Chemische Thermodynamik [4., bearbeitete Auflage, Reprint 2021] 9783112567708, 9783112567692

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Chemische Thermodynamik [4., bearbeitete Auflage, Reprint 2021]
 9783112567708, 9783112567692

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Wissenschaftliche Taschenbücher

Chemie Wolfgang Wagner

Chemische Thermodynamik

Akademie-Verlag • Berlin

Wissenschaftliche Taschenbücher

Eine Auswahl lieferbarer Bände: HEINRICH ABNOLD

Physikalische Chemie der Halbleiter JOACHIM ATJTH / DIETMAR GENZOW KLAUS H . HERRMANN

Photoelektrische Erscheinungen HANS S A N D E U E S ANDREAS BEILMANN WOLFHART JUNG / KLAUS RICHTER

Optimale Versuchsplanung FRANK BEICHELT

Prophylaktische Erneuerung von Systemen JOACHIM BELLACH / PETER FRANKEN ELKE WARMUTH / WALTER WARMUTH

Maß, Integral und bedingter Erwartungswert WOLFRAM BRAUER HANS-WALDEMAR STREITWOLF

Theoretische Grundlagen der Halbleiterphysik SIEGFRIED BREHMER

Einführung in die Maßtheorie

HANNELORE FISCHER JOACHIM PIEHLER

Modellsysteme der Operationsforschung GOTTFRIED FRITZSCHE

Grundlagen und Entwurf passiver Analogzweipole Netzwerke I Entwurf passiver Analogvierpole Netzwerke II Entwurf aktiver Analogsysteme Netzwerke III Zeltdiskrete und digitale Systeme Netzwerke IV HERBERT GOERING

Asymptotische Methoden zur Lösung von Differentialgleichungen HERBERT GOERING

Elementare Methoden zur Lösung von Differentialgleichungsproblemen EDUARD HERLT / NIKOLAUS SALIÄ

Spezielle Relativitätstheorie V . I . KARPMAN

Nichtlineare Wellen in dispersiven Medien A . R . KESSEL

SIEGFRIED BREHMER

Hilbert-Bäume und Spektralmaße

Akustische Kernresonanz KONRAD K R E H E R

JOHN CUNNINGHAM

Vektoren GEORG DAUTCOURT

Relativistische Astrophysik

Festkörperphysik DIETER KRESS

Theoretische Grundlagen der Slgnalund Informationsübertragung

K . CH. DELOKAROV

KARL LANIUS

Relativitätstheorie und Materialismus

Physik der Elementarteilchen

DIETER LEUSOHNER

VOLKMAR SCHÜRICHT

Grundbegriffe der Thermodynamik

Kernexplosionen für friedliche Zwecke

V . S . LETOCHOW

HUBERTUS STOLZ

Laserspektroskopie WOLFGANG MEILING

Digitalrechner in der elektronischen Meßtechnik Teil 1: Meßmethodik Teil 2: Gerätetechnik und Anwendungen DIETER MICHEL

Grundlagen und Methoden der kernmagnetischen Resonanz

Supraleitung WERNER STOLZ REINHOLD BERNHARDT

Dosimetrie ionisierender Strahlung Festkörperphysik Entwicklungstendenzen und Anwendungsmöglichkeiten Das Neutron Eine Artikelsammlung

L . I . MIROSCHNITSCHENKO HANS-GEORG SCHÖPF

Kosmische Strahlung im Interplanetaren Raum

Von Kirchhoff bis Planck

VOLKER N O I I A U

Semi-Markovsche Prozesse

Die Schöpfer der physikalischen Optik Eine Artikelsammlung

PETER PAUFLER

HORST MELCHER

Phasendiagramme

Albert Einstein wider Vorurteile und Denkgewohnheiten

PETER PAUFLER GUSTAV E . R . SCHULZE

Physikalische Grundlagen mechanischer Festkörpereigenschaften Teil I und I I ULRICH RÖSEBBRO

Quantenmechanik und Philosophie ALBRECHT ROST

Messung dielektrischer Stoffeigenschaften J . V . SAÖKOV

Wahrscheinlichkeit und Struktur E . M. SAWIZKI Perspektiven der Metallforschung WOLFGANG SCHÄFER

RENATE WAHSNER

Mensch und Kosmos Die copernicanische Wende HELMUT FRIEMEL / JOSEF BROOK

Grundlagen der Immunologie EBERHARD HOFMANN

Funktionelle Biochemie des Menschen Band 1 und 2 LOTHAR JÄGER

Grundlagen der Klinischen Immunologie x KARLHEINZ LÖHS DIETER MARTINETZ

Theoretische Grundlagen der Stabilität technischer Systeme

Entgiftung — Mittel, Methoden und Probleme

VOLKMAR SOHURICHT

JOAOHIM NITSOHMANN

Fusionsreaktoren und Umwelt

Entwicklung bei Mensch und Tier

EBERHARD TEÜSCHER

Pharmakognosie Teil I - I I I

Vorschau auf die nächsten Bände: K L A U S DITTRICH

HEINRICH BREUER

Atomabsorptionsspektroskopie

KLAUS-PETER WENDLANDT

Heterogene Katalyse

CHRISTIAN EDELMANN

Druckmessung und Druckerzeugung K L A U S BUDDE / HELMUT BULLE HELMUT EÜCKAUF

DETLEF GRÖGER / SIEGFRIED JOHNE

Stöchiometrie chemisch-technologischer Prozesse

Mikrobielle Gewinnung von Arzneistoffen — Pharmazeutische Mikrobiologie —

WEENER DÖPKE

Dynamische Aspekte der Stereochemie organischer Verbindungen

NINA- HAGER

GERHARD GEISELER / HEINZ SEIDEL

PETER HELLMOLD

Die WasserstoUbrttckenblndung

Hochtemperaturreaktionen

FALKO H . HERRMANN

EBERHARD JÄGER / KOLF PERTHEL

MARTINA CH. HERRMANN

Das Hämoglobin des Menschen

Magnetische Eigenschaften von Festkörpern

HANS LUPPA

KLAUS-DIETER JENTZSCH

Grundlagen der Histochemie Teil I und I I

Regulation des Wachstums und der Zellvermehrung

Beaktive Zwischenstufen in der organischen Chemie JOACHIM SOHUPPAN

Theorie und Methoden der Konduktometrie JOACHIM SOHUPPAN

Anwendungen der Konduktometrie

Modelle in der Physik

HANS NEDMANN / K L A U S SCHÄFER

Elektrische und elektronische Meßtechnik ROBERT BOMPE HANS-JÜRGEN TREDER

Über die Einheit der exakten Wissenschaften ERNST SCHMITZ

K U R T SCHWABE

pH-Messung

Organische Zwischenprodukte

WTB BAND 6

Wolfgang Wagner

Chemische Thermodynamik 4., bearbeitete Auflage

Mit 18 Abbildungen

AKADEMIE-VERLAG • BERLIN

Reihe C H E M I E Herausgegeben im Auftrage der Akademie der Wissenschaften der D D R von Prof. Dr. Dr. h. c. H . Klare, Berlin P r o f . Dr.-Ing. Dr. h. o. E . Leibnitz, Berlin P r o f . Dr.-Ing. habil. D r . h . o. m u l t . K . Schwabe, Meinsberg Verantwortlicher Herausgeber dieses Bandes:

Prof, Dr.-Ing.

habil. Dr. h. c. mult. K.

Schwabe

Verfasser:

Dr. Wolfgang

Wagner

Technische Hochschule Karl-Marx-Stadt

1982 Erschienen im Akademie-Verlag, DDR-1086 Berlin, Leipziger Straße 3—4 Lektor: Gisela Güntherberg © Akademie-Verlag Berlin 1982 Lizenznummer: 202 -100/458/82 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 7400 Altenburg Bestellnummer: 760 043 3. (7006) • LSV 1214 Printed in GDR DDR 8 , - M

Vorwort Entsprechend der Zielsetzung der „Reihe Wissenschaft A" beabsichtigt das vorliegende Bändchen nicht, mit den in größerer Zahl vorhandenen Lehrbüchern, Monographien und Übersichten in Konkurrenz zu treten. Es wurde vielmehr versucht, das Gesamtgebiet der chemischen Thermodynamik sowohl hinsichtlich der theoretischen Grundlagen als auch der experimentellen Verfahren und der praktischen Anwendung der Ergebnisse in Form einer zusammengedrängten Übersicht darzustellen. Diesem Bemühen lag die Konzeption zugrunde, dem Leser einmal einen Gesamtüberblick über das zweifellos zu den wichtigsten Grundpfeilern der modernen Chemie gehörende Gebiet zu verschaffen, zum anderen ihn in die Lage zu versetzen, die Stellung seiner eigenen Probleme und Aufgaben klar zu erkennen, um hiervon ausgehend zu ausführlicheren Darstellungen vorzustoßen. Dabei beschränkt sich die Darlegung bewußt auf die „klassische" chemische Thermodynamik und gibt lediglich Hinweise auf Teilgebiete, die auf speziellen Grundlagen aufbauen, wie z. B. die statistische Thermodynamik. Infolge des besonderen Charakters dieses Bändchens als Teil einer Buchreihe war es natürlich nicht möglich, auf alle wesentlichen Seiten und Aspekte der chemischen Energetik und Gleichgewichtslehre mit dem vielleicht notwendigen Nachdruck hinzuweisen. Das vorliegende Bändchen entstand auf der Grundlage der Vorlesung meines verehrten Lehrers, Herrn Professor Dr.-Ing. habil. Dr. h.c. mult. K. Schwabe, dem ich für die Erlaubnis zur Benutzung dieser Vorlage sowie seine ständige Förderung auch an dieser Stelle danke. W. Wagner

6

Vorwort zur vierten Auflage

Vorwort zur 3. Auflage Es wurden eine Reihe von Korrekturen und Präzisierungen vorgenommen und dabei auch weitgehend die Anregungen von Fachkollegen berücksichtigt, denen ich für ihre Hinweise dankbar bin. Auch die folgenden größeren Änderungen haben jedoch die Konzeption und den Inhalt des Bändchens nicht grundsätzlich verändert: 1. Entsprechend internationalen und nationalen Empfehlungen aus den Jahren 1970 und 1971 wurden weitgehend die vorgeschlagenen Symbole für physikalisch-chemische Größen und Einheiten verwendet. 2. Um die Bedeutung der chemischen Potentiale deutlicher werden zu lassen, wurden die Abschnitte stärker überarbeitet, in denen diese Größe eingeführt, behandelt und angewandt wird. 3. Der Abschnitt 4.5. über Grenzflächengleichgewichte wurde völlig neu erarbeitet. Vorwort zur 4. Auflage Die wesentlichsten Veränderungen resultieren aus dem Bemühen um eine weitgehende Anwendung von nunmehr vollständigen Empfehlungen der Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC), veröffentlicht als Manual of Symbols and Terminology for Physicochemical Quantities and Units, Second Revision 1979, mit den zugehörigen Appendices I (1979), I I (1972 und 1976), I I I (1974) und IV (1979, Entwurf) in der Zeitschrift Pure and Applied Chemistry. Wiederum bedanke ich mich auch bei einer Reihe von Fachkollegen für kritische Hinweise und Anregungen, die mir bei der Überarbeitung geholfen haben.

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Vorwort zur vierten Auflage

Vorwort zur 3. Auflage Es wurden eine Reihe von Korrekturen und Präzisierungen vorgenommen und dabei auch weitgehend die Anregungen von Fachkollegen berücksichtigt, denen ich für ihre Hinweise dankbar bin. Auch die folgenden größeren Änderungen haben jedoch die Konzeption und den Inhalt des Bändchens nicht grundsätzlich verändert: 1. Entsprechend internationalen und nationalen Empfehlungen aus den Jahren 1970 und 1971 wurden weitgehend die vorgeschlagenen Symbole für physikalisch-chemische Größen und Einheiten verwendet. 2. Um die Bedeutung der chemischen Potentiale deutlicher werden zu lassen, wurden die Abschnitte stärker überarbeitet, in denen diese Größe eingeführt, behandelt und angewandt wird. 3. Der Abschnitt 4.5. über Grenzflächengleichgewichte wurde völlig neu erarbeitet. Vorwort zur 4. Auflage Die wesentlichsten Veränderungen resultieren aus dem Bemühen um eine weitgehende Anwendung von nunmehr vollständigen Empfehlungen der Internationalen Union für Reine und Angewandte Chemie (IUPAC), veröffentlicht als Manual of Symbols and Terminology for Physicochemical Quantities and Units, Second Revision 1979, mit den zugehörigen Appendices I (1979), I I (1972 und 1976), I I I (1974) und IV (1979, Entwurf) in der Zeitschrift Pure and Applied Chemistry. Wiederum bedanke ich mich auch bei einer Reihe von Fachkollegen für kritische Hinweise und Anregungen, die mir bei der Überarbeitung geholfen haben.

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

1. 1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.1.1. 1.2.1.2. 1.2.1.3. 1.2.1.4. 1.2.2. 1.2.2.1. 1.2.2.2. 1.2.2.3. 1.2.2.4. 1.2.3. 1.3. 1.3.1. 1.3.2.

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung Allgemeine Begriffe und Definitionen Reine Stoffe Ideale Gase Das BOYLE-MARlOTTEsche Gesetz. . Das GAY-LusSACsche Gesetz Der AvoGADEOsche Satz Die Zustandsgieichung der idealen Gase Reale Gase und Flüssigkeiten Abweichungen vom B0YLE-MARi0TTESchen Gesetz Die VAN DER WAALSsche Gleichung Die kritischen Daten Andere Zustandsgieichungen Feste Stoffe Mischphasen Das DALTONsche Partialdruckgesetz Partielle molare Größen

15 15 19 21 21 23 27 27 29 29 30 34 35 36 37 39 40

2. 2.1. 2.2.

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik . . . . Energien. Arbeit und Wärme Innere Energie und Enthalpie als Zustandsfunktionen Das Gesetz von der Erhaltung der Energie. . . . Innere Energie und Enthalpie Der Zusammenhang zwischen den Wärmekapazitäten Gp und Cv . : Arbeitsleistung idealer und realer Gase Molare Wärmekapazitäten Molare Wärmekapazitäten von Gasen Molare Wärmekapazitäten von Flüssigkeiten . . . Molare Wärmekapazitäten von festen Stoffen . .

45 45-

2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.4. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3.

50 50 53 57 59 63 64 67 67

8 2.3.4. 2.4. 2.4.1. 2.4.2. 2.4.2.1. 2.4.2.2. 2.4.2.3. 2.4.2.4. 2.4.2.5. 2.4.3.

Inhaltsverzeichnis Kinetische Theorie der molaren Wärmekapazitäten. Statistische Thermodynamik Latente Wärmen. Thermochemie Phasenumwandlungswärmen Reaktionswärmen Allgemeines Der ÜBSSsche Satz der konstanten Wärmesummen Der KiscHHOFFsche Satz Molare Standardbildungsenthalpien Experimentelle Thermochemie Mischungs- und Lösungswärmen

70 77 77 81 81 85 86 87 89 92

3. 3.1. 3.2. 3.2.1.

