Jahrhundert. Die Baumanns und ihre Nachfolger. Zum Druck vorbereitet von H.S.].– Wrocław: Zakład Narodowy im. Ossolińskich 1977 (Prace wrocławskiego towarzystwa naukowego. Seria A; 176). Das Werk ist nicht mehr mit einer Bibliographie ausgestattet, was angesichts des numerischen Reichtums von einer Person auch schwerlich noch einmal hätte geleistet werden können. Die große polnische Buchwissenschaftlerin starb 1973. Wir sind ihr in Breslau leider nicht mehr begegnet. Erste Autorität vor Ort seit den regelmäßigen Besuchen in den späten siebziger Jahren blieb für uns der unvergessene Adam Skura. Vgl. Krzysztof Migoń: Drukarstwo orientalne i hebrajskie na Śląsku w XVI–XVIII w. [Das orientalische und hebräische Druckwesen in Schlesien (16.–18. Jahrhundert).– In: Bibliotekoznawstwo 7 (1978), S. 75–81 (mit deutscher Zusammenfassung). Hier in Anm. 1 auch der Verweis auf weitere einschlägige Arbeiten des Verfassers. Vgl. zum Kontext auch die wichtige ältere Studie von Heinrich Wendt: Schlesien und der Orient. Ein geschichtlicher Rückblick.– Breslau: Hirt 1916 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 21). Auch hier sei nochmals der Hinweis angebracht auf die einschlägige Publikation von Karl Bruchmann: Die auf den ersten Aufenthalt des Winterkönigs in Breslau bezüglichen Flugschriften der Breslauer Stadtbibliothek.– Progr. Königl. König-Wilhelms-Gymnasium Breslau 1904/05. Wir kommen unten im achten Kapitel auf den Fragenkreis zurück. Martin Opitz auff Herrn David Müllers seligen Abschiedt: so geschehen den 14. Mertzens=Tag. deß 1636. Jahrs. Thorn/ Gedruckt durch Frantz Schnellboltz. Carmina Secularia De Typographia ante annos ipsos ducentos â Germanis inventâ. Curabat pariter atque imprimabat Typographus Vratislaviensis, Anno Christiano 1640.– Nicolaus Henel von Hennenfeld und Abraham von Franckenberg eröffnen den Strauß der Beiträger. Chrysostomos Schultz verfaßt einen ›Ehrenkrantz‹ in Alexandrinern, »Damit er die Buchdruckerkunst gekrönet.« Baumann selbst wird in einem gleichfalls deutschsprachigen Gedicht von Andreas Tscherning geehrt. Auch diese Schrift verlohnte eine eingehendere Untersuchung (ein Exemplar z. B. im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław unter der Signatur Yv 675). Koppitz: Die Vermittlerrolle (Anm. 6), S. 421. Vgl. die große Studie von Hans-Joachim Koppitz: Der Verlag Fellgiebel.– In: Kulturgeschichte Schlesiens (Anm. 1), S. 445–512. Koppitz: Die Vermittlerrolle (Anm. 6), S. 422.

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

22 Es darf zurückverwiesen werden auf die in den Anmerkungen 1 bis 5 zitierten Arbeiten.– Es existiert keine selbständig erschienene und der Sache angemessene große monographische deutschsprachige Darstellung aus der Vor- oder der Nachkriegszeit zur Breslauer Bibliotheksgeschichte im Kontext des Schlesischen Bibliothekswesens. Wir haben in den oben in Anmerkung eins zitierten Arbeiten einen synoptischen Versuch unternommen. Es muß als symptomatisch angesprochen werden, daß in den alten, in das 17. Jahrhundert zurückführenden landeskundlichen Arbeiten die Zusammenschau am ehesten gewahrt wurde. Aus diesen immer wieder mit Gewinn heranzuziehenden Darstellungen sei hier nur verwiesen auf: Friedrich Lucae: Von denen Schlesischen Bibliotheken.– In: ders.: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten. Teil I–VII [mit durchgehender Paginierung].– Frankfurt/Main: Knoch 1689, S. 627–656; Nicolaus Henel von Hennenfeld: De Bibliothecis Silesiae.– In: ders.: Silesiographia Renovata, Necessariis Scholiis, Observationibvs Et Indice Avcta [ed. Michael Joseph Fibiger].– Breslau, Leipzig: Bauch 1704, Band I, S. 706–720; Johann Christian Kundmann: Medaille Auf die Inauguration der Maria=Magdalenäischen Bibliothec in Breßlau, und Kurtze Nachricht, Von allen offentlichen und guten Privat-Bibliothecken gedachter Stadt, wie auch Denen berühmtesten im Hertzogthum Schlesien.– In: ders.: Academiae Et Scholae Germaniae, praecipuè Dvcatvs Silesiae, Cvm Bibliothecis, In Nvmmis. Oder: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes, insonderheit Des Hertzogthums Schlesiens, Mit ihren Bücher=Vorräthen, in Müntzen.– Breslau: Korn 1741, S. 325–426. 23 Vgl. neben den in Anm. 22 aufgeführten Werken auch die oben in Anm. 6 zitierte Arbeit von Wilhelm Molsdorf: Das Schrift-, Buch- und Bibliothekswesen in Schlesien. Hier ein erstes und reich illustriertes Kapitel ›Handschriften‹, S. 228–233. 24 Die Klosterbibliotheken Breslaus und Schlesiens bilden den Schwerpunkt des ersten Teils in dem reichhaltigen Führer von Kundmann: Bibliothecae et Scholae (Anm. 22). Eine neuere Untersuchung zu den Bibliotheken der Schlesischen bzw. der Breslauer Klöster scheint zu fehlen. Vgl. auch in diesem Zusammenhang die in Anm. 6 zitierte Arbeit von Molsdorf. 25 Vgl. die grundlegende Untersuchung von Maria Fliegel: Die Dombibliothek zu Breslau im ausgehenden Mittelalter.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 53 (1919), S. 84–133 (auch selbständig: Breslau: Nischkowsky 1919). Vgl. auch Joseph Jungnitz: Geschichte der Dombibliothek in Breslau.– In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen.– Breslau: Morgenstern 1898, S. 187–206, auch selbständig unter dem Titel Die Breslauer Dombibliothek (Breslau 1908) als Separatabdruck aus den Nummern 245, 249 und 253 der Schlesischen Volkszeitung. Zur späteren Zeit im 17. Jahrhundert: Wincenty Urban: Szkice z dziejów bibliotek kanoników kapituły katedralnej we Wrocławiu w XVII wieku [Skizzen aus der Geschichte der Bibliotheken der Kanoniker des Domkapitels zu Breslau im 17. Jahrhundert].– In: Colloquium Salutis. Wrocławskie studia teologiczne 7 (1975), S. 149–214 (mit lateinischer Zusammenfassung). 26 Vgl. Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 565 f. bzw. S. 342 f. mit der eingehenden Anmerkung 29. Eine Beschreibung des Kataloges von Bergius findet man bei Jungnitz (Anm. 25), S. 190–195, und sodann sehr detailliert bei Fliegel: Die Dombibliothek (Anm. 25), S. 84–95. Hier auch S. 95–98 über Bergius, der selbst Teile seiner geretteten Privatbibliothek der Bibliothek bei St. Maria Magdalena stiftete. Vgl. Jungnitz (Anm. 25), S. 197 f. und Fliegel (Anm. 25), S. 97. Zur Ära nach Bergius vgl. gleichfalls wiederum Jungnitz, S. 198 ff.

513

514

|  Anmerkungen

27 Möchte man sich über diese Zusammenhänge näher informieren, so greift man, um nur ein, zwei Hinweise zu geben, mit Gewinn zunächst immer noch zu dem Standardwerk der Vorkriegszeit, das eben noch vor Einsatz der Katastrophe zum Abschluß gelangte: Handbuch der Bibliothekswissenschaft. Hrsg. von Fritz Milkau. Band I–III.– Leipzig: Harrassowitz 1931–1940 (Register 1942). Der dritte Band – nach dem Tod von Fritz Milkau mit herausgegeben von Georg Leyh – ist der ›Geschichte der Bibliotheken‹ gewidmet und eine unerschöpfliche Fundgrube. ›Historia vitae magistra‹ – unter diesem Motto steht der Band, an dem die ersten Sachkenner mitwirkten. Das Kapitel ›Von der Renaissance bis zum Beginn der Aufklärung‹ verantwortet Aloys Bömer, dasjenige ›von der Aufklärung bis zur Gegenwart‹ Georg Leyh. Leyh ist es auch zu verdanken, daß das Handbuch nach dem zweiten Weltkrieg eine Neubearbeitung erfuhr. Wiederum gilt der dritte Band – nun in zwei Teilbände gegliedert und zwischen 1955 und 1957 bei Harrassowitz in Wiesbaden erschienen – der Geschichte der Bibliotheken. Der Artikel von Aloys Bömer ist von Hans Widmann überarbeitet, den zeitlich nachfolgenden bearbeitete der Herausgeber und Autor Georg Leyh selbst. Es entstand eine monographische Dimensionen annehmende Studie, die zu den großen Leistungen der deutschen historischen Bibliothekswissenschaft zählt: Die deutschen Bibliotheken von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Teilband II, S. 1–401. Separat: Wiesbaden: Harrassowitz 1956.– Wer eine knappe und gehaltvolle Einführung sucht, greift zum Beispiel zu Uwe Jochum: Kleine Bibliotheksgeschichte. 3., verb. und erw. Aufl.– Stuttgart: Reclam (Universal-Bibliothek; 8915). 28 Vgl. den Eintrag zu den Rhedigers bei Oskar Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741. Band I–V.– Dortmund 1986–1991 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund. Reihe B; 33), Band III, S. 298–319. Vgl. auch die gehaltreiche Synopse bei Henel von Hennenfeld: Silesiographia Renovata (Anm. 22), Teil II, S. 596–608. 29 Zu Ehren Nikolaus II. Rhediger kam es hundert Jahre nach der Erhebung zum Gymnasium im Elisabethanum zu einer von den Schülern getragenen Aufführung, einem sog. Schulactus. Der Prorektor und Bibliothekar der Anstalt Johann Gebhard lud dazu: Speculum Viri Magnifici & Praeeminentis Nicolai á Rehdiger & Slisa, in Strisa, Schebitz & Zedlitz Scholasticum, a.d. VIII. Jun. MDCLXII. Alumnis Gymnasii Elisabetani ante ipsam Praemiorum annuorum Sollemnitatem commendantum, praemonstrante Johanne Gebhardo.– Breslau: Gründer 1662. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yu 1050,6 (46). Vgl. auch unten Anm. 34. Verwiesen sei auch auf die große Trauerschrift, die Nikolaus II. Rhediger zuteil wurde: Parentalia, In Obitvm […] Nicolai Rehdingeri […] Scripta A M. Christophero Scholtio Vratislaviensi, Silesio.– Tübingen: Gruppenbach 1588. Martin Helwig widmete seine berühmte Schlesienkarte aus dem Jahr 1561 Nikolaus II. Rhediger. 30 Vgl. das ausführliche Porträt bei J.F.A. Gillet: Crato von Crafftheim und seine Freunde. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Nach handschriftlichen Quellen. Erster [und] Zweyter Teil.– Frankfurt/Main: Brönner 1860, Teil I, S. 77 ff.; Teil II, S. 79 ff., S. 410 ff. 31 Vgl. Nicolai Henelii Rhedigeromnema, sive de vita magnifici, strenui, ac nobilissimi Domini Dn. Nicolai Rhedigeri, Strisae, Slisae, Sponsbergae, & Ruckesii in Silesia Toparchae. Commentarius.– Beuthen/Oder: Dörfer [s.a.]. Caspar Dornau, Caspar Cunrad, Balthasar Exner, Jonas Melideus, Johann Heermann und Thomas Schramm tragen zu dem Werk bei.

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

32 Vgl. die Arbeit von Albrecht W.J. Wachler: Thomas Rehdiger und seine Büchersammlung in Breslau. Ein biographisch-literärischer Versuch. Mit einem Vorworte von Ludwig Wachler.– Breslau: Grüson 1828. Die Vorrede stammt von dem bekannten Literaturhistoriker, der 1818 als einer der ersten mit Vorlesungen über die Geschichte der teutschen Nationallitteratur hervortrat, die mehrere Auflagen erlebte. Des weiteren Georg Baecker: Thomas Rehdiger, der Mann und sein Werk.– Diss. phil. Breslau 1921 (Masch.) Vierseitiger gedruckter Auszug.– Breslau: Hochschulverlag (1921). Der Eintrag in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 113–124, stammt von Arthur Biber. Vgl. auch die sehr informative Skizze zur Rhedigerschen Bibliothek – wie auch im folgenden zu den beiden Schwesterbibliotheken – bei Alfred Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (Anm. 5), S. 15–30. Vgl. schließlich: Ein Jahrhundert großer Breslauer Gelehrter, Sammler und Förderer der Kunst [1940] (Kunstsammlungen der Stadt Breslau. Kurzführer; 3). 33 Vgl. Memoriae Thomae Rhedigeri Ivvenis Et Nobilissimi Et Clarissimi. Lvctvs. Ioachimi Bassevitii. Ioannis Caselii. Nathanis Chytraei.– Rostock: Lucius 1577. Vgl. auch die den drei Großen Breslaus im 16. Jahrhundert gewidmete Gedächtnisschrift von Johannes Caselius, die nach dem Tod des jüngsten der drei illustren Männer, Jakob Monau, zustandekam: Memoriae Et Honori Nobilißimorum, Clarißimorumque Virorum Thomae Redigeri, Joannis Cratonis, Jacobi Monavii, Vratislaviensium. Ioan. Caselivs faciebat.– Breslau: Baumann 1607. Vgl. auch die Gedichte auf Thomas Rhediger, darunter auch ungedruckte, bei Wachler (Anm. 32), S. 66–70.– Vgl. auch die Beschreibung und die Abbildung des Epitaphs für Thomas Rhediger aus der Elisabethkirche in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Teil II. Hrsg. von Ludwig Burgemeister, Günther Grundmann.– Breslau: Korn 1933 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien. Band I: Die Stadt Breslau. 2. Teil), S. 131 f. Zur Geschichte der Lokalität der Rhedigerschen Bibliothek vgl. daselbst S. 95 f. Das Epitaph wurde anläßlich der Eröffnung der Bibliothek im Jahr 1661 aufgestellt; es ist auf das Jahr 1660 datiert. Später wurde es aus der Kirche in die Stadtbibliothek überführt. 34 Vgl. den Abdruck des Testaments bei Wachler: Thomas Rhediger (Anm. 32), S. 70 f. 35 Die verdienstvolle Aufstellung bei Wachler (Anm. 32), S. 28–33, vermittelt eine zum Zwecke der ersten Information hinreichende Vorstellung von den Schätzen an Büchern. Ein alphabetisch angeordnetes Verzeichnis der Handschriften findet man S. 37–58. Ein Katalog des Rhedigerschen Vermächtnisses existiert nicht. Es ging auf in der rasch expandierenden Bibliothek. Das Einläßlichste findet man in den Arbeiten auf der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert aus der Feder des langjährigen Rektors des Elisabethanums Gottlob Krantz und ein Jahrhundert später aus der Feder von Johann Ephraim Scheibel. Vgl. Memorabilia Bibliothecae Publicae Elisabethanae Wratislaviensis, à Fundatore Celeberrimo Rehdigerianae dictae, quae A.O.R. M.DC.XCIIX. die XV Maji, In Actu Gymnastico à Studiosâ Gymnasii Elisabetani Juventute exponi fecit Gottlob Krantz/ Histor. Eloq. & Phys. Prof. & Bibliothecarius.– Breslau: Steck 1699. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yv 245/3. Zu den Komponenten dieser Schrift vgl. den Kommentar bei Garber: Bibliotheksgeschichtliche Einleitung und kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 61. Dem Schulactus ging wie stets eine Einladung voraus, die sich gleichfalls erhalten hat (BU Wrocław 2 W 178 = 560473): Memorabilia Bibliothecae Publicae, Rehdigero-Sebisianae, Qvae in Templo Elisabetano Wratislaviae asservatur, â Studiosa Gymnasii Vicini Juventute Die XV. Maji, Sophiae sacro, A.O.R. M.DC.XCIIX. h.l.q.c. Expositum iri intimat Gottlob Krantz.– Breslau: Baumann 1698. Im Jahr 1726 wiederholte Krantz die Veranstaltung und

515

516

|  Anmerkungen

36

37

38

39

40 41 42

auch dazu erschien wiederum eine Einladung: BU Wrocław 2 F 173 = 365524. Der Titel der zweiten Schrift: Johann Ephraim Scheibel: Nachrichten von den Merkwürdigkeiten der Rehdigerschen Bibliothek zu Breslau. Erstes Stück.– Breslau, Hirschberg, Lissa: Korn 1794. Zu den beiden wichtigen Nachträgen siehe Garber: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums. Band I (Anm. 1), S. 61 f. Vgl. zum ganzen auch unten das zehnte Kapitel unseres Buches, das u. a. den großen Buchkundlern und Historiographen Breslaus im 18. Jahrhundert gewidmet ist. Vgl. die Wiedergabe des Dokuments bei Wachler: Thomas Rehdiger (Anm. 32), S. 71–74. Dort S. 23 f. auch das Voranstehende und Folgende. Die erwähnte Gedenktafel ist in allen der Bibliothek gewidmeten Studien reproduziert, nur Wachler selbst hat davon Abstand genommen. Encaenia Bibliothecae Rehdigerianae, Vratislaviae, Auspiciis Senatus Magnifici, Praeside, Viro Praeeminente Domino Samuele Sebesio, A.D. IV. Non. Octobr. MDCLXI. Adornata, Interprete Johannes Gebhardo, Bibliothecario.– Breslau: Baumann 1661. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yv 245/1. Gebhard kündigte in einem Programm auch ein Schaustück zu Ehren Thomas Rhedigers an: Bene Vos! Bene Nos! Bene nostrum Gymnasium! Bene universam Metropolim! Thomas à Rehdiger & Slisa Redivivus in Gymnade Elisabethanâ, Crastino ab VIII. matutino, a. d. XXIV. Novembr. MDCLXI. gratis applausibus & piis gratulationibus à Posteritate adolescente, excipiendus, Monitore Johanne Gebhardo.– Breslau: Baumann 1661. Exemplar gleichfalls im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yv 245/2. Eine Annotation zu den beiden Texten, von denen der erste rasch Berühmtheit erlangte, bei Garber: Bibliotheksgeschichtliche Einleitung und kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 60. Es gehört zum Repertoire der Darstellungen der Rhedigerschen Bibliothek, die großen Donatoren namhaft zu machen. Schon die älteren Darstellungen bis hin zu Kundmann, die wir in Anm. 27 aufführten, bieten mancherlei Wissenswertes, desgleichen Wachler in seiner Anm. 32 zitierten Untersuchung. Am weitesten gingen Krantz und Scheibel, die mit den Schätzen vor Ort arbeiten und sich ein originäres Bild verschaffen konnten. Vgl. oben Anm. 35 sowie unten das zehnte Kapitel des vorliegenden Werkes. Kundmann: Academiae et Scholae (Anm. 22), S. 353. Hier heißt es: »Anno 1689 starb auch Tit. Hr. Abrecht von Säbisch, ein recht gelehrter Soldat, und Hauptmann der Rothen Compagnie allhier; welcher seine zahlreiche Bibliothec an vortrefflichen Historicis, auch einige Msta, insonderheit viele vortreffliche Riße, so zur Ingenieur- und Feuerwerck=Kunst gehören, wie auch Muschel=Cabinet, und rare Meer= und Corallen=Gewächse, dieser Bibliothec vermachet«. Der Ausbau der Raritäten-Kammer innerhalb der Bibliothek mit Kuriosoa aller Art schritt also neben dem der Bücher und Handschriften voran. Vgl. auch die Angaben bei Scheibel: Nachrichten (Anm. 35), Vorbericht, S. VI. Scheibel: Nachrichten (Anm. 35), Vorbericht, S. VII. Vgl. Biber: Thomas Rehdiger (Anm. 32), S. 122 f. Wir haben in unserer Darstellung zur ›Bücherhochburg im Osten‹, eben zu Breslau (vgl. Anm. 1), zahllose dieser historischen Kataloge im Kontext vor allem der Behandlung der Stadtbibliothek sowie der Staats- und Universitätsbibliothek aufgeführt. Sie alle sind vor Ort eingehend inspiziert und für das Osnabrücker Frühneuzeit-Institut verfilmt worden. Auch auf deutschem Boden ließen sich also entsprechende provenienzhistorische und kataloganalytische Arbeiten mit Bezug auf Breslau sehr wohl in Angriff nehmen. Für die

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

43

44

45

46

47

48 49

näheren Einzelheiten sei vor allem verwiesen auf S. 552–555 bzw. S. 328–331 sowie die Anm. 14 in der oben genannten Abhandlung. Vgl. vor allem die ausführliche Darstellung, die Friedrich Lucae in seinen Curieusen Denckwürdigkeiten (Anm. 22), S. 632–644, der Bibliothek bei St. Maria Magdalena hat zuteil werden lassen. Wir kommen darauf zurück. Auch Kundmanns Eintrag (vgl. gleichfalls Anm. 27) enthält Einschlägiges (S. 358–367). Eine umfassendere neuere Darstellung fehlt. Ergiebig auch das Porträt bei Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (Anm. 5), S. 30–37. Unser eigenes, diesem Versuch vorangehendes, findet sich in der ›Bücherhochburg des Ostens‹ (Anm. 1) auf den Seiten 556–568 bzw. S. 331–345 und gilt vor allem den historischen Katalogen. Zu näheren Einzelheiten vgl. die folgenden Anmerkungen. Vgl. neben den Zeugnissen bei Lucae und Kundmann auch die dem Theologen Johann Heß gewidmeten Arbeiten, wie sie oben in Kapitel 3, Anm. 8, aufgeführt wurden. Vgl. die näheren der Bibliothek geltenden Nachweise bei Garber: Bücherhochburg (Anm. 1), S. 556 f., Anm. 16 und 17. In dem Wiederabdruck (›Das alte Buch im alten Europa‹), S. 332 f. mit den identischen Anmerkungen. Vgl. Paul Lehmann: Aus der Bibliothek des Reformators Johannes Hessius.– In: Aus der Welt des Buches. Festgabe zum 70. Geburtstag von Georg Leyh.– Leipzig: Harrassowitz 1950 (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft 75), S. 101–124. Vgl. von Lehmann auch: Der Reformator Johannes Hessius als humanistisch gerichteter Büchersammler.– In: Mediaevalia et humanistica 5 (1948), S. 84–87. Vgl. Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten (Anm. 22), S. 636 f. Hier auch das vorgelegte Zitat. Vgl. auch die detaillierten Angaben zu Schenkungen und Provenienzen bei Kundmann: Academiae et Scholae (Anm. 22), S. 362 ff. Die Provenienzangaben gehen durchweg auf den ersten Historiker der Bibliothek zurück, über den sogleich zu sprechen sein wird. Vgl. Beda Dudik: Über die Bibliothek Karl’s von Žerotin in Breslau.– In: Sitzungs-Berichte der königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag (1877), S. 210–267. Auch als Separatdruck unter dem Titel: Karl’s von Žerotin Böhmische Bibliothek in Breslau.– Prag: Verlag der Kgl. Böhm. Ges. d. Wiss. 1877; F. Schenner: Zierotins Bibliothek in Breslau.– In: Zeitschrift des deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens 5 (1901), S. 393–398. Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten (Anm. 22), S. 638. Wir haben diese wie alle anderen noch vorhandenen Kataloge vor Jahren nach Maßgabe von Kräften und vorhandener Zeit eingehend in Breslau untersucht. Die Ergebnisse unserer Recherchen sind eingeflossen in unsere Abhandlung ›Bücherhochburg des Ostens‹ (Anm. 1) und dort jeweils in den umfänglichen Anmerkungsapparaten untergebracht. Die historischen Kataloge zur Bibliothek bei St. Maria Magdalena findet man aufgeführt in der Anm. 35, S. 568 f. bzw. S. 345 f. Das seinerzeitige Fazit: »So sieht es im Gefolge des Zweiten Weltkrieges, soweit wir bislang sehen können, im Blick auf die katalogische Überlieferung der altehrwürdigen Bibliothek aus. Wann erhalten wir eine detaillierte Beschreibung und Edition des Überkommenen?« Zumindest die Verzeichnung ist jetzt vorangekommen. Vgl. Haberland: Kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 188–196. Die bezeichneten Aufgaben als solche bleiben weiterhin bestehen.

517

518

|  Anmerkungen

50 Vgl. unten Kapitel 8, S. 299 ff. Schon hier darf verwiesen werden auf die Ausführungen bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 558–560 bzw. S. 334–336 mit der eingehenden Anm. 21 zur Literatur. 51 Der Titel der Rede von Köler: Christophori Coleri Oratio Auspicalis Cum habitâ solemni Panegyri Bibliotheca Mario-Magdalenaea Libris auctior et cultu ornatior, XXIV. Novemb. A.C. MDCXLIV. Usibus publicis dedicaretur.– Breslau: Jacob; Leipzig: Ritsch 1646. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yv 200 (und öfter). Sie wurde 1699 bei Steck in Breslau nochmals vorgelegt (Yv 205/2 u.ö.). Vgl. die näheren Angaben zur Morphologie der Festschrift und der weiteren Beiträge zu ihr – angefangen bei Opitz! – in dem Kommentar zur Rede und zum Druck bei Garber: Bibliotheksgeschichtliche Einleitung und kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 62 f., bzw. ders.: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 562–567 bzw. S. 338–344 insbes. mit der Anm. 25. In der ersteren Studie S. 63 f. auch weitere Arbeiten zur Geschichte der Bibliothek. Diese jetzt auch aufgeführt bei Haberland: Kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 196–203. 52 Justus Lipsius: De Bibliothecis Syntagma.– Antwerpen: Moretus 1602; Johann Saubert: Historia Bibliothecae Reip. Noribergensis, duabus Oratiunculis illustrata.– Nürnberg: Wolfgang Endter 1643. 53 So war es kein Zufall, daß die Gratulation zum Antritt der Stelle eines Bibliothekars durch Köler der Festschrift integriert wurde. Sie war erstmals 1639 erschienen, wie aus der Vorrede des Arrangeurs Andreas Tscherning zu ersehen. Ihr Titel: Jn Curam Bibliothecae Publicae Vratislaviensium, Ex Amplissimi Senatus Decreto Viro Cl. Christophoro Colero Historiarum Professori benigne commissam, Concivium Bene Cupientium Acclamationes. (Exemplar aus dem Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław: Yv 205/1, u.ö.). Zu diesem Zeitpunkt konnte auch Opitz noch beitragen, der die Eröffnung der Bibliothek selbst nicht mehr erlebte. Seine Zuschrift eröffnet den Reigen der Köler als Bibliothekar Huldigenden. Die Opitz- und Köler-Freunde und gebürtigen Bunzlauer Bernhard Wilhelm Nüßler, Andreas Senftleben und Andreas Tscherning schließen sich an, der letztere mit einer großen ›Ode‹ die als einziger Beitrag innerhalb dieses lateinischen poetischen Straußes in deutscher Sprache abgefaßt ist. Außerdem enthält der selbständige Druck weitere Beigaben, die in dem späteren Wiederabdruck wegfielen. Die Einzelheiten bei Garber: Bibliotheksgeschichtliche Einleitung und kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 62 f. 54 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten (Anm. 22), S. 632. 55 Die ältere wie die jüngere Tafel findet man bereits im Anhang zur Kölerschen Rede, Bl. C4r–C5r reproduziert. 56 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten (Anm. 22), S. 635 f. 57 Erich Wiese: Die sieben Weisen aus der Maria Magdalenen-Bibliothek.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Neue Folge: Jahrbuch des schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer 8 (1924), S. 95–101, S. 96 f.; S. 94 findet sich die Abbildung der Bibliothek nach einem Stich von David Tscherning von 1644/46. Vgl. dazu unten Anm. 59. 58 Das Spiel ist mit fortlaufender Foliierung (Bl. D1r–F11r) der Festrede integriert und derart zu seinem Bestandteil erhoben. Es würde sich lohnen, die vielen deutschen Verse einer näheren Analyse zu unterziehen. Hier das Zitat f. F11r. 59 Der Stich erscheint gedruckt in der Rede zwischen Blatt C5 und Blatt C6 und wurde seither viele Male wiederholt. Auch ein Photo aus dem Jahr 1888 existiert. Man vergleiche etwa: Die Maria-Magdalenenkirche. In: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 33),

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

60 61

62 63

64

S. 1–72; S. 20–22: Die Bibliothek. Anläßlich der Aufführung wurde, wie erwähnt, auch eine Schaumünze geprägt und den namentlich erwähnten Schauspielern überreicht. Auch dieses Ereignis wurde am Ende der Festrede festgehalten. Vgl. auch den offensichtlich unikaten Einblattdruck im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett: Yv 205/3. Das Spiel kam 1711 nochmals zur Aufführung. Und auch dazu wurde – wie im Jahr 1644; vgl. Yu 770,20 (3) – öffentlich von Rektor Gottfried Küpfender eingeladen und die Liste der Schauspieler hinzugefügt. Vgl. den Einblattdruck nebst dem oben erwähnten Kupfer im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett: Yu 770,54 (6). Auch der spätere Rektor Gottlieb Wilhelm Keller ließ im 100. Todesjahr Opitzens und in Erinnerung an die Kölersche Rede im Jahr 1644 nochmals einen Schulactus zum Gedenken an die Bibliothek aufführen. Vgl. die Einladungsschrift nebst Kupfer Yu 1055,6 (75). Auch eine Einladungsschrift zur Präsentation der Kostbarkeiten der Bibliothek ließ Keller 1641 herausgehen. Vgl. Yu 1055,7 (3). Vgl. zu den Einzelheiten Garber: Bibliotheksgeschichtliche Einleitung und kommentierte Bibliographie (Anm. 1), S. 63. Kundmann: Academiae et Scholae (Anm. 22), S. 355–358. Das Zitat S. 355 f. Zur Geschichte der Bibliothek zu St. Bernhardin vgl. die Abhandlung von Aleksander Rombowski: S. Bandtkiego Wrocławska karta biblioteczna [ J.S. Bandtkie’s Breslauer Bibliothekszeit als Leiter der Bibliothek von St. Bernhardin], in: Bibliotekoznawstwo II, Seria A. Nr. 4 (1956), S. 3–54. Rombowski bietet den Abdruck einer nur handschriftlich überlieferten Geschichte der Bernhardiner Bibliothek aus der Feder des nachmaligen Bibliothekars der Krakauer Jagiellonen-Bibliothek und Professors für Bibliographie an der Jagiellonen-Universität Jerzy Samuel Bandtkie (1768–1835). Er konfrontiert den Text mit demjenigen Morgenbessers und kann die Abhängigkeit Morgenbessers von seinem Vorgänger beweisen, der seine Quelle verschwiegen hatte. Vgl. daselbst Jerzy Samual Bandtkie: Kurze Geschichte der Bibliothek zu St. Bernhardin in der Neustadt, S. 30–41; Michael Morgenbesser: Geschichte der Schulbibliothek St. Bernhardin, S. 42–53. Vgl. dazu die gesamte Arbeit von Michael Morgenbesser: Geschichte des Hospitals und der Schule zum heiligen Geiste so wie auch der Bibliothek zu St. Bernhardin zu Breslau zum Andenken der 600jährigen Dauer des Hospitals.– Breslau: Graß und Barth 1814. Die Geschichte der Bibliothek hier auf S. 46–56. Schon im 18. Jahrhundert war auch von deutscher Seite eine Darstellung der Bibliothek erschienen. Vgl. Johann David Wolf: Compendiaria Bibliothecae Neapolitanae Vratrislauiensis ad Aedem S. Bernardini Seruatae Descriptio.– Brieg: Boerner 1764 (mehrere Exemplare in der BU Wrocław). In der neueren Zeit greift man mit besonderem Gewinn wieder zu Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (Anm. 5), S. 37–42. Hier auch die Lessing-Reminiszenz. Unser eigenes Porträt in der ›Bücherhochburg des Ostens‹ (Anm. 1), S. 569–580 bzw. S. 346–358, ist wiederum vor allem den historischen Katalogen gewidmet, die im einzelnen aufgeführt werden. Vgl. insbesondere die Anmerkungen 40–47. Morgenbesser: Geschichte des Hospitals (Anm. 61), S. 47. Vgl. Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 570 f. bzw. S. 348 f. mit Anm. 37. Hier eine Auflistung mit den einschlägigen Zitaten der vorliegenden Zeugnisse zu dem unschätzbaren Dokument. Vgl. auch den Eintrag zur Bibliothek in: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau (Anm. 33), Teil II (1933), S. 185, mit der Abbildung des Donatorenbuches S. 195, Abb. 188. Vgl. auch die Abbildung in unserem Buch. Wir haben sie im einzelnen aufgeführt und erstmals detaillierter charakterisiert in der Abhandlung zur ›Bücherhochburg des Ostens‹ (Anm. 1), S. 572–578 bzw. S. 349–356, Anm. 40–47. Jetzt auch die Zusammenstellung bei Haberland: Kommentierte Bibliographie

519

520

|  Anmerkungen

65 66

67

68 69 70 71

72 73 74

75 76 77 78

(Anm. 1), S. 203–205. Eine Liste der Donatoren schon bei Wolf: Compendiaria (Anm. 61), S. 6 ff., sodann bei Morgenbesser: Geschichte des Hospitals (Anm. 61), S. 50 ff., sowie bei Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (Anm. 5), S. 38 f. Vgl. auch den Hinweis auf ein wiederaufgefundenes Münzverzeichnis mit einem Verzeichnis der Donatoren der Bibliothek, präsentiert bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 576 bzw. S. 354, Anm. 41. Vgl. zu Runge vor allem Hermann Markgraf in der unten Anm. 66 zitierten Arbeit, S. 13. Runges Hauptwerk, quellenkundlich äußerst reichhaltig und bis heute gerne benutzt: Notitia Historicorvm Et Historiae Gentis Silesiacae. Pars I.– Breslau: Korn 1775. Zu Raschke vgl. Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Haupt=Stadt und des Fürstenthums Breslau, wie auch des Namslauer Kreißes in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1780, S. 327–329. Zu Klose vgl. Hermann Markgraf: Zur Erinnerung an Samuel Benjamin Klose.– In: Silesiaca. Festschrift Colmar Grünhagen.– Breslau: Morgenstern 1898, S. 1–22. Dazu eingehend unten Kapitel 9, S. 361 ff. Vgl. zum folgenden Max Hippe: Zur Vorgeschichte der Breslauer Stadtbibliothek.– In: Aufsätze Fritz Milkau gewidmet.– Leipzig: Hiersemann 1921, S. 162–176; Ernst Wermke: Zur Entstehung der Breslauer Stadtbibliothek.– In: Beiträge zur Geschichte der Stadt Breslau 7 (1939), S. 39–47; Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 42–44. Zitiert nach Hippe (Anm. 67), S. 164. Vgl. das Referat nebst Zitat bei Hippe (Anm. 67), S. 164 f. Vgl. wiederum Hippe (Anm. 67), S. 165–167, sowie unten S. 229 ff. Die ausführliche Wiedergabe der Hippelschen Einlassung bei Hippe (Anm. 67), S. 167–173. Die vorgelegten Zitate hier S. 168 und S. 169. Zu Schummel vgl. den Eintrag in der zweiten Auflage des Killyschen Literatur Lexikons, Band X (2011), S. 641 f. mit der einschlägigen Literatur. Seine dreibändigen Empfindsame Reisen durch Deutschland (1771/72) wurden ungeachtet der vehementen Kritik von Goethe und anderen zu einem Erfolgsbuch. Hippe (Anm. 67), S. 176. Vgl. zum Voranstehenden und zum Folgenden vor allem Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 46–49. Zu den Zahlenangaben und ihrer Problematik – sind ›Bände‹, sind ›Titel‹ mit den ›Werken‹ gemeint? – vgl. die Nachweise in der Literatur und die Diskussion bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 555, Anm. 15 (Rhedigersche Bibliothek); S. 567, Anm. 34 (Bibliothek Maria-Magdalena); S. 579 f., Anm. 50 (Bernhardiner-Bibliothek). Zu der Vereinigung des Bestandes vgl. S. 606 mit Anm. 85. Die Nachweise auch in Garber: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 1) S. 331, 344 u. 358. Das Zitat bei Müller: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 46. Vgl. Arthur Biber: Stadtbibliothek Breslau, Wissensnötiges und Wissenswertes für den Benutzer.– Breslau 1933, S. 8. Vgl. Jahrbuch der Deutschen Bibliotheken. Hrsg. vom Verein Deutscher Bibliothekare. Jahrgang 33.– Leipzig: Harrassowitz 1943, S. 27 f. Vgl. Biber: Stadtbibliothek Breslau (Anm. 75), S. 11 f.; Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 54–56. Nähere Informationen dazu erhielt der Verfasser von dem Nestor der Altdruckabteilung Adam Skura.

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

79 Zu den Katalogen der Druckschriften vgl. Biber: Stadtbibliothek Breslau (Anm. 75), S. 13–18; Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 56–61. 80 Dazu grundlegend das aus eigener Anschauung gestaltete Kapitel bei Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 86–98. Vgl. auch Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 1), S. 607–613 bzw. S. 387–393, unter Verarbeitung der einschlägigen und zumal auch älteren Literatur. 81 Dazu wiederum grundlegend Lesław Spychała: Wegweiser durch die Handschriftenbestände der Universitätsbibliothek Wrocław/Breslau.– In: Kulturgeschichte Schlesiens (Anm. 1), S. 656–746. Vgl. auch Klaus Garber: Verzeichnis bio-bibliographischer handschriftlicher und gedruckter Hilfsmittel zur schlesischen Personenkunde der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung des Späthumanismus.– In: ders.: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 4), S. 97–157; S. 105–112: Handschriften-Verzeichnisse. 82 Vgl. Ernst Volger: Mittheilungen aus der Stadtbibliothek zu Breslau.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 15 (1880), S. 235–245, hier S. 238–240; ders.: Über die Sammlung von Stammbüchern in der Stadtbibliothek zu Breslau.– In: 44. Bericht von Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift, Juni 1880, S. 445–475 (mit einem Gesamtverzeichnis der bis dato im Besitz der Bibliothek befindlichen 77 Stammbücher; die Zahl erhöhte sich in den weiteren Jahrzehnten auf rund 150!). Vgl. auch Max Hippe: Aus alten Stammbüchern der Breslauer Stadtbibliothek.– In: Schlesische Monatshefte 1 (1924), Heft 2, S. 82–86; 2 (1925), Heft 3, S. 132–139. 83 Vgl. Ernst Vouillième: Die Wiegendrucke der Stadtbibliothek Breslau.– Breslau 1909. Exemplar in der BU Wrocław (Signatur III Hz – 10). Zu den Luther-Drucken: Alfons Heyer: Lutherdrucke auf der Breslauer Stadtbibliothek, 1516–1523.– In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 9 (1892), S. 21–29, 267–274, 403–416 und 459–483. 84 Vgl. Emil Bohn: Bibliographie der Musik-Druckwerke bis 1700[,] welche in der Stadtbibliothek, der Bibliothec des Academischen Instituts für Kirchenmusik und der Königlichen und Universitäts-Bibliothek zu Breslau aufbewahrt werden. Ein Beitrag zur Geschichte der Musik im XV., XVI. und XVII. Jahrhundert.– Berlin: Cohn 1883. Reprint: Hildesheim, New York: Olms 1969; ders.: Die musikalischen Handschriften des XVI. und XVII. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek zu Breslau. Ein Beitrag zur Geschichte der Musik im XVI. und XVII. Jahrhundert.– Breslau: Hainauer 1890. Reprint: Hildesheim, New York: Olms 1970; ders.: Bibliothek des gedruckten mehrstimmigen weltlichen deutschen Liedes vom Anfange des 16. Jahrhunderts bis ca. 1640, als »bibliographische Beigabe« zu: Bohn: Fünfzig historische Concerte in Breslau 1881 bis 1892, nebst einer bibliographischen Beigabe.– Breslau: Hainauer 1893. Ein durchschossener Sonderdruck mit handschriftlichen Nachträgen und Signaturen versehen wies den Bestand der handschriftlichen Bohnschen Partituren-Sammlung nach; ein gedruckter Katalog kam leider nicht mehr zustande. Für die Musik-Handschriften und ‑Drucke nach 1700 stand ein sechsbändiger handschriftlicher Katalog in Folio zur Verfügung. 85 Vgl. Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 98–104. 86 Vgl. Hans Wolfgang Singer: Allgemeiner Bildniskatalog. Band I–XIV.– Leipzig: Hiersemann 1930–1936; ders.: Neuer Bildniskatalog.– Leipzig: Hiersemann 1937–1938.

