Commander-in-Tweet: Donald Trump und die deformierte Präsidentschaft [1. Aufl.] 9783658301224, 9783658301231

Donald Trump ist einer der umstrittensten Politiker unserer Zeit. Das bezieht sich einerseits auf seine Politik, anderer

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German Pages V, 136 [135] Year 2020

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Commander-in-Tweet: Donald Trump und die deformierte Präsidentschaft [1. Aufl.]
 9783658301224, 9783658301231

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-V
Präsident (Klaus Kamps)....Pages 1-9
Grundsteine (Klaus Kamps)....Pages 11-23
Kampagnen (Klaus Kamps)....Pages 25-35
POTUS – President of the United States (Klaus Kamps)....Pages 37-53
Die Post-Truth-Präsidentschaft (Klaus Kamps)....Pages 55-63
Foxworld – Trumpland (Klaus Kamps)....Pages 65-80
Der Ersatzkönig (und seine Framers) (Klaus Kamps)....Pages 81-94
Krisenkommunikation (Klaus Kamps)....Pages 95-106
Die deformierte Präsidentschaft und ihre degradierten Institutionen (Klaus Kamps)....Pages 107-114
Im Zeitalter der Subversion: Ist das Recht oder kann das weg? (Klaus Kamps)....Pages 115-119
Back Matter ....Pages 121-136

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Klaus Kamps

Commanderin-Tweet Donald Trump und die deformierte Präsidentschaft

Commander-in-Tweet

Klaus Kamps

Commander-in-Tweet Donald Trump und die deformierte Präsidentschaft

Klaus Kamps Fakultät Electronic Media Hochschule der Medien Stuttgart Stuttgart, Deutschland

ISBN 978-3-658-30122-4 ISBN 978-3-658-30123-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Springer © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Jan Treibel Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

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1 Präsident

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2 Grundsteine

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3 Kampagnen

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4 POTUS – President of the United States

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5 Die Post-Truth-Präsidentschaft

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6 Foxworld – Trumpland

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7 Der Ersatzkönig (und seine Framers)

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8 Krisenkommunikation

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9 Die deformierte Präsident­s chaft und ihre degradierten Institutionen

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10 Im Zeitalter der Subversion: Ist das Recht oder kann das weg?

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Washington D. C. präsentierte sich grau und ungemütlich kühl, als Donald Trump am 20. Januar 2017 auf den Stufen des Kapitols den Amtseid als 45. Präsident der Vereinigten Staaten leistete. »Well, that was some weird s…«1 kommentierte George W. Bush – nicht den Eid oder den Nieselregen, sondern die Antrittsrede von The Donald. Von einem Land war zu hören gewesen, das am Boden liegt. Von verlassenen Industrielandschaften und öden Feldern. Ein einziger Schrottplatz, metaphorisch gesprochen, den Trump nun aufräumen müsse: Zurück zu alter Größe. Inmitten des Establishments seines Landes bot der neue Präsident ein Kontrastprogramm der besonderen Güte – das hatte (seinen) Stil. Ein Fest der Gegensätze. Schon am Morgen nach der Wahl im November waren die Schlagzeilen Legende. Kein beifälliges Rauschen, sondern ein bedrückender Sturm im Blätterwald. Der britische Daily Mirror illustrierte seine Titelstory »What have they done?« mit einer Zeichnung der Freiheitsstatue, die sich vor dunklen Wolken eines aufziehenden Gewitters verzweifelt die Hände vor ihr Gesicht schlägt. »Trump des Willens« alarmierte Der Spiegel in seinem Aufmacher so kreativ wie brutal assoziativ: Ein Mann – eine Apokalypse. Das muss man auch erst einmal schaffen. Mit Trumps Wahlsieg feierte der »Irrsinn« fröhlichen Einstand in den Kommentarspalten westlicher Medien. Allein schon dass der Immobilienunternehmer und TV-Unterhalter sich mit seinem aggressiven Populismus, mit sei© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_1

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ner von Schmähungen und Feindbildern getragenen Kampa­ gne bei den Republikanern durchsetzte und Kandidat der Grand Old Party wurde, hatte Schockwellen ausgelöst. Mit seiner überbordenden Rhetorik, den unablässigen Attacken auf Hillary Clinton, den »Sumpf« in Washington und alle, die an ihm zweifelten, erreichte er maximale mediale Aufmerksamkeit. Und ein Publikum, das ihn (womöglich zu seiner eigenen Überraschung) tatsächlich wählte. So schlich sich am Wahlabend langsam – als North Carolina an Trump ging, Florida, Wisconsin, Michigan, Pennsylvania – so etwas wie Endzeitstimmung durch die Hintertüren des liberalen Amerikas. Es sollte eine stets laute Präsidentschaft werden: irgendwo zwischen Drama, Tragödie und Komödie, je nach Tagesform. Wer glaubte, Trump würde von der Würde des mächtigen Amtes eingeholt, der sah sich rasch belehrt. Was als Wahlkampf der Ressentiments begann, setzte sich konsequent im Oval Office als Regierungskommunikation fort. Nur ein lässiger Auftakt, wie sich zeigen sollte, als Trump gleich als erstes über seinen Sprecher, Sean Spicer, dem Pressecorps mitteilen ließ, was keine Daten hergaben: Diese Amtseinführung sei die größte aller Zeiten gewesen. Da das angesichts gegenteiliger Evidenz auf viel Unverständnis stieß, erfuhr Amerika sofort von »alternativen Fakten«: Einer stilbildenden Wortschöpfung der Präsidentenberaterin Kellyanne Conway, die damit Spicers Worte rechtfertigte und einen Zugang zur Wirklichkeit präsentierte, an den sich die Vereinigten Staaten nun gewöhnen mussten. Ein Teil des Landes, wohlgemerkt. Denn Millionen Amerikaner2 stört das wenig. Für sie ist Donald Trump offenbar jene clevere Person, von der er selbst gerne spricht (»I’m like a smart person«). Ein schlauer Geschäftsmann, der vielleicht unkonventionelle Wege geht – dafür aber aufräume mit dem Big Government-Unsinn vergangener Jahre, der nur noch blödsinnigen politischen Korrektheit der Ostküstenmetropolen und der faulen Etikette Washingtons. Trump sei ihre mächtige Stimme. Ein Mann, der Schluss mache mit dem Gequat-

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sche, endlich eine Mauer an der Grenze zu Mexiko baue (und die Mexikaner dafür zahlen ließe), unbequeme Wahrheiten ausspreche und die Dinge geradeaus angehe, also amerikanisch. Für viele Landsleute personifiziert er dagegen so ziemlich alles, was das Vokabular im Schlechten so kennt: Er sei ein kaum verhohlener Rassist, ein Chauvinist; er isoliere die USA, fahre demokratische Institutionen vor die Wand und beneide nicht einmal klammheimlich autoritäre Herrscher. Ein Schoolyard Bully sei er, der gefährlich wenig von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft verstehe, die politische Kultur mit seinen Pöbeleien verrohe, das Land weiter spalte und sich über das Gesetz stelle. Kurzum: eine unmoralische Figur. Zu allem Überfluss machten sein Narzissmus und seine kindliche Angeberei die Nation lächerlich. Peinlich genug, dass sich Psychologen immer wieder besorgt meldeten. Eine Person, die einfach nicht in die Nähe des Weißen Hauses gehöre. Notorischer Schurke sagen also einige, Heilsbringer ande­ re: In der Präsidentschaft Trumps spiegelt sich ein unversöhnliches Land, in dem die jeweils eine Seite der anderen so ziemlich alles zutraut. Diese Gegnerschaft ist nicht das Resultat der Wahl Trumps. Amerika war lange schon auf der Suche nach den Vereinigten Staaten – und ist es noch.3 Insofern steckt hinter den schon dramatischen politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in den USA mehr als eine auf und durch die Person Donald Trump konzentrierte Malaise. Trumps America First und sein Ethno-Populismus haben gleich mehrere Vorbilder in der Geschichte der Vereinigten Staaten und koppeln sich an einen Streit um die Einwanderungspolitik, der vor dem Hintergrund von sozialer Entfremdung und demographischem Wandel als Tribal Politics den öffentlichen Diskurs geradezu vergiftet. Die Radikalisierung großer Teile der Anhängerschaft Trumps im rechten politischen Spektrum ist mindestens auf die Bürgerrechtsbewegungen der 1960er Jahre zurückzuführen. Zugleich war die Globalisierung mit ihren negativen sozialen Folgen ein wichtiger Faktor für seine Wahl, auch die Finanzkrise 2008 und

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eine in der amerikanischen Mittelschicht verbreitete Enttäuschung über die Politik Barack Obamas, die Trump mit seinem ganz speziellen Blick zurück im Zorn konsequent zu verwerten wusste – und es nach wie vor weiß. Umgekehrt wird Amerika geprägt durch Donald Trump, seine Person und seine Amtsführung. Das, für sich genommen, ist durchaus konventionell: Alle Präsidenten haben die politische Kultur des Landes beeinflusst. Bei Trump sticht abseits kontroverser politischer Programme sein Auftreten hervor. Diese Form überhöhter Selbstdarstellung haben die USA noch nicht gesehen. Und das will etwas heißen. Die Regierungskommunikation dominiert Trump durch seinen auch impulsiven Gebrauch des Kurznachrichtendienstes Twitter. Dort präsentiert sich der Präsident als (zum historischen Superlativ neigender) Moderator in eigener Sache und Ausrufer denkwürdiger Gefühlswelten. Beschönigend gesprochen. An manchen Tagen finden sich gleich dutzende Botschaften im Schreistil – Nastygram Tweets4: Verbalinjurien gegenüber der Presse oder der Opposition und Personen, die seinen Zorn auf sich gezogen haben. Nicht selten reagiert Trump mit seinen Kurzbotschaften auf die Medienberichterstattung über ihn, insbesondere im Kabelfernsehen. Darin schon zeigt sich eine zentrale Konstante dieser Präsidentschaft. Worauf man sich verlassen kann – es kann in den USA nur ein Thema geben, Trump. Sein »Standing«, seine »Ratings«, seine Erfolge. Auch in den eher formalen Interviews, vorzugsweise bei Fox News, geht es oft genug weniger um die Sache, mehr um Angriffe auf Demokraten oder den Deep State: Eine vermeintliche Kabale frustrierter Bürokraten, die sich gegen seine Präsidentschaft und damit sein Amerika (wie es wieder werden sollte) verschworen hätten. Mit Twitter hat Trump scheinbar (s)eine Lösung gefunden für einen Anspruch, der die Politik schon länger umtreibt: Legitimation durch Kommunikation. Nicht allein über Wahlen, sondern auch durch permanente Öffentlichkeit rechtfertigt sich demokratische Herrschaft. Unter anderem darauf be-

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ruht die »Idee« von Presse- und Meinungsfreiheit – aber eben auch jede Art von symbolischem In-Szene-setzen. Die Politik hat daher immer schon versucht, Medien und ihr Potenzial für sich zu nutzen. Warren Harding wandte sich 1922 erstmals über das Radio an seine Landsleute. Franklin D. Roosevelt erfand so etwas wie ein Common Listening – mit den Fireside Chats: Heimelig anmutenden Radioansprachen, die die Amerikaner durch die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre begleiteten. John F. Kennedy nahm mit seinem jugendlichen Charme über das Fernsehen die Nation für sich ein. Bill Clinton schickte demonstrativ fortschrittlich im Juni 1998 dem Astronauten John Glenn eine E-Mail, als der mit der Discovery die Erde umkreiste. 2008 setze Barack Obama mit seinen Social Media-Kampagnen Maßstäbe und richtete die offizielle Kommunikation des Weißen Hauses neu aus. So formen Präsidenten das politische Gespräch des Landes (mit). Und natürlich hat das eine wichtige strategische Komponente: Wie erreicht man die Wählerschaft oder Teile von ihr – möglichst frei jeder lästiger Begleitung durch Journalisten? Insofern sind kommunikative Orientierungen nicht beiläufige Zugabe einer ansonsten an Inhalten interessierten Politik, sondern basal. Die rhetorische Präsidentschaft, die sich der Medien und Symbole ihrer Zeit bedient, musste Trump nicht erfinden. Doch transformieren die Sozialen Medien und ihre Technologien die politische Diskussion und Öffentlichkeit mehr als nur graduell und stellen ein nachgerade neues Paradigma dar, wie Menschen (und Organisationen) miteinander umgehen. Grund genug für Trump, seine Art der Nutzung von Twitter als die moderne Präsidentschaft zu verkaufen – womit er in einem ganz banalen Sinne nicht einmal so falsch liegt. Traditionelle Formen der Informations- und Nachrichtenverbreitung sind zwar nicht obsolet, haben aber ihre Dominanz in der politischen Kommunikation verloren. Und das kommt nicht ohne Preis. Denn zumindest mit Trumps Version »moderner« Regie-

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rung einher geht ein Verkündungsstil, der den emotionalen Appell an die Basis über die Routinen komplexer Politikfindung stellt. Bewährte Verfahren der Entscheidungsfindung werden angepasst an ein subversives Always Shouting-Niveau eines »one-man right-wing propaganda bureau«5, wie es der Kolumnist Thomas Frank nennt. Post-Truth-Politics: faktenbasiertes Handeln hat keine Priorität gegenüber der sehr speziellen Ökonomie der Aufmerksamkeit dieser präsidialen Machtpräsentation. Dabei ist Twitter zwar zentral – und mit einigem Recht kann man von einer Twitter-Presidency sprechen. Doch ist der Kurznachrichtendienst nur ein Instrument des medialen Orchesters, das hier aufspielt. An einem beliebigen Tag im Mai 2020 (am 14. Mai, inmitten der Corona-Krise und im anlaufenden Wahlkampf) beleidigte Trump einen Wissenschaftler des Gesundheitsministeriums, der sich kritisch zu seinem Krisenmanagement geäußert hatte. Er befeuerte eine Verschwörungstheorie um Barack Obama, der vom Kongress vorgeladen werden solle. Er machte sich lustig über seinen Gegner in der anstehenden Präsidentschaftswahl, Joe Biden – dem »schlotterten die Knie«, und wahrscheinlich wisse er nicht einmal, »ob er überhaupt noch lebe«. Zeitgleich veröffentlichte sein Wahlkampfteam im Kabelfernsehen und auf Facebook Werbe­ spots, in denen Biden als »Chinesische Puppe« bezeichnet wird, die ein Fall für das Altersheim sei. Bidens mentalen Fähigkeiten ließen stark nach.6 Alles an einem Tag: über Twitter und andere Soziale Medien, über Kurzstatements im Rose Garden und einem Interview bei einem freundlichen Sender. Begleitet von beträchtlicher Anschlusskommunikation in den Kabelnachrichten sowie den vorderen und hinteren Ecken des Internets durch die Reflexe seiner Fans. Daran hat sich Amerika gewöhnt, das ist schlicht »normal«, der Standard der nicht nur des-informierten, sondern deformierten Präsidentschaft. Wahrscheinlich ließe sich für jeden Tag seiner Amtszeit eine bunte und mitunter unterhaltsame, häufig brutale Collage an »Ideen«, Attacken oder Eigenlob fin-

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den. Einher geht diese Grundierung der Regierungskommunikation allerdings mit subversiven Effekten. Die Verletzung jeder Norm wurde zur Norm. Die Spaltung der Gesellschaft zementiert. Am Ende des Tages wird sich diese Präsidentschaft – wie jede andere – daran messen lassen, ob sie dem hehren Anspruch des Amtseides gerecht wurde: »… faithfully execute the Office of the President of the United States …«, heißt es dort. Ein solcher Eid ist mehr als ein großzügig gewährtes Versprechen. Eingebettet darin findet sich die Erwartung der Nation, der Präsident führe sie in »good faith« und »civic virtue« und verteidige die Verfassung mit Anstand, Tugend und besten Absichten.7 Dieser symbolische Appell schuldet sich der Befürchtung der Framers – wie die Gründerväter der USA genannt werden –, ein Demagoge würde in das Präsidentenamt gewählt. Nicht zuletzt darum hatten sie u. a. eine strikte Gewaltenteilung, Checks and Balances, in die Verfassung geschrieben (und ein Amtsenthebungsverfahren). So gesehen wundert es kaum, wenn viele Amerikaner ihrem Commander-in-Tweet nicht nur aus Gründen des politischen Stils kritisch begegnen. Es geht um mehr, als um die Feinheiten der politischen Auseinandersetzung. Nach knapp dreieinhalb Jahren Trump im Weißen Haus sind die Präsidentschaft, die politische Kultur und das institutionelle Gefüge der USA bestenfalls deformiert. Die Staatskarosse – um ein Bild zu wagen –, die sich Trump ausgeliehen hat, kommt reichlich verbeult daher. Und der Motor heult auf. Nicht wenige Amerikaner fragen sich, ob all das eines Tages überhaupt noch zu reparieren sei. Das bleibt zu hoffen. Wenn nun dieser Essay die deformierte Präsidentschaft untersucht, dann hat er – jedenfalls in erster Linie – weniger die teils dramatischen Geschehnisse dieser Zeit im Blick. Dazu gibt es dutzende, oft sehr zugespitzte Berichte auch aus dem inneren Zirkel des Weißen Hauses. Es werden auch nicht Waffennarren, ratlose Farmer oder frustrierte Stahlarbeiter als Trump-Wähler seziert – irgendwie muss sich

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diese verrückte Wahl doch verstehen lassen. Das mag tatsächlich ein »erschöpftes Genre« sein8. Natürlich kann vieles nicht außen vor bleiben. Jedoch konzentrieren wir uns auf das mitunter verstörend wirkende Selbstgespräch, das Amerika gerade mit sich führt – gleich ob im Netz, im Kabelfernsehens oder in den Kolumnen der New York Times oder des Miami Herald. Sind Transparenz, Diskussion und Streit in der Sache allein verblassende Vorschläge einer Welt von gestern? Und wieso ausgerechnet dieser Trump: mit seinem Hang zu Krawall und Trug und zur doch offenkundigen Demonstration kurzsichtiger Vehemenz, die wenig gemein hat mit der Idee ziviler Konfliktlösung? Dabei – das lässt sich kaum vermeiden – schwingt der Gedanke mit, ob sich nicht in Amerika etwas entfaltet, das auf kurz oder lang Europa erreicht. Der transatlantische Blick war immer schon ein Spiegelblick. Meist ein ängstlicher. In den ersten Wochen seiner Amtszeit hatte sich Präsident Donald Trump bereit erklärt, an einer Fernsehdokumentation über die Verfassung mitzuwirken – The Words that Built America. Verfassungsrichter und Präsidenten zitieren darin Textstellen der Constitution. Trump wählte den Artikel 2, also den Abschnitt, der die Macht des Amtes festschreibt und gegenüber den anderen Staatsgewalten abgrenzt. Der einstige TV-Darsteller hatte freilich Schwierigkeiten, die Stelle fehlerfrei wiederzugeben – und fand Ausreden im Dutzend: Licht, Räuspern, fehlende Coke. Sichtlich genervt erklärte Trump, immerhin sei die Sprache der Verfassung wirklich ungewöhnlich. »It’s like a different language, right? It’s like a foreign language!«9 Das war am 1. März 2017. Vielleicht konnte das damals noch humorvoll erzählt werden. Knapp dreieinhalb Jahre später reagierte Trump im Garten des Weißen Hauses auf die landesweiten Demonstrationen, die Rassismus und Polizeigewalt anprangerten, mit einer Drohung: Er werde den Gouverneuren das Militär in ihre Staaten schicken, wenn sie nicht für Ruhe sorgten. »Viele tausend schwer bewaffnete Soldaten.«10 Kurz darauf wurden nach

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einem Show of Force von Kampfhubschraubern gleich nebenan auf dem Lafayette Square Gummigeschosse und Tränengas eingesetzt, um Trump und seine Entourage den Fußweg frei zu machen zu einem, soviel Doppelsinn darf sein: Photo-Shooting. Wir beginnen im Mai 2002. Damals rief der Fernsehproduzent Mark Burnett Donald Trump in seinem Büro in der 5th Avenue an. Und da Burnett gerade in New York City eine Folge der Fernsehshow Survivor drehte, sprach nichts gegen einen spontanen Besuch.

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»The Donald« – ein Fernsehstar Mark Burnett hat das Genre »Reality-TV« nicht erfunden. Aber mit The Survivor stellte er Vorläufer wie The Real World von MTV weit in den Schatten: Rund 50 Millionen Zuschauer verfolgten im Sommer 2000 das Finale der ersten Staffel der Insel-Show. Ihr Gewinner, Richard Hatch, gilt seither als der erste RealityTV-Star. Das ist heute noch erwähnenswert, weil er das Publikum in erster Linie durch ein großartiges Talent zu Hinterlist und Intrige fasziniert haben soll; etwa so wie der Fiesling J. R. Ewing in dem 80er-Jahre-Quoten-Hit Dallas. Im Frühjahr 2004, als Burnett Trump in New York traf, plante er ein neues Sendeformat. The Survivor war etwas in die Jahre gekommen. Ein Konzept lag vor, und was er noch suchte, war eine Art Richter mit Hatch-Qualitäten. Die Idee, die ihm präsentiert wurde, hat Donald Trump offenbar sofort überzeugt. Eine Competition Show sollte es werden – The Apprentice. Woche für Woche würden sich die Kandidaten um einen Job bei ihm bemühen, und Trump würde darüber entscheiden, wer die Show verlassen müsste. »You’re fired« sollte zu seinem Markenzeichen werden. Wahrscheinlich war ihm sofort klar, was für ein Publicity-Potenzial der Vorschlag besaß. Sein Privatjet, seine Clubs, Hotels, Casinos und die Opulenz von Mar-a-Lago: Episode für Episode spielte im Trump-Imperium; und nicht zuletzt würde er selbst dem © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_2

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ganz großen Publikum zugeführt – eine Gelegenheit, die er nicht verpassen konnte.1 »Ich bin der größte Immobilienentwickler in New York« verkündete er später in den Eröffnungsszenen der Show. Das Format wurde bei NBC zur Prime Time ausgestrahlt und hatte rasch Erfolg. Zwar kam man nicht ganz an das Vorbild The Survivor heran. Immerhin aber rund 20 Millionen Zuschauer verfolgten die ersten Sendungen. Es sollten von 2005 bis 2015 insgesamt 14 Staffeln werden. Hatte man ursprünglich noch vor, auch andere Prominente wie etwa Richard Branson als Rausschmeißer zu besetzen, so sah man bald davon ab. Trump als kühler Juror erwies sich als zuverlässiger Zuschauermagnet.2 The Apprentice (ab 2008 dann Celebrity Apprentice) machte aus einem »angeberischen Richie Rich«3 aus New York The Donald ein Ankerbeispiel geschäftstüchtiger Ellbogenmentalität, das jeder im Land kannte. Allerdings war Trump schon vor der Show recht prominent gewesen; er hatte etliche TV-Gastauftritte u. a. bei Sex and the City oder Der Prinz von Bel-Air, zierte die Titelseiten diverser Magazine (einschließlich des Playboys) und trichterte dem Immobiliengeschäft, dem er durch Erbe nicht entkommen konnte, Glamour und Show ein. Seit den frühen 1980er Jahren schärfte er mit Glitzer- und Pompgeschichten sein Medien-Profil, vornehmlich als, nun ja, Skandalnudel bei Oprah, Lettermann, WrestleMania und später Fox News.4 Wie andere Prominente glaubte er offenbar, er sei tot, wenn man nicht von ihm redete. Und so soll er gelegentlich mit verstellter Stimme bei den New Yorker Magazinen als PR-Agent in eigener Sache angerufen haben, um der Stille um ihn herum zu entkommen. Als ein gewisser John Barron.5 Auch geschäftlich war The Apprentice ein deutlicher Fortschritt, nicht nur für NBC. Im Jahrzehnt zuvor hatte Trump alle Hände voll zu tun gehabt, seine Pleiten und Misserfolge zu kaschieren. Von seinem Bestseller The Art of the Deal blieb kaum mehr als der Rat, man müsse die Fantasien der Menschen nähren, und zwar mit »truthful hyperboles« – wahrhaftigen Über-

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treibungen. Das Buch markierte einen Übergang: Trump verlegte sich in den 1990er Jahren darauf, Markenunternehmer zu werden. Mit The Apprentice nahm dieses Branding-Geschäft Fahrt auf. Bald zierte sein Namen nicht nur Hotels, Ferienanlagen und Golfclubs, sondern auch Krawatten, Brillen, Portemonnaies, Schokolade, Wodka und mehr. The Donald war nun unbestritten ein Celebrity erster Güte. Über kaum einen Amerikaner sind mehr Artikel veröffentlicht worden. Trump war damals schon eine der wenigen Personen, deren Ratings mit denen der Kardashians konkurrieren konnten. Als er 2015 seine Kandidatur ankündigte, hatte er einen Bekanntheitsgrad, von dem viele Spitzenpolitiker nur träumen. Allerdings berichtete z. B. die Huffington Post von seiner Kampagne – konsequent markentreu – zunächst nur im Ressort Entertainment. Trump selbst hat später die besondere Bedeutung der Show für seine Kampagne anerkannt. Sie sei schon ein »Prominentenrummel« gewesen.6 Folgenreicher als die schlichte Aufmerksamkeit wurde indes die Figur, die er dort entwickelte. So wie The Bachelor im Grund nur die Idee ist, die eine einsame Person von der Liebe hat, so brauchte The Apprentice keinen erfolgreichen Geschäftsmann. Nur die Vorstellung davon. Trump musste ihn nur glaubhaft darstellen. Genau das konnte er authentisch (was ihn von einem »echten« Schauspieler unterschied). Er lernte oder wurde darin bestätigt, dass »blunt speaking« – die unverblümte und ungehobelte Sprache – ihm nicht nur leicht fällt (das wusste er wohl), sondern obendrein ein mächtiger Quotentreiber sein konnte. Auch Überraschung, immer aber Emotionen, Empörung, Attacke und das gegeneinander Ausspielen der Rivalen der Shows. Im Genre RealityTV zählt eben keine Höflichkeit. Manieren seien ja gerade der Fake: Das Unnatürliche, das man dort ablege, um »wirklich« zu sein. Und da The Apprentice tatsächlich die gespielte Metapher des amerikanischen Traums wurde, gab es nur wenige Gewinner und umso mehr Verlierer. Und einen, der (scheinbar) über allem stand.

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Warteschleifen? Als Donald Trump im Sommer 2015 im Foyer des Trump Tower in New York seine Kandidatur zur Präsidentschaft ankündigte, war man schon überrascht – in Europa zumindest. Amerika selbst zeigte sich eher amüsiert. Immerhin hatte Trump praktisch sein halbes Erwachsenenleben dem Land angedroht, in die Politik einzusteigen. Jetzt war es also soweit, und es wurde ein Auftritt mit Getöse. Bis dahin schien die Politik für Trump allein ein Ventil gewesen zu sein, Publizität herzustellen. 1984 erklärte er gegenüber der Washington Post, er würde gerne einmal seine Fähigkeiten in Abrüstungsverhandlungen mit den Sowjets beweisen. Deals – damals schon sein Mantra – verhandle keiner so gut wie er. Das sei »eine Kunst, die praktisch angeboren ist. Entweder man kann es, oder man kann es nicht.« Das notwendige Wissen würde er sich in »knapp eineinhalb Stunden« aneignen.7 Auch als er drei Jahre darauf in der New York Times, der Washington Post und im Boston Globe ganzseitige Anzeigen schaltete, ging es um Außenpolitik. Diesmal plädierte er dafür, das Defizit des Landes zu reduzieren, indem man reiche Staaten wie Japan oder Saudi Arabien für ihre Verteidigung bezahlen ließe. Dazu bedürfe es nur etwas »Rückgrat«.8 Im Herbst desselben Jahres sprach er auf Einladung des örtlichen Rotary Clubs in Portsmouth, New Hampshire. Und da das nur wenige Monate vor den Vorwahlen war, wurden sofort Spekulationen laut, er würde eine Kandidatur ankündigen. In Portsmouth empfing man ihn mit Beifall. Einen Unternehmer könne das Land wohl gut gebrauchen – musste dann aber erfahren, er wolle keineswegs in die Politik einsteigen: Alles offenbar eher ein Publicity Stunt, stand doch die Veröffentlichung von »Trump. Die Kunst des Erfolges« unmittelbar bevor. In den folgenden Jahren kamen Fragen nach seinen politischen Ambitionen immer wieder auf. Beinahe zwangsläufig. Denn Trump suchte als Unternehmer die Medienöffent-

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lichkeit wie kaum eine anderer. Im Frühjahr 1988 war er bei Oprah Winfrey zu Gast und äußerte sich formgerecht besorgt über den Zustand des Landes. Kandidieren wolle er zwar nicht. Aber wenn er das eines Tages doch täte, dann würde er sicher gewinnen. Wenige Monate darauf fragte ihn Larry King in seiner CNN-Talkshow am Rande des Parteitages der Republikaner zur Nominierung von Georg H. W. Bush, was er dort eigentlich zu suchen habe. »Ich will sehen, wie das System funktioniert«, antwortete Trump.9 Kurz darauf katapultierte er sich ins Zentrum einer heftigen Debatte in New York. Im April 1989 war eine junge Läuferin im Central Park brutal überfallen und vergewaltig worden. Die Polizei verhaftete fünf jugendliche Afroamerikaner, die später zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Knapp zwei Wochen nach der Tat schaltete Trump in New Yorker Zeitungen ganzseitige Anzeigen, in denen er die Wiedereinführung der Todesstrafe forderte und vor »marodierenden Banden brutaler Krimineller« warnte.10 In Fernsehinterviews präsentierte er sich als Normalbürger, der auf sein Common Sense vertraue und die Courage besitze, zu sagen, was er denkt. Jahre später, 2002, stellte sich heraus, dass die fünf Jugendlichen die Tat nicht begangen hatten. Sie wurden von der Stadt mit einer Millionensumme entschädigt. Darauf angesprochen erklärte Trump: Der Vergleich sei eine »Schande«, die fälschlich verurteilten Jungen seien in der Vergangenheit »sicher keine Engel« gewesen.11 Schwer einzuschätzen, ob diese Geschichte Donald Trump geschadet hat. Seine politischen Ambitionen schwankten in der Folge. Natürlich war er als wohlhabender Unternehmer auch als Sponsor gefragt – hielt sich allerdings zurück. Jemanden im Wahlkampf finanziell unter die Arme zu greifen, war aber mitunter Teil der Geschäftsführung.12 1999, wieder einmal bei Larry King, verkündete er einigermaßen überraschend, von den Republikanern zur Reformpartei zu wechseln. Die hatte mit Ross Perot in den zwei Wahlen zuvor beachtliche Erfolge erzielt. Er wolle eruieren, ob nun eine Kandidatur sinn-

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voll sei; immerhin erlebten die Vereinigten Staaten unter Bill Clinton ein Trauerspiel. Als Larry King nachhakte, wen er sich denn als Vizepräsidenten vorstelle, nannte Trump Oprah Winfrey. Bezeichnend für das Land, dass genau dieses Statement als Zeichen gelesen wurde, der Mann sei tatsächlich nicht ernst zu nehmen. Vielleicht hat ihn genau das sogar angestachelt. Im Januar 2000, präsentierte Trump eine Art Manifest: The America We Deserve. Darin konnte man lesen, er überlege zu kandidieren. Konkreter hatte er sich bis dahin noch nicht geäußert. Das hänge aber immer von den Chancen ab. Und da die nicht wirklich besser wurden, verliefen sich die Dinge. Es kam nie zu echten Optionen, weil Trump inhaltlich oft lavierte und sich keine Nähe zu einer der beiden aussichtsreichen Parteien einstellte. Zwischen 1999 und 2012 wechselte er gleich siebenmal die parteipolitische Orientierung. Und ab 2004 war er sowieso auf The Apprentice fixiert.