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik . . . 95 Reversible und irreversible Vorgänge 95 Die Entropie. . . . 98 Definition als Richtungsindikator f ü r Naturvorgänge 98 3.2.2. Statistische Deutung der Entropie 101 3.2.3. Die Entropie als Zustandsfunktion 102 3.2.4. Die thermodynamische Zustandsgieichung . . . . 105 3.2.5. Umwandlung von Wärme in Arbeit 106 3.3. Freie Energie und freie Enthalpie 107 3.3.1. Ableitung und Definition . . 107 3.3.2. Freie Energie und freie Enthalpie als Zustandsfunktionen 111 3.3.3. Das chemische Potential 113 3.3.3.1. Definition als partielle molare freie Enthalpie . . 113 3.3.3.2. Chemisches Potential in idealen Mischphasen. . . 116 3.3.3.3. Chemisches Potential in realen Mischphasen . . . 1 1 7 3.4. Der NERNSTsche Wärmesatz 121 3.4.1. Die Entropie am absoluten Nullpunkt 121 3.4.2. Standardentropien 122 3.4.3. Reaktionsentropien 123 4. 4.1.

Thermische Gleichgewichte Die thermodynamischen Gleichgewichtsbedingungen 4.2. Phasengleichgewichte in Einkomponentensystemen 4.2.1. Das Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit und Gasphase 4.2.1.1. Die CLATJSius-CLAPEYROiTsche Gleichung . . . . 4.2.1.2. Messung von Dampfdrücken

124 124 126 126 127 129

Inhaltsverzeichnis 4.2.2.

4.3.4.

Das Gleichgewicht zwischen Festkörper und Flüssigkeit Das Gleichgewicht zwischen Festkörper und Gasphase Phasengleichgewichte in MehrkomponentensySternen Das GiBBSsche Phasengesetz Das R A O T J X T s c h e Gesetz der Dampfdruckerniedrigung Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung Osmotischer Druck

4.3.5.

D a s HENRY-DALTONSCIIC G e s e t z

4.2.3. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3.

4.3.6. 4.3.7. 4.3.8. 4.3.9. 4.3.10. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.4.5. 4.4.5.1. 4.4.5.2. 4.4.5.3. 4.5. 4.5.1. 4.5.2. 4.5.3. 4.5.3.1.

Das Löslichkeitsgleichgewicht Der NERNSTsche Verteilungssatz Methoden zur Bestimmung von Aktivitäten bzw. Aktivitätskoeffizienten : Gleichgewichte zwischen flüssigen und gasförmigen Mischphasen Gleichgewichte zwischen festen und flüssigen Mischphasen Chemische Gleichgewichte Das Massenwirkungsgesetz Temperatur- und Druckabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten Näherungsgleichungen für das MWG Experimentelle Ermittlung von Gleichgewichtskonstanten Berechnung von Gleichgewichtskonstanten . . . Anwendung der V A N ' T HoFFschen Reaktionsisobare Berechnung molarer freier Standardreaktionsenthalpien Anwendung der Freien-Standardenthalpie-Funktion Grenzflächengleichgewichte Charakteristische Merkmale der Phasengrenzen . Thermodynamik der Grenzflächenphase Grenzflächengleichgewichte in Einkomponentensystemen Oberflächenspannung

9

130 131 133 133 135 137 139 142

144 146 146 149 153 154 155 158 160 163 164 164 164 166 171 171 172 176 176

4.5.3.2. Temperatur- und Druckabhängigkeit der Oberflächenspannung 4.5.3.3. Dampfdrücke über gekrümmten Oberflächen . . 4.5.4. Grenzflächengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen . . . 4.5.4.1. Oberflächenspannungen flüssiger Mischphasen . . 4.5.4.2. Adsorptionsgleichgewichte

179 181 183 183 185

5.

Anhang 1: Tabelle der wichtigsten physikalischen Konstanten 192

6.

Anhang 2: Lehrbücher und Monographien, Tabellenwerke 193

7.

Sachregister

195

Einleitung Die Thermodynamik ist ein. wesentlicher Teil der allgemeinen Wärmelehre, wenn man unter dem Begriff Wärmelehre alle physikalischen Erscheinungen und Vorgänge zusammenfaßt, die etwas mit den Begriffen Wärme und Temperatur zu tun haben. Man kann die Thermodynamik als die Lehre von den quantitativen makroskopischen Beziehungen zwischen der Wärmeenergie und den anderen Energieformen auffassen, wobei die Betonung auf dem Wort makroskopisch liegt. Dem anderen Teilgebiet der Wärmelehre liegt nämlich die Theorie über den molekularen Aufbau der Stoffe zugrunde. Man führt dabei alle mit Wärme zusammenhängenden Erscheinungen auf Eigenschaften bzw. bestimmte Modellvorstellungen über die kleinsten Teile der Stoffe zurück. Eine geeignete Summierung bestimmter Größen vieler dieser Teilchen führt dann zu einer Beschreibung und Deutung des makroskopischen Verhaltens des Gesamtsystems. Gegenüber der zuletzt erwähnten molekulartheoretischen Betrachtungsweise hat die eigentliche thermodynamische Betrachtung den Vorteil, daß sie von nur wenigen Axiomen, den sog. Hauptsätzen der Thermodynamik, ausgeht, die von der Praxis in mannigfaltiger Weise bestätigt werden, grundsätzlich aber nicht weiter zu begründen sind. Auf diesen Hauptsätzen läßt sich ein völlig in sich geschlossenes, mathematisch recht einfaches System von Formeln und Beziehungen aufbauen, mit deren Hilfe eine umfassende Beschreibung des makroskopischen Verhaltens der Stoffe und Stoffsysteme möglich ist. Die große praktische Bedeutung der Thermodynamik wird sofort klar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß

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Einleitung

alle in der Natur oder in der Technik vor sich gehenden Prozesse in irgendeiner Weise mit Wärmeumsetzungen verbunden sind. Auf der theoretischen Thermodynamik gründet sich daher ein vielgestaltiges Gebäude der praktischen oder angewandten Thermodynamik. Einige willkürlich herausgegriffene Beispiele aus der technischen Thermodynamik mögen die große Bedeutung für viele Gebiete der modernen Technik illustrieren: Thermodynamische Grundlagen bilden nicht nur den Ausgangspunkt für den Bau und den Betrieb von Gasmaschinen (Luftverdichter, Heißluftmaschinen, Gasturbinen, Verbrennungsmotoren), Dampfmaschinen oder Strömungsmaschinen, sondern liegen auch der Ausnutzung aller Verbrennungserscheinungen, des Luftstrahlantriebes oder des Raketenantriebes zugrunde. Schon diese wenigen Beispiele zeigen, daß sich die technische Thermodynamik in der Hauptsache mit Anwendungen hinsichtlich der Umwandlung von Wärme in mechanische Energien mit Hilfe einfacher Stoffe (Luft, Gase, Wasser, Wasserdampf) beschäftigt. Da die Grundgesetze der Thermodynamik aber allgemeingültig sind, gelten sie in vollem Umfang auch für alle chemischen Vorgänge. Wenn man sich der bekannten Tatsache erinnert, daß chemische Vorgänge meist stark temperaturabhängig sind, wobei stets Wärmeeffekte auftreten, wird man leicht die große Bedeutung der Thermodynamik für die Chemie verstehen. I n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Thermodynamik zur fundamentalen Grundlage der klassischen theoretischen Chemie. Erst durch die Schaffung der chemischen Thermodynamik konnte die Chemie zu einer exakten Wissenschaft werden, weil es nur mit ihrer Hilfe möglich war, den bislang unbestimmten Begriff der „chemischen Affinität" der Stoffe zueinander durch eine meßbare Größe zu präzisieren und eine exakte Deutung des Begriffes „chemisches Gleichgewicht" zu geben. Die Anwendung der thermodynamischen Grundgesetze auf chemische Reaktionen gestattet es, die Lage chemi-

Einleitung

13

scher Gleichgewichte aus wenigen, relativ leicht zugänglichen, meßbaren Größen vorauszuberechnen, so daß man heute im Prinzip in der Lage ist, abzuschätzen, ob und in welcher Richtung und mit welcher Ausbeute eine Reaktion unter bestimmten Bedingungen abläuft. Darüber hinaus ist aber die Anwendung der Thermodynamik auch für viele andere Fragen der Chemie äußerst fruchtbar gewesen und hat in einigen Spezialgebieten, wie z. B. in der Theorie der Mischungen und Lösungen, gerade in der jüngsten Zeit umfangreiche neue Erkenntnisse geliefert. Obwohl also die theoretische Thermodynamik heute als eines der wenigen in sich abgeschlossenen Wissensgebiete angesehen werden kann, hat ihre Anwendung nach wie vor für die Erweiterung unserer Kenntnisse auf vielen Gebieten der Naturwissenschaften größte Bedeutung. Begründet ist diese Leistungsfähigkeit der Thermodynamik in der Möglichkeit, allgemeine Zusammenhänge zwischen experimentell zugänglichen, makroskopischen Eigenschaften der Stoffe aufzuzeigen. Über den molekularen Aufbau der Stoffe vermag, dagegen die Thermodynamik keine Aussagen zu machen. Zwar hängen natürlich die makroskopischen Eigenschaften eines Stoffes mit den Eigenschaften seiner kleinsten Teilchen zusammen; da aber die Thermodynamik nichts über die einzelnen Eigenschaften selbst aussagt, sondern nur die Wechselbeziehungen zwischen diesen Eigenschaften untersucht, sind ihr jegliche Vorstellungen über die molekulare, atomistische Form der Stoffe fremd. Den Zusammenhang mit der Molekulartheorie gewinnt man aus der bereits eingangs erwähnten molekulartheoretischen Betrachtungsweise der Wärmelehre. Mit ihrer Hilfe ist es im Prinzip möglich, die makroskopischen Gesetze aus bestimmten Vorstellungen über die Eigenschaften der kleinsten Teilchen unter Zuhilfenahme bestimmter mathematischer Verfahren, in der Hauptsache der Statistik, abzuleiten. Diese statistische Thermodynamik hat heute eine breite Ausdehnung gefunden und ist zu einem speziellen Zweig der theoretischen Physik ge-

14

Einleitung

worden. Sie stellt in vielen Fragen eine wertvolle Ergänzung zur eigentlichen thermodynamischen Betrachtungsweise dar. Infolge einer Reihe von Faktoren steht sie jedoch in ihrer Bedeutung noch weit hinter der letzteren zurück. Wie noch ausführlich gezeigt wird, beschäftigt sich die Thermodynamik im wesentlichen mit Gleichgewichtszuständen. Sie vermag daher auch über zeitabhängige Erscheinungen keinerlei Aussagen zu machen. Diese werden in der kinetischen Theorie und speziell im Gebiet der Chemie in der chemischen Kinetik behandelt. Zur umfassenden Untersuchung chemischer Reaktionen ist es daher notwendig, sowohl die chemische Thermodynamik zur Ermittlung der Lage des chemischen Gleichgewichtes als auch die chemische Kinetik zur Bestimmung der Reaktionsgeschwindigkeiten anzuwenden. Dabei ist aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kinetik noch weit davon entfernt, ein ähnlich geschlossenes Gebäude darzustellen wie die Thermodynamik.

1.

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

1.1.

Allgemeine Begriffe und Definitionen

Die Thermodynamik arbeitet mit einer Reihe von Begriffen, die zunächst geklärt werden sollen. Als System wird jede beliebige Einheit von Versuchsbzw. Untersuchungssubstanz mit den sie einschließenden physikalischen oder auch nur gedachten Wänden bezeichnet. Lassen diese Wände wteder einen Energie- noch einen Stoffaustausch mit der Umgebung zu, spricht man von isolierten (abgeschlossenen) Systemen. Die klassische chemische Thermodynamik beschäftigt sich mit solchen Systemen, deren Wände zwar einen Energie-, aber keinen Stoffaustausch mit der Umgebung zulassen. Diese Art von Systemen bezeichnet man als geschlossene Systeme. Die Untersuchung der Vorgänge in offenen Systemen, die also sowohl in energetischen als auch in stofflichen Wechselwirkungen mit der Umgebung stehen, ist Gegenstand eines speziellen Zweiges der Thermodynamik, nämlich der Thermodynamik irreversibler Prozesse1). Alle physikalisch einheitlichen Bestandteile eines Systems bezeichnet man als Phasen. Reine Phasen bestehen nur aus einer einzigen Teilchenl

) Zur Information sei auf folgende ausführliche Darstellungen hingewiesen: DB GROOT, S. R., „Thermodynamlcs of Irreversible Proeesses", North Holland Publ. Comp., Amsterdam 1651; HAASE, K,., „Thermodynamik der Irreversiblen Prozesse", D. Steinkopff, Darmstadt 1963; PRIGOGINE, I., „Introduction to Thermodynamlcs of Irreversible Processes", Wiley, New York 1968 (3. Aufl.); XALITZIS, Gr., „Thermodynamik irreversibler Prozesse", VEB Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1968.

16

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

a r t und, ggf. deren Dissoziations- oder Assoziationsprodukten. AHe homogenen gasförmigen, flüssigen u n d f e s t e n Systeme, die aus mehr als einer Teilchenart bestehen, t r a g e n die Bezeichnung Mischphase. Von zentraler B e d e u t u n g f ü r die gesamte T h e r m o d y n a m i k ist der Begriff Zustand eines Systems. Man versteht d a r u n t e r die Gesamtheit der f ü r die jeweiligen Betracht u n g e n wesentlichen makroskopischen, m e ß b a r e n Eigens c h a f t e n des b e t r e f f e n d e n Systems. Diese Meßgrößen werden als Zustandsgrößen oder Zustandsvariable bezeichnet. Man muß dabei zwischen Extensitätsgrößen (extensiven Zustandsgrößen) und Intensitätsgrößen (intensiven Zustandsgrößen) unterscheiden. Zu den extensiven Größen gehören alle masseproportionalen (mengenvariablen) Eigenschaften, z. B. Volumen, Wärmekapazität, Energieinhalt, sowie Stoffmenge (Teilchenmenge) und die Masse selbst. Wird unter sonst gleichen Bedingungen die Masse z. B. verdoppelt, so verdoppeln sich auch alle übrigen Extensitätsgrößen der betreffenden Phase. Extensitätsgrößen eines aus mehreren Phasen bestehenden, also heterogenen Systems setzen sich additiv aus den entsprechenden Eigenschaften der einzelnen Phasen zusammen. Unter die intensiven Größen fallen z. B. Temperatur, Druck, aber auch alle auf eine Masse, auf ein Volumen, auf eine Fläche oder auf eine Stoffmenge oder -mengenänderung bezogenen Extensitätsgrößen. Die spezifischen (durch die Masse oder die Fläche dividierten), molaren (durch die Stoffmenge dividierten) und partiellen molaren (zusammensetzungsabhängigen molaren) Größen sind also Intensitätsgrößen. Für die verschiedenen Phasen eines heterogenen Systems sind die entsprechenden Eigenschaften nicht additiv. Extensive Größen erhalten mit wenigen Ausnahmen (Masse m, Stoffmenge n) ein Symbol in Großbuchstaben; die entsprechende spezifische Größe wird dann durch den jeweiligen Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Für molare Größen wird an das Symbol der betreffenden extensiven Größe (in Großbuchstaben) der untere Index m angefügt (Beispiel: Molares Volumen F r a = V/n; Ausnahme: Molare Masse, Molmasse M = m/n). Der Index m wird auch weggelassen, wenn es durch den Text oder aus

Allgemeine Begriffe und Definitionen

17

dem Zusammenhang heraus eindeutig ist, daß mit molaren Größen gearbeitet wird. Zur Kennzeichnung partieller molarer Größen werden entweder spezielle Symbole oder die Symbole der betreffenden extensiven Größe mit besonderem Vermerk verwendet.