521

522

|  Anmerkungen

87 Vgl. den handschriftlichen Katalog der Karten und geographischen Bücher der Stadtbibliothek Breslau (Hs 1949 KN 687). Außerdem hat sich ein Ordnungsschema der Kartensammlung erhalten (Hs 1949 KN 669). 88 Vgl. Alfons Heyer: Drei Mercator-Karten in der Breslauer Stadtbibliothek.– In: Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie 7 (1890), S. 379–389, 474–487 und 506–528; J van Raendonck: Découverte des deux premiers exemplaires connus de la grande carte d’Europe (1554) et de la carte des îles Britanniques (1564) de Gérard Mercator.– In: Annales du Cercle Archéologique du Pays de Waas 12 (1890), S. 311–329; Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 87 f. 89 Vgl. Alfons Heyer: II. Nachlese zu Weller: Die ersten deutschen Zeitungen.– In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 5 (1888), S. 214–225 und 272–283; ders.: Reste periodischer Zeitschriften des 17. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek und Kgl. und Universitätsbibliothek zu Breslau, (Als Nachtrag zu Opel’s Monographie).– In: Zentralblatt für Bibliothekswesen 6 (1889), S. 137–162. 90 Vgl. Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 94. 91 Wir wiederholen noch einmal den wichtigen Titel: Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau. Hrsg. von der Verwaltung der Stadtbibliothek. [Bearbeitet von Hans Wendt].– Breslau: Morgenstern 1903. 1. Nachtrag, umfassend die Zugänge von 1903 bis 1913. [Bearbeitet von Otfried Schwarzer und Richard Dedo].– Breslau: Morgenstern 1915. Reichhaltig handschriftlich ergänztes Exemplar bis in das Jahr 1930 und in der Nachkriegszeit revidiertes Exemplar in der Katalog-Abteilung des Schlesisch-Lausitzischen Kabinetts in der BU Wrocław. Kopie dieses Unikats in der Bibliothek des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück. 92 Es muß an dieser Stelle erneut auf ein ausführlicheres Kapitel in der ›Bücherhochburg des Ostens‹ (Anm. 1) verwiesen werden, weil dort auch die einschlägige Literatur leicht überschaubar in den Anmerkungen versammelt ist, die deshalb hier nicht wiederholt zu werden braucht. Vgl. die beiden Kapitel ›Bücher-Metropole des Ostens – Das Projekt einer schlesischen Zentralbibliothek‹, S. 580–593 bzw. S. 358–372, sowie ›Schöpfung aus fremder Wurzel – Die Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek‹, S. 593–603 bzw. S. 372–383. Grundlegend geblieben zur Geschichte der Breslauer Universitätsbibliothek die meisterhaft disponierte knappe Darstellung ihres zeitweiligen Direktors (und Nachfolgers von Adolf von Harnack in der Generaldirektion der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin!) Fritz Milkau: Die Königliche und Universitäts=Bibliothek zu Breslau. Eine Skizze.– Breslau: Hirt 1911. Das Werk erschien auch in der Festschrift zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Universität Breslau. Hrsg. von Georg Kaufmann. Teil II: Geschichte der Fächer, Institute und Ämter der Universität Breslau.– Breslau: Hirt 1911, S. 523–632. 93 Zu Büsching vgl. Marek Hałub: Johann Gustav Gottlieb Büsching 1783–1829. Ein Beitrag zur Begründung der schlesischen Kulturgeschichte.– Wrocław: Universitätsverlag 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis; 1978) mit einer Büsching-Bibliographie und einem eingehenden Literaturverzeichnis. Vgl. auch ders.: Johann Gustav Gottlieb Büsching. Ein vergessenes Leben für Schlesien.– In: Breslau und die oberschlesische Provinz. Literarische Studien zum Umfeld einer Beziehung. Hrsg. von Joachim J. Scholz.– Berlin: Mann 1995 (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien; 4); ders.: Der Breslauer Frühgermanist J.G.G. Büsching als Fortsetzer der literarhistorischen Mittelalterrezeption des 18. Jahrhunderts.– In: Aufklärung in Schlesien im europäischen Spannungsfeld. Traditionen – Diskurse – Wirkungen. Hrsg. von Wojciech Kunicki.– Wrocław: Universitätsverlag 1996 (Germanica

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

Wratislaviensia; CXIV. Acta Universitatis Wratislaviensis; 1757), S. 249–258. Dazu das Porträt Büschings in der ADB III (1876), S. 645–646, von Alwin Schultze sowie in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 288–301, von Hans Jessen. Vgl. schließlich von Hans Seger: Johann Gustav Gottlieb Büsching zu seinem 100. Todestage.– In: Altschlesien 2 (1929), S. 169–180. 94 Vgl. Johann Gustav Gottlieb Büsching: Bruchstücke einer Geschäftsreise durch Schlesien, unternommen in den Jahren 1810, 11, 12. Erster Band, mit einem Anhange, worin vermischte Aufsätze, Schlesien betreffend.– Breslau: Korn 1813. [Mehr nicht erschienen!]. 95 Zur Frühgeschichte der Frankfurter Universität sei verwiesen auf die grundlegende Untersuchung von Gustav Bauch: Die Anfänge der Universität Frankfurt a.O. und die Entwicklung des wissenschaftlichen Lebens an der Hochschule (1506–1540).– Berlin: Harrwitz Nachf. 1900 (Texte und Forschungen zur Geschichte der Erziehung und des Unterrichts in den Ländern deutscher Zunge; 3). Des Weiteren: Michael Höhle: Universität und Reformation. Die Universität Frankfurt (Oder) von 1506 bis 1550.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2002 (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte; 25). Sehr gehaltreich der Sammelband: Europäische Bildungsströme. Die Viadrina im Kontext der europäischen Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit (1506–1811). Hrsg. von Reinhard Blänkner.– Schöneiche bei Berlin: scrîpvaz-Verlag 2008. Speziell zu den Beziehungen zwischen Frankfurt/Oder und Breslau vgl. die beiden aufeinander abgestimmten Arbeiten von Gottfried Kliesch: Der Einfluß der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte dargestellt an den Breslauer Immatrikulierten von 1506–1648.– Würzburg: Holzner 1961 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 5); Otto Bardong: Die Breslauer an der Universität Frankfurt (Oder). Ein Beitrag zur schlesischen Bildungsgeschichte 1648–1811.– Würzburg: Holzner 1970 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 14). Dazu das monumentale, von Jan Harasimowicz betreute Unternehmen der Geschichte der Universität Breslau [im Druck!]. Zur jüngsten Geschichte der Viadrina vgl. auch: Die Viadrina. Eine Universität als Brücke zwischen Deutschland und Polen. Hrsg. von Richard Pyritz und Matthias Schütt.– Berlin-Brandenburg: be.bra wissenschaft verlag 2009. 96 Das von Beckmann betreute Grundwerk zur Universität wie zur Bibliothek erschien erstmals im Jahr 1676 und ist eines der großen Zeugnisse akademischer Historiographie: Memoranda Francofurtana. Notitia Universitatis, De Initiis, Privilegiis, Ordine, Statutis Ipsius: Catalogus Universalis Librorum Bibliothecae Nunc Publicae; Antehac Privata Industria Incomparabilium Virorum […] instructae: Wolfgangi Justi Chronicon Urbis Francofurtanae: Catalogus Plantarum In Tractu Francofurtano Sponte Nascentium: edente Joh. Christophoro Becmano. Francofurti ad Oderam A. MDCLXXVI. Prelo Friderici Eichornii. Das Werk enthält ein Kapitel zu den Anfängen der Universität, eine ausführliche Dokumentation ihrer Privilegien sowie weitere zu ihrer Ordnung und ihren Statuten, schließlich eine Aufzählung ihrer Rektoren. Das Zentrum aber – mit eigener Paginierung – bildet ein knapp 500 Seiten umfassender, von Beckmann gearbeiteter Katalog der Universitätsbibliothek. Ein durchschossenes und mit zahlreichen handschriftlichen Ergänzungen versehenes Exemplar des Werkes befindet sich in der Handschriftenabteilung der BU Wrocław (IV F 274a). Angehängt wiederum mit gesonderter Paginierung ist eine bereits 1561 erstmals erschienene Kurtze Beschreibung der Alten Löblichen Stat Franckfurt an der Oder/ Auch von ihrer ersten Fundation/ Erbauung und Herkommen/ und was sonst derselben Gelegenheit vor alters gewesen und noch sey/ von der Zeit des Keysers Antonini Pij/ Jm Jahr nach Christi Geburt 146. bis auff diese gegenwertige Zeit aus der Feder des Mediziners und Professors für Physik an der Viadrina Wolfgang Jobst. Sie wurde

523

524

|  Anmerkungen

in der zweiten Auflage von Beckmann mit Anmerkungen versehen. Auch hier S. 36 ff. ein kurzes Kapitel ›Von der Religion und Universität etc. zu Franckfurt.‹ Das Werk erschien auch selbständig und wurde 1706 zweibändig wesentlich erweitert in einer Folio-Ausgabe nochmals vorgelegt. Auch die Beckmannsche Universitäts- und Bibliotheksgeschichte kam 1707 in einer monumentalen Folio-Ausgabe neu heraus: Notitia Universitatis Francofurtanae, Una cum Iconibus Personarum Aliquot Illustrium, Aliorumque Virorum Egregiorum, Qui eam Praesentia sua Ac Meritis Illustrarunt, Professorum denique Ordinariorum Qui Anno Seculari Universitatis Secundo vixerunt. Francofurti ad Viadrum, Impensis Jeremiae Schrey & Joh. Christoph Hartmann, An. MDCCVII. Das Werk wurde nun von Beckmann dem Preußischen König gewidmet. Neu hinzutritt eine überaus wertvolle Verzeichnung der Professoren der Anstalt, gegliedert nach Fakultäten und versehen mit knappen Angaben zur Person und insonderheit zu den vertretenen Fachgebieten, denen sich ein 200 Seiten umfassendes Kapitel mit den Viten der Professoren anschließt, über das Beckmann zur ersten Autorität der Frankfurter Gelehrtengeschichte aufrückte. Im Jahr 1706 wurde das zweihundertjährige Jubiläum der Universität gefeiert. Auch dieses Ereignis wurde in einem prachtvollen Folio-Werk festgehalten: Secularia Sacra, Academiae Regiae Viadrinae, Quibus Sub Augustis Auspiciis Invicti atque Potentissimi Regis Borussiae […] Devota Pietate Celebravit. Francofurti Ad Viadrum, Impensis Jerem. Schreyi & Joh. Christoph. Hartmanni. Literis Christophori Zeitleri.– [s.l. 1707]. Zu dem festlichen Anlaß erschien auch ein neu bearbeiteter und erweiterter Katalog aus der Feder Beckmanns, der nun in einem mächtigen Folio separat vorgelegt wurde: Catalogus Bibliothecae Publicae Universitat. Francofurtanae, Edente Joh. Christoph. Becmano. Francofurti ad Viadrum, Impensis Jeremiae Schrey & Joh. Christoph. Hartmann, Literis Christophori Zeitleri. Anno Jubilaeo Universitatis IIdo, Christi MDCCVI. Damit besaß Frankfurt ein Werk, das die ersten zwei entscheidenden Jahrhunderte der Bestandsgeschichte der Bibliothek komplett dokumentierte und das also unschätzbare Dienste bei der Rekonstruktion der 1945 untergegangenen Breslauer Universitätsbibliothek zu leisten vermag.– Ein weiterer handschriftlicher Katalog stammt von Carl Renatus Hansen: Academiae Viadrinae Bibliotheca Catalogo Auctorum Descripta MDCCLXXV. Er umfaßte zwei Bände und wurde nach Ausweis von Milkau (Anm. 92, S. 8) bis zum Ende der Frankfurter Bibliothek fortgeführt. Er umfaßte zwei starke Folio-Bände, von denen sich tragischerweise nur der erste Band, die Buchstaben A bis Lam umfassend, in der Handschriften-Abteilung der BU Wrocław erhalten hat (Hs IV F 274). Hansen ist auch Verfasser der einzigen deutschsprachigen Geschichte der Frankfurter Universität: Geschichte der Universität und Stadt Frankfurt an der Oder, seit ihrer Stiftung und Erbauung, bis zum Schluß des achtzehnten Jahrhunderts, größtentheils nach Urkunden und Archiv-Nachrichten bearbeitet.– Frankfurt/Oder: Apitz 1800, 2. Aufl. 1806. Zu allen näheren Einzelheiten und weiteren Spezialkatalogen vgl. den oben Anm. 92 erfolgten Hinweis auf die einschlägigen Partien in der ›Bücherhochburg des Ostens‹ aus der Feder des Verfassers. Vgl. auch den Eintrag zur Universität Frankfurt/Oder wie zur Universität Breslau bei: Wilhelm Erman, Ewald Horn: Bibliographie der deutschen Universitäten: systematisch geordnetes Verzeichnis der bis Ende 1899 gedruckten Bücher und Aufsätze über das deutsche Universitätswesen. Band I-III.– Leipzig: Teubner 1904–1905. Reprint: Hildesheim: Olms 1965. Hier Band II, S. 173 ff. bzw. Band II, S. 102 ff. 97 Zum Vorgetragenen vgl. Milkau: Die Königliche und Universitätsbibliothek (Anm. 92), S. 10 f., sowie Klaus Garber: Das alte Buch im alten deutschen Sprachraum des Ostens. Stand

6. Zentrum des verschriftlichten Wortes  |

und Aufgaben der Forschung am Paradigma des personalen Gelegenheitsschrifttums.– In: Deutscher Buchdruck im Zeitalter des Barock. Teil I–II.– Wiesbaden: Harrassowitz 1997 (Wolfenbütteler Barock-Nachrichten; 24/1–2), S. 445–520, S. 460 ff. mit weiterer Literatur zu Oelrichs und seinem Umkreis. Der Text ist eingegangen in den Schlußteil von ›Das alte Buch im alten Europa‹ (Anm. 1), S. 677–748, hier die einschlägigen Passagen S. 693 ff. Einen Teilbestand von Oelrichs Büchern findet man verzeichnet in: Catalogus Reliquiarum Bibliothecae D. Jo. Car. Conr. Oelrichs […] Hastae Publicae A Beato Possessore Destinatae. Pars I–II.– Berolino MDCCC. Die an die Frankfurter Bibliothek gelangten Bücher sind in einem zweibändigen, systematisch nach den Angaben von Oelrichs angelegten Katalog aktenkundig, der sich glücklicherweise erhalten hat: Katalog der nachgelassenen Büchersammlung von J.K.K. Oelrichs, verfertigt von Johann Gustav Hermann (BU Wrocław Hs. IV Qu 242); darüber hinaus existiert ein Übernahme-Protokoll (Verzeichnis der von dem verstorbenen Geheimen Legations Rath Oelrichs an die Universität Franckfurt a/O vermachten Bücher, Landkarten und Kupferstiche (Hs IV F 274b), das die genaue Zahl der übernommenen Bücher (ohne Karten und Stiche) ausweist (2166 Bände). 98 Auch für die Bibliothek der Leopoldina wieder das einschlägige Kapitel bei Milkau (Anm. 92) heranzuziehen, betitelt: Die Bibliothek der Leopoldina, S. 17–23. Erhalten hat sich, wie erwähnt, der Katalog der Bibliothek Neanders. Die näheren Angaben bei Milkau (Anm. 92), S. 18, sowie weitergeführt bei Garber: Bücherhochburg (Anm. 1), S. 599 bzw. S. 379 f., Anm. 70., auf der Basis der in der BU Wrocław erhaltenen Handschrift (IV F 283b). Der Katalog des Jesuiten-Kollegs: Libri Collegij Societatis Jesu, Wratislavia Anno MDCCVI (Hs IV F 273a). Die Literatur zur Leopoldina selbst aufgeführt bei Garber in der erwähnten Anm. 70 (S. 600 bzw. S. 379 f.). Vgl. auch Erman-Horn II, 98–102. 99 Zu den vorhandenen Handschriften vgl. im einzelnen Spychała: Wegweiser durch die Handschriftenbestände (Anm. 81) sowie Garber: Bücherhochburg (Anm. 1), S. 600–602 bzw. S. 380 f., mit Anm. 71. Für weitere Informationen vor allem heranzuziehen: Josef Staender: Die Handschriften der Königlichen und Universitätsbibliothek zu Breslau.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 33 (1899), S. 1–66. Hier das wichtige abschließende Kapitel IV: Bestand der Sammlung, S. 34–58, mit einer genauen Auflistung und Beschreibung der Provenienzen. Zu dem Friedrichschen Katalog vgl. Staender, S. 62–64; Milkau (Anm. 92), S. 76 f. »Die Anordnung des Catalogs ist eine wissenschaftlich-systematische: an erster Stelle stehen die theologischen Manuskripte, an zweiter die juristischen, an dritter die medizinischen, an vierter die philosophischen; die erste und die letzte Klasse zerfallen wieder in eine Anzahl Unterabtheilungen. Diesem Realcatalog hat Friedrich in den folgenden Jahren noch zwei alphabetische Registerbände beigegeben, sodaß der Catalog aus drei Folianten besteht.« (Staender, S. 63) Der Katalog hat sich erhalten: Catalogus codicum scriptorum qui in Bibliotheca Regio ac Academica Wratislaviensi servantur. (Handapparat der Handschriften-Abteilung der BU Wrocław, Signatur: Akc 1967/1). Auch der von Gröber und anderen erstellte neue Katalog in 28 Bänden hat sich bis auf die beiden ersten Bände erhalten und wird gleichfalls frei zugänglich im Handapparat der Handschriften-Abteilung verwahrt (Signatur: Akc 1967/2). Die beiden ersten Bände liegen gedruckt vor: Die Handschriften der Staats- und Universitätsbibliothek Breslau. Band I.– Leipzig: Harrassowitz 1938 (Verzeichnis der Handschriften im deutschen Reich. Teil I). Ein zweiter vermutlich noch in die Druckerei gegebener Band kam nicht mehr zustande und wurde in mühseliger Kleinarbeit von dem leider allzufrüh

525

526

|  Anmerkungen

verstorbenen polnischen Handschriften-Spezialisten Jazdzewski rekonstruiert: Catalogus manu scriptorum codicum medii aevi latinorum signa 180–260 comprehendens, compositus a Constantino Cl. Jazdzewski.– Wratislaviae etc.: Institutum Ossolinianum, Officina Editoria Academiae Scientiarum Poloniae 1982. Wir bleiben Herrn Jazdzewski für zahlreiche ergiebige Gespräche und die Hilfe bei Lesung und Transkription von Handschriften in bleibendem Dank verbunden. Lesław Spychała hat dem verehrten Kollegen seine große Abhandlung gewidmet. Die weiteren Spezialverzeichnisse findet man in den Arbeiten von Garber und Spychała aufgeführt.– Der erwähnte und vorzüglich gearbeitete InkunabelKatalog wurde von Stenzler in zwanzigjähriger Arbeit erstellt. Er lag nur handschriftlich vor. Ein nach Druckorten angelegter Auszug erschien in der Festschrift zum 50jährigen Jubiläum der Breslauer Universität: Adolf Friedrich Stenzler: Librorum Seculo XV impressorum, quos Bibliotheca Regiae Universitatis Vratislaviensis tenet, conspectus generalis.– Breslau: Grass & Barth 1861.– Eine Aufstellung der von der Säkularisation erfaßten Klöster bei Otto Linke: Friedrich Theodor von Merckel im Dienste fürs Vaterland. Teil I: Bis September 1810, Teil II: Bis Januar 1813.– Breslau: Wohlfahrt 1907–1910 (Darstellungen und Quellen zur Schlesischen Geschichte; 5. 10), Teil II, Abschnitt VI, S. 69–144: Merckels Anteil an der Säkularisation der geistlichen Güter in Schlesien. Die Liste der betroffenen Klöster hier S. 305 ff. 100 Vgl. zu diesem neuerlichen Kleinod der schlesischen Kulturgeschichte Karl Gabriel Nowack: Die schlesische Bibliothek der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur zu Breslau.– In: Schlesische Provinzialblätter 102 (1835), S. 427–433. Das vorgelegte Zitat hier S. 433. 101 Die alterthümlichen Handschriften-Sammlungen auf dem Rathause zu Breslau.– In: Schlesische Provinzialblätter 66 / N.F 1 (1862), S. 291–295, S. 291 f. und S. 295. 102 Vgl. zum Wirken Pfeiffers zunächst in der Rhedigerschen Bibliothek, sodann in der Stadtbibliothek Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 45–47, 50–54, 57–60 und 65. 103 Vgl. wiederum das Porträt Markgrafs bei Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 66–69 und 74 f. Hier S. 68 auch eine Auflistung der von Markgraf herausgegebenen Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau. Sie wurden 1915 beschlossen mit einem Heft 12, das die häufig von uns herangezogenen Kleinen Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus von Markgraf enthält. Vgl. zu Markgraf auch den großen Nachruf (nebst Schriftenverzeichnis) von seinem Amtskollegen im Archiv, Heinrich Wendt: Zu Hermann Markgrafs Gedächtnis.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter­ thum Schlesiens 40 (1906), S. 1–48. Nachrufe erschienen auch u. a. von Otfried Schwarzer in: Deutsche Geschichts-Blätter 7 (1906), S. 192–197, sowie von seinem Amtsnachfolger Max Hippe in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 23 (1906), S. 205–211. Hippe hat auch das Porträt Markgrafs in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 402–410, gezeichnet. 104 Vgl. Hermann Markgraf: Geschichte des städtischen Urkundenarchivs in Breslau.– In: Archivalische Zeitschrift 3 (1878), S. 110–136. 105 Zu Klose und Paritius vgl. das letzte Kapitel unseres Buches. Zu Roppan vgl. Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau (Anm. 5), S. 39. 106 Hippe: Hermann Markgraf.– In: Schlesische Lebensbilder (Anm. 103), S. 410. 107 Zu Max Hippe vgl. das Porträt bei Rüffler: Die Stadtbibliothek (Anm. 5), S. 75 f., 112f., 158, 160 f. 108 Vgl. zum folgenden vor allem die großangelegte Darstellung von Bruno Krusch: Geschichte des Staatsarchivs zu Breslau.– Leipzig: Hirzel 1908 (Mitteilungen der Königl. Preussischen

7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden  |

Archivverwaltung; 11). Hier auch im Rückblick auf Büsching das Einleitungs-Kapitel ›Die Begründung des Staatsarchivs durch Büsching (1810–1821)‹ mit dem ersten, die geschichtlichen Zusammenhänge herstellenden Paragraphen ›Die Einziehung der geistlichen Archive in Ausführung des Säkularisations-Edikts‹. Hier auch die im Vorangehenden angeführten Zahlen. Vgl. auch Stenzel: Nachricht über das Königlich-Schlesische Provinzial-Archiv zu Breslau.– Breslau: Korn 1831; Konrad Wutke: Die Entwicklung des Breslauer Staatsarchivs.– Breslau: Schlesische Volkszeitung 1922. Büsching hat sich selbst auch über die Entwicklung des Provinzial- und nachmaligen Staatsarchivs geäußert. Vgl. Büsching: Das Schlesische Akademische Provinzial-Archiv zu Breslau.– In: Schlesische Provinzialblätter 73 (1821), S. 411–425. Insbesondere in dem Werk von Krusch auch die Porträts der Direktoren des Provinzial- bzw. des Staatsarchivs. 109 Vgl. Otto Meinardus, Rudolf Martiny: Das neue Dienstgebäude des Staatsarchivs zu Breslau und die Gliederung seiner Bestände.– Leipzig: Hirzel 1909 (Mitteilungen der Königl. Preussischen Archivverwaltung; 12). 110 Wutke: Die Entwicklung des Breslauer Staatsarchive (Anm. 108), S. 15. Zu dem Diözesanarchiv, das wir hier nicht mehr berühren können, vgl. die schöne Arbeit von Joseph Jungnitz: Das Breslauer Diözesanarchiv.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 39 (1905), S. 52–77. Vgl. auch Alfons Nowack: Führer durch das Erzbischöfl. Diözesanmuseum in Breslau.– Breslau: Borgmeyer 1932.

7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden 1

2

3

Vgl. Konrad Burdach: Vom Mittelalter zur Reformation. Forschungen zur Geschichte der deutschen Bildung. Erstes Heft.– Halle/Saale: Niemeyer 1893. Eine buchförmige Neubearbeitung dieses Prolegomenons zu Burdachs Lebenswerk Vom Mittelalter zur Reformation, wie Burdach sie über Jahrzehnte plante und für die der Titel ›Die Kultur des deutschen Ostens im Zeitalter der Luxemburger‹ vorgesehen war, ist nicht mehr zustandegekommen. Vgl. Klaus Garber: Versunkene Monumentalität. Das Werk Konrad Burdachs.– In: Kulturwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Ihr Werk im Blick auf das Europa der Frühen Neuzeit. Unter Mitwirkung von Sabine Kleymann hrsg. von Klaus Garber.– München: Fink 2002, S. 109–157, S. 143 ff., speziell zu Burdachs Bild von Neumarkt S. 145 f. mit Anm. 71. In dem Erstling von 1893 findet man Einschlägiges zur Prager Kanzlei und zu Neumarkt S. 30 ff. Vgl. zu Neumarkt den Eintrag von Werner Höver im Verfasserlexikon des Mittelalters IV (1983), S. 686–695. Vgl. das äußerst dichte und gehaltreiche Kapitel ›Auftreten des Humanismus in Breslau‹ in dem schon wiederholt herangezogenen grundlegenden Werk von Gustav Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens vor der Reformation.– Breslau: Hirt 1909 (Codex Diplomaticus Silesiae; 25), S. 200–225, auf das sich die folgenden Ausführungen stützen. Vgl. von Bauch auch: Beiträge zur Litteraturgeschichte des schlesischen Humanismus. VI.: Das Breslauer Domkapitel und der Humanismus.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter­ thum Schlesiens 38 (1904), S. 292–342. Vgl. auch hier das reiche Kapitel ›Die Einführung des Humanismus in die Breslauer Schulen‹ in dem Anm. 2 zitierten Werk von Bauch, S. 226–241. Vgl. von Bauch auch: Deutsche Scholaren in Krakau in der Zeit der Renaissance 1460–1520.– Breslau: Marcus 1901, sowie

527

528

|  Anmerkungen

ders.: Schlesien und die Universität Krakau im XV. und XVI. Jahrhundert.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907), S. 99–180. 4 Wiederum grundlegend Gustav Bauch: Laurentius Corvinus, der Breslauer Stadtschreiber und Humanist.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 17 (1883), S. 230–302. Dazu die Corvinus-Passage in dem Kapitel ›Die Einführung des Humanismus‹ bei Bauch (s.o. Anm. 3), S. 230–239. Umfassend jetzt die Einträge von Gernot Michael Müller in: Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon, Band I, Lieferung 2 (2006), Sp. 496–505, sowie in der zweiten Auflage von Killys LiteraturLexikon, Band II (2008), S. 488 f., jeweils mit weiterer Literatur. 5 Vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 2), S. 232 f. 6 Bauch: Laurentius Corvinus (Anm. 4), S. 279. 7 Vgl. zu Metzler Gustav Bauch: Beiträge zur Litteraturgeschichte des schlesischen Humanismus. IV.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 32 (1898), S. 49–104, S. 49–81. 8 Vgl. das Kapitel ›Schädigung der städtischen Schulen durch die reformatorische Bewegung‹ bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation.– Breslau: Hirt 1911, S. 48–63. Hier die vorgelegten Zitate S. 49 und S. 51. 9 Ebd., S. 52. Vgl. auch Bauch: Laurentius Corvinus (Anm. 4), S. 296. 10 Ebd., S. 296 f. 11 Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 62. Zu Niger vgl. Gustav Bauch: Das Leben des Humanisten Antonius Niger. Mit einer Beilage.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 16 (1882), S. 180–219. 12 Vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 60–63. Vgl. zu Troger auch Bauch: Beiträge zur Literatturgeschichte des schlesischen Humanismus. I.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 26 (1892), S. 213–248, S. 248. 13 Vgl. zum folgenden Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 70–72. 14 Vgl. zu diesem Abschnitt Bauch, S. 233 und S. 101–115, sowie unsere Ausführungen im fünften Kapitel, S. 132 f mit Anm. 13. 15 Vgl. unsere Ausführungen oben S. 137 f. mit Anm. 20. 16 Vgl. Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 118 f. 17 Vgl. Bauch, S. 119, S. 83, S. 188. 18 Der lateinische Wortlaut bei Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens (Anm. 8), S. 124. Vgl. zu Monau und seinem Symbolum unten S. 271 ff. 19 Vgl. Bauch, S. 121–123. 20 Ebd., S. 122. 21 Ebd. 22 Die maßgebliche Biographie zu Ursinus entstand zu einer Zeit, da der mittelosteuropäische Raum noch wie selbstverständlich als eine in aller Vielgliedrigkeit einheitliche kulturelle Entität begriffen wurde – und das im Blick auf kein Zeitalter mehr als das des vorreformatorischen Humanismus. Vgl. entsprechend an erster Stelle Gustav Bauch: Caspar Ursinus Velius. Der Hofhistoriograph Ferdinands I. und Erzieher Maximilians II.– Budapest: Kilian 1886. Hier auch eine Bibliographie der Werke des Ursinus. Das vorgelegte Zitat hier S. 4. Hinzuzunehmen die Einträge von Hans Heckel in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 12–18, von Gerhard Zimmermann in: Das Breslauer Domkapitel im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation (1500–1600).– Weimar: Böhlaus Nachf. 1938

7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden  |

23

24 25

26 27 28

29 30

(Historisch-Diplomatische Forschungen; 2), S. 550–552, sowie von Hermann Wiegand in der zweiten Auflage von Killys Literatur Lexikon, Band XI (2011), S. 748 f. (ohne Verweis auf Heckel und Zimmermann). Abzuwarten bleibt der Eintrag in dem Anm. 4 erwähnten und von Franz Joseph Worstbrock betreuten Lexikon der Humanisten in den Jahren 1480–1520. Vgl. zu Stanislaus Thurzo jetzt: Martin Rothkegel: Der lateinische Briefwechsel des Olmützer Bischofs Stanislaus Thurzó. Eine ostmitteleuropäische Humanistenkorrespondenz der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.– Hamburg, Münster: LIT 2007 (Hamburger Beiträge zur Neulateinischen Philologie; 5). Hier eine Biographie sowie reichhaltige epistolarische Zeugnisse aus dem gelehrten Verkehr mit Ursinus sowie ebenfalls mit Kaspar von Logau; die jeweiligen Dokumente auch in Regesten sowie mit Kommentar dargeboten. Bauch: Caspar Ursinus Velius (Anm. 22), S. 8. Das Geburtstagsgedicht findet man zweisprachig ediert und kommentiert von Klaus Fetkenheuer: Caspar Ursinus Velius. Ein Geburtstagsgedicht auf Erasmus von Rotterdam.– In: Mittellateinisches Jahrbuch 45 (2010), S. 267–306. Vgl. von demselben Verfasser auch: Caspar Ursinus Velius. Siebzehn Spottepigramme (1522). Text, Übersetzung, Anmerkungen, literarischer Kontext.– In: Neulateinisches Jahrbuch 12 (2010), S. 67–104. Bauch: Caspar Ursinus Velius (Anm. 22), S. 33. Vgl. zu den näheren editorischen Angaben hier und im folgenden die Bibliographie bei Bauch im Anhang zu seiner Ursinus-Abhandlung. Zu den von Logaus vgl. den Eintrag bei Sinapius: Schlesischer Curiositäten Erste Vorstellung.– Leipzig: Fleischer 1720, S. 607–611. Hier zu Georg von Logau S. 609. Zu Georg von Logau wiederum grundlegend die für den schlesischen Humanismus erste Autorität Gustav Bauch: Der humanistische Dichter George von Logau. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des schlesischen Humanismus.– In: Jahres-Bericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur 73 (1896), S. 5–33. Die Abhandlung erschien im gleichen Jahr auch als Einzeldruck in Budapest. Vgl. auch die Einträge von Zimmermann: Das Breslauer Domkapitel (Anm. 22), S. 355–357, sowie von Reinhard Düchting und Wilhelm Kühlmann in der zweiten Auflage von Killys Literatur Lexikon, Band VII (2010), S. 496. Vgl. die entsprechenden Nachweise bei Rothkegel: Der lateinische Briefwechsel (Anm. 23). Das Exemplar aus der Breslauer Stadtbibliothek, heute in der BU Wrocław, trägt eine eigenhändige Widmung Logaus. Vgl. Bauch: Der humanistische Dichter (Anm. 28), S. 21, Anm. 9. Ein Prachtexemplar, vermutlich aus dem Besitz von Logau selbst, bewahrte die Königliche Staats- und Universitätsbibliothek. Beschreibung des Exemplars bei Bauch, S. 22 f. sowie bei Pfotenhauer: Schlesier als kaiserliche Pfalzgrafen und schlesische Beziehungen zu auswärtigen Pfalzgrafen.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter­ thum Schlesiens 26 (1892), S. 319–363, S. 338 f. »Auf dem ersten Blatte dieses Buches erblickt man vorn das gemalte Brustbild des Dichters und rückseitig einen ›Nummus in honorem Georgii Logi cusus‹, diesen mit dem Lorbeerkranze geschmückt darstellend und folgende Umschrift tragend: G. Logus Silesius poëta et eques Germanus.« Wann ihm die Pfalzgrafenwürde verliehen wurde, scheint unbekannt zu sein. Pfotenhauer bietet keine näheren Angaben. Die Charakteristik, die Bauch im übrigen von Logaus Gedichten bietet, ist verfehlt und zeigt die Grenzen des großen Historikers, die auch er in Übereinstimmung mit seiner Zeit, befangen in einer trivialen Erlebnis-Ästhetik, nicht zu überwinden vermochte.

529

530

|  Anmerkungen

31 Vgl. die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Band I. Hrsg. von Ludwig Burgemeister.– Breslau: Korn 1930 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien. Band I: Die Stadt Breslau. 1. Teil), S. 192. 32 Ein einziger Hinweis möge an dieser Stelle genügen: Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der ›Zweiten Reformation‹. Hrsg. von Heinz Schilling.– Gütersloh: Mohn 1986 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte; 195). Vgl. auch den ergiebigen Sammelband: Renaissance-Reformation. Gegensätze und Gemeinsamkeiten. Hrsg. von August Buck.– Wiesbaden: Harrassowitz 1984 (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung; 5). 33 Vgl. Klaus Garber: Aspekte des Späthumanismus.– In: Nobilitas literaria Silesiae. Schlesien – Herzlandschaft des mitteleuropäischen Späthumanismus (im Druck). 34 Vgl. zum folgenden neben den in Anm. 32 zitierten Werken: Manfred P. Fleischer: Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze.– München: Delp’sche Verlagsbuchhandlung 1984 (Silesia; 32); ders.: Wesen und Wirken der späthumanistischen Gelehrtenrepublik in Schlesien.– In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 35 (1983), S. 323–334; Robert Seidel: Späthumanismus in Schlesien. Caspar Dornau (1577–1631). Leben und Werk.– Tübingen: Niemeyer 1994 (Frühe Neuzeit; 20). Vgl. auch Arno Lubos: Der Späthumanismus in Schlesien.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 11 (1957), S. 107–147. Lubos verwendet den Begriff für den gesamten Zeitraum vom Auftreten Luthers bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges. »Er behandelt darunter die schlesischen Reformatoren, Schulmänner, Lateinliteraten, Kirchenliederdichter, lateinischen und deutschen Dramatiker, Meistersinger, Zeitmemorialisten (Schweinichen, Schellenschmidt) und Mystiker.« (Fleischer, 1984, S. 1) Analoges gilt für die bekannte Literaturgeschichte von Lubos. Es liegt auf der Hand, daß der Begriff damit seine Konturen verliert und für eine wissenschaftliche Handhabung unbrauchbar wird. Es ist das große Verdienst von Erich Trunz, den Begriff der Literaturwissenschaft gewonnen zu haben. Die entsprechende, schon 1931 erschienene Abhandlung ist heute in erweiterter Fassung leicht zugänglich in: Trunz: Deutsche Literatur zwischen Späthumanismus und Barock. Acht Studien.– München: Beck 1995, S. 7–82. 35 Eine Reihe von ihnen findet man charakterisiert bei Klaus Garber: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 4). Hier im Opitz-Teil ein Anhang: Verzeichnis bio-bibliographischer handschriftlicher und gedruckter Hilfsmittel zur schlesischen Personenkunde der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung des Späthumanismus, S. 97–157. Eine Auswahl von Epigrammsammlungen aufgeführt in Abschnitt 5: Epigramm-Sammlungen und Verwandtes, S. 129–157. 36 Aus der inzwischen sich mehrenden Literatur sei hier nur auf die jüngste Publikation verwiesen: Schlesien und der deutsche Südwesten um 1600. Späthumanismus – reformierte Konfessionalisierung – politische Formierung. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Albrecht Ernst.– Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel: verlag regionalkultur 2012 (Pforzheimer Gespräche; 5). Hierin einleitend Klaus Garber: Schlesisch-pfälzischer Brückenschlag um 1600 im Zeichen von Späthumanismus und Konfessionalismus, S. 13–39. 37 J[ohann]. F[ranz]. A[lbert]. Gillet: Crato von Crafftheim und seine Freunde. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Nach handschriftlichen Quellen. Erster [und] Zweyter Teil.– Frankfurt/

7. Kulmination des Humanismus auf schlesischem Boden  |

38 39 40 41

42 43

44 45 46

Main: Brönner 1860. Das vorgelegte Zitat hier S. V. Zu der hier angesprochenen Geschichte der Union vgl. von Gillet das zweite aus seiner Feder hervorgegangene und zeitlich frühere Hauptwerk: Die Reformirten in Schlesien und die Union. Ein aus urkundlichen Quellen geschöpfter Beitrag zur neuesten Kirchengeschichte. Teil I und II.– Breslau: Dülffer 1855 (Auch unter dem Titel: Falk’s Abschiedspredigt und die Geschichte. 2 Abteilungen. Breslau 1855).– Zu Gillet selbst vgl. den knappen Eintrag in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 15 (1879), S. 259, mit dem Nachtrag im Jahrgang 1881, S. 246. Hinzuzunehmen: Ein Brief Cratos über seine Absetzung als Stadtarzt in Breslau.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 9 (1869), S. 389–394. Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 37), Vorwort, S. V. Paul Dziallas: Johann Crato von Krafftheim und Johann von Jessen.– In: Leistung und Schicksal. Abhandlungen und Berichte über die Deutschen im Osten. Hrsg. von Eberhard G. Schulz.– Köln, Graz: Böhlau 1967, S. 147–156, S. 147. Fleischer: Späthumanismus (Anm. 34), S. 14. Viktor Fossel: Studien zur Geschichte der Medizin.– Stuttgart: Enke 1909, S. 34. Fossel kann zurückgreifen auf eine große medizinhistorische Arbeit von A[ugust]. W[ilhelm]. E[duard]. Th[eodor]. Henschel: Crato von Kraftheim’s Leben und ärztliches Wirken.– In: Denkschrift zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens. Hrsg. von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.– Breslau: Max 1853, S. 83–142. Es handelt sich um die bedeutendste Arbeit zu Crato neben derjenigen von Gillet, der sie sieben Jahre vorausging. Henschel, als Mediziner an der Breslauer Universität wirkend, bietet zunächst eine ausführliche und wiederum aus den Breslauer Quellen gespeiste Biographie und erörtert sodann das schriftstellerische medizinische Werk Cratos im Kontext seiner Zeit mit Unterabschnitten zum Verhältnis zur antiken Medizin, zur Paracelsischen Medizin und zur empirisch-praktischen Medizin seiner Zeit. Vgl. dazu neben der bereits erwähnten Literatur auch den Beitrag von Karl A. Siegel in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 124–133. In der ADB und in der NDB fehlt der Name des großen Gelehrten. Vgl. Pfotenhauer: Schlesier als kaiserliche Pfalzgrafen (Anm. 30), S. 326 f. Hier neben den Daten auch eine Zusammenstellung der pfalzgräflichen Aktivitäten. »Von keinem der schlesischen Pfalzgrafen sind uns so zahlreiche, meist im Originalkonzepte überlieferte Amtshandlungen bisher bekannt geworden als von Johann Crato von Kraftheim.« (S. 327). Abdruck des kaiserlichen Diploms nach dem Original der Pergamenturkunde aus dem Breslauer Stadtarchiv daselbst S. 354–361. Siegel (Anm. 42), S. 132. Vgl. unsere Ausführungen oben S. 53 f. und S. 84 f. Vgl. dazu Karl A. Siegel: Religiöse Dichtungen Crato v. Crafftheims.– In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 19 (1928), S. 119–125. Vgl. Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Band II. Hrsg. von Ludwig Burgemeister, Günther Grundmann.– Breslau: Korn 1933 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien. Band I: Die Stadt Breslau. 2. Teil), S. 125. Hier auch eine Beschreibung des Epitaphs. Erwähnung der Gedächtnistafeln für die Eltern und die Töchter Cratos, die sich in der Sauermann-Kapelle befindet, S. 114. Sie wurden 1858 als Ersatz für eine 1557 gestiftete angefertigt und legen auf andere Weise Zeugnis für den Ruf ab, den Crato in seiner Heimatstadt genoß.