Der Birther-in-Chief Im April 2011 war Donald Trump damit beschäftigt, die neue Staffel (die elfte) seiner Show zu bewerben, häufig in den TalkFormaten des Kabelfernsehens. Die Präsidentschaft Barack Obamas hatte er überwiegend kritisch begleitet; wie viele seiner Landsleute lehnte er vor allem in Obamas Gesundheitsreform ab. Aber das wurde nicht wirklich sein Thema. Trump stürzte sich auf die Birther-Debatte: Eine Verschwörungstheorie, die knapp drei Monate, nachdem Obama seine Kandidatur angekündigt hatte, auf der Online-Plattform Yahoo Answers angestoßen wurde. Im Mai 2007 fragte sich dort ein anonymer Nutzer, wie es überhaupt sein könne, dass Obama kandidiere. Schließlich sei er ja in Kenia geboren und nicht auf Hawaii, wie er behaupte. Für einige Monate kursierte die Sache in obskuren Internet-Runden – bis Rush Limbaugh,

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ein konservativer Radiomoderator, über Umwege darauf aufmerksam wurde und dem Gedanken eine größere Bühne bot: »This birth-certificate business – I’m just wondering if something’s up. I’m telling you, this has not reached the threshold until now, and it’s popping up all over the place.«13 Interessanterweise fand die Geschichte zwar Gehör, aber wenig Anklang. Auch nicht beim Nachrichtensender Fox News, der seit seinem Amtsantritt Barack Obama äußerst kritisch beobachtete. Glenn Beck nannte die »Birther« dort »Idioten«, Bill O’Reilly »verwirrt«.14 Die Stimmen dieser Moderatoren hätten Gewicht gehabt und der »Theorie« zu einer Karriere verholfen. Obama – ein derart dreister Betrüger? Das schien (noch) etwas weit hergeholt. Bis im März 2011 Donald Trump als Gast bei der Morgenshow Fox & Friends erschien, um für seine Sendung zu werben. Das war sicher legitim, musste aber noch unterfüttert werden. Etwa mit einer politischen Kontroverse. Trump war auf der Suche nach einem griffigen Soundbite (ein Zitat, das hängen blieb) über die Birther gestolpert. Schon bald kam er an keinem Mikrofon mehr vorbei, ohne an der Herkunft des Präsidenten zu zweifeln. Und falls gerade kein Mikrofon in der Nähe war, befeuerte Trump das Thema über den Kurznachrichtenplattform Twitter, die er gerade für sich entdeckt hatte. Nun war man bei Fox zwar skeptisch; aber mit Trump und seiner crossmedialen Vermarktungsstrategie stiegen auch die Quoten. Und Trump konnte »Birther« wie kein anderer. Ihm fielen die Zitate nur so aus dem Mund: »Obamas family doesn’t even know what hospital he was born in«.15 Und bei ABC, in Good Morning America: »The reason I have little doubt – just a little – is because he grew up and nobody knew him.«16 Mit Trump und seiner Persistenz schwenkte nun ein verständnisvoller Sean Hannity, ebenfalls ein Moderator von Fox News, auf Linie: Die Umstände seien ja auch »odd«, merkwürdig.17 Warum rückt das Weiße Haus nicht mit der Urkunde raus? Im Zuge dessen flirtete Trump wie selbstverständlich mit einer Kandidatur für die anstehende Präsidentschaftswahl –

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eine sichere Strategie, um die Aufmerksamkeit der US-Medien zu halten. Und irgendwann sah sich das Weiße Haus täglich dazu aufgefordert, Stellung zu nehmen zu Äußerungen, die Trump oder andere Birther gemacht haben18: Etwa, ob Obama seinerzeit im Senat tatsächlich auf den Koran geschworen habe. Oder ob der afroamerikanische Aktivist Frank Marschall Davis sein wirklicher Vater sei. Im Weißen Haus verfolgte man die Entwicklung zunächst mit einiger Belustigung.19 Als aber Themen wie der arabische Frühling in den Nachrichten in den Hintergrund rückten, wurde man ärgerlich. Und die »Vermutung« hielt sich über Wochen: Irgendwie musste die Sache mit Obama ja einen Haken haben. Selbst, als der Präsident die Behörden bat, die Urkunde zu veröffentlichen (was schließlich geschah), blieb das Thema präsent. Ende April 2011 erkannte man dann im Weißen Haus eine »golden comedic opportunity«20: Das White House Correspondents’ Dinner stand an, und in einer Art Showdown mit seinerzeit unabsehbaren Folgen (einer später mächtigen Animosität) versuchte Obama, in Anwesenheit von Trump, die Sache humorvoll zu begraben. Vergeblich. Trump behauptete noch Jahre später, die Urkunde, die man da vorgelegt habe, könnte eine Fälschung sein. Es lebe der Konjunktiv. Sieben Jahre darauf ließ Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts und Demokratin, ihre DNA testen und das Ergebnis veröffentlichen: Trump, inzwischen Präsident, hatte immer wieder ihre genetische Verwandtschaft mit amerikanischen Ureinwohnern (Cherokee) in Frage gestellt und sie – abwertend – »Pocahontas« genannt. Allein eine bizarre Attacke? Ein Muster womöglich: Immerhin beanspruchte Trump damit erneut, die Abstammung politischer Konkurrenten in Frage zu stellen.21 Es ist viel darüber spekuliert worden, ob die Obsession Trumps, die Entscheidungen seines Vorgängers in ihr Gegenteil zu kehren, durch jene Rede Obamas beim White House Correspondence Dinner zu erklären sei. Die immense Eitelkeit,

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die Trump in seiner Amtszeit entfaltete, legt den Gedanken nahe. Dass er die Tradition brach und als Präsident eben diese Abendveranstaltung nicht mehr besuchte, mag ebenfalls mit diesem Treffen zusammenhängen, das zuletzt wohl seine vagen Überlegungen zu einer Kandidatur 2012 ausbremste. Zwei Punkte noch: Zum einen konnte er mit seinen Tweets und Retweets in dieser Zeit erfahren, dass man in der OnlineWelt keine Hotels bauen muss, um gehört zu werden. Man muss sich nicht in Studios begeben, schminken, ausleuchten und befragen lassen. Später dann mit Romneys Kandidatur ist Twitter als sein politischer Kommunikationskanal eingespielt und er fährt eine regelrechte Kampagne gegen Obama. Damals feierte er sich erstmals in einem Tweet als bester Tweeter der Welt.22 Zum anderen, zweiter Punkt zur Macht digitaler Netzwerke, vermittelte ihm die Birther-Debatte eine Idee davon, welche Tabubrüche mit welcher Aufmerksamkeitsprämie einher gingen – und wer im rechten Amerika darüber in Begeisterung verfiel. Twitter war persönlich und nahe und gab ihm quasi als Seismograph des politischen Klimas ein Gespür für ein Land, das in den klassischen Medien vielleicht weniger sichtbar war. Wenige Tage nach der Niederlage Romneys sicherte er sich die Rechte für den Slogan Make America Great Again.

Die polarisierten Staaten Dass die Birther-»Theorie« überhaupt eine derartige Debatte provozieren konnte, lag nicht allein an Trumps Hartnäckigkeit. Verständlich wird das erst vor dem Hintergrund einer politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, deren Einfluss auf seine spätere Präsidentschaft kaum zu unterschätzen sein dürfte: Die Polarisierung der USA – ein Riss quer durch die Gesellschaft. Zwar sind die Parteien hier von einiger Bedeutung, doch darf man sich das nicht nur als schwer zu überbrückende

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politische Gegnerschaft vorstellen. Die Polarisierung zeigt sich äußerst facettenreich. Ihren Ursprung sehen Politologen in der Bürgerrechtsbewe­ gung der 1960er Jahre.23 Dem Civil Rights Act und dem Voting Rights Act folgte eine als Realignment bezeichnete Neujustierung des amerikanischen Parteisystems. Wurde der Süden bis dahin vorwiegend von den Demokraten dominiert (Lincoln war Republikaner), so änderte sich das nun. »I think we just delivered the South to the Republican Party for a long time to come« – fürchtete Präsident Johnson nach der Unterzeichnung der Gesetze.24 Die Minderheitenpolitik mit ihren Affirmative-Action-Programmen spielte für dieses Realignment eine wichtige Rolle, aber auch die Wirtschaftspolitik und die in diesen Jahren schärfer werdenden Law-and-Order-Positionen der Republikaner. Hinzu kamen die Proteste gegen den VietnamKrieg, die die Diskrepanz zwischen einem konservativen, traditionellen und einem progressiven, liberalen Amerika offenkundig machten und verschärften. Parallel dazu hatten die Parteien ihre Primaries weiter geöffnet und die (Vor-)Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten für viele politische Ämter allgemeinen Abstimmungen zugeführt. Was explizit als Demokratisierung gedacht war und die Macht der Parteifunktionäre begrenzen sollte, förderte indes eine Verschärfung innerparteilicher Positionen: Denn u. a. angesichts geringer Wahlbeteiligungen wurde in den Vorwahlkämpfen die Unterstützung der aktiveren Mitglieder zusehends wichtiger – und die tendierten zu pointierteren Meinungen.25 Hinzu kam: Mit den Neuzuschnitten der Wahlkreise entstanden im Laufe der Jahre immer mehr »Hochburgen«, d. h. es ging häufig genug nur noch darum, die Primaries zu gewinnen – eben mit einer besonders strikten, vom politischen Gegner weit entfernten Agenda. Heute kennzeichnen sich die Parteien durch eine erstaunlich »strenge«, geradezu disziplinierte Homogenität. Moderate politische Standpunkte und Kandidaten sind im Kongress wie auch der politischen Öffentlichkeit eine Seltenheit gewor­

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den. Die Fähigkeit zu Kompromissen und die Bereitschaft, den Konsens zu suchen, sind kaum mehr auszumachen. Das geht einher mit einer durch die Parteineigung geprägten Problemwahrnehmung in der Bevölkerung. Das umfasst nicht nur kontroverse Issues wie die Abtreibungsdebatte, sondern auch klassische Fragen etwa der Steuerpolitik. So zeigen Daten einer Umfrage des PEW Research Center aus dem Jahr 2019,26 dass in den politischen Lagern so gut wie alles, was die US-Politik beschäftigt, vollkommen unterschiedlich bewertet wird. Rund 31 Prozent der republikanischen Parteigänger sind der Meinung, man brauche strengere Waffengesetze – gegenüber 86 Prozent der Demokraten. Nur 17 Prozent der Republikaner halten den Klimawandel für ein größeres Problem. 73 Prozent der Demokraten dagegen schon. Etwa die Hälfte der Demokraten glaubt, weiße Amerikaner würden mehr als farbige Amerikaner Vorteile in der US-Gesellschaft genießen; nur 7 Prozent der Republikaner sehen das ähnlich. Die Liste ließe sich bequem fortsetzen. Die PEW-Umfrage hat insgesamt 30 solcher Einstellungsdimensionen zusammengefasst und fand eine durchschnittliche Differenz von 39 Prozentpunkten. Nun darf man sich diesen Trend der letzten rund zwei Generationen aber nicht als lineare Entwicklung vorstellen. Er ist von zentralen Themen, der aktuellen Machtbalance im Kongress und Personen abhängig. In seiner Opposition gegenüber Bill Clinton hatte beispielsweise der Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, von den Demokraten als »the enemy of normal Americans« gesprochen27. Gingrich riet seinerzeit den jungen republikanischen Abgeordneten dazu, sich gar nicht erst in »D. C.« niederzulassen, sondern zu pendeln: Damit sie nicht Gefahr liefen, mit der Hauptstadt identifiziert zu werden. Denn das sei das andere Amerika, das elitäre, ver­ snobte Amerika der Demokraten. Etwa zu dieser Zeit der semantischen Aufrüstung begann ein jahrzehntelanger »Laborversuch in sozialer Desintegration«.28 Der Soziologe Bill Bishop hat das in seinem Buch The Big Sort als die geographische Trennung der politischen Lager

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durch Binnenmigration beschrieben. Etwa 4 bis 5 Prozent der

US-Bevölkerung zieht jährlich von einem County in ein ande-

res29 – und orientiert sich dabei auch an politischen Milieus in den Gemeinden. Dadurch haben sich im Laufe der Jahre Nachbarschaften voneinander separiert, so dass sich Menschen mit unterschiedlichen Ansichten weniger häufig auf Gemeindeveranstaltungen, in Schulen und sozialen Einrichtungen, in der Freizeit oder auch nur beim Einkauf begegnen. Dieser Trend zur Abschottung wurde dann auf den politischen Landkarten sichtbar. Etwa um die Jahrtausendwende zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die Regionen der Ost- und Westküste einigermaßen fest in den Händen der Demokraten sind (die Blue States), während das Landesinnere den Republikanern zuneigt (Red States). 2016 lebten rund zwei Drittel der Amerikaner in Landslide Counties: Wahlbezirken, in denen bei den letzten Wahlen ein Unterschied von mindestens 20 Prozent zwischen den Parteien lag. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber den 1980er Jahren.30 Das wiederum fördert die Polarisierung der politischen Programmatik, da in homogenen Wählergruppen sich häufig eben nicht die moderateren, sondern die »extremeren« Kandidaten durchsetzen. Das hat natürlich Folgen für das Miteinander in kontro­ versen Fragen. Denn der persönliche Kontakt ist für die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen, besonders wichtig. Und so haben immer mehr Amerikaner ein Problem damit, wenn ihr Nachbar der jeweils anderen Partei zugeneigt ist. Eltern entwickeln neue Formen des Entsetzens, wenn ihr Kind eine Beziehung eingeht (oder gar heiraten will) – und das potenzielle Neumitglied in der Familie folgt der falschen Fahne.31 Kaum verwunderlich, wenn es inzwischen Online-Agenturen gibt, die die Parteineigung in ihren Empfehlungen berücksichtigen oder gar in den Mittelpunkt stellen. Derartige Abgrenzungen nicht nur über Klasse und Ethnie sondern nun über Lebensstile spiegeln sich wiederum im politischen Streit. Als stilbildend gilt ein Fernsehspot der Republikaner über den Demokraten Howard Dean aus dem Wahlkampf

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2004: »Howard Dean should take his tax-hiking, government-expanding, latte-drinking, sushi-eating, Volvo-driving, New York Times-reading, body-piercing, Hollywood-loving, left-wing freak show back to Vermont, where it belongs.« Freilich: In der Rückschau wird mit der Wahl von George W. Bush die Polarisierung zwar immer deutlicher erkennbar. Aber das Land ging seinerzeit, bei allen politischen Differenzen, noch vergleichsweise friedlich miteinander um. Das war schon anders, als Barack Obama 2008 das Weiße Haus eroberte. Und das dürfte erheblich mit Fox News zusammenhängen (vgl. Kap. 6). Als der Sender etwa 2003 zum Spitzenreiter der amerikanischen Nachrichtenmedien avancierte, entwickelte man dort mit Heartland gerade eine Sendung, die zum Prototypen eines offenen Identitätsjournalismus wurde. Bemerkenswert, wie hier ein Nachrichtenmedium eine Show im Stile eines Kulturkrieges auflegte – das wahre Amerika gegen das Ostküsten-Establishment. In Obamas Chicago-Rede der Wahlnacht 2008 appellierte er noch an die Gemeinsamkeiten Amerikas: »We are and always will be the United States of America.« Mit einer Betonung auf »United«. Vergeblich. Als 2016 Donald Trump ins Amt gewählt wurde, waren die Staaten zerstrittener denn je. Empirisch gilt das übrigens nicht absolut, aber um so stärker für solche Amerikaner, die sich politisch engagieren. Und es ist dann genau diese Frontstellung, die viele Republikaner Trump und seine Politik akzeptieren lässt. Er mag ein Schurke sein. Nun gut. Aber es ist ihr Schurke.32

3   K a m pa g n e n

Ein Mediensieg Im Oktober 2008, knapp einen Monat vor der Präsidentschaftswahl, wurde John McCain in einem Town-Hall-Meeting in Minnesota mit den Vorbehalten einer Bürgerin gegenüber Barack Obama konfrontiert: »I can’t trust Obama. I have read about him. He’s an Arab.« McCain reagierte: »No, ma’am. He’s a decent family man, citizen, that I just happen to have disagreements with on fundamental issues.«1 Damit beerdigte der Senator die ländliche Veranstaltung, statt sie zu beruhigen: Er wurde von der republikanischen Basis niedergebrüllt; jeder Versuch sachlicher Diskussion scheiterte. Im Nachhinein schon rührend anachronistisch: Nicht so sehr die Fairness McCains (der im Kongress ein zentraler Widersacher von Trump werden sollte), vielmehr die tatsächliche Verwunderung in Teilen Amerikas und das Erschrecken darüber, welche Blüten die Polarisierung bereits trieb. Zwei Legislaturperioden später war das Land weit mehr gewohnt und der Vorfall in Minnesota nur ein lässiger Vorlauf. Zum Ende der Präsidentschaft Obamas benötigte man schon deftigere Positionen, um in der amerikanischen Öffentlichkeit gehört zu werden. Auftritt Trump. Als The Donald am 16. Juni 2015 im Foyer des Trump-Tower seine Kandidatur ankündigte, blieb insbesondere eine Bemer­ kung haften über Mexiko und seine Migranten: »They’re send© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_3

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ing people that have lots of problems, and they’re bringing those problems with us. They’re bringing drugs. They’re bringing crime. They’re rapists.« Vielleicht lag es an dem ansonsten strukturlosen Vortrag, dass sich die Irritationen, die Trumps Auftritt seinerzeit auslöste, primär darum rankten, ob er das wirklich ernst meinen könnte. Und wenn nicht alles täuschte, war das am Entertainment orientierte Publikum Ameri­ kas auch daran interessiert, Trump möge nur lange genug im Rennen bleiben, um die langweilige Kampagnenzeit aufzu­ peppen. Allerdings zeigte sich rasch, in dieser Ankündigung waren Rhetorik, Stil und Gehabe schon angelegt: Trumps Kampagne entwickelte sich so unerhört wie bislang keine in einem an unerhörten Wahlkämpfen reichlich erfahrenen Land. Drei Wochen nach dem Juni-Auftritt interviewte ihn Don Lemon von CNN: »Why did you have to say they’re rapists?« Trumps Antwort: »Well, somebody is doing the raping.«2 Sein Weg ins Weiße Haus dürfte schwer zu überbieten sein an freischaffender Gegnerbeschreibung und drohenden Verbalinjurien, die alle bekannten Formen des Negativ Campaigning in den Schatten stellten – und zweifeln ließen am Charakter des Kandidaten. Und während im republikanischen Lager lange darüber gerätselt wurde, ob Trump mit seiner Attitüde und seinem mitunter clownesken Stil womöglich ein politischer Hochstapler sei, begann er Tag auf Tag den Vorwahlkampf zu dominieren. Mit einer auch vulgären Mischung aus polterndem Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Nationalismus. Spätestens mit dem Super-Tuesday, dem 1. März 2016, beherrschte er dann das Rennen um die republikanischen Delegierten – und den Nachrichtenzyklus. Etwa um diese Zeit herum gingen die Fernsehsender dazu über, nicht nur Ausschnitte seiner Reden zu übertragen, sondern die Veranstaltungen in Gänze. Das umfasste gelegentlich sogar das leere Pult auf der Rednerbühne, wenn Trump die Menge auf sich warten ließ.3 Eine Facette nur, sicher, aber sie führt vor Augen, wie effizient er war mit seinen provokativen Strategien und Inhalten. Wäh-

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rend andere Kandidatinnen und Kandidaten sich anstrengen mussten, um das Interesse der Medien auf sich zu lenken, war Trump ohne jede Diskussion nachrichtenwürdig: Immer schrill, subversiv, destruktiv, skandalös. Eine Art Feuerschlucker – so Lawrence Lessig: »Capturing the eyes of those passing by because they just can’t help but watch.«4 Der Fokus auf Trump wurde da zu einer Frage der Ökonomie. Im Netz florierten Des-Information und Fake News; und in den klassischen Medien erreichten die Einschaltquoten ungeahnte Höhen. Im Februar 2016 äußerte sich Leslie Moonves, der Chef von CBS, in einem Interview: »It may not be good for America, but it’s damn good for CBS.« Der unkonventionelle Kandidat verschaffte den Nachrichtenmedien einen Rating Boom. Trump verwickelte mit hoher Frequenz seine Kontrahenten in üble Fehden und identifizierte sie mit unmoralischen Positionen. Er verletzte Normen des Anstandes und das Gebot der Wahrhaftigkeit. Bei den anschließenden Empörungsepisoden übersetzte sich dann seine Radikalität (von Beginn an das bindende Moment seines Wahlkampfs) umstandslos in mediale Aufmerksamkeit. Und um all das noch zu steigern: Jedes Insistieren auf die Regeln des Spiels prallten an ihm ab – was wiederum für sich genommen empörte und neuerliche Resonanzen hervorrief, auch online. Es zeichnete sich schon früh ab: Seine Umfragedaten korrelierten mit dieser Medienpräsenz.5 Trump erlangte im Vorwahlkampf mehr mediale Beachtung, als seine republikanischen Konkurrenten zusammengenommen. Zwar verbieten sich einfache kausale Schlüsse. Aber da sich gerade in den Primaries die Wählerinnen und Wähler auch medial orientieren, dürfte Trumps Aufstieg in der republikanischen Partei durch den Rummel um sein Auftreten unterstützt worden sein. In der kritischen Phase des Vorwahlkampfs im April 2016 wurde über ihn rund dreimal häufiger berichtet als über Hillary Clinton und etwa 16mal häufiger als über Bernie Sanders.6 Earned Media also: Trump hatte sich erheblich mehr Publizität verdient als seine politischen Gegner.

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Dabei kam ihm entgegen, dass sich der politische Journalismus der USA in den letzten beiden Dekaden einem enormen Kommerzialisierungsdruck ausgesetzt sieht. In der Folge verschärfte sich ein Trend zur Unterkomplexität, zum Sensationellen und zur Kontroverse. Ein Trend, den Trump nicht auslöste, aber perfekt bediente: Die Kampagnenberichterstattung orientiert sich länger schon weniger an den gesellschaftlichen Implikationen, mehr an der persönlichen und emotionalen Seite des Wahlkampfs und am Game Frame: der Frage, wer gerade im Rennen um eine Kandidatur oder ein Amt die Nase vorne hat.7 Ohne dass man das genau beziffern mag, kam die Kommerzialisierung des amerikanischen Mediensystems, in den traditionellen Medien wie auch in den Online-Medien, dem politischen »Stil« Trumps entgegen. Und das nicht nur durch die Spiegelung seines täglichen Bouquets an Böswilligkeiten und der Vernachlässigung der politischen Analyse.8 Sondern wohl auch, weil die Empörung über Trumps Rhetorik und Gehabe bei seinen Anhängern als Bestätigung gelesen wurde, diese liberalen Journalisten könnten oder wollten seine Sprache – »fresh, unadulterated, realspeak«9 – einfach nicht verstehen.

MAGA, America First Donald Trump hat wenig gemein mit Barack Obama. Doch sein Wahlkampfslogan – Make America Great Again – ähnelt Obamas Yes, We Can aus der Kampagne 2008: Beide sind unbestimmt, aber nicht zu vage und zugleich ein Stück nostalgisch. Seinerzeit hatte Obama Yes, We Can in seinen Wahlkampfreden in unterschiedlichen Kontexten vorgetragen. Der Slogan trug immer die Wendung zum Guten: Man könne und werde die jeweiligen Probleme überwinden. Das sei Amerikas DNA: Die Dinge anpacken und bewältigen. Trumps Make America Great Again bietet einen ähnlichen Raum für Interpretationen. Der

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Waffennarr mag sich darin wiederfinden, ein Law and OrderRepublikaner, auch jemand mit verklärtem Blick auf die USGesellschaft der 1950er Jahre. Wie erwähnt meldete Trump Anfang 2013 die Schutzrechte auf Make America Great Again an. Gerade hatte die republikanische Partei die Niederlage Mitt Romneys zu verkraften, der u. a. bei den Amerikanern mit lateinamerikanischem Hintergrund ausnehmend schlecht abgeschnitten hatte. Nun wurde intern eine Strategie entwickelt und diskutiert, ob die Republikaner sich künftig als »Big Tent Party« aufstellen sollten: Als eine Partei, die auch Minderheiten erreicht. Das stieß aber allein deshalb schon auf Widerstand, weil eine mächtige Fraktion kaum von ihrem Selbstverständnis abzubringen war, illegale Migranten müssten sofort deportiert werden. In dieser Situation redete Donald Trump im März 2013 bei der Conservative Political Action Conference. Und natürlich bezog er sich auf sein eben erworbenes Motto: »We have to make America strong again and make America great again.« Das könne die republikanische Partei, dazu müsse sie nur das Thema Immigration richtig angehen: »Because when it comes to immigration, you know that the 11 million illegals, if given the right to vote, … every one of those 11 million people will be voting Democratic.«10 Und mit der Frage der Einwanderer referierte Trump auf eine Art ethnische Panik: Die demographische Entwicklung weist darauf hin, dass spätestens 2040 die weißen Amerikanerinnen und Amerikaner mit europäischen Wurzeln nur knapp die Hälfte der US-Staatsbürger ausmachen würden. »MAGA« hat also eine ethnische Komponente und eine machtpolitische Perspektive. In dieser Zeit der zweiten Legislaturperiode Obamas wurde Trump nun häufig eingeladen, auf Konferenzen der republikanischen Partei zu sprechen, etwa beim Iowa Freedom Summit, bei Citizen United oder den Texas Patriots.11 Dabei lernte er aus den Reaktionen des Publikums und entwickelte das Argument einer Grenzmauer zu Mexiko: »I will build a Wall. Nobody builds like Trump.«12 Während solche Sätze noch humor-

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voll gelesen werden konnten – ein Immobilienunternehmer als Grenzschützer –, ist die Strategie, mit der das Land zu alter Größe zurückgeführt werden sollte, historisch weit hintergründiger: America First war in den 1930er Jahren ein Kampfbegriff gegen Präsident Roosevelt und seinen New Deal. 1940 wurde ein »America First Committee« gegründet: Anfänglich noch ein breites Sammelbecken für Isolationisten und Pazifisten, bald schon eine offen xenophobe und antisemitische Plattform, die verhindern wollte, dass die USA in einen Krieg gegen Hitler-Deutschland eintrat. Dieser historische Bezug ist kein Detail, sondern wurde im Wahlkampf hinterfragt. Allerdings setze sich eine ganz andere Perspektive durch, nach dem sich »Make America Great Again« am amerikanischen Gründungsmythos anlehnt – und damit am American Dream, einem Begriff, der 1931 vom Historiker James Adams in The Epic of America entwickelt worden war. In der Formel »Vom Tellerwäscher zum Millionär« findet sich der Gedanke bildlich wieder: Das Versprechen unbeschränkter Aufstiegsmöglichkeiten, der Glaube an einen von gesellschaftlichen und staatlichen Zwängen befreiten Aufstieg. Dieser ideellen Ebene folgt der so zukunftsoptimistische wie praktische Gedanke eines Gesellschaftsvertrages, nach dem in Amerika jeder erfolgreich sein kann, der nur hart genug arbeite. Eine in den USA enorm einflussreiche Idee. Und America First sei einfach nur das Mittel, um diesen Traum zu reanimieren. Denn allein – die Hoffnung schwand. Um die Jahrtausendwende waren es immerhin noch rund zwei Drittel der Amerikaner, die glaubten, ihren Kindern würde es einmal besser gehen als ihnen selbst. Knapp 20 Jahre darauf sind es nur noch ein Drittel.13 Nun spiegeln sich darin die Finanzkrise von 2008 und kurzfristige ökonomische Trends. Doch hatte sich auch langfristig die Kluft zwischen dem reichen und dem armen Amerika spürbar vergrößert: Während sich der Wohlstand einer kleinen Schicht vergrößerte, stagnieren oder sinken gar die Reallöhne der Mittelschicht und der unteren Einkommen seit nunmehr zwei Generationen. Das geht einher mit einer

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zurückgehenden vertikalen sozialen Mobilität: Der wirtschaftliche Aufstieg, den der American Dream verspricht, gelingt immer weniger Amerikanern. Insbesondere das Amerika jenseits der Küstenmetropolen wurde von der ökonomischen Globalisierung getroffen. Hier ließ sich die Kandidatur Trumps besonders gut als Traum verkaufen: nicht nur als nostalgischer Gedanke. Hier war und ist man ganz konkret daran interessiert, die Gemeinde wieder ans Laufen zu bringen, Drogenmissbrauch und Kriminalität einzudämmen und endlich wieder weniger Lebensmittelkarten ausgeben zu müssen. Denn die Vereinigten Staaten leiden unbestritten unter sozialen Problemen als Folge des ökonomischen Niedergangs einzelner Industrieregionen. Nur ein Vergleich: In den USA gab es 2019 rund 72 Tausend Tote durch eine Überdosis Drogen – zunehmend auch in ländlichen Räumen. Auch dadurch ist die Lebenserwartung in den letzten Jahren gefallen, was in westlichen Industriestaaten sehr ungewöhnlich ist.14 Und so gesehen erinnerte die MAGA-Kampagne mit ihrem Verweis auf eine bessere Vergangenheit eben auch daran, man habe tatsächlich Grund, sich vor der Zukunft zu fürchten. Und da Millionen von Amerikanern ein schon traditionelles Misstrauen gegenüber dem Kongress und seinen Abgeordneten, den Staat und seinen Bürokraten hegen, konnte eine Außenseiter-Figur wie Donald Trump zumindest mit Gehör rechnen. Was hatte man zu verlieren?

Flight 93 Mit Trump trete nun jemand an, der dem »vergessenen Amerika« endlich eine Stimme gebe – so eine zentrale Erzählung seiner Wahlkampagne: Er spreche für die Silent Majority (frei nach Richard Nixon), für die hart arbeitenden Amerikanerinnen und Amerikaner, die nicht gehört werden von der Führung des Landes. Nebenbei bemerkt: so »schweigend« war die-

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ses Amerika, auf das man sich da berief, eigentlich gar nicht. Die sozialen Konflikte und auch die Idee eine Culture Wars zwischen einem progressiven und einem rechts-konservativem Amerika begleiteten die Präsidentschaft Obamas lautstark und von Beginn an. Das hat viele historische Wurzeln und Facetten. 1978 beispielsweise veröffentlichte John Leboutillier, der heute als politischer Kommentator tätig ist, ein Buch mit dem Titel Harvard Hates America. Die Botschaft des Textes: In Harvard manifestiere sich die Arroganz des (demokratischen) intellektuellen Amerikas, das hochnäsig auf »Main Street Americans« herabschaue, unnütze Analysen veröffentliche, flache Unterhaltungsfilme konsumiere und eines Tages wohl auch die Bibel verbieten werde. Von Arbeitsethos keine Spur. Oder, anderes Beispiel: Gordon Liddy, der als Mitarbeiter der Nixon-Regierung die Watergate-Affäre hautnah miterlebte, schreibt in When I Was a Kid, This Was a Free Country: »There exists in this country an elite that believes itself entitled to tell the rest of us what we may and may not do – for our own good, of course. These left-of-center, Ivy-educated molders of public opinion are concentrated in the mass news media, the entertainment business, academia, the pundit corps, and the legislative, judical, and administrative government bureaucracies.«15 Polarisierung koppelt sich an Lebensstile, das wurde schon erwähnt, und hier wird deutlich: Es geht immer auch um Werte und Moral. Um amerikanische Werte, genau genommen. In den Jahren der Obama-Regierung kam hinzu, dass sich unter dem Eindruck ökonomischer Unsicherheiten gerade weiße Arbeiter und Angestellte der Mittelschicht mehr und mehr der republikanischen Partei zuwenden. Denn ein erheblicher Teil ihrer Ängste ist mit der Migrationsfrage verknüpft. Die Frage nach der Sicherheit eines Arbeitsplatzes spielt dabei ebenso eine Rolle wie die nach einer, nach ihrer amerikanischen Identität.16 Daneben zeigen seit rund zehn Jahren Analysen zum Wandel des Wählerverhaltens, dass ein größerer Teil der amerikanischen Arbeiterschaft nunmehr ei-

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nen Unterschied wahrnimmt bei den Parteien in ihrer »konservativen Haltung«, in der Frage, inwieweit Afro-Amerikaner durch Sozialprogramme unterstützt werden sollten oder eben nicht. Solche Kontroversen – schlagwortartig Makers vs. Takers – mit ihren rassistischen Untertönen sind nicht sonderlich neu in der US-Politik. Offenbar aber gewannen sie für die Frage des Wahlentscheides zuletzt an Bedeutung.17 Ein zentraler Faktor, der Trump schließlich den Weg bahnte, ist der hohe Grad der Ablehnung der politischen Eliten durch größere Teil der Wählerschaft – und zwar der Eliten beider Parteien. Trump wird zunächst nicht so sehr als Republikaner identifiziert, sondern als Reality Star und authentischer Gegenentwurf zu den Parteiprofis. Und im Nachhinein präsentierte sich seine Kampagne sowieso als logische Neuauflage von The Apprentice: Er feuerte einfach erst alle republikanischen Bewerber, nacheinander. Und dann noch die eine Kandidatin aus dem anderen Lager. Dabei fügte sich eines zum anderen: Denn wenn gerade diese Außenseiter-Position die zentrale Stärke war, dann drängte sich eine von Trump intuitiv bediente Strategie auf: Jede Erwartung zu unterlaufen und in allen Punkten schlicht anders sein. Was Trump sagte und polterte, mag unerhört gewe­ sen sein – wenn man ihn als Politiker beurteilte. Er nannte George W. Bush einen lausigen Präsidenten. Über den eigentlich als Nationalhelden gehandelten John McCain äußerte er so etwas wie Unmut. Denn der habe sich in Vietnam schließlich gefangen nehmen lassen. Und foltern auch noch. Und Romney sei der »wohl dümmste und schlechteste Kandidat in der Geschichte der Republikaner«18 gewesen. Wenn Trump in den Debatten der Republikaner auftrat, dann als Aufforderung zum Tanz mit »Lyin’ Ted« (Ted Cruz), »Little Marco« (Marco Rubio) »Low-Energy-Jeb« (Jeb Bush) – und später natürlich »Crooked Hillary« (Hillary Clinton). Derart isoliert und »direkt« versprühte Trump einen gewissen Charme an originellem Bullshit. Was bei »echten« Politikern das Ende der Karriere bedeutet hätte, forcierte seine Umfragedaten.