Voraussetzung dafür, daß der Zustand eines Systems durch einige Größen eindeutig charakterisiert werden kann, ist die Forderung, daß in ihm keine zeitlichen Änderungen vor sich gehen, durch die die makroskopischen Eigenschaften beeinflußt werden. Das System muß sich in einem thermodynamischen Gleichgewicht befinden, das ohne äußere Einflüsse beliebig lange bestehen bleibt und in welches das System nach einer vorübergehenden Störung von selbst wieder zurückkehrt. Solche Störungen können thermischer, mechanischer oder chemischer Natur sein. In einem System, das sich im thermodynamischen Gleichgewicht befindet, muß also auch thermisches, mechanisches und chemisches Gleichgewicht herrschen. Die wichtigsten Zustandsgrößen zur Charakterisierung des thermischen Zustandes reiner Stoffe sind die Stoffmenge n, der Druck p, das Volumen V und die Temperatur T. Bei zusammengesetzten Systemen kommt noch die chemische Zusammensetzung hinzu. Für eine gegebene Menge reichen diese Größen im allgemeinen vollständig zur Beschreibung sämtlicher thermischer Eigenschaften aus. Nur in speziellen Fällen sind weitere Zustandsgrößen, wie z. B . die Oberfläche des Systems (vgl. Abschn. 4.5.) erforderlich. Ein charakteristisches Merkmal der Zustandsgrößen ist ihre gegenseitige Abhängigkeit. Erwärmt man z. B. eine bestimmte Menge eines Gases, so wird entweder der Druck ansteigen, wenn das Volumen konstant bleibt, oder das Volumen zunehmen, wenn sich der Gasdruck nicht ändern soll. Diese Verknüpfung der Zustandsgrößen erfolgt über die Zustandsfunktionell. Für eine gegebene Stoffmenge eines beliebigen reinen Stoffes läßt sich diese Funktion mathematisch wie folgt formulieren: V = f(p, T). 2

Wagner

(1)

18

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

Man bezeichnet diese Funktion als allgemeine Form der thermischen Zustandsgieichung. Sie sagt aus: Das Volumen einer beliebigen, konstanten Menge eines reinen gasförmigen, flüssigen oder festen Stoffes ist eine Funktion von Druck und Temperatur. Über die Art der Abhängigkeit wird dabei noch nichts ausgesagt; dazu dienen die speziellen Formen der thermischen Zustandsgieichung, die im Prinzip für jeden Zustand existieren. Wenn im Rahmen der Thermodynamik von einem Vorgang oder einem Prozeß gesprochen wird, ist dabei stets vorausgesetzt, daß nur Anfangs- und Endzustand betrachtet werden, nicht aber der eigentliche Verlauf. Über die Art und Weise, wie ein System von einem Zustand in den anderen übergeht, vermag die Thermodynamik nichts auszusagen. Diese Frage interessiert auch im Zusammenhang mit thermodynamischen Untersuchungen nicht, da der Zustand eines Systems lediglich durch die jeweiligen Zustandsgrößen beschrieben wird, nicht aber von der Vorgeschichte der betreffenden Stoffe oder von dem Weg abhängt, auf dem sie in diesen Zustand gelangt sind. Bei Änderungen der Zustandsvariablen kommt es daher nur auf die Beträge der Änderungen an, nicht aber auf ihre Reihenfolge. Mathematisch kommt diese Tatsache dadurch zum Ausdruck, daß beim Übergang eines Systems von einem Zustand in einen zweiten, z. B. durch Druck- und Temperaturänderung, die Volumenänderung eine eindeutige Funktion der Änderung dieser beiden Größen, also ein vollständiges Differential ist. Aus Gl. (1) ergibt sich demnach bei Differentiation die Differentialgleichung

Die Gesamtänderung der Zustandsfunktion setzt sich also additiv aus den Teiländerungen zusammen, wenn man erst p um dp bei konstantem T und dann T um dT *) Die Indizes an den Klammern sollen im folgenden stets bedeuten, daß die Änderung bei Xonstanthaltung der betreffenden Zustandsgröße erfolgt.

19

Reine Stoffe

bei konstantem p oder umgekehrt ändert. Kriterium für das Vorliegen einer Zustandsfunktion ist demnach das mathematische Gesetz, nach dem jede infinitesimale Änderung der betreffenden Größe ein vollständiges Differential der Zustandsvariablen sein muß. Zur Nachprüfung benutzt man den Satz von Schwarz: 82f(p, T) _ 8*f(p, T) 8T • dp ' dp •8T

(3)

Die Reihenfolge der Differentiationen ist vertauschbar, wenn die Funktion ein vollständiges Differential ist. 1.2.

Reine Stoffe

Den partiellen Differentialquotienten (dV/dp) der thermischen Zustandsgieichung bezeichnet man als Druckkoeffizient des Volumens, den Quotienten (3V/8T) als Temperaturkoeffizient des Volumens. Vorgänge, bei denen keine Temperaturänderungen im betreffenden System auftreten, nennt man isotherm. Bei ihnen ist dT = 0. Gleichung (2) vereinfacht sich dann zu

Für isobare Vorgänge, bei denen keine Änderungen des Druckes im System erfolgen, ist dp = 0, und es wird

Lenkt man schließlich den Vorgang so, daß keine Änderung des Volumens auftritt, spricht man von einem isochoren Prozeß, für den dann gilt: dV = 0, (6) 2*

20

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

Hieraus folgt als Beziehung zwischen den Differentialquotienten: ¡8V\ ldp\ =_tdV\ (7)

Die einzelnen Koeffizienten geben die jeweiligen Änderungen einer Größe mit der anderen bei konstantgehaltener dritter Größe an. Da die Änderung des Volumens mit der Temperatur im allgemeinen vom Ausgangs volumen abhängig ist, definiert man: "¡7" ( = ' 0 V®-* I P . n

«o: Thermischer

Ausdehnungskoeffizient (8)

Analog: —

)

Po \0-l/v,n

V0

\dp/T.n

= ßo Thermischer kneiKzient, koeffizient

Spannungs-

x0\ Isotherme Kompressibilität

^ (10)

F 0 bzw. p0 sind das Volumen bzw. der Druck bei einer festzulegenden Bezugstemperatur (häufig 273,15 K). Das negative Vorzeichen in Gl. (10) trägt der Abnahme des Volumens mit dem Druck Rechnung. Mit diesen Definitionsgleichungen folgt aus Gl. (7) der Zusammenhang zwischen den drei Koeffizienten: «o =Po ' ßo •

(11)

Gleichung (2) liefert als Differentialgleichung zwar den Zusammenhang zwischen unendlich kleinen Änderungen der Zustandsgrößen, gestattet aber noch keine Aussage über die tatsächlich meßbaren Änderungen. Um zu solchen Aussagen zu gelangen, muß man diese Gleichung integrieren. Das ist aber nur möglich, wenn die Koeffizienten bekannt sind. Relativ einfach liegen die Verhältnisse bei Gasen, die besonders im hochverdünnten Zustand dadurch gekenn-

21

Reine Stoffe

zeichnet sind, daß zwischen den Einzelteilchen (Molekülen, Atomen) nur sehr geringe Wechselwirkungen bestehen. Im folgenden soll daher zunächst die Zustandsgieichung der idealen Gase abgeleitet und untersucht werden. Das ist auch aus dem Grunde zweckmäßig, weil die Betrachtungen an den idealen Gasen den Ausgangspunkt für die Untersuchung aller übrigen Stoffe und Systeme bilden. 1.2.1. Ideale Oase 1.2.1.1. Das BoYLE-MABiOTTEscfte Gesetz Bereits in den Jahren 1660 und 1676 fanden unabhängig voneinander R . BOYLE und E . MARIOTTE das nach ihnen benannte Gesetz der Isotherme: (P • V)r,n = konst.

(12)

Das Produkt aus Druck und Volumen ist bei konstanter Temperatur für eine bestimmte Gasart und Stoffmenge eine Konstante.

Die graphische Darstellung dieser Gesetzmäßigkeit ergibt eine gleichseitige Hyperbel, deren Abstand von den Koordinatenachsen mit steigender Temperatur zunimmt (Abb. 1). Da das Produkt p • V eine Konstante ist, kann man es auch in der Differentialform d(p • V)Ti„ — 0 bzw. V • dp p • dV = 0 schreiben. Umgeformt ergibt

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

22 sich daraus

dVjV —

-dp/p.

(13)

Die relative Änderung des Volumens ist entgegengesetzt gleich der relativen Änderung des Druckes. Genaue Messungen haben ergeben, daß das Produkt aus Druck und Volumen auch bei konstanter Temperatur eine geringe Abhängigkeit vom Druck aufweist. In Abb. 2 ist das tatsächliche Verhalten einiger Gase angegeben. Wie man sieht, nähert sich das Produkt p • V verschieden schnell dem konstanten Endwert , der hier willkürlich gleich 1 gesetzt wurde.

0,0010,01

0tl

1 pfLbarl

Abb. 2

Das BoYLE-MARiOTTEsche Gesetz ist demnach als ein Grenzgesetz aufzufassen. Es gilt streng nur bei solchen Gasen, bei denen die Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen vernachlässigt werden können. Solche Gase werden als ideale Gase bezeichnet 1 ). Man sieht aus Abb. 2, daß sich die einzelnen Gase hinsichtlich der Annäherung an den idealen Zustand recht unterschiedlich verhalten. Allgemein nimmt der ideale Charakter eines Gases mit abnehmendem Druck, also zunehmendem gegenseitigen Abstand der Moleküle, sowie zunehmender Temperatur l

) Andere charakteristische Merkmale für ideales Verhalten werden später besprochen.

Reine Stoffe

23

(Verringerung der Wechselwirkungen durch steigende Wärmebewegung) zu. Daher kann bei jedem Gas durch Wahl geeigneter Bedingungen ideales Verhalten im Rahmen der Meßgenauigkeit angenähert werden. Bei idealen Gasen ist also der Druckkoeffizient des Volumens und damit der erste Differentialquotient in der thermischen Zustandsgieichung (2) gegeben durch (8V\ (

V

V L

-

T

Praktische Anwendung findet das B0YLB-MAEi0TTEsche Gesetz für Volumenbestimmungen (PiVx = p 2 V i ) sowie bei der Messung sehr kleiner Drücke mit dem McLEODschen Manometer1). 1.2.1.2. Das GAY-LussAG.se/ie Gesetz Die i m J a h r e 1802 v o n J . L . GAY-LUSSAC u n t e r s u c h t e

Temperaturabhängigkeit des Volumens bei konstantem Druck sowie die des Druckes bei konstantem Volumen ergab, daß sich jedes (ideale) Gas bei einer Steigerung der Temperatur um 1 Grad stets um den gleichen Betrag ausdehnt. Nach neueren Messungen beträgt diese Ausdehnung 1/273,15 des Volumens bei 0°C. Die Temperatur war eine f ü r die Wärmelehre speziell eingeführte Zustandsgröße, die ursprünglich auf menschliche Sinnesempfindungen zurückgeht. Für genaue Messungen, selbst von Temperaturunterschieden, eignen sich jedoch diese Empfindungen nicht. Exakte Messungen lassen sich dagegen im Prinzip mit allen Eigenschaften von *) Über diese und andere Methoden der Druckmessung siehe: EDER, F. X., „Moderne Meßmethoden der Physik", Teil I, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1968 (3. Aufl.); KOIILRAUSCH, F., „Praktische Physik", Bd. I., Teubner, Stuttgart 1968 (22. Aufl.); EBERT, H. in: J. ILROENERT (Hrsg.), „Handbuch der technischen Betriebskontrolle", Bd. III, „Physikalische Meßmethoden", Geest 8c Portig, Leipzig 1959 (3. Aufl.).

24

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

Stoffen oder Systemen durchführen, die in definierter Weise von der Temperatur abhängen. Am besten dazu geeignet war die Ausdehnung eines idealen Gases; man definierte daher als Einheit der Temperatur diejenige Temperaturänderung, bei der sich das Volumen (der Druck) eines idealen Gases bei konstantem Druck (konstantem Volumen) um 1/273,15 seines Volumens (Drukkes) bei 0°C ändert. Für praktische Zwecke benutzt man die Volumenänderungen von Flüssigkeiten, vor allem von Quecksilber, wobei man bekanntlich nach A. C E L S I U S (1736) als bequem reproduzierbare Fixpunkte die Temperatur des unter Normaldruck schmelzenden Eises als 0 Grad und die des unter Normaldruck siedenden Wassers als 100 Grad (Celsius) festsetzte. Der dazwischenliegende Skalenbereich wird — völlig gleichförmige Kapillare vorausgesetzt — in 100 Teile unterteilt, womit man zur Einheit der Temperatur & Grad Celsius (Symbol °C) gelangt. Die physikalische Größe Temperatur läßt sich nicht auf andere Größen zurückführen; sie ist deshalb heute als thermodynamische (auch absolute) Temperatur T eine Grundgröße des Internationalen Einheitensystems. Ihre Einheit, das Kelvin (Symbol K), ist als der 273,16te Teil der thermödynamischen Temperatur des Tripelpunktes 1 ) des Wassers definiert. Das Kelvin ist auch zur Angabe von thermödynamischen Temperaturdifferenzen wie von Celsius-Temperaturdifferenzen zu benutzen. Das ist möglich, weil die Einheit °C mit der Einheit K identisch ist. Zwischen der Celsius-Temperatur und der thermödynamischen Temperatur besteht der Zusammenhang fl = T - 273,15 K .

(14)

Die „absolute Temperaturskala" wurde ursprünglich 1849 von W . THOMSON (Lord KELVIN) eingeführt, nachdem schon DALTON den Begriff „absoluter Nullpunkt" gebraucht hatte. ») Siehe Abechn. 4.2.3.

25

Reine Stoffe

Diesem ist die Temperatur T = 0 K oder & = —273,15°C zuzuordnen. Zur praktischen Temperaturmessung sind neben den erwähnten Flüssigkeits- und Gasthermometern eine Vielzahl anderer Verfahren in Gebrauch. Näheres findet man in der umfangreichen Spezialliteratur 1 ).