531

532

|  Anmerkungen

47 Ein Eintrag zu Jakob Monau fehlt in den einschlägigen literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerken bislang. Der Versuch des Autors, im neuen ›Literaturwissenschaftlichen Verfasserlexikon 1520–1620‹ im Verlag de Gruyter einen entsprechenden Artikel zu plazieren, blieb vergeblich. Das biographisch bislang Ergiebigste im zweiten Teil des Werkes von Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 37), insbesondere Teil II, S. 71 ff. Hinzuzunehmen die Einträge von Schimmelpfennig in der ADB XXII (1885), S. 162 f., bei Sigismund John: Parnassus Silesiacus. Centuria I–II.– Breslau: Rohrlach 1728–29, Centuria II, pp. 111–115, sowie bei J.G. Peuker: Kurze biographische Nachrichten der vornehmsten schlesischen Gelehrten.– Grottkau: Evangelische Schulanstalt 1788, S. 79.– Zu Peter Monau vgl. außer den Ausführungen bei Gillet auch Melchior Adam: Vitae Germanorum Medicorum.– Heidelberg: Rosa 1620, S. 307–309. 48 Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 37), Teil II, S. 72. 49 Vgl. das wichtige Dokument bei Karl Sudhoff: C. Olevianus und Z. Ursinus. Leben und ausgewählte Schriften.– Elberfeld: Friderichs 1857: Brief des Dr. Zacharias Ursinus an Dr. Jacobus Monau, Breslauer Bürger: Über die Prädestination, S. 614–633. 50 Gillet: Crato von Crafftheim (Anm. 37), Teil II, S. 76 f. 51 Ebd., S. 78. 52 Vgl. dazu den Monau-Eintrag bei Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 35), S. 154 f. 53 Iacobi Monawi Symbolvm. Ipse faciet: Virorum Clarissimorvm, Et Amicorvm Carissimorvm Versibvs Celebratvm Et Exornatvm. Anno Christi M.D.LXXXI. Widmungsexemplar ›Generoso & Illustrj. Dno Dno Jano Zerotinio‹ in der BU Wrocław (372253). 54 Symbolvm Iacobi Monawi. IPSE FACIET[.] Variis Variorvm Avctorvm Carminibvs Expressvm Et Decoratvm. Cum nonnullis appendicibus. Gorlicii Iohannes Rhamba excudebat. (BU Wrocław: 303038. Widmungsexemplar aus der Augustiner Chorherren-Bibliothek Auf dem Sande! Signatur in der ehemaligen Breslauer Staats- und Universitätsbibliothek: Lat. rec. I. Oct. 15.). 55 Vgl. das Porträt vom Berges bei Joachim Bahlcke, in: Schlesische Lebensbilder 9 (2007), S. 121–133. 56 Vgl. die besonders schöne Ehrung, die der Feder desjenigen Autors entstammt, den wir auf literarischem Gebiet als Monaus eigentlichen Nachfolger bezeichnen möchten. Er eignete sein Erinnerungsbuch seinem Vorgänger im Amt, dem Breslauer Stadtphysikus Daniel Rindfleisch alias Bucretius, zu: Jacobi Monavii Viri Clariss. Manes[.] Ad Nobiliss. Dn. Daniel Rindfleich Bucretium, Patritium Et Physicum Vratisl. Memor. Amor. Honor. erg. script. a Caspare Conrado Phil. Et Med. D. Lignicii Typis Nicolai Sartorii (BU Wrocław 8 V 1554/15 = 382787 u.ö.). Der Verfasser hofft, in absehbarer Zeit eine Studie zu der späthumanistischen Trias Tobias Scultetus, Caspar Cunrad und Nicolaus Henel von Hennenfeld nebst ihrem Stammvater Jakob Monau vorlegen zu können. Vorläufig sei verwiesen auf die drei Einträge im ›Literaturwissenschaftlichen Verfasserlexikon Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620.‹ Vgl. auch die Erinnerung an das Dreigestirn Thomas Rhediger, Crato von Crafftheim und Jakob Monau in: Memoriae et Honori Nobilißimorum, Clarißimorumque Virorum Thomae Rehdigeri, Joannis Cratonis, Jacobi Monavii, Vratislaviensium. Ioan. Caselivs faciebat. Vratislaviae, Excudebat Georgius Bawman. Anno salutis 1607. (BU Wrocław 532616 = 4 V 9/2). 57 Zu Caspar Cunrad vgl. den ausführlichen Eintrag im zweiten Band des ›Literaturwissenschaftlichen Verfasserlexikons Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620‹, Sp. 75–85, mit einem

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |

um Vollständigkeit bemühten Verzeichnis des handschriftlichen und gedruckten Werkes aus der Feder des Verfassers (vgl. Anm. 52). Hier auch die derzeit verfügbare (schmale) Literatur. Vgl. auch den Eintrag in der zweiten Auflage des Killyschen Literatur-Lexikons, Band II (2008), S. 517 f. Vgl. auch den Eintrag in Anm. 56. Es erstaunt, daß keiner der vor dem Krieg in Breslau wirkenden Bibliothekare oder Archivare die Gelegenheit ergriff, ein Porträt des großen Humanisten zu zeichnen. Nur seinem Sohn Christian wurde die Ehre von seiten des Direktors der Breslauer Stadtbibliothek zuteil. Vgl. Max Hippe: Christian Cunrad. Ein vergessener schlesischer Dichter.– In: Silesiaca. Festschrift Colmar Grünhagen.– Breslau: Hirt 1898, S. 253–288. 58 Auspicio atque Auctoritate Divi Rudolphi II. […] Laurea M. Caspari Conrado Vratisl. Per […] Jacobum Chimarrhaeum, […] collata Prid. Non. ApriL. A.C. 1601. Lignicii typis Sartorianis. (Exemplar in der Nationalbibliothek Prag: 5K2/4/adl. 7). 59 Hippe: Christian Cunrad (Anm. 57), S. 255. Der Titel von Cunrads berühmtesten Werk: Prosopographiae Melicae, Millenarivs I [–] III. In Qvo Virorvm Doctrina & virtute clarissimorum vita ac fama singulis distichis vtcunque delineatur. Cum Elencho nominum eorum in calce adiecto. [Teil I–II:].– Frankfurt/Main: Humm 1615; [Teil III:] Hanau: Eifried 1621. Mehrere Exemplare befinden sich in der Universitätsbibliothek zu Wrocław. Man findet sie – ebenso wie das sonstige Cunradsche Werk – beschrieben bei Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 35), S. 141 f. 60 Wir geben wieder den Titel: Jo. Henrici, Casp. Fil. Cunradi Silesia Togata, Sive Silesiorum doctrina & virtutibus clarissimorum Elogia, Singulis distichis comprehensa; quibus Dies omnium natales & emortuales, Officiorumque ab ipsis gestorum Tituli subjunguntur. Ex Avtoris Mscto, Quod in Bibliotheca Paterna viderat, edidit Caspar Theophil. Schindlervs, Lignicensis Silesius.– Liegnitz: Rohrlach 1706. Das Exemplar aus der alten Rhedigerschen Bibliothek in der Elisabethkirche zu Breslau (4 A 33, jetzige Signatur 347104) ist mit zahlreichen Zusätzen im Text und in einem reichhaltigen Anhang versehen, hat also den Status eines Unikats. Die Bearbeitung rührt her von Christian Ezechiel. Zwei Exemplare des Werkes befinden sich in Film und Buchkopie im Osnabrücker Frühneuzeit-Institut. Den Titel Silesia Togata gebrauchte auch Nicolaus Henel von Hennenfeld für sein ganz anders geartetes grandioses Werk. Dieses aber blieb unpubliziert und ging erst später in einer von einem Katholiken gereinigten Form in Henels Silesiographia Renovata (1704) ein. Vgl. auch dazu im einzelnen Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 35), S. 121–124, sowie unten S. 340 f.

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts 1

Zu dem Vorgetragenen sei aus Platzgründen auf drei Abhandlungen des Verfassers verwiesen, die reich ausgestattet sind mit Literatur und daher den Zugang zu einem vertieften Studium bieten: Späthumanistische Verheißungen im Spannungsfeld von Latinität und nationalem Aufbruch.– In: Germania latina – Latinitas teutonica. Politik, Wissenschaft, humanistische Kultur vom späteren Mittelalter bis in unsere Zeit. Hrsg. von Eckard Keßler, Heinrich C. Kuhn. Band I–II.– München: Fink 2003 (Humanistische Bibliothek, Reihe I: Abhandlungen; 54), S. 107–142; ders.: Schlesiens Bildungslandschaft zwischen Barock und Aufklärung im Kontext des Späthumanismus.– In: Schlesische Gelehrtenrepublik. Hrsg. von Marek Hałub, Anna Mańko-Matysiak.– Wrocław: ATUT 2004, S. 288–301;

533

534

|  Anmerkungen

2

3 4 5 6

7 8

ders.: Erwägungen zur Kontextualisierung des nationalliterarischen Projekts in Deutschland um 1600.– In: Der Genfer Psalter und seine Rezeption in Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Hrsg. von Eckhard Grunewald, Jan R. Luh.– Tübingen: Niemeyer 2004 (Frühe Neuzeit; 97), S. 185–194. Vgl. jetzt auch Klaus Garber: Literatur und Kultur im Deutschland der Frühen Neuzeit. – München: Fink 2014. Für die Breslau gewidmeten Abschnitte vgl. man die Hinweise, die in den vorangehenden Kapiteln mehrfach erfolgten. Zu erinnern bleibt, daß sich das intellektuelle Leben in Breslau in den großen Häusern der Gelehrten und Mäzenen vom Schlage eines Crato von Crafftheim, eines Jakob Monau, eines Nikolaus II. und Nikolaus III. Rhediger etc. abspielte. Auch der berühmte Scholtzsche Garten bot Gelegenheit zu informellen Begegnungen, wie sie in Breslau allemal opportun blieben.– Generell für die Sprachgesellschaften sei hier nur verwiesen auf zwei freilich längere Zeit zurückliegende Einführungen: Karl F. Otto: Die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts.– Stuttgart: Metzler 1972 (sammlung metzler; 109); Christoph Stoll: Sprachgesellschaften im Deutschland des 17. Jahrhunderts.– München: List 1973 (List Taschenbücher der Wissenschaft; 1463). Einschlägiges auch in: Sprachgesellschaften – Sozietäten – Dichtergruppen. Hrsg. von Martin Bircher, Ferdinand van Ingen.– Hamburg: Hauswedell 1978 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; 7). Eine neuere Gesamtdarstellung fehlt. Die Quellen aus dem Umkreis der ›Fruchtbringenden Gesellschaft‹ werden in einem Projekt der Sächsischen Akademie der Wissenschaften unter der Leitung von Klaus Conermann (Wolfenbüttel) erschlossen, das kontinuierlich fortschreitet. Zum europäischen Kontext vgl.: Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. Band I–II. Hrsg. von Klaus Garber, Heinz Wismann.– Tübingen: Niemeyer 1996 (Frühe Neuzeit; 26.27). Zu dem Schönaichianum vgl. die in Kapitel 5, Anm. 5 aufgeführten Arbeiten. Nochmals sei verwiesen auf die grundlegende Arbeit von Robert Seidel: Späthumanismus in Schlesien. Caspar Dornau (1577–1631). Leben und Werk.– Tübingen: Niemeyer 1994 (Frühe Neuzeit; 20). Zitiert bei Seidel, S. 321. Die Literatur zum Aristarchus findet man zusammengestellt bei Julian Paulus, Robert Seidel: Opitz-Bibliographie. 1800–2002.– Heidelberg: Palatina Verlag 2003. Seither kam vor allem hinzu: Jörg Robert: Martin Opitz und die Konstitution der deutschen Poetik. Norm, Tradition und Kontinuität zwischen ›Aristarch‹ und ›Buch von der Deutschen Poeterey‹.– In: Euphorion 98 (2004), S. 281–322; ders.: ›Vetus Poesis – nova ratio carminum‹. Martin Opitz und der Beginn der ›Deutschen Poeterey‹.– In: Maske und Mosaik. Poetik, Sprache, Wissen im 16. Jahrhundert. Hrsg. von Jan-Dirk Müller.– Münster: LIT 2007 (Pluralisierung & Autorität; 11), S. 397–440. Zum Kontext: Klaus Garber: Die Idee der Nationalsprache und Nationalliteratur in der Frühen Neuzeit Europas.– In: Literatur und Kultur im Europa der Frühen Neuzeit. Gesammelte Studien.– München: Fink 2009, S. 107–213, hier das Kapitel: Verspätete Einbürgerung der klassizistischen Literatursprache in Deutschland – Opitz im Kontext des europäischen Humanismus, S. 188–213. Martin Opitzens ›Aristarchus sive de contemptu linguae Teutonicae‹ und ›Buch von der Deutschen Poeterey‹. Hrsg. von Georg Witkowski.– Leipzig: Veit 1888, S. 117. Drei gezielte Hinweise zu Leben und Werk von Martin Opitz seien genannt: Marian Szyrocki: Martin Opitz.– Berlin: Rütten & Loening 1956 (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft;

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |

9 10 11

12 13 14 15

16

4). 2., überarb. Aufl.– München: Beck 1974; Klaus Garber: Martin Opitz.– In: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk. Hrsg. von Harald Steinhagen, Benno von Wiese.– Berlin: Erich Schmidt 1984, S. 116–184; Wilhelm Kühlmann: Martin Opitz. Deutsche Literatur und deutsche Nation.– Herne 1991 (Martin-Opitz-Bibliothek Herne. Schriften; 1). 2., durchges. und erw. Aufl.– Heidelberg: Manutius 2001. Zum jungen Opitz, um den es hier geht: Klaus Garber: Der junge Martin Opitz. Umrisse einer kulturpolitischen Biographie.– In: ders.: Wege in die Moderne. Historiographische, literarische und philosophische Studien aus dem Umkreis der alteuropäischen Arkadien-Utopie. Hrsg. von Stefan Anders, Axel E. Walter.– Berlin, Boston: de Gruyter 2012, S. 77–145. Carl Schönborn: Beiträge zur Geschichte der Schule und des Gymnasiums zu St. Maria Magdalena in Breslau. Teil III: Von 1570 bis 1616.– Progr. Breslau 1848, S. 43. Dort auch das voranstehend Vorgetragene. Die Nachweise im einzelnen in der im vorangehenden Kapitel Caspar Cunrad gewidmeten Anm. 57 mit dem Verweis auf die einschlägigen Artikel des Verfassers. Auch für Opitzens Buch von der Deutschen Poeterey und seine Gedichtsammlungen von 1624 und 1625 gilt der Hinweis auf die Anm. 6 zitierte Opitz-Bibliographie. Seither mag man neben der in Anm. 6 und 8 zitierten Literatur etwa vergleichen: Winfried Freund: Literatur als Lebensformung. Martin Opitz und sein ›Buch von der Deutschen Poeterey‹.– In: Literatur und Kultur im Querschnitt. Hrsg. von Norbert Honsza.– Wrocław 2003 (Germanica Wratislaviensia; 125), S. 57–75; Volkhard Wels: ›Verborgene Theologie‹. Enthusiasmus und Andacht bei Martin Opitz.– In: Daphnis 36 (2007), S. 223–294; Achim Aurnhammer: Zincgref, Opitz und die sogenannte Zincgref ’sche Gedichtsammlung.– In: Julius Wilhelm Zincgref und der Heidelberger Späthumanismus. Zur Blüte- und Kampfzeit der calvinistischen Kurpfalz. In Verbindung mit Hermann Wiegand hrsg. von Wilhelm Kühlmann.– Ubstadt-Weiher etc.: Verlag regionalkultur 2011, S. 263–283; Klaus Garber: Ständische Kulturpolitik und ländliche Poesie. Ein Auftakt zum Arkadienwerk.– In: ders.: Wege in die Moderne (Anm. 8), S. 146–182. Zum Kontext: Nicola Kaminski: Ex bello ars oder der Ursprung der ›Deutschen Poeterey‹.– Heidelberg: Winter 2004 (Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; 205). Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Nach der Edition von Wilhelm Braune neu hrsg. von Richard Alewyn. 2. Aufl.– Tübingen: Niemeyer 1966 (Neudrucke Deutscher Literaturwerke. N.F.; 8), S. 4. Ebd., S. 23. Martini Opitii Acht Bücher Deutscher Poematum durch jhn selber herausgegeben/ auch also vermehret vnnd vbersehen/ das die vorigere darmitt nicht zu uergleichen sindt. Jnn Verlegung Dauid Müllers Buchhändlers jnn Breßlaw. 1625. Auch zu Weckherlin mögen drei gezielte Hinweise willkommen sein: Leonard Forster: Georg Rudolf Weckherlin. Zur Kenntnis seines Lebens in England.– Basel: Schwabe 1944; ders.: Zu Georg Rudolf Weckherlin.– In: ders.: Kleine Schriften zur deutschen Literatur im 17. Jahrhundert.– Amsterdam: Rodopi 1977 (Daphnis; 6/4), S. 163–231; Ingrid Laurien: ›Höfische‹ und ›bürgerliche‹ Elemente in den ›Gaistlichen und Weltlichen Gedichten‹ Georg Rodolf Weckherlins.– Stuttgart: Heinz 1981 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 89). Die Literatur zum Gelegenheitsgedicht findet man vereint bei: Jan Andres, Meike Rühl, Axel E. Walter: Gelegenheitspublikationen. In: Handbuch Medien der Literatur. Hrsg.

535

536

|  Anmerkungen

17 18 19

20 21

von Natalie Binczek, Till Dembeck und Jörgen Schäfer.– Berlin, Boston: de Gruyter 2013, S. 441–458. Vgl. auch die in Osnabrück aufgebaute und regelmäßig fortgeschriebene Bibliographie zur Gelegenheitsdichtung, die demnächst über die Homepage des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück zugänglich sein wird. Caspari Cunrado […] Et Barbarae Jacobin […] Fautorum & Amicorum decermina votiva ad D. XIII. Octobr. A.C. MDCXXVI.– Oels: Bössemesser 1626, Bl. D4r. De Felici Casparis Cunradi […] In annum aetatis LXIII. Climactericum illum magnum, ad diem 9/19 Octobris ingressu, Votivae Fautorum Et Amicorum Adclamationes.– Breslau: Baumann 1634, Bl. B8r. Casparis Cunradi Vratislaviensis, Physici Olim Patriae Digniss. Honori Atqve Memoriae P.P. Arae Exseqviales.– Breslau: Baumann 1634, Bl. E8r. Vgl. zu dem Dichter den schon erwähnten Aufsatz von Max Hippe: Christian Cunrad, ein vergessener schlesischer Dichter (1608–1671).– In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstag seines Präses Colmar Grünhagen.– Breslau: Morgenstern 1898, S. 253–288. Vgl. zum ganzen Klaus Garber: Martin Opitz – ›der Vater der deutschen Dichtung‹. Eine kritische Studie zur Wissenschaftsgeschichte der Germanistik.– Stuttgart: Metzler 1976. Zu Köler liegt eine wichtige Vorkriegs-Monographie vor, ausgestattet mit einer Bibliographie der Kölerschen Texte und einem erstmaligen Abdruck – leider nur ausgewählter – Kölerscher Gedichte aus den Handschriften M 1568 und M 1569, ergänzt um gleichfalls ausgewählte bereits gedruckte Gedichte. Da die Handschrift M 1569 im Krieg verschollen ist, bleibt die Studie für diese Texte – es sind leider nur sieben! – die einzig verfügbare Quelle. Vgl. Max Hippe: Christoph Köler, ein schlesischer Dichter des siebzehnten Jahrhunderts. Sein Leben und eine Auswahl seiner deutschen Gedichte.– Breslau: Morgenstern 1902 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 5). Marian Szyrocki und Doris Weyen waren damit befaßt, eine dringend benötigte Ausgabe der Schriften Kölers vorzubereiten; sie ist leider nach dem frühzeitigen Tod Szyrockis nicht mehr zustandegekommen. Vgl. Marian Szyrocki, Doris Weyen: Ungedruckte Gedichte von Christoph Köler.– In: Acta Universitatis Wratislaviensis Nr. 463 = Germanica Wratislaviensia 40 (1980), S. 181–194. Die Autoren bieten einige weitere Texte aus der erhaltenen Handschrift M 1568, die sogleich erkennen lassen, daß Hippe wichtiges Quellengut in seiner Monographie leider ausgespart hat. Auch er war mit so vielen seiner Zeitgenossen inadäquaten Werturteilen gegenüber der Barocklyrik verhaftet. Weitere vorher unveröffentlichte Gedichte aus der nämlichen Handschrift bei Gerard Kozielek: Aus dem handschriftlichen Nachlaß Christoph Kölers.– In: Euphorion 52 (1958), S. 303–311, sowie bei dems.: Die Lyrik des Opitzschülers Christoph Köler.– In: Germanica Wratislaviensia 3 (1959), S. 157–173. Für den Gelegenheitsdichter in deutscher Sprache hat sich frühzeitig auch Hoffmann von Fallersleben interessiert. In seiner Zeit als Bibliothekar in Göttingen sammelte er systematisch Coleriana. Sie gingen ein in einen Sammelband mit Breslauer Drucken (8° Poet. Coll. 156). Unter den vielen neulateinischen Beiträgen erscheint Köler stets programmatisch mit einem großen deutschen. Es handelt sich vor allem um Trauergedichte. Wir zögern nicht, ihn als Funeraldichter neben den Königsberger Simon Dach zu stellen. Vgl. von Hoffmann von Fallersleben auch die Miszelle zu Köler in den ›Findlingen‹, abgedruckt in dem von von Fallersleben redigierten Weimarischen Jahrbuch für deutsche Sprache, Literatur und Kunst 4 (1856), S. 150–153. Hier heißt es im Vorspann zu einem wunderschönen, von Hoffmann von Fallersleben mitgeteilten

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |



›Trauerlied‹ Kölers: »Dass Christoph Colerus eine größere Beachtung verdient als ihm jetzt zu Theil wurde, dass er jedenfalls etwas mehr ist als bloßer ›Freund Opitzens‹ (Gervinus, Gesch. d. deutschen Dichtung, 4. Ausg. 3,244), möge das folgende Gedicht beweisen.« (S. 151). Mitgeteilt seien hier die drei ersten des insgesamt zwölf Strophen umfassenden Gedichts: Ihr betrübten Elternherzen, Haltet Maß in Traurigkeit Und erlindert eure Schmerzen, Weil der Psalm euch prophezeit: Die mit Weinen Samen streuen, Werden fröhlich Früchte meien. Christen leiden zwar um Schulden, Die von Adam her gemacht, Sollen doch das Kreuze dulden Und stets halten in der Acht: Die mit Weinen Samen streuen, Werden fröhlich Früchte meien. Kinder kommen zwar von Herzen, Gehn auch wiederum dazu, Doch vermögt ihrs zu verschmerzen Und empfindet Trost und Ruh: Die mit Weinen Samen streuen, Werden fröhlich Früchte meien. (S. 151 f.)

Der deutschsprachige Lyriker Köler verdiente eine Monographie von berufener Hand. Schon der erste Bibliothekar der neu geschaffenen Breslauer Stadtbibliothek, Friedrich Pfeiffer, hatte für eine »Gesammt=Ausgabe seiner Gedichte« vorgearbeitet, für die sich »später hoffentlich auch Gelegenheit finden« wird; es blieb bei dem Plan. Vgl. die wiederum wichtige Miszelle von Friedrich Pfeiffer: Über den Nachlass des Christopherus Colerus.– In: Schlesische Provinzialblätter 68 / N.F. 3 (1864), S. 30–33. 22 Zitiert bei Hippe: Christoph Köler (Anm. 21), S. 44 f. 23 Die Rede kam erst 1665 in Leipzig zum Druck. Sie wurde wieder abgedruckt bei Henning Witte: Memoriae Philosophorum, Oratorum, Poetarum, Historicorum, Et Philologorum. Nostri Seculi Clarissimorvm Renovatae Decas III.– Frankfurt: Hallervord 1677, pp. 439–477. Und sie fand Eingang in das große Memorialwerk zu Opitzens 100. Todesjahr: Umständliche Nachricht von des weltberühmten Schlesiers, Martin Opitz von Boberfeld, Leben, Tode und Schriften, nebst einigen alten und neuen Lobgedichten auf Jhn. Erster [und] Anderer Theil. Herausgegeben von D. Kaspar Gottlieb Lindnern.– Hirschberg: Krahn 1740–1741. Hier die lateinische Version im ersten Teil, S. 35–112, die deutsche Übersetzung Lindners, S. 113–278. 24 So in der Übersetzung Lindners, S. 213–215. Zu Opitz in Paris vgl. Wilhelm Kühlmann: Martin Opitz in Paris (1630). Zu Text, Praetext und Kontext eines lateinischen Gedichtes

537

538

|  Anmerkungen

25 26 27 28

29 30

31

32 33 34 35

an Cornelius Grotius.– In: Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt. Hrsg. von Thomas Borgstedt, Walter Schmitz.– Tübingen: Niemeyer 2002 (Frühe Neuzeit; 63), S. 191–221; Klaus Garber: Im Zentrum der Macht. Martin Opitz im Paris Richelieus.– In: ders.: Wege in die Moderne (Anm. 8), S. 183–222. Zum Kontext: Klaus Garber: Paris, die Hauptstadt des europäischen Späthumanismus. Jacques Auguste de Thou und das ›Cabinet Dupuy‹.– In: ders.: Literatur und Kultur im Europa der Frühen Neuzeit (Anm. 6), S. 419–442. In: Wencel Scherffer von Scherffenstein Geist- und weltlicher Gedichte Erster Teil. Brieg 1652. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Ewa Pietrzak.– Tübingen: Niemeyer 1997 (Rara ex bibliothecis Silesiis; 6), Bl. b3v f. Auff Herrn Christoph Schlegels/ der H. Schrifft Licentiaten/ vnd Jungfrawen Magdalenen gebornen Thiellieschen/ Hochzeitliches Ehrenfest. 12. Herbstmonats/ 1639.– Breslau: Baumann [s.a.], Bl. B2r. Viri supra eruditae laudis titulos, Dn. Christophori Coleri, Poëtae & Polyhistoris Clarissimi AEterno Nomini, & Nominalibus.– Breslau: Baumann 1642, Bl. A2r. Ebd., Bl. A3v. Zu der Wiederentdeckung des Andreas Scultetus durch Lessing vgl.: Gedichte von Andreas Scultetus. Aufgefunden von Gottfried Ephraim Lessing.– In: ders.: Sämtliche Schriften. Hrsg. von Karl Lachmann. Auf ’s Neue durchges. und vermehrt von Wendelin von Maltzahn, Band VIII.– Leipzig: Göschen 1855, S. 353–402. Zitiert bei Hippe: Christoph Köler (Anm. 21), S. 93. Vgl. zu Tscherning die umfassende (in ihren Wertungen freilich gleichfalls veraltete) Biographie von Hans Heinrich Borcherdt: Andreas Tscherning. Ein Beitrag zur Literatur- und Kultur-Geschichte des 17. Jahrhunderts.– München, Leipzig: Hans Sachs-Verlag Gotthilf Haist 1912. Sie bietet gleichfalls eine Bibliographie der Schriften Tschernings. Anders als Köler vermochte Tscherning seine Gedichte gleich in mehreren Auflagen vorzulegen; die erste Auflage erschien noch in Breslau. Auf dem von David Tscherning gefertigten Kupfer stehen Apollo zur Rechten und Opitz zur Linken des Titels, der lautet: Andreas Tschernings Deutscher Getichte Früling. Breßlaw, Jn Verlegung Georg Baumanns Buchdruckers. 1642. Spätere Ausgaben erschienen in Rostock. Eine Prosa-Zuschrift Opitzens steht dem Werk voran. Sie ist datiert auf den 15. Juli 1639, wurde also kurz vor seinem Tod in Danzig verfaßt. Das Werk ist eine Fundgrube ersten Ranges für Gedichte auf Breslauer Persönlichkeiten, gab sich Tscherning doch in erster Linie als Gelegenheitsdichter. Eine Tscherning-Ausgabe wird von Ralf Bogner (Saarbrücken) vorbereitet. Vgl. zu Rhenisch: Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Haupt=Stadt und des Fürstenthums Breslau, wie auch des Namslauer Kreißes in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1780 Hier S. 243 nebst genealogischer Tafel. IN […] Dn. Davidem Rhenischium; Patronum Singularem: Andreae Tscherningii, Clientis obsequiosi affectus Non minus promptus, quam debitus.– Breslau: Baumann (1634), Bl. A4r. Ebd., Bl. A4v. Officium Pietatis […] Dn. Davidi Rhenisio, Ecclesiastae & Professori eximio, Patrono desideratissimo exhibitum à Devotis […] Admiratoribus. VII. Kal. Novembr. ipsis Exseqviis. A.C. MDCXXXIV.– Breslau: Baumann, Bl. A3r, Bl. A5v f. Borcherdt: Andreas Tscherning (Anm. 30), S. 31.

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |

36 In Davidem Rhenischium (Anm. 32), Bl. A3r. 37 Vgl. Klaus Garber: Der Nürnberger Hirten- und Blumenorden an der Pegnitz. Soziale Mikroformen im schäferlichen Gewand.– In: ders.: Wege in die Moderne (Anm. 8), S. 223–341. 38 Auch zu Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau liegt inzwischen eine umfassende Monographie vor. Sie ist auf der Basis der in Breslau vorhandenen Archivalien und alten Drucke erarbeitet worden. Insbesondere wurde das Kleinschrifttum systematisch berücksichtigt. Auf diese Weise ist für Breslau und in den allgemeinen Partien auch für Schlesien ein historisch reich gefächertes facettenreiches Bild im Zuge der Biographie entstanden, das eine willkommene Ergänzung zu unseren Darlegungen bietet. Vgl. Lothar Noack: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679). Leben und Werk.– Tübingen: Niemeyer 1999 (Frühe Neuzeit; 51). Einführend: Erwin Rotermund: Christian Hofmann von Hofmannswaldau.– Stuttgart: Metzler 1963 (sammlung metzler; 29); Franz Heiduk: Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau.– In: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts (Anm. 8), S. 473–496. Verwiesen sei an dieser Stelle auch auf zwei weitere Monographien, die eindrucksvoll belegen, wie in der Auslands-Germanistik bzw. -Niederlandistik ein be­sonderes Interesse an der Gestalt Hoffmannswaldaus und den mit ihr verknüpften Problemen spätbarocken lyrischen Sprechens besteht: Marie-Thérèse Mourey: Poésie et éthique au XVII siècle. Les traductions et poèmes allemands de Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616–1679).– Tome I: Texte. Tome II: Notes et bibliographie.– Paris: Université de Paris IV. Thèse 1991/92; Stefan Kiedroń: Christian Hofmann von Hofmannswaldau und seine ›niederländische Welt‹.– Wrocław, Dresden: Neisse Verlag 2007. 39 C.H.V.H. Deutsche Vbersetzungen und Getichte. Mit bewilligung deß Autoris. Jn Breßlau/ Verlegts Esaias Fellgibel Buchhändl. daselbst/ 1679, Bl. π2r. 40 Vgl. den entsprechenden Nachweis unten Anm. 47. Das hier vorgelegte Zitat S. [881] f. 41 Die Ausgabe der Werke Hoffmannswaldaus ist leider zum Stillstand gekommen. Ihre Weiterführung ist ein dringendes Desiderat. Vgl. Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Gesammelte Werke. Hrsg. von Franz Heiduk. Band I. Teil I–II: Deutsche Übersetzungen und Gedichte. Band II: Curriculum studiorum und andere gedruckte Werke.– Hildesheim etc.: Olms 1984–1993. Eine Auswahl der Gedichte leicht greifbar in: Christian Hofmann von Hofmannswaldau: Gedichte. Auswahl und Nachwort von Manfred Windfuhr.– Stuttgart: Reclam 1964 (und öfter) (Reclams Universal-Bibliothek; 8889); ders.: Gedichte. Ausgewählt von Helmut Heißenbüttel.– Frankfurt/Main: Fischer 1968 (Fischer Bücherei; 874). 42 Vgl. Franz Heiduk: Hoffmannswaldau und die Überlieferung seiner Werke.– In: Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts 1975, S. 1–72. 43 Benjamin Neukirchs Anthologie. Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster theil. Nach einem Druck vom Jahre 1697 mit einer kritischen Einleitung und Lesarten hrsg. von Angelo George de Capua, Ernst Alfred Philippson.– Tübingen: Niemeyer 1961 (Neudrucke Deutscher Literaturwerke. N.F.; 1). Das Gedicht ›An Lauretten‹ hier S. 407 f. Zum Kontext: Thomas Borgstedt: Kuß, Schoß, und Altar. Zur Dialogizität und Geschichtlichkeit erotischer Dichtung (Giovanni Pontano, Joannes Secundus, Giambattista Marino und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau).– In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 44 (1994), S. 288–323; ders.: Gezielte Anstößigkeit. Geschlechterverhältnisse eines ›galanten‹ Petrarkismus bei Schoch und Hoffmannswaldau.– In: Francesco Petrarca in Deutschland. Seine Wirkung in Literatur,

539

540

|  Anmerkungen

44

45

46

47

48

Kunst und Musik. Hrsg. von Achim Aurnhammer.– Tübingen: Niemeyer 2006 (Frühe Neuzeit; 118), S. 243–255. Hingewiesen sei auch auf das Kapitel ›Barocker Eros 2: Von der Schönheit der ›Frau Welt‹ und der ›Dame Poesie‹‹ zu Hoffmannswaldau in dem wichtigen Buch von Harry Frölich: Apologien der Lust. Zum Diskurs der Sinnlichkeit in der Lyrik Hoffmannswaldaus und seiner Zeitgenossen mit Blick auf die antike Tradition.– Tübingen: Niemeyer 2005 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte; 125), S. 149–224. Eine große Biographie, wie wir sie für Hoffmannswaldau besitzen, fehlt für Lohenstein. Eine konzise Kurzfassung bei Bernhard Asmuth: Daniel Casper von Lohenstein.– Stuttgart: Metzler 1971 (sammlung metzler; 97), S. 1–18 (mit der bis dahin vorliegenden Literatur). Hernach Gerhard Spellerberg: Daniel Caspar von Lohenstein.– In: Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts (Anm. 8), S. 640–689. Vgl. den grundlegenden Beitrag von Gerhard Spellerberg: Lohensteins Beitrag zum Piasten-Mausoleum in der Liegnitzer Johannis-Kirche.– In: Daphnis 7 (1978), S. 647–687. Lohenstein hat auch den Untergang des Piastenhauses in einer großen Prosa-›Lob=Schriftt‹ für den letzten des Geschlechts Georg Wilhelm poetisch gewürdigt. Die entsprechenden Nachweise anläßlich dieses Ereignisses findet man auf der Basis der erhaltenen Breslauer, Liegnitzer und Brieger Exemplare, die heute in der Universitätsbibliothek zu Wrocław verwahrt werden, zusammengestellt und beschrieben bei Klaus Garber: Das Liegnitzer und Brieger Bibliothekswesen im kulturellen Kontext.– In: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band XIX: Breslau / Wrocław – Universitätsbibliothek / Biblioteka Uniwersytecka. Abt. IV: Bestände aus Liegnitz und Brieg. Teil I. Mit einer bibliotheks- und kulturgeschichtlichen Einleitung und einer kommentierten Bibliographie von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann, Klaus Garber.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2006, S. 17–85, hier vor allem S. 74 ff. Einen in der Bibliothek des Breslauer Ossolineums bewahrten Gedenkband hat Gerhard Spellerberg entdeckt und in der oben zitierten Abhandlung detailliert beschrieben. Die Arbeit Spellerbergs ist in der zitierten des Verfassers nachzutragen. Das lyrische Werk Lohensteins findet man auf der Basis von Reprints der einzelnen Texte hervorragend ediert von einem allzu früh verstorbenen Kenner Lohensteins: Daniel Casper von Lohenstein: Lyrica. Die Sammlung Blumen (1680) und Erleuchteter Hoffmann (1685) nebst einem Anhang: Gelegenheitsgedichte in separater Überlieferung. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Gerhard Spellerberg.– Tübingen: Niemeyer 1992 (Rara ex bibliothecis Silesiis; 1). Hier im Nachwort auch eine ausführliche Biographie Lohensteins nebst einer Verzeichnung der einschlägigen Quellen und der wissenschaftlichen Literatur. Die berühmte Rede Lohensteins auf den Tod Hoffmannswaldaus findet man in Faksimile wiedergegeben in der oben Anm. 41 zitierten Ausgabe Hoffmannswaldaus von Heiduk, Band I/2, S. [867]–[910]. Hier auch die beiden Trauerschriften von Christian Gryphius und Heinrich Mühlpfort. Die Lohensteinsche ›Lob=Rede‹ im Neusatz auch in der nach wie vor besten Anthologie barocker Dichtung, die wir besitzen: Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. Hrsg. von Albrecht Schöne. 2., verb. und erw. Aufl.– München: Beck 1968, S. 950–960. Vgl. Daniel Caspers von Lohenstein: Großmüthiger Feldherr Arminius Herrmann, Als Ein tapfferer Beschirmer der deutschen Freyheit/ Nebst seiner Durchlauchtigen Thusnelda. Jn einer sinnreichen Staats= Liebes= und Helden=Geschichte Dem Vaterlande zu Liebe dem deutschen Adel aber zu Ehren und rühmlichen Nachfolge Jn Zwey Theilen

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |

vorgestellet/ Und mit annehmlichen Kupffern gezieret. Leipzig/ Verlegt von Johann Friedrich Gleditschen Buchhändlern/ und gedruckt durch Christoph Fleischern/ Jm Jahr 1689. Unter Jhrer Röm. Käyserl. Majestät sonderbaren Begnadigung. Faksimiledruck hrsg. und eingel. von Elida Maria Szarota.– Berlin, Frankfurt/Main: Herbert Lang 1973 (Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts). Zu dem Roman liegt inzwischen eine reiche Literatur vor. Hier sei eine Beschränkung auf drei wichtige ältere Werke beobachtet: Elida Maria Szarota: Lohensteins Arminius als Zeitroman. Sichtweisen des Spätbarock.– Bern, München: Francke 1970; Wolf Wucherpfennig: Klugheit und Weltordnung. Das Problem politischen Handelns in Lohensteins ›Arminius‹.– Freiburg/Br.: Becksmann 1973; Thomas Borgstedt: Reichsidee und Liebesethik. Eine Rekonstruktion des Lohensteinschen Arminiusromans.– Tübingen: Niemeyer 1992 (Studien zur deutschen Literatur; 121). 49 Diese wichtigen Quellen sind zu später Stunde von dem gleichfalls allzu früh verstorbenen Breslauer Kollegen Konrad Gajek erschlossen und in einer vorbildlichen Auswahl-Edition wieder zugänglich gemacht worden, versehen mit einem instruktiven Nachwort. Vgl.: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert. Einladungsschriften zu den Schulactus und Szenare zu den Aufführungen ›förmlicher Comödien‹ an den protestantischen Gymnasien. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Konrad Gajek.– Tübingen: Niemeyer 1994 (Rara ex bibliothecis Silesiis; 3). Vgl. auch Gerhard Spellerberg: Szenare zu den Aufführungen Gryphischer Trauerspiele.– In: Daphnis 7 (1978), S. 235–265; ders.: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Lohensteinscher Trauerspiele.– In: Daphnis 7 (1978), S. 629– 645. Zum Kontext: Wilfried Barner: Die Verankerung der Rhetorik im Bildungswesen des 17. Jahrhunderts. Kapitel 2: Rhetorik an den protestantischen Gelehrtenschulen.– In: ders.: Barockrhetorik. Untersuchungen zu ihren geschichtlichen Grundlagen.– Tübingen: Niemeyer 1970, S. 258–321. 50 Vgl. zum folgenden den instruktiven Beitrag von dem schon wiederholt erwähnten ersten Sachkenner Gerhard Spellerberg: Das schlesische Barockdrama und das Breslauer Schultheater.– In: Die Welt des Daniel Casper von Lohenstein [nebst] Epicharis. Ein römisches Trauerspiel. Hrsg. von Peter Kleinschmidt, Gerhard Spellerberg, Hanns-Dietrich Schmidt.– Köln: Wienand 1978, S. 58–69. Vgl. auch das zeitgenössische Zeugnis des Elias Major, wiedergegeben bei Max Hippe: Aus dem Tagebuche eines Breslauer Schulmannes im siebzehnten Jahrhundert.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alter­ thum Schlesiens 36 (1901), S. 159–192. Hier S. 176 ff. zum Theaterwesen im Breslau des 17. Jahrhunderts. Sehr wichtig für die Anfänge des Dramas in Breslau auch Johann Caspar Arletius: Historischer Entwurf von den Verdiensten der Evangelischen Gymnasiorum in Breßlau um die deutsche Schaubühne.– In: Sammlung der Jubelschriften, welche bey der Feyer des zweyhundertjährigen Andenken der Stiftung und Einweihung des Elisabetanischen Gymnasii zu Breslau am 29ten Tage des Jänners im Jahre 1762. von Lehrenden und Lernenden, theils vorgetragen, theils verfertiget, auch anderwertsher zugeschickt worden, nebst einer Vorrede Sr. Hochw. des Hrn. Oberconsistorialrath; Prof. und Inspector Burg und einer kurzgefaßten Geschichte dieses Musensitzes.– Breslau: Korn 1762. Die Schrift des Arletius erschien auch separat. Ein Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław (Yu 1050/10,80). 51 Vgl. Klaus Garber: Sprachspiel und Friedensfeier. Die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts auf ihrem Zenit im festlichen Nürnberg.– In: Der Westfälische Friede. Diplomatie, politische Zäsur, kulturelles Umfeld, Rezeptionsgeschichte. Hrsg. von Heinz Duchhardt.