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Obwohl Trump nicht über Nacht in die Partei einbrach, überraschte er das republikanische Establishment dann doch mit einem unerwartet guten Ergebnis in New Hampshire; und spätestens, als er die Vorwahlen in den Südstaaten dominierte, war seine Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner nicht aufzuhalten. Der traditionelle konservative Appeal von Cruz, Rubio und Bush war nicht konkurrenzfähig. Aus dem internen Wettbewerb um eine Kandidatur hatte er einen Lagerwahlkampf gemacht: Er hat seinen Anhängern eingehämmert, sie – nicht die Anderen – würden das wahre konservative Amerika verkörpern. Und er würde für sie sprechen, weil er ihren Ärger teile, ihre Ängste kenne und natürlich kein Politiker sei. Es wurde eine Zwangsehe zwischen Partei und Kandidat, und dann eine Flight 93-Election: Das bizarre Argument, man müsse Trump wählen; zwar wisse man nicht wirklich, was komme. Aber Hillary Clinton als Präsidentin sei das sichere Ende.19 (In makaberer Anlehnung an das Schicksal von United Airlines Flug 93 am 11. September 2001, der auf einem Feld in Pennsylvania zerschellte, nachdem Terroristen ihn entführt hatten und Passagiere versuchten, die Kontrolle über das Flugzeug zurückzugewinnen.) Noch kurz nach seiner Nominierung auf dem Parteitag in Cleveland meldeten im National Review gut zwei Dutzend Strategen der Republikaner und warnten vor Trump, der nicht nur sei, wie er sei, sondern auch noch das Gegenteil von dem, was man sich 2012 vorgestellt habe zur Rettung der Partei nach Romneys Niederlage.20 Am Ende beherrschten zwei Themen den Wahlkampf. Trump wurde zwar heftig mit Charakterfragen konfrontiert, politisch dann aber mit der Migrationspolitik assoziiert – was sich sachlich liest, aber von Stereotypen, Fremdenfeindlichkeit und Vorurteilen getragen wurde, auch von Zukunftsängsten und Ungewissheiten. Hillary Clintons Thema, das an ihr kleben blieb, war die E-Mail-Affäre: Eine einerseits hausgemachte Problematik der Nutzung eines (unsicheren) privaten Servers in ihrer Amtszeit als Außenministerin; andererseits

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das Hacking und die sukzessive Veröffentlichung skandalträchtiger Mails der demokratischen Partei in der Hochphase des Wahlkampfs. Man könnte noch diverse Korruptionsvorwürfe an die Clinton-Stiftung nennen oder den Lolita Express: eine hässliche Pädophilie-Anklage des Rigth-Wing-Media-Komplexes gegen die Clintons. Schließlich machten knapp 80 Tausend Wählerinnen oder Wähler in den Battleground States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin den Unterschied und Trump doch einigermaßen unerwartet zum Präsidenten.

4   P OTUS – P r e s i d e n t o f t h e U n i t e d Stat e s

Kabinett und Kabarett Wie gemalt für alle, die der Präsidentschaft Trumps auch etwas Unterhaltsames abgewinnen konnten, versammelte sich am 12. Juni 2017 im Weißen Haus das nun vollständige Kabinett zu seiner ersten Sitzung. Es hatte sich hingezogen, alle Posten zu besetzen, und jetzt sollte die Gelegenheit genutzt werden, um nach turbulenten Wochen die Regierung als geschäftsfähige Einheit zu präsentieren. Natürlich gehören solche Termine im Weißen Haus zum Geschäftsmodell, nicht erst seit Trump. Jedoch markierte speziell diese Veranstaltung eine Regierungssitzung für die Ewigkeit. Dabei begann alles recht unspektakulär: Trump erklärte sich rund zehn Minuten lang zum erfolgreichsten Präsidenten aller Zeiten. Aber dann bat er die Minister, sich reihum vorzustellen – und es folgte ein Ausmaß hymnischer Lobhudelei, das westlichen Demokratien doch fremd ist. Vizepräsident Mike Pence dankte für das »größte Privileg seines Lebens«: »ihm zu dienen«. Ähnlich geehrt sahen sich Justizminister Jeff Sessions und Arbeitsminister Alexander Acosta. Der Saal füllte sich Minute auf Minute mit »Privileg«, »Ehre« und »ewigem Dank«. Nur Geheimdienstdirektor Coats und Verteidigungsminister Mattis wichen ab und grüßten stattdessen die Mitarbeiter ihrer Ministerien. Apropos: Ministerin Elain Chao – Transport – berichtete von der Begeisterung ihrer Ver© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_4

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POTUS – President of the United States

waltung nach dem Besuch von Trump. Reince Priebus, der im Vorwahlkampf The Donald noch als Kandidaten seiner Partei verhindern wollte, fand sich als Chef des Stabes des Weißen Hauses »gesegnet«. Milliardäre, Funktionäre, Militärs mit Kampf- und Führungserfahrung – als Stuhlkreis formiert ergaben sie sich dem feierlichen Moment, sobald der Präsident hinter sie trat und seine Hände auf ihre Schultern legte. Soweit man sich nicht gänzlich der Lage der Nation widmete, wurde 2017 auch eine Hoch-Zeit des politischen Amüsements. Bei Saturday Night Live brillierten Melissa McCarthy als Sean Spicer und Alec Baldwin als Donald Trump und führten die Sendung mit ihren Sketchen über merkwürdige Pressekonferenzen und einem Präsidenten, der Außerirdische wegen illegalen Grenzübertritts verhaften will, zu den höchsten Einschaltquoten seit 20 Jahren. Stephen Colbert, Seth Meyers, John Oliver (u. a.): Seltener waren die Zeiten einladender für politische Satire. Und damit auch niemand im liberalen Amerika die Höhepunkte des Vortages verpasse, richtete die New York Times online in medienübergreifender Eintracht ein eigenes »Best-Of« ein. Die eine Hälfte Amerikas erholte sich – so gut es ging – vom Wahl-Schock, indem es sich um Kopf und Kragen amüsierte. Und Trump lieferte: Die Palette der Merkwürdigkeiten reichte vom post-literaten Präsidenten, der nicht liest (dafür aber Unmengen Cheeseburger vor dem Fernseher vertilgt), bis zu einsamen Fußstreifen im abendlichen Weißen Haus (was sofort als Fake dementiert wurde). Debakel, Eklat, Chaos: Zeitgleich entwickelte sich das Vokabular der Nachrichtenmedien zu einer eigenen TrumpPhilologie.1 Zahllose undichte Stellen (Leaks) berichteten vom Fiasko der Übergangsphase und einem sinnfreien Geschäftigkeitstaumel der ersten Monate. Und davon, dass Teile des Weißen Hauses permanent damit beschäftigt seien, das Schlimmste zu verhindern, etwa Rechtsbruch. Man musste schon sehr auf Fox News fokussiert gewesen sein, um zu verpassen, wie problematisch sich die Amtsführung gestaltete:

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Dass der Präsident keine Briefing-Unterlagen lesen will und schriftliche Vorlagen in Häppchenform vermittelt werden, um seine Aufmerksamkeitsspanne nicht zu überdehnen, mag eine erheiternde Facette gewesen sein. Irritierender schon, als Notizen von Trumps erstem Treffen mit den Spitzen des USMilitärs publik wurden: Der Präsident (selbst ohne jede Militärdienstzeit) habe die versammelten Generäle und Admirale beschimpft, weil sie keine Kriege mehr gewinnen würden: »Ihr seid nichts als ein Haufen Weicheier und Babys.«2 Außenminister Tillerson soll noch versucht haben, die Offiziere zu beschwichtigen (als Trump gegangen war): »He is a f… moron« – ein Vollidiot sei er, oder milder: ein Einfaltspinsel. Beruhigend klang das schon damals nicht. Und das war nur eine Anekdote unter vielen. War schon die Amtsübergabe chaotisch, so wurde es in den Folgemonaten nicht besser. Liberale Zeitungen wie etwa die Washington Post hatten kurz nach der Wahl in längeren Analysen die Hoffnung genährt, die Würde des Weißen Hauses und die Professionalität der Beamten würden den unkonventionellen Kandidaten zum Guten verändern. Und dann müsse man eben mit einem ungewöhnlichen Präsidenten leben. Spätestens im Herbst 2017 begannen die ersten Profis aufzugeben. Und irgendwann im Sommer 2018 hatte der »letzte Erwachsene« (so das gängige Bild in den US-Medien) die Regierung ver­ lassen.

Washington Apprentice Donald Trump machte da weiter, wo er vor der Ankündigung seiner Kandidatur aufgehört hatte. Die Burn Rate hochrangiger Mitarbeiter war höher denn je: Im ersten Jahr seiner Präsidentschaft verließen 43 Prozent des Senior Staff das Weiße Haus oder die Regierung oder wurden gefeuert. Zum Vergleich: Bei Obama lag diese Rate im selben Zeitraum bei neun Prozent,

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bei George W. Bush sogar nur sechs Prozent. Plastischer kann man die Konfusion des ersten zwölf Monate kaum fassen: Bis Ende 2017 erlebte Washington im Schnitt alle neun Tage ein »major firing« oder einen freiwilligen Rückzug.3 Michael Flynn, Trumps Nationaler Sicherheitsberater, musste schon im Februar nach nur wenigen Wochen seinen Hut nehmen, weil er auch innerhalb der Regierung über seine Kontakte zum russischen Botschafter gelogen hatte. Die Kündigung von FBI-Direktor James Comey im Mai 2017 fällt ebenfalls in den Kontext »Russland«. Trump brüstete sich danach gegenüber dem russischen Botschafter, der zufällig vorbeischaute, er habe den Chef des FBI gefeuert. Der sei verrückt gewesen. Und ein Spinner.4 Keinerlei beifällige Worte folgten auch dem Abgang von Justizminister Jeff Sessions (im November 2018, nach den Kongresswahlen). Ihm wurde lange öffentlich zugesetzt von Trump und seinen Unterstützern, weil er sich in der Russland-Affäre für befangen erklärt hatte und die Aufsicht über die Ermittlungen seinem Stellvertreter überließ (vgl. Kap. 7). Eine zentrale Personalie für die Organisation des Weißen Hauses selbst wurde Reince Priebus. Der ehemalige Vorsitzende des Republican National Commitee musste bereits Ende Juli 2017 gehen. Priebus, so sahen das Insider, hatte keine Rückendeckung im Haifischbecken, das das Weiße Haus in jenen Wochen offenbar war. Vor allem Jarred Kushner und Trumps Tochter Ivanka lagen mit ihm über Kreuz und sollen seine Ablösung forciert haben. Ersetzt wurde Priebus von John Kelly – und der feuert gleich am ersten Tag Anthony Scaramucci, genannt The Mooch: Ein schillernder »Kommunikationsberater«, der rekordverdächtig wenige elf Tage Zugang zum West Wing hatte. Scaramucci hatte den Bogen überspannt und dem New Yorker ein Interview gegeben. Eine »Operette aus Trunkenheit und Pressebeschimpfungen«5, in dem er u. a. über Steve Bannon herzog (auf vulgäre Weise). Da hatte er sich selbst schlecht beraten. Überhaupt war und ist die Kommunikationsabteilung eine

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ganz eigene Baustelle. Der unglücklich agierende Sean Spicer flüchtete geradezu, als sich Scaramucci einstellte. Mit den Übergangslösungen gerechnet, verschließ Trump bis Anfang 2020 sieben Kommunikationsdirektoren. Mike Dubke, Trumps erster Director of Communication, blieb gerade einmal drei Monate im Weißen Haus. Strategische Kommunikation unter Trump – schwierig. Im besten Fall bleibt es beim MikroManaging durch das Oval Office; im schlimmsten Fall lässt Trump, der immer schon Wert auf seine öffentliche Erscheinung legte, seinen Frust über Kritik an seiner Amtsführung an der Medienabteilung aus. Die sei einfach nicht auf seinem professionellen Niveau. Einer der politisch bedeutsamsten Rücktritte dürfte der von Gary Cohn gewesen sein. Er verließ die Regierung im März 2018 im Streit um die protektionistische Handelspolitik von Trump. Cohn, früher eine Goldman Sachs Investmentbanker, konnte den Präsidenten nicht von seiner Linie abbringen, Strafzölle auf befreundete Staaten auszusprechen. Etwa zeitgleich wird Rex Tillerson entlassen – per Tweet. Tillerson hatte gerade noch Zeit, sein Büro im State Departement zu räumen, bevor Trump sich in einem Interview über ihn hermacht: »Er war dumm wie Brot, und ich konnte ihn gar nicht schnell genug loswerden. Er war faul ohne Ende.«6 Ebenfalls noch im März 2018 verließ der als moderat geltende Sicherheitsberater Herbert R. McMaster das Weiße Haus. Seine Briefings hätten den Präsidenten gelangweilt, hieß es. McMasters hatte dann noch seinen Moment: eine Tischrede im Nordatlantikrat, sein letzter Termin als Vertreter der USA: »Wären Sie lieber Teil eines exklusiven Clubs von Autokraten, die ihre Treffen abwechselnd in Moskau, Teheran, Damaskus, Havanna, Caracas und Pjöngjang abhalten, oder würden sie lieber zu einem Club freier Völker gehören, die staatliche Souveränität, individuelle Rechte und die Herrschaft des Rechts anerkennen? Ich glaube unser Club ist der bessere.« In den heftigen Applaus des Publikums hinein bedankte sich der Präsident des Nordatlantikrates, Frederick Kempe, für diese

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»unüberhörbare Stimme der Klarheit«.7 Wie gesagt, es war McMasters letzter Auftritt. Einige minder prominente Fälle häuften sich bis Ende Dezember 2018. U. a. musste der eh schon umstrittene Scott Pruitt seinen Posten als Chef der Umweltbehörde EPA über eine Reihe persönlicher Skandale aufgeben. Innenminister Ryan Zinke ging geplagt von Untersuchungen zur Rechtmäßigkeit diverser Policy-Entscheidungen. Gesundheitsminister Tom Price stolperte über eine Spesenaffäre. Dann, kurz vor Weihnachten, zwei lautere Paukenschläge. John Kelly, der als Nachfolger von Priebus das Organisationschaos im Weißen Haus beseitigt hatte, musste seine Position räumen. Er hatte zu viel Unabhängigkeit vom Präsidenten demonstriert – und ihn öffentlich korrigiert. Und schließlich Verteidigungsminister James Mattis. Für ihn war das Maß voll (es hatte sich einiges angesammelt), als Trump seine einsame Entscheidung bekannt gab, US-Truppen aus Syrien abzuziehen und verbündete Kurdenverbände im Stich zu lassen. Nach Ansicht von Bob Woodward war Mattis nicht nur der »letzte Erwachsene«, der nun die Regierung verließ. Mit ihm sei auch die letzte »Nanny« gegangen.8 Washington Apprentice – und es blieben Jared Kushner und die First Daughter. In ihnen personifiziert sich Trumps Generalklausel: Loyalität. Und da man die selten mit vorgehaltener Waffe einfordern kann, liegt ein familiärer Unterbau des offiziellen Organigramms nahe. Mag man die beratende Rolle von Ivanka Trump etwas nachvollziehen können, so ist der Schwiegersohn deutlich umstrittener. Trump betraute ihn mit Sonderaufgaben: Zu Israel, Saudi Arabien – und dann noch zur Freude der Chinesen mit ihrem Land. Denn Kushner agiert(e) ohne Rückgriff auf das diplomatische Corps oder die Sicherheitsdienste. Über seine Rolle in der Corona-Krise muss später kurz gesprochen werden (vgl. Kap. 8). Trumps Entscheidung, FBI-Direktor James Comey zu feuern, soll ebenfalls von Kushner »inspiriert« worden sein. Die »dümmste Entscheidung der jüngeren Geschichte« kommentierte das Stephen Bannon Ende 2017 in einem Interview.9

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Bannon, ultrakonservativer Berater und Mitglied des nationalen Sicherheitsrates, gefeuert im August 2017, gehört mit seinem Nachfolger John R. Bolton, gefeuert im September 2019, noch zu den bekannteren Ex-Mitarbeitern von Trump. In die Reihe einigermaßen prominenter Ehemaliger gehören noch Kirstjen Nielsen, die als Homeland Security-Ministerin Trumps strickte Migrationspolitik nicht umsetzen konnte, oder Alexander Acosta, Arbeitsminister, der über die Causa Jeffrey Epstein stolperte. Die Liste ließe sich fortsetzen, vor allem, wenn man noch die Führungsebenen der für das USGovernment so wichtigen Agencies einbeziehen würde. Die Fluktuation in der Regierung Trump ist ungebrochen hoch. Washington Apprentice also? – Das ist etwas überzogen und relativ zu sehen. Sicher aber spielt Trump die Karten seiner Organisationsmacht voll aus und gewährleistet damit, dass Minister, Berater, Direktoren seine Minister, Berater, Direktoren sind.

Medien Wenn die erste Phase der Präsidentschaft die kreative Unterhaltungsindustrie der Late Night Shows gefördert hat, so gilt das ebenso für die Nachrichtenmedien. Seine Zeit im Weißen Haus verbindet sich mit steigenden Einschaltquoten und Abonnentenzahlen – ein »stimulus package«10 nachgerade für die klassischen Medien. Schon während der Kampagne hatte Trump »die Medien« u. a. als »sick« beschimpft. Und Reporter, die seinen Wahlkampf begleiteten, wurden häufig von seinen Anhängern (nicht immer nur verbal) attackiert.11 Die Beziehung des Entertainment-Stars Trump zu den Nachrichten-Medien war also reichlich angespannt, als der Präsident gleich zu Beginn seiner Amtszeit an einem Februarmorgen 2017 einen stilbildenden Tweet platzierte: »The FAKE NEWS media (failing @nytimes, @NBCNews, @AbC, @CBS,

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@CNN) is not my enemy, it is the enemy of the American People!«12 So gut wie jeder US-Präsident lag früher oder später in einem Clinch mit den Medien, hatte gegen sie gewettert oder sich über unkorrekte oder missverständliche Bericht geärgert. Gelegentlich sogar deftig beschwert: George W. Bush nannte im September 2000 einen Reporter der New York Times »major league asshole«.13 Die Latte lag hoch, aber Trump führte das Medien-Bashing trotzdem zu neuen Höhen – nachgerade als Manifest seiner Präsidentschaft. Dass er dabei auf das Vokabular Stalins und der Faschisten zurückgriff, schockierte anfangs selbst Fox-Moderator Chris Wallace, der sich erschüttert zeigte und vom Präsidenten Mäßigung einforderte. Vergeblich, wie wir wissen. Ausfälle gegenüber Medien und einzelne Journalisten wurden Standard. Aber Fox war beruhigt, denn der Präsident nannte und nennt die jeweiligen »Feinde« meist mit Namen. Wie sich zeigen sollte, hatte der Ansatz Strahlkraft: Trumps »Medienkritik« übersetzte sich sofort als gouvernmentales Erzählmuster. Berater wie Minister, Pressesprecher und Kommunikationsdirektoren stimmten in den Chor ein, die Familie sowieso und dann auch irgendwann republikanische Mitglieder des Kongresses und konservative Medien (vgl. Kap. 6). Kaum jemand im rechtskonservativen Amerika macht sich offenbar Gedanken über die demokratiepraktische Funktion der Medien. Bei aller denkbarer und verständlicher Kritik an Negativismus, dem Hang zum Sensationellen, unsauberer Recherche usf.: Für die offene, transparente Diskussion einer modernen Gesellschaft, einer demokratischen sowieso, sind unabhängige Medien eine notwendige Bedingung. Und das sollten die Amerikaner mit Blick auf ihre eigene Geschichte eigentlich wissen. Denn der politische Journalismus in den USA ist eng verbunden mit der amerikanischen Revolution: Lokale Zeitungen waren zentral für die Kritik an der britischen Kolonial- und Steuerpolitik. Kaum zu unterschätzen ist die Rolle der Medien für die Verbreitung des Republikgedankens selbst. Die Meinungs- und Pressefreiheit finden sich daher nicht zu-

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fällig im ersten Verfassungszusatz. Die Presse als »vierte Gewalt« oder die Metapher von Information als »Währung der Demokratie« (Thomas Jefferson) sind Ideen, aber eben auch praktische Mechanismen der Republik. Von einem solchen Verständnis ist man heute weit entfernt. Hatten anfangs noch Attacken Trumps z. B. auf Aussehen, Intelligenz, Gehabe und Organisation von einzelnen Reportern auch bei Republikanern für Empörung gesorgt, so verstummten solche Stimmen mehr und mehr. »Lamestream«, »Failing xy«, »Fake News«: inzwischen reine Präsidentschaft-Routine. »Democracy dies in darkness« lautet inzwischen das Motto der Washington Post, und die New York Times schaltete anlässlich der Verleihung der Oscars 2017 einen Werbespot mit der Botschaft: »The truth is more important now than ever.« Die »Haltung« Trumps gegenüber bestimmten Medien schlug sich unmittelbar nieder in der Routine der Pressekonferenzen des Weißen Hauses. Marginal eigentlich nur, dass er und seine Medienabteilung mit Konventionen brach und z. B. nicht mehr die Associated Press zur ersten Frage aufrief; oder wenn Hintergrundgespräche mit Breitbart News geführt wurden, während liberale Medien wie selbstverständlich ausge­ schlossen blieben. Spannend ist die Entwicklung, die das tägliche Briefing des Washingtoner Presse-Corps nahm. Zum einen Trumps Auftritte im Presseraum selbst: Sie wurden immer seltener. Lieber begab sich der Präsident in heimelige Interviews bei Fox News oder One America News Network. Oder, natürlich, er »informierte« die amerikanische Öffentlichkeit direkt über Twitter. Was, nebenbei bemerkt, gelegentlich zu Missverständnissen führte, wenn im Pressebriefing gerade gegenteilige Positionen bekannt gegeben wurden. Als im Sommer 2017 Sean Spicer von Sarah Huckabee Sanders abgelöst wurde, da hoffte man im White House Press Corps auf etwas Entspannung. Denn Sanders war eigentlich für ihre ausgeglichene Art bekannt. Allerdings änderte sich das rasch, als klar wurde, sie bliebe eine äußert loyale Bera-

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terin des Präsidenten. Einem christlichen Fernsehsender sagte sie einmal, »God wanted Donald Trump to become president«.14 Und dementsprechend gefällig wiederholte und stützte sie alles, was der Präsident so von sich gab. Auch die Beschimpfungen. Damit war das Pressebriefing als Routine der US-Regierungskommunikation und des politischen Journalismus schon nach einem Jahr schwer angeschlagen. Effektiv getötet hat diese Institution Stephanie Grisham, die im Juni 2019 als Nachfolgerin von Sanders berufen wurde – und keinerlei Pressekonferenz mehr gab. Wenn überhaupt Grisham Kontakt mit Journalisten aufnahm, dann in Fernsehinterviews mit den freundlichen Moderatoren bei Fox News oder One American Network News. Formelle Briefings wären ja ansonsten nicht nötig. Schließlich würde der Präsident, alles was wichtig sei, sowieso über Twitter mitteilen.

Die Twitter-Präsidentschaft Das Twitter-Profil @realDonaldTrump wurde im März 2009 von einem Öffentlichkeitsmanager der Perseus Books Group angelegt und in seinem Namen geführt, um Trumps Buch Think Like a Champion zu promovieren. Vornehmlich als PR-Instrument gedacht, wurden auf dem Account Ausschnitte des Buchs veröffentlicht, Autogrammstunden angekündigt oder Auftritte Trumps z. B. bei Larry King. Und natürlich lag ein Fokus auf der Begleitung von Celebrity Apprentice. Bis 2011 blieb Trumps Profil unpolitisch und mit eher niedrigen FollowerZahlen. Am 27. Januar 2011 dann Trumps erster politischer Post: »The people at shouldtrumprun.com have got it right! How are our factories supposed to compete with China and other countries (…) when they have no environmental restrictions! America’s workers need us.«15 Shouldtrumprun? Ein PR-Stunt

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womöglich, eine selbst initiierte Seite wahrscheinlich, auf der über seine Präsidentschaftskandidatur 2012 spekuliert wurde. Insbesondere wurde es dann, wie erwähnt, die Birther-De­ batte um Barack Obama, die Trump nicht nur ausgiebig be­ feuerte und zur Promotion der eigenen Show nutzte, sondern ihn selbst dem Kurznachrichtendienst Twitter näher brachte und seine Follower-Zahlen kräftig ansteigen ließ. Mit dieser Debatte steigerte er die Frequenz seiner (nun persönlich aufgesetzten) Tweets erheblich; im Februar 2013 war dann ein erster Höhepunkt erreicht – und zwar fast ausschließlich mit Kritik an Obama. Danach lassen Trumps Twitter-Aktivitäten nach; mit seiner Kandidatur nutzte er ab 2015 die Plattform wieder stärker. Im Durchschnitt kam er im Kandidatenjahr 2016 auf rund 200 Posts pro Woche. Diesen hohen Takt behielt er (entgegen mancher Erwartungen) nach der Wahl bei. Damit ist er wohl weltweit der Regierungschef, der den Kurznachrichtendiensten am intensivsten nutzt. Dabei fallen einige Besonderheiten auf. So verwendet er Twitter im Grunde genommen immer noch als TV-Persönlichkeit, Zuschauer und Kritiker. Ein erheblicher Teil seiner Tweets bezieht sich auf Dinge, die er im Fernsehen hört und sieht, seien es nun kritische Punkte oder solche, die ihm gefallen. Er kommentiert die Shows als Fernseh-Produzent: Er beurteilt Drama, Ästhetik, Performanz der Moderatoren oder Protagonisten. Er lästert gelegentlich sogar über Dinge, die er gar nicht kennen will: Saturday Night Live z. B., obwohl er die Sendung vorgeblich nicht verfolgt – »I don’t watch.« Und er weiß die beiden Medien zu koppeln: Je mehr die Kabelsender dazu übergingen, seine Tweets als Breaking News zu behandeln, umso feiner wurde seine Ansprache in den Posts abgestimmt auf die Bedürfnisse der Redaktionen. Und dann kommentiert er die TV-Kommentare zu seinen Tweets, die dort als Sensation verarbeitet wurden. Regelmäßig tobte er sich dabei auf der Grundlage seiner Immunität aus: Bis vor kurzem fielen seine Posts bei Twitter

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grundsätzlich nicht unter Vorgaben gegen Hass, Hetze, Beleidi­ gung oder Lüge – weil er als Politiker beurteilt werden sollte. Und diesen Ansatz (der gegenwärtig überdacht wird) nutzte er leidlich: In rund der Hälfte seiner Posts attackierte er Personen oder Organisationen. Dabei reden wir nicht von ein paar Dutzend oder wenigen Hundert solcher Angriffe. Die New York Times hat das analysiert: Drei Jahre im Amt kam Trump danach auf 5889 Posts, die darauf abzielen, politische Gegner oder Institutionen zu beleidigen oder bloßzustellen.16 Keine andere inhaltliche Kategorie kommt dem nahe. Und selbst das sinnbildlich für seine Präsidentschaft: An zweiter Stelle folgen Tweets (1159) über die Immigration und den Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko Andere Politikfelder wie die Steuer-, Gesundheits-, Sicherheits- oder Außenpolitik werden allerdings auch bedient. Trumps Twitter-Verhalten wird zwar stark geprägt von antagonistischer, aggressiver Kommunikation. Aber es finden sich immer wieder policy-orientierte Posts, in denen er mehr oder weniger nüchtern Stellung nimmt. Vergleicht man seine Twitter-Aktivitäten mit anderen kommunikativen Modalitäten, wie etwa Pressestatements, Interviews, Reden, dann zeigt sich: Gerade Neuheiten, Ankündigungen u. Ä. bleiben Twitter vorbehalten. Folgerichtig ist der Dienst auch sein Personalbüro: Den Abgang von rund zwei Dutzend Spitzenbeamten oder Top-Beratern erfuhr die Nation (und manchmal die Person selbst) zuerst über @realDonaldTrump. Es ist viel spekuliert worden, insbesondere angesichts der schieren Masse an Posts und Re-Tweets, wer da noch an dieser fleißigen Produktion beteiligt sein könnte. Offenbar wird er während der Bürozeiten tatsächlich unterstützt. Aber immer hat Trump das letzte Wort. Das ist nicht nur sozial interessant, sondern auch formell – denn das Weiße Haus hat inzwischen die Tweets des Präsidenten als offizielle Statements des US-Präsidenten deklariert. Und die müssen entsprechend dokumentiert und archiviert werden. Dazu gehört dann wohl jener Post mit dem er den nordkoreanischen Diktator Kim Jong

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Un daran erinnerte, auch er hätte einen Knopf, mit dem er nukleare Waffen bedienen könne. »I too have a Nuclear Button, but it is a much bigger & more powerful one than his, and my Button works!« Dieser Tweet steht beispielhaft für die politischen Dimen­ sionen, die seine Twitter-Presidency in sich birgt. Da wäre zum einen das für die Medienorientierung moderner Politiker schon traditionelle Umgehen von Journalisten. Das ist die schlichteste Funktion. Offenkundig kann sich hier die Öffentlichkeit oder ein bestimmter Adressat ohne jede vermittelnde Stelle (und kontextlos) ein Bild von Meinungen, Vorhaben, Anliegen u. Ä. machen. Wenngleich in stark verkürzter Form und mit einer Aufmerksamkeitsprämie für emotionale oder humorvolle Tweets, wohl auch für Attacke und Bullshit. Zum zweiten handelt es sich um eine Machtgeste mit der eigentlich komplexere politische Entscheidungsprozesse ausgehebelt werden. Der Tweet manifestiert unmittelbar und für alle sichtbar einen machtpolitischen Anspruch des Präsidenten. Der Medienwissenschaftler Nick Couldry von der London School of Economics hat das einmal als zeitgemäße Form des fiat beschrieben, des königlichen Dekrets, mit der der Herrscher die Dinge diskussionslos festsetzt. Und an dem sich alle anderen gefälligst zu orientieren haben. »Wir gewöhnen uns an Trumps Weg, nicht nur eine politische Kampagne aufrechtzuerhalten, er macht auf diese Weise Politik. Wir wachen auf mit Nachrichten über die nächsten Staaten, Unternehmen, Institutionen oder Personen, die in das Kreuzfeuer seiner Tweets geraten. Firmen und Investoren richten, ›Twitter-Reaktions-Abteilungen‹ und ›Twitter Trigger‹ ein, für den Fall, dass der nächste Tweet auf sie gerichtet ist.«17 Eine besondere Form dieses Rule-by-Tweet ist dann der digitale Pranger, der wie gesagt etwa die Hälfte seiner Posts ausmacht. Ohne dieses Instrument des neuzeitlichen fiat wäre das wichtigste Projekt seiner Amtszeit nicht möglich gewesen. Die Übernahme der republikanischen Partei.