Bezeichnet man den Zahlenwert 1/273,15 mit « 0 , so läßt sich die Temperaturabhängigkeit des Volumens einer gegebenen Stoffmenge n eines (idealen) Gases bei konstantem Druck darstellen durch das GAY-LüSSACscfee Oesetz der Isobare: Vp.n=

F0.(l +«0-0) = F

0

~ . J- 0

(15)

V0 ist hierin wieder das Volumen des Gases bei der Temperatur T0 = 273,15 K. Damit besagt das Gesetz: Bei konstantem Druck nimmt das Volumen einer gegebenen Gasmenge linear mit deir Temperatur zu; das Volumen ist der thermodynamischen Temperatur direkt proportional. Der Koeffizient

B

)

nur einen anzugeben, da der andere dann durch %B = 1 — xk gegeben ist. Multipliziert man den Wert der Molenbrüche mit 100, erhält man die Molprozente. Die folgenden Größen sind nur bei flüssigen Lösungen üblich, werden aber dort fast ausschließlich benutzt. 3. Molalität1): Stoffmenge wB eines gelösten Stoffes B dividiert durch die Masse des Lösungsmittels A 2 ) m B = nBlmk

= nB\nk • Mk.

(34)

Gebräuchlichste Einheit ist mol • kg - 1 . Internationalen Vereinbarungen zufolge wird als Symbol das gleiche wie für die Masse benutzt. Die Molalität hat den prinzipiellen Vorteil, temperaturunabhängig zu sein. *) Englisch: molality. Im Deutschen früher als Gewicht^- oder Kilogrammolarität bezeichnet. *) GemiBche, bei denen sich die Molenbrüche der Komponenten wesentlich unterscheiden, bezeichnet man als Lösungen. Die Komponente mit dem größten Molenbruch nennt man Lösungsmittel, die mit dem kleineren gelöster Stoff.

Mischphasen

39

4. Stoff mengen-Konzentration oder einfach Konzentration Stoffmenge nB eines gelösten Stoffes B dividiert durch das Volumen der Lösung c B oder [B] = n B /V. (35) Gebräuchlichste Einheit ist hier das mol • L _ 1 . Da Volumina temperaturabhängig sind, gehört zur Angabe der Konzentration immer eine Aussage über die Temperatur der Lösung. 5. Massen-Konzentration-. Masse mB eines gelösten Stoffes B dividiert durch das Volumen der Lösung eB = mB/r.

(36)

Auch diese Größe ist selbstverständlich wieder temperaturabhängig. Für einen reinen Stoff ist sie seine Dichte. Zur Umrechnung der einzelnen Angaben ineinander benötigt man die Dichte der Mischphase und die Molmassen der Komponenten. 1.3.1. Das DALTONsehe

Partialdruckgesetz

Die Gesetze des idealen Gaszustandes können auch auf Mischungen idealer Gase angewandt werden. J e d e Gasa r t i verhält sich nämlich dabei so, als ob sie allein im Gesamtvolumen enthalten wäre. E s gilt dann für sie Pi • V = m • R-

T.

(37)

Ebenso wie sich die Gesamtstoffmenge n der Mischung als Summe der Stoffmengen nx der einzelnen Komponenten ergibt, setzt sich der Gesamtdruck p der Mischung additiv aus den Partialdrücken pk, pB, ... py zusammen: P = PA + PB H

+ Pi' = ZiPi •

(38)

Aus diesem ÜALTONscAe« Partialdruckgesetz (1801) folgt mit der für die ideale Mischung insgesamt geltenden Zu') Englisch: molarity. Im Deutschen früher Volumen- oder Litermolarit&t.-

40

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

standsgleichung p •V =

• R •T

(39)

und Gl. (32) die allgemeingültige Definition für den Partialdruck einer Komponente i in einer Gasmischung Vi = X j - p .

(40)

Mit dieser Gleichung werden auch die Partialdrücke in realen Gasmischungen definiert; für solche Mischungen ist dann die Gl. (39) natürlich nicht mehr oder nur noch näherungsweise gültig. Die allgemeingültige Definition ermöglicht es aber, die Größe Partialdruck als Maß für die Zusammensetzung beliebiger Gasmischungen anzuwenden. Zur Messung von Gaspartialdrücken benutzt man semipermeable Wände, die also nur für eine Gasart durchlässig sind. Beispielsweise besitzt Wasserstoff gegenüber Palladium oder glühendem Platin ein gutes Durchdringungsvermögen, wogegen andere Gase von diesen Metallen zurückgehalten werden. Derartige Membranen stehen aber nur für die wenigsten Gase zur Verfügung. Partialdrücke werden daher im allgemeinen aus den Molenbrüchen und dem Gesamtdruck nach Gl. (40) bestimmt.

1.3.2. Partielle molare Größen

Mit Ausnahme von Gasmischungen bei niedrigen Drükken und sog. idealen Lösungen zeigen praktisch alle Mischphasen reales Verhalten. Das äußert sich in erster ') Unter der Vielzahl flüssiger Mischphasen gibt es eine kleine Gruppe, deren extensive Eigenschaften sich in guter Näherung über den ganzen Mischungsbereich additiv aus den Anteilen und den entsprechenden molaren Größen der einzelnen Komponenten zusammensetzen. Man bezeichnet solche Systeme nicht sehr glücklich als ideale (oder auch vollkommene) Mischungen; das Adjektiv ideal hat hier natürlich eine vollkommen andere Bedeutung als bei „ideales Gas". Derartige flüssige Mischungen oder Lösungen haben u. a. bestimmte Eigenschaften, die über den ganzen Mischungsbereich einfachen Gesetzmäßigkeiten gehorchen, wie sie bei allen realen flüssigen Mischphasen nur als Grenzgesetze für sehr niedrige Konzentrationen der gelösten Stoffe B, C, ... im Lösungsmittel A gelten (s. Abschn. 4.3.).

Misohphasen

41

Linie dadurch, daß auch die extensiven Größen in solchen Systemen nicht mehr additiv sind. Beim Auflösen eines festen Stoffes in einer Flüssigkeit beobachtet man vielfach praktisch keine Volumenzunahme. Bei einer Vielzahl von flüssigen Mischphasen kann man sogar feststellen, daß das Volumen der Mischung kleiner ist als das des reinen Lösungsmittels. Für solche Mischungen wird natürlich der Begriff des molaren Volumens der Komponenten sinnlos, da u. U. sogar negative Werte auftreten und die experimentelle Prüfung außerdem starke Abhängigkeiten von der Zusammensetzung ergibt. Eine genaue Bestimmung der molaren Volumina wie auch aller übrigen molaren Größen läßt sich in realen Mischphasen grundsätzlich nicht durchführen. Es erweist sich aber als zweckmäßig und fruchtbar, bestimmte Größen einzuführen, die den Anteil der einzelnen Komponenten des Mischsystems an der jeweiligen Gesamteigenschaft ausdrücken. Diese partiellen molaren Größen sind für die gesamte Thermodynamik der Mischphasen die wichtigsten Größen und werden wie folgt definiert: Die partielle molare Größe (irgendeiner extensiven Eigenschaft) einer Komponente A in einer Mischphase ist gleich der isobar-isothermen Änderung der Gesamtgröße dieser Phase bei Zusatz von 1 mol der Komponente A zu einer so großen Menge der Mischung, daß sich dabei die Molenbrüche aller Komponenten praktisch nicht ändern. Bezeichnet man irgendeine beliebige Extensitätsgröße des Systems mit X, so wird diese Definition ausgedrückt durch (41)

Beispiel: Das partielle molare Volumen F A der Komponente A in einer Mischphase ist gleich der isobar-iso-

4 2

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

thermen Änderung des Gesamtvolumens F der Mischphase, wenn man zu einer so großen Menge der Mischung 1 mol des Stoffes A setzt, daß sich die Molenbrüche aller Komponenten praktisch nicht ändern:

I1)

OnKjPiT,nB..n,

=

FA-

Es sei nachdrücklich darauf hingewiesen, daß die partiellen molaren Größen auf Grund ihrer Definition mit den tatsächlichen Größen der Komponenten in der Mischphase nur insofern zu t u n haben, als sie rein formale Rechengrößen sind, die nach einer geeigneten Definition die Anteile der einzelnen Komponenten an der Gesamteigenschaft des Mischsystems zum Ausdruck bringen. Die Zweckmäßigkeit solcher partiellen molaren Größen wird sofort augenscheinlich, wenn man sich überlegt, daß mit diesen Größen eine additive Beschreibung der Eigenschaften beliebiger Systeme möglich wird. Beispielweise setzt sich das Gesamtvolumen einer realen Mischung zwar nicht mehr additiv aus den Stoffmengen und den molaren Volumina der Komponenten zusammen, wohl aber aus den Stoffmengen und den partiellen molaren Volumina der einzelnen Komponenten: V = nA- Vk +nB-

F

B

+

•••

+

»,

• F ^

(42)

Die wichtigsten Methoden zur Bestimmung partieller molarer Größen binärer Mischungen sollen am Beispiel' des Volumens kurz dargelegt werden1): 1. Man trägt das experimentell bestimmte Volumen der Mischung über der Stoffmenge des gelösten Stoffes nB auf (Abb. 7). Der Richtungsfaktor der Tangente stellt das gesuchte F b dar, tana = (8Vj8n B ) p , T ,n A = VB. ») Näheres über diese sowie die anderen Bestimmungsmethoden siehe z. B.: GLASSTONE, S., „Thermodynamics for Chemists", Van Norstrand, Toronto— New Y o r k - L o n d o n 1954 (7. Aufl.).

43

Mischphasen

2. Man trägt das durch die Stoffmenge des gelösten Stoffes dividierte Volumen der Mischung über dem Quotienten nA/?iB auf (Abb. 8). Nach VI»b = (»A/»B) - V

a

+V

b

44

Stoffliche Zustände. Thermische Zustandsgieichung

ergibt sich der gesuchte Wert aus dem Schnittpunkt der Tangente mit der Ordinate bzw. aus dem Anstieg. 3. Man trägt das mittlere molare Volumen der Mischung

Vm = 7/(» a + »B) über dem Molenbruch auf und erhält unmittelbar aus den beiden Ordinatenabschnitten der entsprechenden Tangente die partiellen molaren Volumina der beiden Komponenten (Abb. 9).

Es kann nun auch die thermische Zustandsgieichung für beliebige Mischphasen formuliert werden, wobei gegenüber Gl. (2) die Stoffmengen der Komponenten als zusätzliche Zustandsvariable auftreten:

*-(gL»+(aL +

dnA + -

(43a)

oder *

+

+

Für isobare und isotherme Prozesse wird dV = F A • dnA + F B • dnB + ••• + Vi • dn¡.

(44)

Wenn man Gl. (42) nach allen Veränderlichen differenziert, erhält man dV = F A • dnA + nA • dVA

+ ••• + Vi • dnJ -F- n\ • dV¡.

Ein Vergleich dieser Gleichung mit Gl. (44) ergibt die wichtige Beziehung nA • dVk

+

nB • dVB + ••• + »i • dVj = 0

(45)

45

Mischphasen

oder mit der symbolischen Größe X für irgendeine beliebige extensive Größe eines Mischsystems ¿¡wi • dXi = nk • dX^ + wB • dX% + • • • +

• dXt = 0. (46)

' Für ein binäres System gilt demnach wA • dXA = —nB • dXB.

(47)

I n einem System aus zwei Komponenten ist also die Änderung der partiellen molaren Größe der einen Komponente multipliziert mit ihrer Stoffmenge entgegengesetzt gleich der Änderung derselben partiellen molaren Größe der zweiten Komponente multipliziert mit deren Stoffmenge. Beziehungen der Art von Gl. (46) bezeichnet man als GiBBS-DuHEMscfee Gleichungen. 2.

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

2.1.

Energien. Arbeit und Wärme

Nachdem bisher ausschließlich thermische Zustände stofflicher Systeme und die zu ihrer Beschreibung dienenden Zustandsgrößen betrachtet wurden, soll im folgenden die Fragestellung nach den Energieänderungen bei entsprechenden Zustandsänderungen solcher Systeme untersucht werden. Aus der Erfahrung ist ja bekannt, daß bei allen Arten von Veränderungen stofflicher Systeme immer auch Energieänderungen auftreten. Dies trifft z. B. auf die Kompression oder die Expansion von Gasen ebenso zu wie auf Phasenumwandlungen (Aggregatzustands- oder Modifikationsänderungen) beliebiger Stoffe, auf die Bildung von Mischphasen, auf stoffliche Veränderungen an Phasengrenzen wie schließlich auch auf alle chemischen Reaktionen. Wie unterschiedlich auch die jeweiligen stoff-

45

Mischphasen

oder mit der symbolischen Größe X für irgendeine beliebige extensive Größe eines Mischsystems ¿¡wi • dXi = nk • dX^ + wB • dX% + • • • +

• dXt = 0. (46)

' Für ein binäres System gilt demnach wA • dXA = —nB • dXB.

(47)

I n einem System aus zwei Komponenten ist also die Änderung der partiellen molaren Größe der einen Komponente multipliziert mit ihrer Stoffmenge entgegengesetzt gleich der Änderung derselben partiellen molaren Größe der zweiten Komponente multipliziert mit deren Stoffmenge. Beziehungen der Art von Gl. (46) bezeichnet man als GiBBS-DuHEMscfee Gleichungen. 2.

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

2.1.

Energien. Arbeit und Wärme

Nachdem bisher ausschließlich thermische Zustände stofflicher Systeme und die zu ihrer Beschreibung dienenden Zustandsgrößen betrachtet wurden, soll im folgenden die Fragestellung nach den Energieänderungen bei entsprechenden Zustandsänderungen solcher Systeme untersucht werden. Aus der Erfahrung ist ja bekannt, daß bei allen Arten von Veränderungen stofflicher Systeme immer auch Energieänderungen auftreten. Dies trifft z. B. auf die Kompression oder die Expansion von Gasen ebenso zu wie auf Phasenumwandlungen (Aggregatzustands- oder Modifikationsänderungen) beliebiger Stoffe, auf die Bildung von Mischphasen, auf stoffliche Veränderungen an Phasengrenzen wie schließlich auch auf alle chemischen Reaktionen. Wie unterschiedlich auch die jeweiligen stoff-

46

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

liehen Veränderungen im einzelnen sein mögen, für die mit ihnen verbundenen Energieänderungen gelten die gleichen grundlegenden Naturgesetzmäßigkeiten. Dies gestattet eine einheitliche und allgemeingültige Beschreibung des energetischen Geschehens bei allen Arten stofflicher Veränderungen und Umwandlungen. Als Energie bezeichnet man allgemein die Fähigkeit eines Körpers oder eines Systems, eine Arbeit zu leisten, wobei letztere als Produkt aus Kraft und Wegstrecke, auf der diese Kraft wirkt, definiert ist. Im Gebiet der Mechanik unterscheidet man bekanntlich zwischen der kinetischen und der potentiellen Energie, für die das Oesetz von der Erhaltung der mechanischen Energie gilt: In einem abgeschlossenen System ist die Summe aus kinetischer und potentieller Energie konstant. Die wichtigste Art der Arbeit, die bei Zustandsänderungen stofflicher Systeme auftreten kann, ist die bei einer Expansion vom System gegen den Druck der Umgebung zu leistende bzw. bei einer Kompression gegen den Druck des Systems von außen aufzuwendende und vom System aufzunehmende Volumenarbeit dWVol = - p • dV.