541

542

|  Anmerkungen

Redaktion Eva Ortlieb.– München: Oldenbourg 1998, S. 679–713. Eingegangen in: ders.: Literatur und Kultur im Deutschland der Frühen Neuzeit. Gesammelte Studien.– Paderborn: Fink 2014. Zu Nürnberg als Stadt des frühneuzeitlichen Schauspiels vgl. die wichtige Arbeit von Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts.– Tübingen: Niemeyer 2002 (Frühe Neuzeit; 69). 52 Der schöne, dem Anlaß gewidmete und oben Anm. 50 zitierte Sammelband erschien als Programmheft anläßlich der Uraufführung von Lohensteins Epicharis in der Spielzeit 1977/78 im Kölner Schauspielhaus und enthält eine Reihe weiterer lehrreicher Beiträge. Speziell zur Epicharis (die auf den Seiten 121–161 in der Einrichtung von Peter Kleinschmidt und Gerhard Spellerberg zum Abdruck kommt) findet sich darin eine kleine Studie von der um Lohenstein als Dramatiker und Romancier gleichfalls hochverdienten polnischen Barockforscherin Elida Maria Szarota, S. 104–111. Vgl. von Szarota auch die Epicharis-Interpretation in der komparatistisch angelegten Studie der Verfasserin: Künstler, Grübler und Rebellen. Studien zum europäischen Märtyrerdrama des 17. Jahrhunderts.– Bern, München: Francke 1967, S. 314–328, S. 372 f. (Anmerkungen). 53 Die Epicharis Lohensteins liegt seit geraumer Zeit in einer kritischen und kommentierten Neuausgabe vor: Daniel Casper von Lohenstein: Sämtliche Werke. Abteilung II: Dramen. Band II: Agrippina, Epicharis. Teilband 1: Text. Teilband 2: Kommentar. Unter Verwendung von Vorarbeiten Gerhard Spellerbergs hrsg. [bzw. verfaßt] von Lothar Mundt.– Berlin, New York: de Gruyter 2005. Vorausgegangen war die seinerzeitige Pionieredition der Lohensteinschen Dramen von seiten eines wiederum allzufrüh verstorbenen Barockforschers. Vgl. Daniel Casper von Lohenstein: Türkische Trauerspiele. Römische Trauerspiele. Afrikanische Trauerspiele. Band I–III. Hrsg. von Karl Günther Just.– Stuttgart: Hiersemann 1953–1957 (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart; 292.293.294). Just hat frühzeitig auch eine neue Lesung der Lohensteinschen Trauerspiele eingeleitet. Vgl. Karl Günther Just: Die Trauerspiele Lohensteins. Versuch einer Interpretation.– Berlin: Erich Schmidt 1961 (Philologische Quellen und Studien; 9). Weitere Stationen insbesondere im Blick auf die zeitgenössischen politischen Bezüge bezeichneten dann die Arbeiten u. a. von Edward Verhofstadt: Daniel Caspar von Lohenstein: Untergehende Wertwelt und ästhetischer Illusionismus. Fragestellung und dialektische Interpretationen.– Brugge: ›De Tempel‹ 1964 (Rijksuniversiteit te Gent. Werken uitgegeven door de faculteit van de letteren en wijsbegeerte; 133) (mit eingehender einleitender Darstellung von ›Leben und Umwelt‹); Gerald Ernest Paul Gillespie: Daniel Casper von Lohenstein’s Historical Tragedies.– Columbus: Ohio State University Press 1965; Wilhelm Voßkamp: Untersuchungen zur Zeit- und Geschichtsauffassung im 17. Jahrhundert bei Gryphius und Lohenstein.– Bonn: Bouvier 1967 (Literatur und Wirklichkeit; 1); Gerhard Spellerberg: Verhängnis und Geschichte. Untersuchungen zu den Trauerspielen und dem ›Arminius‹-Roman Daniel Caspers von Lohenstein.– Bad Homburg v.d.H: Gehlen 1970; Judith Popovich Aitkin: The Mission of Rome in the Dramas of Daniel Casper von Lohenstein. Historical Tragedy as Prophecy and Polemic.– Stuttgart: Heiz 1976 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 21); Pierre Béhar: Silesia tragica. Epanouissement et fin de l’école dramatique silésienne dans l’œuvre tragique de Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683). Tome I–II.– Wiesbaden: Harrassowitz 1988 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; 18). In diesem Zusammenhang würden wir gerne auch hinweisen auf die wichtige Arbeit von Joshua P. Waterman: Daniel Casper

8. Führende literarische Landschaft des 17. Jahrhunderts  |

54

55

56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69

von Lohensteins Diplomatic Memorial to Emperor Leopold I for the Estates of Legnica, Brzeg, and Wolów.– In: Daphnis 35 (2006), S. 163–192. Vgl. Bernhard Asmuth: Lohenstein und Tacitus. Eine quellenkritische Interpretation der Nero-Tragödien und des ›Arminius‹-Romans.– Stuttgart: Metzler 1971 (Germanistische Abhandlungen; 36). Wichtige Beiträge auch in: Studien zum Werk Daniel Casper von Lohensteins. Hrsg. von Gerald Gillespie, Gerhard Spellerberg.– Amsterdam: Rodopi 1993 (Daphnis; 12/2.3). Zur Orientierung über Tacitus sei hier nur verwiesen auf den Sammelband: Tacitus. Hrsg. von Viktor Pöschl.– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1969 (Wege der Forschung; 97). Zum Kontext: Jürgen von Stackelberg: Tacitus in der Romania. Studien zur literarischen Rezeption des Tacitus in Italien und Frankreich.– Tübingen: Niemeyer 1960; Else-Lilly Etter: Tacitus in der Geistesgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts.– Basel, Stuttgart: Helbing & Lichtenhahn 1966 (Basler Beiträge zur Geschichtswissenschaft; 103). Zum Tacitismus in Deutschland und vor allem am Oberrhein mit Bernegger im Zentrum: Wilhelm Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters.– Tübingen: Niemeyer 1982 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; 3), S. 55–66; ders.: Geschichte als Gegenwart. Formen der politischen Reflexion im deutschen ›Tacitismus‹ des 17. Jahrhunderts.– In: Res Publica Litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der frühen Neuzeit. Teil I–II. Hrsg. von Sebastian Neumeister, Conrad Wiedemann.– Wiesbaden: Harrassowitz 1987 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; 14), S 325–348, eingegangen in: ders., Walter E. Schäfer: Literatur im Elsaß von Fischart bis Moscherosch. Gesammelte Studien.– Tübingen: Niemeyer 2001, S. 41–60. Zum Kontext: Karl-Heinz Mulagk: Phänomene des politischen Menschen im 17. Jahrhundert. Propädeutische Studien zum Werk Lohensteins unter besonderer Berücksichtigung Diego Saavedera Fajardos und Balthasar Graciáns.– Berlin: Schmidt 1973 (Philologische Studien und Quellen; 66). Vgl. Stefanie Arend: Rastlose Weltgestaltung. Senecaische Kulturkritik in den Tragödien Gryphius’ und Lohensteins.– Tübingen: Niemeyer 2003 (Frühe Neuzeit; 81). Zum Kontext: Der Einfluß Senecas auf das europäische Drama. Hrsg. von Eckard Levèvre.– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1978. Vgl. auch den ebenfalls gehaltreichen Sammelband: Senecas Tragödien. Hrsg. von Eckard Levèvre.– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1972 (Wege der Forschung; 310). Lohenstein: Epicharis (Anm. 53), S. 298; I,451 f. Die Zitate ebd., S. 344 f.; II, 450–454 und II, 454–462. Die Zitate ebd., S. 382–385; Verse III, 542, 555, 566, 571, 573, 579. Ebd., S. 390; III,669. Ebd., S. 394; III,748. Ebd., S. 395; III,761–768. Ebd., S. 397 und S. 399; IV,37, 64 f. Ebd., S. 402; IV,147–151. Ebd., S. 448; V,273 f. Vgl. Akt V, Vers 8 f. Ebd., S. 437; V,19. Ebd., S. 446; V,203 f. Ebd., S. 431 f.; IV,637–644. Ebd., S. 435; IV,739–746.

543

544

|  Anmerkungen

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition 1

2

3 4

5 6 7

Vgl. zu Henel den eingehenden und neu aus den Quellen geschöpften Beitrag des Verfassers im dritten Band des ›Literaturwissenschaftlichen Verfasserlexikons Frühe Neuzeit in Deutschland 1520–1620‹ im Verlag de Gruyter. Vgl. auch den Eintrag zu Henel in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraums. 2., vollständig überarb. Aufl. Hrsg. von Wilhelm Kühlmann. Band V.– Berlin, New York: de Gruyter 2008, S. 260–261. Ein quellenkundlicher Passus schließlich auch bei Garber: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 4), S. 121–124. Grundlegend geblieben die Arbeit von Hermann Markgraf: Nikolaus Henels von Hennenfeld (1582–1656) Leben und Schriften.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 25 (1891), S. 1–41. Quellenkundlich zur Nachkriegssituation einschlägig: Wojciech Mrozowicz: Handschriften von und über Nikolaus Henel von Hennenfeld in der Universitätsbibliothek Breslau.– In: Die oberschlesische Literaturlandschaft im 17. Jahrhundert. Hrsg. von Gerhard Kosellek.– Bielefeld: Aisthesis 2001 (Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien; 11), S. 269–315. Weitere Literatur in den oben aufgeführten Nachschlagewerken. Hermann Markgraf: Martin Hanke, einer der großen Rektoren des 17. Jahrhunderts, und seine Bedeutung für die schlesische Geschichtschreibung.– In: ders.: Kleine Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus.– Breslau: Morgenstern 1915 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 12), S. 30–52. Hier das Zitat S. 30. Der Name Hankes fehlt immer noch in den Schlesischen Lebensbildern, wo ein großer Nachholbedarf für die Frühe Neuzeit besteht. Ein Eintrag von Kaemmel in der ADB X (1879), S. 514 f. In der zweiten Auflage von Killys Literaturlexikon (siehe oben Anm. 1) findet man im dritten Band (S. 645 f.) einen durch die Redaktion ergänzten Eintrag von Marian Szyrocki. Markgraf, S. 30 f. Vgl. Martin Hanke: Epigrammatum Centuria ad […] Georgium Frantzkium.– Jena: Freyschmidt 1654 (BU Wrocław 8 E 1769/1); ders.: Hundert Teutsche Getichte.– Jena: Nisius 1656 (BU Wrocław 8 E 1769/2; 8 E 1771/2). Vgl. den Eintrag bei Flood: Poets Laureate in the Holy Roman Empire. A Bio-Bibliographical Handbook. Vol. II.– Berlin, New York: de Gruyter 2006, S. 766–769. Flood weist keinen Druck mit Bezug auf die Laureatenwürde nach. In der StB Breslau befanden sich mehrere Ex. Die Jenaer Zeit Hankes spiegelte sich auch in dem Stammbuch, das er in den Jahren 1652 bis 1659 führte und das in der Breslauer Stadtbibliothek verwahrt wurde. Vgl. Markgraf, S. 34, Anm. 1. Vgl. Panegyricus In Memoriam […] Viri Georgii Fratzkii […] Inter Luctus Publicos Conscriptus a Martino Hannkio Uratislav.– Gotha: Reyher 1660. Markgraf: Martin Hanke (Anm. 2), S. 35. Vgl. […] Martino Hannkio […] Et […] Theodorae, Natae […] Johanne Fechnero, Phil. M. & Magdalenaei, quod ibidem est, Gymasii Rectore & Professore, Nuptias 31./21. Octobris MDCLXII. Solenniter celebrantibus gratulantur Fautores & Amici.– Breslau: Baumann [1662] (BU Wrocław 545620–622) Vgl. auch die Oratio von Samuel Pittichius zu diesem Anlaß (BU Wrocław 367272).

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition  |

8

Vgl. Martini Hankii De Romanorum Rerum Scriptoribus Liber.– Leipzig: Körner 1669; Liber II.– Leipzig: Körner 1675; Martini Hankii De Byzentinarum Rerum Scriptoribus Graecis Liber.– Leipzig: Kästner 1677. 9 Vgl. Martini Hankii De Silesiorum Nominibus Antiquitates.– Leipzig: Bauch 1702; Martini Hankii De Silesiorum Maioribus Antiquitates. Ab Orbe Condito Ad Annum Christi 550.– Leipzig: Bauch 1702; Martini Hankii De Silesiorum Rebus Ab Anno Christi 550. ad 1170. Exercitationes.– Leipzig: Bauch 1705. 10 Vgl. Martini Hankii De Silesiis Indigenis Eruditis post Litterarum Culturam cum Christianismi Studiis Anno 965 Susceptam Ab Anno 1165 Ad 1550. Liber Singularis.– Leipzig: Bauch 1707; Martini Hankii De Silesiis Alienigenis Eruditis Ab Anno Christi 1170 Ad 1550. Liber Singularis.– Leipzig: Bauch 1707. Unter der Handschriften-Signatur R[hediger] 792 liegt offensichtlich ein Hankesches Handexemplar mit Korrekturen und reichen Zusätzen, teilweise auf eingelegten Zusatzblättern in Folio vor. Einer der letzten und besonders ausführlichen Einträge (Caput XIV) ist dem Breslauer Reformator Johann Heß gewidmet. 11 Markgraf: Martin Hanke (Anm. 2), S. 48. 12 Vgl. Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 115–121. 13 Vgl. auch dazu im einzelnen den Anm. 12 erwähnten Beitrag des Verfassers. 14 Vgl. Martini Hankii Vratislavienses Eruditionis Propagatores: Id est, Vratislaviensium Scholarum Praesides, Inspectores, Rectores, Professores, Praeceptores, Tabulis Chronologicis comprehensi, Ab Anno Christi M.D.XXV. ad M.DCC. Cum Annotationibus & tribus Indicibus.– Leipzig: Bauch 1701. Es handelt sich um ein grundlegendes Nachschlagewerk für die Breslauer Schulgeschichte. Herrührend vermutlich aus dem Hankeschen Nachlaß ist unter der Nummer R[hediger] 789 ein mit handschriftlichen Zusätzen versehenes Exemplar erhalten. Diese Zusätze gingen vielfach ein in die von Hieronymus Scholtz besorgte zweite Auflage des Werkes, die 1767 nun in Breslau bei dem Verleger Korn erschien. Weitere, handschriftlich ergänzte und annotierte Exemplare liegen in der BU Wrocław vor unter den Signaturen R 2330, R 2330a und R 2330b. 15 Martini Hankii Orationes Parentales, Nuptiales, aliae.– Leipzig: Körner 1673. In der Rhedigerschen Bibliothek befand sich das Handexemplar des Werkes mit zahlreichen Ergänzungen, Korrekturen und Annotationen des Autors (4 E 334). Es hat sich glücklicherweise erhalten und wird heute in der BU Wrocław verwahrt (354754). Wie das gesamte handschriftliche Werk Hankes, so befindet sich auch sein annotiertes gedrucktes in der Bibliothek des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück. 16 Markgraf berichtete auch darüber, versäumte es jedoch leider, die Signatur des Bandes nachzuweisen. Seine Charakteristik: »Hankes Gelegenheitsgedichte, Reden, ›Monumente‹ sind von seinem Sohne in den Einzeldrucken gesammelt und zu einem sehr stattlichen Foliobande vereinigt worden, den die Stadtbibliothek besitzt. Er enthält 213 Nummern, die sich allerdings auf ein halbes Jahrhundert verteilen; angehängt sind alle beim Tode des Verfassers auf ihn erschienenen Grabschriften.« (S. 49 f.) Ein wichtiger Sammelband mit Schriften von und auf Hanke auch in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. Signatur: G-A 7756. 17 Vgl. Martini Hankii […] Monumenta Pie Defvnctis Olim Erecta, Separatim Hactenvs Edita, Nvnc In Vnvm Collecta Volvmen A Godofredo Hankio, Phil. Mag. Et Aedis Elisab. Diacono.– Breslau, Leipzig: Blessing 1718.

545

546

|  Anmerkungen

18 Johann Jacob Brucker: Ehren=tempel der Deutschen Gelehrsamkeit.– Augsburg: Haid 1747, S. 202–205. 19 Die Leichenpredigt von Caspar Neumann: Martinalia Christiana oder Der Nahmens=Tag Martini am Tage Gotthard gefeyert/ Bey der Beerdigung […] Herrn Martin Hankes/ […] welcher An. 1709. den 24. Aprilis im 77. Jahre […] entschlaffen/ Darauff aber den 5. May bey Volckreicher Versammlung mit gewöhnlichen Leich=Ceremonien öffentlich beehret wurde.– Breslau: Bauch 1709. Diverse Exemplare in der BU Wrocław. Das ›Monumentum‹ von Scheibel für seinen Vorgänger beschließt die Reihe der Monumenta in der Ausgabe von 1718. Es lag selbstverständlich auch als Einzeldruck vor (BU Wrocław 365133). Die Trauerschriften auf Hanke eröffnen auch den oben Anm. 16 erwähnten Sammelband aus der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. An der Spitze steht das erwähnte ›Monumentum‹ von Krantz. Es folgen die lateinischen und deutschen Beiträge aus der Schule zu St. Bernhardin. Ein deutsches Gedicht für seinen ehemaligen Lehrer aus der Feder von Gottfried Stöckel schließt sich an. Sodann sind die lateinischen Beiträge der Schüler des Elisabethgymnasiums zu lesen, sie alle namentlich gezeichnet. Den Beschluß machen die Kollegen aus dem Elisabethgymnasium und – nach einem nochmals lateinischen Beitrag – die deutschsprachigen Beiträge der ›Studirenden‹ sowie der Kollegen des Magdalenengymnasiums. Es ist von großer Bedeutung, daß sich auf deutschem Boden ein derart gewichtiger, Martin Hanke gewidmeter Sammelband erhalten hat. Auf welchem Wege mag er nach Hannover gelangt sein? 20 Markgraf: Martin Hanke (Anm. 2), S. 52. 21 Das vorgelegte Zitat aus: Julius Schmidt: Gottlob Krantz. Ein Beitrag zur Geschichte humanistischer Bestrebungen in Schlesien.– In: Schlesische Provinzialblätter 114 (1841), S. 293–301, S. 293. Die Literatur zu Krantz ist spärlich. Neben den bekannten Nachschlagewerken aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert existiert Einschlägiges nur in den Arbeiten zur Geschichte des Elisabethgymnasiums. Hier sind vor allem die oben im entsprechenden Kapitel zitierten Arbeiten Scheibels von Belang. In der ADB XVII (1883), S. 44 f., findet man einen knappen Eintrag Kaemmels; in der NDB ist sein Name nicht mehr präsent. Weitere Nachweise bei Garber: Bücherhochburg des Ostens.– In: Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Klaus Garber.– Tübingen: Niemeyer 2005 (Frühe Neuzeit; 111), S. 546–548, Anm. 4, im Wiederabdruck in: Das alte Buch im alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents.– München: Fink 2006, S. 321–323, Anm. 4. 22 Die Titel findet man aufgeführt bei Gottlieb Friedrich Otto: Lexikon der seit dem funfzehenden Jahrhunderte verstorbenen und jetztlebenden Oberlausitzischen Schriftsteller und Künstler. Band I.– Görlitz: Anton 1800, S. 221–223, sowie in den Adelungschen Ergänzungen zu Jöchers Allgemeinem Gelehrten-Lexikon Band III (1810), Sp. 805 f. 23 Vgl. den Abschnitt über die Rhedigersche Bibliothek oben S. 197 ff. Zur Erinnerung der Titel: Memorabilia Bibliothecae Publicae Elisabethanae Wratislaviensis.– Breslau: Steck 1699. Eine Analyse des Inhalts bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 21), S. 546 f., Anm. 4; Abdruck in: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 321–323, Anm. 4. 24 Zum Stand der Forschung vgl. die gleichfalls an früherer Stelle zitierten grundlegenden Arbeiten von Mrozowicz (Anm. 1) und Spychała (Kap. 6, Anm. 81). 25 Der Titel der auch in verschiedenen Abschriften überlieferten Handschrift: Historia Codicum Mstorum in Bibliotheca apud Vratislav. Elisabethana extantium. In Handschrift R 2056,

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition  |

26

27

28 29 30

nach der wir zitieren, ist dieser Text angebunden an den Druck des Krantzschen Werkes von 1699 und die Oratio auspicalis von Christoph Köler zur Eröffnung der Bibliothek des Magdalenengymnasiums in dem posthumen Druck gleichfalls aus dem Jahr 1699. Weitere Druckschriften schließen sich an die Krantzsche Handschrift, die auf Bl. 81 einsetzt, an. Es handelt sich also um ein wichtiges Dokument aus Handschrift und Druck, das sich glücklicherweise erhalten hat. Eine nähere Beschreibung verbietet sich an dieser Stelle ebenso wie eine solche der diversen Abschriften dieser grundlegenden Arbeit. Conspectus Historicorvm Bibliothecae Elisabethanae Wratislawiensis Ordine Chronologico Dispositorvm A.O.R MDCCXXII. Die Signatur der Handschrift aus der Rhedigerschen Bibliothek: R 604. Über dem Eingang des Textes steht ein spezifizierender Hinweis: ›Notitia Historicorum Bibliothecae Rehdigero-Sebisianae Vratisl. Chronologice disposita Proëmium‹. Es existieren wiederum weitere Abschriften, die hier nicht aufgeführt, geschweige denn charakterisiert werden können. Vgl. Georg Thebesius: Monumenta Sepulchralia Silesiaca.– Tom. I–II. Das Werk befand sich unter den Signaturen R 2671 und R 2672 in der Rhedigerschen Bibliothek. Vgl. zum Näheren: Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 126. Nur der erste Band (R 2671) hat sich erhalten. Erwähnenswert ist auch das Inschriftenwerk von Simon Grunaeus. Grunaeus war zunächst mit einem aus seiner peregrinatio academica herrührenden Baseler Epitaphienwerk aus dem Jahr 1602 hervorgetreten. Dann wandte er sich dem schlesischen Epitaph zu. Nur ein schmales Werk gelangte zum Druck. Das Hauptwerk verblieb im Status der Handschrift und wird heute in der BU Wrocław verwahrt (Akc 1950/781). Vgl. Magdalena Musik, Maciej Kulisz: Simon Grunaeus jako duchowny, uczony i kolekcjoner [Simon Grunaeus als Geistlicher, Gelehrter und Sammler].– In: Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg. Materiały międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej w dniach 8–10 grudnia 2005 r. w Muzeum Miedzi w Legnicy. Protokollband der internationalen Fachtagung veranstaltet am 8.–10. Dezember 2005 im Kupfer-Museum zu Liegnitz. Hrsg. von Jan Harasimowicz und Aleksandra Lipińska.– Legnica: Muzeum Miedzi w Legnicy 2007 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego; 4), S. 245–256. Zum Kontext sind die reichen Abhandlungen von Jan Harasimowicz einzusehen. Auf deutsch liegen vor: Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit – ihre Typen und architektonisch-plastische Struktur.– In: Renaissance in Nord-Mitteleuropa I. Hrsg. von G. Ulrich Großmann.– München, Berlin: Deutscher Kunstverlag 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake; 4), S. 189–224; ders.: Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts.– In: Acta Polonica Historica 6 (1992), S. 5–45. Das Hauptwerk von Harasimowicz bedürfte einer Übersetzung ins Deutsche: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji [Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit].– Wrocław: Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego 1992 (Historia Sztuki; 3. Acta Universitatis Wratislaviensis; 1098). Vgl. zu Ezechiel Hermann Markgraf: Christian Ezechiels Leben und Schriften.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 12 (1878), S. 163–194. Ebd., S. 164. Die Abschrift wurde in der Bernhardiner-Bibliothek verwahrt (B 1904) und hat sich nicht erhalten.

547

548

|  Anmerkungen

31 Vgl. Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 114 f. Es handelt sich um ein zweiteiliges Werk: Monumenta et Inscriptiones Vratislavienses. Pars Prima. Enthaltend die Epitaphia und andre Inscriptionen der Römisch Catholischen Kirchen zu Breslau. R 2799 (Abschrift Paritius).– Monumenta et Inscriptiones Vratislavienses. Pars secunda. Enthaltend die Epithaphia und andern Inscriptionen, der Evangelisch lutherischen Kirchen zu Breslau. R 2800 (Abschrift Paritius). 32 Die Handschrift wurde in der Bernhardiner-Bibliothek verwahrt und hat sich erhalten: B 1905–1911. 33 Zur Geschichte dieser überreichen Bibliothek vgl. Karl Johannes Endemann: Die Reichsgräflich von Hochbergsche Majoratsbibliothek in den ersten drei Jahrhunderten ihres Bestehens 1609–1909.– Breslau: Hirt 1910 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte; 11). Reprint: Aalen: Scientia 1981. 34 Silesiae Literatae Volumen I–IV. Continens Viros Literatos non tam gente Silesiacos quam etiam illic per aliquod vitae tempus degentes Scriptisque variis in lucem editis clarescentes studiis et curis C[christian]. E[zechiel]. collectos. Signatur in der Rhedigerschen Bibliothek: R 2666 (Abschrift Paritius). 35 Leider hat Markgraf Paritius keine eigene Arbeit mehr gewidmet. Man vergleiche den Eintrag bei Karl Gabriel Nowack: Schlesisches Schriftsteller-Lexikon: oder bio-bibliographisches Verzeichnis der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts lebenden schlesischen Schriftsteller. Band I–VI.– Breslau: Korn 1836–1843. Band II (1838), S. 112–113. Ein ausführlicherer Eintrag auch im Neuen Nekrolog der Deutschen 27 (1849), S. 413–415. 36 Eine zweibändige Handschrift gab Kunde von dem Reichtum der Bibliothek des Paritius. Sie wurde unter der Signatur R 2808 und R 2809 in der Rhedigerschen Bibliothek bewahrt. Wiederum hat sich nur der erste Band (R 2808) erhalten. Das gleiche Schicksal ist dem Katalog der Bibliothek des Ezechiel widerfahren. Nur einer der beiden mächtigen Bände (R 2674) hat sich erhalten. Für Paritius kann darüber hinaus verwiesen werden auf das folgende Autograph (R 2691): Catalogus Bibliothecae quam sibi comparavit Christianus. Fridericus. Paritius. Philosophiae Doctor. 37 Collectanea Zur Geschichte Gelehrter Schlesiens, von Christian Friedrich Paritius, Philosophiae Doctor. Tomus Primus. Der erste erhaltene Band führte in der Rhedigerschen Bibliothek die Signatur R 2688, der zweite verschollene hatte die Signatur R 2689, der erhaltene Nachtrag die Signatur R 2689a. 38 Monumenta Vratislaviensia oder Grabschriften zu Breslau, aufgenommen von 1822–1824 durch Dr. Christian Friedrich Paritius. Tomus II.– Signatur: R 2803. Der verlorene Vorgängerband trug die Signatur: R 2802. 39 Monumenta Vratislaviensia oder Grabschriften zu Breslau, aufgenommen von 1822–1824 durch Christian Friedrich Paritius. Der Titel ist einem bibliothekarischen Vorsatzblatt entnommen, der offensichtlich in Analogie zu dem erhaltenen Band R 2803 gebildet wurde. Ein originärer Titel ist nicht erhalten. 40 Der erhaltene Band trägt die Signatur R 2693b, entstammte also wiederum der Rhedigerschen Bibliothek; der vorangehende verlorene wurde unter der Signatur R 2693a geführt. 41 Alphabetisches Register zu S.J. Ehrhardt’s Presbyterologie. Verfasst von Chr. Fr. Paritius. Dieser Titel ist von neuerer Hand mit dem Zusatz versehen: ›(Bandweise), I, II, III, IV‹. Die Signatur in der Rhedigerschen Bibliothek: R 2668. Des weiteren: Namen und Oerter Verzeichnis über S.J. Ehrhardts Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens […] von

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition  |

42

43 44

45 46

47

Christian Friedrich Paritius. Signatur: R 2669. Auf der Basis dieser Arbeit erfolgte dann sehr viel später ein Druck: Ein Inhaltsverzeichnis zu Siegismund Justus Ehrhardts ›Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens‹. Mit einem Vorwort von Landgerichtsdirektor Karl Schlawe in Breslau.– In: Der Schlesische Familienforscher. Breslau 1934, S. 221–242, S. 264–299, S. 309–329, S. 368–378. Für das Ehrhardtsche Werk war also dank Paritius optimale Vorsorge getroffen. Auch für Klose ist wiederum auszugehen von Hermann Markgraf: Zur Erinnerung an Samuel Benjamin Klose. 1730–1798.– In: Silesiaca. Festschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens zum siebzigsten Geburtstage seines Präses Colmar Grünhagen.– Breslau: Morgenstern 1898, S. 1–22. Vgl. von Markgraf auch den Eintrag in der ADB XVI (1882), S. 226 f. Durchweg auf Markgraf basierend der Beitrag von Dieter-Lienhard Döring in: Schlesische Lebensbilder 6 (1990), S. 101–110. Von polnischer Seite ist zu verweisen auf die Monographie von Lucyna Harc: Samuel Beniamin Klose (1730–1798). Studium historiograficzno-źródłoznawcze.– Wrocław: Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego 2002 (Historia; 157. Acta Universitatis Wratislaviensis; 2389). In deutscher Version liegt von der Verfasserin vor: Der wissenschaftliche Nachlaß von Samuel Benjamin Klose.– In: Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit (Anm. 21), S. 747–775. Zitiert bei Markgraf: Zur Erinnerung (Anm. 42), S. 14 f. Dazu im einzelnen Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 108–110. Es existieren zwei Abschriften von Volger: Katalog der S.B. Klose’schen Handschriften-Sammlung, umfassend Hs. Kl. 1 bis 248. Hs. Kl. 1 bis 159 befinden sich im Stadtarchiv, Hs. Kl. 160–248 in der Stadtbibliothek. Die jetzige Signatur in der BU Wrocław: Akc 1967/16. Der Titel der zweiten Handschrift: Klose’sche Handschriften-Sammlung. Hs. 1–248. Die jetzige Signatur: Akc 1967/17. Dazu der Kommentar bei Garber, S. 108 f. Wir verweisen zurück auf die entsprechenden Angaben in Anm. 42. Vgl. zum einzelnen Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 21), S. 550–552, bzw. Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 326 f., jeweils mit den Anmerkungen 9, 10 und 11. Des weiteren Ernst Volger: Mittheilungen aus der Stadtbibliothek zu Breslau.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 15 (1880), S. 235–245. Abschnitt I: Gelehrte Correspondenzen aus dem XVI. Jahrhundert, S. 235–238. Dazu der Kommentar bei Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 110 f. Insgesamt 28 Briefsammlungen wertete Volger aus. Er verzeichnete übrigens auch die Stammbücher der Breslauer Stadtbibliothek, die gleichfalls nicht heil durch den Krieg gekommen sind. Vgl. die obige Abhandlung Volgers, S. 238–240: II: Stammbücher; ders.: Über die Sammlung von Stammbüchern (77 Stück) in der Stadtbibliothek zu Breslau.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 3 (1880), S. 445–475. Dazu der Kommentar bei Garber, S. 111 f. Vgl. zum einzelnen Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 21), S. 626–629, bzw. Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 408–411. Das Klosesche Register, 1763 gefertigt, trug in der Markgrafschen Folge die Nummer 168. Der Verfasser des Katalogs der Rhedigerschen Handschriften, Moritz Adolf Guttmann, bot unter der Signatur R 150 den Eintrag »Catalogus Epistolarum Tomis IX comprehensarum studio et industria Sam. Benj. Klosii confectus et scriptus 1763.« Die Abschrift in der Bernhardiner-Bibliothek, das Heft Klose Nr. 168, führt den Titel: Index Virorum illustrium er eruditorum Quorum epistolae MStae IX. Voluminibus compactae in Bibliotheca Rhedigerana extant. Sie hat sich erhalten. Die heutige Signatur: Akc 1949/592.

549

550

|  Anmerkungen

48 Vgl. Klaus Garber: Der Zweite Weltkrieg und seine bibliothekarischen Spätfolgen. Noch immer geteilte Sammlungen deutscher Literatur in großen historischen Bibliotheken Europas und ihre Restitution als europäische Aufgabe.– In: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 611–663; ders.: Metropolen-Kultur im Katastrophen-Jahrhundert. Ein Essay im Blick auf bibliothekarische Kriegs-Trophäen.– In: Dazwischen. Reisen – Metropolen – Avantgarden. Festschrift für Wolfgang Asholt.– Bielefeld: Aisthesis 2009 (Reisen – Texte – Metropolen; 8), S. 413–440. 49 Vgl. zu Arletius Johann Ephraim Scheibel: Lebenslauf des weyland Herrn Johann Caspar Arletius, zweyten Inspectors der Breslauischen Schulen A.C. Rectors des Elisabetanischen Gymnasii, Professors der exegetischen und ascetischen Gottesgelahrheit, der Hebräischen und Griechischen Sprache, Aufsehers der öffentlichen Rehdigerschen Bibliothek, und Mitgliedes der Königlichen Deutschen Gesellschaft zu Königsberg.– Breslau 1789. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław unter der alten (von Heinrich Wendt vergebenen) Vorkriegs-Signatur Yv 1050/12,4). Scheibel schöpft aus der Selbstbiographie des Arletius in der Rhedigerschen Bibliothek (R 2811). Die folgenden Darstellungen sind an dieser primären Quelle orientiert und enthalten nur vereinzelte Zugaben. Vgl. Julius Schmidt: Johann Caspar Arletius.– In: Schlesische Provinzialblätter 113 (1841), S. 95–106, S. 189–195, S. 295–300; Carl Rudolph Fickert: Der Rector zu St. Elisabet [!] Johann Caspar Arletius und seine Stiftungen.– In: Sammlung der Abhandlungen, mit welchen zu der am 29. Januar 1862 stattfindenden 300jährigen Jubelfeier des Elisabet-Gymnasiums [!] die Hohen Königlichen und Städtischen Behörden sowie andere Gönner und Freunde der Schule ehrerbietigst eingeladen werden von Rector und Lehrer-Collegium bei St. Elisabet.– Breslau: Grass, Barth und Comp. (W. Friedrich) 1862, S. 1–22 (Yu 1050/16). Dazu der Eintrag in der ADB I (1875), S. 530–532, von Schimmelpfennig. In der NDB hat sich die Spur auch dieses großen Gelehrten verloren. In den bislang zehn Bänden der Schlesischen Lebensbilder fehlt sein Name gleichfalls. Ein Porträt des Vaters bei Joh. Chr. Leuschner: Ad Cunradi Silesiam Togatam Spicilegivm Dvodecimvm.– Hirschberg: Krahn [s.a.], Bl. A3v f. Zuletzt Klaus Garber: Ein Sammler im Breslau des 18. Jahrhunderts und seine Verdienste um die deutsche Literatur des 17. Jahrhunderts. Johann Caspar Arletius und seine Sammlung der Dichtungen Simon Dachs.– In: Aufklärung. Stationen – Konflikte – Prozesse. Festschrift Jörn Garber. Hrsg. von Ulrich Kronauer, Wilhelm Kühlmann.– Eutin: Lumpeter & Lasel 2007, S. 63–104. Hier eine eingehende Biographie. 50 Der Titel der gewichtigen Festschrift sei nochmals zitiert: Sammlung der Jubelschriften, welche bey der Feyer des zweyhundertjährigen Andenken der Stiftung und Einweihung des Elisabetanischen Gymnasii zu Breslau am 29ten Tage des Jänners im Jahre 1762. von Lehrenden und Lernenden, theils vorgetragen, theils verfertiget, auch anderwertsher zugeschickt worden, nebst einer Vorrede Sr. Hochw. des Hrn. Oberconsistorialrath, Prof. und Inspector Burg und einer kurzgefaßten Geschichte dieses Musensitzes.– Breslau: Korn 1762. Vgl. zum näheren Kapitel 5, Anm. 14! 51 Scheibel: Lebenslauf (Anm. 49), S. 15 f. 52 Wir zitieren das grundlegende und gar nicht genügende zu rühmende Werk nochmals: Umständliche Nachricht von des weltberühmten Schlesiers, Martin Opitz von Boberfeld, Leben, Tode und Schriften, nebst einigen alten und neuen Lobgedichten auf Jhn. Erster [und] Anderer Theil. Herausgegeben von D. Daniel Kaspar Lindnern.– Hirschberg: Krahn 1740–1741. Vgl. zu Lindner den Eintrag des Bibliothekars an der ehemaligen