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Die Übernahme der Republikaner Einen Tag, nachdem der Senat mit der Mehrheit der Republikaner Donald Trump im Impeachment-Verfahren freigesprochen hatte (vgl. Kap. 7), empfing der Präsident im East Room des Weißen Hauses einige Gäste zu einem prayer breakfast – einer Bibelstunde. Was als friedliches Beisammensein geplant war, wich rasch einer dröhnenden Abrechnung. Trump nahm sich seine politischen Gegner vor. Wenig überraschend eigentlich, aber in dieser Vokabeldichte doch ungewöhnlich: »bad«, »dirty«, »horrible«, »evil«, »sick«, »corrupt«, »scum«, »leakers«, »liars«, »vicious«, »mean«, »lowlifes«, »non-people«, »stone-cold crazy« and »the crookedest, most dishonest, dirtiest people I’ve ever seen.« Tatsächlich zeigte sich niemand im Raum wirklich irritiert. Im Gegenteil schien heiteres Verständnis die vorherrschende Gefühlslage auszumachen. Hatte das Verfahren im Kongress die politische Spaltung der Nation nachdrücklich demonstriert, so zeigte der Morgen danach überaus einprägsam die Übernahme der republikanischen Partei durch Trump und seine Getreuen. Das war so auch nicht unbedingt abzusehen: Im Wahlkampf noch hatte man The Donald heftig bekämpft – und ganz sicher nicht nur aus taktischen Gründen. Ted Cruz nannte ihn einen »pathologischen, unmoralischen Lügner«, Rand Paul fand die Formulierung »geschwätziges Orangengesicht, ein Stück Speck sei kompetenter«, Rick Perry sah in ihm ein »Krebsgeschwür im amerikanischen Konservatismus«, und schließlich Marco Rubio warnte davor, einem solchen Kerl »die Nuklar-Codes zu überlassen.«18 Man mag von Donald Trump halten, was man will – er kann austeilen, muss dagegen auch einiges einstecken. Einmal im Amt und nach einer Phase der Konsolidierung und der Professionalisierung der Regierungsarbeit, folgte ihm die Partei. Aus recht unterschiedlichen Gründen und Motiven, aber doch als Rückhalt. Eine kleine Typologie könnte etwa so aussehen:

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Da sind die »True Believers«19: Jene, die von vornherein hinter Trump standen und sich von ihm (etwa mit Stephen Bannon) eine (sehr) konservative Agenda versprachen: Ein äußerst minimalisierter Staat und eine Bürokratie, die nur das Nötigste verwaltet. Hier sammeln sich auch all jene Personen und Gruppen die heimlich bis offen eine ethnisch-nationalistische Agenda befeuern wollen. Dann arrangierte sich eine größere Gruppe Opportunisten nach einiger Zeit mit Trump und seinem Verhalten und suchte und fand Gründe, ihrem Präsidenten zu trauen. Zum Beispiel Senator Lindsey Graham, zunächst ein Gegner Trumps, hatte er rasch seine Nähe gesucht, um Einfluss zu nehmen. In seinem Fall vor allem auf die amerikanische Außenpolitik. Womit er zugleich ein Beispiel ist für den Typus des enttäuschten Opportunisten: Trumps Politik z. B. mit Blick auf Syrien, die Kurden, auf Saudi Arabien und Russland entspricht nur in wenigen Punkten seinen Vorstellungen. Eine im Laufe der Präsidentschaft wachsende Gruppe an Republikanern dürfte Trump aus reinem Respekt folgen – »Respekt« vor seinen Tweets und der Trump-Basis in den Wahlbezirken daheim. Man darf nicht vergessen, das Repräsentantenhaus wird alle zwei Jahre gewählt (und ein Drittel des Senats), und entsprechend vorsichtig ist man gegenüber einem Präsidenten, der Abweichlern oder Kritikern gerne einmal mit der Unterstützung eines innerparteilichen Gegenkandidaten droht. Also mit donnernden Tweets. Die Liste der Beispiele für ein solches Verhalten wäre deutlich zu lang für den geplanten Umfang dieses Essays. Dann findet sich noch eine kleinere Gruppe Republikaner, die versuchen, das Verhalten von Trump – irgendwie – zu rationalisieren. »Er sollte wirklich nicht so viel tweeten« wäre typisch. Ansonsten beschränken sie sich darauf, im Kongress eher leise das beste aus der Situation zu machen. Ihnen fehlt nur ein kleiner Schritt zu der nun letzten Gruppe: Die Pensionäre. Republikaner wie Jeff Flake, der 2018 ankündigte, nicht mehr für den Senat zu kandidieren: Zu wenig Gemeinsamkei-

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ten sah er noch mit einem Präsidenten, der seine Impulse auch nicht gegenüber Kongressmitgliedern der eigenen Partei zügeln könne, wenn die ihn in der Öffentlichkeit nicht ständig lobten. Und die zugleich diesen Präsidenten vor ihren Wählerinnen und Wählern nicht vertreten wollten oder konnten. Ein anderes Beispiel: Bob Corker, der Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses im Senat, war sogar als Vizepräsident gehandelt worden. Er äußerte Anfang Oktober 2017 gegenüber Reportern, er sei froh über Mattis, Kelly und Tillerson; ohne sie würde das Land im Chaos versinken. Corker hatte schon angekündigt, 2018 nicht mehr zu kandidieren, musste dann aber ein Reihe an Tweets des Präsidenten ertragen, in denen Trump behauptete, der Senator würde nur deshalb nicht zur Wiederwahl antreten, weil er ihm seine Unterstützung versagt habe. Und Corker habe ihn geradezu angebettelt. Für Trump ist alles persönlich. Auch Politik. Ein wichtiger Mechanismus zur Kontrolle der Partei wurde für den Präsidenten die rechtskonservative Medienöffentlichkeit. Insbesondere bei Fox News kann er sehr genau beobachten, welches Kongressmitglied ihn mit welcher Vehemenz unterstützt (vgl. Kap. 6). Und die Kongressmitglieder wissen natürlich, dass ihre Auftritte in den Shows von Hannity und Ingraham an höchster Stelle registriert werden. Belohnt wird dann mittels Tweet oder gar einem Präsidentenbesuch im Wahlkreis. Man weiß noch nicht genau, was wertvoller ist. Darüber hinaus, falls der Präsident einmal nicht orientiert ist, werden bei Fox et al. Abweichler und innerparteiliche Kritiker sofort markiert. Das Leben der anderen – als US-Remake im ultrakonservativen Kabelfernsehen. Was nur kurz angedeutet werden soll: Es können eigentlich nicht konkrete Inhalte sein, die Trump einen starken Rückhalt in der Partei bescheren. Eine Abneigung gegenüber den Demokraten, das ganz sicher. Sie ist extrem wirkmächtig. Aber wirkliche politische Erfolge halten sich in Grenzen und sind ambivalent einzuschätzen. Der vielleicht wichtigste Punkt: die Benennung von gleich zwei Richtern am Supreme Court (und

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einigen mehr an den Bundesgerichten), ein für viele Amerikaner und religiöse Gruppen zentrales Argument, ihn zu unterstützen. Die Abschaffung von Obamacare: ein misslungener Versuch. Die De-Regulierung im Umwelt- und Verbraucherschutz: von der Wirtschaft gerne hingenommen. Der Bau einer Mauer zu Mexiko: nach wie vor eine Baustelle ohne gesicherte Finanzierung. Aber die Signale hören viele gerne. Und außerdem habe kleine Änderungen die legale Migration in die USA erschwert. An ein Visum kommt man auch nicht mehr so leicht, und die Einbürgerungszeit hat sich verdoppelt. Die Steuerreform: teuer und einseitig und ohne Bonus für Mainstreet America. Waffen? Daran wird sowieso keiner etwas ändern. Und seine protektionistische Handelspolitik wird von der Parteibasis offenbar nicht abgestraft (solange Ausgleichszahlungen eingehen); als Widerspruch zur traditionellen Position der Republikaner ist sie dennoch umstritten. Im Grund bleibt eines: ein hemdsärmeliger, selbstbewusster ethnischer Nationalismus, dem die internationale Isolierung des Landes wenig ausmacht.

5   Di e P o st-T r u t h - P r ä s i d e n t s c h a f t

Politikstil 2.0? Am 5. September 2018 erschien in der New York Times ein Meinungsartikel,1 der im Land und im Weißen Haus durchaus Aufsehen erregte. Unter dem Titel »I Am Part of the Resistance Inside the Trump Administration« berichtete ein anonym bleibender Mitarbeiter vom Entscheidungschaos in der Regierungszentrale. Der Führungsstil des Präsidenten sei »ungestüm, aggressiv, engstirnig und ineffizient«. Von vielen rechtlich bedenklichen Ideen des Präsidenten erst gar nicht zu sprechen. Also würden »stille Helden« (wie er selbst) einen »heimlichen Widerstand« führen gegen all die Unvernunft im Weißen Haus und versuchen zu tun, »was richtig sei«. Während der Artikel in den USA sofort auch die Deep StateTheorie befeuerte (nach der sich Obamas Überbleibsel und Never Trumper in der Ministerialbürokratie gegen den Präsi­ denten wendeten), wurde er in Europa, wenn nicht alles täuscht, mit kaum verhohlener Häme aufgenommen. Monate schon hatten ähnliche Leaks die transatlantische Bühne beleuchtet und die Wahrnehmung unterstrichen, in Amerika sei der Amateur los: Ein nicht unerhebliches Problem der internationalen Ordnung. Das hatte man bis zu diesem Zeitpunkt mehrfach erfahren. Zum Beispiel beim ersten G-7-Gipfel mit Trumps Beteiligung in Taormina auf Sizilien im Mai 2017. Der seinerzeitige © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_5

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Die Post-Truth-Präsidentschaft

Botschafter Frankreichs in den USA, Gérard Araud, berichtete, europäische Regierungen und Mitarbeiter seien von US-Diplomaten darauf vorbereitet worden, man solle »ihm« nicht gönnerhaft begegnen, Komplimente einstreuen, »ihn« nicht erzürnen – »er« habe schließlich Einfluss. »Also man hat sechs Erwachsene, die bemüht sind, ihn nicht aufzuregen, und die es mit jemandem zu tun haben, der keine Zurückhaltung und keine Grenzen kennt. Den Erwachsenen im Raum zu geben bedeutet, den Wutanfall des Kindes zu ertragen und nicht ernst zu nehmen.«2 Die Liste ähnlicher Anekdoten über Trump, seine Auftritte national wie international, scheint endlos. Dass er laut überlegte, Grönland zu erwerben und darüber einen Staatsbesuch in Dänemark absagte, ist auch schon Geschichte: Inzwischen hatte er amerikanischen Unternehmen befohlen (»hereby ordered«), China zu verlassen (was er wenige Tage später zurück nahm) und ausnahmsweise den Chef der amerikanischen Zentralbank – und nicht die Presse – zum »Feind des Volkes« erklärt. Die Linie ist ehrlich und klar: Trump macht und sagt, was ihm gerade in den Sinn kommt. Losgelöst von Verfahren, Expertise, Beratung und Strategie. Beim Gipfeltreffen mit Putin in Helsinki, Juli 2018, führte er über die Diskussion einer russischen Einmischung in die Präsidentschaftswahl seine eigenen Geheimdienste vor. »Meine Leute kamen zu mir (…) und sagten, ihrer Ansicht nach sei es Russland. Ich habe hier Präsident Putin. Er sagte eben: Russland ist es nicht. Ich sage dazu: Ich sehe keinen Grund dafür, warum es Russland sein sollte.«3 Das war selbst für Unterstützer von Trump im Kongress schwer zu ertragen. Dem Präsidenten wie auch den zuständigen Ausschüssen waren von allen US-Geheimdiensten entsprechende Beweise vorgelegt worden. Der ehemalige CIA-Direktor John Brennan nannte Trumps Äußerungen »ohne Einschränkungen landesverräterisch«.4 Davon ganz abgesehen zeigt das Beispiel: Trumps politischer Stil und seine Positionen sind unberechenbar, nicht an der Sache orientiert und immer ausgerichtet am eigenen Image.

Die Post-Truth-Präsidentschaft

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Bezeichnend auch das: Als Trumps Einigkeit mit Moskau in der Woche darauf im Fernsehen auseinander genommen wurde, machte er auf der Stelle kehrt und wollte nicht gesagt haben, was er gesagt habe. Beziehungsweise, fast noch besser: Er habe eigentlich sagen wollen »ich sehe keinen Grund dafür, warum es Russland nicht sein sollte«. Trump schmuggelt einfach eine neue Verneinung rein. Eine doppelte Verneinung also, die er nicht auf die Reihe bekommen habe. Nun muss man in einer freien Gesellschaft Eloquenz nicht wirklich als Mindestvoraussetzung für ein politisches Amt verstehen. Aber vielleicht Konstanz: Nicht nur Trumps Positionen sind unkalkulierbar; seinen Aussagen kann nicht über die Nacht hinaus getraut werden. Dem folgt dann gelegentlich viel Empörung über das Lavieren des Präsidenten – beispielsweise im Zusammenhang mit den rechtsradikalen Demonstrationen in Charlottesville Mitte August 2017. Damals war eine Gegendemonstrantin von einem Rechtsradikalen ermordet worden, und der Präsident hatte ganze zwei Tage gebraucht, um sich von den Neonazis und anderen Rassisten zu distanzieren. Nur um auch dort wieder zurück zu rudern und davon zu sprechen, es habe auf beiden Seiten feine und schlimme Leute gegeben.5 Anderes Beispiel: Nach den Amokläufen von El Paso und Dayton Anfang August 2019 sprach Trump zunächst von der Notwendigkeit, die Waffengesetze zu verschärfen. Nur wenige Tage später hielt er die Hintergrundüberprüfungen für genügend. Das Problem sei allein »mental«. Und nach einem Telefonat mit dem Chef der Waffenlobby NRA ging es nur noch um die »unamerikanischen Demokraten«, die ehrlichen, freien Amerikanern ihrer (Waffen-)Rechte berauben wollten. Ein weiterer zentraler Punkt: Für Trump – und das formt seinen politischen Stil mit – ist die Präsidentschaft eine einzige Rally, ein permanenter Wahlkampf. Im Kern ist das nicht neu: Auch frühere Präsidenten sahen sich ständig nach Wählerstimmen um und ließen Daten analysieren. Trump aber nimmt die Kampagne wörtlich und zieht tagtäglich ins Feld.

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Im Grunde genommen führte er nach Amtseinführung seinen Wahlkampf fort. Vielleicht flieht er auch aus dem besserwisserischen Washington und vor dem Kongress, der nicht gleich so spurte, wie er sich das vorgestellt hat: Der Präsident fühlt sich sichtbar wohl auf den MAGA-Massenveranstaltungen in Arizona oder Pennsylvania, Wisconsin und den Virginias. Vor allem muss er sich dort nicht verstellen. So attackierte er im Juli 2018 bei einer Rede in Greenville, North Carolina, vier nicht-weiße demokratische Kongressabgeordnete. Sie mögen doch dahin zurück gehen, woher sie gekommen wären. In ihre »total verkommenen und von Kriminalität verseuchten Orte« (drei der vier Abgeordneten waren im Lande geboren, die vierte als Kind schon eingebürgert). »Send them back« schallte es darauf dem Präsidenten entgegen. Als man Trump neuerlich Rassismus vorwarf, schien es ihn nicht zu fichten. Er drehte weiter an der Erregungsspirale und zweifelte an der Loyalität jüdischer Amerikaner, soweit sie solche Demokraten wählen würden.6

Präsident Barron In den Jahren der Präsidentschaft Trump hat man sich an die tägliche Dosis Eskalation seiner speziellen Öffentlichkeit gewöhnt. Die Palette ist bunt und reicht von der Pöbelei gegen den Londoner Bürgermeister, Beleidigung von Football-Spielern, die während der Nationalhymne zum Protest niederknien, über das Beschimpfen von Richtern, die seine Dekrete stoppen, von Geheimdiensten, denen er nicht glauben wollte, Häme gegenüber Ländern wie Puerto Rico oder Städte wie Baltimore oder Chicago, zu Verschwörungstheorien jeglicher Couleur, Lob für Despoten und autoritäre Machthaber, Drohungen gegenüber Vertragspartnern und Alliierten und demokratischen Institutionen des eigenen Staates, Spott über seinen Vorgänger, Hohn gegenüber Angela Merkel und den

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kanadischen Premier Justin Trudeau. Und derartige »Positionen« gesellen sich dann zum Unwillen des Präsidenten, bewährte Verfahren der politischen Entscheidungsfindung überhaupt in Betracht zu ziehen. Was aber zentral für seine Kommunikationskultur ist: Sein lockerer Umgang mit der Wahrheit. Wir dürfen an dieser Stelle der Washington Post danken für das Protokoll, das sie in ihrem Fact Checker führt.7 (Den es übrigen schon seit 2007 gibt.) Pünktlich zu Abschluss dieses Manuskripts im Juli 2020 überschritt Donald Trump dort die Marke der 20 000 Tausend »false claims« oder »misleading claims«, falsche oder irreführende Behauptungen während seiner Präsidentschaft. Das macht im Durchschnitt rund 16 derartiger Behauptungen pro Tag (und fünf Lügen für jede Zeile dieses Essays). Begonnen hatte der Präsident in seinen ersten Wochen noch mit einem vergleichsweise harmlosen Schnitt von rund fünf Claims. Er legte also mächtig an Tempo zu. Insbesondere wenn eine der erwähnten Wahlkampfreden auf der Agenda steht, kommen schon einmal einige Dutzend »problematischer« Bemerkungen auf einen Schlag hinzu. Die Post unterscheidet dabei und kategorisiert, z. B. indem sie »Pinocchios« vergibt. Der Fundus dieses Archivs erschließt sich leicht und führt über ein Filtersystem zu einzelnen Themen. Der Aufwand, der betrieben wird, ist ungemein – jede kritische Bemerkung und ihre Einordnung wird kommentiert. Selbstbeschreibungen wie z. B. »stabiles Genie« werden übrigens nicht berücksichtigt. Dagegen geht es um Unterstellungen, offene Lügen, erfundene Statistiken oder falsch dargestellte Zusammenhänge u. Ä.8 (Der Preis der Präzision und Sorgfalt? Man kommt kaum hinterher.) Aber wie man auch differenziert, Trump hat unbestritten ein Problem: Er lügt nicht nur, er hat schlicht kein Interesse an der Wahrheit. Einigermaßen konsequent ist dann ein für Regierungschefs westlicher Demokratien ganz eigener Modus der Erzählung. Der Präsident, so scheint es, erinnert sich an Dinge, wie es ihm nachgerade in den Kram passt. Dinge, die es nie gege-

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ben hat. Man kann sich sicher sein, Formeln wie »viele Leute sagen« leiten glatte Erfindungen ein. Auch entdeckt Trump, was die Kommunikationswissenschaft etwas umständlich »opportune Zeugen« nennt: Leute, die dies und das über ihn gesagt hätten (also seine Größe bezeugen könnten). So habe ihn der Präsident von Mexiko angerufen und ihn gelobt. Oder aber der oberste US Pfadfinder, Michael Surbaugh, der seine Rede »fantastisch inspirierend« fand (was er aber sogleich abstritt).9 In welche Kategorie fällt eigentlich Trumps Hinterbühnen-Drängen, man möge ihn für den Friedensnobelpreis vorschlagen – nur um dann auf der Vorderbühne zu behaupten, es gebe eine Menge Leute, die glaubten, er habe ihn verdient? Mehr als irgendwer? Umgekehrt gilt, und das gehört zum Gesamtbild dazu: Trump nimmt nie falsche Aussagen zurück oder korrigiert sie. Andere Persönlichkeiten stört es vielleicht, Fehler gemacht zu haben. Oder beim Lügen erwischt worden zu sein. Nicht Trump. Und praktisch jedes Mal, wenn er von Fake News spricht, liegt er ebenfalls falsch. Und wenn einmal durch z. B. ungenügende Recherche ein Journalist einen Fehler macht, dann kann man sich sicher sein, Trump und sein Lager werden Fake! im Schreistil posten, selbst wenn er längst korrigiert wurde. Interessanterweise »funktioniert« dieser freischaffende Zugang zur Wirklichkeit sogar, jedenfalls ein Stück weit. Wenn man nach Parteineigung differenziert, haben Amerikaner sehr verschiedene Meinungen über die ethischen Standards der Medien: Rund 40 Prozent der Trump-Unterstützer, haben so gut wie kein Vertrauen in die Medien; bei den Demokraten liegt dieser Wert bei fünf Prozent.10 Und wenn Trump von Fake News spricht, dann glauben etwa zwei Drittel der Republikaner, er wolle quasi als Lesehilfe unkorrekte Berichterstattung ausflaggen. 87 Prozent der Demokraten dagegen verstehen es als allein politisch motiviert und substanzlos.11 Im Ergebnis ist das polarisierte Amerika in Teilen ein Land mit sehr unterschiedlichem Zugang zur politischen Wirklich­ keit. Nach einer Umfrage der Washington Post vom August 2017

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glauben 47 Prozent der Republikaner, Donald Trump habe auch den Popular Vote gewonnen, also die Mehrheit der absoluten Stimmen erreicht – was nicht zutrifft. 68 Prozent von ihnen sind sich sicher, bei der Präsidentschaftswahl hätten Millionen illegaler Immigranten für Hillary Clinton gestimmt. Und irgendwie folgerichtig denken immerhin mehr als die Hälfte Republikaner, man könne darüber nachdenken, die Wahlen 2020 zu verschieben, wenn man das Problem des Wahlbetruges nicht in den Griff bekäme.12 Dabei, letzter Punkt, haben Trumps »false claims« und »misleading claims« zu einem Unterwerfungseffekt innerhalb des politischen Systems geführt. Insoweit zumindest, wenn republikanische Kongressmitglieder oder Moderatoren Falschdarstellungen als eine Art Loyalitätstest verstehen, sie wiederholen oder bestärken und sich damit auf Trumps Seite schlagen – und dann alles verteidigen (müssen), auch bei gegenteiliger Evidenz, weil sie nun einmal diesen Weg einge­ schlagen haben.

Eine Bullshit-Präsidentschaft? Zu einer Zeit, als Donald Trump gerade in der 5. Staffel von The Apprentice mit sinkenden Quoten kämpfte, publizierte der Philosoph Harry G. Frankfurt von der Princeton University ein kleines Büchlein mit dem Titel »Bullshit«. Frankfurt unterscheidet darin den »Bullshitter« – sagen wir der Kürze halber »BS« – vom Lügner. Eine interessante, schon angedeutete Differenz. Der Lügner, so Frankfurt, weiß um die Wahrheit, oder er ahnt sie zumindest. Denn er missachtet sie bewusst, sagt also mit voller Absicht die Unwahrheit. Dem »BS« dagegen sind solche Unterscheidungen schlicht egal. Er hat keinen Respekt vor der Wahrheit. Er behauptet einfach, was ihm gerade nutzt. Wir ahnen es: Trump ist ein talentierter »BS«. Damit hat er in der Aufmerksamkeitsgesellschaft einen Vorteil: Bullshit ist

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oft die eindringlichere Geschichte. Vielleicht ist es sogar das, was Trump »truthful hyperbole« nennt. Eine milde Form der Übertreibung, die erlaubt sei und die Leute faszinieren soll.13 Als Putin Hunderte von US-Diplomaten auswiesen ließ, twitterte Trump in etwa: prima, das spart Personalkosten. Später hieß es dann, er habe beliebt zu scherzen. Ein wiederkehrendes Problem womöglich: Dass der »BS« zu ernst genommen wird. So äußerte sich Corey Lewandowski, Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager, gegenüber Journalisten, die sich verwundert zeigten über den Rückhalt Trumps: »Ihr Kerle habt ihn einfach zu wörtlich genommen. Das amerikanische Volk nicht.«14 Und der »BS« folgt anderen moralischen Kriterien – und Strategien, denn am Ende lässt sich der größte Unsinn noch als humorvoll gemeinten Bullshit gerade biegen. Der »gesündeste Präsident« aller Zeiten? Quatsch, aber einprägsam. Ein Fake News Award? Wird es nicht geben, könnte aber Sinn machen. Und so gesehen lassen sich selbst seine Golf-Geschichten einordnen. Dieser offenbar unbeugsame Trieb, immer und überall gewinnen zu müssen, findet sich natürlich auch dort: Er schummelt, bis sich die Eisen biegen. Es heißt, seine Nase beim Golfen sei so lang geworden (Pinocchio-Alarm), er könne inzwischen damit Putten.15 Nun macht diese Perspektive aus Trump keinen Wahrheits­ fanatiker und auch keinen Satiriker und auch keinen humorvollen Charmeur. Aber sie mag unser Bild ergänzen. Was dann mit seiner Präsidentschaft als neue Qualität des gegenwärtigen Kommunikationsklimas in den Vereinigten Staaten festgehalten werden darf, ist der schwindende relative Einfluss von Fakten gegenüber gefühlten Wahrheiten. Es ist das eine, wenn der präsidentielle Kommunikationsstil einen ungewöhnlich lockeren Umgang mit der Sachtreue aufweist. Das andere, wenn in der Folge (und mit medialer Unterstützung) sich im Land die Idee verfestigt, man habe es immer mit zwei Wahrheiten zu tun: einer rein technischen und einer, die sich harmonisch und manchmal lustig fügt mit eigenen Vorein-

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genommenheiten und Ideen, wie es hätte sein können (oder sollen). Alles, jedenfalls in der Politik, habe schließlich eine eigene Perspektive, sei zugeschnitten und portioniert. Ob nun Lügner oder »BS« – das mag dann auch in gewisser Hinsicht eine akademische Diskussion sein. Mit der Präsidentschaft Trump geht ein postmoderner Relativismus »alternativer Fakten« einher. Rudolph Giuliani z. B. brachte diese Haltung radikal auf den Punkt, als er in Meet the Press (auf NBC und zur Zeit der Russland-Untersuchungen) argumentierte, der Präsident sollte auf keinen Fall aussagen und damit einen Meineid riskieren nur auf der Grundlage von »somebody’s version of the truth«. Worauf ein erstaunter Chuck Todd, der Gastgeber der Sendung, entgegnete: »Truth is truth!« Giuliani wiederum formulierte es für die Ewigkeit daher noch einmal präzise: »No, it isn’t truth. Truth isn’t truth.«16

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Liberale Medien, liberale Berichterstattung? Inmitten des längsten Government Shutdown der amerikani­ schen Geschichte besuchte Donald Trump im Januar 2018 Hidalgo County in Texas. Am Ufer des Rio Grandes hatte man gleich gegenüber Mexiko eine Photo-Opportunity geschaffen, um den angeschlagenen Präsidenten ins rechte Licht zu rücken: Konfisziertes Rauschgift und Grenzbeamte markierten Trumps Anspruch auf einen Mauerbau. Was den Journalisten gleich auf‌fiel, als sie die kameragerechte Szenerie betreten durften: Einer war längst da – Sean Hannity, Fox News-Moderator, vertraut plaudernd im Kreise der Regierungsbeamten hinter den Absperrungen. Fox: Teil von Team Trump.2 Wirklich überrascht hatte das nur wenige. Schon beim Amtsantritt 2017 stellte sich in den USA niemand ernsthaft die Frage, ob Fox parteipolitisch ungebunden berichte. Denn der Sender war in den 1990er Jahren offen mit der Absicht angetreten, ein Gegengewicht zu bilden gegenüber den Liberal Media – ein ideologischer Kampfbegriff damals schon, der dem Gedanken folgt, die Mainstream-Medien würden die Demokraten unterstützen. Diese Ansicht hat Tradition und lässt sich zurückverfolgen auf die Opposition zum New Deal der 1930er Jahre. Er wurde in konservativen Kreisen als illegale Intervention des Staa© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_6

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tes verteufelt. Und da die Verbreitung einer (politischen) Idee so wichtig wie die Idee selbst sei, positionierten sich damals z. B. die Chicago Tribune oder die New Republik als explizit konservative Presseorgane. Bis in die 1960er Jahre wurden ein gutes Dutzend Medienunternehmen gegründet, die über Magazine, Bücher, Journale, das Radio und später das Fernsehen ein netzwerkartiges Korrektiv ausdrücklich gegenüber den »Verzerrungen« der liberalen Medien darstellen wollten. Dabei folgte man von vornherein keiner Leitlinie journalistischer Unparteilichkeit. Die Herausgeber etwa von Human Events erklärten freimütig, primär Themen und Positionen aufzugreifen, die die liberalen Medien vernachlässigten. Sie reklamierten, aus einer parteipolitischen Warte zu berichten – was üblichen journalistischen Standards schon deshalb nicht widerspreche, weil ihre Weltsicht ja »korrekt« sei (und deshalb käme es auf professionelle Distanz nicht weiter an).3 Für den Rundfunk jedoch gestaltete sich das anfangs schwer. Denn mit dem Radio Act von 1927 begann, was als Fairness Doctrine die US-Medienpolitik über Jahrzehnte beschäftigen sollte. Sie beruht im Kern auf dem Gedanken, Regeln im Rundfunk seien notwendig, weil sich dort zu den wirtschaftlichen Motiven ein öffentliches Interesse geselle. In erster Linie sollte die Doktrin sicherstellen, dass das Radio (und später das Fernsehen) nicht allein schnöder Unterhaltung diene oder gar missbraucht werde als Propagandainstrument einer Partei, Religionsgemeinschaft oder Regierung. Besonders bei politischen Konflikten müssten die Sender ausgewogen und fair berichten. In europäischen Ohren klang das einigermaßen vernünftig. In Amerika wurde es rasch als staatliche Gängelung gelesen. Derart eignete sich die Doktrin über Jahrzehnte als Beweis für bürokratischen Unsinn. Insbesondere das Schlüsselkonzept »Fairness« blieb weitgehend unscharf. Wie könne man das messen? Wie genau sollte man sie garantieren? Ein Alptraum im Tagesgeschäft! Ein anderes Problem zeigte sich Ende der 1960er Jahre, als die Klagen aus der Politik immer lauter wurden (und Partei-

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manager die Auftritte ihrer Leute mit der Stoppuhr verglichen): Die Sender wichen kontroversen Themen aus. Und genau darin lag womöglich ein Nachteil, je nachdem, was von der Tagesordnung gestrichen wurde. Nach etlichen Querelen wurde die Doktrin dann 1987 im Zuge der De-Regulationspolitik unter Ronald Reagan abgeschafft. Sie hätte wohl keine direkte Auswirkungen auf Fox News gehabt (weil sie sich nicht auf das Kabelfernsehen erstreckte). Doch gehörte dieser Prozess zum Kontext der Gründung des Senders.