(48)

In dem Minuszeichen vor dem Produkt aus Druck und Volumenänderung drückt sich die seit längerem in der chemischen Thermodynamik international eingebürgerte generelle Vorzeichenfestsetzung aus. Danach wird jede einem System zugeführte Energie mit einem positiven, jede vom System abgegebene Energie dagegen mit einem negativen Vorzeichen Versehen. Beispielsweise werden also Reaktionswärmen exothermer Reaktionen negativ, endothermer Reaktionen positiv gerechnet. Bei einer Kompression (dV < 0) ist die Volumenarbeit positiv, bei einer Expansion (dV > 0) erhält sie dagegen ein negatives Vorzeichen.

Außer der Volumenarbeit wird von chemischen Systemen manchmal auch elektrische Arbeit mit der Umgebung ausgetauscht, nämlich beim Ablauf chemischer Reaktio-

Energien. Arbeit und Wärme

47

nen in galvanischen Zellen. Schließlich ist in anderen Systemen noch eine Oberflächenarbeit bei Vorgängen unter Veränderung von Phasengrenzflächen von Bedeutung. Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist die für die Thermodynamik wichtigste Energieform die Wärmeenergie. Ebenso wie die Temperatur hat der Begriff Wärme seinen Ursprung in menschlichen Sinnesempfindungen. Die schon sehr früh beobachtete Erscheinung, daß beim Berühren zweier Körper von unterschiedlicher Temperatur ein Temperaturausgleich stattfindet 1 ), wurde bis in das 19. Jahrhundert dahingehend gedeutet, daß jeder Körper eine bestimmte stoffliche Wärmemenge enthält. Diesem „Wärmestoff" schrieb man die Eigenschaft zu, daß er von selbst von einem Körper höherer Temperatur auf einen Körper niedrigerer Temperatur übergeht. Bei einer Verbrennung sollte dieser Wärmestoff gasförmig entweichen. Die ersten Beweise für die Unhaltbarkeit dieser Theorie des stofflichen Charakters der Wärme lieferten bereits Ende des 18. Jahrhunderts A. L . L A V O I S I E R und M. W. LOMONOSSOW mit ihren Versuchen über das Gesetz von der Erhaltung der Masse sowie Graf R U M F O R D mit dem Nachweis, daß Wärme aus mechanischer Energie (durch Reibung) erzeugt werden kann. Trotz der Beweiskraft dieser Ergebnisse dauerte es noch fast ein halbes Jahrhundert, ehe die stoffliche Auffassung der Wärme endgültig verdrängt war. Im Jahre 1842 sprach der Arzt J . R. M A Y E R zum ersten Male die grundlegende Erkenntnis aus, daß die Wärme eine bestimmte Form der Energie ist, Wärme und Arbeit also gleichwertig sind (Satz von der Äquivalenz von Ein solcher Temperaturausgleich geht bis zum thermischen Gleichgewicht. Dieses beinhaltet die Grundlage für die physikalische Definition des Temperaturbegriffes : Befinden sich zwei Körper mit einem dritten im Gleichgewicht, dann stehen sie auch untereinander im Gleichgewicht. Man bezeichnet das fast trivial erscheinende, aber grundsätzlich nicht weiter zu beweisende Naturgesetz, wonach sich zwei Körper dann auf gleicher Temperatur befinden, wenn zwischen ihnen thermisches Gleichgewicht herrscht, als Nullten Hauptsatz der Thermodynamik.

48

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Arbeit und Wärme). Er bestimmte auch aus den Versuchen von GAY-LUSSAC über die spezifische Wärmekapazität von Gasen den Umrechnungsfaktor zwischen Wärme und mechanischer Arbeit, das sog. mechanische Wärmeäquivalent. Genauere Messungen dazu wurden auf anderen Wegen 1 8 4 3 von J . P . JOULE durchgeführt. Zu einem Maß für die Wärmeenergie gelangte man durch Versuche, die zu einer Temperaturerhöhung eines Körpers führen. Die für eine bestimmte Temperaturerhöhung notwendige Wärme hängt von der Masse des betreffenden Körpers sowie von seiner chemischen Zusammensetzung ab. Für einen gegebenen Körper ist aber das Verhältnis von aufgenommener Wärme und Temperaturerhöhung eine charakteristische Materialkonstante, die man als Wärmekapazität C bezeichnet und die eine extensive Größe darstellt. Bei Zufuhr oder Abgabe eines differentiellen Betrages von Wärme gilt also G = dQ/dT.

(49)

Die Wärmekapazität der Masseneinheit eines Stoffes C/m = c (50 a) nennt man spezifische Wärmekapazität1), die der Stoffmengeneinheit Cln = Cm (50b1) seine molare Wärmekapazitäta). Letztere werden bei thermodynamischen Betrachtungen fast ausschließlich verwendet. Wie spater noch ausführlich gezeigt werden wird, hängen die Wärmekapazitäten aller Stoffe stark v o m Druck und von der Temperatur ab. Bei der experimentellen Bestimmung kann man natürlich immer nur endliche Beträge von Wärme zuführen und endliche Temperaturdifferenzen AT messen. Dann erhält man strenggenommen nach _ Q = C • AT (51) auch nur mittlere Wärmekapazitäten Temperaturbereich. a

Bisher spezifische Wärme. ) Bisher Molwärme (bzw. Alomwärme).

C für den betreffenden

49

Energien. Arbeit und Wärme

Aus dem besprochenen Zusammenhang zwischen Wärmezufuhr und Temperaturerhöhung wurde auch eine Einheit für diese spezielle Energieform abgeleitet; sie erhielt die Bezeichnung Kalorie (Symbol cal). Definiert wurde die Kalorie als diejenige Wärme, die notwendig ist, um 1 g Wasser bei Normaldruck von 14,5 auf 15,5 °C zu erwärmen. Aus der Tatsache, daß Wärme nichts anderes als eine spezielle Energieform ist, ergab sich die Möglichkeit, Wärmeenergie in Einheiten aller anderen Energieformen umzurechnen. Die dabei auftretenden Zahlenwerte hingen natürlich von dem jeweilig verwendeten Maßsystem ab, was zu einem Nebeneinander verschiedener Kalorien führte. Auf Grund internationaler Vereinbarungen hatte man daher im Jahre 1948 die elektrische Energie im absoluten Maßsystem als fundamentale Energieeinheit festgelegt. Damit war das (absolute) Joule auch die Einheit der Wärmeenergie. Die in der chemischen Thermodynamik seitdem ausschließlich benutzte thermochemische Kalorie war definiert durch die Beziehung 1 cal = 4,1840 Joule. Nach dem Internationalen Einheitensystem ist als Einheit der Arbeit und damit der Energie in allen Formen das Joule (Symbol J) festgelegt. Zur Umrechnung älterer Energieeinheiten sind folgende Faktoren zu verwenden: 1 cal = 1 erg = 1 L • atm = lkpm = 1 kWh =

4,1868 J 1 ) 10-' J 101,325 J 9,806 65 J 3,6 • 106 J.

') Den Zahlenwerten von energetischen Stoffeigenschaften liegt in zahlreichen Monographien und vor allem Tabellenwerken aus den 60er und 70er Jahren (s. z. B. im Anhang 2) der angeführte Wert der thermochemischen Kalorie zugrunde. Wenn auch der Unterschied zu der aus dem Internationalen Einheitensystem folgenden Kalorie nur rund 0,07% beträgt, ist doch stets eine Vergewisserung angebracht, welche der beiden Kalorien verwendet wurde. 4

Wagner

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

50

2.2.

Innere Energie und Enthalpie als

Zustandsfunktionen

2.2.1. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie Der erste Hauptsatz der Thermodynamik ist identisch mit dem bereits erwähnten Gesetz von der Erhaltung der Energie in seiner erweiterten Form, das man auf verschiedene Weise formulieren kann. Als eine dieser Formulierungen kann man bereits den von J . R . MAYER ausgesprochenen und von J . P . JOTJLE experimentell bestätigten Satz von der Äquivalenz von Arbeit und Wärme ansehen. Damit besagt also der I. Hauptsatz, daß Wärme wie jede andere Energie von Körpern oder Systemen mit der Umgebung ausgetauscht werden kann. Darüber hinaus beinhaltet er aber auch die Aussage, daß alle Energien ineinander umgewandelt werden können, und besonders, daß alle Energien in Wärme verwandelt werden können. Eine umfassende Formulierung stammt von H. v. HELMHOLTZ ( 1 8 4 7 ) :

I n einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Energien konstant. Diese Formulierung schließt auch den Satz von der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobiles (erster Art) ein: Es gibt keine Maschine, die dauernd Arbeit verrichtet, ohne daß ein äquivalenter Betrag einer anderen Energie verschwindet. Das Gesetz von der Erhaltung der Energie als eines der fundamentalen Naturgesetze erscheint heute fast als selbstverständlich. Die große wissenschaftliche Leistung der Naturforscher, die es um die Mitte des 19. Jahrhunderts in seiner Allgemeingültigkeit erkannt und formuliert haben — J. R. MAYER, J. P. JOULE und H. v. HELMHOLTZ — ist jedoch um so höher zu werten, als es ein Erfahrungsgesetz ist, das nicht aus anderen Gesetzmäßigkeiten abzuleiten oder zu beweisen ist. Trotzdem besteht kein Zweifel an der umfassenden Gültigkeit des Energiegesetzes, da trotz zahlreicher Bemühungen und Versuche kein

Innere Energie und Enthalpie

51

Naturvorgang oder kein Experiment gefunden werden konnte, das ihm widerspricht.

Die ÜELMHOLTZSche Formulierung des I. Hauptsatzes legt nahe, jedem System einen bestimmten Energievorrat zuzuschreiben, den man als innere Energie U bezeichnet. Dann erhält man die mathematischen Formulierungen AU = 0; U = konst. (52) Die innere Energie setzt sich im wesentlichen zusammen aus der Kernenergie (die jedoch bei „normalen" Stoffumwandlungsvorgängen unverändert und deshalb in der chemischen Thermodynamik unberücksichtigt bleibt), den Energien der chemischen Bindungen und zwischenmolekularen Wechselwirkungen zwischen den Atomen und Molekülen sowie den thermischen Energien der Teilchenbewegungen. Veränderungen dieser Energien beim Ablauf von Zustandsänderungen, also z. B. bei Änderungen des thermischen Zustandes, bei Phasenumwandlungen oder bei chemischen Reaktionen, sind Veränderungen der inneren Energie des Systems und äußern sich in einem Austausch von Arbeit und Wärme mit der Umgebung. Es gilt daher allgemein für geschlossene Systeme AU = W +Q.

(53)

Différentielle Änderungen werden beschrieben durch dü = dW + dQ.

(54)

Auch diese beiden Gleichungen stellen gebräuchliche Formulierungen des I. Hauptsatzes dar : Die Änderung der inneren Energie eines Systems ist gleich der Summe der mit der Umgebung ausgetauschten Arbeit und Wärme. Eine Zufuhr Von Arbeit und Wärme hat natürlich zur Folge, daß das System von dem ursprünglichen Zustand (z. B. gekennzeichnet durch die thermischen Zustandsgrößen Vv Pi und 4*

52

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Tj) in einen anderen Zustand ( V 2 , p2, T2) übergeht. Die damit verbundene Änderung der inneren Energie wird beschrieben durch AU' = W + Q'. Nun soll das System auf; einem anderen Wege wieder in den Anfangszustand zurückkehren. Hierfür muß gelten: —AU" = —W" — Q". Nach dem I. Hauptsatz müssen die Beträge beider Änderungen der inneren Energie gleich sein AU' = ] —A U"\; denn sonst könnte man ja bei einem solchen Kreisprozeß dauernd Energie aus dem Nichts gewinnen.

Aus dem I. Hauptsatz folgt also unmittelbar: Die Änderung der inneren unabhängig von dem Weg, wird. Die innere Energie durch die dem jeweiligen Zustandsgrößen.

Energie eines Systems ist auf dem sie herbeigeführt wird eindeutig bestimmt Zustand entsprechenden

Nach Abschn. 1.1. heißt das aber, daß auch die innere Energie eine Zustandsfunktion ist1). Sie kann daher als Funktion der Zustandsvariablen dargestellt werden. Betrachtet man eine bestimmte Stoffmenge eines reinen Stoffes, so genügen zwei der Zustandsvariablen V, p und T, um den Zustand,eindeutig festzulegen; die dritte Variable ist durch die thermische Zustandsgieichung gegeben. Zweckmäßigerweise benutzt man für die Zustandsfunktion der inneren Energie die Variablen V und T, womit man die allgemeine Beziehung U — f(V, T)

(55)

erhält. Entsprechend Gl. (1) und (2) kann man die innere Energie eines reinen Stoffes auch durch das totale Differential

darstellen. Beide Beziehungen stellen die allgemeinste •) W und Q sind dagegen keine Zustandsfunktionen, sie sind abhängig vom Weg: W groß — Q klein oder umgekehrt. Unabhängig vom Weg ist lediglich die Summe beider Energien = ä U.

Innere Energie und Enthalpie

53

Horm der kalorischen Zustandsgieichung dar, die vollständig auf dem I. Hauptsatz beruht und damit als eine weitere Formulierung dieses Gesetzes angesehen werden kann. Für Mischphasen erweitert sich die kalorische Zustandsgieichung analog der thermischen Zustandsgieichung (43 a) zu ü = irT

f(V,T,nA,nB,...ni),

/8Ü\

1TT

+

/dü\

+

(57)

2.2.2. Innere Energie und Enthalpie Der in ihrer Bedeutung schon besprochenen inneren Energie wird aus Gründen der Zweckmäßigkeit eine weitere, ebenfalls aus dem Gesetz von der Erhaltung der Energie abzuleitende Zustandsfunktion zur Seite gestellt, die nach J . W. G I B B S durch H=

ü + p •V

(58)

definiert ist und die Bezeichnung Enthalpie trägt. Die praktische Bedeutung dieser neuen Größe liegt darin, daß sehr viele Vorgänge bei konstantem Druck verlaufen, deren Behandlung durch die Einführung der Enthalpie vereinfacht wird. Differentiation von Gl. (58) liefert dH = dü + pdV + Vdp.

(58a)

Hieraus folgt für isobare Prozesse [dp = 0), bei denen als äußere Arbeitsleistung nur eine Volumenarbeit auftreten kann, dH = dü + pdV. (59)

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

54

Die Änderung der Enthalpie ist also die Summe aus der Änderung der inneren Energie und der Volumenarbeit. Aus der Definitionsgleichung (58), in der neben den Zustandsgrößen p und V nur die Zustandsfunktion U enthalten ist, folgt, daß auch die Enthalpie eine Zustandsfunktion ist. Zur Darstellung ihrer Abhängigkeit von den Zustandsvariablen verwendet man zweckmäßigerweise die Größen p und T, so daß man für die kalorische Zustandsgleichung in ihrer Darstellung durch die Enthalpie erhält: H , „

=

f ( p , T , n

(8H\

+

A

, n

B

, . . . n

,

) ,

(60)

- .