9. Aufklärung als Bewahrung einer großen Tradition  |

Staats- und Universitätsbibliothek Breslau, Herbert Gruhn in: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 99–103. 53 Dazu wußte als einziger detaillierter zu berichten: Hermann Palm: Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Mit einem Bildnisse von M. Opitz.– Breslau: Morgenstern 1877. Reprint: Leipzig: Zentralantiquariat der DDR 1977. Hier S. 129 ff. im ›V. Beitrag‹ eine Reihe von grundlegenden Bemerkungen zu Martin Opitz, einsetzend mit den Hinweisen ›Zur Opitz-literatur‹, S. 129–149. Hier S. 133 f. zu Arletius und S. 134 f. zu Ezechiel. Zu Arletius: »Alle seine vorarbeiten [zu einer Opitz-Edition] ruhen noch heut unter den handschriften der Breslauer stadtbibliothek unter nummer 2305 unediert und versprechen jedem gründlichen forscher noch mancherlei ausbeute.« (S. 134). Und zu Ezechiel: »Ein zweiter gelehrter, der wie Silesiaca aller art, so auch Opitiana sammelte, war der überaus fleißige Christian Ezechiel, pastor zu Peterwitz bei Jauer (1678–1758). Seine genealogischen sammlungen, so weit sie heut in der Breslauer stadtbibliothek einverleibt sind (mcspt-nummer 2306), enthalten von Opitz außer der genealogie der familie auch noch eine anzahl autographa, namentlich briefe aus dessen früherer zeit (1623–29). Fast alles vorhandene hat aber Ezechiel selbst noch in dem ›Schreiben an einen Gelehrten in Schlesien, das Leben und die Schriften Martin Opitzens von Boberfeld betreffend‹, im 25. stück der ›Beyträge zur Critischen Historie‹ u.s.w. (1741) anonym veröffentlicht.« (S. 134 f.) Dieser Beitrag im Band VII der erwähnten ›Beyträge‹, 25. Stück, Beitrag Nr. IV, S. 54–74. Leider wird aus ihm nicht recht deutlich, was von seinen Opitz-Sammlungen dem Brand des Pfarrhauses im Jahr 1733 zum Opfer fiel, von dem er so lebhaft berichtet, und was er retten konnte. Es handelt sich bei den vorliegenden Dokumenten um eine Blütenlese aus Briefen von und an Opitz, Elogen und biographischen Zeugnissen über ihn und einer Bibliographie seiner Werke, soweit sie Ezechiel einsehbar, also doch wohl in seiner Sammlung vorhanden waren. Im Anschluß daran (S. 74–78) unter Nr. V gleichfalls von Ezechiel: ›Einige Stücke von Martin Opitzens aus seinen Originalen abgeschrieben‹.– Vgl. zur handschriftlichen Überlieferung Opitzens auch Marian Szyrocki: Martin Opitz.– Berlin: Rütten & Loening 1956 (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft; 4), S. 197 f. Jetzt ist zur erhaltenen und verschollenen Überlieferung Opitzens heranzuziehen: Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 21), S. 631 bzw. Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 413, sowie: Martin Opitz: Briefwechsel und Lebenszeugnisse. Kritische Edition mit Übersetzung. Hrsg. von Klaus Conermann unter Mitarbeit von Harald Bollbuck. Band I–III.– Berlin, New York: de Gruyter 2009, Band I, S. 79–87. 54 Dazu sein Biograph Scheibel: »Mit gleicher Sorgfalt sammlete er die Reliquien Günthers, der die lezte Epoche in der Schlesischen Dichtkunst gemacht hatte, und gab sie, doch ohne seinen Nahmen, als ›Nachlese‹ Breslau 1741, gr. 8. auf 226 Seiten heraus, von welcher 1751 eine neue Ausgabe besorgt ward. Mich wundert es, daß, ohngeachtet er schon viele äußerst schlüpfrige Stellen darinnen ausgelassen, dennoch nicht alle unterdrückt und junge Leser mehr geschont habe.« (S. 16)…. 55 Dutzende von Einträgen weist das von Volger geführte Verzeichnis der Kloseschen Abschriften in der Breslauer Stadtbibliothek mit zumeist ganz offensichtlich von Arletius herrührenden Czepko-Titeln aus. Es handelt sich um die Nummern Klose 185–192. Von den acht Büchern haben sich gerade drei erhalten – das immer gleiche trostlose Bild. Über das Erhaltene und das Verlorene orientiert man sich jetzt über die verdienstvolle Czepko-Edition, die von Hans-Gert Roloff und Marian Szyrocki auf den Weg gebracht und sodann von

551

552

|  Anmerkungen

56 57 58

59

60

61

62

Gerhard Spellerberg und Ulrich Seelbach in sechs Bänden in den Berliner Ausgaben zur deutschen Literatur im Verlag de Gruyter zum Abschluß gebracht wurde. Die maßgebliche Czepko-Biographie stammt von Werner Milch, der auch noch vor dem Krieg eine zweibändige Czepko-Ausgabe schuf: Daniel von Czepko. Persönlichkeit und Leistung.– Breslau: Trewendt & Granier 1934 (Einzelschriften zur schlesischen Geschichte; 12). Es ist an dieser Stelle Gelegenheit, auch auf zwei weitere wichtige Arbeiten zur schlesischen Literatur von Milch hinzuweisen: Schlesiens Sonderart im deutschen Schrifttum.– In: Zeitschrift für Deutschkunde [ehemals Zeitschrift für den deutschen Unterricht] 45 (1931), S. 566–581. Wieder abgedruckt in ders.: Kleine Schriften zur Literatur- und Geistesgeschichte. Mit einem Nachwort von Max Rychner hrsg. von Gerhard Burkhardt.– Heidelberg, Darmstadt: Lambert Schneider (Veröffentlichungen der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung Darmstadt; 10), S. 67–86; ders.: Die Literatur.– In: Schlesien. Ein Bücherverzeichnis und Führer zu Schlesiens Volk, Land und Leben. Hrsg. von Alfred Kloß.– Breslau: Korn 1933, S. 111–163. Vgl. auch den Eintrag von Marian Szyrocki und Ulrich Seelbach in der zweiten Auflage des Killyschen Literaturlexikons, Band II (2008), S. 528–530, mit der einschlägigen Literatur zu Czepko. Ein großes Czepko-Kapitel, gleichfalls reich ausgestattet mit Literatur und Czepkos Hauptwerk Corydon und Phyllis gewidmet, wird zum Abschluß des in Vorbereitung befindlichen Werkes zur Geschichte der deutschen Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts aus der Feder des Verfassers zu lesen sein. Vgl. dazu die Anm. 49 zitierte Arbeit des Verfassers. Vgl. jetzt auch ders.: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 374–378 und S. 576–619. Hier S. 614–619 erstmals auch im einzelnen über eine verlorene Handschrift aus der Kollektion Arletius mit Dachschen Texten. Vgl. das Kapitel ›Teil-Ernte vor der Katastrophe. Walther Ziesemers Dach-Edition‹ in: Garber: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 406–417. Der Titel der entsprechenden buchförmigen Abhandlung, die Erich Trunz gewidmet ist: Die zerstobene Kürbishütte. Eine Studie zur Überlieferung des Werkes von Simon Dach nebst einer Präsentation unbekannter Gedichte.– In: Opitz – Fleming – Dach (Anm. 1), S. 337–630. Vgl. dazu Axel E. Walter: Dach digital? Vorschläge zu einer Bibliographie und Edition des Gesamtwerks von Simon Dach nebst einigen erläuterten Beispielen vernachlässigter bzw. unbekannter Gedichte.– In: Simon Dach (1605–1659). Werk und Nachwirken. Hrsg. von Axel E. Walter.– Tübingen: Niemeyer 2008 (Frühe Neuzeit; 126), S. 465–522. Eine Arbeit zu Scheibel fehlt. Vgl. den (belanglosen) Artikel von Günther in der ADB XXX (1890), S. 693. Das vergleichsweise Ausführlichste bei Hamberger und Meusel: Das gelehrte Teutschland. 5. Aufl. Band VII (1798), S. 82–85, mit dem Nachtrag im zehnten Band (1803), S. 558. Johann C. Poggendorff: Biographisch-Literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften: enthaltend Nachweisungen über Lebensverhältnisse und Leistungen von Mathematikern, Astronomen, Physikern, Chemikern, Mineralogen, Geologen usw. aller Völker und Zeiten. Band II.– Leipzig: Barth 1863, Sp. 782. Johann Ephraim Scheibel: Codex Qvatvor Evangeliorvm Latinvs Rehdigerianvs. Mat­thaevs Et Marcvs. Cvm Textv Graeco Et Editione Vvlgata Collatvs.– Breslau: Johann Ernst Mayer 1763.

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

63 Vgl. die Angaben im einzelnen im sechsten Kapitel dieses Buches, Anm. 34. Dazu der Kommentar bei Garber: Bücherhochburg des Ostens (Anm. 21), 552 f., Anm. 13, im Wiederabdruck in: Das alte Buch im alten Europa (Anm. 21), S. 328 f., Anm. 13. 64 Zu Schlabrendorff vgl. das schöne Porträt von Theodor Heuss: Der Diogenes von Paris.– In: ders.: Schattenbeschwörung. Randfiguren der Geschichte.– Tübingen: Wunderlich 1947, S. 81–90 (auch als Fischer-Taschenbuch Nr. 63 (1954), S. 74–84). Zuletzt Hartmut Scheible: Civis Civitatem quaerens. Gustav Graf von Schlabrendorf und die Sprache der Republik.– In: Wirklichkeitssinn und Allegorese. Festschrift Hubert Ivo. Hrsg. von Susanne Gölitzer, Jürgen Roth.– Münster: Monsenstein und Vannerdat 2007 (MV Wissenschaft), S. 115–138. Dazu der Eintrag von Ulrich Joost in der zweiten Auflage des Killyschen Literaturlexikons, Band X (2011), S. 377–379, mit weiterer Literatur. 65 Zu Oelsner vgl. den Eintrag von Peter Kuranda in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 218–228. Neuerdings insbesondere Klaus Deinet: Konrad Engelbert Oelsner und die französische Revolution. Geschichtserfahrung und Geschichtsdeutung eines deutschen Girondisten. Mit einem Vorwort von Jacques Droz.– München, Wien: Oldenbourg 1981 (Ancien Régime, Aufklärung und Revolution; 3). Das klassische Werk von Oelsner: Luzifer Oder Gereinigte Beiträge zur Geschichte der Französischen Revolution. Erster [und] Zweyter Theil.– [s.l.] 1797–1799. Reprint: Kronberg/Ts.: Scriptor Verlag 1977 (Aufklärung und Revolution. Deutsche Texte 1790–1810. Hrsg. von Jörn Garber).

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne 1

2

Vgl. zur Schaffgotsch’schen Bibliothek: Beschreibung der hochgräflich von Schaffgot’schen Bibliothek zu Hermsdorf.– In: Schlesische Provinzialblätter 55 (1812), S. 99–112 (Lit. Belage); Hermann Luchs: Das Reichsgräflich Schaffgotschische Familienbild auf der Warmbrunner Bibliothek aus den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 4 (1888), S. 246–248; Heinrich Nentwig: Zwei schlesische Majoratsbibliotheken [Warmbrunn und Fürstenstein].– In: Beiträge zur Bücherkunde und Philologie. August Willmanns zum 25. März 1903 gewidmet.– Leipzig: Harrassowitz 1903, S. 129–138. [1. Die reichsgräflich Schaffgotsch’sche Bibliothek in Warmbrunn, S. 129–135; 2. Die reichsgräflich von Hochberg’sche Bibliothek in Fürstenstein, S. 135–138]; ders.: Zwei schlesische Majoratsbibliotheken [Warmbrunn und Fürstenstein].– In: Der Wanderer im Riesengebirge 27 (1907), S. 161–165; Agnes Siebelt: Die Reichsgräflich Schaffgotsch’sche Majoratsbibliothek zu Warmbrunn.– In: Der Wanderer im Riesengebirge 13 (1914), S. 23–26; Georg Nave: Die Reichsgräflich Schaffgotschen Sammlungen in Warmbrunn.– In: Der Wanderer im Riesengebirge 46 (1926), S. 57–60; Gerhard Anter: Hundert Jahre Majoratsbibliothek in Bad Warmbrunn.– In: Der Wanderer im Riesengebirge 54 (1934), S. 130–131; Marian Iwanek: Biblioteka Schaffgotschów w Cieplicach Śl. Zdroju.– In: Rocznik Jeleniogórski 24 (1986), S. 43–57. Vgl. zu dem Geschlecht der Schaffgotschs zuletzt: Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Ulrich Schmilewski, Thomas Wünsch.– Würzburg: Bergstadtverl. 2010, S. 177–186. Vgl. Heinrich Nentwig: Schaffgotschiana in der Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Majoratsbibliothek zu Warmbrunn.– Leipzig: Harrassowitz 1899.

553

554

|  Anmerkungen

3 4

5

6

7

Vgl. Heinrich Nentwig: Silesiaca in der Reichsgräflich Schaffgotsch’schen Majoratsbibliothek zu Warmbrunn.– Leipzig: Harrassowitz 1902. Hier, wo es nochmals dezidiert um Sammler und Sammlungen geht, sei auf eine der großen Gestalten nochmals zusammenhängend verwiesen: Vgl. Ferdinand Friedensburg: Johann Christian Kundmann.– In: Schlesische Lebensbilder 3 (1928), S. 149–154; Dietrich Hakelberg: Seltenheiten zwischen Natur und Kunst. Archäologische Funde im Naturalienkabinett des Johann Christian Kundmann (1684–1751).– In: Anton Roschmann (1694–1760). Aspekte zu Leben und Wirken des Tiroler Polyhistors. Hrsg. von Florian M. Müller, Florian Schaffenrath.– Innsbruck: Wagner 2010, S. 197–214 (mit ausführlichem Literaturverzeichnis). Zum Kontext die außerordentlich gehaltreiche Arbeit gleichfalls von Dietrich Hakelberg: For the Sake of Memory. Practicing Archaeology in Early Modern Silesia.– In: Histories of Archaeological Practices. Reflections on Methods, Strategies and Social Organisation in Past Fieldwork. Ed. by Ola Wolfhechel-Jensen.– Stockholm: The National Historical Museum 2012 (Historiska Museet. Studies; 20), S. 53–80. Vgl. Willy Klawitter: Die Zeitungen und Zeitschriften Schlesiens. Von den Anfängen bis zum Jahre 1870 bzw. bis zur Gegenwart (1930).– Breslau: Trewendt & Granier 1930 (Darstellungen und Quellen zur Schlesischen Geschichte; 32). Reprint: Aalen: Scientia 1978. Dort der Titel S. 24 f., Nr. 13. Vgl. auch von Klawitter: Aus der Frühzeit der schlesischen Zeitungen.– In: Zeitschrift für Ostforschung 3 (1954), S. 77–79. Auch diese beiden wichtigen und noch vor dem Ersten Weltkrieg zustandegekommenen Werke seien hier aufgeführt: Joseph Partsch: Litteratur der Landes- und Volkskunde der Provinz Schlesien. Ergänzungshefte zum 69. 70. 72. 73. 74. 75. 77. Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.– Breslau: Aderholz 1892–1900. Das Werk versteht sich ausdrücklich als Fortsetzung des Kompendiums von Thomas, dessen Name das Handbuch eröffnet und mit dem es den institutionellen Rückbezug teilt. Wichtig neben der ›Bibliographie der landeskundlichen Litteratur‹ (S. 1–2) und der Abteilung ›Landesbeschreibung‹ (S. 12–16) vor allem die Abschnitte ›Geistige Cultur‹ (S. 252–265) und die ›Landschafts- und Ortskunde‹ (S. 267 ff.). Das Werk flankiert die große zweibändige Landeskunde von Partsch (1896–1911), die ihrerseits alsbald Nachfolge durch das zweibändige Werk von Frech und Kampers (1913) erhielt, mit denen Schlesien seine seit dem Humanismus führende landeskundliche Stellung vor dem Ersten Weltkrieg ein letztes Mal behauptete. Fortgeführt wurde das Werk eben von Heinrich Nentwig, der damit zu einem landeskundlichen Bibliographen Schlesiens aufrückte: Literatur der Landes- und Volkskunde der Provinz Schlesien[,] umfassend die Jahre 1900–1903. 1904–1906. 1907–1912. Ergänzungsheft zum 81., 84., 91. Jahresberichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Mit einem Vorwort von Joseph Partsch.– Breslau: Aderholz 1904, 1907, 1914. Dieses dreibändige Werk ist weiterhin ausgestattet mit Kapiteln zur ›Geistigen Kultur‹ und zur ›Landschafts- und Ortskunde‹. Vgl. Johann Jacob Füldener: Bio- & Bibliographia Silesiaca, Das ist: Schlesische Bibliothec Und Bücher=Historie. […] Repositor. I. Volumen I. Gedruckt zu Lauban. Zufinden in Breßlau Anno MDCCXXXI. [Mehr nicht erschienen!]. Auch die beiden anderen erwähnten wichtigen Werke seien hier nochmals aufgeführt: Jo. Henrici, Casp. Fil. Cunradi Silesia Togata, Sive Silesiorum doctrina & virtutibus clarissimorum Elogia, […] edidit Caspar Theophil. Schindlervs, Lignicensis Silesius.– Liegnitz: Rohrlach 1706; Johannes Christian Leuschner: Ad Cvnradi Silesiam Togatam Spicilegivm Primvm [–] Spicilegivm

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

8

9 10

11 12 13

14 15 16 17 18

19

20

XXXXVIII. […] Invitat M. Johann. Christian. Levschnervs.– Hirschberg: Krahn, Breslau: Grass 1752–1784. Vgl. die Einträge bei Nentwig: Silesiaca (Anm. 3), S. 2, und bei Klawitter: Die Zeitungen und Zeitschriften (Anm. 5), S. 93, Nr. 482, sowie den genauen Titel nebst Kommentar bei Klaus Garber: Die Biblioteka Uniwersytecka in Wrocław. Morphologie der Bestände, Umrisse der Provenienzen und Charakteristik der Personalsschrifttums-Sammlungen.– In: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band I: Breslau / Wrocław – Universitätsbibliothek / Biblioteka Uniwersytecka. Abt. I: Stadtbibliothek Breslau (Rhedigeriana/St. Elisabeth). Teil I. Mit einer bibliotheksgeschichtlichen Einleitung und einer kommentierten Bibliographie von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann, Martin Klöker.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2001, S. 17–80, hier S. 57. Johann George Thomas: Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien. Eine gekrönte Preisschrift.– Hirschberg: Krahn 1824, S. 2. Vgl. Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Vierten Theils Zweiter Haupt=Abschnitt, welcher die Fortsetzung der protestantischen Kirchen= und Prediger= Geschichte des Fürstenthums Ligniz [!] in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1790. Die beiden folgenden Zitate S. 579. Vgl. zu Lindner den Eintrag von Herbert Gruhn: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 99–103. Ehrhardt: Eintrag Scharf (Anm. 10), S. 579 f., Anm. (q). Gelehrte Neuigkeiten Schlesiens […] Darinne Merckwürdiges Jm Jahr 1734. zu erforschen gewesen.– Schweidnitz: Böhm [s.a.], Bl. π3r und π3r f. Erinnert sei nochmals an das Porträt des Johann Anton Graf von Schaffgotsch von Norbert Conrads in: Schlesische Lebensbilder 8 (2004), S. 121–128. Gelehrte Neuigkeiten, Bl. π3v. Ebd., Bl. π4r. Ebd., Bl. π4v. Ebd., Bl. π5v f. Vgl. Michael Rüdiger Gerber: Die Schlesischen Provinzialblätter 1785–1849.– Sigmaringen: Thorbecke 1995 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 27). Gerber bietet u. a. ein Verzeichnis nebst Kurzbiographie der Autoren der Schlesischen Provinzialblätter sowie eine systematisch gegliederte Bibliographie ihrer Beiträge. Hans Heckel: Die Schlesischen Provinzialblätter von 1785–1849 in ihrer literargeschichtlichen Bedeutung. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien.– Breslau: Marcus 1921 (Wort und Brauch. Volkskundliche Arbeiten; 15), S. 13. Vgl. auch Georg Selke: Der Anteil der Schlesischen Provinzialblätter an der Literatur Schlesiens mit besonderer Berücksichtigung niederschlesischer Dichtung.– Liegnitz: Krumbhaar 1922. Zu Garve vgl. im vorliegenden Zusammenhang nur den Eintrag von Werner Milch in: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 60–69, sowie von Kurt Wölfel in der NDB VI (1964), S. 77 f., jeweils mit weiterer Literatur. Eine Auswahl der wichtigsten Schriften Garves liegt vor in: Christian Garve: Popularphilosophische Schriften über literarische, ästhetische und gesellschaftliche Gegenstände. Im Faksimiledruck hrsg. von Kurt Wölfel.– Stuttgart: Metzler 1974 (Deutsche Neudrucke: Reihe Texte des 18. Jahrhunderts).

555

556

|  Anmerkungen

21 Wilhelm Heinrich Sohr: Die Schlesischen Provinzialblätter.– In: Schlesische Provinzialblätter 101 (1835), S. 3–22, S. 3–5. 22 Zu Streit vgl. vor allem das schöne Porträt von Johann Gustav Gottlieb Büsching in den Schlesischen Provinzialblättern 85 (1827), S. 1–54, mit einem Porträt des Verewigten. Vgl. auch Theodor Oelsner: Karl Konrad Streit, Dr. hon., Königl. Regierungsrath, Vater der ›Schles. Provinzialblätter‹.– In: Rübezahl. Schlesische Provinzialblätter 75 / N.F. 10 (1871), S. 157–166. Dazu der Eintrag bei Gerber (Anm. 18), S. 73–77, mit weiterer Literatur. 23 Karl Konrad Streit: Alphabetisches Verzeichnis aller im Jahr 1774. in Schlesien lebender Schriftsteller.– Breslau: Korn 1776. 24 Vgl. auch zu ihm den Eintrag bei Gerber (Anm. 18), S. 70–73, mit der einschlägigen Literatur. 25 Vgl. Johann Gustav Gottlieb Büsching: [Ankündigung zu] Streit’s Schlesische Provinzialblätter, fortgeführt von Büsching.– In: Schlesische Provinzialblätter 84 (1826), Anhang, S. 365–367, und gleichlautend S. 405–407 (Anhang); zitiert bei Gerber (Anm. 18), S. 57 f. Zu Büsching vgl. die angegebene Literatur unten Anm. 104. 26 Zu Sohr vgl. wiederum Gerber (Anm. 18), S. 84–89, mit der (spärlichen) Literatur, darunter dem Eintrag von Colmar Grünhagen in der ADB XXXIV (1892), S. 550 f. 27 Vgl. auch zu Nowack den Eintrag bei Gerber (Anm. 18), S. 89–91. Sein Hauptwerk: Schlesisches Schriftsteller-Lexikon oder bio-bibliographisches Verzeichniß der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts lebenden schlesischen Schriftsteller. Heft 1–6.– Breslau: Korn 1836–1843. 28 Zu Oelsner vgl. den Nachruf in seinem Organ: Rübezahl. Schlesische Provinzialblätter 79 / N.F. 14 (1875), S. 199–212, gez. ›E. Oe.‹. Vgl. auch Heckel: Die Schlesischen Provinzialblätter (Anm. 19), S. 19–21, sowie Gerber: Die Schlesischen Provinzialblätter (Anm. 18), S. 67–69. 29 Vgl. zu diesem faszinierenden Phänomen in umfassender europäischer Optik: Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. Band I–II. Hrsg. von Klaus Garber, Heinz Wismann.– Tübingen: Niemeyer 1996 (Frühe Neuzeit; 26.27). Hierin Klaus Garber: Sozietät und Geistes-Adel: Von Dante zum Jakobiner-Club. Der frühneuzeitliche Diskurs de vera nobilitate und seine institutionelle Ausformung in der gelehrten Akademie, Band I, S. 1–39. 30 Vgl. zum folgenden: Conrad Grau: Die Academia Naturae Curiosorum (1652).– In: ders.: Berühmte Wissenschaftsakademien. Von ihrem Entstehen und ihrem weltweiten Erfolg.– Leipzig: Edition Leipzig 1988, S. 62–64. Dazu die Monographie von Andreas Elias Büchner: Academiae Sacri Romani Imperii Leopoldino-Carolinae Natvrae Cvriosorvm Historia.– Halle, Magdeburg: Gebauer 1755. Weitere Literatur unter dem schlesischen Aspekt in der folgenden Anmerkung. Zum Kontext C.G. Nees von Esenbeck: Vergangenheit und Zukunft der Kaiserlichen Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher.– Breslau 1851. Druck: Hamburg: Nestler und Melle. 31 Vgl. zum folgenden: J. Graetzer: Die Gründung der K. Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher und Schlesien (nebst einem Verzeichniß der schlesischen Mitglieder der Akademie).– In: ders.: Lebensbilder hervorragender schlesischer Ärzte aus den letzten vier Jahrhunderten.– Breslau: Schottlaender 1889, S. 203–216. Hier S. 60 f. eine Biographie Sachs von Löwenheims, dessen Porträt in den Schlesischen Lebensbildern immer noch fehlt. Des weiteren einschlägig: Rolf Winau: Zur Frühgeschichte der Academia

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

Naturae Curiosorum.– In: Der Akademiegedanke im 17. und 18. Jahrhundert. Hrsg. von Fritz Hartmann, Rudolf Vierhaus.– Bremen, Wolfenbüttel: Jacobi 1977 (Wolfenbütteler Forschungen; 3), S. 117–137. Hier S. 122–124 gleichfalls eine Skizze des Lebensweges und des Wirkens von Sachs von Löwenheim. Zum Kontext vgl. die wichtige Abhandlung von Heinrich Wendt: Die Anfänge des Breslauer Vereinswesens (bis 1808).– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 37 (1903), S. 260–285. 32 Philipp Jakob Sachs von Löwenheim: Ampelographia sive vitis viniferae ejusque partium consideratio physico-philologico-historico-medico-chymica.– Leipzig: Trescher 1661. 33 Miscellanea curiosa sive Ephemeridum Medico-physicarum Germanicarum Academiae Naturae Curiosorum. Zum Titel vgl. Rolf Winau: Christian Mentzels wissenschaftliche Interessen im Spiegel seiner Beiträge in den ›Miscellanea Curiosa‹.– In: Fachliteratur des Mittelalters. Festschrift Gerhard Eis. Hrsg. von Gundolf Keil.– Stuttgart: Metzler 1968, S. 101–113, hier S. 112. Vgl. auch Johannes Steudel: Die internationale Tendenz der Ephemeriden der Academia Naturae Curiosorum.– In: Atti del XIV Congresso Internazionale di storia della medicina sotto l’Alto Patronato del Presidente della Republica : Roma – Salerno 13–20 Settembre 1954.– Roma: Guerra & Belli 1954, S. 457–459. 34 Vgl. die oben Anm. 31 zitierte Arbeit von Graetzer, die S. 207–216 ein sehr verdienstvolles Verzeichnis der schlesischen Mitglieder nebst Kurzbiographien enthält. 35 Graetzer: Die Gründung (Anm. 31), S. 205. 36 Historia morborum qui anno 1699 Vratislaviae grassati sunt adornata a Leopoldina Academia Naturae Curiosorum collegis Vratislaviensibus.– Breslau: Baumann 1701. Fortsetzungen für die Jahre 1700–1702. Breslau 1701; Breslau und Leipzig 1706 und 1710. Vgl. Wendt: Die Anfänge des Breslauer Vereinswesens (Anm. 31), S. 273, mit Anm. 2. 37 Ebd. 38 Dazu die Anm. 31 zitierte Arbeit von Wendt. 39 Hier sei zur ersten Information wiederum nur verwiesen auf den Eintrag von Eberhard Schmidt in: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 22–29, mit weiterer Literatur. 40 Vgl. Dietmar Stutzer: Die Schlesische Landschaft als wirtschaftliche Epochenleistung und als vertane Chance des preußischen Staates.– In: Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 20 (1979), S. 132–149, mit Literaturhinweisen S. 149. 41 Abgedruckt in der Einleitung zu [Tschiener:] Meine Bemerkungen über den Entwurf zur Patriotischen Gesellschaft für Schlesien.– Breslau: Korn 1771, S. 2–6. Das vorgelegte Zitat S. 2. 42 Vgl. zu diesen hier nur eben anzudeutenden Zusammenhängen aus der reichen Literatur: Deutsche patriotische und gemeinnützige Gesellschaften. Hrsg. von Rudolf Vierhaus.– München: Kraus 1980 (Wolfenbütteler Forschungen; 8). Hier der wichtige einleitende Beitrag von Vierhaus: ›Patriotismus‹ – Begriff und Realität einer moralisch-politischen Haltung (S. 9–29). Der Band enthält keinen Beitrag zu den patriotischen Gesellschaften im Osten Deutschlands. Vgl. auch Hans Hubrig: Die patriotischen Gesellschaften des 18. Jahrhunderts.– Weinheim/Bergstraße: Beltz 1957. Auch hier ist von Schlesien nicht die Rede. Zum Kontext – freilich mit Schwerpunkt auf der Freimaurerei: Beförderer der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa. Freimaurer, Gesellschaften und Clubs. Hrsg. von Eva H. Balázs, Ludwig Hammermayer, Hans Wagner, Jerzy Wojtowicz. Redaktion Heinz Ischreyt.– Berlin: Camen 1979 (Studien zur Geschichte der Kulturbeziehungen in Mittel- und Osteuropa; 5). Schließlich sei verwiesen auf die schöne Abhandlung von Franz Schnabel: Der Ursprung

557

558

|  Anmerkungen

43 44 45 46

47

48

49

der vaterländischen Studien.– In: Blätter für deutsche Landesgeschichte N.F. 88 (1951), S. 4–27. Meine Bemerkungen (Anm. 41), S. 2 f. Ebd., S. 3. Ebd., S. 4 und S. 6. Vgl. zu ihr August Kahlert: Die patriotische Gesellschaft in Schlesien (1772–1791).– In: Übersicht der Arbeiten und Veränderungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur im Jahre 1848.– Breslau: Graß und Barth 1849, S. 219–228; Wendt: Die Anfänge des Breslauer Vereinswesens (Anm. 31), S. 273 f. Zu Felbiger vgl. außer den Angaben bei Kahlert, S. 221 f., auch Peter Baumgart: Johann Ignaz von Felbiger (1724–1788). Ein schlesischer Schulreformer der Aufklärung zwischen Preußen und Österreich.– In: Jahrbuch der Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau 31 (1990), S. 121–140; Ulrich Krömer: Johann Ignaz von Felbiger. Leben und Werk.– Freiburg, Basel, Wien: Herder 1966 (Untersuchungen zur Theologie der Seelsorge; 22). Vgl. auch den Eintrag von Franz Schubert in: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 69–73. So die Zusammenfassung bei August Kahlert: Geschichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Mit urkundlichen Beilagen.– In: Denkschrift zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens. Hrsg. von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.– Breslau: Max 1853, S. 1–46, S. 4. Vgl. auch Reiche: Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur, was will, was ist, was kann sie? Ein Vortrag, gehalten am 29. November 1844.– Breslau: Graß und Barth [s.a.]. Die Statuten der Gesellschaft wurden im Februar 1772 veröffentlicht: Statuten der unter Allergnädigsten Königl. Genehmigung von der Schlesischen Landschaft zur Aufnahme des Nahrungsstandes errichteten Patriotischen Societät. Vgl. Kahlert: Die patriotische Gesellschaft (Anm. 46), S. 220. Kahlert spricht von der »jetzt höchst seltenen Druckschrift« (ebd.). Ein Auszug erschien im September des gleichen Jahres unter dem Titel Umständliche Nachricht von der schlesisch=patriotischen Gesellschaft. Zugleich wurde die Herausgabe eines Periodikums angekündigt, verbunden mit dem Zusatz: »›Wir laden jeden ächten Patrioten ein, seine gemeinnützig erachteten Vorschläge, Nachrichten von glücklichen Versuchen, Erinnerungen und Erfahrungen aller Art, die auf das allgemeine Beste Bezug haben können, uns mitzutheilen.‹« (S. 221). Oekonomische Nachrichten der Patriotischen Gesellschaft in Schlesien. Band I–VII.– Breslau: Korn in Komm. 1773–1779. Der Patriotischen Gesellschaft in Schlesien neue Oekonomische Nachrichten auf das Jahr 1780 [–83]. Band I–V.– Breslau: Korn in Komm. 1780–1784. Vgl. Nentwig: Silesiaca (Anm. 3), S. 17 f.; Klawitter: Die Zeitungen (Anm. 5), S. 29, Nr. 45. Dazu Kahlert: Die patriotische Gesellschaft (Anm. 46): »Sie gehört zu den merkwürdigen literarischen Erscheinungen Schlesiens, und enthält Vieles, das in einer landwirthschaftlichen Zeitung nicht gesucht werden sollte« (S. 222 f.) – Indiz dafür, daß die Gesellschaft eben von Beginn an und in Koinzidenz mit den ›patriotischen‹ Sozietäten der Aufklärung weitergesteckte wissenschaftliche Ziele verfolgte. Die ersten drei Jahrgänge wurden im Übrigen von dem Landschaftssyndikus Tschiener redigiert, mit dessen ›Bemerkungen‹ (Anm. 41) wir unsere kleine Betrachtung eröffneten. Ab Band IV übernahm Immanuel Karl Heinrich Börner die Redaktion. Vgl. Kahlert, S. 223, S. 225. Zu den Beiträgern des Organs gleichfalls erhellend Kahlert, S. 223 u.ö. Das Blatt existierte bis 1784. Ein Jahr später waren die Schlesischen Provinzialblätter erstmals zu lesen!

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

50 Kahlert: Geschichte der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 47), S. 5. 51 Ebd. Vgl. auch Kahlert: Die patriotische Gesellschaft (Anm. 46), S. 226. 514 verschiedene Pflanzen wurden in dem Garten gezeigt, die nach den Lennéschen Klassen geordnet waren. Der Kupferstecher Strachowsky fertigte eine Abbildung. Zur Rolle Tauenziens und zur Auflösung der Gesellschaft vgl. Kahlert, S. 227 f. 52 Maßgebliche Darstellung bleibt die Anm. 47 zitierte Arbeit von Kahlert zur Geschichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. Sie ist Bestandteil einer großen Jubiläumsschrift, die hier nochmals aufgeführt sei: Denkschrift zur Feier ihres fünfzigjährigen Bestehens. Hrsg. von der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur.– Breslau: Max 1853. Die Gesellschaft konnte sich glücklich schätzen, in Kahlert einen mit der Gesellschaft seit ihren Anfängen bestens vertrauten Chronisten zu gewinnen. Die Arbeit von Gerber zehrt vor allem in den Anfangspassagen durchgehend von Kahlert, und das um so mehr, als dem Autor selbst noch im Jahr 1988 die in Breslau verwahrten Dokumente nicht bekannt waren. Vgl. Michael Rüdiger Gerber: Die Schlesische Gesellschaft für Vaterländische Cultur (1803–1945).– Sigmaringen: Thorbecke 1988 (Beihefte zum Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau; 9). Sehr wichtig für die Erkenntnis der Aktivitäten der Gesellschaft sind die beiden Kompilationen: Verzeichniss der in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von 1804 bis 1863 incl. enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphabetischer Folge.– Breslau: Grass und Barth 1868; Fortsetzung des Verzeichnisses der in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von 1864 bis 1876 incl. enthaltenen Aufsätze, geordnet nach den Verfassern in alphabetischer Folge.– Breslau: Grass und Barth 1878. Sodann: General-Sachregister der in den Schriften der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur von 1804 bis 1876 incl. enthaltenen Aufsätze geordnet in alphabetischer Reihenfolge.– Breslau: Grass und Barth 1878.– Auch zur Hundertjahrfeier erschien eine – nunmehr zweibändige – Jubiläumsschrift – Indiz für die Bedeutung, die sich die Gesellschaft im intellektuellen Leben von Stadt und Land bewahrte: Die Schlesische Gesellschaft für vaterländische Cultur. Band I: Die Hundertjahrfeier [der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur].– Band II: Kaufmann: Allgemeine Geschichte der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.– Breslau: Grass und Barth 1904. 53 Der Titel der erwähnten, in sieben Abschnitte und eine Beilage gegliederten Verlautbarung aus dem Jahr 1804: Organisations=Plan der von Sr. Excellenz, dem in Schlesien dirigirenden Geheimen Staats=Minister, Herrn Grafen von Hoym unter dem 22sten September 1804 approbirten Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens.– Breslau: Graß und Barth 1804. Ein Exemplar aus der Bernhardiner Bibliothek (8 R 1) und über sie aus der Stadtbibliothek (4 F 2341r, 1) im (unerschöpflichen) Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław unter der alten, von Heinrich Wendt vergebenen Signatur: Yv 1540/1. Vgl.: Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau.– Breslau: Morgenstern 1903. Hier das vorgelegte Zitat S. 3. 54 Ebd., S. 3 f. 55 Ebd., S. 4. 56 Ebd. S. 5 f. 57 Ebd., S. 4.