Fox News Mit dem Wegfall der Fairness Doctrine trat das konservative Talk Radio auf den Plan. Rusch Limbaugh startete 1984 eine lokale Call-in-Show in Sacramento und ging ab 1988 landesweit auf Sendung. Das Format schwankte zwischen staatskritischem Monolog und aggressivem »Dialog« mit zugeschalteten Anrufern. Auf dem Höhepunkt seiner Popularität, Anfang der 1990er Jahre, erreichte Limbaugh verteilt über etwa 600 Lokalsender wöchentlich rund 20 Millionen Zuhörer – mit einer Sendung, wohlgemerkt, die von überbordenden Emotionen lebte, von deftigen Provokationen, die erzkonservative Positionen auf sehr eigene Weise akzentuierten.4 In dieser Zeit, 1996, gründete Rupert Murdoch Fox News: Nach den Vorbildern der Boulevard-Presse, die er in Australien und England aufgebaut hatte, des US-Nachrichtensenders CNN, dessen Übernahme ihm nicht gelungen war, und eben Limbaughs Talk Radio: Man dachte an ein Gegengewicht zu den Mainstream Media. Roger Ailes, der erste Präsident von Fox, brachte eine dezidiert konservative Perspektive ins Spiel5. Offenbar verfolgte Murdoch eine Wettbewerbsstrategie der »Spezialisierung«; Ailes aber spielte die parteipolitische Karte als Trumpf und entwickelte ein Programm, das die Fragmentierung des Nachrichtenpublikums einkalkulierte

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und dessen Sendungen daher die Weltsicht ihres konservativen Publikums bedienen sollten – und nicht etwa journalistische Distanz wahren und »beide Seiten der Geschichte« für ein breiteres Publikum abdecken. Kurz: Produktdifferenzierung durch politische Identität. Fox verstand und versteht Nachrichtenberichterstattung als einen Wettbewerb verschiedener Narrative. »We are American, and we are taking sides.« Allerdings war es nicht so sehr diese patriotische und konservative Ausrichtung, die den Sender neuartig machte. Vielmehr »entdeckte« man für das Fernsehen die Attraktivität explizit emotionaler Politikdarstellung. In die Ablage wandert spätestens nach dem »11. September« journalistische Zurückhaltung. So berichtet etwa eine ehemalige Fox-News-Redakteurin dem New Yorker: »The single phrase I heard over and over was ›This is going to outrage the audience!‹ You inflame the viewers so that no one will turn away. Those were the standards.«6 Inzwischen gilt »empathic media« als Schlagwort für die strategische Orientierung von Medienformaten an der emotionalen Seite von Konflikten. Zunächst aber kämpfte Fox News, wie die anderen Kabelsender, mit einem schrumpfenden Publikumsmarkt. Noch in den 1970er Jahren hatten die abendlichen Hauptnachrichten des terrestrischen Rundfunks (Broadcasting) rund 90 Prozent der (erwachsenen) Amerikaner erreicht. Und 1993 gaben – immerhin – ca. zwei Drittel an, regelmäßig Kabelnachrichten einzuschalten; bis 2004 hatte sich diese Zahl dann aber fast halbiert.7 Um 2002 verdrängte Fox CNN an der Spitze der Kabelfernsehsender. Die programmatische Ausrichtung war erfolgreich. Ein Jahr zuvor hatte zudem die Fox-Show The O’Reilly Factor die Spitze der Kabelsendungen übernommen. Etwa ab 2004 zeigen die Zahlen eine beginnende Polarisierung der Zuschauer: Anhänger oder Wählerinnen der Republikaner wendeten sich nun Fox News zu und begannen zugleich, andere Sender zu ignorieren.8 Bis heute zeigen Studien diesen Trend immer wieder: Amerikaner, die sich mit der republikanischen Partei identifizieren, verlassen sich mehr als

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andere auf einen Nachrichtensender – in Fox they trust. Derzeit verzeichnet der Sender knapp drei Milliarden Dollar jährlichen Gewinn. Die besten Einschaltquoten liefern die Shows, die den konservativen Kern des Senders definieren: morgens Fox & Friends, abends anfangs The O’Reilly Factor und heute Hannity oder Ingraham, die das amerikanische Kernland geradezu empfinden. Diese Sendungen führen den Unterschied etwa zu CNN klar vor Augen: In den Primetime-Formaten überwiegt bei CNN die Reportage und das Interview, während Fox personenorien­ tiert berichtet, oft offen parteiisch, skandal- und konfliktorientiert. »NASCAR-News« sagt man auch in Anlehnung an den amerikanische Motorsportverband: Laut, schnell und immer das mythische Heartland im Blick. Konsequent werden Hannity und Sendungen ähnlichen Zuschnitts vom Sender als Unterhaltungsshows verstanden. Das immunisiert: »Normale« publizistische Regeln gelten dort nicht. Kein Wunder, dass die Demokraten dem Sender wenig abgewinnen können: »Simply put, Fox News ist not a news outlet. It is a Republican propaganda machine masquerading as a news outlet that exists to elect Republican politicians and promote their positions – whatever they are at the time.«9

Fox News, Tea Party, Obama Fox war zwar von Beginn an den Republikanern zugeneigt, hatte aber nicht sofort den Ruf eines Propaganda-Unternehmens. Mit der Präsidentschaft von George W. Bush galt der Sender jedoch fest mit einer konservativen Agenda liiert. Ordentlich Schwung in die Beziehung brachte einige Jahre später die Opposition zu Barack Obama. Er »erbte« mit der Finanzkrise von 2008 die Tea Party: Eine lebendige republikanische Plattform, ideal dazu geeignet, die emotionale Nachrichtenbericht­ erstattung im konservativem Milieu zu verankern. Murdoch

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und Ailes wehrten sich zwar gegen Kritik und beteuerten, sie würden keine Partei unterstützen, auch nicht die Tea Party. Aber das nahm ihnen bald nur noch die eigene Klientel ab, wenn überhaupt je. Limbaugh und Hannity schienen die Bewegung glattweg adoptiert zu haben. Das war für den anfänglichen Erfolg der Tea-Party (vor allem in den Zwischenwahlen von 2010) außerordentlich wichtig. Veranstaltungen wie der March on Washington im September 2009 wurden detailliert besprochen – und beworben und gaben den Protesten eine hohe Medienpräsenz. Ein Medienjournalist der Los Angeles Times: »Fox has been building up to the protests with Super Bowl-style intensity. Promos promise ›powerful‹ coverage of an event that will ›sweep the nation‹.«10 Man bemerkte schnell, hier öffnete sich ein Werbefenster: Die Tea Party brachte höchste Einschaltquoten. Natürlich hatten auch andere konservative Sender sich entsprechend aufge­ stellt. Doch bei Fox wurde die Tea Party nachgerade mobilisiert. Der Sender lief streckenweise unter dem Motto »Party Like It’s 1773« – schon im Wortsinn:11 Unter dem Freiheitsbaum in Boston (so etwas wie ein heiliger Boden der amerikanischen Demokratie) fand Hannity zum historischen Fundamentalismus und vereinnahmte die Gründerväter. »It took more than two hundred years, but it now looks like we are headed back to where we started.«12 Die Regierung sei mehr als nur »schlecht« oder »interessengeleitet«. Sie sei Tyrannei. Und Obama eigentlich Georg III., der die »echten« Amerikaner zu Kasse bitte. Mit Obama verlegte sich der Sender in journalistischen Nachrichtenformaten auf politische Oppositionsarbeit. Haupttenor: Der nahe Untergang Amerikas, den Washington verantworte (das liberale Washington selbstredend). Daran gab es viele Anschlüsse in praktisch jedem Politikfeld, z. B. in dem der ÖkoTerroristen, die mit ihrer Despotie erneuerbarer Energie einfach nur Jobs kosteten. Man brauchte auch nicht sonderlich viel Anlauf, um mit Barack Obama im Weißen Haus den Kern allen Übels zu identifizieren. Rush Limbaugh hatte wenige Tage vor Obamas

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Amtseinführung die Leitlinie vorgegeben: »I hope he fails.«13 Am Tag zwei sah ein »enttäuschter« Hannity nichts vom versprochenen Wechsel: »Socialism has failed«. Tag drei brachte bei Laura Ingraham die Erkenntnis, das Land sei kein Stück sicherer geworden. Tag vier erlebte die Falschmeldung, Obama habe den War on Terror offiziell beendet. Am ersten Wochenende seufzte Mike Huckabee, ob das wirklich der Wandel sei, den das Land gewählt habe. Am Sonntag schließlich gab Brit Hume der jungen Regierung einen Ratschlag von historischer Größe: »You can’t break all your campaign promises.« Das Land taumelte derart dem Zusammenbruch entgegen. Obamas Politik sei nicht nur schlecht für Amerika. Er selbst sei einfach nicht amerikanisch. Sozialistisch beispielsweise. Und natürlich stand mit der Gesundheitsreform ein zentrales Vorhaben seiner Regierung im Mittelpunkt der Kritik. Was nicht sonderlich verwunderlich war, da die Reform von konservativer Seite betrachtet alles besaß, was Big Government ausmacht: Bevormundung freier Bürgerinnen und Bürger, Regu­ lierungswut und Umverteilungspolitik. Glenn Beck sprach von einem »endgame«, einer »fundamental transformation of America«14. Dem folgte freilich, dass Zuschauer, die sich in solchen Dingen auf Fox verließen, mitunter völlig falsche Vorstellungen hegten: Ein Höhepunkt verzerrter Wahrnehmung von Obamas Gesundheitsreform wurde durch einen FacebookBeitrag von Sarah Palin ausgelöst, den Fox aufgriff und so schnell nicht los ließ: Regierungskommissionen würden bald darüber entscheiden, wann in gesundheitskritischen Umständen überlebenswichtige Geräte abgestellt oder wichtige Medikationen zu unterlassen seien. Diese Death Panels beherrschten über Monate die Diskussion. Obwohl es sich nicht geben sollte, hielten rund drei Viertel der Fox-Zuschauer daran fest. Man könnte eine lange Liste ähnlicher Vorgänge anführen, etwa die Berichterstattung um das Attentat auf das US-Konsulat in Bengasi, Libyen, im Herbst 2012 – die Außenministerin Hillary Clinton bis in den Wahlkampf verfolgte. Erwähnt sei der Vorwurf von Glenn Beck (Juli 2009), Obama sei ein

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hasserfüllter Rassist: »This president, I think, has exposed himself as a guy, over and over again, who has a deep-seated hatred for white people or the white culture.«15 Kurz: In der Präsidentschaft Obamas war Fox nicht »nur« ein kritischer, konservativer Sender, sondern verfolgte selbst politische Ambitionen. The New Yorker zitierte Ailes in einem Hintergrundbericht zu jener Zeit: »I want to elect the next president.«16 Im Laufe der beiden Regierungsperioden von Obama richtete sich das politische Fernsehpublikum auf einem Inselparadies ein. Barack Obama selbst sprach von einer »Balkanisierung«: Die Leute blieben unter sich, schalteten ein, was ihre Weltsicht bestätige.17 Das ist etwas überzeichnet. Aber tendenziell entwickelte sich tatsächlich eine polare Nachrichtenwelt. Irgendwann, etwa um 2012 herum, hatte Fox so etwas wie die Exklusivrechte über das (erz-)konservative Amerika, das Trump später bespielte. Und damit konnten sich republikanische Politiker (relativ) sicher sein: Hier werden sie nicht mit unangenehmer Kritik konfrontiert – wenn die Positionen denn auch scharf genug sind. Spätestens bei den Mid-Terms 2014 ist es für Republikaner mit Ambitionen obligatorisch, in die Talks von Fox eingeladen zu werden. Der Sender wurde zu einer Art Königsmacher. Dick Morris, Politikberater, fand dazu bei Fox & Friends einen fast schon historischen Merksatz: »You don’t win Iowa in Iowa. You win it on this couch.«18

Präsidentensender Im November 2018 demonstrierte Sean Hannity einprägsam, wie sehr Fox News seinen Tendenzjournalismus inzwischen überdehnt hatte. Einen Tag vor den Kongresswahlen kündigt er in Missouri den anstehenden Auftritt des Präsidenten an – nicht im Studio oder aus einer Medienkabine vor Ort, sondern auf der Rednertribüne, enthusiastisch, überschwänglich. Gleich nach Rush Limbaugh, der das MAGA-Publikum zuvor

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leidlich aufgewärmt hatte, erschien Hannity und setzte mit dem ersten Statement (seiner rund fünfminütigen Lobeshymne) ein Ausrufezeichen: »By the way, all those people in the back are fake news.«19 Und das war noch nicht einmal lustig gemeint. Entschuldigen musste er sich später allerdings doch – bei Mitarbeitern des eigenen Senders, die neben den »people in the back« standen und offenbar indigniert waren. Rund drei Jahre zuvor stand Trump, als er seine Kandidatur ankündigte, anfänglich sogar im republikanischen Lager unter dem Verdacht, eine Marketing-Strategie für sein Unternehmen zu fahren. Auch Fox war misstrauisch. Rupert Murdochs Wall Street Journal positionierte sich zu Beginn der Vorwahlen sogar dezidiert gegen Trump. Man favorisierte Marco Rubio. Allerdings beobachtete man auch sehr genau, wieviel Aufregung The Donald in kürzester Zeit im rechtskonservativen Sektor des Internets erzeugte; insbesondere die Netzseite Breitbart generierte mit ihm und seinem sehr speziellen Wahlkampfstil enorme Klick-Raten und Werbeeinnahmen. Spätestens als Trump die Kandidatur der Republikaner für sich entschied, fiel bei Fox jede Zurückhaltung. Schon während des Vorwahlkampfs hatte Hannity (nach eigenen Angaben) praktisch täglich mit dem Kandidaten telefoniert und ihn in Medienfragen beraten. Nun wurde die Unterstützung Teil der Philosophie des Senders. Grenzüberschreitung? Kein Problem«, erklärte er der New York Times, er habe nie von sich behauptet, Journalist zu sein.20 Entsprechend fahnentreu gestaltete sich die »Berichterstattung« von Fox über die Präsi­ dentschaft Trump. Die Süddeutsche Zeitung dazu über Hannity, und seine, nun, Nibelungentreue – schöner kann man es kaum fassen: »Wenn Trump ein Pferd an den Supreme Court beriefe, wäre das für Sean Hannity der Anlass, die außergewöhnliche Weisheit des Präsidenten zu loben.«21 Bei den Mitarbeitern des Weißen Hauses firmierte Hannity schon früh als »Shadow Chief of Staff«.22 Mit dieser Beziehung verbindet sich tatsächlich eine Funktion: Präsidentenberatung. Wer da wem zur Hand geht, der Sender dem Präsidenten oder

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umgekehrt, ist allerdings nicht so eindeutig, wie man meinen möchte. Hannity, aber auch Fox & Friends oder Ingraham Angle und Tucker Carlson Tonight unterstützen den Präsidenten auf verschiedene Art – und sind gelegentlich sogar kritisch (was zu kurzweiligen Beziehungskrisen geführt hat). Während man in Fox News einen als Journalismus verkleideten Parteigänger des Präsidenten sehen darf, ist der Sender doch mehr als eine untertänige Propagandaorganisation. Er handelt als politischer Akteur sui generis. Klassische Formen der Lobhudelei finden sich etwa bei Fox & Friends, der erfolgreichen Morgenshow. Wer Trump gewählt hat, kann sich schon zum Frühstück amtlich bestätigen lassen, nichts falsch gemacht zu haben. Hier folgen auf Demokraten-Bashing rührselige Trump-Feierlichkeiten oder zumindest höfliche Formen des Nachbetens. Kein Wunder, dass die Sendung als TV-Liebling des Präsidenten gilt. Verbunden mit einer ganz besonderen Facette: Nahezu jeden Tag greift Trump Themen und Standpunkte auf, die dort auf der Couch hin und her geworfen werden, und kommentiert sie über Twitter. Das wiederum wird mit patriotischer Gewissheit von den Moderatoren in die Sendung eingespeist – womit wir beim recht basalen Moment des Mouthpiece wären: Man wiederholt einfach alles, was der Präsident sagt. Was sich hier als mitunter unterhaltsame Politik-MedienSchleife entfaltet, ist doch mehr. So trifft sich der Präsident eigentlich täglich, soweit es die Agenda zulässt, um elf Uhr vormittags mit seinen Sicherheitsberatern. Es spricht nun einiges dafür, dass ein mindestens ebenso bedeutsames Briefing einige Stunden zuvor stattfindet: bei Fox & Friends.23 Matt Gertz von Media Matters untersuchte (und untersucht) solche Reaktionen von Trump auf das, was er morgens bei Fox sieht und hört.24 So hat der Präsident von August 2018 bis zum März 2019 – also innerhalb von rund 240 Tagen – etwa über 200mal auf Dinge, die in der Sendung angesprochen wurden, mit Tweets reagiert. Und das betrifft nur die Frühstückszeit. Zwei Beispiele aus der frühen Phase der Präsidentschaft:

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Mitte Februar 2017, kurz nach seiner Amtseinführung, kam Trump überraschend auf die Flüchtlingspolitik in Schweden zu sprechen. »You look at what’s happening last night in Sweden. Sweden! Who would believe this? Sweden! They took in large numbers. They’re having problems like they never thought possible.«25 Auf Fox war kurz zuvor ein kurzer dystopischer Film gelaufen über Schweden als Muster fehlgeschlagener Flüchtlingspolitik in Europa – ein Land durchzogen von NoGo-Areas. Tucker Carlson hatte sich erschüttert gezeigt über die Naivität der Europäer, die den Zusammenhang von steigenden Verbrechensraten und muslimischer Immigration einfach nicht sehen wollten.26 Ähnliches Vorgehen dann, anderes Thema, am 4. März 2017; Trump twitterte: »Terrible! Just found out that Obama had my ›wires tapped‹ in Trump Tower just before the victory. Nothing found. This is McCarthyism!«27 Kurz vorher hatte sich Fox & Friends mit dem »National Security Establishment« befasst, und der Gedanke kam im »Expertengespräch« auf, die Regierung Barack Obamas habe Trumps Wahlkampfteam abgehört. Wann immer Trump eine Form von Unsinn verkündet – häufig steht dahinter eine Gesprächsrunde auf Fox News.28 Man mag solche Dinge in die Kategorie der Bullshit-Präsi­ dentschaft fassen. Allerdings zeigt etwa die Fox-Intervention im Kontext des Government-Shot-Downs um die Jahreswende 2017/18, dass es häufig genug um politische Entscheidungen gehen kann mit handfesten Folgen für Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner. Seinerzeit hatte der Sender eine politische Linie verfolgt und den Präsidenten ermuntert, alle Kompromisse abzulehnen – anwaltschaftlich für sein Publikum. Als dann nach Aussage von Mike Pence ein »Deal« praktisch unter Dach und Fach war, wurde er von Trump zur Überraschung seiner eigenen Leute noch abgelehnt: Und zwar nachdem der Kompromiss auf diversen Fox-Plattformen ausgiebig »problematisiert« wurde.29 (Ann Coulter: »Ein rückhaltloser Präsident in einem mauerlosen Land«.) Der Präsident hatte wohl zugehört und korrigierte seinen Vize.

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Was sich hier abzeichnet, wird auch als Propaganda Feedback Loop beschrieben30: Fox setzt auf eindeutig markierte Inhalte, um in einer politisch ausnehmend polarisierten Umwelt und in der Folge eines scharfen ökonomischen Wettbewerbs ein Stammpublikum an sich zu binden. Der Sender will nach eigenem Bekunden einer »schweigenden Mehrheit« eine Stimme geben.31 Dazu bezieht man klare Position, vermeidet komplizierte Analyse, emotionalisiert (z. B. über die Ansprache von Ressentiments) und folgt, das ist der zentrale Punkt, einem strikten Ingroup-Outgroup-Denken (»us against them«). Dieser Ansatz belohnt – mit Aufmerksamkeit – nicht nüchterne Fakten und kritische Distanz, sondern Überspitzung und Gefühl, darunter auch Wut. Trump und Fox, mit anderen Worten, verfolgen ähnliche Ziele und gleichen sich in ihren Mitteln. Wie vielschichtig sich diese Beziehung ganz nebenbei vermarkten lässt, mag wiederum Ann Coulter zeigen; die Titel ihrer letzten beiden Bücher: »Adios America – The Left’s Plan to Turn Our Country into a Third World Hellhole« und »In Trump We Trust: E Pluribus Awesome« – vielsagend genug. Als im Sommer 2018 im Zusammenhang mit der umstrittenen Trennung von Kindern illegaler Migranten von ihren Eltern in den Medien Fotos weinender Kleinkinder zu sehen waren, plädierte sie für eine Null-Toleranz-Politik und wandte sie sich direkt an die Kamera, direkt an den Präsidenten: »These child actors weeping and crying on all the other networks 24/7 right now, do not fall for it, Mr President.«32 Child actors? Nebenbei bemerkt: Kontakt und personelle Verflechtungen sind tragende Säulen der Beziehung von Trump und Fox. So war beispielsweise von Juli 2018 bis März 2019 Bill Shine, der ehemalige stellvertretende Präsident von Fox, Director of Communications (und zugleich stellvertretender Stabsleiter) im Weißen Haus.33 John Bolton war ebenso wie seine kurzzeitige Stellvertreterin, Kathleen McFarland, Fox-Kommentator, bevor Trump ihn zum nationalen Sicherheitsberater ernannte. Die Vorgängerin von Bill Shine, Hope Hicks, wechselte An-

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fang 2019 in die Public Relations Abteilung bei 21st Century Fox. Unzählige ehemalige Mitarbeiter im Weißen Haus werden als Pundits in die Talks eingeladen. Soweit sie es sich nicht mit Trump verdorben haben.

Verein der Freunde Es klang verschiedentlich an: In der Geschichte der USA sind parteipolitisch orientierte Medien und solche, die bestimmte Politikerinnen oder Politiker unterstützen, keine Seltenheit. Mit anderen konservativen Medien oder Persönlichkeiten zusammen hat Fox News erhebliche Definitionsmacht darüber, was den amerikanischen Konservatismus ausmacht. Fox und seine Special Relationship zu Trump sind sicher zentral, aber nur eine Komponente in einem mehrdimensionalen Beziehungsgefüge. Sie umfasst neue publizistische Plattformen jenseits der klassischen Medien und deren Online-Ablegern. Als bekannteste rechtskonservative Online-Publikation gilt mittlerweile Breitbart News – stilbildend in kämpferischer Haltung für ein rechtsorientiertes Amerika, das sich in den Foren und auf den Nachrichtenseiten hinter Donald Trump und seine Politik stellt. Heute gibt es in den USA etwa 3500 solcher Tribal News oder ähnliche Formate, online wie über klassische Verbreitungskanäle. Trumps enorme Präsenz auf Twitter et al. lässt ihn den Nachrichtenzyklus in dieser Sphäre in weiten Teilen (mit-)bestimmen. Diesem Zyklus zwischen Fox, dem Weißen Haus, Teilen des republikanischen Kongresses und anderen Right Wing Media zu eigen ist ein Radikalisierungsmoment: Gerade solche polarisierenden Themen und Argumente werden in den politischen Raum und die Medienlandschaft gespiegelt oder von dort aufgegriffen, die Aufmerksamkeit bei einem rechtskonservativen Publikum garantieren – bis hin zu Verschwörungstheorien und einem Paranoia Feeding.

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Diese mediale Koalition verfolgt Kommunikationsstrategien, die sich – grob – etwa so beschreiben lassen. Über das Mouthpiece wurde schon berichtet; er ist basal: Alles, was der Präsident äußert, wird wiederholt und im historischen Kontext gelobt. Dazu muss man gelegentlich auf den Twist zurück greifen, die Strategie unverblümter Doppelmoral: Was bei Obama das Syndrom sozialistischer Politik war, ist bei Trump Indiz von Weitblick und Genie. Wer sich diesen Perspektivenwechsel genauer ansehen mag, dem sei ein knapp vierminütiges Video auf empfohlen, das Now This News im April 2019 veröffentlichte: ein Zusammenschnitt von Kritiken – an Obama34. Ein (sehr) kleiner Ausschnitt: Er, Obama also, verbringe deutlich zu viel Zeit auf dem Golfplatz (was Steuergelder koste), sei auf Twitter viel zu aktiv (unwürdig einer US-Präsidentschaft), kritisiere gegen alle Gepflogenheiten seine Vorgänger, vergreife sich regelmäßig im Ton, könne nicht reden, spalte die Gesellschaft, geriere sich mit seinen Dekreten wie ein Diktator und sei – diese schöne Wendung zuletzt – auch noch so dreist, Fox Doppelmoral vorzuwerfen. Die wohl wirkmächtigste Kommunikationsstrategie der Trump-Unterstützer ist allerdings das Counternarrative. Diese »Gegenerzählung« greift einen Aspekt eines Themas auf und bietet eine andere Leseweise. Etwa wird nicht davon geredet, dass die Immigrationsstatistik ein 15-Jahres-Tief aufweist. Vielmehr stehe eine Invasion unmittelbar bevor. Etwas ausholender geht es um komplexere Deutungshoheiten. So kann Fox natürlich die Mueller-Ermittlungen in der RusslandAffäre nicht ignorieren. Man kann aber die Untersuchungen als Beweis für den Deep State verkaufen. Und damit ist nicht die Fernsehserie gemeint, sondern die »Idee«, Geheimdienste und andere Bürokraten würden im Verborgenen konspirieren, um Trump ihren Willen aufzuzwingen. Die Gegenerzählung bietet idealerweise genügend Potenzial zur Anschlusskommunikation (was in der Aufmerksamkeitsökonomie enorm wichtig ist) – z. B. die Diskreditierung auch der Mitarbeiter des Sonderermittlers35. Nicht Trump sei kor-

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rupt, sondern diejenigen, die ihm derart penetrant nachstellen. Die Gegenerzählung bietet außerdem Alternativen: Die einzige Kollusion, die es mit Russland gegeben habe, sei eine Clinton-Affäre gewesen: Crooked-Hillary habe als Außenmi­ nisterin nahezu ein Fünftel von Amerikas spaltbarem Ura­ nium an Russland verkauft – im Gegenzug zu fantastisch hohen Spenden an ihre Stiftung. Und dieser nukleare Ausverkauf der USA würde von den anderen Medien in einem gigantischen Cover up gedeckt; so an einem Abend der Tenor bei Hannity. Nebenbei bemerkt: In einem schon typischem Pick up griff Trump seinerzeit das Thema wenig später auf: »Uranium deal to Russia, with Clinton help and Obama Administration knowledge, is the biggest story that Fake Media doesn’t want to follow!«36 In dieser Gemeinschaft verhärten sich die Standpunkte. Auf moderate Argumente folgt keine soziale Prämie. So bediente beispielsweise Hannity das, was man schon Rachereflex nennen darf, als sich Trump nach der Veröffentlichung des Müller-Reports entlastet fühlte (was sich nach dem ImpeachmentVerfahren wiederholen sollte): »Wir werden jeden Beamten des Schattenstaates, der seine Macht missbraucht hat, zur Rechenschaft ziehen. (…) Wir werden jeden Lügner im Kongress zur Rechenschaft ziehen.«37 Nun haben die Amerikaner schon über Jahrzehnte hinweg eine kritische Haltung gegenüber den Medien entwickelt. Dieser Trend wird in der gegenwärtigen Präsidentschaft beschleunigt. Seit seinem Amtsantritt hat das Vertrauen der Amerikaner in die Rolle der Medien als vierter Gewalt deutlich abgenommen – vornehmlich bei den Republikanern. Nur 38 Prozent von ihnen trauen »den Medien« zu, einer kritischen Rolle gerecht zu werden, während es bei den Demokraten noch beachtliche 82 Prozent sind: Die mit Abstand größte je vom PEW Research Center gemessene Differenz zwischen den Anhängern der Parteien hinsichtlich der medialen »Vertrauensfrage«.38 Unterschieden konkret nach Formaten und Sendern zeigt sich ein Bild, wie wir es erwarten dürfen. Republikaner vertrauen Fox News und Sean Hannity oder Glenn Beck, Rush

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Limbaugh oder dem Drudge Report: Programmen, die Parteigänger der Demokraten mit deutlichem Misstrauen begegnen. Sie wiederum neigen zur Washington Post, der New York Times, zu ABC, CBS, NBC oder CNN oder beispielsweise der Daily Show – alles Sender, Zeitungen und Formate, die von den republikanischen Parteigängern abgelehnt werden.39 Dem folgt eine ideologische »Festigkeit« der politischen Einstellungen, was auch Re-Inforcement genannt wird: Wer eh schon polarisiert ist, vermeidet die anderen Meinungen – und stabilisiert seine Abneigung. Das trifft allerdings nicht auf alle Bevölkerungsteile zu. Politisch besonders stark interessierte Menschen nehmen zumindest tendenziell noch gegenläufige Meinungen und Positionen wahr40.

7   D e r E r s at z kö n ig (und seine Framers)1

#Right Matter? Das Impeachment und sein Vorläufer Mitte September 2019 wurde in Washington bekannt, ein anonymer Informant aus den Reihen der US-Geheimdienste habe ein regierungsinternes Whistleblower-Verfahren ausge­ löst: Trump soll in einem Telefonat im Juni den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selinskyi dazu gedrängt haben, Korruptionsvorwürfen nachzugehen und eine Untersuchung gegen Hunter Biden (den Sohn von Joe Biden) zu eröffnen. Der Präsident wollte womöglich Hilfsgelder zurückhalten – Gelder, die vom Kongress bereits genehmigt worden waren –, bis die Ukraine eine Ermittlung öffentlich bekannt gebe. Im Raum stand also, Trump hätte sein Amt missbraucht und eine ausländische Regierung unter Druck gesetzt, um sich einen persönlichen Vorteil für die Wahl 2020 zu verschaffen. Das Telefonat selbst war unstrittig. Trump sprach von einem »schönen« und »netten« Gespräch; später war es immer »perfekt«. Von Druck auf Selinskyi keine Spur. Bei den Demokraten wurden sofort Stimmen laut, nun habe der Präsident sein Amt endgültig korrumpiert und müsse abgesetzt werden. Diese Idee, ihn über ein förmliches Impeachment aus dem Amt zu jagen, stand von Beginn dieser Präsidentschaft an im Raum. Allerdings kannte man das schon von einigen Präsidenten zuvor: Bei jedem (scheinbaren) Skan© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_7

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dal fordert der jeweils andere Teil der polarisierten Staaten eine Amtsenthebung. Die entsprechende Historie für Trump lässt sich (z. B.) unter #TrumpImpeachmentParty eindrucksvoll nachlesen. Tatsächlich hatte er früh eine Krise zu überstehen, die bei anderem Mehrheitsverhältnissen wohl schon eher zu einem Verfahren im Kongress geführt hätte. Gemeint ist die Russland-Affäre und die Ermittlungen durch Sonderermittler Robert Mueller. Sie begann in den ersten Wochen seiner Amtszeit. Hintergrund war der Versuch Russlands, durch Cyberaktivitäten und Desinformationskampagnen Einfluss zu nehmen auf die Präsidentschaftswahl 2016. Offenbar wollte man Hillary Clinton diskreditieren. Zu diesem Schluss kamen letztlich alle US-Geheimdienste: CIA, NSA und FBI. Bereits im Zuge erster Ermittlungen musste Michael Flynn, Trumps nationaler Sicherheitsberater, seinen Posten räumen (und wurde später unter Anklage gestellt), da er über seine Russlandkontakte gelogen hatte. Zu allem Überfluss hatten sich Jarred Kushner, Paul Manafort und Donald Trump jr. während der Kampagne 2016 in New York mit einer obskuren russischen Anwältin getroffen. Wohl, um belastendes Material über Hillary Clinton zu bekommen. »You should have called the FBI immediately«, kommentierte das Steve Bannon einigermaßen fassungslos.2 Was bis man dahin möglicherweise als Skandälchen un­ befangener Amateure weggebügelt hätte, promovierte Trump selbst zur Krise, als er den Direktor des FBI entließ, James Comey. Wenige Wochen zuvor war Comey nach eigenen Angaben von Trump aufgefordert worden, die Sache mit Flynn auf sich beruhen zu lassen. Der sei ein feiner Kerl. »Let this go.« Auch habe er von ihm »Loyalität« eingefordert.3 Offenbar hatte der Direktor den Präsidenten nicht beruhigen können. Seiner Entlassung folgte die Einsetzung des Sonderermittlers Robert Mueller. Diese frühe Krise vereinte vielerlei Geschehen, Winkelzüge und Personen. Da wäre Jeff Sessions, Justizminister. Er hatte sich sofort für Befangen erklärt, weil er Trump schon in der

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Kampagne unterstützt hatte. Diesen Rückzug wollte der Präsident partout nicht akzeptieren, weshalb er ihn regelmäßig öffentlich brüskierte. Entlassen hat er ihn nach den Mid-Terms 2018. Und da ist natürlich Mueller und sein Team; sie wurden von Trump und seinen medialen Verbündeten pausenlos attackiert und als Handlanger der Demokraten geschmäht. Überhaupt übte Trump sich nicht in Zurückhaltung und fuhr auf Twitter eine Kampagne gegen die Untersuchung, die eine üble »Hexenjagd« sei (ein wiederkehrender Topos). Weit gefasst gehört auch eine Episode in Helsinki zur Russland-Affäre. Nach dem Gipfeltreffen Mitte Juli 2018 gaben Putin und Trump eine gemeinsame Pressekonferenz, und beide zeigten sich einig darin, es habe keine Einmischung Russlands gegeben. Auf Nachfragen der Journalisten glaubte Trump nicht, dass Russen die Computer der Demokraten gehackt haben. Kurz zuvor hatten seine Geheimdienste ihm genau das vorgetragen. Und Mueller hatte auch schon Anklage erhoben gegen zwölf mutmaßliche russische Agenten. Trump verwehrte sich jedoch nicht gegen die russischen Übergriffe. Vielmehr ging er mit Putin konform, das sei alles Unsinn. »Es ist zum Gruseln«, schrieb Der Spiegel. »Einen besseren Verbündeten kann [Putin] sich wohl kaum wünschen.4 Immerhin hatten die Untersuchungen zu Anklagen geführt; neben den erwähnten Agenten u. a. gegen Paul Manafort, Michael Flynn, Roger Stone, Michael Cohen. Und vor allem zogen sich die Ermittlungen in die Länge: Fast zwei Jahre sollten vergehen, bis im März 2019 der Bericht angekündigt wurde. In dieser Zeitspanne verschärfte Trump die Problematik, indem er permanent versuchte, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen. Schlimmeres, so der Mueller-Report, schien nur verhindert worden zu sein, weil Beamte des Weißen Hauses Trumps Anweisungen einfach ignorierten. Überflüssig zu erwähnen, dass Medien wie die New York Times und die Washington Post vom Weißen Haus und Trump auf Twitter heftig angegangen und mit Fake News-Vorwürfen überzogen wurden, wenn sie über die Ermittlungen berichte-

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ten oder das ein oder andere Detail analysierten. Als der Report im Frühjahr 2019 viele der Vorwürfe bestätigte, hatte das Land alles schon gehört. Und so wurde nicht der Bericht, sondern die lehrbuchartige Perception Control durch Justizminister William Barr die eigentliche Sensation. Barr nutze die Möglichkeiten seines Amtes, Teile des Berichtes für die Öffentlichkeit unkenntlich zu machen – und eine für Trump günstige Zusammenfassung vorab zu veröf­ fentlichen. Da Mueller keine gezielten, strategischen Absprachen oder gar eine Verschwörung nachweisen konnte, sah Barr Trump pauschal entlastet. Dass Mueller seitenlang ausbreitet, wie seine Ermittlungen behindert wurden, wie Zeugen gelogen hatten und Informationen zurückgehalten wurden, wie intensiv Mitarbeiter von Trump Kontakte zu Russen suchten – all das erwähnte er nicht. Auch nicht, dass der Report ausdrücklich betonte, die Ermittlungen hätten Trump nicht von dem Vorwurf freisprechen können, die Justiz behindert zu haben. Und auch das kaum verwunderlich: Der Präsident, seine Berater und die Medien, die ihn unterstützten, attackierten sofort nach der Publikation der Zusammenfassung Barrs den Deep State. Rudy Giuliani, eigentlich ohne jede Amtsmacht, drohte, die Drahtzieher der »erfundenen Russland-Vorwürfe zu bestrafen«. Und Sean Hannity kündigte in seiner Sendung selbstbewusst an, »jeden Lügner in den Fake-News-Medien zur Rechenschaft zu ziehen«.5 Das Land war also tatsächlich einiges gewohnt, als die ersten Meldungen über Trumps Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten bekannt wurden. Und als sich innerhalb weniger Tage die Hinweise verdichteten, der Präsident habe aus persönlichen Motiven heraus womöglich die amerikanischen Sicherheitsinteressen riskiert, sahen die Demokraten sich »historisch« verpflichtet, zumindest erst einmal zu untersuchen, ob es sich um ein missverständliches Telefonat oder doch um eine rücksichtslose Schattendiplomatie gehandelt hat. Am 24. September kündigte Nancy Pelosi, die demokratische Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, eine Voruntersuchung an.