(61)

i

(8H\

(!?")

dnA

+

Analog der thermischen Zustandsgieichung haben auch in der kalorischen Zustandsgieichung die partiellen Differentialquotienten eine bestimmte Bedeutung. Zur Überführung dieser Gleichungen in eine praktisch verwertbare Form müssen also die Koeffizienten ermittelt werden. Im folgenden sollen dabei zunächst nur konstante Stoffmengen reiner homogener Stoffe betrachtet werden. Die beiden Formen lauten dann:

dU

=

ß ) Vt V/T.n

"

+

(\

ff)

dT

(62)

und (63) Über die Temperaturkoeffizienten der inneren Energie bzw. der Enthalpie lassen sich folgende Aussagen machen: Nach dem I. Hauptsatz in der Formulierung (54) führt

Innere Energie und Enthalpie

55

jede einem Körper zugeführte Wärme teilweise zu einer Steigerung der inneren Energie, der andere Teil wird in vom Stoff geleistete Arbeit umgewandelt: dQ = dU — dW. Als Arbeit kommt bei reinen Stoffen nur Volumenarbeit in Frage. Wird das Volumen V eines Stoffes bei dem Druck p um dV verändert, so ist die damit verbundene Volumenarbeit gegeben durch p • dV. Wärmezufuhr wird stets zu einer Volumenzunahme führen. Nach unserer Vorzeichendefinition leistet der Stoff also die Arbeit — dWWoi = p • dV. Eingesetzt: dQ = dü+p-dV.

(64)

Hält man nun bei dieser Wärmezufuhr das Volumen konstant, folgt hieraus (dQ)r = dl7. (65) Jede bei konstantem Volumen zugeführte Wärme führt also zu einer Steigerung der inneren Energie. Mit Gl. (49) erhält man dann

SL-SL-»-

«

Der Temperaturkoeffizient der inneren Energie ist also gleich der Wärmekapazität bei konstantem Volumen. Die molare Wärmekapazität bei konstantem Volumen (Cm)v ist gleich dem Temperaturkoeffizienten der molaren inneren Energie ( d ü J d T ) v . Wie man leicht nachprüfen kann, erhält man für isobare Vorgänge (dQ)p = dH.

(67)

Jede bei konstantem Druck zugeführte Wärme führt

56

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

demnach zu einer Steigerung der Enthalpie. Daraus wird

Der Temperaturkoeffizient der Enthalpie ist gleich der WärmekapazitätbeikonstantemDruck.Uiemolare Wärmekapazität bei konstantem Druck (C m ) p ist gleich dem Temperaturkoeffizienten der molaren Enthalpie ( d H m / d T ) p . Die Beziehungen (66) und (68) bieten die Möglichkeit, relative Werte der inneren Energie und der Enthalpie zu bestimmen. Durch Integration erhält man T

ÜT = U0 + / Cr dT 0

(69a)

und T

HT = H0 + / C p

o

dT.

(69b)

Die Integrationskonstanten U0 und Ha sind thermodynamisch nicht zugänglich. Das ist jedoch für die praktische Ermittlung von inneren Energien oder Enthalpien aus dem entsprechenden Verlauf der Wärmekapazitäten ohne Bedeutung, da die Thermodynamik, wie bereits ausgeführt, nur mit Zustandsänderungen und den damit verbundenen Energie- bzw. Enthalpieänderungen rechnet, also die Absolutwerte der kalorischen Zustandsfunktionen nicht interessieren. Es sei noch darauf hingewiesen, daß die Ausdrücke dQ/dT in den Beziehungen (66) und (68) keine Differentialquotienten eines vollständigen Differentials sind, da Q keine Zustandsfunktion ist.

Für den Volumenkoeffizienten der inneren Energie bzw. den Druckkoeffizienten der Enthalpie lassen sich allein aus dem I. Hauptsatz nicht ohne weiteres einfache physikalische Deutungen finden. Im Prinzip ist zwar eine experimentelle Bestimmung möglich, die Meßverfahren sind jedoch recht schwierig und liefern daher nur ungenaue Werte. Immerhin konnte bereits J . L . GAY-LUSSAC zeigen, daß für den idealen Gaszustand die innere Energie

57

Innere Energie und Enthalpie

unabhängig vom Volumen, ( d U / d V ) T i „ also Null ist. Man bezeichnet diese Feststellung auch als zweites GAYLUSSACSCACS Gesetz. Aus dem II. Hauptsatz lassen sich aber für beide Koeffizienten Beziehungen gewinnen, nach denen eine Bestimmung aus- rein thermischen und daher leicht zugänglichen Größen möglich ist. Sie lauten: (düldV)Tin

=

T(dpldT)v,n-p

(70)

und (8Hldp)Tin = V -

T(8V/8T).

(71)

Hiermit lassen sich also beide noch unbekannten Koeffizienten der kalorischen Zustandsgieichungen (62) und (63) berechnen, wenn man die thermische Zustandsgieichung für den betreffenden Stoff kennt. Bei idealen Gasen erhält man beispielsweise

(8pldT)v,n = nR/V = p/T,

(87/82%., = nRjp = V/T.

Nach Einsetzen in Gl. (70) bzw. (71) folgt

(8UI8V)Tin = 0,

(8Hldp)T,n = 0.

Für ideale Gase ist also der Yolumenkoeffizient der inneren Energie bzw. der Druekkoeffizient der Enthalpie Null. Die innere Energie bzw. Enthalpie konstanter Stoffmengen idealer Gase hängt nur von der Temperatur ab.

2.2.3. Der Zusammenhang zwischen den Cp und Cv

Wärmekapazitäten

Ausgehend von der einfachsten Form der kalorischen Zustandsgieichung homogener Einstoffsysteme (64) erhält man nach Einsetzen von Gl. (62) und (66) unter Umformung : (72)

58

Der erste Hauptsatz der Thermodynamik

Division durch dT liefert, wenn dQ bei konstantem Druck zugeführt wird, unter Berücksichtigung der Beziehung (68) die allgemeingültige Gleichung Gp — Cy —

\(ÖÜ\ \OV

¡T.n

1m /STA

/p,n

.

(73)

Man kann leicht nachprüfen, daß eine analoge Beziehung aus Gl. (58a) folgt, wenn man unter Division durch dT das Volumen konstant hält: Cp — Cy —

-ffljfrb

Setzt man in diese Gleichungen die im vorhergehenden Abschnitt angeführten Beziehungen für (dU/dV) bzw. (dH/dp) ein, ergibt sich

Man kann noch weiter umformen, indem man die Beziehungen für die thermischen Ausdehnungs- und Spannungskoeffizienten sowie Gl. (11) einsetzt, und erhält dann Cv-Cv

= «02 • F„ • T/x0.

(76)

Diese Gleichung ist besonders für Flüssigkeiten und feste Stoffe von Bedeutung, weil man bei diesen experimentell nur Cp ohne größere Schwierigkeiten bestimmen kann. Bei^bekanntem

Gleichung (118) drückt bereits das charakteristische Merkmal dieses irreversiblen Vorganges aus: Die Summe der reduzierten Wärmen ist nicht Null und bis zum Temperaturausgleich grundsätzlich positiv. Im Zustand des thermischen Gleichgewichtes (T2 = 2\ = T) genügt ein differentieller Temperaturunterschied, um Wärme sowohl in die eine wie auch in die andere Richtung übergehen zu lassen. In diesem Zustand verläuft der Wärmeübergang dann reversibel und man kann für das Gesamtsystem schreiben

/

=

(119)

wobei der Index ,,rev" darauf hinweisen soll, daß die différentielle Wärme unter reversiblen Bedingungen, d. h. unter fortwährendem Gleichgewicht ausgetauscht wird (vgl. Abschn. 3.1.). R. CLAUSIUS hat als erster die Erkenntnis ausgesprochen, daß Gl. (119) ganz allgemein Gleichgewichtszustände in isolierten Systemen kennzeichnet. Für den Quotienten QI&V/T führt er eine neue Größe S, die Entropie ein, für die also die Beziehung (119) gleichzeitig die Definitionsgleichung ist : ^

= dS.

(120)

Mit dieser neuen Größe läßt sich der schon im Abschn. 1.1. eingeführte Begriff des thermischen Gleichgewichtes für ein isoliertes System exakt formulieren: . Ein System, das mit seiner Umgebung weder im Wärmenoch im sonstigen Energieaustausch steht, befindet 7*

100

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

sich dann im Gleichgewicht, wenn die Änderung seiner Entropie gleich Null ist: dS = 0 .

(121)

Laufen in einem isolierten System reversible Vorgänge ab, so bleibt es immer im Gleichgewicht, die Gesamtentropie bleibt demnach konstant; lediglich die Entropien der Bestandteile des Systems haben sich nach Ablauf des reversiblen Vorganges geändert. Bei irreversiblen Vorgängen, also allen Naturvorgängen, wächst dagegen die Gesamtentropie des Systems stets an, bis im Gleichgewichtszustand ein Maximalwert erreicht ist. Solche Prozesse sind also bestimmt durch die Ungleichung (122) dS> 0. Wie später noch gezeigt wird, ist die Änderung der Entropie während eines Vorganges nur vom Anfangsund Endzustand eines Systems abhängig, jedoch nicht vom Weg, auf dem dieser Endzustand erreicht wird. Wie die innere Energie und die Enthalpie ist daher die Entropie eine Zustandsgröße. Mit der Einführung der Entropie als Kennzeichen für die Irreversibilität eines Vorganges bzw. als Indikator für die Richtung eines Vorganges gelangt man zu der allgemeinsten und umfassendsten Formulierung des II. Hauptsatzes der Thermodynamik (R. CLAUSIUS): In einem isolierten System verlaufen alle Vorgänge stets so, daß die Entropie des Systems entweder anwächst (irreversibler Prozeß) oder konstant bleibt (reversibler Prozeß): dS>0.

(123)

Der jeweilige Betrag von dS bzw. AS, also der Änderung der Entropie beim Ablauf eines Vorganges, kann als

101

Die Entropie

direktes Maß für die Triebkraft des Vorganges angesehen werden: Je größer der Entropiezuwachs ist, um so größer ist auch das Bestreben des Systems, in den Endzustand überzugehen. 3.2.2. Statistische Deutung der

Entropie

Man kann sich, den zunächst unanschaulichen Begriff der Entropie veranschaulichen, wenn man nach L. Boltzmann auf der Grundlage der Molekularstatistik diese Größe als ein Maß für den Ordnungszustand eines Systems auffaßt. Der Zustand maximaler Stabilität, dem jedes isolierte System — durch irreversible Vorgänge in ihm — zustrebt, ist gleichbedeutend mit dem Zustand größter Wahrscheinlichkeit. Im statistischen Sinne bedeutet aber größte Wahrscheinlichkeit den höchstmöglichen Grad an Unordnung. Ein anschauliches Beispiel bietet die Diffusion zweier reiner Gase ineinander. Dieser Vorgang geht „von selbst" vor sich, ist also ein irreversibler Prozeß, in dessen Verlauf die ursprüngliche Trennung beider Gase in eine völlig regellose Verteilung über den gesamten, zur Verfügung stehenden Raum übergeht. Der Endzustand entspricht dem Zustand größter Unordnung, also auch größter Wahrscheinlichkeit. Gleichzeitig nimmt die Entropie des Systems bis zu einem Maximalwert zu. Charakteristikum aller irreversiblen Vorgänge ist also der Übergang des Gesamtsystems von einem unwahrscheinlicheren in einen wahrscheinlicheren, d. h. aus einen geordneteren in einen ungeordneteren Zustand. Dabei erfolgt die Zunahme.der Unordnung stets durch Umwandlung von Arbeit in Wärme. Damit kann man also auch sagen, daß die Entropie eines Systems um so größer ist, je geringer der Ordnungszustand ist. Als quantitativen Ausdruck für den Ordnungszustand hat L. Boltzmann die Anzahl der Realisierungsmöglichkeiten des betreffenden Zustandes verwendet, die mit zunehmender Ordnung geringer wird. Man bezeichnet diese Zahl als thermodynamische Wahrscheinlichkeit Wt^. Ihr Wert ist im Unterschied zu der mathematischen Wahrscheinlichkeit stets gleich oder größer als eins. Für die Beziehung zwischen Entropie und thermodynamischer Wahrscheinlichkeit gilt die BoLTZMANNsche Gleichung S = k • In Wth.

(124)

102

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

Es soll noch einmal darauf hingewiesen sein, daß sich die eben angedeuteten Zusammenhänge zwischen Entropie und Ordnungszustand natürlich stets auf das jeweils betrachtete Gesamtsystem beziehen. Auch beim Ablauf spontaner Vorgänge kann wohl die Entropie eines Teilsystems abnehmen, der Ordnungsgrad also größer werden (Beispiel: Kristallisation einer unterkühlten Schmelze); die Entropie des Gesamtsystems (im Beispiel: erstarrte Schmelze + Umgebung) wird jedoch stets zunehmen.

3.2.3. Die Entropie als Zustandsfunktion Wenn die Entropie eine Zustandsfunktion ist, muß gelten S = f(p, T, nA, nB, ... ni),

na

+ (tT-)

dnA + - .

(125)

Die Bedeutung der einzelnen Koeffizienten wird im Laufe der folgenden Ableitungen geklärt. Den Zusammenhang mit den kalorischen Zustandsfunktionen erhält man, wenn man für dQ nach dem I. Hauptsatz dU — dW setzt. Für reine Stoffe ergibt sich damit durch Kombination mit Gl. (120) für isochore Vorgänge für isobare Vorgänge {dS)v = dU/T,

(dS)p = dH/T.

(126a, b)

Hieraus folgt für nicht isotherme Vorgänge: dS/dT = CVIT

dS/dT = Cp/T

dS = Gvd\n T T

ST = S0+

J Cydln T 0

dS = Cpd\n T T

ST = S0 + / Cpdln T. (127a, b) 0

103

Die Entropie

Zur Ermittlung von Entropien muß man also lediglich die Wärmekapazitäten — und gegebenenfalls deren Temperaturfunktion — im Temperaturbereich von 0 bis T K kennen. Ein Vergleich der Beziehungen (127) mit den Ausdrücken (69) zeigt eine formale Ähnlichkeit. Während aber sowohl die innere Energie als auch die Enthalpie am absoluten Nullpunkt thermodynamisch nicht zugänglich sind und nur Differenzen der inneren Energie und der Enthalpien zweier Zustände angegeben werden können, lassen sich auf der Grundlage des III. Hauptsatzes der Thermodynamik (vgl. Abschn. 3.4.) über die Entropie am absoluten Nullpunkt bestimmte Aussagen machen. Damit lassen sich Absolutentropien bei allen Temperaturen ermitteln. Für praktische Berechnungen hat man zu berücksichtigen, daß die Gin. (127) nur für den Fall gelten, daß zwischen 0 und T keine Phasenumwandlungen auftreten. Anderenfalls müssen die betreffenden Phasenumwandlungsentropien ¿ph S = AphH/Tph

(128)

berücksichtigt, d. h. zu der beispielsweise nach Gl. (127b) berechneten Entropie addiert werden. Zlphff bedeutet die bei der Umwandlungstemperatur Tvh auftretende Schmelz-, Verdampfungs-, Sublimations- oder andere Umwandlungsenthalpie.