559

560

|  Anmerkungen

58 Zu Müller und Reiche vgl. die Einträge bei Gerber: Die Schlesische Gesellschaft (Anm. 52), S. 7, Anm. 27; S. 10, Anm. 36. Dazu die ausführlichen Informationen bei Nowack: Schlesisches Schriftsteller-Lexikon (Anm. 27), Band IV (1840), S. 96–106; S. 112–128. 59 Zwey Reden, gehalten von dem Regiments=Quartiermeister Müller und dem Professor Reiche, bey der ersten Feyer des Stiftungstages der Gesellschaft zur Bestimmung der Naturkünste und Jndustrie Schlesiens, am 17ten December 1804.– Breslau: Graß und Barth [s.a.]. Exemplar im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław Yv 1540/2. Das vorgelegte Zitat hier S. 4. 60 Ebd. 61 Ebd., S. 4 f. 62 Ebd., S. 5 f. 63 Ebd., S. 6. 64 Ebd., S. 7. 65 Ebd., S. 37, S. 38 f. 66 Ebd., S. 48. 67 Vgl. Bulletin der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens, vom 17. Dezember bis zum 18. Januar 1805. Ehemalige Signatur in der Bernhardiner Bibliothek 8 R 1.4 und nachfolgend in der Stadtbibliothek 4 F 2341,1. Jetzige Signatur im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett: 25135I.– Verhandlungen der Gesellschaft zur Beförderung der Naturkunde und Industrie Schlesiens. 1.. Band, 1. Heft.– Breslau: Graß und Barth 1806 (gleichfalls unter der obigen Signatur). Das erste Heft des zweiten Bandes erschien 1807, wurde ebenfalls – aus der Bernhardiner-Bibliothek herrührend – in der Stadtbibliothek verwahrt (4 F 2314/2) und ist heute unter der obigen Signatur in der BU Wrocław einzusehen. 68 Vgl. Reinhard Koselleck: Kritik und Krise. Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt.– Freiburg: Alber 1959. 2. Aufl. mit einem Vorwort zur Taschenbuchausgabe.– Frankfurt/Main: Suhrkamp 1973 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft; 36). 69 Vgl. zum Vorgetragenen Kahlert: Geschichte der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 47), S. 8 f. 70 Ebd., S. 10. 71 Constitution der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.– Breslau: Grass und Barth 1810. Exemplar aus der Breslauer Stadtbibliothek unter der alten Signatur 4 F 2341r, 3 im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett der BU Wrocław. Hier das vorgelegte Zitat S. 5. 72 Die Sektionen mit ihren Mitgliedern aufgeführt bei Gerber: Die Schlesische Gesellschaft (Anm. 52), S. 29–74, S. 86–98. Vgl. auch Kahlert: Geschichte der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 47), S. 26 ff.: Die Sektionen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur. 73 Die Gesellschaft geriet mit dieser Entscheidung in ausgesprochenen Gegensatz zu späteren Stimmen. Gustav Adolf Harald Stenzel, erste Sachautorität, war sogleich mit einer wenig sympathischen Kritik zur Stelle. Vgl. seinen Beitrag in der Literarischen Beilage der Schlesischen Provinzialblätter des Jahres 1824, S. 353–379. Auch der so verdienstvolle Chronist Kahlert meinte, sein Urteil abgeben zu müssen. »Das Buch ist nichts als Compilation von einigen tausend Büchertiteln, ohne eine Spur von Kritik, und daher nur wenig brauchbar. Man scheint, indem man ihm dennoch den Preis zuerkannte, nur den Zweck der Aufmunterung vor Augen gehabt zu haben, ohne damit der Sache zu nützen.« (Geschichte der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 47), S. 38, Anm. 17). Unsere wiederholte Konsultation des

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

74

75

76

77

reichhaltigen Werkes von Thomas dürfte zur Genüge gezeigt haben, wie unzutreffend und ungerecht auch diese Bemerkung ist. Jahrbücher der Stadt Breslau von Nikolaus Pol. Zum erstenmale aus dessen eigener Handschrift herausgegeben von Dr. Johann Gustav Büsching, Königlichem Archivare zu Breslau. Band I–III.– Breslau: Graß und Barth [Band I und II], Korn [Band III] 1813–1819 (Zeitbücher der Schlesier. Hrsg. von Dr. Johann Gustav Büsching; 1.2.3); Band IV–V [Band IV zusammen mit J.G. Kunisch].– Breslau: Auf Kosten des Vereins für Schlesische Geschichte und Alterthümer 1823–1824. In der ›Vorrede‹ zum ersten Band von Büsching heißt es: »Schlesien ist nicht arm an Zeitbüchern, welche für Forscher und Freunde der Geschichte von großer Wichtigkeit sind. Mehre derselben waren den Geschichtschreibern wohl zugänglich und wurden eifrig von ihnen benutzt, aber mancherlei blieb noch ungebraucht, da es dem nächsten Zwecke der verschiedenen Verfasser nicht entsprach, obgleich es für die Sitten=, Bildungs=, Kunst=Geschichte u.s.w. des Landes Schlesien von bedeutender Merkwürdigkeit war. Aus dieser Hinsicht, und aus dem Wunsche das Durchforschen der Quellen, welches in der Geschichte jegliches Landes von hoher Wichtigkeit ist, zu begründen, ist mit dem vorliegenden Werke und zwar mit den Zeitbüchern Breslau’s, der Anfang gemacht worden, da die Hauptstadt des Landes wohl in jeglicher Hinsicht der Mittelpunkt ist, aus dem die Betrachtung des Ganzen ausgeht, und daher schließt sich an diesen gemeinsamen Mittelpunkt auch so manches andere an, was die benachbarten Städte oder das ganze Land betrift.« (S. V). Peter Eschenloer’s, Stadtschreibers zu Breslau, Geschichten der Stadt Breslau, oder Denkwürdigkeiten seiner Zeit vom Jahre 1440 bis 1479. Zum erstenmal aus der Handschrift herausgegeben von Dr. J[ohann]. G[ottlieb]. Kunisch. Band I–II.– Breslau: Max 1827–1828. Vgl. dazu Gunhild Roth: Schlesische Geschichte in der ›Geschichte der Stadt Breslau‹ des Peter Eschenloer. Der Chronist als Berichterstatter, Kommentator und Interpret.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 42–44 (2002–2003), S. 49–59. Der Titel: Lieben Lust und Leben der Deutschen des sechzehnten Jahrhunderts, in den Begebenheiten des Schlesischen Ritters Hans von Schweinichen, von ihm selbst aufgesetzt. Band I–III.– Breslau: Max 1820–1823. Hinter der Publikation stand – wie hinter den beiden letzten Bänden der Polschen ›Jahrbücher‹ – der von Büsching ins Leben gerufene Verein für Geschichte und Alterthümer Schlesiens, von dem wir im Zuge der den Ausstellungen gewidmeten Aktivitäten hören werden. Zum Kontext: Büsching: Aufforderung zur Unterstützung der Herausgabe einer Sammlung Altschlesischer Denkmahle der Geschichte und Kunst.– In: Schlesische Provinzialblätter 68 (1818), S. 411–416. Zu Stenzel vgl. die Biographie seines Sohnes Karl Gustav Wilhelm Stenzel: Gustav Adolf Harald Stenzels Leben.– Gotha: Perthes 1897. Dazu der wie immer sehr gehaltreiche Beitrag von Hermann Markgraf: Gustav Adolf Harald Stenzels Wirksamkeit und Bedeutung für die schlesische Geschichtsschreibung.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 26 (1892), S. 395–417. Hinzuzunehmen der Eintrag von E. Reimann in der ADB XXXVI (1893), S. 53–57, sowie von Felix Rachfahl in: Schlesische Lebensbilder 1 (1922), S. 298–305. Vgl. von Rachfahl auch: Gustav Adolf Heinrich Stenzel.– In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 11 (1898), S. 1–31. Zum Kontext vgl. Josef Joachim Menzel: Die Anfänge der kritischen Geschichtsforschung in Schlesien zu Beginn des 19. Jahrhunderts.– In: Festschrift Ludwig Petry. Hrsg. von Johannes

561

562

|  Anmerkungen

Bärmann, Alois Gerlich. Teil II.– Wiesbaden: Steiner 1969 (Geschichtliche Landeskunde; 5/2), S. 245–267. 78 Vgl. Silesiacarum Rerum Scriptores Aliquot Adhuc Inediti. […] Ed. Friedrich Wilhelm de Sommersberg. Vol. I–III.– Leipzig: Hubert 1729–1732. 79 Gustav Adolf Harald Stenzel: Ueber das Wesen und die Behandlung der Schlesischen Geschichte.– In: Schlesische Provinzialblätter 97 (1833), S. 3–14; ders.: Wie kann die Schlesische Geschichts-Kunde zweckmässig befördert werden.– In: ebd., S. 191–201. 80 Scriptores Rerum Silesiacarum Oder Sammlung Schlesischer Geschichtschreiber. Namens der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur herausgegeben von Dr. Gustav Adolf Stenzel. Band I–II.– Breslau: Max 1835–1839. Die Titel mit Inhaltsangabe u. a. aufgeführt bei Viktor Loewe: Bibliographie der Schlesischen Geschichte.– Breslau: Priebatsch 1927 (Schlesische Bibliographie; 1), S. 24, Nr. 316 und 317. Insgesamt erschienen in den Jahren 1835 bis 1902 17 Bände. Hinzutraten Einzelschriften. 81 Vgl. zum Kontext etwa: Geschichtswissenschaft und Vereinswesen im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Hartmut Boockmann, Arnold Esch, Hermann Heimpel, Thomas Nipperdey, Heinricht Schmidt.– Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte; 1). 82 Vgl. Aufforderung zur Bildung eines Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens.– In: Schlesische Provinzialblätter 120 (1844), S. 417–421, S. 417. 83 Vgl. in diesem Zusammenhang die in Anm. 92 aufgeführte Literatur. 84 Aufforderung (Anm. 82), S. 418. 85 Ebd. 86 Ebd., S. 419. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 Ebd., S. 420. 90 Vgl. den Bericht aus den Fächern ›Wissenschaft, Literatur und Kunst‹ von Stenzel in: Schlesische Provinzialblätter 121 (1845), S. 102 f. Hier die vorgelegten Zitate. 91 Vgl. die interessanten Nachrichten in der Rubrik ›Wünsche, Anfragen und Mittheilungen über Gegenstände von provinziellem Interesse‹ und speziell unter dem Titel ›Der Verein für Erforschung der schlesischen Geschichte‹.– In: Schlesische Provinzialblätter 122 (1845), S. 625–628. 92 Die maßgebliche Darstellung stammt von seinem langjährigen Mitglied Hermann Markgraf: Der Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens in den ersten 50 Jahren seines Bestehens. Mit den Bildern der fünf Präsiden in Radirungen von H. Wolff.– Breslau: Max 1896. Darauf basierend und in die jüngere Zeit fortgeführt: Johannes Schellakowsky: ›Soll aber Schlesien noch länger zurückbleiben?‹ Zur Gründungsgeschichte und weiteren Entwicklung des Vereins für Geschichte Schlesiens bis 1945.– In: 150 Jahre Verein für Geschichte Schlesiens. Hrsg. von Johannes Schellakowsky, Ulrich Schmilewski.– Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 1996, S. 9–58. Zum Kontext sei nochmals verwiesen auf die wichtige Abhandlung von Markgraf: Die Entwicklung der schlesischen Geschichtsschreibung.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 22 (1888), S. 1–24. Wiederabgedruckt in: Markgraf: Kleine Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus.– Breslau: Morgenstern 1915 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 12), S. 1–29. Jetzt in weitgespanntem Rahmen: Norbert Kersken:

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

Historiographiegeschichte.– In: Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft. Hrsg. von Joachim Bahlcke.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte; 11), S. 93–124. 93 Markgraf: Der Verein (Anm. 92), S. 18, unter Rückgriff auf den Bericht Stenzels zur Gründung des Vereins in: Schlesische Provinzialblätter 124 (1846), S. 194–196, innerhalb der Rubrik ›Wissenschaft, Literatur und Kunst‹. Vgl. auch den Bericht in der nämlichen Rubrik, S. 517–518. 94 Ebd., S. 22. 95 Vgl. den Eintrag zu Paritius bei Garber: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 4), S. 124 f., sowie oben S. 357 ff. 96 Samuel Benjamin Klose’s Darstellung der inneren Verhältnisse der Stadt Breslau vom Jahre 1458 bis zum Jahre 1526. Hrsg. von Gustav Adolf Stenzel.– Breslau: Max 1847 (Scriptores Rerum Silesiacarum; 3). 97 Vgl. die Personenverzeichnisse bei Markgraf: Der Verein (Anm. 92), S. 50–52, sowie in: 150 Jahre (Anm. 92), S. 77–92. 98 Von dem Codex Diplomaticus Silesiae erschienen zwischen 1857 und 1933 36 Bände; von den Acta Publica. Verhandlungen und Correspondenzen der schlesischen Fürsten und Stände 1618–1629 zwischen 1865 und 1906 acht Bände. 99 Hier hieß es aus der Feder des Herausgebers Richard Roepell: »Schon der Stifter unseres Vereins, dessen Andenken wir diese Blätter gewidmet haben, hatte gleich von vornherein auch die Herausgabe einer Zeitschrift für die Zwecke des Vereins in’s Auge gefaßt; allein an der Ausführung hinderten ihn wohl theils die allgemeinen Zeitverhältnisse, theils die vielseitigen literarischen Arbeiten, welche er in den letzten sieben Jahren seines Lebens vollendet hat. Denn außer den drei Quartbänden Quellenschriften zur Geschichte Schlesiens, die er auf Kosten und im Namen unseres Vereins herausgab, schrieb er in diesen Jahren nicht nur eine schlesische, sondern auch den vierten und fünften Band seiner preußischen Geschichte, und hinterließ uns endlich noch die druckfertige Bearbeitung des Gründungsbuches von Heinrichau; ein Vermächtnis gleichsam seiner stets sich gleichbleibenden Liebe für die Geschichte dieses Landes, für deren Erforschung und Bearbeitung von ihm eine neue Epoche datirt.« (S. V). 100 Zwischen 1855/56 und 1943 erschienen 77 Bände der ›Zeitschrift‹. Von den später gegründeten Schlesischen Geschichtsblättern erschienen zwischen 1908 und 1943 34 Nummern. Vgl. die verdienstvolle Zusammenstellung der Publikationen: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 1855–1943. Schlesische Geschichtsblätter 1908–1943. Gesamtinhaltsverzeichnis. Bearb. von Wolfgang Kessler.– Hannover: Stiftung Schlesien 1984 (Schlesische Kulturpflege; 1). Hier ein eingehendes Vorwort zur Geschichte des Vereins und seiner Veröffentlichungen, S. V–XXII. Zur Zeitschrift selbst vgl. auch den Beitrag von Ernst Maetschke: Die Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 1855–1905.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907), S. 1–16. 101 Zu den Personen in der philologischen Sektion vgl. Gerber: Die Schlesische Gesellschaft (Anm. 52), S. 66 f. mit den entsprechenden Anmerkungen.

563

564

|  Anmerkungen

102 Auch zur Sektion für die neuere Philologie vgl. den Eintrag mit den entsprechenden personenkundlichen Daten in den Anmerkungen bei Gerber (Anm. 52), S. 69–71. 103 Vgl. dazu Uwe Meves: Die Institutionalisierung der Germanistik als akademisches Fach an den Universitätsneugründungen in Preussen.– In: ders.: Ausgewählte Beiträge zur Geschichte der Germanistik und des Deutschunterrichts im 19. und 20. Jahrhundert.– Hildesheim: Weidmann 2004 (Spolia Berolinensia; 24), S. 335–368. Hier S. 336 ff.: Die Anfänge in Berlin und Breslau (1810–1817). Vgl. des Weiteren das exzellente Breslau-Kapitel von Jörg Jochen Müller (d.i. Jörg Jochen Berns), in: Germanistik und deutsche Nation 1806–1848. 2. Aufl. Hrsg. von Jörg Jochen Berns.– Stuttgart: Metzler 2000, S. 5–112: Germanistik – eine Form bürgerlicher Opposition. Hier zu Breslau S. 88–92. Vgl. schließlich aus der älteren Literatur auch Theodor Siebs: Zur geschichte der germanistischen studien in Breslau.– In: Zeitschrift für Deutsche Philologie 43 (1911), S. 202–234. Zum Kontext: Von der gelehrten zur disziplinären Gemeinschaft. Hrsg. von Jürgen Fohrmann, Wilhelm Voßkamp.– Stuttgart: Metzler 1987 (Sonderheft der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte); Jürgen Fohrmann: Das Projekt der deutschen Literaturgeschichte. Entstehung und Scheitern einer nationalen Poesiegeschichtsschreibung zwischen Humanismus und Deutschem Kaiserreich.– Stuttgart: Metzler 1989; Wissenschaft und Nation. Studien zur Entstehungsgeschichte der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. von Jürgen Fohrmann, Wilhelm Voßkamp.– München: Fink 1991; Wissenschaftsgeschichte der Germanistik im 19. Jahrhundert. Hrsg. von Jürgen Fohrmann, Wilhelm Voßkamp.– Stuttgart: Metzler 1994. 104 Zu Büsching liegt inzwischen die lange erhoffte Monographie vor: Marek Hałub: Johann Gustav Gottlieb Büsching 1793–1829. Ein Beitrag zur Begründung der schlesischen Kulturgeschichte.– Wrocław: Wydawnictwo Universytetu Wrocławskiego 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis; 1978). Vgl. von Hałub auch: Der Breslauer Frühgermanist J.G.G. Büsching als Fortsetzer der literarhistorischen Mittelalterrezeption des 18. Jahrhunderts.– In: Aufklärung in Schlesien im europäischen Spannungsfeld. Traditionen – Diskurse – Wirkungen. Hrsg. von Wojciech Kunicki.– Wrocław: Wydawnictwo Uniwersytetu Wrocławskiego 1996 (Acta Universitatis Wratislaviensis; 1757), S. 249–258. Vgl. zu Büsching auch den Beitrag von Hans Jessen in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 288–302 (mit reicher Literatur), sowie das Porträt von Hans Seger in: Altschlesien 2 (1929), S. 169–180. Verwiesen sei auch auf die Einträge im Internationalen Germanistenlexikon (2003), hrsg. von Christoph König, Band I, S. 293–296, und in der zweiten Auflage von Killys Literatur Lexikon, Band II (2008), S. 287 f., gleichfalls mit weiterer Literatur. Schließlich sei die Aufmerksamkeit gelenkt auf ein hochinteressantes epistolarisches Vermächtnis: Aus der Frühzeit der Germanistik. Die Briefe Johann Gustav Büschings und Friedrich Heinrich von der Hagens an Goethe. Hrsg. von Max Hecker.– In: Jahrbuch der Goethe-Gesellschaft 15 (1929), S. 100–179. 105 Zu von der Hagen umfassend und grundlegend Eckhard Grunewald: Friedrich Heinrich von der Hagen 1780–1856. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Germanistik.– Berlin, New York: de Gruyter 1988 (Studia Linguistica Germanica; 23) (mit einem knapp 500 Titel umfassenden Literaturverzeichnis!). Vgl. auch Uwe Meves: Zur Einrichtung der ersten Professur für deutsche Sprache an der Berliner Universität (1810).– In: Zeitschrift für deutsche Philologie 104 (1985), S. 161–184. Vorangegangen war die vielfach beachtete Studie von Lutz Mackensen: Breslaus erster Germanist.– In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität 3 (1958), S. 24–38. Vgl. auch das Porträt von der Hagens

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

aus der Feder wiederum von Hans Jessen in: Schlesische Lebensbilder 4 (1931), S. 280–288, sowie die Einträge im Internationalen Germanistenlexikon (2003), Band II, S. 647–650, und in der zweiten Auflage von Killys Literatur Lexikon, Band IV (2009), S. 595 f., jeweils mit weiterer Literatur. 106 Zitiert bei Grunewald (Anm. 105), S. 20. 107 Friedrich Heinrich von der Hagen, Johann Gustav Büsching: Literarischer Grundriß zur Geschichte der Deutschen Poesie von der ältesten Zeit bis in das sechzehnte Jahrhundert.– Berlin: Duncker und Humblot 1812. 108 Ebd., S. V. 109 Ebd., S. IV. 110 Grunewald: Von der Hagen (Anm. 105), S. 21. 111 Constitution der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 71), S. 5. 112 Correspondenzblatt der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Jahrgang I–VI.– Breslau: Korn 1810–1815; Correspondenz der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur, Band I, Heft 1–4; Band II, Heft 1.– Breslau: Korn 1819–1820. Vgl. die Einträge bei Nentwig: Silesiaca (Anm. 3), S. 19, sowie bei Klawitter: Die Zeitungen (Anm. 5), S. 40, Nr. 133. 113 Der ohnehin schon unglückliche Titel des Periodikums war verbunden mit einem Zusatz: ›Zur Kenntnißnahme für sämmtliche einheimische und auswärtige wirkliche Herrn Mitglieder der genannten Gesellschaft‹. Immerhin kamen 26 Jahrgänge zwischen 1824 und 1849 zustande, die von 1825 bis 1850 bei Grass und Barth erschienen. Vgl. die ausführlichen Einträge bei Nentwig: Silesiaca (Anm. 3), S. 19, sowie bei Klawitter: Die Zeitungen (Anm. 5), S. 47, Nr. 181. 114 Vgl. die genaue Spezifikation unter dem Titel ›Die Hauptserienschrift der Schlesischen Gesellschaft‹ bei Gerber: Die Schlesische Gesellschaft (Anm. 52), S. 77–81. Hier auch eine 2. Abteilung mit der Aufführung der ›Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft‹, S. 81 f., sowie eine dritte mit den ›Veröffentlichungen einzelner Sektionen‹, S. 82 f. Vgl. auch neben den entsprechenden Einträgen bei Nentwig und Klawitter die die Gesellschaft und ihre Veröffentlichungen betreffende Dokumentation bei Wendt: Die Druckschriften der Stadt Breslau (Anm. 63), S. 378–381. 115 Zitiert in: Übersicht der Arbeiten und Veränderungen der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur im Jahre 1825 (Breslau 1826), S. 15. 116 Vgl. Oeffentlicher Aktus der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur gehalten den 19ten December 1810 zur Feyer ihres Stiftungsfestes.– Breslau: Graß und Barth [s.a.]. Exemplar aus der Bernhardiner Bibliothek in die Stadtbibliothek gelangt (4 F 2341r), von dort übergegangen in die Sammlung der auf Breslau bezogenen Druckschriften (Yv 1540/9, vgl. Wendt: Katalog, S. 379) und heute im Schlesisch-Lausitzischen Kabinett. Hierin der Festbeitrag von Rhode: Über die Tendenz des Zeitgeistes mit Beziehung auf die Zwecke unserer Gesellschaft, S. 6–22. 117 Constitution der Schlesischen Gesellschaft (Anm. 71), S. 13. 118 Zitiert nach der wichtigen Abhandlung von Hans Seger: Geschichte des ehemaligen Museums schlesischer Altertümer.– In: Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer 1 (1900), S. 1–24, S. 13. 119 Büsching: Nachricht von der Breslauer Gemähldesammlung. Ein Beytrag zur schlesischen Kunstgeschichte.– In: Deutsches Museum. Hrsg. von Friedrich Schlegel. Band II.– Wien:

565

566

|  Anmerkungen

Camesinasche Buchhandlung 1812. Reprint mit einem Nachwort zur Neuausgabe von Ernst Behler.– Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1975, S. 39–59. 120 Ebd., S. 39. 121 Ebd., S. 40. 122 Ebd., S. 50. 123 Ebd., S. 51. 124 Ebd., S. 52. 125 Ebd., S. 53. 126 Ebd., S. 55. 127 Ebd., S. 56. 128 Ebd., S. 59. 129 Vgl. zum Vorgetragenen und zum Folgenden neben der in Anm. 118 zitierten Arbeit von Seger auch Bernhard von Prittwitz: Geschichte der Gemälde=Galerie im Ständehause.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 3 (1881), S. 169–179 (= 35. Bericht, Mai 1877); S. 200–224 (= 36. Bericht, August 1877) (unter dem Titel: Aus dem Kunst= und Antikencabinet der Kgl. Universität zu Breslau); S. 233–243 (= 37. Bericht, Januar 1878) (unter dem Titel: Eigenthum der Stadt Breslau in der Gallerie. A. Die von Saebisch-Hubrich’sche Sammlung); S. 281–295 (= 38. Bericht, Mai 1878) (unter dem Titel: Das Museum schlesischer Alterthümer). Vgl. auch die ergiebige Miszelle.– In: Deutsches Kunstblatt 5 (1854), S. 300 f.– Hier ist zunächst vor allem zu rekurrieren auf den zweiten Teil der vierteiligen Folge des Beitrags von von Prittwitz, der den Büschingschen Aktivitäten gewidmet ist. Vgl. zum ganzen auch August Kahlert: Die Kunstausstellungen Breslaus seit fünf und zwanzig Jahren. Ein Rückblick am Dürerfeste 1843.– Breslau: Freund 1843; Theodor Oelsner: Breslau’s Kunstausstellungen fünfzig Jahre. Vom Keim durch Blüthenstürme der Frucht entgegen.– In: Schlesische Provinzialblätterr 71 / N.F. 6 (1867), S. 293–301. Interessant im vorliegenden Zusammenhang auch Hans Tintelnot: Kunstforschung in Breslau.– In: Zeitschrift für Ostforschung 2 (1953), S. 491–506. 130 Büsching: Ansicht der von der Schlesischen vaterländischen Gesellschaft bezweckten jährlichen Kunst=Ausstellung.– In: Schlesische Provinzialblätter 67 ( Januar bis Juni 1818), S. 493–500, S. 493. 131 Ebd., S. 499. 132 Ebd., S. 500. Wir verzichten darauf, die Rede, die von Professor Henrich Steffens anläßlich der Ausstellung gehalten wurde, in unsere Betrachtung einzubeziehen. Vgl. ›Ansicht und Zweck der Breslauer Kunstausstellungen‹.– In: Schlesische Provinzialblätter 68 ( Juli bis Dezember 1818), S. 18–29. 133 Vgl. z. B. die Berichte in: Schlesische Provinzialblätter 69 ( Januar bis Juni 1819), S. 536–552; 70 ( Juli bis Dezember 1819), S. 37–53; 71 ( Januar bis Juni 1820), S. 513–529; 72 ( Juli bis Dezember 1820), S. 18–32, S. 153–159 (Büsching); 73 ( Januar bis Juni 1821), S. 454 f. (Büsching); 74 ( Juli bis Dezember 1821), S. 16–22 (Bekanntmachung, den Ausfall der diesjährigen Kunst=Ausstellung betreffend, Büsching); 76 ( Juli bis Dezember 1822), S. 12–18 (Büsching); 78 ( Juli bis Dezember 1823), S. 54–61 (Büsching); 79 ( Januar bis Juni 1824), S. 526–528; 80 ( Juli bis Dezember 1824), S. 66–79 (Büsching); 81 ( Januar bis Juni 1825), S. 595–605; 82 ( Juli bis Dezember 1825), S. 123–133, S. 146–151; 86 ( Juli bis Dezember 1827), S. 346–351, S. 470–478 (für die Jahre 1826 und 1827). Den Schlußstrich zog Büsching in einem wiederum höchst lesenswerten Beitrag im Jahr 1827: Was hat die Kunstausstellung der Schlesischen vaterl. Gesellschaft seit

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

10 Jahren geleistet. (Vorgelesen in der allgem. Sitzung der Schlesischen vaterl. Gesellsch. am 30. Novbr.) In: Schlesische Provinzialblätter 86 ( Juli bis Dezember 1827), S. 525–547.– Die Büschingschen Beiträge auch in dem hervorragend gearbeiteten ›Werkverzeichnis‹ bei Hałub: Büsching (Anm. 104), S. 166–187. 134 ›Kunstausstellung in Breslau‹.– In: Schlesische Provinzialblätter 71 ( Januar bis Juni 1820), S. 513–529, S. 513 f. Die Fortsetzung erschien in Band 72 ( Juli bis Dezember 1820), S. 18–32. Hier S. 153–159 auch ein Beitrag von Büsching. Vgl. auch F. von Röder: Bericht über die letzte Kunst=Ausstellung in der Gesellschaft zur Beförderung der vaterländischen Kultur.– In: Correspondenz der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Cultur (1820), S. 146–154. 135 Dringender Wunsch in bezug auf eine Kunstausstellung.– In: Schlesische Provinzialblätter 83 (1826), S. 273–278, S. 273 f. 136 Vgl. Schlesische Provinzialblätter 82 ( Juli bis Dezember 1825), S. 475 f. Zum Kontext: Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Breslauer Künstlerverein im Jahre 1829. 1. Rede am zweiten Stiftungsfeste.– In: Monatsschrift von und für Schlesien 1829, S. 394–404. 137 Vgl. Schlesische Provinzialblätter 86 ( Juli bis Dezember 1827), S. 383 f. 138 Bericht über die Kunst=Ausstellung im Jahre 1828.– In: Schlesische Provinzialblätter 88 ( Juli bis Dezember 1828), S. 596–602. 139 Zitiert bei Hałub: Büsching (Anm. 104), S. 60. 140 Vgl. von Prittwitz: Geschichte der Gemälde-Galerie (Anm. 129), S. 220 f. 141 Zurückverwiesen sei nochmals auf den ersten Beitrag der aus der Feder von von Prittwitz herrührenden vierteiligen Abhandlung, die in Anm. 129 zitiert wurde. Vgl. zum folgenden auch Ebers: Über die Bildung eines freien Kunstvereins in Schlesien.– In: Schlesische Provinzialblätter 96 ( Juli bis Dezember 1832), S. 413–425, S. 499–512; ders.: Schlesischer Kunst=Verein.– In: Schlesische Provinzialblätter 97 ( Januar bis Juni 1833), S. 507–514; hier S. 509–514: Statut des Kunst=Vereins für Schlesien. 142 Ebers: Über die Bildung, S. 500. 143 Ebd., S. 507. 144 Erst viel später kam die Gründung eines Vereins für Bildende Künste zustande. Vgl. dazu die beiden einschlägigen Jubiläumsbände von Robert Becker: Der Verein für Geschichte der bildenden Künste zu Breslau 1862–1912. Ein Beitrag zur Geschichte des geistigen Lebens in Breslau.– Breslau: Korn 1912; ders.: Die Halbjahrhundertfeier des Vereins für Geschichte der bildenden Künste zu Breslau. Nachtrag zur Geschichte des Vereins 1862–1912.– Breslau: Korn 1913. Vgl. auch Jakob Caro: Festrede zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum des Vereins für Geschichte der bildenden Künste in Breslau gehalten am 10. December 1887.– Breslau 1888. Des weiteren: Statuten des Vereins für Geschichte der bildenden Künste zu Breslau.– Breslau: Nischkowsky 1874. 145 Katalog der Bilder-Galerie im Ständehause zu Breslau. 3., verm. Ausgabe.– Breslau: Korn 1863. 146 Vgl. das Kapitel ›Staatseigenthum in der Gallerie‹ bei von Prittwitz: Geschichte der GemäldeGalerie (Anm. 129), S. 173–179. Hinzuzunehmen die Kapitel ›Aus dem Kunst= und Antikencabinett der Kgl. Universität zu Breslau‹, S. 201–224, insbes. S. 222 f., sowie ›Eigenthum der Stadt Breslau in der Gallerie‹, S. 233–241. Behandelt werden in dem letzteren die Saebisch-Hubrich’sche Sammlung, die Rhedigersche Sammlung und aus anderen Quellen herrührendes städtisches Eigentum. Es schließt sich an ein Kapitel zum ›Eigenthum der

567

568

|  Anmerkungen

schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur in der Gallerie‹, S. 241 f., sowie ein weiteres zum ›Eigenthum des Kunstvereins in der Gallerie‹, S. 242 f. 147 Vgl. von Prittwitz: Geschichte der Gemälde-Galerie (Anm. 129), S. 222 f.; Seger: Geschichte des ehemaligen Museums (Anm. 118), S. 16. 148 Zu den Kunstschätzen in St. Maria Magdalena vgl. außer der oben in Anm. 129 zitierten Arbeit von von Prittiwitz auch Johann Caspar Friedrich Manso: Ueber die Gemählde=Sammlung zu Maria Magdalena. Programm Gymnasium Magdaleneum 1819. Vor allem über diese Kollektion kamen zusätzlich auch die reichen Bestände an Kupferstichen aus der SaebischHubrigschen Sammlung in die nachmaligen öffentlichen Sammlungen. Vgl. Max Lehrs: Die Kupferstichsammlung der Stadt Breslau.– In: Jahrbuch der Königlich Preussischen Kunstsammlungen 3 (1882), S. 210–223. 149 Von Prittwitz: Geschichte der Gemälde-Galerie (Anm. 129), S. 237. 150 Vgl. Bericht des geschäftsführenden Ausschusses für Errichtung eines Museums der bildenden Künste zu Breslau.– Breslau 1870; Theodor Oelsner: Zum Provinzial-Kunst-, Alterthum- und Gewerbe-Zukunftmuseum.– In: Rübezahl. Schlesische Provinzialblätter 76 / N.F. 11 (1872), S. 351–353 (mit Lageplänen). Des weiteren die wichtige Denkschrift: Die Gründung und die Ziele des Schlesischen Museums der bildenden Künste. Einladungsschrift des Curatoriums.– Breslau 1880. Dazu die ansprechende Abhandlung von Hermann Prell: Fresken im Treppenhause des Schlesischen Museums für bildende Künste zu Breslau.– Berlin: Verlag der Vereinigung der Kunstfreunde für amtliche Publikationen der Königl. National-Galerie 1895. 151 Verwiesen sei nochmals auf die Anm. 118 zitierte Abhandlung Segers sowie auf den vierten Teil der Anm. 129 zitierten Abhandlung von von Prittwitz, die den Titel führt: Das Museum schlesischer Alterthümer, S. 281–295. Vgl. auch den einleitenden Abschnitt ›Der Büsching’sche Verein‹ bei Markgraf: Der Verein (Anm. 92), S. 3–11. 152 Von Prittwitz: Das Museum (Anm. 129), S. 281. 153 Vgl. insbesondere von Büsching: Der Verein zur Herausgabe Altschlesischer Denkmähler der Geschichte und Kunst.– In: Schlesische Provinzialblätter 69 ( Januar bis Juni 1819), S. 317–319; ders.: Der Verein für Schlesische Geschichte und Alterthümer.– In: Schlesische Provinzialblätter 74 ( Juli bis Dezember 1821), S. 445–449; Vorläufiger Bericht über den Verein für Schlesische Geschichte im Jahr 1822.– In: Schlesische Provinzialblätter 78 ( Juli bis Dezember 1823), S. 38–41. 154 Vgl. Blätter für die gesammte Schlesische Alterthumskunde. Aus den Papieren und Verhandlungen der Alterthümersammlung der Breslauer Hochschule gezogen von Büsching. Heft 1–6.– Breslau: Holäufer 1820–1822. 155 Seger: Geschichte des ehemaligen Museums (Anm. 118), S. 15. 156 Zu Luchs vgl. Colmar Grünhagen: Hermann Luchs.– In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 22 (1888), S. 356–360; Paul Knötel: Hermann Luchs.– In: Schlesische Lebensbilder 2 (1926), S. 282–285. Vgl. auch den Nachruf auf Luchs zu Beginn des 63. Berichts aus dem Jahr 1887 in der unten Anm. 160 aufgeführten Zeitschrift des Vereins. 157 Vgl. Statuten des Vereins zur Errichtung und Erhaltung eines Museums für schlesische Alterthümer.– Breslau: Rischkowsky 1858. 2. Aufl. Breslau 1876. Vgl. auch den ›Ersten Bericht des Vereins zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer. Ausgegeben im Juli 1859‹ in dem erstmals 1870 komplett vorliegenden ersten Band der unten Anm. 160

10. Alteuropäisches Erbe und Wege in die Moderne  |

aufgeführten neuen Zeitschrift. Hier S. 3–6 ein ›Allgemeiner Bericht über die bisherige Thätigkeit des Vereins‹, speziell S. 5: ›Aus den Statuten‹ des Vereins. Hier auch S. 7–15 ein detaillierter ›Commissionsbericht über die von dem Verein zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer vom 29. August bis 10. Oct. 1858 in dem Lokal der vaterländischen Gesellschaft veranstaltete Ausstellung von schlesischen Alterthümern‹.– Zum Museum selbst vgl. die oben Anm. 150 zitierten Arbeiten. 158 Vgl. Vorläufiger Katalog für die Ausstellung schlesischer Alterthümer im Börsengebäude.– Breslau 1858. 2. verb. und verm. Aufl.– Breslau 1858. Dazu in dem oben Anm. 157 zitierten ›Ersten Bericht‹ die Beilage b mit einem ›Nachtrag zum Ausstellungs-Kataloge‹ S. 16–19 und Beilage c, S. 19 f., ein Verzeichnis mit den Namen der Aussteller. Knapp 300 Nummern weist sodann ein sich anschließendes Verzeichnis der dem Verein geschenkten bzw. ihm leihweise überlassenen Gegenstände aus. 159 Vgl. Verzeichnis des Museums schlesischer Altertümer zu Breslau. Breslau: 1863. 2. Aufl. 1872. 160 Vgl. Erster Bericht des Vereins zur Errichtung eines Museums für schlesische Alterthümer. Ausgegeben im Juli 1859. Zweiter [bis] Sechster Bericht des […] Vereins für das Museum schlesischer Alterthümer. 1860–1866. – Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Siebenter [bis] Dreiundachzigster Bericht, 1867–1894. (=Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Band I-V).– Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Band VI [bis] VII. 1896–1899.– Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer. Band I [bis] X (1933). 161 Vgl. Denkschrift betr. die Gründung einer Kunst-Akademie und eines Kunst-Museums in Breslau.– Breslau [1866]; Die Museumsfrage in Breslau. Ein Appell an die schlesischen Provinzialstände.– Breslau 1869; Denkschrift über die Zukunft des Museums schlesischer Altertümer. Ein Appell an die schlesischen Provinzialstände.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 6 (1895), S. 145–156. 162 Vgl.: Zur Geschichte des Museums schlesischer Altertümer in Breslau in dem ersten Vierteljahrhundert seines Bestehens (1858–1883).– In: Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Museums schlesischer Altertümer am Festtage den 12. Januar 1883, S. 1–22.– Breslau: Nischkowsky 1883. Vgl. auch Eugen Kalasse: Führer durch die Sammlungen des Museums schlesischer Altertümer.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 4 (1883), S. 137–197. Als selbständige erweiterte Publikation in 2. Aufl. 1885. 3. Aufl. bearb. von Eugen von Czihak u. a.– Breslau 1891. 163 Vgl. neben der in Anm. 118 zitierten Arbeit von Hans Seger an derselben Stelle auch Georg Bender: Die Bestrebungen zur Gründung eines Kunstgewerbemuseums in Breslau.– In: Jahrbuch des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer 1 (1900), S. 25–32. Es schließen sich – ohne Angabe eines Verfassers – Kapitel an zum Museumsgebäude, zu den Sammlungen sowie der Bibliothek und dem Zeichensaal (S. 33–56). Vgl. auch: Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Schlesischen Museums für Kunstgewerbe und Altertümer. Hrsg. von Karl Masner, Hans Seger.– Breslau: Selbstverlag des Schlesischen Altertumsvereins 1924 (Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N.F. (1924). Darin: Karl Masner: Die ersten 25 Jahre unseres Museums, S. 1–4. Zum Kontext: Die Einrichtung kunstgewerblicher Museen.– Breslau: Nischkowsky 1897. 164 Das Museumsgebäude (Anm. 163), S. 37. 165 Vgl. Führer durch die Abteilung Alt=Breslau. 2. Aufl.– Breslau: Verlag des Museums 1918, Einleitung, S. 1. Die erste Auflage des Führers war 1908 erschienen und verfaßt von Erwin

569

570

|  Anmerkungen

Hintze und Karl Masner. Für die zweite Auflage zeichneten Conrad Buchwald und Karl Masner verantwortlich. 166 Ebd., S. 15. 167 Schlesischer Kulturspiegel im Rahmen der Kunstsammlungen der Stadt Breslau.– [s.l.] [s.a.] Das Vorwort von dem Herausgeber Direktor Kohlhaußen unterzeichnet im September 1935. Für das Schloßmuseum greift man etwa zu dem Werk von Erwin Hintze: Führer durch das Schloßmuseum in Breslau. Mit 8 Textabbildungen und 64 Tafeln.– Breslau: Graß und Barth 1930. 168 Vgl. Klaus Garber: Reisen in eine untergegangene Welt. Auf Spurensuche in Bibliotheken jenseits von Werra und Fulda, Oder und Neiße.– Dresden: Thelem 2011 (Oskar Walzel Vorlesungen [2]). Hier S. 5 ff.

Ausgewählte Literatur

In den Anmerkungen ist eine reiche Literatur nachgewiesen und verarbeitet. Daher werden an dieser Stelle nur einige wenige, zumeist fachübergreifende und vielfach auf Schlesien insgesamt bezogene Werke aufgeführt, die einen Zugang zu Stadt und Land eröffnen. Beobachtet ist ein chronologisches Prinzip. Siegismund Justus Ehrhardt: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Haupt=Stadt und des Fürstenthums Breslau, wie auch des Namslauer Kreißes in sich fasset.– Liegnitz: Pappäsche 1780. Johann George Thomas: Handbuch der Literaturgeschichte von Schlesien. Eine gekrönte Preisschrift.– Hirschberg: Krahn 1824. J[ohann]. F[ranz]. A[lbert]. Gillet: Crato von Crafftheim und seine Freunde. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte. Nach handschriftlichen Quellen. Erster [und] Zweyter Teil.– Frankfurt a.M.: Brönner 1860–61. Hermann Palm: Beiträge zur Geschichte der Deutschen Literatur des XVI . und XVII . Jahrhunderts. Mit einem Bildnisse von M. Opitz.– Breslau: Morgenstern 1877. Reprint: Leipzig: Zentralantiquariat der DDR 1977. Hans Lutsch. Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau.– Breslau: Korn 1886 (Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien; 1). Hans Lutsch: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler. 3 Mappen. 1 Textband.– Breslau: Richter 1903. Dieses Werk ist im Reprint wieder zugänglich gemacht worden; der Bildband, betreut von Josef Golitschek, erschien 1979, der Textband 1985 jeweils in Mannheim im Verlag Kraft. Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau. Herausgegeben von der Verwaltung der Stadtbibliothek. [Bearbeitet von Heinrich Wendt!].– Breslau: Morgenstern 1903. Nachtrag 1, umfassend die Zugänge von 1903 bis 1913 [Bearbeitet von Otfried Schwarzer und Richard Dedo].– Breslau: Morgenstern 1915. Gustav Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens vor der Reformation.– Breslau: Hirt 1909 (Codex Diplomaticus Silesiae; 25). Gustav Bauch: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation. Der Universität Breslau zum hundertjährigen Jubiläum überreicht vom Verein für Geschichte Schlesiens. – Breslau: Hirt 1911 (Codex Diplomaticus Silesiae; 26).

572

|  Ausgewählte Literatur

Hermann Markgraf: Kleine Schriften zur Geschichte Schlesiens und Breslaus.– Breslau: Morgenstern 1915 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau; 12). Gustav Bauch: Valentin Trozendorf und die Goldberger Schule.– Berlin: Weidmann 1921 (Monumenta Germaniae Paedagogica; 57). Walther Nickel: Die Breslauer Steinepitaphien aus Renaissance und Barock.– Straßburg: Heitz 1924 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte; 225). Die Kunst in Schlesien. Dargestellt von August Grisebach u. a.– Berlin: Deutscher Kunstverlag 1927. Victor Loewe: Bibliographie der schlesischen Geschichte.– Breslau: Priebatsch 1927 (Schlesische Bibliographie; 1). Hans Heckel: Geschichte der deutschen Literatur in Schlesien. Band I: Von den Anfängen bis zum Ausgange des Barock.– Breslau: Ostdeutsche Verlagsanstalt 1929 (Einzelschriften zur schlesischen Geschichte; 2) [mehr nicht erschienen]. Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Band I–III . Hrsg. von Ludwig Burgemeister [Band I] und Ludwig Burgemeister und Günther Grundmann [Band II und III].– Breslau: Korn 1930–1934 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien; I.1, I.2, I.3). Herbert Gruhn: Bibliographie der Schlesischen Kunstgeschichte.– Breslau: Korn 1933 (Schlesische Bibliographie; VI .1). Schlesien. Ein Bücherverzeichnis und Führer zu Schlesiens Volk, Land und Leben. Im Auftrage der Stadtbibliothek und der Städt. Volksbüchereien zu Breslau. Hrsg. von Alfred Kloß.– Breslau: Korn 1933. Johannes Hübner: Bibliographie des schlesischen Musik- und Theaterwesens.– Breslau: Korn 1934 (Schlesische Bibliographie; VI .2). Ludwig Petry: Breslaus Beitrag zur deutschen Geschichte.– Breslau: Nischkowsky 1941. Günther Grundmann; Wulf Schadendorf: Schlesien.– [München]: Deutscher Kunstverlag 1962. Hermann Aubin: Antlitz und geschichtliche Individualität Breslaus.– Hamburg: Christians [1964]. Günther Grundmann: Kunstwanderungen in Schlesien. Gesammelte Aufsätze aus den schlesischen Jahren 1917–1945.– München-Pasing: Bergstadt-Verlag Korn 1966. Günther Grundmann: Barockfresken in Breslau. – Frankfurt a.M.: Weidlich 1967. (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens. Reihe C: Schlesien; 3). Günther Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien.– Frankfurt a.M.: Weidlich 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens. Reihe C: Schlesien; 4).