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Die Framers und das Impeachment Als Nancy Pelosi am 1. November 2019 in der Late Show von Stephen Colbert zu Gast war, erinnerte sie an eine Anekdote aus der Gründerzeit der Nation: Am Tag der Unterzeichnung der Verfassung, am 17. September 1787, wurde Benjamin Franklin, als er die Independence Hall verließ, von einer Bürgerin aufgehalten und gefragt: »What do we have, Mister Franklin? A monarchy? Or a republic?« Franklins berühmte Antwort: »A republic. If we can keep it.« Ein Republik also. Wenn man sie denn bewahren könnte. Die Demokraten schienen eine Last der Geschichte zu verspüren. Und die Kluft hätte kaum größer sein können: Während die Republikaner allein eine lässliche Sünde des Präsi­ denten entdecken konnten, wenn überhaupt, verspürten die Demokraten nicht weniger als eine Gefahr für die Nation (wenn der Präsident mit seiner Intrige durchkäme). An der Wiege der USA stand ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Machtmissbrauch und Partikularinteressen. So be­schäftigte die Frage, wie man ein vor üblen Charakteren geschütztes Regierungssystem gestalten müsste, die amerika­ nischen Gründerväter (Framers) lange und ausführlich. Schließlich war man eben erst mit dem englischen König George III. einen leidlich vorzeigbaren Despoten los geworden. Bekanntlich kam der Verfassungskonvent in Philadelphia letztlich zu der Formel Checks and Balances – der gegenseitigen Kontrolle und des Gegengewichts der Staatsgewalten.6 In diesen Kontext ist auch das Impeachment zu betten: Was die Framers hier umtrieb, ist tief in die DNA der Vereinigten Staaten eingewoben: Die Befreiung von der britischen Monarchie. Verhindert werden sollte willkürliches Gehabe und Pflichtverletzungen, Machtklüngel und Tyrannei. Insbesondere fürchtete man an eine Art schwer verdaulichen Ersatzkönig – einen Demagogen womöglich. Dabei griffen die USVerfassungsväter nach dem Studium der Rechtsgeschichte mit dem Impeachment auf eine britische Klausel aus dem 14. Jahr-

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hundert zurück. Sie gab dem Parlament das Recht, Minister des Königs aus dem Amt zu jagen. Und einen furchtbaren König bzw. Präsidenten? Bürgerkrieg? Hinterlist und Attentat? Da schien das Impeachment, von dem man da las, etwas ziviler.7 Die neue konstitutionelle Ordnung, in der ein Präsident an die Stelle des Monarchen trat (aber keiner sein durfte), traf aber nicht nur Vorkehrungen, entsprechende Charaktere vorzeitig abzulösen. Man hat zugleich erschwert, nach Laune und Gutdünken zu verfahren. Einerseits schien es gefährlich, einfach auf die nächste Wahl zu warten. Andererseits sollte das Impeachment nicht aus kurzsichtigen Gründen quasi im Tagesgeschäft angestrengt werden können. (Womit im schlimmsten Fall demokratische Wahlen ausgehebelt würden.) Wie für andere weitreichende Entscheidungen (etwa außenpolitische Verträgen oder Verfassungsänderungen) hatte man daher für das Amtsenthebungsverfahren eine qualifizierte Zwei-Drittel-Mehrheit in die Verfassung geschrieben. Allerdings nur für die eigentliche Urteilsfindung im Senat. Die Eröffnung der Anklage durch das Repräsentantenhaus bedarf allein einer einfachen Mehrheit. Die Amtsenthebung hat damit zwei Gesichter. Sie ist einfach im Repräsentantenhaus anzustrengen, schwerer im Senat zu entscheiden: Ein Instrument, gedacht zur vorsichtigen Anwendung. Nachdem sich in den USA über das Wahlsystem ein Zwei-Parteien-System entwickelt hat, bedarf es dann eines gewissen überparteilichen Konsenses, um den Präsidenten aus dem Weißen Haus zu werfen. Dabei pflegten die Framers ein weites Verständnis in die Verfassung ein von dem, was als Anlass für ein Amtsenthebungsverfahren verstanden werden kann. Natürlich nicht einfach Entscheidungen, die wenig bewirkten, von Betroffenen als »schlecht« empfunden würden oder weil ein Verhalten gängige Umgangsformen verletzen. Demgegenüber kommt aber alles in Betracht, was die besonderen Pflichten des Amtsträgers vernachlässige – und eben nicht allein strafbare Handlungen im Sinne des je aktuellen Gesetzbuches. So ist in der Verfas-

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sung die Rede von »treason, bribery, or high crimes and misdemeanors«: von Verrat, Bestechung, Verbrechen und anderem Fehlverhalten als Voraussetzung zur Anstrengung einer Amtsenthebung. Alles dann eine Frage der Auslegung? Gerald Ford antwortete 1970 im Zusammenhang eines Streits um einen Richter des Supreme Court auf die Frage, was denn ein »impeachable offense« sei: »(…) whatever a majority of the House of Representatives considers it to be at a given moment in history.«8 Das galt zu Fords Zeiten schon als zynisch. Was deutlich wird: Der historische Bezug, der in der Diskussion um Trump eine Rolle spielte, war kein akademisches Fingerspiel. Er sollte helfen, das Verhalten des Präsidenten einzuordnen in die vage Verfassungsformel. Nach vorherrschender Meinung ist all das ein Machtmissbrauch, was die nationalen Interessen der USA verletzt und das Vertrauen in die amerikanische Republik untergrabe. Im Kern meint das auch: Es gibt keine Sphäre, in der der Präsident machen kann, was er will bzw. keine Sphäre, in der er sich nicht verantworten müsste.9 Dem Präsident könne man in seiner Amtsführung genau deshalb Dinge vorwerfen, die ein Strafgesetzbuch nicht kennt, weil mit dem Amt ganz außergewöhnliche Umstände und Möglichkeiten einher gehen. »The President has powers that only a President can exercise, or abuse. Were these powers beyond the reach of the people’s power, impeachment would be a dead letter.«10 Anders ausgedrückt: Wenn der US-Präsident Donald Trump den Präsidenten der Ukraine »um einen Gefallen bittet«, ist das etwas anderes, als wenn es The Donald versucht.

Das (öffentliche) Impeachment Von Beginn an folgten die Republikaner im Kongress unisono Trumps Linie der totalen Obstruktion und präsentierten sich, angefeuert durch Tweets aus dem Weißen Haus, als weitgehend

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geschlossene Veranstaltung. Schließlich sei Trump – so das zentrale Argument – nicht mit einer Smoking Gun auf frischer Tat ertappt worden. Die Vorwürfe beruhten also auf Gerüchten, seien weder substantiell noch justitiabel. Vielmehr gleiche das Vorgehen der Demokraten einem Coup und dementsprechend sei der eigentliche Skandal ein Angriff auf die amerikanische Nation durch den Deep State jener sinistren Bürokraten, die den gewähltem Präsidenten in den Rücken fallen. Demgegenüber wurden die Demokraten nicht müde, die historische Bedeutung zu betonen, die dem Impeachment zukomme: Ein beinahe verzweifeltes Bemühen, die Öffentlichkeit von einem coûte que coûte zu überzeugen – die Demokraten müssten aus Verantwortung der Nation gegenüber eine Amtsenthebung anstreben; sie könnten gar nicht anders, komme, was da wolle. Während also die Demokraten auf die historische Gefahr verwiesen, denen sich Amerika ausgesetzt sehe, versammelten sich die republikanischen Abgeordneten hinter Trump und seiner zentralen Verteidigungslinie, wonach man es mit einer Hexenjagd zu tun habe. Natürlich der größten Hexenjagd in der US-Geschichte.11 Donald Trump zu unterstützen, war für viele republikanische Abgeordnete in dieser Situation keine Frage der Loyalität oder Zuneigung, sondern Tagesgeschäft im permanenten Wahlkampf. Denn am 3. November 2020 wird Amerika nicht nur über die Präsidentschaft abstimmen. Das gesamte Repräsentantenhaus sowie ein Drittel des Senats werden neu gewählt. Und wie man sich im Zuge der Untersuchung im Kongress oder in den Medien aufgestellt hatte, das würde sicher von der republikanischen Basis in den Wahlkreisen beobachtet werden. Ganz zu schweigen von allfälligen Kommentaren des Präsidenten selbst. Von Beginn an waren es auch die konservativen Nachrichtensender, allen voran Fox News, die ihrem Publikum die republikanische Gegenerzählung lieferten zu dem, was in den Untersuchungen öffentlich wurde. Damit wiederum signalisierten sie den (möglicherweise zweifelnden) republikani­

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schen Senatoren eine treu dem Präsidenten folgende Anhängerschaft. Spätestens mit den öffentlichen Anhörungen vom November wurde dann das Outside-Game eröffnet, wie es die Amerikaner nennen: Während das Inside-Game die politischen Auseinandersetzung in den Parlamenten (und Regierungsbehörden) bezeichnet, übernehmen im Outside-Game solche Personen oder Organisationen die Konfliktführung, die eigentlich »nur« Beobachter sind. Das sich hier zwei Welten entfalteten, überrascht kaum: Am Tag der ersten Anhörung eröffnete Rachel Maddow ihr Prime-Time-Format bei MSNBC damit, Trump sei bei etwas »Illegalem erwischt worden«, das »unmittelbar auf Kosten der Interessen der Nation« ginge. Sean Hannity dagegen begrüßte sein Publikum zeitgleich mit den Worten, das sei ein »großer Tag für die Vereinigten Staaten, für das Land, für den Präsidenten – und ein lausiger für die korrupten, nichtsnutzigen, radikalen, extremen, sozialistischen Demokraten und ihre Verbündeten, besser bekannt als der Medien-Mob«.12 Nebenbei bemerkt: Interessanterweise fassten die bei den Anhörungen beteiligten Republikaner – also Insider – die befragten Diplomaten im Vergleich zu früheren Vorgängen relativ »sanft« an; sie konzentrierten sich darauf, deren Aussagen als unzuverlässiges »Hörensagen« abzukanzeln. Weit weniger zurückhaltend zeigt sich dagegen Fox, der Outsider: Der Sender ging Zeugen wie Oberst Vindman massiv an. »Experten« und Moderatoren zweifelten offen an seinem Patriotismus und unterstellen Spionage – bereits parallel zu den nicht-öffentlichen Anhörungen. Trump spiegelte diesen Frame in bekannter Manier und nannte Vindman auf Twitter wiederholt einen »Never Trumper«. Was wohl schlecht sei. Spätestens als der Ukraine-Gesandte der USA, William Taylor, bei einer Anhörung vor dem Kongress bezeugte, es habe einen eindeutigen Zusammenhang gegeben zwischen der Auszahlung einer bereits vom Kongress überparteilich genehmigten Militärhilfe an die Ukraine und einer offiziellen Ankündigung seitens der ukrainischen Regierung, man ermittele

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gegen Hunter Biden, war Trumps Überdehnung der Sicherheitspolitik des Landes kaum zu leugnen. Es folgten der amerikanische Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, der frühere Äußerungen korrigierte und doch ein Tauschgeschäft verstanden haben wollte; die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie L. Yovanovitch, sowie weitere Diplomaten und Mitarbeiter des Weißen Hauses, die allesamt den Eindruck untermauerten, der Präsident habe in Verbund mit einigen Gefolgsleuten (u. a. seinem Anwalt, Rudolph Guiliani) eine persönlich motivierte Schattenpolitik initiiert. Im Zentrum der republikanischen Argumentation stand dagegen ein in Kreisen der US-Jurisprudenz umstrittener Gedanke: Was der Präsident getan habe, sei kein Fehlverhalten, das im Gesetzbuch stünde. Trumps Telefonat und die Signale, die er in die Ukraine gesendet habe, seien vielleicht ungeschickt gewesen – »inappropriate« war oft zu hören. Aber deswegen könne er nicht des Amtes enthoben werden. Dabei zeigte man sich demonstrativ siegesgewiss. Anders lässt sich eigentlich nicht erklären, warum Alan Dershowitz einer der Anwälte Trumps im Kongress tatsächlich die These vortrug, der Präsident könne aus einem ganz simplen Grund nicht angeklagt werden: Jede Aktion, die geeignet sei, Trumps Wiederwahl zu unterstützen, sei im Interesse der Nation und könne folglich nicht beklagt werden: »If the president does something that he thinks will help him get elected, in the public interest, that cannot be the kind of quid pro quo that results in impeachment.«13 Einigermaßen konsequent schloss sich Trump, der ja in eine ungewohnte Zuschauerrolle gezwängt wurde, in der ersten Woche dem Outside-Game an. Die seinerzeit spektakulärste Befragung dürfte die von Marie Yovanovitch gewesen sein, die in einer fast sechsstündigen Befragung in klaren Worten schilderte, wie Trump, Giuliani und ihre Mitstreiter versucht hatten, sie über eine Rufmordkampagne einzuschüchtern, bevor der Präsident sie ihres Amtes als US-Botschafterin in der Ukraine enthob. Schon vor dieser Befragung hatte Donald

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Trump jr. Yovanovitch als »Witzfigur« bezeichnet. Nun, während der Sitzung, verunglimpfte sie der Präsident höchst selbst. Live auf Twitter. Die US-Wählerschaft zeigte sich – das unterstrichen viele Umfragen14 – natürlich interessiert am Impeachment, aber nicht sonderlich »bewegt«. An den Börsen dieser Welt ist das Phänomen bekannt, dass auch dramatische Entwicklungen ihre Schatten voraus werfen können und Kurssprünge ausbleiben, weil Überraschungen in den Kursen bereits »eingepreist« wurden. Ähnlich verhielt es sich offenbar mit dem Impeachment: Amerika schien einiges gewohnt, Trump war »einge­ preist«. Die Untersuchungen zu seiner möglichen Amtsenthebung bewirkten keine erheblichen Meinungsschwankungen. Als schließlich der Senat urteilen musste, hatte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, gänzlich unbeeindruckt von dem, was da aus dem Repräsentantenhaus zu hören war, die Marschrichtung längst vorgegeben und angekündigt, das Verfahren ohne Zulassung neuer Beweismittel so rasch wie möglich abzuschließen. Wie zu erwarten, wurde das sofort als Cover Up kommentiert.15 Zumal McConnell hinzufügte, das Impeachment könne selbstverständlich nur in einem Freispruch enden. Dass es so enden würde, selbst wenn es zu weiteren Zeugenaussagen käme, war Nancy Pelosi wohl bewusst. »Regardless of the outcome, Mr. Trump will be impeached for life.«16 Das klang schon etwas gequält. Und womöglich frustriert, denn schon bevor sie einen Eid schworen auf ein überparteiliches Verfahren, hatte die Masse der republikanischen Senatorinnen und Senatoren in die Mikrofone der konservativen Medien verkündet, sie sähen keinen Anlass, Trump zu verurteilen. Er wird es gehört haben. Als Mitch McConnell in einer formellen Zeremonie die Anklage gegen Trump überreicht wurde, sagte er noch: »This is a difficult time for our country, but this is precisely the kind of time for which the framers created the Senate. I’m confident this body can rise above the short term-ism and factional fever and serve the long-term best interests of our nation. We can

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do this and we must.«17 Auch diese blumige Aussage darf man getrost lesen als Teil des Schleiers, den die Republikaner über den Senat legten. Ohne Anhörung neuer Zeugen sprach der Senat am 5. Februar 2020 den Präsidenten in den zwei Anklagepunkten frei – Machtmissbrauch und Behinderung des Kongresses. Fast exakt entlang der Parteilinien; nur Mitt Romney stimmte mit den Demokraten.

Forever Impeached? Es war einmal eine Zeit in Amerika, da herrschte Etikette und Tugend und ein Nachdenken darüber, was das Land von seinen politischen Führern erwarten (dürfen) – Haltung, Respekt, Fairness und Klarheit in der Sache. »It’s disgusting« schallte es dagegen wenige Stunden, bevor der Senat US-Präsident Trump im Impeachment-Verfahren freisprechen sollte. Zum Thema Stil und Würde hatte gesprochen: Kellyanne Conway (Präsidentenberaterin) auf Fox News (Präsidentenfernsehen). »We expect more from our leaders«. Damit war nicht mehr Druck auf die Ukraine gemeint, sondern mehr Anstand von Nancy Pelosi, die am Abend zuvor ihren persönlichen Eindruck von Donald Trump und dessen State of the Union Ausdruck verliehen hatte, indem sie eine Kopie der Rede zerriss. Kameragerecht im Schlussapplaus. »What happened to Nancy Pelosi?« fragt sich die zugeschaltete Conway und hatte die Antwort natürlich parat: »She lost control«, diese »third-grade politician«, der »level of frustration« sei zu hoch. Nicht (nur) wegen der anstehenden Abstimmung im Senat, sondern weil sie die Erfolge des Präsidenten einfach nicht ertragen könne. Das sei, so dann der einhellige Tenor der Runde, einfach nur Kindergarten. Einen besonders faden Beigeschmack für die Demokraten dürfte bei besagter State of the Union die Ehrung von Rush Limbaugh gehabt haben, dem Präsident Trump »spontan« den höchsten zivilen Orden der USA verlieh. »Zivil« ist in diesem

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Zusammenhang nichts als Ironie: So erinnert dann bei MSNBC Nadeam Elshami, ehemaliger Stabschef von Pelosi, daran, was Limbaugh im Laufe der Jahre so alles über Nancy Pelosi im Speziellen und die Demokraten im Allgemeinen von sich gegeben habe. Ihm gerade jetzt derart demonstrativ bei der State of the Union einen Orden zu verleihen, sei unwürdig. Bei Fox hingegen war genau diese Ehrung der emotionale Höhepunkt (»I cried«; »I was so touched«; »everybody should be standing up«) – Höhepunkt einer Inszenierung, die man als meisterliche »stage craft« anerkennen müsse: Der Reality-TVStar Trump habe geliefert, so die Fox-Runde. Nach wie vor in der Kritik stand dagegen Pelosi. Mit dem Zerreißen der Rede habe sie all die Leute beleidigt, von denen Trump in der State of the Union redete. Und der zugeschaltete Mike Pence erweiterte das noch um den feinen Gedanken, im Grunde genommen habe sie die Verfassung zerrissen. Auch nicht schlecht, diese Volte, angesichts dessen, was einen Tag darauf auf der Tagesordnung des Senats stand. Der Senat sprach Trump frei, und Pressesprecherin Stephanie Grisham ahnte sofort bei Fox & Friends, was Trump jetzt auf den Herzen habe: »I think he’s going to also talk about just how horribly he was treated and that maybe people should pay for that.« Zeugen, beispielsweise? Wenn republikanische Senatoren wirklich geglaubt hatten, Trump habe etwas aus dem Impeachment gelernt (lessons learned), dann wurden sie am Morgen nach dem Freispruch bei der Bibelstunde, von der schon die Rede war (vgl. Kap. 4), eines Besseren belehrt. Nancy Pelosi sei eine schreckliche Person, bösartig, hinterhältig. Adam Schiff gleich mit. Und Romney habe als Begründung für sein Votum seine Religion nur vorgeschoben: »I don’t like people who use their faith as justification for doing what they know is wrong.« Überrascht war offenbar keiner, musste auch keiner sein, denn eine Konstante dieser Präsidentschaft war und ist, dass Trump seine politischen Gegner oder aber auch Mitstreiter, die sich als unnütz erwiesen haben, mit Häme, Beleidigungen und Drohungen eindeckt.

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Keine zwei Tage brauchte das Weiße Haus, um den hochdekorierten Oberstleutnant Alexander Vindman und den USBotschafter bei der EU, Gordon Sondland, ihrer Posten zu entheben. Beide waren der Vorladung des Repräsentantenhauses gefolgt und hatten ausgesagt. Nur für einen Moment witzig, der Tweet von Präsidentensohn Donald Trump jr., der sich bei Sondland bedankte, schließlich sei durch seine Aussage deutlich geworden, wen man sonst noch feuern müsste. Offenbar wurde in der Folge der Karriereweg rund eines Dutzends anderer Laufbahnbeamter blockiert, die sich im Zuge des Impeachment »schwierig« zum Verhalten von Trump geäußert hatten.18 Lessons learned? Ganz sicher. Aber ebenso sicher nicht die Lektion, an die der ein oder andere Republikaner gedacht haben mag. Vielleicht war vor dem Verfahren noch ein Stück Unsicherheit vorhanden gewesen. Jetzt »wusste« Trump: Die Republikaner des Kongresses werden ihn bei allem, was er tut, den Rücken freihalten. Das reicht von den Beschimpfungen seiner Gegner über den blanken Unsinn, den er gelegentlich von sich gibt, eben bis zur Aushöhlung der demokratischen Institutionen des Landes, das er vorgibt, wieder groß zu machen. »The real crimes were on the other side,« twitterte Trump am 12. Februar 2020 – ganz damit beschäftigt, sich über die Anklage gegen seinen alten Weggefährten Roger Stone aufzuregen. Drei Wochen zuvor hatte Covid-19 Amerika erreicht.

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Dr. Trump, Phase 1 Am 6. März 2020 besuchte der Präsident ein Gesundheitszentrum in Atlanta; nachdem man ihm durch die Einrichtung geführt hatte, äußerte er sich beeindruckt von den Testverfahren, die man ihm eben präsentiert hatte. Sie seien nicht nur »beauti­ful«, sondern so perfekt wie sein Telefonanruf neulich (in die Ukraine). Von Sorge angesichts der gerade in Fahrt kommenden Pandemie war wenig zu hören. Dafür entdeckte Trump etwas Neues – (s)eine ganz persönliche Auffassungsgabe. Dr. Trump: »I like this stuff. I really get it. (…) Everyone of these doctors said, ›How do you know so much about this?‹ Maybe I have a natural ability.« Zuletzt erkundigte er sich noch bei einem Fox News-Reporter, wie gut die Ratings der Nachrichtenshow am Abend zuvor gewesen seien. – Erstaunlich, das so etwas funktioniert: eine Präsidentschaft in sechs Sätzen. Donald Trump wurde zum Präsidenten gewählt mit dem für viele Amerikaner interessanten »Appeal«, gänzlich frei jeder Amtserfahrung zu sein. Mit der Ablehnung der kühlen Rationalität der Bürokratie in Washington prägte dann eines – neben seiner ureigenen Form der öffentlichen Ansprache – seine Präsidentschaft mit: Das Selbstvertrauen, er könne komplexe Verfahren auf den ersten Blick durchdringen. Briefings verbreiten ausschließlich schlechte Laune im Oval Office und seine Mannschaft definierte sich mit jeder »you© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_8

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are-fired«-Runde zusehends über Loyalität oder den erklärten Willen, den radikal-linken Demokraten für alle Zeit den Garaus zu machen. Einzug im Weißen Haus hielt ein Common Sense, eine Art lebensechte Ideologie des Pragmatismus der Gewerbetreibenden aus Tennessee, der Farmer Kentuckys. Als Trump in Atlanta den Doktor in sich entdeckte, hätten bereits Alarmglocken schrillen können. Allerdings kann man noch nachvollziehen, dass der Präsident am 22. Januar, als ihm offenbar vom ersten Covid-19-Fall in den USA berichtet wurde, erst einmal beruhigen wollte. »We have it totally under control. It’s going to be just fine.« Als jedoch binnen weniger Tage immer drastischere Details der Vorsichtsmaßnahmen in China bekannt wurden und immer mehr US-Experten öffentlich zu raschen Reaktionen rieten – da hätte das Land eine klare Ansprache der Gefahrenlage gebraucht und wohl die ein oder andere Entscheidung in der Gesundheitslogistik. Obwohl selbst die Geheimdienste früh von Risiken sprachen, spielte Trump die Bedrohung tagelang herunter. Er reklamierte »Erfolge« in der Virusbekämpfung und beschuldigte für allen kommenden Unbill (natürlich) Barack Obama. Noch am 30. Januar, als die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine dringliche Warnung aussprach (»public-health emergency of international concern«), blieb er bei seiner »it-will-all-work-out-fine«-Haltung. Am Tag darauf bei Fox News berichtete er dann, man habe den Reiseverkehr mit China stark (wenn auch nicht gänzlich) eingeschränkt. Auf Nachfrage, ob die Regierung mehr machen müsste (etwa die Aufhebung von Regulierungen, um die Produktion der Tests zu steigern), folgte eine Beschwichtigung: Dieser Virus würde Amerika nur leicht betreffen und bald verschwinden – spätestens, wenn das wärmere Aprilwetter einsetze. Dass man sich auf die bis dahin relativ geringen Zahlen nicht verlassen sollte, weil die Testverfahren unsicher und überaus lückenhaft waren, wurde von Trump nicht erwähnt; falls ihm dieses Problem überhaupt bewusst war. In der letzten Februarwoche meldet die WHO einen dramatischen Anstieg in nunmehr knapp drei Dutzend Staaten

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weltweit. Der Präsident dagegen zeigte sich nach wie vor ungerührt. Dann aber bewegten sich die Aktienkurse, und zwar abwärts, und das Weiße Haus entwickelte zwei Beruhigungsstrategien. Erstens, das wundersame Verschwinden: »It’s going to disappear. One day – it’s like a miracle – it will disappear.« (27. Feb.) Die von der WHO gemeldete Sterberate von 3,4 Prozent sei übertrieben und liege bei unter einem Prozent – so nach Angaben von Trump seine »Intuition« (6. März). Im Übrigen stünde bald eine Impfung zur Verfügung (»very quickly«; »very rapidly«; 29. Feb.), die Zahl der Betroffenen ginge drastisch zurück (»very substantially«, 6. März), und das, was die Regierung unternähme, seien »the most aggressive actions taken by any country« (29. Feb.). Zweitens Attacke: CNN und MSNBC und die liberalen Medien sowieso würden mit unnötiger Panikmache die Menschen und damit auch die Börsen verunsichern. Und die »Do Nothing Democrats«, allen voran »Cryin’ Chuck Schumer«, politisierten den Virus aufs Übelste. Fehlerhafte Testverfahren seien allein Obama zu verdanken. Im März kam der Vergleich hinzu, der Virus sei lange nicht so gefährlich wie die Grippe, eher milder. Mit dieser Einschätzung waren Trump und das Weiße Haus nicht allein. Wer weiß schon, wer da wen in einem Feedback-Loop inspirierte: Auf Fox News meldete ein Mediziner, Mar Siegel, noch am 6. März: »At worst – worst case scenario – it could be the flu.« Und am Tag darauf kommentiert »Judge« Jeanine Pirro: »All the talk about coronavirus being so much more deadly (than the flu) doesn’t reflect reality.« Dass die Covid-19-Pandemie und die Frage, wie man ihr begegnen sollte, eine politische Komponente beinhaltet, wurde im späten Frühjahr nicht nur in den USA erkennbar. Eine allerdings sehr exklusive US-Perspektive – fast schon bezeichnend für den Zustand der Gesellschaft – fand die Fox Business Moderatorin Trish Regan schon Mitte März: »This is yet another attempt to impeach the president.«1 Von »Panikmache« war bei Sean Hannity und Laura Ingraham die Rede, von Massen-Hysterie, die die Liberal Mainstream Media verbreiteten. (Als

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sei der eigene Sender bekannt für kühle Informationsvermittlung.) Wochen zuvor schon hatte Ingraham Fotos von Nancy Pelosi und Charles Schumer neben einem überdimensionalen Corona-Molekül präsentiert und kommentiert: »How sick that these people seem almost happiest when Americans are hurting.« Ein Freund-Feind-Denken, das in der Folge auch der Sohn des Präsidenten, Don jr., aufgriff und zu neuen Höhen führte; er warf den Demokraten allen Ernstes vor, sie wünschten sich geradezu, Millionen Amerikaner würden sterben, nur weil sie es nicht ertragen könnten, wie sehr sein Vater »gewinne«. Das war immer noch zur Zeit der ersten Pandemie-Welle in den USA. Allerdings zeichnete sich damals ein Masterframe ab, eine Art Zentralphilosophie: Das Argument und die Vorstellung, diese Regierung sei prädestiniert darauf (Mauerbau, Einreise­ verbote), alles Böse an seinen Grenzen aufzuhalten. »The virus remains low-risk domestically because of the containment actions taken by this administration since the first of the year« – so der stellvertretende Pressesprecher des Weißen Hauses, Judd Deere, zur The Daily Beast am 26. Februar. Das fremde Virus und die USA (eine Insel im Rande der Welt).

Krisenwahrnehmung Immer an des Präsidenten Seite: Fox News und andere ProTrump-Medien. Nachdem die ersten Fälle Covid-19 in den USA bekannt wurden, wiegelten sie im Wesentlichen ab: Was auf das Land zukäme, sei kaum gefährlicher als eine spätherbstliche Grippewelle. Vom Drudge Report bis Rush Limbaugh amüsierte man sich über die Panik der demokratischen Jammerlappen: »The apocalypse is imminent and you’re going to all die, all of you in the next 48 hours. And it’s all President Trump’s fault. Or at least that’s what the media mob and the Democratic extreme radical socialist party would like you to

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think.«2 Derart plastisch eröffnete Sean Hannity am 27. Februar seine Sendung. Es passte einfach alles zusammen: Die so genannte Wissenschaft, die böswilligen Demokraten und ihre leichtgläubigen, hasenfüßigen Mitläufer. Polarisierung galore. Ein anderer Erzählstrang relativierte die Gefahr, die durch den Virus ausgehe, indem man einen Fokus auf Personen legte, die angesteckt waren, aber keine Symptome aufwiesen. In einer besonders »humorvollen« Episode interviewte Rush Limbaugh ein älteres Ehepaar, das infiziert gewesen sein soll: »Let me ask you a question. Did you two die, and you are speaking to me from beyond the grave?3 Zynismus und Zweifel machen die erste Phase der medialen Begleitung der Krise durch rechtskonservative Medien aus. Und selbst wenn der Virus bösartig sei. Das seien ja wohl noch andere Dinge. Schlangenbisse zum Beispiel. Das war insofern eine bedenkliche Strategie – wie sich zeigen sollte –, als irgendwann die sozialen, menschlichen und ökonomischen Folgen der Pandemie nicht mehr ignoriert werden konnten. Wie gesagt, es dominiert die parteipolitische Brille. Joel Pollak, einer der Herausgeber von Breitbart News, griff die Warnung einer Ärztin auf und die Wissenschaftlerin in ihr an: Sie sei schließlich die Schwester von Rod Rosenstein, dem stellvertretenden Generalstaatsanwalt während der RusslandAffäre. Insofern sei Misstrauen nur natürlich. Auch Stephen Bannon spielte mit und etablierte mit War Room: Pandemic ein Spezialformat seines Podcast – und referierte über die chinesische Biowaffenforschung, der das Virus außer Kontrolle geraten sein könnte. In anderen Folgen attackierte er die Weltgesundheitsorganisation oder spekulierte über eine mögliche militärische Konfrontation im südchinesischen Meer. Diese Rhetorik wurde aufgegriffen und in den (sehr-)rechtskonservativen Medien noch weiter befeuert. Rush Limbaugh dazu, Ende März: »Nichts geht über die Vernichtung der gesamten US-Wirtschaft durch eine Bedrohung aus China, oder?«4 Am 15. März dann der Strategiewechsel des Weißen Hauses. »A bold, new precedent is being set, the world will once

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again benefit greatly from America’s leadership. (…) The federal government, state governments, private businesses, top hospitals all coming together, under the president’s leadership, to stem the tide of the coronavirus.«5 American Leadership also, verkündet von Sean Hannity. Wenige Stunden zuvor hatte Trump nach wochenlangem Herunterspielen erstmals davon gesprochen, der Virus sei tatsächlich »a very bad one« und »not under control«, weshalb er nun den Notstand ausriefe. Was hatte ihn dazu bewegt? Wahrscheinlich der Dow Jones, der an diesem Tag einen historischen Absturz erlebte. Womöglich auch die Desinfektionsmaßnahmen, die Mar-a-Lago tagelang lahmlegten. Nun endlich wurden Handlungsempfehlungen ausgegeben, für regionale und kommunale Verantwortliche und auch für die Bürgerinnen und Bürger selbst. Und am Tag darauf folgte gar Lob auf die Wissenschaftler und Gesundheitsexperten – denen er zuvor recht misstrauisch begegnet war. Überdies sei die Pressearbeit nicht wirklich gut gewesen: »We’ve done a poor job in terms of press relationship.« Wer sich hier um Trumps Seele sorgte, den holte er gleich wieder zurück: »I felt it was a pandemic long before it was called a pandemic.« Zu einer solchen »Klarstellung« sah sich auch Fox’ Hannity am 18. März genötigt: »This program has always taken the coronavirus seriously and we’ve never called the virus a hoax.« Neun Tage zuvor hatte er genau das getan.6 Wahrscheinlich war der neue Ansatz der Regierung auf eine Feindbildstrategie zurückzuführen, die Tucker Carlson auf Fox News schon länger propagierte: Dass der Virus eine direkte Folge der Globalisierung und der Vernachlässigung einer »chinesischen Gefahr« durch die Demokraten sei. Die Krise als Chance, America First endlich wahr zu machen. »Ich glaube, dass wir viel gelernt haben. Wir haben eine Menge gelernt. Diese Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, starke Grenzen und einen robusten Produktionssektor zu haben« – so Trump auf einer Pressekonferenz Mitte März.7. Nun »fühlte« sich der Präsident als Kriegspräsident und sprach von ei-

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ner Gefahr für Leib, Leben und Ökonomie durch einen Chinese Virus. Eine Krise, die womöglich doch bis in den Sommer hinein bestehen könnte. Rund acht Wochen waren seit dem ersten bekannten Fall auf US-Boden vergangen.