Wie man mit Hilfe der im folgenden Abschnitt angeführten Beziehungen nachprüfen kann, erhält man aus Gl. (125) unter Anwendung des I. Hauptsatzes für die Temperatur- und Volumen- bzw. Druckabhängigkeit der Entropie reiner Stoffe folgende allgemeine Beziehungen: dS

- Cvd\n

T + (BpldT)Vi„

dV

(129a)

dS = Cp A (vgl. a, Gl. (115)). Dafür ergibt sich bei konstantem Druck und konstanter Temperatur ^mix^A = —-ß • I n ^ A ,

und für die Mischungsentropie damit

AmlxS = —-ß •

- In»!.

(132)

Diese Gleichung gilt auch für ideale flüssige und feste Mischungen. Bei realen Gasen und sämtlichen nichtidea-

Die Entropie

105

len kondensierten Mischungen tritt zu der durch die Volumenzunahme für jede Komponente hervorgerufenen Entropieänderung noch ein zusätzlicher Anteil, der auf die Änderung der zwischenmolekularen Kräfte zurückgeht. i 3.2.4. Die thermodynamische

Zustandsgieichung

Nach dem I. Hauptsatz gilt dW + dQ = dl7. Für einen isothermen und reversiblen Prozeß mit einer konstanten Stoffmenge eines reinen Stoffes (dW = —pdV) ist eine Kombination mit dem I I . Hauptsatz möglich (dQ = TdS): -pdV

+ TdS =

p = T(dS/8V)T

dU,

(düldV)T.

-

(133)

Differentiation nach T bei konstantem Volumen ergibt (,dp/8T)v = T{82S/8V8T)TiV

+

(dS/dV)T,v (134)

-(82U/DV8T)TIV.

Außerdem gilt (dQ/dT)r = Cv; dS = dQ/T; = GVIT. Mit Cv = (dü/dT)v erhält man also (8S/8T)V =

(8S/8T)r

i/T[(8U/8T)v].

Differentiation nach V bei konstanter Temperatur liefert dann eine Beziehung, die nach Einsetzen in Gl. (134) unter Berücksichtigung des ScHWARZschen Satzes schließlich (8pl8T)v = (8S/8 V)T ergibt. Damit geht Gl. (133) in die sog. Züstandsgleichung

thermodynamische

(135)

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

106

über, die als strenge Folgerung aus dem I. und dem II. Hauptsatz der Thermodynamik allgemeingültig ist. Zu Gl. (135) gelangt man auch noch auf einem anderen Wege, indem man von Gl. (62) ausgehend durch Kombination mit dem II. Hauptsatz die bereits verwendete Beziehung für die Abhängigkeit der inneren Energie vom Volumen ableitet. Wie ein Blick auf Gl. (70) zeigt, ist diese mit der thermodynamischen Zustandsgleichung identisch. 3.2.5. Umwandlung

von Wärme in Arbeit

Der II. Hauptsatz der Thermodynamik liefert auch eine Antwort auf die besonders für die technische Thermodynamik bedeutsame Frage, welche Arbeit man maximal gewinnen kann, wenn Wärme von einem Reservoir der Temperatur T1 auf ein zweites Reservoir der niedrigeren Temperatur T 2 übergeht. Man -rf^max

= dQ(T, -

RJ/GY

(136)

Da der Quotient der Temperaturen stets kleiner als 1 ist (solange T2 nicht der absolute Nullpunkt ist) kann beim Übergang einer Wärme dQ von einem wärmeren auf einen kälteren Behälter unter reversibler Prozeßführung immer nur der Bruchteil dQ(T1 — T1)/T1 in Arbeit umgewandelt werden. Bei jedem irreversiblen Prozeß ist dieser Bruchteil der in Arbeit umgewandelten Wärme noch geringer. Wie man leicht einsieht, besteht die Bedeutung von Gl. (136) für die technische Thermodynamik darin, daß Wärme nie restlos in nutzbare Arbeit verwandelt werden kann, wobei noch hinzukommt, daß sich in der Praxis streng reversible Prozesse nie verwirklichen lassen, die nutzbare Arbeit also noch geringer wird. Die zu gewinnende Arbeit ist um so größer, je größer die Temperaturdifferenz ist und je höher die Anfangstemperatur liegt. Den Quotienten der Temperaturen bezeichnet man als thermischen Wirkungsgrad des betreffenden Vorganges. Die Beziehung (136) wurde schon vor der Formulierung des II. Hauptsatzes von S. CARNOT (1824) aus einem Kreisprozeß1) aus adiabatischen und isothermen Kompressionen und Dilata') Unter einem Kreisprozeß versteht man einen Vorgang, bei dem das betreffende System nach Durchlaufen verschiedener Zwischenzustände wieder in den Ausgangszustand zurückkehrt.

Freie Energie und freie Enthalpie

107

tionen eines idealen Gases abgeleitet. Dieser sog. CarnotscAc Kreisprozeß stellt aber keineswegs einen Beweis für den II. Hauptsatz dar, sondern ist überhaupt nur dadurch möglich, daß selbstverständlich dieses Naturgesetz auch für ideale Gase gilt.

3.3.

Freie Energie und freie Enthalpie

Mit der Entropie ist eine Zustandsgröße gegeben, die eindeutige Aussagen über die Richtung, die Triebkraft und das Gleichgewicht bei beliebigen Vorgängen in stofflichen Systemen ermöglicht. Diese Aussagen gelten jedoch ausschließlich für isolierte Systeme, deren innere Energie während des Ablaufes der Vorgänge wegen des Energieerhaltungsgesetzes konstant bleiben muß. Für praktische Anwendungen sind daher die bisher erhaltenen Ergebnisse nur beschränkt nutzbar, da in der Praxis vollkommen isolierte Systeme nur schwer zu realisieren sind. Vielmehr kommen offene oder geschlossene Systeme vor, die also mit ihrer Umgebung im Energieaustausch stehen. Im allgemeinen interessieren dabei allerdings nur die Zustandsänderungen im eigentlichen betrachteten System, z. B. einem Reaktionsbehälter. Außerdem können in isolierten Systemen gerade die in der Praxis wichtigen isotherm-isobaren Vorgänge nicht ablaufen. Ziel der folgenden Betrachtungen soll es daher sein, eine Zustandsfunktion zu erhalten und anzuwenden, die im Prinzip den gleichen Aussageinhalt besitzt wie die Entropie, die aber einen Energieaustausch mit der Umgebung des eigentlichen Systems berücksichtigt, ohne daß dazu explizit die Kenntnis der Zustandseigenschaften und Zustandsänderungen dieser Umgebung nötig ist; m. a. W., die allein von den Eigenschaften des betrachteten Systems bestimmt wird. 3.3.1. Ableitung und

Definition

Es sei ein geschlossenes System betrachtet, in dem ein beliebiger reversibler Vorgang abläuft, wobei ein bestimmter Energieaustausch mit der Umgebung auftritt.

108

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

Dann muß gelten dSs + dSu = dS = 0.

(137)

Die Änderung der Entropie des Gesamtsystems dS, die sich jetzt aus der Entropieänderung des eigentlichen Reaktionssystems dS3 und derjenigen der Umgebung dieses ,Systems dSu zusammensetzt, ist Null. Wie man leicht nachprüfen kann, läßt sich für dSa durch Kombination der beiden Hauptsätze auch schreiben: dStt = -(dU

+

pdV)/T.

Damit gelangt man zu einer Gleichgewichtsbedingung, in der zwar ein Energieaustausch mit der Umgebung berücksichtigt ist, die aber lediglich Zustandsgrößen des Reaktionssystems enthält: dS3 - {dl7 + pdV)/T

= 0.

(138)

Für einen isotherm-isochoren Prozeß erhält man hieraus d(TS) - dU = 0 oder d(TS-

U)=0.

(139)

In einem geschlossenen System — dem Reaktionssystem, das mit der nächsten Umgebung in Energieaustausch steht — ist im Gleichgewicht bei konstanter Temperatur und konstantem Volumen die Änderung der Funktion (TS - ü) gleich Null. In isolierten Systemen war das Gleichgewicht durch einen Maximalwert der Entropie gekennzeichnet. Nach Gl. (139) muß demnach bei isotherm-isochoren Vorgängen in geschlossenen Systemen im Gleichgewicht die Funktion (TS — U) ebenfalls ein Maximjim besitzen, die Funktion (U — TS) folglich ein Minimum. Eine solche Funktion entspricht der gesuchten Gleichgewichtsbedingung. Die Funktion (U — TS) bezeichnet man als Helmholtzsehe freie Energie oder einfach freie Energie. Die

109

Freie Energie und freie Enthalpie

Definitionsbeziehung lautet F=ü

- TS.

(140)

Hieraus folgt schließlich die Gleichgewichtsbedingung für freiwillig verlaufende isotherm-isochore Vorgänge: dF = 0 .

(141)

Von größerer Bedeutung als Vorgänge bei konstantem Volumen sind in der chemischen Thermodynamik solche Prozesse, bei denen der Druck konstant bleibt. Für derartige Vorgänge war bereits die Enthalpie als zweckmäßige Zustandsgröße eingeführt worden. Wie man sich mit einem Blick auf die Beziehung (59) überzeugen kann, führt ihre Einsetzung in Gl. (138) zu TdS -dH

= 0.

und damit zu d(TS - H) = 0.

(142)

Auch die neue Funktion (TS — H) muß im Gleichgewicht wieder einen Maximalwert besitzen, die Funktion (H — TS) demnach ein Minimum. Analog Gl. (140) lautet die Definitionsgleichung für die GiBBSscAe freie Energie oder freie Enthalpie1) G = H — TS.

(143)

Die Gleichgewichtsbedingung für freiwillig verlaufende isotherm-isobare Vorgänge ergibt sich hieraus zu dG - 0 .

(144)

Aus den Definitionsgleichungen lassen sich auch die Bezeichnungen erklären: Die freie Energie (freie Enthalpie) stellt den1)

In der angelsächsischen Literatur wird diese freie Enthalpie oft als free energy bezeichnet. Für die Funktion F — U — TS wird dann der Ausdruck work content gebraucht.

110

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

jenigen Teil der inneren Energie (Enthalpie) dar, der bei reversibler und isothermer Prozeßführung frei, d. h. in jede andere Energieform umwandelbar ist.

Die folgende Übersicht soll noch einmal die für die gesamte Gleichgewichtslehre wichtigsten, aus dem II. Hauptsatz folgenden Größen ihrem Inhalt nach darstellen. Während des Ablaufes des Vorganges: dS > 0, also Zunahme der Entropie (in einem isolierten Gesamtsystem); dF < 0, also Abnahme der freien Energie und dG < 0, also Abnahme der freien Enthalpie (in geschlossenen Teilsystemen). Im Gleichgewicht: dS = 0, Maximalwert (für dQ = 0 und isoliertes System), dF = 0, Minimalwert (für dV = dT = 0), dG = 0, Minimalwert (für dp = dT = 0). Aus den Definitionsgleichungen für die freie Energie und die freie Enthalpie folgt sofort, daß beide Größen Zustandsfunktionen sind. Sie sind die bestimmenden Größen für die Möglichkeit des Ablaufes von isothermisochoren bzw. isotherm-isobaren Prozessen, also auch aller chemischen Vorgänge bei konstanter Temperatur und konstantem Volumen bzw., was weitaus häufiger vorkommt, bei konstantem Druck. Ein Vorgang ist unter gegebenen Bedingungen nur dann möglich, wenn dabei die freie Energie bzw. die freie Enthalpie des Systems abnimmt. J e größer diese Abnahme ist, um so stärker ist auch die „Triebkraft" des betreffenden Vorganges. Die Änderung der freien Enthalpie (und ebenso natürlich der freien Energie) tritt daher an die Stelle des unbestimmten Begriffes der „chemischen Affinität" der Stoffe zueinander. Mit der Einführung der freien Enthalpie wird auch das alte THOMSEN-BEETHELcmcAe Prinzip überflüssig, nach dem bekanntlich die Wärmetönung der Reaktion ein Maß für die Affinität sein sollte, welches aber das Vorkommen spontan verlaufender endothermer Vorgänge nicht zu deuten vermochte. Zwar

111

Freie Energie und freie Enthalpie

sind, wie aus den Definitionsgleichungen hervorgeht, die Änderungen der inneren Energie bzw. der Enthalpie wesentliche Bestandteile auch der Änderung der freien Energie bzw. der freien Enthalpie; zu diesen kommt aber noch ein Entropieglied, dessen Größe mitentscheidend für das Vorzeichen von dF bzw. dG und damit für die Freiwilligkeit (negativ) oder die Nichtfreiwilligkeit (positiv) des Vorganges ist. 3.3.2. Freie Energie und freie Enthalpie als Zustandsfunktionen Sehr einfache Beziehungen bestehen zwischen der Änderung der freien Energie bzw. der freien Enthalpie und der Arbeitsgröße, die bei reversiblen Prozessen auftritt. Nach dem I. Hauptsatz gilt für die Arbeit, die bei einem beliebigen Prozeß geleistet wird oder aufgebracht werden muß dW = dU — dQ. Für reversible Prozeßführung wird daraus unter Berücksichtigung der Tatsache, daß dabei die maximale Arbeit auftritt, sowie mit dQItv = TdS, dWTey = dWm=

dU — TdS.

(145)

Andererseits folgt aus der Definitionsgleichung (140) dF — dU — TdS — SdT.

(146)

Einsetzung ergibt dF = dWmix

- SdT.

(147)

Bei isothermen Vorgängen (dT = 0) ist demnach die Änderung der freien Energie mit der maximalen Arbeit identisch: dF = dWm&K. (148) Für isotherm-isobare Vorgänge erhält man aus Gl. (145)

112

Dei zweite Hauptsatz der Thermodynamik

unter Berücksichtigung der Definitionsbeziehung (143): dG = dü+ pdV + Vdp - TdS - SdT.

(149)

Für T und p = konst. liefert diese Beziehung durch Kombination mit Gl. (145) schließlich dG = dWm ax + pdV.

(150)

Die Änderung der freien Enthalpie ist also gleich der Summe aus der vom System maximal zu leistenden oder aufzunehmenden Arbeit und der Volumenarbeit. Weitere Zusammenhänge mit den anderen Zustandsfunktionen erhält man, wenn man von Gl. (149) ausgeht. Für konstante Stoffmengen reiner Stoffe, bei denen also nur Volumenarbeit auftreten kann, liefert der I. Hauptsatz bei einem reversiblen Prozeß dU + pdV = TdS.

(151)

Einsetzung in Gl. (149) liefert die wichtige Beziehung dG = Vdp-SdT.

(152)

Da G andererseits eine Zustandsgröße ist, muß gelten: G = / ( p , T),

Ein Vergleich mit den Koeffizienten in Gl. (152) ergibt (SGldp)r.B = V

und

(8G/8T)p,n - -8.

Für die freie Energie erhält man analog

F=

f(V,T),

(154a, b)

113

Freie Energie und freie Enthalpie Aus Gl. (146) und (151) folgt andererseits dF = -pdV

(156)

- SdT

und damit (8FI8V)Tin

= -p

und

(dF/8T)Vin

= -S.