Ausgewählte Literatur  |

Günther Grundmann: Barocke Kirchen und Klöster in Schlesien. 2., verm. und verb. Aufl.– München: Bergstadtverlag Korn 1971. Günther Grundmann: Stätten der Erinnerung. Denkmäler erzählen schlesische Geschichte. 2., verm. u. verb. Aufl.– München: Bergstadtverlag Korn 1975. Handbuch der historischen Stätten. Schlesien. Hrsg. von Hugo Weczerka.– Stuttgart: Kröner 1977. Ernst Scheyer: Breslau so wie es war. Ein Bildband. Vorwort von [dem schlesischen Landeskonservator] Günther Grundmann. 5. Aufl.– Düsseldorf: Droste 1979. Günther Grundmann: Dome, Kirchen und Klöster in Schlesien. Nach alten Vorlagen. 2., unveränd. Aufl.– Frankfurt a.M.: Weidlich 1982 (Dome – Kirchen – Klöster; 10). Manfred P. Fleischer: Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze.– München: Delp 1984 (Silesia; 32). Günther Grundmann: Burgen, Schlösser und Gutshäuser in Schlesien. Band II : Schlösser und Feste Häuser der Renaissance. Bearbeitet und erweitert von Dieter Großmann. – Würzburg: Weidlich 1987. (Bau- und Kunstdenkmäler im östlichen Mitteleuropa; 3). Oskar Pusch: Die Breslauer Rats- und Stadtgeschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741. Band I–V.– Dortmund: Forschungsstelle Ostmitteleuropa, Univ. 1986–1991 (Veröffentlichungen der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund. Reihe B; 33, 35, 38, 39, 41). Geschichte Schlesiens. Band I: Von der Urzeit bis zum Jahre 1526. Hrsg. von Ludwig Petry, Josef Joachim Menzel, Winfried Irgang. 5., durchges. Aufl.– Sigmaringen: Thorbecke 1988; Band II : Die Habsburger Zeit 1526–1740. Hrsg. von Ludwig Petry, Josef Joachim Menzel. 2., durchges. Aufl.– Sigmaringen: Thorbecke 1988; Band III :Preußisch-Schlesien 1740–1945. Österreichisch-Schlesien 1740–1918/45. Hrsg. von Josef Joachim Menzel.– Stuttgart: Thorbecke 1999. Franz Machilek: Schlesien.– In: Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500–1650. Band II : Der Nordosten. Hrsg. von Anton Schindling, Walter Ziegler. 3. Aufl.– Münster: Aschendorff 1993, S. 102–138. Deutsche Geschichte im Osten Europas. Schlesien. Hrsg. von Norbert Conrads.– Berlin: Siedler 1994. Robert Seidel: Späthumanismus in Schlesien. Caspar Dornau (1577–1631). Leben und Werk.– Tübingen: Niemeyer 1994 (Frühe Neuzeit; 20). Schlesisches Städtebuch. Hrsg. im Institut für vergleichende Städtegeschichte an der Universität Münster von Heinz Stoob und Peter Johanek in Verbindung mit der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen Bonn. Bearbeitet von Waldemar Grosch

573

574

|  Ausgewählte Literatur

unter Mitarbeit von Heinz Stoob, Maria Elisabeth Grüter, Franz-Joseph Post.– Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer 1995 (Deutsches Städtebuch. Neubearbeitung; 1). Alfred Rüffler: Die Stadtbibliothek Breslau im Spiegel der Erinnerung. Geschichte – Bestände – Forschungsstätte.– Sigmaringen: Thorbecke 1997 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 28). Atlas architektury Wrocławia. Tom I–II . Pod redakcją i w opracowaniu Jana Harasimowicza.– Wrocław: Wydawnictwo Dolnośląskie 1997–1998. Silesiographia. Stand und Perspektiven der historischen Schlesienforschung. Festschrift für Norbert Conrads zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Matthias Weber, Carsten Rabe.– Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 1998 (Wissenschaftliche Schriften des Vereins für Geschichte Schlesiens; 4). Ludwig Petry: Breslau und seine ersten Oberherren aus dem Hause Habsburg 1526–1635. Ein Beitrag zur politischen Geschichte der Stadt. Hrsg. von Joachim Bahlcke.– St. Katharinen: Scripta Mercaturae Verlag 2000 (Beihefte zum Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau; 10). Schlesien und die Schlesier. Hrsg. von Joachim Bahlcke. Durchges. u. aktualisierte Neuaufl.– München: Langen Müller 2000. Klaus Garber: Die Biblioteka Uniwersytecka in Wrocław. Morphologie der Bestände, Umrisse der Provenienzen und Charakteristik der Personalsschrifttums-Sammlungen [nebst einer] Bibliographie zur Universitätsbibliothek Wrocław und ausgewählter in sie eingegangener deutscher Vorkriegs-Bibliotheken.– In: Handbuch des personalen Gelegenheitsschrifttums in europäischen Bibliotheken und Archiven. Band I: Breslau/ Wrocław – Universitätsbibliothek/ Biblioteka Uniwersytecka. Abt. I: Stadtbibliothek Breslau (Rhedigeriana/St. Elisabeth). Teil I. Mit einer bibliotheksgeschichtlichen Einleitung und einer kommentierten Bibliographie von Klaus Garber. Hrsg. von Stefan Anders, Sabine Beckmann, Martin Klöker.– Hildesheim, Zürich, New York: Olms-Weidmann 2001, S. 17–80. Norman Davies, Roger Moorhouse: Die Blume Europas. Breslau – Wrocław – Vratislavia. Die Geschichte einer mitteleuropäischen Stadt.– München: Droemer 2002. Śląska Republika Uczonych. Schlesische Gelehrtenrepublik. Slezská Vědecká Obec. Tom I–V. Hrsg. von Marek Hałub, Anna Mańko-Matysiak. Wrocław: ATUT 2004–2012. Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit. Band I–II . Hrsg. von Klaus Garber.– Tübingen: Niemeyer 2005 (Frühe Neuzeit; 111). Klaus Garber: Bücherhochburg des Ostens. Die alte Breslauer Bibliothekslandschaft, ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und ihre Rekonstruktion im polnischen Wrocław.– In: Kulturgeschichte Schlesiens (2005), S. 539–653. Eingegangen in ders.: Das alte Buch im alten Europa. Auf Spurensuche in den Schatzhäusern des alten Kontinents.– München: Fink 2006, S. 313–438.

Ausgewählte Literatur  |

Lesław Spychała: Wegweiser durch die Handschriftenbestände der Universitätsbibliothek Wrocław/Breslau.– In: Kulturgeschichte Schlesiens (2005), S. 655–746. Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft. Hrsg. von Joachim Bahlcke.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2005 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte; 11). Detlef Haberland in Verbindung mit Weronika Karlak und Bernhard Kwoka: Kommentierte Bibliographie zum Buch- und Bibliothekswesen in Schlesien bis 1800.– München: Oldenbourg 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; 39). Jan Harasimowicz: Schwärmergeist und Freiheitsdenken. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Matthias Noller, Magdalena Poradzisz-Cincio.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2010 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte; 21). Christine Absmeier: Das schlesische Schulwesen im Jahrhundert der Reformation. Ständische Bildungsreformen im Geiste Philipp Melanchthons.– Stuttgart: Steiner 2011 (Contubernium; 74). Schlesien und der deutsche Südwesten um 1600. Späthumanismus – reformierte Konfessionalisierung – politische Formierung. Hrsg. von Joachim Bahlcke, Albrecht Ernst.– Heidelberg, Ubstadt-Weiher, Basel: verlag regionalkultur 2012 (Pforzheimer Gespräche zur Sozial-, Wirtschafts- und Stadtgeschichte; 5). Mirosława Czarnecka: Breslau.– In: Handbuch kultureller Zentren der Frühen Neuzeit. Städte und Residenzen im alten deutschen Sprachraum. Hrsg. von Wolfgang Adam, Siegrid Westphal in Verbindung mit Claudius Sittig, Winfried Siebers. Band 1–3.– Berlin, Boston: de Gruyter 2012, S. 197–238. Klaus Garber: Der junge Martin Opitz. Umrisse einer kulturpolitischen Biographie.– In: ders.: Wege in die Moderne. Historiographische, literarische und philosophische Studien aus dem Umkreis der alteuropäischen Arkadien-Utopie. Hrsg. von Stefan Anders, Axel E. Walter.– Berlin, Boston: de Gruyter 2012, S. 77–145. Klaus Garber: Verzeichnis bio-bibliographischer handschriftlicher und gedruckter Hilfsmittel zur schlesischen Personenkunde der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung des Späthumanismus.– In: ders.: Martin Opitz – Paul Fleming – Simon Dach. Drei Dichter des 17. Jahrhunderts in Bibliotheken Mittel- und Osteuropas.– Köln, Weimar, Wien: Böhlau 2013 (Aus Archiven, Bibliotheken und Museen Mittel- und Osteuropas; 4), S. 97–157. Schlesische Lebensbilder. Im Auftr. der Historischen Kommission für Schlesien. [Bislang:] Band I (1922) – XI (2012).

575

Nachwort Mitte der 1970er Jahre arbeitete der Verfasser an einer kulturpolitischen Biographie des schlesischen Barockdichters Martin Opitz, die erst jetzt im Druck erschien. Ihr Autor hatte das Glück, als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft sich ungeteilt der reizvollen Aufgabe widmen zu können. In Göttingen hatte ein Hoffmann von Fallersleben gewirkt. Die herrliche Bibliothek, jeden Tag in diesen Jahren besucht, war überreich an Barockdrucken. Und so auch im Blick auf Martin Opitz. Gleichwohl konnten nicht alle erbetenen Texte bereitgestellt werden. Statt aber lange anderwärts zu suchen, wandte sich die Fernleihe direkt an die Universitätsbibliothek in Breslau. Die besaß schlechterdings alles und lieferte großzügig Filme. So war Göttingen frühzeitig reich bestückt mit Titeln aus Breslau. Bibliothek und Autor profitierten gleichermaßen von dem Deal. Für den Verfasser aber wiederholte sich nur eine Situation, die ihm aus den 1960er Jahren bereits vertraut war. Da schrieb er bei Richard Alewyn in Bonn seine Dissertation zu der Schäfer- und Landlebendichtung des 17. Jahrhunderts. Die Bonner Bibliothek war ärmer an Altdrucken als Göttingen und zudem im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen worden. Also mußte die Fernleihe unentwegt bemüht werden. Doch nicht alles Gewünschte konnte in Deutschland aufgetan werden, weder in der Bundesrepublik noch in der DDR. Schließlich war auch die Deutsche Staatsbibliothek in Berlin im Krieg schwer versehrt worden. So führten die Wege ins Ausland, und das hieß für den Barockforscher nach Polen. Dort stand Breslau einsam an der Spitze, wenn es um Barockdrucke ging. Einem Wunder gleich konnten inmitten des kalten Krieges zahlreiche Filme geordert werden. Im Bonner Germanistischen Institut war ein bibliophiler Kustos am Werk. Er ließ die Filme auf Papier abziehen und die Kopien in schmucke Jugendstil-Einbände fassen. Sie sind bis heute eine Zierde des dortigen Instituts. Nimmt es da Wunder, daß es den Verfasser drängte, die Stadt und die Bibliothek, die derartige Schätze barg, persönlich kennenzulernen? Im Herbst 1979 kam die langersehnte Stunde. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hatte Mittel für eine zweimonatige Bibliotheksreise durch die DDR und Polen bewilligt. Die Reise geriet zu einem unvergeßlichen Erlebnis. Und sie zeitigte sensationelle Entdeckungen, über die auf Drängen von Martin Bircher sogleich in den Wolfenbütteler Barock-Nachrichten berichtet wurde. Erst fünf Jahre später sollten sich noch einmal derart denkwürdige Erfahrungen einstellen. Da aber (und fortan immer wieder) ging es vor allem um das Aufspüren ehemals deutscher

Nachwort  |

Bücher im Riesenreich der Sowjetunion – an erster Stelle aus dem untergegangenen Königsberg. Der Germanist war mutiert zum Bibliotheksreisenden. Aus aller Herren Länder strömten fortan unikate Texte zusammen. In der Bibliothek und dem ihr angegliederten Filmarchiv des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück fanden sie ihre Bleibe und trugen bei zu deren einzigartigem Profil. In Breslau stand im Herbst 1979 der geschätzte Freund und Kollege Marian Szyrocki am Hauptbahnhof bereit, um den von der letzten Station in der DDR – der Sächsischen Landesbibliothek Dresden – anreisenden Novizen zu empfangen. Ein erster unvergeßlicher Gang führte durch die wiedererstandene Stadt. Dann ging es, immer noch in Begleitung des liebenswürdigen Gastgebers, in das von ihm aufgetane Privatquartier im Breslauer Stadtteil Sępolno. Am Schluß erhielt der des Polnischen Unkundige Tramkarten in die Hand gedrückt. Jederzeit dürfe er sich melden. Hernach aber war er auf sich gestellt, unterstützt die zwei Wochen freilich täglich von seinen gastlichen Wirtsleuten. Konnte der in die Fremde Verschlagene ahnen, daß ein Abenteuer seinen Anfang nahm, das schließlich über mehrere Jahrzehnte sich erstrecken sollte? In den Hauptstädten Europas und Rußlands mit reichen Barockbeständen – in London und Paris, Rom und Wien, Prag und Budapest, Warschau und Vilnius, Riga und Tallinn, St. Petersburg und Moskau – hat der passionierte Bibliotheksreisende sich wiederholt aufgehalten, von anderen Städten in Europa und der ehemaligen Sowjetunion, aber auch in den Vereinigten Staaten, in Lateinamerika und Japan gar nicht zu reden. In keiner hat er auch nur entfernt so lange und so oft geweilt wie in Breslau. Wiederum einem Wunder gleich war die alte Breslauer Stadtbibliothek zumindest in ihrem Altdruckbestand weitgehend heil durch den Krieg gekommen, während unter den einzigartigen Handschriften schwere Verluste zu beklagen sind. Nun war sie vereinigt mit den Resten der im Krieg schwer getroffenen Universitätsbibliothek und den aus ganz Schlesien nach dem Krieg in die Hauptstadt geströmten Handschriften und alten Drucken. Im Gebäude der ehemaligen Universitätsbibliothek auf der Sandinsel neben der Kirche St. Maria auf dem Sande hatten sie ihre Bleibe gefunden, während die neuere Literatur im alten und weitgehend unversehrten Gebäude der Breslauer Stadtbibliothek am ehemaligen Roßmarkt vereinigt wurde. Soeben steht die Universitätsbibliothek im Begriff, ein neues Quartier wiederum direkt an der Oder zu beziehen. Den Neuaufbau der Bibliothek nach dem Krieg mit ihren Handschriften, ihren alten Drucken bis 1800 und ihren Sondersammlungen in dem ehemaligen Augustinerstift auf dem Sande von seiten der polnischen Bibliothekare kann

577

578

|  Nachwort

der buchkundliche Historiker nicht genug rühmen. Es wurden nicht einfach neue Systeme der Aufstellung entwickelt, wie es nahegelegen hätte. Nein, die erkennbaren Ordnungen der Vorkriegszeit wurden wo immer möglich bewahrt. Über die Prinzipien der Anordnung wurde genau Protokoll geführt. So kann man bis heute in vielen Fällen die ehemaligen Signaturen aus der deutschen Zeit und die neuen aus der polnischen parallel verwenden und gelangt auf beiden Wegen zum Erfolg. Die Bestände aus den ehemaligen Breslauer Bibliotheken, aber auch aus Liegnitz und Brieg, um nur drei Städte zu erwähnen, werden unter Beachtung ihrer Herkunft separat in den Magazinen verwahrt. Zu ihnen ist dem Benutzer der Zugang strikt verwehrt. Wer wollte das nicht verstehen? Die Magaziner haben die Jahrzehnte über dem Wißbegierigen alles Gewünschte rasch und unkompliziert auf den Tisch in dem kleinen Lesesaal der Altdrucke gebracht. Und so nicht anders in der Handschriften- und der Musikabteilung sowie dem Schlesisch-Lausitzischen Kabinett und dem der graphischen Zimelien. Entsprechend ist auch an dieser Stelle Gelegenheit zur Danksagung. Der Verfasser ist vielen Menschen während seiner Aufenthalte im Buchquartier auf dem Sande, auch aber auch während seiner gelegentlichen Besuche in der alten Stadtbibliothek, dem Sitz der Direktion, begegnet. Ihnen allen bewahrt er eine freundliche Erinnerung. Freilich scheut er sich, Namen zu nennen. Allzu vieler Personen wäre zu gedenken. Doch glaubt der Verfasser nicht fehl zu gehen, wenn er stellvertretend den Namen einer Person aufruft, die sich allseitiger Wertschätzung im Hause erfreute. Es ist dies derjenige von Adam Skura. Er hat das Aufbauwerk der Bibliothek der alten Drucke auf dem Sande Jahrzehnte über betrieben und stand dem Ratund Auskunftsuchenden jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung. Er wußte alles und teilte sein Wissen freigiebig mit. Ihm verdankt der Verfasser die Einführung in die innere Struktur der Bibliothek, ihm die Erläuterung des Katalogsystems mit der herrlichen Folge Zehntausender faksimilierter Titelblätter im Zentrum, ihm die Bekanntgabe und Charakteristik der in die Nachkriegsschöpfung inkorporierten Bibliotheken – zumeist in geretteten Teilbeständen – aus dem ganzen Land. Die vielen bibliotheksgeschichtlichen Studien des Verfassers fußen auf dem bei Adam Skura Erlernten. Wie viele Kolleginnen und Kollegen aber traten im Laufe der Zeit hinzu, die den Verfasser berieten, betreuten, mit Texten und Informationen versorgten. Diese Zeilen schreibend, steht ihm ihr Bild vor Augen. Er verneigt sich in tiefer Dankbarkeit. Die Tage und oft genug auch die Abende galten der Arbeit. An den Wochenenden aber und während heller Sommernächte wurde ausgeschwärmt in die

Nachwort  |

Stadt und ihre Umgebung. Unser Buch bezeugt die Koinzidenz der Erfahrung im Blick auf die Bibliothek wie die Stadt. Auch in ihr war jener einfühlsame Wille zur Rekonstruktion historischer Quartiere zu gewahren. Rund um das Rathaus, die Universität, die Elisabethkirche war ein Wiederaufbau der erst in den letzten Monaten des Krieges zerstörten Stadt gelungen, dem der Besucher nichts Vergleichbares in seiner bundesrepublikanischen Heimat zur Seite zu stellen wußte. Und so auch anderwärts im Land: in der Altstadt Warschaus, den Straßenzügen und Plätzen um die Marienkirche in Danzig, von den bewahrten städtischen Silhouetten etwa Krakaus oder Thorns wiederum gar nicht zu reden. Hatten die über die Jahrhunderte immer wieder zugefügten politischen Erniedrigungen bis hin in die jüngste Zeit hinein in Polen Kräfte freigesetzt, um der Barbarei im Namen von Tradition und Pflege eines kulturellen Erbes zu begegnen? Wir wissen es nicht. Hier in Breslau war der restaurative Gestus einer deutschen Stadt zuteil geworden. Die Ehrfurcht gegenüber der Vergangenheit hatte triumphiert über die Schrecknisse der jüngsten Zeit. Und das zum Segen der Stadt. Heute übt sie eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Touristen von nah und fern aus. Allseits wird ihr bescheinigt, daß sie eine jugendlich-lebendige Stadt sei. Elegante Geschäfte, gepflegte Restaurants, reiche Museen laden ein zum Verweilen. Um den Ring des Abends spazierend, sich niederlassend zum Rasten, ist der frische Atem einer Kapitale zu spüren, die Einheimischen wie Besuchern eine Ahnung vermittelt, was es bedeuten könnte, an der Schönheit eines Gemeinwesens teilzuhaben, die für die in ihren Mauern Weilenden Stunden der Freude, des Glücks, des Zusammengehörens bereithält. Mit Fug und Recht wird Breslau im Jahre 2016 den Titel einer Kulturhauptstadt Europas führen. Ein respekterheischendes Aufbauwerk findet seine Krönung. Die Stadt ist zurückgekehrt nach Europa, und ihre kulturellen Zentren legen Zeugnis davon ab. Wir haben versucht, der jüngsten Vergangenheit die historische Tiefenperspektive zu verleihen. Und das nicht auf dem Wege über historische Fakten, politische Daten, spektakuläre Ereignisse, sondern im Blick auf die innere Morphologie des städtischen Organismus. In einem solchen hängt alles mit allem zusammen. Die Kunst des Schriftstellers bewährt sich in dem Vermögen, in wohlausgewählten und wohlkomponierten Porträts aus verschiedenen Blickwinkeln eine geistige Physiognomie zu vergegenwärtigen. Das setzt den Mut zur Auswahl und zur Beschränkung voraus. Das Ganze ist niemals zu haben. Geschichte zu erzählen heißt, Perspektiven zu entdecken, Fluchtlinien zu markieren, historisch einschlägige Signaturen zu entziffern – ein niemals an ein Ende

579

580

|  Nachwort

gelangendes Geschäft. Wir haben uns auf die Frühe Neuzeit beschränkt und sind nur ausnahmsweise darüber hinausgeschritten. Ausgewählten Personen, Institutionen und ganz gelegentlich einzelnen Werken galt unser Interesse. Wir möchten einladen, teilzunehmen an der Erkundung einer Stadt, deren Reichtum nicht zuletzt in den Kirchen und Schulen, Bibliotheken und Archiven, Museen und Galerien, herrührend vielfach aus der Zeit der Frühen Moderne, beschlossen liegt. So gleicht es in seiner Anlage einem Buch über das alte Königsberg, das vor einigen Jahren erschien. Sein Verfasser hat nicht nur in Breslau, sondern auch in Osnabrück tatkräftige Unterstützung erfahren. Der Text wurde sorgfältig von Astrid Menke gegengelesen. Die nicht endenden Korrekturen wurden mit großer Sorgfalt von Luise Hentrich, Sven Musiol und Carina Röber in das Manuskript eingearbeitet. Letztere überwachten ebenfalls den reichen Anmerkungsapparat. Die langwierigen und diffizilen Registerarbeiten teilten sich Astrid Menke und Stefan Anders, der dem gesamten Buch wie stets seine redaktionelle Erfahrung hat zukommen lassen. Der Verfasser aber weilte immer wieder in der Bibliothek des Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit – diesem Schatzhaus mit Tausenden von Titeln aus vieler Herren Länder, in dem Breslau die Spitzenstellung bewahrt. Die wissenschaftliche Leiterin der Bibliothek, Beate Mrohs, gewährte in großer Liberalität dem Emeritus uneingeschränktes Gastrecht, und die studentischen Hilfskräfte in der Bibliothek erfüllten bereitwillig jeden Wunsch. In tiefer Dankbarkeit weiß sich der Verfasser in der Gemeinschaft engagierter junger Menschen aufgehoben. Die tägliche Begegnung mit ihnen spendet Kraft und Ermutigung. Sie bleibt eine Quelle der Freude – und eine belebende Kraft wider das Altern. Möge auch dieses Buch seinen Beitrag dazu leisten, daß ein Bewußtsein der inneren Einheit Europas in all seiner regionalen Vielgestaltigkeit über sein geschichtlich geprägtes kulturelles Erbe heranwächst. Klaus Garber Osnabrück, Weihnachten 2013

Personenregister Abschatz, Hans Assmann von  339 Acoluth, Johann  98, 172 Aesticampianus (Rhagius), Johannes  48, 257 Agricola, Melchior  285 Agricola, Rudolf  252, 257, 260 Agrippina d.J. (röm. Kaiserin)  329 Aichhäuser, Stanislaus (Stenzel)  209, 213 Albert, Heinrich  284 Albrecht von Brandenburg-Ansbach (Herzog von Preußen)  92, 114, 179 Albrecht V. (Herzog von Bayern)  209 Albrecht, David  217 Alexander VI. (Papst)  74 Alischer, Sebastian  305 Althoff (Familie)  209 Amerbach (Druckerdynastie)  258 Angelus Silesius (Johann Scheffler)  61, 190, 306, 339, 369, 445 Anhalt (Dynastie)  27 Anna von Böhmen (Herzogin von Schlesien)  85, 86 Anna von Böhmen und Ungarn (röm.-dt. Kaiserin)  258 Aphthonius von Antiochia  252 Aretin, Johann Christoph von  229 Aristarchos von Samos  287 Aristoteles  137, 140, 242 Arletius, Johann Kaspar  64, 164, 168, 325, 349, 360, 361, 362, 366, 367, 368, 369, 370, 371, 372, 505, 541, 550, 551 Arletius, Kaspar  164, 169, 349 Arminius 322 Arnold, Gottfried  90, 493 Arnoldt, Daniel Heinrich  232 Artzat (Familie)  314, 321 Artzat, Adam Caspar von  320 Assig (Familie)  321 Assig, Hans von  339 Attila 168

Aubigné, Théodore Agrippa d’ 332 August II. (Herzog von BraunschweigLüneburg)  205, 209 Augustinus 245 Aurifaber, Johannes  91, 92, 269 Ausonius  7, 215 Avicenna 146 Baader, Franz von  23 Bach, Karl Daniel Friedrich  435 Bandtkie, Jerzy Samuel (Georg Samuel Bandtke)  173, 519 Bank (geb. von Rhediger), Anna  198 Bank, Anton von  198 Barclay, John  189 Barth, Caspar (von)  154, 155 Bartsch, Jakob  285 Bauch, Gustav  49, 144, 153, 185, 241 Baumann (Druckerdynastie)  187, 188 Baumann, Georg I.  188 Baumann, Georg II.  140, 153, 187, 189 Baumann, Georg III.  163, 165, 189, 190, 512 Baumgarten, Alexander Gottlieb  387 Baumgarten, Konrad  132, 185, 510 Bausch, Johann Lorenz  393 Bebel, Heinrich  242 Becker, Matthäus d.J.  140 Beckmann, Johann Christoph  232, 524 Bellardi, Werner  49 Bembo, Pietro  252, 260 Berelius, Jakob  115 Berge, Joachim vom siehe Vom Berge, Joachim Bergius, Friedrich  194, 209, 233, 513 Bergius, Konrad  142 Berlichingen, Gottfried (Götz) von  420 Bernegger, Matthias  300, 543 Bernhardin von Siena  113 Bersch, Johann  172 Besler, Franz  124 Besler, Samuel  189, 285

582

|  Personenregister

Bèze (Beza), Théodore de  53, 270, 272, 273, 274 Bias von Priene  215 Biber, Albert  213 Bibran (Familie)  321 Birken, Sigmund von  163, 326 Birkenhan, Johann  114, 157 Bismarck, Otto von  33 Blücher, Gerhard Leberecht von  65 Boccaccio, Giovanni  243, 244 Bodin, Jean  286 Boerhaave, Herman  396 Boethius 242 Bogner, Ralf  538 Böhm, Ernst Ludwig  168 Böhme, Jakob  28, 272, 339, 369, 475 Bohn, Emil  227 Boisserée, Sulpiz  425, 426 Boleslaw I. (Herzog von Böhmen)  68 Boleslaw II. (Herzog von Schlesien)  85 Bona Sforza (Königin von Polen)  258 Bonaventura  244, 245 Bonnus, Hermann  92 Borck (Familie)  209 Börner, Immanuel Karl Heinrich  400, 558 Bössemesser, Johann  141 Boumann, Johann d.Ä.  37 Brauner (Fuscinus), Kaspar  242 Bremer, Christoph  172, 506 Brenz, Johannes  24 Briesmann, Johannes  103 Brucker, Johann Jakob  347, 348 Büchner, Andreas Elias  380 Bucretius, Daniel siehe Rindfleisch, Daniel Bugenhagen, Johannes  24, 88, 114, 186 Bundschuh, Wilhelm  297 Burbianka, Marta  187 Burdach, Konrad  241, 527 Burg, Johann Friedrich  63, 98, 100, 101, 110, 367, 372, 496 Burghaus (Familie)  312 Burghaus, Nikolaus II. von  312, 313 Burghaus, Nikolaus III. von  312 Busche, Hermann von dem  130, 247

Büsching, Johann Gustav Gottlieb  230, 231, 233, 238, 239, 391, 410, 411, 412, 413, 415, 416, 417, 418, 419, 421, 422, 423, 424, 425, 426, 427, 428, 429, 430, 431, 432, 433, 435, 436, 437, 522, 523, 527, 556, 561, 564 Büttner (Familie)  209 Caesar (röm. Kaiser)  142 Calagius, Andreas  134, 138, 139, 140, 157, 188, 254 Calderón de la Barca, Pedro  328 Calvin, Jean  53, 91 Camerarius, Joachim d.Ä.  48, 131, 133, 215, 247, 268 Camerarius, Joachim d.J.  267 Camerarius, Ludwig  200 Carmer, Johann Heinrich Casimir von  361, 397, 398, 400 Casaubon, Isaac  146 Caselius, Johannes  200, 515 Cato d.Ä.  247 Celtis, Conrad  87, 242, 243, 256, 257, 258, 260, 283, 288 Chemnitz, Christian  344 Chilon von Sparta  215 Christian (Herzog von SachsenEisenberg) 99 Christophorus, Johann  202 Cicero  123, 133, 139, 204, 218, 247, 249, 252, 267 Cirkler, Lorenz  124 Claudian  7, 165 Claudius (röm. Kaiser)  329 Clusius, Carl  200 Colerus, Christopherus  16, 54, 108, 151, 165, 190, 210, 211, 212, 213, 222, 290, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 313, 326, 343, 369, 518, 536, 537, 538, 547 Cölius, Michael  171 Colonna, Pompeo  260 Conermann, Klaus  534 Conring, Hermann  349 Cordus, Euricius  133, 250

Personenregister  |

Coritius (Goritz), Johannes  257 Corneille, Pierre  328 Corvinus, Laurentius  7, 51, 129, 185, 242, 243, 244, 245, 246, 249, 258, 528 Cosel, Rudolf John von  213 Cösler, David  213 Cranach, Lucas d.J.  269, 435, 497 Crato von Crafftheim, Johannes  53, 131, 188, 199, 200, 201, 247, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 274, 276, 511, 531, 532 Creutziger, Johann  253 Crocus (Croke), Richard  130, 247 Cromer von Krippendorf, Wenzel  85 Crotus Rubeanus, Johannes  48, 247, 248 Cruciger, Kaspar d.Ä.  88 Cujas, Jacques  199 Cunrad (Familie)  277 Cunrad, Caspar  55, 56, 140, 149, 154, 163, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 285, 290, 296, 297, 298, 312, 355, 356, 514, 532, 533, 535 Cunrad, Christian  298, 533 Cunrad, Johann Heinrich  279, 355, 381 Curaeus, Joachim  85, 355 Cureus, Adam d.Ä.  52, 54, 105, 214, 483, 497 Cureus, Adam d.J.  54, 157, 158 Curtius Rufus  345 Cuspinian, Johannes  257 Czepel, Nikolaus  241 Czepko von Reigersfeld, Daniel  190, 339, 369, 551, 552 Czihak, Eugen von  439 Dach, Simon  284, 299, 370, 371, 536 Danaeus, Lambertus  270, 272 Dante Alighieri  16, 393 Dantiscus, Johannes  261 Dedekind, Friedrich  252, 511 Demosthenes  132, 142, 247 Diels, Paul  417 Dionysos Areopagita  244 Docen, Bernhard Joseph  420 Dohna, Fabian I. von  270

Dohna, Karl Hannibal von  28, 60, 303, 304, 477 Dohna, von (Generalmajor)  173 Domenichino 426 Donatus, Aelius  137, 252, 254 Dornau (Dornavius), Caspar  54, 125, 285, 286, 287, 514 Dousa, Janus (Johan van der Does)  200 Droysen, Johann Gustav  236 Du Bartas, Guillaume de Salluste  332 Dubravius, Jan  253 Dudith, Andreas  53, 267, 269, 272 Dyon, Adam  186, 245, 511 Dziallas, Paul  267 Eben (Familie)  209 Eccilius, Maternus  91, 96, 494 Eck, Johannes  130, 247 Eduard VI. (König von England)  135 Ehrhardt, Siegismund Justus  51, 90, 95, 99, 100, 101, 110, 112, 113, 170, 174, 175, 360, 382, 383, 498 Elisabeth (Landgräfin von Thüringen)  85 Elyan, Kaspar  185, 510 Engelhar(d)t (Familie)  209 Erasmus von Rotterdam  48, 88, 125, 129, 133, 188, 205, 246, 251, 252, 257, 258, 261, 492 Erastus, Thomas  267 Ernst I. (Herzog von SachsenGotha-Altenburg) 344 Eschenloer, Peter  112, 354, 410 Etzler, Adam  109 Exner, Balthasar  54, 514 Ezechiel, Christian  350, 351, 352, 353, 354, 355, 356, 357, 358, 359, 361, 369, 483, 488, 533, 547, 548, 551 Fabricius, Georg  285 Falke, Hermann  135 Falkenhausen, Konrad von  439 Falkenhayn, Friedrich Gottheld von  389 Farnese, Alessandro siehe Paul III. (Papst) Fechner, Johann  16, 165, 343, 344, 348, 505 Fechner (verh. Hanke), Theodora  344 Feistling, Nicolaus  46

583

584

|  Personenregister

Felbiger, Johann Ignaz von  400, 558 Fellgiebel, Esaias  190, 191, 320 Ferdinand I. (König von Aragon)  253 Ferdinand I. (röm.-dt. Kaiser)  21, 23, 24, 25, 51, 52, 70, 78, 80, 107, 133, 139, 147, 187, 258, 259, 260, 261, 268 Ferdinand II. (röm.-dt. Kaiser)  31, 60, 80, 95, 97, 108 Ferdinand III. (röm.-dt. Kaiser)  61, 97, 115 Ficino, Marsilio  244 Flacius (Illyricus), Matthias  54, 90, 250 Fleischer, Joachim  57, 97, 160 Fleischer, Johannes d.Ä.  91, 92, 93, 108, 141, 142, 158, 214 Fleming, Paul  155, 299, 504 Flögel, Karl Friedrich  361, 362 Fock, Johannes  154 Fossel, Viktor  531 Franckenberg, Abraham von  512 Franz Stephan von Lothringen (als Franz I. röm.-dt. Kaiser)  36 Franzke, Georg von  343, 344 Frech, Fritz  554 Freher, Paul  87 Freinsheim, Johannes  345 Friedrich II. (der Große, König von Preußen)  22, 31, 32, 35, 36, 37, 62, 117, 173, 374, 383, 384, 397 Friedrich II. (Herzog von Liegnitz und Brieg)  25, 49, 80, 110 Friedrich III. (Herzog von Liegnitz)  80 Friedrich III. (röm.-dt. Kaiser)  72 Friedrich V. (Kurfürst von der Pfalz, als Friedrich I. König von Böhmen)  27, 28, 55, 56, 95, 96, 189, 282, 284 Friedrich Wilhelm I. (König in Preußen)  32 Friedrich Wilhelm II. (König von Preußen)  38, 373 Friedrich Wilhelm III. (König von Preußen)  65 Friedrich, Johann Christoph  233 Frischlin, Nicodemus  272 Frischmuth, Johann  99

Fritsch, Ambrosius  135 Froben (Druckerdynastie)  201 Froben, Johann  258 Froissart, Jean  201, 350, 373 Fugger (Familie)  73, 261 Fugger, Anton  261 Füldener, Johann Jacob  381 Fürst (Familie)  209 Fürst, Michael  213 Fürst und Kupferberg, Karl Joseph Maximilian von  367 Gajek,Konrad 541 Gärtner, Vinzenz  77 Garve, Christian  38, 386, 387, 388, 390, 555 Gebhard, Johann  151, 202, 203, 204, 210, 343, 372, 514 Gellert, Christian Fürchtegott  387 Georg (Markgraf von Brandeburg-Ansbach) 25 Georg von Podiebrad (König von Böhmen)  21, 74 Georg II. (Herzog von Brieg)  85, 123, 124, 133 Georg Rudolf (Herzog von Liegnitz und Brieg)  28, 55 Georg Wilhelm (Herzog von Liegnitz und Brieg)  31, 163, 540 George, Stefan  424 Gerber, Michael Rüdiger  559 Gerhard, Johann  115 Gerhard, Thomas  114 Gersdorff (Familie)  160 Gerstmann, Martin von (Bischof von Breslau)  22, 53, 80, 84, 269, 491 Gfug, Christoph Heinrich von  354 Giffen, Hubert van (Giphanius, Obertus) 200 Gillet, Johann Franz Albert  177, 265, 266, 267, 531, 532 Gloger, Georg  154, 155, 504 Gneisenau, August Neidhardt von  65 Godefroy, Denis  200 Goethe, Johann Wolfgang von  23, 125, 422, 520

Personenregister  |

Goetz, Magnus Antonius von  167, 206 Góngora, Luis de  311 Göppert, Heinrich Robert  437 Gottfried von Straßburg  420 Gottsched, Johann Christoph  299, 302, 370, 383, 387 Gracián, Baltasar  30, 329 Graf, Martina  509 Gregor von Nazianz d.J.  251 Grempler, Wilhelm  438 Gröber, Willi  233 Grotius, Hugo  190, 290 Grunaeus, Simon  547 Grundmann, Günther  67, 474, 485 Grünhagen, Colmar  239, 240, 415, 416 Gruter, Janus  140 Gryphius, Andreas  26, 152, 165, 166, 191, 321, 326, 327, 328, 330, 337 Gryphius, Christian  165, 166, 191, 321, 325, 339, 353, 540 Guarini, Giovanni Battista  191 Guicciardini, Francesco  328 Gülde, Wolfgang  103 Günther, Johann Christian  339, 369, 551 Gürtler, Hieronymus  75 Gustav II. Adolf (König von Schweden)  30, 60 Habicht, Christoph Gottlieb  164, 505 Habsburg (Dynastie)  16, 21, 22, 23, 26, 30, 31, 32, 33, 47, 101, 136, 236, 257, 259, 264, 311, 320, 336, 338, 363, 373, 375 Hackner, Christoph  37 Hagen, Friedrich Heinrich von der  230, 416, 418, 419, 420, 421, 564 Halbrod, Johannes  105, 497 Haller, Albrecht von  396 Haller, Johann  185 Hallmann, Johann Christian  16, 152, 191, 326, 327, 328 Hanisch, Franziskus  114 Hanke (geb. Pittich), Agnes  343 Hanke, Gottfried  110 Hanke, Johann  343

Hanke, Martin  100, 110, 145, 163, 206, 209, 340, 341, 342, 343, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 352, 355, 367, 372, 497, 544, 545, 546 Hanke (geb. Fechner), Theodora  344 Harasimowicz, Jan  523, 547 Hardenberg, Karl August von  65, 230, 231, 232, 238, 423 Harnack, Adolf von  522 Harrach, Leonhard III. von  51 Harsdörffer, Georg Philipp  311, 326 Haubt, Carl Henrich von  167 Haugwitz (Familie)  31 Haunold (Familie)  45, 197, 209, 350 Haunold, Johann  73 Haunold, Johann Sigismund von  99, 172, 205 Heckel, Hans  389 Hedwig von Andechs (Herzogin von Schlesien)  86 Heermann, Johann(es)  53, 159, 190, 514 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich  23 Heidenreich, Esaias  52, 53, 91, 92, 139 Heinrich I. (Herzog von Schlesien)  171 Heinrich II. (Herzog von Münsterberg-Oels) 78 Heinrich II. (Herzog von Schlesien)  85, 86 Heinrich III. (Herzog von Schlesien)  85 Heinrich IV. (König von Frankreich)  394 Heinrich Wenzel d.J. (Herzog von Münsterberg-Oels)  160, 354 Helwig, Martin  136, 137, 138, 139, 140, 160, 228, 253, 254, 255, 268, 503, 514 Henel von Hennenfeld, Nicolaus  15, 56, 59, 110, 163, 199, 202, 279, 285, 290, 312, 340, 341, 345, 346, 348, 354, 355, 365, 373, 394, 512, 532, 533, 544 Henschel, August Wilhelm Eduard Theodor  531 Herbrot, Jakob  198 Herbrot (verh. von Rhediger), Rosina  198 Herder, Johann Gottfried  125 Herdesianus, Christoph  270