Vor der Krise ist in der Krise Man muss kurz an Scott Pruitt erinnern. Der hatte noch zur Zeit der Präsidentschaft Barack Obamas als Lobbyist der Ölbranche das US-Umweltamt gleich dutzendfach verklagt, um Umweltschutzmaßnahmen auszuhebeln und Regulierungen zu umgehen. Pruitt wurde 2017 von Trump als Leiter der Environmental Protection Agency (EPA) eingesetzt – und parteiübergreifend jeder in Washington verstand das Signal. Umweltschutz, Wissenschaft, Forschung? Under Attack: Die Worte »Klimawandel« und »Erderwärmung« sollten nach einer internen Anweisung nicht mehr benutzt werden; von der Netzseite der Behörde verschwanden Studien und Daten zum Erdklima, und noch Ende 2018 waren geschätzt die Hälfte der Leitungspositionen der EPA nicht besetzt.8 Auf Bundesebene insgesamt waren im ersten Amtsjahr von Trump 46 hohe Posten bei den Agencies, in die Wissenschaftler zu berufen waren, erst 16 tatsächlich belegt.9 Dabei mag es um die Verschlankung einer als aufgebläht wahrgenommenen Bürokratie gehen. Das wohl auch. Aber eine schon subversive Besetzung wie die von Pruitt wurde sofort auch als Anti-Intellektualismus gelesen: Ein bei den Republikanern inzwischen traditioneller Argwohn gegenüber jeder Expertise. Im konservativen Common-Sense-Amerika liest sich das dann seit den 1960er Jahren als »Witz«: Das Land würde von Professoren geleitet, die zwar wüssten, wie man in Vietnam Krieg zu führen habe, aber kein Fahrrad anständig abstellen könnten.10 Trump koppelte die Idee eines schlanken Staat an dieses Misstrauen. Auf einer republikanischen Gala

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im August 2019: »It’s nearly impossible to fire a federal worker. But by simply saying to people, ›You know what, we’re going to take you outside the bubble, outside the Beltway, outside this liberal haven of Washington, D. C., and move you out in the real part of the country,‹ and they quit. What a wonderful way to sort of streamline government and do what we haven’t been able to do for a long time.«11 Während der Regierungsübergabe stapelten sich die Anekdoten: Im Energieministerium hat Rick Perry die Leitung übernommen, ein Minister mit enger Verbindung zur Ölund Gasindustrie. Und dort ging es zuerst allein darum herauszufinden, welche Leute sich mit den sozialen Folgen von Carbon beschäftigt haben oder an Klimakonferenzen teilge­ nommen hatten – um sie dann auf unbedeutende Posten zu versetzen.12 Dem Gesundheitsministerium entzog man im ersten Jahr gleich 7 Milliarden Dollar; das Budget der EPA wurde um 2,5 Milliarden Dollar gekürzt, schlank machende 23 Prozent.13 Im Heimatschutzministerium, monatelang selbst nur kommissarisch geleitet, blieben in Trumps Amtszeit bislang 20 von 75 Spitzenposten unbesetzt. Und das sind nur wenige Beispiele. Der Staatsapparat wurde systematisch ausgehöhlt. Aufgelöst wurde übrigens auch die »Arbeitsgruppe Pandemie« im Nationalen Sicherheitsrat. Trumps Führungsstil (vgl. Kap. 4) kennzeichnet sich u. a. durch die Ablehnung jeglicher komplexer Verfahren der politischen Entscheidungsfindung. Der Stab des Weißen Hauses musste sich rasch daran gewöhnen: Vorlagen, die wochenlanger Analyse und Vorarbeiten bedurften, wurden einfach nicht gelesen oder in mündlichen Briefings auf Stichworte zusammengeschrumpft. Trump hält ganz basal Karrierebeamte offenbar für überflüssig – soweit er sie nicht selbst ernannt hat.14 Und im Gegensatz zu Barack Obama, der sich auch für Details der wissenschaftlichen Beratung interessierte, bevorzugt er kurze Memos.15 Wenn überhaupt. Als Covid-19 amerikanisches Festland betrat, waren die Vereinigten Staaten längst angeschlagen.

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Aber natürlich war Washington auch nicht leergefegt, bar jeder Expertise. Für das Arbeiten in einer solchen Umgebung kennt die Ministerialbürokratie ein Motto: »Live to fight another day«. Weitermachen und schlechte Policies aushalten, bis man sie später korrigieren kann. Unter den Experten, die Trump nun in der Pandemie heranzog, wurde Anthony S. Fauci zum Gesicht des wissenschaftlichen Ansatzes in der Bekämpfung des Virus. Fauci ist Direktor des National Institute of Allergy and Infectious Diseases, so etwas wie das Robert-Koch-Institut der Vereinigten Staaten. Unter anderen: denn bezeichnenderweise ernannte Trump Jared Kushner, seinen Schwiegersohn, zum Leiter einer Einsatzgruppe, die die Versorgung der Krankenhäuser mit medizinischen Geräten und anderem Material sicherstellen sollte. Angesichts dieser Personalie im Beschaffungswesen inmitten einer sich anbahnenden schweren Krise schrieb die New York Times: »Kushner has succeeded at exactly three things in his life. He was born to the right parents, married well and learned how to influence his father-in-law. Most of his other endeavors (…) have been failures.«16 Und auch in der Covid-Krise sollte er unglücklich agieren. Dem Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, hielt er vor, die Zahlen nicht richtig zu verstehen, und dem Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, riet der zu einem freundlichen Telefonat mit Donald Trump, wenn er wirklich Wert auf die 350 000 Covid-Abstrich-Kits legen würde.17 Aber das nur am Rande. Deutlich schwerer wog, dass Trump mit seinem Misstrauen gegenüber jeder Expertise und seinem Zutrauen zu seinem eigenen Instinkt weder auf einen Wissenschaftler wie Fauci noch auf eine Pandemie vorbereitet war. Fauci war von Beginn an weitaus pessimistischer über den vermuteten Verlauf des Covid-19 Ausbruchs und äußert sich auch entsprechend kritisch zu verfrühten Lockerungen der Schutzmaßnahmen. Für das Verhältnis des Direktors zu seinem Präsidenten war es sicher nicht hilfreich, als Fauci im März in einem Interview mit dem Magazin Science etwas frustriert äu-

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ßerte, man müsse im Weißen Haus die Dinge halt zweimal ansprechen, bevor sich etwas tue.18 Die ganze Problematik des polarisierten Amerikas kumulierte geradezu am 20. März, als Trump – wohl eher im Scherz – das Außenministerium als Teil des Deep State bezeichnete und Direktor Fauci im Hintergrund zu sehen war, wie er sich nachgerade »fremdschämend« die Stirn rieb. Zumindest wurde die Geste von Unterstützern Trumps entsprechend gelesen. Es folgte ein Musterbeispiel für den Hyperpartisan Information Flow, der Amerika derzeit prägt: eine gewaltige Kampagne, off‌line wie online, ein Bukett an Mutmaßungen über eine »agenda not aligned with the people«, um Fauci zu diskreditieren und alle anderen Besserwisser gleich mit. Ganz so, als hätte man mit dieser einen Geste tatsächlich hinter die Stirn geschaut, die sich da runzelte. Fauci – nachgerade der Beweis dafür, es könne keine Expertise ohne parteipolitische Motive geben? Von da an, in der Rückschau betrachtet, ist es den Vereinigten Staaten nicht mehr möglich, sachlich und auf der Grundlage von wissenschaftlicher Systematik und Logik über den Kampf gegen Corona zu diskutieren.19 Und von da an ist es dem Präsidenten offenbar möglich, ohne größeren Schaden an Image und Ansehen zu nehmen, ohne jede Vorwarnung zu empfehlen, vorsorglich ein Haushaltsmittel zu schlucken, das ansonsten der Bodenreinigung dient. Spätestens mit der Entscheidung im April, die Frage des Lockdowns und der Guidelines den Einzelstaaten zu überlassen, begibt sich Trump dann zurück in alte Gefilde und führt Wahlkampf.

Krisenwahlkampf, Phase 2 Eigentlich hatte das Weiße Haus die Pressekonferenzen auf das Nötigste reduziert. Mit der Corona-Krise ist sie wieder im Tagesgeschäft, als »Quoten-Hit«, wie Trump sich rühmte.20

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Da spätestens ab Anfang April jede Rally (vorläufig) abgesagt werden musste, verlegte man das Nation Briefing in den kleinen Raum im West Wing. Dass sich da mit Blick auf die Wahl und den Gegenkandidaten durchaus eine Gelegenheit bot, war den Kommunikationsberatern des Präsidenten unmittelbar klar: »Donald Trump is the dominant player in, and he’s leading that conversation. Even visually, you still have Trump on your TV screen, in front of the White House logo in the briefing room, flanked by his advisers. And then you have Joe Biden very small on your computer screen, having a Zoom conversation with Al Gore.«21 Allerdings waren diese täglichen Pressekonferenzen nicht so staatstragend und quotenträchtig, wie Trump meinte und die Berater hofften. Auch nicht so spannend, wie man angesichts der kritischen Situation erwartet hätte. Meist las Trump wenige Minuten eine vorformulierte Erklärung vor, in denen aktuelle Entscheidungen oder Empfehlungen bekannt gegeben wurden. Dann ging er in den freien Kampagnenmodus über und zog über Biden her: Den »sleepy guy in a basement«. Es war wie eine Staffel Breaking Bad – man gewöhnte sich Stück für Stück an den moralischen und sozialen Zusammenbruch. Romney ist in Quarantäne? Das sei natürlich traurig. Ende April hat die New York Times die Briefings der letzten sechs Wochen näher untersucht.22 Immerhin rund 160mal appellierte er an die nationale Einheit – aber rund 600mal gratulierte er sich selbst und seiner Regierung. Die Washington Post, die die Briefings ebenfalls analysierte, ordnet das Verhalten nach Minuten: Ganze viereinhalb Minuten sprach Trump von und über die Opfer der Pandemie. Allein an einem Tag sprach er doppelt so lange über ein Wundermittel (von dem Mediziner sofort abrieten). Selbstlob zog sich lange 46 Minuten. Von den 346 Fragen, die ihm gestellt wurden, attackierte er 113. Und in knapp einem Viertel aller Statements fanden sich falsche oder irreführende Informationen – was sich auf 47 Minuten summiert.23 Trump, der das Virus erst gar nicht als Gefahr wahrnahm,

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dann aber gegen ihn als »Kriegspräsident« zu Felde ziehen wollte, zeigte sich Tag für Tag zusehends gelangweilt und beließ es den »Toppern«, den begleitenden Experten, auf konkrete Nachfragen zu den Tagesordnungspunkten (»Top’s) zu antworten. Ab Mitte April etwa konnte man den Eindruck gewinnen, das ginge ihn alles gar nichts an. Auch an den Briefings innerhalb des Weißen Hauses, in denen die Lage besprochen wurde, soll er so gut wie nie teilgenommen haben. Stattdessen verlegte er sich auf auf Identitätspolitik. Am 16. April feuerte er in einer Reihe von Tweets gegen die demokratischen Gouverneure von Michigan und Minnesota. Nur Minuten zuvor war auf Fox News ein längerer Bericht zu sehen gewesen über Demonstrationen in diesen Staaten – Demonstrationen gegen die dort geltenden Stay-at-Home-Orders, also Ausgangsbeschränkungen. »LIBERATE MICHIGAN« und »LIBERATE MINNESOTA« schrie Trump auf Twitter. Am Tag zuvor hatte seine Regierung Guidelines veröffentlicht, wie die Einzelstaaten – eigenverantwortlich – die Wirtschaft und ihre Kommunen wieder öffnen könnten. Und ganz so, als dürfe er etwas wichtiges nicht vergessen, setzte er einen Tweet gleich hinterher: »LIBERATE VIRGINIA, and save your great 2nd Amendment. It is under siege!« Spätestens jetzt war die Covid-19-Pandemie in der US-Parteipolitik angekommen. Und sie sollte von dort so schnell nicht mehr verschwinden. Als ab Mitte Mai die »zweite Welle« des Virus in den USA zu rapide ansteigenden Infektionszahlen führte, wurde es eine Frage der politischen Identität, in der Öffentlichkeit eine Maske zu tragen oder nicht, Social Distancing oder nicht. Trump, der wahrscheinlich gehofft hatte, durch das rasche Hochfahren der Wirtschaft würden seine Wiederwahlchancen gewahrt bleiben, verlegte sich auf einen Lagerwahlkampf. Der biologischen Eskalation folgte die politische Eskalation.

9   Di e d e f o r m i e rt e P r ä s i d e n t­ s c h a f t u n d i h r e d e g r a d i e rt e n I n st i t u t i o n e n

Als im Frühjahr 2016 immer deutlicher wurde, Donald Trump sei die Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner kaum noch zu nehmen, veröffentlichte Robert Kagan einen Artikel in der Washington Post mit dem bedrohlichen Titel »This is how facism comes to America«.1 Der konservative Kagan schlug darin einen weiten Bogen und koppelte die Furcht der Gründerväter vor einem enttäuschten Mob, der sich einem Demagogen ergibt, an Trump – seinen »Stil« und seine »Ressentiments«. Eine Annäherung an die Präsidentschaft von Donald Trump kommt wohl nicht darum herum, eine ähnliche Perspektive einzunehmen. Denn wenn es eine übergeordnete Frage, eine Art Meta-Thema zu dieser Regierung gibt, dann ist es die Frage nach der Stabilität der demokratischen Institutionen in den USA. Natürlich gibt es darauf weder eine abschließende noch eine klare, kurze Antwort. In derart komplexen sozialen Zusammenhängen tummeln sich die Konjunktive. Aber für das eigene Verständnis der Ereignisse in den USA scheint es dennoch sinnvoll, anhand einer kleinen Systematik das bislang Gesagte gewissermaßen zu »kondensieren«, um zu einer vorsichtigen Einschätzung zu kommen. All das soll hier streng auf die Vereinigten Staaten gerichtet bleiben – wenngleich der Gedanke mitschwingen mag, was das Ganze für moderne Demokratien an und für sich bedeutet. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch 107 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_9

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Der demokratische Prozess (die Wahl) Weniger als drei Wochen vor der Wahl und in der letzten Fernsehdebatte antwortete Donald Trump auf die Frage, ob er im Falle einer Niederlage das Wahlergebnis anerkennen würde: »I will look at it at the time. I will keep you in suspense.« Er wolle sich das also anschauen. Natürlich hat man sich über diese Antwort reichlich aufgeregt. Zumal, wenn man es mit Hillary Clinton hielt. Aber die Antwort ist womöglich nicht allein das Problem, sondern schon die Frage. Offenbar hatte der Kandidat Trump bereits im Vorfeld der Debatte Anlass zur Sorge gegeben. Dabei, um das kurz anzudeuten, wird in den USA die Problematik des Wahlbetrugs schon seit Generationen diskutiert. Das ist per se nichts Neues. Darüber hinaus beschäftigen sich Juristen und Politologen ebenfalls seit Generationen mit Wahlrechtsreformen, u. a. etwa zur Abschaffung des Electoral College. Da das Wahlrecht eine starke bundesstaatliche Komponente beinhaltet, sind entsprechende Reformen doch recht unwahrscheinlich. Denkbar, aber schwierig. Hinsichtlich der Frage an Trump: Sie wurde vermutlich gestellt in der Erwartung einer Niederlage von The Donald. Das lag seinerzeit angesichts der Umfragen nahe. Insofern zielte sie doch eher auf das Verhalten von Trump und seiner Anhänger angesichts eines Sieges von Hillary Clinton. Möglicherweise war man also besorgt über öffentlichen Aufruhr, Proteste u. Ä. nach einem mit (sehr) harten Bandagen geführten Wahlkampf, in dem Trump nicht zuletzt ständig damit gedroht hatte, Hillary Clinton einzusperren. Nun ist Trump Präsident, und die Frage nach der Akzeptanz von Wahlergebnissen stellt sich aus einer ganz anderen Warte. Und da wären problematische Punkte zu nennen. In der Tradition der offenen aber subtilen Wahlbeeinflussung erlebte diese Präsidentschaft den Versuch, über den Zensus Einfluss zu nehmen auf die mögliche Neu-Ausrichtung von Wahlkreisen. Das kann und soll hier nur angedeutet werden, zumal es die nächs-

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te Wahl nicht unmittelbar betrifft. Was aber ausnehmend bedeutsam wird, ist die Frage nach der Legalität von Briefwahlen. Hier gibt es durch die Covid-19-Pandemie in vielen Bundesstaaten Überlegungen, die Möglichkeiten der Briefwahl zu erweitern und den Zugang zu erleichtern. Das wird von der Regierung Trump vehement bekämpft – bislang vor den Gerichten der Einzelstaaten allerdings erfolglos. Die Republikaner sehen in der Briefwahl einen strukturellen Nachteil, da es eher potentielle demokratische Wählerinnen und Wähler den Urnengang erleichtern dürfte. Davon einmal abgesehen, werden es dann womöglich diese Veränderungen der Briefwahlmodalitäten sein, die ein unterlegener Kandidat im November 2020 zum Anlass nehmen könnte, gegen die Wahlen zu klagen. Letzter Punkt: Was an Trump selbst konkret auffällt: Seine Regierung hat nicht nur permanent abgestritten, es habe eine russische Einmischung oder gar Manipulation gegeben – man hat auch keinerlei Vorkehrungen getroffen, eine künftige Einmischung oder Manipulation zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Dass Trump im Grundsatz wenig Probleme damit zu haben scheint, von einer ausländischen Regierung im Wahlkampf unterstützt zu werden, bedarf angesichts dessen, was im Zuge des Impeachment vorgetragen wurde, wohl keiner zusätzlichen Erwähnung.

Öffentlichkeit und gesellschaftliche Integration Der Sozialphilosoph Karl R. Popper hatte einmal mit Blick auf Formen demokratischer Auseinandersetzungen gesagt: Gäbe es kein Babel, so müsste man es erfinden. Denn im Grundsatz kennzeichnen sich moderne Großgesellschaften durch eine hohe Heterogenität von Wertvorstellungen und politischen Ideen. Die Deliberative Demokratie fängt das auf über eine Kultur der Toleranz, die den Streit erlaubt, aber die andere Meinung

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nicht verteufelt. Deliberation benötigt Zugang zu Information und Analyse, öffentliche Plattformen der Reflektion der Standpunkte. Ein überaus pragmatischer Gedanke, bei Lichte betrachtet, eine erzliberale »Idee« der Aufklärung: An die Stelle des absoluten Wahrheitsanspruches einer politischen Meinung tritt vielfältige Publizität. Für die USA klingt das wie ein Vorschlag aus der Mottenkiste der Philosophie. Und dabei muss nicht nur an Fox News gedacht werden – das wurde hier deutlich. Politische Kommunikation in den USA kennzeichnet sich in nur geringem Maße als eine Art Selbstgespräch der Gesellschaft (das schon einmal kontrovers sein darf). Vielmehr überwiegt der Tribal Talk: lesen, hören, sehen, senden und denken in Lagern. Das wird durch eine Fragmentierung des Publikums und durch den hohen Grad der Kommerzialisierung des Mediensystems selbst begünstigt und sogar forciert. Diese Problematik ist nicht von Trump erfunden worden; sie hat ihm aber auch nicht geschadet. Im Gegenteil: Ganz offensichtlich basiert seine Präsidentschaft geradezu auf der Zersplitterung der amerikanischen Öffentlichkeit. Allerdings gibt genau das Grund zu Hoffnung. Denn wenn nicht alles täuscht, machen immer mehr Werbetreibende (und Mitarbeiter der Unternehmen) Druck auf z. B. Kabelsender oder Online-Plattformen, wenn sie radikale politische Positionen in ihren Publikationen und Systemen zulassen. Das ist keine »Bewegung«, aber immerhin: Explizit mit Blick auf Trump und die ganz speziellen Mechanismen »seiner« Öffentlichkeit beginnen Teile des moderaten Amerikas Einfluss zu nehmen, um die politische Diskussion um die Probleme und Herausforderungen des Landes künftig anders zu verhandeln.

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Polarisierung und Integration Natürlich findet sich in der Verfassung kein Hinweis auf »anständiges Benehmen« oder Ähnlichem, das man vom Präsidenten erwarten darf. Wahrscheinlich gilt das für alle Verfassungen weltweit. Derart »konkret« sollen sie nicht sein. Allerdings gehen größere wie kleinere Gesellschaften und Communities meist implizit von der Gültigkeit bestimmter informeller Normen aus, die nicht zur persönlichen Disposition stehen. Neben der rein politischen Überraschung war das Erschrecken über die Präsidentschaft Trumps wohl (auch) deshalb so groß, weil er praktisch in allem, was er tat oder sagte, früher oder später einen solchen Code of Conduct missachtete. Er konnte das wahrscheinlich nur unter diesen speziellen Bedingungen der so unvereinigten Staaten von Amerika. Die Polarisierung und ihre Hintergründe, vor allem aber ihre Erscheinungsformen sind hier ausführlich angesprochen worden. Was noch nicht erwähnt wurde: In den USA selbst gibt es eine größer werdende Bereitschaft, die Kluft zwischen den politischen Lagern zu überwinden. Das gilt vor allem für die weniger extrem denkenden Teile der Bevölkerung. Zum Beispiel werden Reach-out-Meetings organisiert, in denen sich Menschen mit unterschiedlichen Parteineigungen ausdrücklich unter der Maßgabe zusammensetzen, etwas von »der anderen Seite« zu hören und gegebenenfalls zu lernen. Das ist natürlich schwierig – zumal, wie besprochen wurde, die Polarisierung ein ausnehmend soziales und emotionales Phänomen ist. Insofern besteht zwar durchaus ein Trend zur Reflektion dieser Problemlage, sie zu überwinden dürfte aber nicht leicht sein und vor allem viel Zeit benötigen. Darüber hinaus scheint ein größerer Teil der Nation in seinen politischen Einstellungen recht gefestigt zu sein. Rassismus spielt in diesem Kontext eine ganz eigene Rolle und ist ein sehr tief sitzendes, schwer zu überwindendes Problem. Die Frage nach der Polarisierung, der Integrationskraft und dem Zusammenhalt der Gesellschaft ist dann ambivalent ein-

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zuschätzen: Einerseits könnte es durchaus sein, dass z. B. ein moderat agierender Präsident unter günstigen Bedingungen die Gesellschaft insgesamt wieder mehr integriert; andererseits ist genauso vorstellbar, ein weniger moderater Akteur habe von Trump mit seiner Präsidentschaft gelernt und treibt über eine strategisch anders angelegte desintegrative Politik die Nation weiter auseinander. Womöglich bis zu einem Grad, an dem dann die Demokratie tatsächlich selbst zur Disposition steht. Aber dieser Punkt muss wirklich etwas unscharf bleiben.

Rechtsstaat Kurz bevor Donald Trump im Januar 2017 das Präsidentenamt antrat, äußerte sich sein Vorgänger Barack Obama zu der Frage, wie er es künftig mit seinen Kommentaren zu Trump halten würde. Immerhin sei zu erwarten, der neue Präsident würde viele Entscheidungen seiner Amtszeit rückgängig machen (was auch geschah). Er wolle, so Obama seinerzeit, sich nur äußern, wenn grundlegende Werte Amerikas in Gefahr stünden. Und in der Tat hielt er sich zurück und meldete sich selten. Erstaunlich genug, denn Trump setzte nicht nur viel daran, Obamas Politik zu revidieren. Er ließ auch keine Gelegenheit aus, seinen Vorgänger zu attackieren. Nicht nur in der Sache, sondern auch persönlich. Mitte Mai 2020 aber kritisierte Obama Trump dann doch: Nachdem das Justizministerium entschieden hatte, alle Anklagen gegen den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn fallen zu lassen. Ein Vorgehen das deutlich mache, so Obama, dass der grundlegende Konsens über den Rechtsstaat in den USA in Gefahr sei. »That’s the kind of stuff where you begin to get worried that basic – not just institutional norms – but our basic understanding of rule of law is at risk.«2 Die Konstruktion des Regierungssystems der USA sieht bekanntlich eine gegenseitige Kontrolle und Balance der Staats-

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gewalten vor. Das zielt nicht nur darauf ab, der Regierung, dem Kongress und der Justiz jeweils eine klar abgegrenzte Sphäre zuzuordnen, in der sie dann (unter bestimmten Bedingungen) tun und lassen kann, was sie will. Vielmehr beziehen sich die Gewalten aufeinander – deshalb Kontrollrechte. Zur Gestaltung dieser Beziehung (und zur Unterdrückung von partikularen Machtansprüchen) haben sich dann neben den formellen Normen auch informelle Normen etabliert (und zwar über rund 250 Jahre Beziehungspflege). Üblich ist z. B., dass die Regierung gegenüber dem Department of Justice und nachgeordneten Behörden keinen Einfluss nimmt, also deren Unabhängigkeit nicht nur respektiert, sondern schützt. In diesen informellen Raum ist Trump mit der Unterstützung von Justizminister Barr nicht nur im Fall Flynn eingedrungen. Ein offener Tabubruch. Und mit der Unterstützung des Kongresses. Denn es ist auch in der chronologischen Abfolge nachvollziehbar, wie sich im Laufe der Präsidentschaft Trump dieses Verständnis geradezu persönlicher Justiz erst herausbildete. Mit der Russland-Affäre, von der Trump zunächst selber noch glaubte, sie würde ihn seine Präsidentschaft kosten, und dann erst Recht mit dem Freispruch im Impeachment durch den Senat, wuchs bei Trump die Sicherheit, er könne ohne großen Widerstand die rechtsstaatlichen Institutionen zu seinem Zweck instrumenta­lisieren. Unterstützt, wie gesagt, von William Barr. Der wurde Anfang Mai von einem Reporter gefragt, was er denn glaube, wie künftige Generationen über die Freilassung von Michael Flynn urteilen würden, wie sie das Verfahren bewerten würden, durch das da der ehemalige Sicherheitsberater von Trump freigesprochen wurde. »History is written by winners«, sagte Barr. »So – it largely depends on who’s writing the history.« Von einer Perversion des Rechts schrieb daraufhin die New York Times.3 Drastische Worte – aber vorsichtig gewählt: Denn es sind solche Verfahren und Vorgänge und die dahinter liegenden »Ideen« von Macht und Gerechtigkeit, die wohl die größte Ge-

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fahr darstellen für die Demokratie in Amerika. Und irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dazu bräuchte es eigentlich nur einer radikalen Person. Einer Person, Trump nicht ganz unähnlich, die sich einfach nur etwas cleverer anstellt.

1 0   I m Z e i ta lt e r d e r S u bv e r s i o n : I st d a s R e c h t o d e r k a n n d a s w e g ?

Mission Accomplished: Als Georg W. Bush am 1. Mai 2003 vor der Küste Kaliforniens auf dem Flugzeugträger USS Abraham Lincoln das Ende des Irak-Krieges erklärte, zeigte sich in den Vereinigten Staaten kaum jemand überrascht. Selbst als bekannt wurde, der Träger habe eine teure 180-Grad-Drehung vollzogen, um einen kameragerechten Lichteinfall zu sichern, zweifelten wenige am Sinn der Übung. Ritus und Inszenierung gehören fest zur US-Präsidentschaft. Allerdings folgt der Lauf der Geschichte nicht immer dem eigentlichen Zweck des InSzene-Setzen: George W. Bush mit seiner voreiligen Verkündung auf dem Flugzeugträger – eine Ikone inzwischen, ein historisches Symbol für das Desaster der US-Außenpolitik, das sich mit dem Irak-Krieg verknüpft. Ganz so, als habe er sich von Bush inspirieren lassen, lieferte Donald Trump am 1. Juni 2020 ein Bild mit ähnlichem Anspruch. Ein Foto von ungeheurer Selbstentlarvung. St. John’s: eine Kulisse, die so etwas wie spirituelle Kraft auf den angeschlagenen Präsidenten überträgt? Was gedacht war als Demonstration seiner Law-and-Order-Position, legte ohne jede Wendung offen: Er selbst hält wenig vom Recht, es sei denn, es nutzt ihm. Kurz bevor sich Donald Trump mit entschlossener Miene vor der kleinen »Kirche der Präsidenten« ablichten ließ, hatte die Polizei am Lafayette Square die Ausweitung der Schutzzone rund um das Weiße Haus mit Tränengas durchgesetzt. Nach gründlicher Analyse der Veranstaltung © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch 115 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1_10

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protestierten nicht nur Kirchenvertreter; alles deutete darauf hin, dass die Rechte der Demonstranten verletzt wurden, damit der Präsident Stärke bekunden konnte. Indem er zwei Minuten lang eine Bibel in die Kamera hielt. Ganz so, als ginge sie gleich in Flammen auf, die Bibel.1 Immerhin distanzierte sich Verteidigungsminister Mark Esper relativ rasch. Und sein Vorgänger, James Mattis, warnte in einem Gastbeitrag im Magazin The Atlantic, der Präsident spalte das Land, und zwar »vorsätzlich«.2 Drei Jahre Trump hätten dem Land »schweren Schaden« zugefügt. Aber offen gestanden: Das ist Amerika gewohnt – Warnungen vor Trump, dem ein moralischer Kompass fehle, und den Folgen seiner Politik. Nachdenklicher stimmte da schon eine Bemerkung vom Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, Mark Milley, dem ranghöchsten Militär des Landes. Milley war Teil der Entourage, die den Präsidenten bei seinem Photo-Shooting begleitete. Da er in Felduniform über den gerade geräumten Lafayette Square stiefelte, hatte er böse Kritik einstecken müssen. Milley entschuldigte sich – und fügte hinzu, als müsse er das erwähnen, das US-Militär stünde natürlich weiter auf dem Boden der Ver­ fassung. Am 4. Juli 2020 ging Trump All-In, um einen Poker-Ausdruck zu bemühen. Er setzte am Mount Rushmore, South Dakota, alles auf eine (Wahlkampf-)Karte: Am Nationalfeiertag polterte er über die »radikale Linke, Marxisten und Unruhestifter«, die die Freiheit Amerikas beseitigen und unter dem »Banner der Gerechtigkeit« eigentlich nur plündern wollten. Er attackierte die Black Lives Matter-Bewegung, die »machthungrig« das »amerikanische Erbe« auszulöschen versuche. Die werde man besiegen, so wie die »amerikanischen Helden« früher die »Nazis besiegt« hätten.3 »Selbst für Trump war das eine radikale Rede, eine kaum verhüllte Kriegserklärung an einen Teil der Bevölkerung, und dies an einem Ort der nationalen Einheit.«4 Trumps Clash of Civilization: Er machte da weiter, wo er im Sommer 2015 begonnen hatte. Aggression, Feindbilder – trotz Corona-Krise und selbst angesichts der landes-

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weiten Anti-Rassismus-Proteste, die zur größten Demonstra­ tionsbewegung der US-Geschichte heranwuchs. Wieder einmal – auch das so eine Konstante seiner Präsidentschaft – rätselten Beobachter, was er eigentlich für ein Mensch sei. Dass Trump wichtige Eigenschaften fehlen, von denen man bislang glaubte, der Regierungschef eines demokratischen Staates müsste sie besitzen: Daran zweifelt niemand mehr. Seit 2017 hat man verschiedentlich das »Field Manual« der US-Armee zitiert, genüsslich gelegentlich. Trump mangelt es offenbar an allen Eigenschaften, die dort aufgeführt werden und die ein guter Offizier haben sollte: »Trust, discipline, critical thinking, self-awareness, empathy.«5 Im Laufe der Jahre kamen zahllose Vergleiche und Expeditionen in die Tiefen seiner Persönlichkeit hinzu. Auch von ihm selbst. Mitte April 2020 geriet der Präsident neuerlich in die Kritik, als er inmitten der Corona-Krise seine Autorität als »total« reklamierte und im selben Atemzug Gouverneure, die das anders sahen, als »Aufrührer« abkanzelte. In einem Tweet riet er den Demokraten unter ihnen, nicht zu meutern. So erfrischend das ab und an auch sei: Schließlich wollten sie ja etwas von ihm (medizinische Ausrüstung z. B.). Bemerkenswert noch nach über drei Jahren im Amt, wie Trump diese unverblümte Drohung rahmte: Immerhin sei die Meuterei auf der Bounty einer seiner Lieblingsfilme. Und mit dem Kapitän sei auch nicht zu spaßen gewesen. Trump verglich sich also mit dem brutalen Captain William Bligh. Den seine Mannschaft 1789 im Südpazifik in ein Rettungsboot setzte und wenig Gutes wünschte. Womöglich nur Ausweis von Trumps Ignoranz? Schließlich wurde die Meuterei auf der HMS Bounty (im Film) durch die Tyrannei des Kapitäns ausgelöst. Vielleicht erreichte den Präsidenten so etwas wie ein Selbst-Verständnis? Die Idee seiner Präsidentschaft? Fear titelte Bob Woodward sein erstes Buch über diese Regierung. Trump hatte ihm als Kandidat im Frühjahr 2016 verraten: »Real power is (…) fear.«6 Von diesem Zitat ist es nicht weit zum Gedanken, der Mann

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sei eine Gefahr für die Demokratie. Ob und wie demokratische Institutionen durch die Twitter-Presidency beschädigt wurden, ist ausgiebig diskutiert worden. Angesichts der aggressiven Freund-Feind-Kodierung der politischen Welt von Trump und seinen Anhängern findet man gelegentlich den Gedanken an faschistische Regime. Mit Blick auf die Idiosynkrasien Trumps, seine auch unpolitischen Merkwürdigkeiten, scheint ein anderer Vergleich mindestens spannend. Trump ähnelt Kaiser Wilhelm II. Jenem prä-modernen Mon­ archen, der von seinen Mitarbeitern und Beratern permanent daran gehindert werden musste, größeren Unsinn zu veran­ stalten (was selten gelang). Diese geradezu frappierende Parallele hatte die Washington Post bereits nach wenigen Monaten gezogen. Josef Joffe hat sie für Die Zeit aufgegriffen, Dirk Kurbjuweit für den Spiegel und Torben Lütjen in seinem letzten Amerikabuch im Detail wunderbar durchexerziert. Nur bezieht Trump seine Legitimation nicht über die göttliche Tradition seines »Hauses«, sondern über das Volk. Ihm fehlt allein die preußische Spitzhaube. Ansonsten – Präsident wie Kaiser: ohne jede innere Ruhe, moralisch wie politisch freischaffend, unbeherrscht, selbstgefällig und geradezu süchtig nach Beifall, Einzigartigkeit und (militärischem) Auftritt. Diploma­ tische Zwischenfälle, Skandale und Affronts in Reihe, und beide bedienten sich der Medien ihrer Zeit: Was für Trump Twitter ist, waren Telegramme und Eilbriefe für den Kaiser. Beide waren oder sind sie nervöse Herrscher mit allen Anzeichen dafür, mit der Gegenwart vollkommen überfordert (gewesen) zu sein.7 Sicher sind solche historische Parallelen eher metaphorisch zu lesen. Immerhin aber ging der Kaiser erst nach der von ihm reichlich befeuerten Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts ins niederländische Exil nach Doorn, nach dem Ersten Weltkrieg. Zwar entrüstet über sein Volk, das ihn da absetzte, aber friedlich. Gespannt dürfen wir sein, was im November 2020 in Washington passiert: Wenn Trump die Präsidentschaft verlieren wird. (Stellen wir uns das für einen Moment vor.)

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Bei Fox dürften alle Dämme brechen: Im März 2019 hatte Glenn Beck dort Sean Hannity seine Vision einer Ära nach Trump geschildert: »If the Republicans don’t win in this next election, I think we are officially at the end of the country as we know it. We may not survive even if we win, but we definitely don’t if the Republicans lose with Donald Trump.«8 Das Ende des Landes? Vermutlich geht es weit emotionsloser, als befürchtet. Denkbar, dass Trump das Weiße Haus beleidigt aber aufrecht verlässt. Allerdings nur dann, wenn Biden ein überaus deutlicher Sieg gelingt. Würde es knapp werden und wichtige Staaten mit nur wenigen Stimmen von den Demokraten erobert, dürfte er eine Niederlage nicht akzeptieren. Er würde ganz sicher die Gerichte bemühen, #GreatestElectionFraudEver, und bis zum 20. Januar 2021 einfach nicht ausziehen. #OccupyWhiteHouse. Und wahrscheinlich würde er dann, wenn sich in der Hauptstadt alles auf die Stufen des Capitol konzentriert, die Inauguration von Joe Biden schwänzen und demonstrativ bedächtig über die Straße schlendern (die für ihn freigeräumt wurde), um einzuchecken. Gleich gegenüber im Trump International, 1100 Pennsylvania Avenue.

Anmer kun g en

Kapitel 1: Präsident 1 Sims, Cliff (2019). Team of Vipers. New York: St. Martin’s Press, S. 58. 2 Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text die männliche Form gewählt. Dennoch beziehen sich die Angaben immer auf Angehörige beider Geschlechter, es sei denn es wird gesondert spezifiziert. 3 Vgl. Bieber, Christoph, & Kamps, Klaus (2017). Nach Obama. Amerika auf der Suche nach den Vereinigten Staaten. Frankfurt a. M.: Campus. 4 Johnston, David C. (2018): It’s Even Worse Than You Think. What the Trump Administration Is Doing To America. New York et al.: Simon & Schuster, S. 6. 5 Frank, Thomas (2018). Rendezvous With Oblivion. London: Scribe Publications, S. 7. 6 Vgl. New York Times v. 15. Mai 2020, A Sitting President, Riling the Nation During a Crisis. https://www.nytimes.com/2020/05/15/us/ politics/president-trump-coronavirus-pandemic-response. html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage 7 Hennessey, Susan, & Wittes, Benjamin (2020). Unmaking the pre­ sidency: Donald Trump’s war on the world’s most powerful office. New York: FSG , S. 295. 8 Lütjen, Torben (2020). Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 10.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 K. Kamps, Commander-in-Tweet, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30123-1

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Anmerkungen

9 Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump. Gegen die Demokratie. Frankfurt a. M.: S. Fischer, S. 61. 10 Zit. nach Der Spiegel v. 2. Juni 2020, Trump spielt Diktator, https:// www.spiegel.de/politik/ausland/​fall-george-​f loyd-​donald-​trumpdroht-demonstranten-​mit-militaer-​a-​13f5​abac-ecaa-​424a-8a33-aa​ 494​e87​cede

Kapitel 2: Grundsteine 1 Kranish, Michael, & Fisher, Marc (2016). Die Wahrheit über Trump.

Kulmbach: Plassen Verlag, S. 302 – ​310.

2 Green, Joshua (2017). Devil’s Bargain. Steve Bannon, Donald Trump, and the Storming of the Presidency. New York: Penguin Press, S. 95. 3 Kranish, Michael, & Fisher, Marc (2016). Die Wahrheit über Trump.

Kulmbach: Plassen Verlag, S. 312.

4 Vgl. insbesondere Poniewozik, James (2019). Audience of One. Donald Trump, Television and the Fracturing of America. New York: Live­ right Publishing. 5 Kranish, Michael, & Fisher, Marc (2016). Die Wahrheit über Trump.

Kulmbach: Plassen Verlag, S. 131.

6 Ebd. S. 313. 7 Ebd. S. 392. 8 Ebd. S. 391. 9 Ebd. S. 394. 10 Ebd. S. 396. 11 Ebd. S. 397. 12 Ebd. S. 411. 13 Zit. n. Marantz, Andrew (2019). Antisocial. How Online Extremists Broke America. London: Picador, S. 183. 14 Zit. nach Brock, D. et al. (2012). The Fox Effect. How Roger Ailes Turned a Network into a Propaganda Machine. New York: Anchor Books, S. 252.

Zu Kapitel 2: Grundsteine

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15 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The

New Yorker, 11. März 2019

16 Zit. n. Alberta, Tim (2019). American Carnage. New York: HarperCollins, S. 96. 17 Zitiert nach Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 18 Pfeiffer, Dan (2018). Yes we (still) can. Politics in the Age of Obama, Twitter, and Trump. New York: Hachette, S. 119. 19 Rhodes, Ben (2018). The World As It Is. A Memoire of the Obama White House. New York: Penguin, S. 123. 20 Pfeiffer, Dan (2018). Yes we (still) can. Politics in the Age of Obama, Twitter, and Trump. New York: Hachette, S. 125. 21 Lepore, Jill (2019). This America. The Case for the Nation. New York, London: Liveright, S. 110. 22 Graber, Doris A., & Dunaway, Johanna (2018). Mass media and American politics. Washington: CQ Press, 10. Aufl, S. 38. 23 Vgl. beispielsweise Mickey, Robert, Levitsky, Steven, & Way, Lucan Ahmad (2018). Ist Amerika noch reif für die Demokratie? Warum den Vereinigten Staaten ein Rückfall in autoritäre Ver­ hältnisse bevorstehen könnte. In Patrick Horst, Philipp Adorf, & Frank Decker (Hrsg.), Die USA – eine scheiternde Demokratie? (S. 17 – ​32) Frankfurt a. M.: Campus Verlag. 24 Zit. n. Klein, Ezra (2020). Why We’re Polarized. New York u. a.: Avid Reader, S. 30. 25 Ebd. S. 178. 26 https://www.people-press.org/2019/12/17/in-a-​politically​polarized-era-sharp-divides-in-both-partisan-​coalitions/ 27 Frank, Thomas (2004). What’s the Matter with Kansas? How Conservatives Won the Heart of America. New York: Picador. S. 13. 28 Lütjen, Torben (2020). Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert. Darmstadt: Theiss, S. 24. 29 Zit. n. Klein, Ezra (2020). Why We’re Polarized. New York u. a.: Avid Reader, S. 41.

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Anmerkungen

30 Lütjen, Torben (2020). Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert. Darmstadt: Theiss, S. 57. 31 Vgl. Sunstein, Cass R. (2018). #republic. Divided Democracy in the Age of Social Media. Princeton: Princeton University Press, S. 10. 32 Lütjen, Torben (2020). Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert. Darmstadt: Theiss, S. 72.

Kapitel 3: Kampagnen 1 Zit. n. Alberta, Tim (2019). American Carnage. New York: HarperCollins, S. 36. 2 Hirschfeld Davis, Julie, & Shear, Michael D. (2019). Border Wars. Inside Trump’s Assault on Immigration. New York u. a.: Simon & Schuster, S. 27. 3 Sides, John, Tesler, Michael, & Vavreck, Lynn (2019). Identity Crisis. The 2016 Presidential Campaign and the Battle for the Meaning of America. Princeton: Princeton University Press, S. 47. 4 Lessig, Lawrence (2018). America Compromised. Chicago & London: University of Chicago Press, S. 91. 5 Sides, John, Tesler, Michael, & Vavreck, Lynn (2019). Identity Crisis. The 2016 Presidential Campaign and the Battle for the Meaning of America. Princeton: Princeton University Press, S. 51. 6 http://tyndallreport.com/yearinreview2016/ 7 Graber, Doris A., & Dunaway, Johanna (2018). Mass media and American politics. Washington: CQ Press, 10. Aufl, S. 430. 8 Pickard, Victor (2018). When Commercialism Trumps Democracy. Media Pathologies and the Rise of the Misinformation Society. In Pablo Boczkowski, & Zizi Papacharissi (Hrsg.), Trump and the Media (S. 195 – ​201). Boston: MIT Press. 9 McEnany, Kayleigh (2018). The New American Revolution. The Making of a Populist Movement. New York u. a.: Simon & Schuster; S. 220. 10 Zit. n. Green, Joshua (2017). Devil’s Bargain. Steve Bannon, Donald Trump, and the Storming of the Presidency. New York: Penguin Press, S. 109.

Zu Kapitel 4: POTUS

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11 Hirschfeld Davis, Julie, & Shear, Michael D. (2019). Border

Wars. Inside Trump’s Assault on Immigration. New York u. a.: Simon & Schuster, S. 24. 12 Green, Joshua (2017). Devil’s Bargain. Steve Bannon, Donald Trump, and the Storming of the Presidency. New York: Penguin Press, S. 111. 13 Lammert, Christian, Siewert, Markus B., & Vormann, Boris (2016). Fremde Vertraute. Traditionelle Leitbilder und neue Herausforderungen der US Politik. In Dies. (Hrsg.), Handbuch USA (S. 1 – ​12). Wiesbaden: Springer VS , hier S. 5. 14 Fukuyama, Francis (2019). Identität. Wie der Verlust der Würde unsere Demokratie gefährdet. Hamburg: Hoffmann und Campe, S. 112. 15 Liddy, G. Gordon (2002). When I was a kid, this was a free country. Washington: Regnery Publishing, S. 26 – ​27. 16 Sides, John, Tesler, Michael, & Vavreck, Lynn (2019). Identity Crisis. The 2016 Presidential Campaign and the Battle for the Meaning of America. Princeton: Princeton University Press. 17 Ebd. 18 Zit. n. Klein, Ezra (2020). Why We’re Polarized. New York u. a.: Avid Reader, S. 191. 19 Sims, Cliff (2019). Team of Vipers. New York: St. Martin’s Press, S. 13. 20 Vgl. https://www.nationalreview.com/magazine/2016/08/29/ donald-trump-republican-party-unity/

Kapitel 4: POTUS – President of the United States 1 Cohen, Robert (2019). Abwendbarer Abstieg der Vereinigten Staaten unter Donald Trump. Das New Yorker Tagebuch. Göttingen: Wallstein. 2 Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump gegen die Demokratie. »A Very Stable Genius«. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, S. 180. 3 Vgl. Boot, Max (2018). The Corrosion of Conservatism. Why I Left the Right. New York: Liveright Publishing, S. 98.

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Anmerkungen

4 Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump gegen die Demokratie. »A Very Stable Genius«. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, S. 89. 5 Wolff, Michael (2019). Unter Beschuss. Trumps Kampf im Weißen Haus. Hamburg: Rowohlt, S. 277. 6 Zit. nach Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump gegen die Demokratie. »A Very Stable Genius«. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag., S. 411. 7 Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump gegen die Demokratie. »A Very Stable Genius«. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, S. 297. 8 Woodward, Bob (2018). Fear. Trump in the White House. New York u. a.: Simon & Schuster. 9 Vgl. Der Spiegel v. 24. Dezember 2017, Steve Bannon zieht über Ivanka Trump her, https://www.spiegel.de/politik/ausland/stephenbannon-nennt-ivanka-trump-koenigin-der-leaks-a-1184880.html 10 Pfeiffer, Dan (2018). Yes we (still) can. Politics in the Age of Obama, Twitter, and Trump. New York: Hachette, S. 46. 11 Vgl. Boot, Max (2018). The Corrosion of Conservatism. Why I Left the Right. New York: Liveright Publishing, S. 130. 12 Ebd. 13 Vgl. Washington Post v. 5. September 2000, Bush Gaffe Becomes Big-Time News, https://www.washingtonpost.com/archive/business/ technology/2000/09/05/bush-gaffe-becomes-big-time-news/09​b0​ d5fa-4660-4f9d-9598-03​8882d2​e47​d/?itid=lk_inline_manual_61 14 Vgl. Washington Post v. 31. Januar 2019, Sarah Sanders tells Christian Broadcasting Network, https://www.washingtonpost.com/ religion/2019/01/30/sarah-sanders-tells-christian-​broadcasting-​ network-god-wanted-trump-be-president/ 15 Vgl. hier und im Folgenden zu den Original-Tweets: http://www. trumptwitterarchive.com/ 16 Vgl. New York Times v. 2. Nov. 2019, How Trump Reshaped the Presidency in Over 11,000 Tweets https://www.nytimes.com/ interactive/2019/11/02/us/politics/trump-twitter-presidency. html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage

Zu Kapitel 5: Die Post-Truth-Präsidentschaft

127

17 Couldry, Nick (2017): Trump, the wannabe king ruling by ›twiat‹.

In: The Conversation, 5. Februar 2017. Online unter http:// theconversation.com/trump-the-wannabe-king-ruling-bytwiat-​72269

18 Zit. n. Klein, Ezra (2020). Why We’re Polarized. New York u. a.: Avid Reader, S. 177. 19 Vgl. zu diesem Abschnitt insbesondere Wilson, Rick (2018). Everything Trump Touches Dies. A Republican Strategist Gets Real About the Worst President Ever. New York u. a.: Free Press, S. 45 – ​47.

Kapitel 5: Die Post-Truth-Präsidentschaft 1 New York Times v. 5. 11. ​2018, I Am Part of the Resistance Inside the Trump Administration, https://www.nytimes.com/2018/09/05/ opinion/trump-white-house-anonymous-resistance.html 2 Zit. n. Rucker, Philip, & Leonnig, Carol (2020). Trump gegen die Demokratie. »A Very Stable Genius«. Frankfurt a. M.: Fischer Verlag, S. 19. 3 Ebd. S. 348. 4 Ebd. S. 349. 5 Vgl. z. B. Der Spiegel v. 15. August 2017, Amerikas Geisterstunde, https://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-unddie-neonazis-amerikas-geisterstunde-kommentar-a-1162866.html 6 https://edition.cnn.com/2019/07/17/politics/donald-trump-​ greenville-​rally/index.html 7 https://www.washingtonpost.com/graphics/politics/trump-​ claims-database/?itid=lk_inline_manual_3&itid=lk_inline_ manual_​81 8 Vgl. auch https://www.republik.ch/2018/10/30/die-macht-derluege-in-der-politik 9 Vgl. https://edition.cnn.com/2017/07/27/politics/boy-scoutstrump-apology/index.html 10 https://www.journalism.org/2019/12/12/trusting-the-newsmedia-in-the-trump-era/ 11 https://today.yougov.com/topics/economist/survey-results

128

Anmerkungen

12 Zitiert nach Kakutani, M. (2018). The Death of Truth. Notes on Falshood in the Age of Trump. New York, S. 27. 13 Sims, Cliff (2019). Team of Vipers. New York: St. Martin’s Press, S. 41. 14 Zit. n. Kakutani, Michiko (2018). The Death of Truth. Notes on Falsehood in the Age of Trump. New York: Duggan, S. 60. 15 Reilly, Rick (2019). Commander in Cheat. How Golf Explains Trump.

London: Headline, S. 10.

16 Vgl. Poniewozik, J. (2019). Audience of one. Donald Trump, television, and the fracturing of America. New York: Liveright Publishing, S. 249.

Kapitel 6: Foxworld – Trumpland 1 Teile dieses Kapitels beruhen auf Kamps, Klaus (2019). Ein Präsident und (s)ein Sender: Donald Trump und Fox News. In regierungsforschung.de, https://regierungsforschung.de/ein-praesident-undsein-sender/ sowie Kamps, Klaus (2019). Die Einflüsterer des Präsidenten: Fox News und Donald Trump. In Blätter für deutsche und internationale Politik, 10/2019, S. 69 – ​78. 2 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019. 3 Vgl. insbesondere Hemmer, N. (2016). Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, hier S. 33. 4 Lütjen, Torben (2016). Partei der Extreme: Die Republikaner. Über die Implosion des amerikanischen Konservatismus. Bielefeld: transcript, S. 117. 5 Hemmer, N. (2016). Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, hier S. 265. 6 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019. 7 Morris, J. S. (2005). The Fox News Factor. In The International Journal of Press/Politics, 10(3), S. 56 – ​79. 8 Ebd. S. 66.

Zu Kapitel 6: Foxworld – Trumpland

129

9 Pfeiffer, Dan (2018). Yes we (still) can. Politics in the Age of Obama,

Twitter, and Trump. New York: Hachette, S. 145.

10 Zit. nach Brock, D. et al. (2012). The Fox Effect. How Roger Ailes Turned a Network into a Propaganda Machine. New York: Anchor Books, S. 112. 11 Lepore, Jill (2010). The Whites of Their Eyes. The Tea Party’s Revolution and the Battle over American History. Princeton: Princeton University Press, S. 5. 12 Ebd. S. 8. 13 Hier im Absatz alles zit. nach Brock, D. et al. (2012). The Fox Effect. How Roger Ailes Turned a Network into a Propaganda Machine. New York: Anchor Books, S. 92. 14 Ebd. S. 140. 15 Zit. nach Brock, D. et al. (2012). The Fox Effect. How Roger Ailes Turned a Network into a Propaganda Machine. New York: Anchor Books, S. 143. 16 Zitiert nach Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 17 Niederberger, W. (2016). Trumpland. Donald Trump und die USA . Zürich, S. 183. 18 Zit. nach Hemmer, N. (2016). Messengers of the Right. Conservative Media and the Transformation of American Politics. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, S. 273. 19 https://edition.cnn.com/2018/11/06/media/trump-rally-missourihannity/index.html 20 Hier zit. n. Wilson, R. (2018). Everything Trump Touches Dies. New York et al.: Free Press, hier S. 208. 21 Zaschke, C. (2019). Zur Sache, Schätzchen. In Süddeutsche Zeitung

v. 7. 2. ​2019

22 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 23 Ebd.

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Anmerkungen

24 Vgl. hier und im Folgenden die Beispiele unter https://www. mediamatters.org/donald-trump/trump-has-referenced-fox-news-​ 43-his-recent-tweets-about-mueller 25 Hier zit. n. https://www.nytimes.com/2019/08/10/world/europe/ sweden-immigration-nationalism.html?action=click&module=​ Top%20Stories&pgtype=Homepage 26 Bennett, W. L., & Livingston, S. (2018). The disinformation order: Disruptive communication and the decline of democratic institutions. In European Journal of Communication, 33(2), 122 – ​139. 27 Zit. nach Benkler, Y. et al. (2018). Network Propaganda. Manipulation, Disinformation, and Radicalization in American Politics. New York: Oxford University Press; hier S. 153. 28 Pfeiffer, Dan (2018). Yes we (still) can. Politics in the Age of Obama, Twitter, and Trump. New York: Hachette, S. 164. 29 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 30 Benkler, Y. et al. (2018). Network Propaganda. Manipulation, Dis­ information, and Radicalization in American Politics. New York: Oxford University Press; hier S. 79. 31 Cohen, R. (2019). Abwendbarer Abstieg der Vereinigten Staaten unter Donald Trump. Das New Yorker Tagebuch. Göttingen: Wallstein, S. 200. 32 Zit. n. https://www.independent.co.uk/news/world/americas/ us-politics/ann-coulter-fox-news-trump-immigrant-childrenchild-actors-zero-tolerance-policy-a8405631.html 33 Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 34 https://www.youtube.com/user/nowthismedia 35 Benkler, Y. et al. (2018). Network Propaganda. Manipulation, Dis­ information, and Radicalization in American Politics. New York: Oxford University Press; hier S. 39. 36 Zitiert nach Mayer, J. (2019). The Making of the Fox News White House. The New Yorker, 11. März 2019 37 Zit. n. Spiegel online, 27. 03. ​2019, http://www.spiegel.de/politik/ ausland/donald-trump-startet-rachefeldzug-nach-muellerbericht-a-1259813.html

Zu Kapitel 7: Der Ersatzkönig

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38 https://www.journalism.org/2018/09/25/partisans-remain-

sharply-divided-in-their-attitudes-about-the-news-media/

39 https://www.pewresearch.org/wp-content/uploads/sites/8/ 2014/10/Political-Polarization-and-Media-Habits-FINAL REPORT -7-27-15.pdf 40 Benkler, Y. et al. (2018). Network Propaganda. Manipulation, Dis­ information, and Radicalization in American Politics. New York: Oxford University Press; hier S. 80.

Kapitel 7: Der Ersatzkönig (und seine Framers) 1 Teile dieses Kapitels beruhen auf Bieber, Christoph, & Kamps, Klaus (2020). Das Impeachment um Donald Trump. Eine Momentaufnahme des polarisierten Amerikas. Wiesbaden: Springer VS . 2 Zit. n. Wolff, Michael (2018). Fire and Fury. Inside the Trump White House. London: Little Brown, S. 213. 3 Comey, James (2018). A Higher Loyality. Truth, Lies, And Leadership. New York: Flatiron Books. S. 255. 4 Der Spiegel, v. 27. März 2019, Trumps Rachefeldzug, https://www. spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-startet-rachefeldzugnach-mueller-bericht-a-1259813.html 5 Zit. nach Der Spiegel, v. 27. März 2019, Trumps Rachefeldzug, https://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-startetrachefeldzug-nach-mueller-bericht-a-1259813.html 6 Vgl. hierzu Schreyer, S. (2018). Präsident Trump, der Kongress und das System der Checks and Balances. In Horst, P., Adorf, P., & Decker, F. (Hrsg.), Die USA – eine scheiternde Demokratie? (S. 151 – ​168). Frankfurt a. M.: Campus. 7 Vgl. Lepore, J. (2019). The Invention – and Reinvention – of Impeachment. In The New Yorker v. 21. 10. ​2019. 8 Hier zitiert nach Lepore, J. (2019). The Invention – and Reinvention – of Impeachment. In The New Yorker v. 21. 10. ​2019. 9 Tribe, Laurenc, & Matz, Joshua (2018). To End a Presidency. The Power of Impeachment. New York: Basic Books, S. 61.

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Anmerkungen

10 Lepore, J. (2019). The Invention – and Reinvention – of Impeachment. In The New Yorker v. 21. 10. ​2019. 11 Vgl. New York Times v. 31. 10. ​2019. A Divided House Endorses Impeachment Inquiry Into Trump. 12 Hier zit. n. New York Times v. 16. 11. ​2019. In Prime Time, Two Versions of Impeachment for a Divided Nation. 13 vgl. New York Times v. 29. Januar 2020, Anything a President does to stay in power is in the national interest, Dershowitz says, https:// www.nytimes.com/live/2020/ impeachment-trial-live-01-29#anything-a-president-does-to-stayin-power-is-in-the-national-interest-dershowitz-argues 14 vgl. z. B. https://www.realclearpolitics.com/epolls/other/public_ approval_of_the_impeachment_and_removal_of_president_ trump-6957.html 15 vgl. New York Times v. 7. Januar 2020, McConnell Says He Will Proceed on Impeachment Witness Deal, https://www.nytimes. com/2020/01/07/us/politics/impeachment-trial-witnesses. html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage 16 vgl. New York Times v. 15. Januar 2020, House Delivers Impeachment Charges to Senate, Paving the Way for a Trial. https://www. nytimes.com/2020/01/15/us/politics/impeachment-managers. html?action=click&module=Top%20Stories&pgtype=Homepage 17 Ebd. 18 Vgl. New York Times v. 11. Februar 2020. Trump’s War Against ›the Deep State‹ Enters a New Stage.

Kapitel 8: Krisenkommunikation 1 Vgl. New York Times v. 13. März 2020, Fox Business Benches Trish Regan, https://www.nytimes.com/2020/03/13/business/media/trishregan-fox-hiatus.html 2 New York Times v. 1. April 2020, Alarm, Denial, Blame. https:// www.nytimes.com/2020/04/01/us/politics/hannity-limbaughtrump-coronavirus.html?action=click&module=Well&pgtype= Homepage§ion=Politics

Zu Kapitel 8: Krisenkommunikation

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3 New York Times v. 1. April 2020, Alarm, Denial, Blame. https://

www.nytimes.com/2020/04/01/us/politics/hannity-limbaughtrump-coronavirus.html?action=click&module=Well&pgtype= Homepage§ion=Politics

4 Zit. n. Die Zeit v. 28. März 2020. Rechte US -Medien: Waffenbrüder.

https://www.zeit.de/kultur/2020-03/rechte-us-medien-coronavirusberichterstattung-stephen-bannon-tucker-carlson

5 Vgl. Washington Post v. 16. März 2020, https://www.washington​ post.com/lifestyle/media/on-fox-news-suddenly-a-very-differenttune-about-the-coronavirus/2020/03/16/7a7637cc-678f-11ea-992357073adce27c_story.html 6 Vgl. New York Times v. 17. März 2020, Trump Now Claims, https:// www.nytimes.com/2020/03/17/us/politics/trump-coronavirus.html 7 Vgl. Die Zeit v. 28. März 2020, Die Waffenbrüder, https://www.zeit. de/kultur/2020-03/ rechte-us-medien-coronavirus-berichterstattung-stephen-bannontucker-carlson 8 Vgl. Die Zeit v. 23. Januar 2019, Endlich ein schlanker Staat! https://

www.zeit.de/2019/05/usa-haushaltsstreit-shutdown-rueckbau-staatregierung-donald-trump

9 Johnston, David Cay (2018). It’s Even Worse Than You Think. What the Trump Administration Is Doing to America. New York u. a.: Simon & Schuster, S. 138. 10 Vg. Lütjen, Torben (2016). Partei der Extreme: Die Republikaner. Bielefeld: transcript, S. 60. 11 New York Times v. 28. Dezember 2019, Science Under Attack, https://www.nytimes.com/2019/12/28/climate/trump-administration-war-on-science.html?action=click&module=RelatedLinks&​ pgtype=Article 12 Lewis, Michael (2018). The Fifth Risk. Undoing Democracy. New York: Penguin. 13 Kakutani, Michiko (2018). The Death of Truth. Notes on Falsehood in the Age of Trump. New York: Duggan, S. 38. 14 Vgl. Hennessey, Susan & Wittes, Benjamin (2020). The Unmaking of the Presidency. Donald Trump’s War on the World’s Most Powerful Office.

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Anmerkungen

15 Johnston, David Cay (2018). It’s Even Worse Than You Think. What the Trump Administration Is Doing to America. New York u. a.: Simon & Schuster, S. 140. 16 New York Times v. 2. April 2020, Putting Jared Kushner In Charge, https://www.nytimes.com/2020/04/02/opinion/jared-kushnercoronavirus.html 17 Vgl. New York Times v. 18. Juli 2020, Inside Trump’s Failure. https:// www.nytimes.com/2020/07/18/us/politics/trump-coronavirusresponse-failure-leadership.html?action=click&module=Top%20 Stories&pgtype=Homepage 18 Vgl. https://www.sciencemag.org/news/2020/03/i-m-goingkeep-pushing-anthony-fauci-tries-make-white-house-listen-factspandemic 19 Leggewie, Claus (2020). Doctor Faucis Faupax. In: Der Spiegel, v. 30. 03. ​2020, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ corona-donald-trump-und-anthony-fauci-wie-politische-paranoiafunktioniert-a-d1ecd9bf-92d1-49a4-aed4-e2b6b1b5c94c 20 Vgl. Die Zeit. v. 7. April 2020, Tödliche Fehler, https://www.zeit. de/2020/16/corona-krise-usa-gesundheitssystem-donald-trumppandemie/komplettansicht 21 Vgl. Washington Post v. 26. April 2020, 13 hours of Trump, https://www.washingtonpost.com/politics/13-hours-of-trumpthe-president-fills-briefings-with-attacks-and-boasts-but-littleempathy/2020/04/25/7eec5ab0-8590-11ea-a3eb-e9fc93160703_ story.html 22 New York Times v. 26. April 2020, »260,000 Words, Full of SelfPraise, From Trump on the Virus. https://www.nytimes.com/ interactive/2020/04/26/us/politics/trump-coronavirus-briefingsanalyzed.html 23 Washington Post v. 26. April 2020, 13 hours of Trump. https://www. washingtonpost.com/politics/13-hours-of-trump-the-presidentfills-briefings-with-attacks-and-boasts-but-little-empathy/2020/ 04/25/7eec5ab0-8590-11ea-a3eb-e9fc93160703_story.html

Zu Kapitel 9: Die deformierte Präsidentschaft

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Kapitel 9: Die deformierte Präsidentschaft und ihre degradierten Institutionen 1 https://www.washingtonpost.com/opinions/this-is-how-fascismcomes-to-america/2016/05/17/c4e32c58-1c47-11e6-8c7b-6931e6633​ 3e7_story.html 2 Zit. n. Washington Post v. 10. Mai 2020, Obama says end to Michael Flynn case puts rule of law at risk. https://www.washingtonpost. com/politics/2020/05/09/obama-michael-flynn-call/ 3 Vgl. New York Times v. 9. Mai 2020, William Barr’s Perversion of Justice, https://www.nytimes.com/2020/05/09/opinion/sunday/ michael-flynn-william-barr-justice-department.html

Kapitel 10: Im Zeitalter der Subversion: Ist das Recht oder kann das weg? 1 Vgl. Washington Post v. 15. Juni 2020, New questions about Trump’s ugly Bible stunt hint at some dark truths, https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/06/15/new-questions-about-trumps-uglybible-stunt-hint-some-dark-truths/ 2 https://www.theatlantic.com/politics/archive/2020/06/ james-mattis-denounces-trump-protests-militarization/612640/ 3 Vgl. z. B. https://www.faz.net/aktuell/politik/trumpspraesidentschaft/wahlkampf-und-eigenlob-trump-holt-am-4juli-gegen-seine-gegner-aus-16846518.html 4 Die Zeit v. 8. Juli 2020, Der Abstieg. https://www.zeit.de/2020/29/ donald-trump-us-wahlkampf-black-lives-matter 5 Johnston, David Cay (2018). It’s Even Worse Than You Think. What the Trump Administration Is Doing to America. New York u. a.: Simon & Schuster, S. 258. 6 Woodward, Bob (2018). Fear. Trump in the White House. New York u. a.: Simon & Schuster, S. xiii. 7 Vgl. Washington Post v. 1. Mai 2017, Germany used to have a leader like Trump, https://www.washingtonpost.com/opinions/germanyused-to-have-a-leader-like-trump-its-not-who-you-think/2017/05/ 01/0dd9cce8-2e88-11e7-9534-00e4656c22aa_story.html; Die Zeit v. 16. Mai 2019, Wilhelm II . der USA , https://www.zeit.de/2019/21/

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Anmerkungen

donald-trump-wilhelm-ii-parallelen-vergleich; Der Spiegel v. 27. 06. ​ 2020, Was Donald Trump mit Wilhelm II . verbindet. https://www. spiegel.de/politik/deutschland/was-donald-trump-mit-wilhelm-iiverbindet-a-1bd8bff6-f7dc-46be-8992-daa3d0834c55; Lütjen, Torben (2020). Amerika im kalten Bürgerkrieg. Wie ein Land seine Mitte verliert. Darmstadt: Theiss, S. 174 – ​186. 8 Vgl. Frum, David (2020). Trumpocalypse. Resoring American Democracy. New York: Harper, S. 75.