585

586

|  Personenregister

Hering, Daniel Heinrich  119, 174, 175, 176, 177, 371, 498, 506, 507 Hermann (Familie)  108 Hermann, Daniel  97, 108 Hermann, Esaias  108, 157 Hermann, Johann  267, 269 Hermann, Michael d.Ä.  108 Hermann, Michael d.J.  98, 108 Hermann, Zacharias d.Ä.  55, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 108, 142, 154, 494 Hermes (Brüder)  110 Hermes, Hermann Daniel  110, 111, 386 Hermes, Johann Timotheus  111 Hermes Trismegistos  245 Hertwig (Familie)  198 Hertwig, Andreas  209 Heshusen, Tilemann  54 Hesiod  139, 148 Heß (verh. Staphylus), Anna  208 Heß, Johann  10, 24, 48, 49, 50, 51, 75, 89, 103, 104, 105, 114, 118, 129, 130, 186, 208, 214, 242, 246, 247, 250, 257, 268, 482, 483, 492, 496, 501, 517, 545 Heß, Paul  209 Heß von Hessen und Stein, Johann  53, 209 Hessus, Helius Eobanus  48, 261 Heyer, Alfons  227 Hieronymus (Bischof von Breslau)  68 Hilka, Alfons  226 Hippe, Max  237, 279, 526, 536 Ho(ch)berg (Familie)  160, 279 Hock, Theobald  282 Hoë von Hoënegg, Matthias  115, 154 Hoeckelshoven, Johannes von  54, 134, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 157, 159, 254, 289, 290, 503 Hoffmann, Kaspar  267 Hoffmann, Paul  285 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich  234, 433, 536 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian  16, 191, 312, 313, 314, 315, 318, 319, 320, 321, 325, 337, 365, 539, 540

Hoffmann von Hoffmannswaldau, Georg 313 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Hans Christian von  168 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Johann  312, 313 Hofmann, Martin  134 Hohenzollern (Dynastie)  22, 27, 28, 33 Hölderlin, Friedrich  23 Holzbecher (verh. Monau), Anna  274 Homer  139, 148, 294 Horaz  10, 133, 252, 254, 274, 279 Hörnig (Familie)  198 Hosius, Stanislaus (Kardinal)  78 Hotmann, François  200, 270 Hoverden-Plencken, Adrian Joseph von  354, 437 Hoym, Karl Georg Heinrich von  38, 386, 389, 390, 400, 401, 407, 480 Huckelshafen, Hans  139 Hülsemann, Johann  115 Humboldt, Wilhelm von  221, 230, 232, 408 Hund, Hildebrand Rudolph von  206 Hutten, Ulrich von Hutten  188 Isokrates 139 Jacob (Domherr in Breslau)  194 Jaenisch, David  441 Jaenisch (Jänisius), Johannes  396 Jazdzewski, Constantin Clemens  526 Jean Paul  23, 418 Jenkwirt, Peter  194 Jérôme Bonaparte (König von Westphalen)  64 Jessen, Johann von  266 Joachim von Münsterberg-Oels (Bischof von Brandenburg)  78 Joachim I. (Kurfürst von Brandenburg) 232 Joachim Friedrich (Herzog von Liegnitz und Brieg)  124 Jobst, Wolfgang  523 Jöcher, Christian Gottlieb  163 Johann von Luxemburg (König von Böhmen)  21

Personenregister  |

Johann I. Albrecht (König von Polen)  74 Johann III. Sobieski (König von Polen)  32, 320 Johann Christian (Herzog von Liegnitz und Brieg)  55, 124, 282 Johann Georg I. (Kurfürst von Sachsen)  60, 97, 108 Johann Georg von Brandenburg (Herzog von Jägerndorf)  27, 55 Johannes Chrysostomos  251 Johannes de Capistrano (Capistranus)  47, 112 John, Johann Sigismund  367 Jordanus, Thomas  267 Joseph I. (röm.-dt. Kaiser)  167 Jungnicol, Karl Friedrich  380 Kahlert, August  343, 400, 408, 558, 559, 560 Kameke, Friedrich Paul von  175 Kampers, Franz  554 Kanold, Johann  379 Karl der Große (röm.-dt. Kaiser)  132, 287 Karl von Österreich (Bischof von Breslau)  26, 147 Karl I. (Herzog von MünsterbergOels)  78, 80, 104 Karl I. (König von England)  327 Karl II. (Erzherzog von Innerösterreich) 81 Karl II. (Herzog von Münsterberg-Oels) 138 Karl IV. (röm.-dt. Kaiser)  21, 42, 86 Karl V. (röm.-dt. Kaiser)  21, 70, 139, 258, 261, 268 Karl VI. (röm.-dt. Kaiser)  32, 33, 34, 35 Karl XII. (König von Schweden)  30 Karl Alexander von Lothringen (Gouverneur der Niederlande)  36 Karl Friedrich I. (Herzog von Oels)  29 Karlstadt, Andreas  130, 247, 248 Katharina von Österreich (Königin von Polen)  187 Kausch, Johann Joseph  220 Keller, Gottlieb Wilhelm  164, 168, 519

Kirchner, Caspar  300 Kirstenius, Michael  147, 503 Kirstenius, Petrus  57, 137, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 163, 189, 503 Klaj, Johann  299, 311, 326 Klawitter, Willy  380 Kleinschmidt, Peter  542 Kleinwächter, Valentin  108, 161, 165, 215, 505 Kleist, Ewald Christian von  387 Kleobulos von Lindos  215 Klopstock, Friedrich Gottlieb  424 Klose, Heinrich  159, 161, 164, 165, 505 Klose, Samuel Benjamin  64, 73, 172, 219, 237, 346, 354, 360, 361, 362, 363, 365, 366, 372, 389, 412, 415, 520, 526, 549 Knesebeck, Karl Friedrich von dem  65 Koberger, Anton  441 Koch, Max  417 Köckritz, Franz  255 Köler, Christoph siehe Colerus, Christopherus Königsegg und Rothenfels, Leopold Wilhelm von  395 Konrad II. (Herzog von Schlesien)  85 Konrad, Paul  492 Kopernikus, Nikolaus  242 Koppitz, Hans-Joachim  509 Körber, Abraham  289 Korn, Johann Friedrich d.Ä.  420 Korn, Wilhelm Gottlieb  218, 362, 389, 391 Kospoth, Friedrich August Karl von  65 Köstlin, Julius  49 Krantz, Gottlob  100, 110, 163, 164, 205, 222, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 367, 372, 505, 515, 546 Krautwald, Valentin  186, 242, 257 Krebs, Julius  415 Krentzheim, Leonhard  54 Kretschmer, Caspar  160 Kretschmer, Johann  167 Kreul, Nikolaus  241 Kron, H. (Holzschneider)  253 Krotinphul, Bernhardus  241

587

588

|  Personenregister

Krug (Bauinspektor in Breslau)  357 Kuhlmann, Quirinus  339 Kuhschmalz, Franz (Bischof von Ermland)  113 Kundmann, Johann Christian  133, 134, 160, 161, 163, 165, 166, 205, 213, 216, 218, 379, 499 Kunisch, Johann Gottlieb  410 Küpfender, Gottfried  166, 168, 506, 519 Kurzmann, Johann  289 Lachmann, Karl  420, 421 Ladislaus II. (König von Böhmen und Ungarn)  73 Ladislaus Postumus (König von Böhmen und Ungarn)  72 Lange, Johann  77, 80, 249 Langhans, Carl Gotthard  37, 118 Languet, Hubert  200, 270 Lappenberg, Johann Martin  504 Latomus, Sigmund  141 Lauban, Melchior  124 Lehmann, Paul  208 Leibniz, Gottfried Wilhelm  30, 99, 495 Leo X. (Papst)  257 Leopold I. (röm.-dt. Kaiser)  9, 31, 61, 320, 321, 345, 395 Lessing, Gotthold Ephraim  64, 125, 216, 306, 361, 387, 519, 538 Leuschner, Johann Christian  169, 381 Leyh, Georg  514 Leyser, Polykarp d.Ä.  93 Leyser, Wilhelm  115 Lindner, Kaspar Gottlieb  165, 368, 383, 384, 537, 550 Lipsius, Justus  200, 210, 328, 329, 335 Livius 345 Lobkowitz (Familie)  22 Lobkowitz, Zdenko Adalbert Popel von  278 Logau (Familie)  80, 262, 321, 529 Logau, Bartholomäus von  80 Logau, Friedrich von  259 Logau, Georg von  75, 80, 247, 257, 259, 260, 261, 262, 529

Logau, Kaspar von (Bischof von Breslau)  22, 80, 81, 83, 84, 259, 490, 529 Logau, Matthäus von  80 Logau und Olbersdorf, Wenzel von  80 Lohenstein, Daniel Casper von  16, 30, 62, 152, 163, 191, 281, 313, 319, 320, 321, 322, 325, 326, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 337, 339, 484, 540, 542 Loos, Jakob  119, 174, 175 Lorenz (Bischof von Breslau)  102 Löwenstern, Matthäus Apelles von  113 Lubos, Arno  530 Lucae, Friedrich  210, 213, 216 Luchs, Hermann  415, 437, 438, 439, 568 Ludwig I. (Fürst von AnhaltKöthen)  281, 294 Ludwig II. (König von Böhmen und Ungarn)  21, 259 Ludwig IV. (der Bayer, röm.-dt. Kaiser)  21 Luther, Martin  11, 24, 48, 49, 77, 88, 89, 93, 99, 104, 114, 130, 135, 170, 186, 188, 214, 215, 226, 246, 247, 248, 249, 251, 255, 260, 261, 266, 268, 269, 435, 444, 521, 530 Luxemburger (Dynastie)  9, 21 Lybisch, Kaspar  186, 511 Major, Elias d.Ä.  93, 94, 137, 144, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 157, 160, 161, 162, 172, 285, 302, 308, 325, 326, 343, 355, 503, 504, 541 Major, Elias d.J.  349 Major, Esaias  172 Major (geb. Profe), Maria  150 Manso, Johann Kaspar Friedrich  169, 387, 435, 506 Manutius (Druckerdynastie)  201, 261 Manutius, Aldus  252 Maria Theresia (röm.-dt. Kaiserin)  32, 36 Mariensüß, Bartholomäus  241 Marini, Giambattista  311 Markgraf, Hermann  227, 236, 237, 238, 341, 352, 355, 356, 363, 364, 365, 415, 526, 545, 548 Marlowe, Christopher  328 Marot, Clément  206

Personenregister  |

Masner, Karl  438, 440 Matthias (röm.-dt. Kaiser)  26, 72, 84, 278, 285, 313 Matthias Corvinus (König von Ungarn)  21, 72, 185, 241, 474 Mattuschka, Heinrich Gottfried von  400 Mauersberger, Johann Andreas  7, 8, 11, 14, 15, 16, 17, 473 Mauritius (Maurikios, oström. Kaiser)  168 Maximilian I. (röm.-dt. Kaiser)  257 Maximilian II. (röm.-dt. Kaiser)  52, 80, 84, 188, 255, 268, 483 Maximilian III. von Österreich (Hochmeister des Deutschen Ordens) 84 Mayer, David  172 Meckebach, Dietmar von  241 Meier, Georg Friedrich  387 Meinardus, Otto  239, 240 Meißner, Paul  417 Melanchthon, Philipp  14, 24, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 57, 77, 78, 87, 88, 90, 99, 104, 105, 114, 129, 130, 131, 133, 135, 137, 140, 141, 159, 177, 186, 188, 198, 199, 214, 215, 245, 246, 247, 250, 251, 252, 254, 260, 261, 268, 270, 323, 385, 435, 483, 484, 489, 490, 492, 497, 511 Melideus, Jonas  514 Mencke, Lüder  349 Menzel, Karl Adolf  221 Merboth, Nikolaus  194, 241 Mercator, Gerhard  201, 227 Merkel, Friedrich Theodor von  408, 435, 526 Mettel, Bartholomäus Georg  81 Metzler (Familie)  45 Metzler, Johannes  51, 77, 130, 131, 132, 247, 249, 260, 501, 511, 528 Meusel, Johann Georg  111 Michelangelo Buonarotti  205 Milkau, Fritz  514 Minutoli, Alexander von  438 Moibanus, Ambrosius  24, 49, 51, 78, 86, 87, 88, 89, 90, 105, 114, 118,

129, 131, 171, 186, 246, 247, 249, 250, 252, 483, 492, 493, 511 Moibanus, Johannes  133 Molanus, Gerhard Wolter  100 Moller, Heinrich  270 Monau (Familie)  45, 198, 209 Monau (geb. Holzbecher), Anna  274 Monau (Monavius), Jakob  53, 134, 136, 138, 198, 201, 254, 269, 270, 271, 272, 273, 274, 277, 278, 279, 356, 502, 515, 528, 532, 534 Monau (Monavius), Peter  267, 269, 270, 274, 532 Monau, Stanislaus  270 Monau (geb. Vogt), Susanne  274 Montaigne, Michel de  328 Monte (Montanus), Giovanni Battista da  268 Montecuccoli, Raimondo  395 Montgelas, Maximilian Joseph von  229 Morenberg (Familie)  197 Morenberg (verh. von Rhediger), Anna  197 Morenberg, Gregor  73, 197 Morgenbesser, Michael  171, 173, 519 Mörlin, Joachim  92 Mosellanus, Petrus  247 Möser, Justus Möser  425 Mühlpfort, Heinrich  16, 321, 339, 540 Müller, Christian Heinrich  401, 403, 408, 560 Müller, David  189, 190, 294 Münchow, Ludwig Wilhelm von  34 Murr, Christoph Gottlieb von  425, 426 Musäus, Johannes  99 Musäus, Simon  89, 90, 130, 493 Mussato, Albertino  243 Mylius, Georg  93 Nadus (Zedlitz de Borna), Petrus  113, 114, 118, 171, 498 Namsler, Sebastian  291 Napoleon I. Bonaparte (Kaiser von Frankreich)  41, 65, 374, 375, 420, 442 Neander von Petersheide, Karl Franz (Weihbischof von Breslau)  233

589

590

|  Personenregister

Nees von Esenbeck, Christian Gottfried Daniel  396 Nentwig, Heinrich  378, 379, 380, 381, 384 Nero (röm. Kaiser)  329 Neubert, Fritz  417 Neumann, Caspar  98, 99, 100, 109, 347, 349, 353, 495, 496, 546 Neumann, Johann Carl  383 Neumarkt, Nicolaus  46 Neumarkts, Johannes von  241, 527 Niger (Nigrinus), Antonius  50, 130, 246, 247, 250, 528 Nigrinus, Bartholomäus  56, 285 Nimptsch (Familie)  160 Nimptsch, Johann Christian  367 Nimptsch, Kaspar  115, 116 Noltenius, Johann Arnold  174, 175, 176 Noltenius, Ludwig Samuel  174 Nostiz (Familie)  31, 160 Nostiz, Otto von  337, 395 Nowack, Karl Gabriel  391, 556 Nüßler, Bernhard Wilhelm  301, 518 Oecolampad, Johannes  49 Oelrichs, Johann Carl Conrad  233, 525 Oelsner (Familie)  392 Oelsner, Johann Wilhelm  364 Oelsner, Konrad Engelbert  374, 375, 392, 553 Oelsner, Theodor  391, 392, 556 Olevian, Caspar  54 Opitz, Christoph  289 Opitz, Martin  7, 8, 15, 16, 27, 28, 29, 54, 55, 60, 77, 79, 93, 108, 125, 128, 139, 140, 152, 165, 169, 189, 190, 207, 210, 254, 270, 278, 281, 285, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 311, 312, 313, 319, 321, 322, 323, 326, 332, 354, 368, 369, 370, 383, 384, 394, 416, 504, 518, 519, 530, 534, 535, 537, 538, 551 Oporinus (Druckerdynastie)  201 Osiander, Andreas  83, 92 Ovid 123 Oxenstierna, Axel  147

Palm, Hermann  415, 416, 417, 484, 504 Pantke, Adam  112 Paracelsus 267 Paricius, Theodor  161 Paritius, Christian Friedrich  237, 350, 356, 357, 358, 359, 360, 361, 415, 441, 526, 548, 549, 563 Partsch, Joseph  380, 381, 554 Passow, Franz  433 Paul III. (Papst)  260, 261 Pein, Johann (von)  59, 160 Periandros von Korinth  215 Petrarca, Francesco  17, 317 Peucer, Caspar  105, 199, 270, 273, 274 Peuckert, Will-Erich  475 Pfeiffer, Friedrich  224, 236, 237, 526, 537 Pfister, Johann Christian von  425 Pfolimar, David  215 Pförtner und der Höllen, Ernst von  160 Piasten (Dynastie)  9, 16, 20, 22, 27, 30, 31, 123, 239, 281, 312, 320, 322, 353, 540 Piccolomini, Enea Silvio siehe Pius II. (Papst) Pico della Mirandola, Giovanni  129 Pico della Mirandola, Giovanni Franceso  87, 246, 492 Pirkheimer, Willibald  49 Pittakos von Mytilene  215 Pittich (verh. Hanke), Agnes  343 Pittich, Martin  343 Pius II. (Papst)  241 Plantin (Druckerdynastie)  201 Platon  242, 244, 245, 293 Plautus  138, 243, 254, 323 Plinius d.J.  133 Plotin 245 Plutarch  130, 131, 247 Podiebrad (Dynastie)  22 Poggendorff, Johann Christian  371 Poggini, Giovanni Paolo  206 Poggio Bracciolini, Gian Fancesco  185 Pol, Nikolaus  142, 157, 171, 410 Pol, Thomas  171 Poll, Michael  149, 159, 289

Personenregister  |

Pollich, Martin  48 Pollio, Joachim  106, 107, 108 Pollio, Lucas  106, 142, 214 Pomponius Laetus, Julius  132 Pontanus, Giovanni  9 Porto, Francesco  272 Premysliden (Dynastie)  20, 21 Pridmann, Kaspar  137, 138, 140, 503 Prittwitz und Gaffron, Bernhard von  436 Profe (verh. Major), Maria  150 Promnitz (Familie)  22, 79 Promnitz, Abraham von  278 Promnitz, Balthasar von (Bischof von Breslau)  22, 77, 78, 79, 80, 81, 83, 249, 260 Promnitz, Seyfried d.J. von  79 Ptolemäus, Claudius  253 Pucher von der Puche (Familie)  198, 270, 321 Rabener, Gottlieb Wilhelm  387 Racine, Jean  328 Radmann, Christoph  59 Rafael (Raffaello Santi)  426 Rampusch, Zacharias von  116, 218 Ramus, Petrus  54, 140, 286 Ranke, Friedrich  417 Raphanus, Wenzel  267 Raschke, Johann David  110, 219, 520 Ratke, Wolfgang  148 Rehdern, Friedrich von  255 Reiche, Samuel Gottfried  364, 403, 405, 406, 408, 409 Reichel (Familie)  45, 209, 270, 314 Reichel, Albrecht von  206 Reichel, Heinrich  160, 206 Reichel, Servatius  206 Rembrandt (Harmensz van Rijn)  206 Reni, Guido  426 Reuchlin, Johannes  257 Reusner, Nicolaus  147 Rhediger (Familie)  45, 197, 198, 199, 202, 204, 269, 514 Rhediger, Adam von  200 Rhediger (geb. Morenberg), Anna von  197

Rhediger (verh. von Bank), Anna von  198 Rhediger, Jakob von  200 Rhediger, Nikolaus I. von  197 Rhediger, Nikolaus II. von  53, 197, 198, 209, 228, 269, 270, 514, 534 Rhediger, Nikolaus III. von  198, 199, 201, 202, 273, 274, 278, 534 Rhediger (geb. Herbrot), Rosina  198 Rhediger, Thomas von  146, 180, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 227, 269, 365, 515, 516, 532 Rhediger, Wilhelm von  202 Rhenanus, Beatus  258 Rhenisch, David  154, 158, 159, 218, 289, 308, 309, 504, 538 Rhode, Johann Gottlieb  423, 435 Richel, Johann d.J.  190 Riehl, Wilhelm Heinrich  342 Riemer und Riemberg, Christian Gottlieb von  206 Riemer und Riemberg, Daniel von  164, 167, 168 Riemer und Riemberg, Gottfried von  206 Rindfleisch (Familie)  197, 198, 269 Rindfleisch (Bucretius), Daniel  140, 218, 269, 276, 290, 312, 394, 532 Rindfleisch (verh. Sachs von Löwenheim), Ursula  394 Rist, Johann  284, 326 Robespierre, Maximilien de  374 Roepell, Richard  415, 416, 437, 563 Roppan, Johann Carl  237, 526 Rosa von Rosenigk, Reinhard  59, 60, 154 Rösler, Bonaventura  160, 493 Rossbach, August  436 Rostock, Sebastian von (Bischof von Breslau)  62 Roth, Friedrich von  319 Roth, Johannes IV. (Bischof von Breslau)  22, 72, 73, 74, 113, 185, 194, 241, 256, 487 Rothe (Familie)  198 Röthel von Reichenau, Veit  202 Rother, Jeremias  289

591

592

|  Personenregister

Roux, Julius von  223 Rubens, Peter Paul  427 Rüdinger, Esrom  273 Rudolf von Rüdesheim (Bischof von Breslau)  72 Rudolf II. (röm-dt. Kaiser)  25, 26, 27, 136, 188, 194, 269, 286, 287, 491 Rüffler, Alfred  227 Rullus, Johannes  247, 251 Runge, Christian  218, 362, 367, 520 Rybisch (Familie)  45, 198, 209, 270 Sabisch, Alfred  488 Sachs, Carl Wilhelm  206 Sachs von Löwenheim, Philipp Jakob  394, 395, 396, 556, 557 Sachs von Löwenheim (geb. Rindfleisch), Ursula  394 Sagittarius, Thomas  57, 144, 147, 148, 149, 503 Salza, Jakob von (Bischof von Breslau)  22, 76, 77, 80, 88, 488, 489 Salza, Wigand von  76, 129, 241, 246 Sambucus, Johannes  272 Samocka, Marta  187 Sandeck, Abraham  138 Sannazaro, Jacopo  133 Saubert, Johannes d.Ä.  211 Sauer, Stanislaus  49, 77, 194, 257, 260, 476, 482 Sauermann (Familie)  198, 209 Sauermann, Georg  260, 262 Scaliger, Joseph Justus  146 Schäffer, Johann Friedrich  227 Schaffgotsch (Familie)  31, 160, 378, 381, 382, 385, 553 Schaffgotsch, Christoph Leopold von  62 Schaffgotsch, Johann Anton von  384, 478, 555 Schaffgotsch, Karl Gotthard von  384 Schaffgotsch, Philipp Gotthard von (Bischof von Breslau)  63, 478 Scharff, Gottfried Balthasar  382, 383, 384, 385

Scharffenberg (Druckerdynastie)  187, 188, 511 Scharffenberg, Crispin  54, 132, 187, 188, 252, 511 Scharffenberg, Johann  106, 187 Scharffenberg, Matthias  187 Scharnhorst, Gerhard von  65 Schede Melissus, Paul  273, 274 Schedel, Hartmann  441 Scheibel, Johann Ephraim  164, 205, 360, 361, 368, 371, 372, 373, 400, 505, 515, 546, 550, 551, 552 Schelling, Friedrich Wilhelm  23 Scherffer von Scherffenstein, Wenzel  305 Schickfuß, Jakob  124, 273, 352, 355 Schildbach, Ernst Sigismund  166 Schiller, Friedrich von  331 Schindler, Caspar Theophil  279 Schlabrendorff, Ernst Wilhelm von  34, 169, 374, 480 Schlabrendorff, Gustav von  374, 375, 397, 553 Schlegel, August Wilhelm  417, 418, 420, 426 Schlegel, Christoph  115, 172 Schlegel, Friedrich  417, 420, 425, 426 Schleiermacher, Friedrich  111, 418 Schmid, Christian  116 Schmidt (Familie)  209 Schmidt-Voges, Inken  503 Schöbel von Rosenfeld, Georg  16, 213, 441 Schöffler, Herbert  266 Scholtz (Familie)  114, 209 Scholtz, Christoph  93 Scholtz, David  161 Scholtz, Johann d.Ä.  114, 132, 141, 214 Scholtz, Johann d.J.  93, 108, 142 Scholtz von Rosenau, Lorenz  140, 188, 267 Schön, Theodor von  230 Schönaich, Georg von  22, 125, 278, 285, 286, 290 Schönaich, Hans Carl von (Fürst von Carolath-Beuthen)  117, 173 Schönborn, Carl  416, 502

Personenregister  |

Schramm, Thomas  514 Schücking, Levin Ludwig  417 Schultz, Chrysostomos  205, 512 Schulz-Behrend, George  369 Schummel, Johann Gottlieb  221, 222, 224, 387, 390, 520 Schuppius, Martin  233 Schwartzbach, Christoph  154 Schweinichen, Hans von  410 Schwenckfeld, Kaspar  24, 48, 123, 186, 257, 482 Scultetus, Abraham  55, 95, 96, 273 Scultetus, Andreas  61, 190, 305, 306, 538 Scultetus (von Schwanensee und Bregoschitz), Tobias  154, 312, 394, 532 Sebisch (Familie)  45, 314, 350 Sebisch, Albrecht von  169, 205 Seger, Hans  438, 439, 440 Seidel (Syndikus in Breslau)  109 Seidel, Georg d.J.  109 Seiler, Abraham  267 Semler, Johann Salomo  387 Seneca  324, 329 Senftleben, Andreas  301, 518 Senftleben, Valentin  140, 289, 300 Setzer, Johann  131 Shakespeare, William  325, 328 Sieyès, Emmanuel Joseph  374 Sigismund (röm.-dt. Kaiser)  46 Sigismund I. (König von Polen)  257 Sigismund II. August (König von Polen)  187 Sinapius, Johann  354 Singer, Hans Wolfgang  227 Sinzendorf, Philipp Ludwig von (Kardinal und Bischof von Breslau)  35, 63, 479 Skura, Adam  512, 520 Sleupner, Paul  55, 56, 285 Sleupner, Sebastian  82, 490 Smed, Georg  242 Smirziz (Familie)  286 Sohr, Wilhelm Heinrich  391, 556 Solon von Athen  215 Sommer, Caspar  353

Sommersberg, Friedrich Wilhelm von  355, 410 Spalatin, Georg  48 Spellerberg, Gerhard  540, 542 Sperling, Johann  172 Spychała, Lesław  526 Staphylus (geb. Heß), Anna  208 Staphylus, Friedrich  131, 132, 208, 501 Statius 7 Steck, Johann Georg  518 Steffens, Henrich  566 Stein, Barthel  69, 75, 86, 102 Stein, Gottlob Karl Konstantin von  422 Stein zum Altenstein, Karl vom  65, 230, 435 Steinberg, Nikolaus  136, 139, 140, 141, 144 Stenzel, Gustav Adolf Harald  223, 239, 240, 362, 410, 411, 412, 413, 414, 415, 416, 560, 561 Stenzler, Adolf Friedrich  234, 526 Stephanus (Estienne, Druckerdynastie) 201 Stephanus, Henricus (Henri Estienne) 200 Stieff, Carl Benjamin  501, 502 Stieff, Christian  164, 168 Stirius, Wolfgang  161 Stöckel, Gottfried  546 Stoppe, Daniel  383 Strachowsky, Johann Bartholomäus  559 Streit, Karl Konrad  111, 389, 390, 391, 556 Sturm, Johannes  24, 124, 270, 272 Suchten, Christoph von  257 Sudhoff , Karl Jakob  265 Suevus (Schwabe), Sigismund  114 Svarez (Schwartz), Carl Gottlieb  397 Sylvius I. Nimrod (Herzog von Württemberg-Oels) 115 Sylvius II. Friedrich (Herzog von Württemberg-Oels) 349 Szarota, Elida Maria  542 Szyrocki, Marian  536 Tacitus  30, 48, 287, 328, 329, 543 Taubmann, Friedrich  140

593

594

|  Personenregister

Tauchan, Nicolaus  241, 242 Tauentzien, Friedrich Bogislaw Emanuel von  389, 401, 559 Terenz  133, 134, 138, 139, 243, 249, 252, 254, 323 Thales von Milet  215 Thamm, Johann Georg  172, 361 Thebesius, Georg  352 Theognis 148 Thilo, Gottfried  353 Thomae, Elias  162, 163, 344 Thomas I. (Bischof von Breslau)  194 Thomas, Johann George  381, 382, 410, 554, 561 Thou, Jacques-Auguste de  286, 353 Thurzo (Familie)  73, 256, 258, 261 Thurzo, Johann  256 Thurzo, Johannes V. (Bischof von Breslau)  22, 25, 48, 69, 70, 73, 74, 75, 76, 80, 83, 87, 103, 241, 256, 258, 259, 260, 262, 488 Thurzo, Stanislaus (Bischof von Olmütz)  256, 258, 261, 529 Tiberius (röm. Kaiser)  329 Tieck, Ludwig  419, 424 Tilesius, Melchior  124 Titus (Titz), Petrus d.J.  54 Trach auf Birkau, Karl von  349 Tralles, Balthasar Ludwig  387 Troeltsch, Ernst  266 Troger, Johannes d.J.  130, 132, 250, 501, 528 Trozendorf, Valentin  50, 123, 124, 198, 500 Trunz, Erich  530, 552 Tscherning, Andreas  16, 190, 298, 301, 302, 304, 305, 308, 309, 310, 369, 512, 518, 538 Tscherning, David  8, 216, 347, 473, 518, 538 Tschirner, Karl Gottfried Wilhelm  558 Ursinus (Prediger in Breslau)  173 Ursinus Velius, Caspar  75, 80, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 528, 529 Ursinus, Zacharias  53, 54, 92, 96, 105, 132, 136, 158, 269, 270, 273, 483 Uthmann (Familie)  209, 270

Vadian, Joachim  49, 257, 260 Valla, Lorenzo  72, 133, 253 Vechner, Georg  124 Vega Carpio, Lope Félix de  328 Venediger, Daniel  56, 285 Vergil  10, 15, 123, 133, 139, 188, 242, 261, 294, 322 Verinus, Michael  252 Viccius, Friedrich  98 Vida, Marcus Hieronymus  133 Vierling, Franz  106, 289 Vierling, Matthias  289 Vigilantius, Johann Ernst  118, 119, 173 Vincentius, Petrus  135, 136, 137, 269, 502 Vinzenz von Beauvais  75 Virgilio, Giovanni del  393 Vischer, Peter d.Ä.  487 Vives, Juan Luis  252 Vogt (verh. Monau), Susanne  274 Voit, David  142 Volger, Ernst  364, 365, 366, 549, 551 Volkmar, Georg  172 Vollgnad, Heinrich  396 Voltaire 34 Vom Berge, Joachim  273, 532 Wackenroder, Wilhelm Heinrich  424 Wacker von Wackenfels, Johann Matthäus  53 Wagenknecht (Familie)  326 Wagner, Richard  424 Wallenstein, Albrecht von  22 Wallraf, Ferdinand Franz  425, 426 Walter (Bischof von Breslau)  70 Wangenheim, Gideon von  344 Wangner, Johann Georg  441 Wartenberg, Johann von  241 Wattenbach, Wilhelm  239, 240, 364, 415, 416, 437 Weber, Ananias  97, 98 Weber, Christian  115 Wechel (Druckerdynastie)  201 Weckherlin, Georg Rodolf  295, 535 Weidner (Salixius), Nikolaus  77, 260, 261 Weigel, Erhard  99

Personenregister  |

Weihner, Bartel  228, 441 Weinisch, Christian  168, 367 Weinrich, Melchior  79 Weiße, Christian Felix  387 Weller, Emil  228 Wendt, Heinrich  225, 229, 237, 550, 559 Werner, Friedrich Bernhard  441 Weyen, Doris  536 Widemann, Lorenz  107 Wilhelm I. (dt. Kaiser)  102 Willmann, Michael  427, 428 Winckelmann, Johann Joachim  425 Winkler, Andreas d.Ä.  91, 132, 133, 136, 186, 187, 247, 249, 251, 252, 253, 268, 489, 501, 511 Wissowa, August  416 Wladislaw (Herzog von Schlesien, Bischof von Salzburg)  85 Woellner, Johann Christoph von  38 Wolf, Friedrich August  418

Wolff, Christian  100 Wunster, Johann Benjamin  498, 507 Zasius, Ulrich  258 Zedlitz, Karl Abraham von  361 Zedlitz, Wenzel von  278 Zedlitz de Borna, Petrus siehe Nadus, Petrus Zeplichal, Anton Michael  400 Žerotin, Carl von  108, 209, 213, 223 Žerotin, Johann von  532 Zesen, Philipp von  284 Ziesemer, Walther  370 Zimmermann, Friedrich Albert  389, 390, 391, 407, 408 Zincgref, Julius Wilhelm  300 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von  35, 479 Zobte, Martin  172 Zollikofer, Georg Joachim  387 Zwingli, Ulrich  186, 246, 251

595

Abbildungsnachweise Johann Caspar Arletius: Historischer Entwurf von den Verdiensten der Evangelischen

Gymnasiorum in Breßlau um die deutsche Schaubühne.– Breslau: Korn 1762: Abb. 35.

Beiträge zur Geschichte des Gymnasiums zu St. Elisabet. Festschrift zur Feier der Einweihung des neuen Schulgebäudes.– Breslau: Graß und Barth 1903: Abb. 19.

Olgierd Czerner: Wrocław na dawnej rycinie.– Wrocław [u.a.]: Zakład Narodowy im. Ossolińskich 1989: Abb. 20, 37.

Richard Förster: Die Bildnisse von Johann Hess und Cranachs ›Gesetz und Gnade‹.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Neue Folge 5 (1909), S. 117–143: Abb. 13.

Richard Fuchs: Die Elisabethkirche zu Breslau. Festschrift zum 650jährigen Jubiläum.– Breslau: Graß, Barth & Comp. 1907: Abb. 14.

Nikolaus Henel von Hennenfeld: Silesiographia Renovata. Hrsg. von Michael Joseph Fibiger.– Breslau, Leipzig: Bauch 1704: Abb. 26, 27.

Joseph Jungnitz: Die Grabstätten der Breslauer Bischöfe.– Breslau: Max 1895: Abb. 8, 9.

Gottlob Krantz: Memorabilia Bibliothecae Publicae Elisabetanae Wratislaviensis.– Breslau: Steck 1699: Abb. 15.

Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Teil 1. Hrsg. von Ludwig Burgemeister.– Breslau: Korn 1930 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien; 1): Abb. 10, 11.

Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Teil 2. Hrsg. von Ludwig Burgemeister, Günther Grundmann.– Breslau: Korn 1933 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien; 1): Abb. 16, 17, 18.

Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Teil 3. Hrsg. von Ludwig Burgemeister, Günther Grundmann.– Breslau: Korn 1934 (Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien; 1): Abb. 12, 21.

Johann Andreas Mauersberger: Breßlau/ Die Weit=Berühmte Stadt/ Das Haupt Schlesiens/ Besungen Von Einem dero Treuen Söhne.– Brieg: Tscherning 1679: Abb. 1

Matthäus Merian: Topographia Bohemiae, Moraviae Et Silesiae.– Frankfurt am Main: Merian 1650: Abb. 4.

Jakob Monau: Symbolum [...] Ipse Faciet [und] Glykypikron Sive Dulc-Amarum.– Görlitz: Rambau 1595: Abb. 24, 25.

Halina Okólska, Krystyna Szykuła: Breslau auf alten Plänen 1562–1946.– Wrocław: Via Nowa 2003: Abb. 2, 3, 5.

Martin Opitz: Aristarchus sive De Contemptu Linguae Teutonicae.– Beuthen: Dörfer 1617: Abb. 28.

Abbildungsnachweise  |

Martin Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey.– Breslau: Müller 1624: Abb. 29. Prospekt der Universitätsbibliothek in Wrocław (undatiert): Abb. 23.

Hans Seger: Geschichte des ehemaligen Museums schlesischer Altertümer.– In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. Neue Folge 1 (1900), S. 1–24: Abb. 36.

Hans Tintelnot: Die mittelalterliche Baukunst Schlesiens.– Kitzingen: Holzner 1951 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte; 1): Abb. 6, 7.

… unterwegs durch die Jahrhunderte: 1293–1993. Gedenkschrift zum 700jährigen Gründungsjubiläum des Elisabetgymnasiums Breslau. Hrsg. von der Vereinigung ehemaliger Elisabetaner Breslau.– Sindelfingen 1993: Abb. 33, 34.

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Angelus_Silesius: Abb. 30.

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Wrocław_University_Main_Building: Abb. 22.

http://www.zeno.org/Fotografien: Abb. 38.

http://www.zeno.org/Literatur: Abb. 31, 32.

597

ANDREAS FÜLBERTH

RIGA KLEINE GESCHICHTE DER STADT

Die lettische Hauptstadt Riga feierte 2001 ihren 800. Geburtstag. 2014 ist Riga Kulturhauptstadt Europas. Kaum eine andere Ostseemetropole blickt auf eine ähnlich wechselvolle Geschichte zurück und zeigt derart deutlich ein von mindestens vier verschiedenen Bevölkerungsgruppen – Letten, Deutschen, Russen und auch Juden – geprägtes Gesicht. Das Buch verfolgt, wie Riga zu einem bedeutenden mittelalterlichen Handelszentrum aufstieg, wie es im 16. Jahrhundert an Polen-Litauen, im 17. Jahrhundert an Schweden und im frühen 18. Jahrhundert an das Zarenreich fiel und wie es nach 1850 schließlich zu einer pulsierenden Großstadt heranwuchs. Die unverkennbaren Narben, die das 20. Jahrhundert im Stadtbild hinterließ, waren für die UNESCO 1997 kein Hindernis, das Stadtzentrum mit seinem faszinierenden Nebeneinander von Backsteingotik, Jugendstil-Pracht und einzigartiger Holzarchitektur als Weltkulturerbe anzuerkennen. Andreas Fülberths kleine Stadtgeschichte der größten Stadt im Baltikum ist eine fundierte Informationsquelle und zugleich ein lesenswerter Reisebegleiter. 2014. 308 S. 23 FARB. U. 16 S/W-ABB. FRANZ. BR. 135 X 210 MM ISBN 978-3-412-22165-2

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

KLAUS GARBER

MARTIN OPITZ – PAUL FLEMING – SIMON DACH DREI DICHTER DES 17. JAHRHUNDERTS IN BIBLIOTHEKEN MITTEL- UND OSTEUROPAS (AUS ARCHIVEN, BIBLIOTHEKEN UND MUSEEN MITTEL- UND OSTEUROPAS, BAND 4)

Die Forschung zu drei der bedeutendsten deutschen Dichter des Barockzeitalters wird mit dieser Arbeit auf eine neue Grundlage gestellt. Basierend auf jahrzehntelanger Archiv- und Bibliotheksforschung vor allem in Polen, den baltischen Staaten und Russland präsentiert sie zahlreiche neu aufgefundene Texte von Martin Opitz, Paul Fleming und Simon Dach. Außerdem werden die historischen, bibliothekarischen und literarischen Rahmendaten zu deren Werken erhoben und eingehende quellenkundliche Dokumentationen geboten. Für Fleming wie für Dach werden dadurch auch die Möglichkeiten neuer Texteditionen aufgezeigt. 2013. XVIII, 648 S. GB. 155 X 230 MM | ISBN 978-3-412-20648-2

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar

KLAUS GARBER

DAS ALTE KÖNIGSBERG ERINNERUNGSBUCH EINER UNTERGEGANGENEN STADT

Das frühere Königsberg und heutige Kaliningrad blickt auf eine mittlerweile über 750-jährige ereignisreiche Geschichte zurück. Die ostpreußische Hauptstadt bildete über Jahrhunderte das Zentrum für herausragende geistige und kulturelle Leistungen im hohen Norden des alten deutschen Sprachraums. Der ausgewiesene Kenner Klaus Garber legt mit diesem Erinnerungsbuch beeindruckende Bilder des alten Königsbergs vor und erweckt die 1945 untergegangene Stadt für heutige Leser zu neuem Leben. 2008. 343 S. 31 S/W-ABB. AUF 24 TAF. GB. MIT SU | ISBN 978-3-412-16304-4

böhlau verlag, ursulaplatz 1, d-50668 köln, t: + 49 221 913 90-0 [email protected], www.boehlau-verlag.com | wien köln weimar