(157a,b)

Setzt man die Koeffizienten (154 b) und (157 b) in die Definitionsgleichungen für die freie Enthalpie und die freie Energie ein, so erhält man die G I B B S - H E L M H O L T Z schen Gleichungen, die in dieser Form ursprünglich als Definitionsgleichungen für beide Größen aufgestellt worden waren: G - H = T(dGldT)Pin,

(158)

F -

(159)

U = T{dFldT)v_n.

Aus diesen Beziehungen lassen sich noch verschiedene Umformungen ableiten, von denen die folgenden manchmal für praktische Zwecke Vorteile bieten:

Wmip.n 3.3.3. Das chemische

Wmlv.n Potential

3.3.3.1. Definition als partielle molare freie

Enthalpie

Für reine Phasen war die Änderung der freien Enthalpie gegeben durch dG = Vdp - SdT. Wie schon bei den anderen Zustandsgrößen kommt bei den Mischphasen noch ein Glied hinzu, das der Abhängigkeit der freien Enthalpie von den Stoffmengen der Kompo8

Wagner

114

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

nenten Rechnung trägt: dG = Vdp - SdT + Ei{80ldn{)ptTinA... dn,.

(162)

Wie üblich nennt man die Koeffizienten (SG/dn^p^^... die partiellen molaren freien Enthalpien und definiert: Die partielle molare freie Enthalpie gibt die Änderung der freien Enthalpie der betreffenden Mischung an, wenn man zu einer so großen Menge der Mischung isobar und isotherm 1 mol des betreffenden Stoffes zusetzt, daß sich dabei die Molenbrüche aller Komponenten praktisch nicht ändern. Die partielle molare freie Enthalpie erhält die Bezeichnung chemisches Potential und das Symbol fi: (163) Für isobares und isothermes Arbeiten vereinfacht sich die Beziehung (162) zu dG = ¡¿x • dnA -(- /) Vgl. F u ß n o t e 2 , S . 9 2 .

~

PA)/PA*

=

¿PLPX*-

(201)

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

137

Die relative Dampfdruckerniedrigung ist gleich dem Molenbruch des gelösten Stoffes. Da bei der Ableitung des RAOULTSCASW Gesetzes keinerlei Voraussetzungen über die Art der Stoffe gemacht wurden, gilt es unabhängig von der Natur des Gelösten. Es ist jedoch streng nur für ideal verdünnte Lösungen gültig. Das RAOULTsche Gesetz ist demnach ein Grenzgesetz, das nur dann gilt, wenn Aktivität und Molenbruch des Gelösten gleichgesetzt werden können. 4.3.3. Gefrierpunktserniedrigung

und

Siedepunktserhöhung

Nach den Ergebnissen von Abschn. 4.2.3. ist der Gefrierpunkt eines reinen Stoffes durch den Schnittpunkt der Dampfdruckkurven der flüssigen und der festen Phase bestimmt. Da der Dampfdruck einer Lösung stets kleiner ist als der des reinen Lösungsmittels, muß auch die Dampfdruckkurve der Lösung unterhalb derjenigen des Lösungsmittels verlaufen. Sie erreicht daher die Dampfdruckkurve der festen Phase erst bei einer niedrigeren Temperatur. Die Differenz zwischen dem Gefrierpunkt des reinen Lösungsmittels und der Lösung bezeichnet man als Gefrierpunktserniedrigung AT. Die Verhältnisse sind schematisch in Abb. 16 dargestellt.

138

Thermische Gleichgewichte

Von besonderem Interesse ist natürlich die Frage nach der Abhängigkeit der Gefrierpunktserniedrigung von dem Mengenanteil des gelösten Stoffes. Für konstanten Druck folgt aus den Gin. (198b), (152) und (199) —(SA(g) - SA° + R • In aA) dT — RT • cfln ax = 0. Es läßt sich zeigen, daß — ( a l s o die Lösung als ideal verdünnt betrachtet wird, nach Integration das von W. Henby (1803) empirisch gefundene Gesetz xB — konst. • pB = A • pB.

(209)

Der Molenbruch eines flüchtigen Gases in einer verdünnten Lösung ist proportional seinem Druck über dieser Lösung. Oder: Ein Gas löst sich in einer Flüssigkeit proportional seinem Druck. Die Konstante A heißt Henbyscher Löslichkeits- oder Ab sorptionskoeffizient; er ist von der Temperatur abhängig.

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

143

1 8 0 7 erweiterte J . DALTON das Ü E N R Y s c h e Gesetz, indem er empirisch nachwies, daß dieses Gesetz auch dann gilt, wenn die Gasphase keine reine Phase, sondern eine ideale Mischphase ist. Dann muß lediglich an Stelle des Druckes der Partialdruck der betreffenden Komponente gesetzt werden. Das HENRY-DALTONSCÄC Oesetz lautet dann

xl = Äl-pi.

(210)

Der Partialdruck eines gelösten Gases über einer flüssigen Lösung ist seinem Molenbruch in der Lösung proportional. Da in verdünnten Lösungen der Molenbruch den Größen roB und c B proportional ist, gilt das HENRY-DALTONsche Gesetz auch bei Angabe der Zusammensetzungen mit diesen Größen. Man erhält lediglich unterschiedliche Zahlenwerte für die Konstante A. Diese gibt dabei jeweils die Menge des gelösten Gases beim Partialdruck 1 an.

Aus dem bisher Dargelegten geht hervor, daß das Gesetz ein Grenzgesetz ist, da es nur für verschiedene idealisierte Bedingungen abgeleitet werden konnte. Immerhin ist sein Gültigkeitsbereich doch recht beträchtlich. Absolutwerte von Löslichkeiten lassen sich auf Grund thermodynamischer Überlegungen nicht gewinnen. Im folgenden soll nur kurz auf einige allgemeine Regeln hingewiesen werden, die sich aus experimentellen Untersuchungen ergeben haben: In verschiedenen Lösungsmitteln ist die Reihenfolge der Löslichkeit einer Anzahl von Gasen gleich. Mit steigender Temperatm: nimmt die Löslichkeit stets ab. In wäßrigen Lösungen wird die Löslichkeit von Gasen durch gelöste Salze stark herabgesetzt, und zwar für alle Gase im gleichen Verhältnis. Das Volumen der flüssigen Phase nimmt beim Auflösen von Gasen in einem Umfang zu, der pro mol gelösten Gases etwa der Konstanten b in der VAN DER W A A L S s c h e n Gleichung entspricht. H E N R Y - DA L T O N s c h e

144

Thermische Gleichgewichte

Für praktische Zwecke benutzt man an Stelle des ÜENRyschen häufiger den sog. technischen Löslichkeitskoeffizienten. Dieser gibt das Volumen des Gases in om3 an, das die bei der Temperatur T und einem Druck von 0,981 bar (1 kp • cm -2 ) des Gases in 1 g der Flüssigkeit gelöste Gasmenge unter Normalbedingungen einnehmen würde.

4.3.6. Das Löslichkeitsgieichgewicht Zu den Systemen aus einer Lösung und, einer reinen Phase des Gelösten gehören auch Lösungen eines festen Stoffes B in einem Lösungsmittel A, die mit überschüssigem Bodenkörper im Gleichgewicht stehen. Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck ergibt sich durch Kombination der Gleichgewichtsbeziehungen für die reine feste Phase und den gelösten Stoff in der flüssigen Lösung Daraus wird

RT dln a B = 0. a B = konst.

(211)

Die Aktivität des gelösten Stoffes in gesättigter Lösung (Sättigungsaktivität) ist konstant. Sie ist außerdem unabhängig vom Mengenverhältnis der Phasen. Da nur in den relativ seltenen Fällen schwerlöslicher Stoffe die gesättigten Lösungen noch stark verdünnt sind, kann die Vereinfachung a — x auch nur in diesen Fällen eingeführt werden. Bei der Behandlung von Löslichkeitsgleichgewichten muß man daher im allgemeinen mit den Sättigungsaktivitäten rechnen. Im Gegensatz zu den Sättigungsmolenbrüchen sind diese auch unabhängig von irgendwelchen Zusätzen anderer löslicher Stoffe. Das rührt daher, daß zwar das Produkt fx - x = ax bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck konstant ist, ein Zusatz aber in jedem Fall den Aktivitätskoeffizienten beeinflußt. Wird beispielsweise durch den Zusatz eines dritten Stoffes der Aktivitätskoeffizient fx B des Gelösten verringert, muß, damit aXt B konstant bleibt, der

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

145

Sättigungsmolenbruch xB) also die sog. Löslichkeit, steigen. Von Bedeutung sind solche Effekte der Löslichkeitsbeeinflussung vor allem bei Elektrolyten; hier tritt in der Hauptsache der eben geschilderte Einsalzeffekt auf, der also darin besteht, daß infolge des Zusatzes eines Fremdelektrolyten der Aktivitätskoeffizient /,_B des gelösten Elektrolyten sinkt und dadurch eine erhöhte Löslichkeit des Stoffes B verursacht wird. Setzt man irgendwelche Salze einer gesättigten Lösung von Nichtelektrolyten zu, tritt oftmals der umgekehrte Effekt ein. Der sog. Aussalzeffekt verursacht eine Herabsetzung der Löslichkeit, der gelöste Stoff wird „ausgesalzen". Molekulartheoretische Erklärungen für die Löslichkeitsbeeinflussungen, die auf einer Veränderung der Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen bzw. Ionen der Komponenten beruhen, findet man in den Lehrbüchern der Elektrochemie oder entsprechenden Monographien1).

Wie sich zeigen läßt, liefert die Gleichgewichtsbedingung für die Temperaturabhängigkeit der Sättigungsaktivität den Ausdruck (212)

in dem ZlsoiHB°° die partielle molare Lösungsenthalpie bei unendlicher Verdünnung darstellt. J e nachdem, ob diese positiv oder negativ ist, nimmt die Sättigungsaktivität mit steigender Temperatur zu oder ab. Meist ist jedoch der Temperaturkoeffizient positiv. Durch Umwandlungen des Bodenkörpers bei bestimmten Temperaturen werden Unstetigkeitsstellen in den Löslichkeitskurven verursacht. ') Vgl. Fußnote 1, S. 123. 10

Wagner

146

Thermische Gleichgewichte

4.3.7. Der NERNSTscAe Verteilungssatz Als ein weiteres Beispiel der Anwendung der thermodynamischen Gleichgewichtsbedingungen auf Phasenübergänge soll die Verteilung eines gelösten Stoffes auf zwei miteinander nicht mischbare Flüssigkeiten betrachtet werden. Dieser Vorgang spielt bekanntlich in Form der Extraktion in der Praxis eine bedeutende Rolle. Ausgangspunkt ist wieder die Forderung, daß im Gleichgewicht das chemische Potential des gelösten Stoffes B in den beiden Phasen « und ß gleich sein muß, fiB(x) = n B(ß). Bei konstanten Bedingungen für T, p und n folgt daraus RT • In (ob(«)/ob08)) = 0, a>h(*)/aB(ß) = konst. - C.

(213)

Damit sagt der NERNSTscAe Verteilungssatz aus: Das Verhältnis der Aktivitäten eines gelösten Stoffes B (bzw. in ideal verdünnten Lösungen der Molenbrüche in beiden Phasen ist bei gegebenen Bedingungen konstant und von der absoluten Menge des Gelösten unabhängig. Die Konstante C bezeichnet man als NERNSTscAew Verteilungskoeffizienten. Abweichungen vom Verteilungssatz ergeben sich immer dann, wenn der molekulare Zustand des Gelösten in den beiden Phasen unterschiedlich ist, z. B. in der einen Phase Dissoziation oder Assoziation oder eine chemische Reaktion mit dem Lösungsmittel auftritt. 4.3.8. Methoden zur Bestimmung von Aktivitäten bzw. Aktivitätskoeffizienten Bei fast allen bisherigen Untersuchungen über die Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen waren zur Vereinfachung immer nur verdünnte Lösungen betrachtet worden, bei

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

147

denen die Aktivität durch den Molenbruch ersetzt werden konnte. Da aber natürlich alle unter dieser Voraussetzung abgeleiteten Beziehungen exakt immer nur den Charakter von Grenzgesetzen für ideal verdünnte Lösungen besitzen, ist ihre Anwendung auf die Untersuchung spezieller Systeme beschränkt. Bei den in der Praxis weitaus häufiger vorkommenden Systemen mit größeren Molenbrüchen muß stets mit den Aktivitäten gerechnet werden. Im Prinzip liefern nun alle bisher im Abschn. 4.3. besprochenen Gleichgewichte Methoden, um Aktivitäten bzw. Aktivitätskoeffizienten zu bestimmen. Diejenigen mit den breitesten Anwendungsmöglichkeiten sollen im folgenden kurz zusammengestellt werden. 1. Aktivität des Lösungsmittels in einer Mischphase aus Gleichgewichten zwischen Lösungen und reinen Phasen des Lösungsmittels. a) Aus der Dampfdruckerniedrigung (vgl. Abschn. 4.3.2.): Ausgangspunkt ist die Beziehung F A (g) dp — RT • ¿In a A = 0. Integration liefert unter den gleichen Bedingungen wie bei Gl. (200) « A = PJPi,*-

(214)

Zur Bestimmung der Aktivität eines Lösungsmittels ist es also lediglich erforderlich, die Dampfdrücke der Lösung und des reinen Lösungsmittels bei der entsprechenden Temperatur zu messen. b) Aus der Gefrierpunktserniedrigung (vgl. Abschn. 4.3.3.): Exakt lautet Gl. (202) (dT/dln aA)p = RT2jAiusH A. Unter der Voraussetzung, daß die molare Schmelzenthalpie im Bereich der Gefrierpunktserniedrigung konstant ist, erhält man durch Integration zwischen den Grenzen a A = 1 und a A sowie TA und T Ig "A = - ( 0 , 4 3 4 3 . AiusHA

• AT)/BTKK

(215)

Bei sehr genauen Messungen muß man noch berücksichtigen, daß A!usHk in Wirklichkeit nicht ganz temperaturunabhängig ist und daß die Aktivität nicht nur eine Funktion von xA, sondern auch der Temperatur ist. Durch Reihenentwicklungen gelangt man zu Näherungsformeln, die auch bei Untersuchungen relativ konzentrierter Lösungen gute Ergebnisse liefern. 10*

Thermische Gleichgewichte

1 4 8

c) Aus der Siedepunktserhöhung (vgl. Abschn. 4.3.3.): Hier gilt in vollem Umfange das unter b) Gesagte. Man erhält die Gleichung lg a A = (0,4343 • J v a p f f A • AT')jRTk"K (216) Da im allgemeinen die Aktivität nicht nur bei einem bestimmten Molenbruch, sondern über einen größeren Molenbruchbereich interessiert, führt man die entsprechenden Messungen bei verschiedenen Zusammensetzungen aus und kann dann die Abhängigkeit der Aktivität von der Zusammensetzung graphisch oder tabellarisch darstellen. 2. Aktivität verschiedener Stoffe aus der Aktivität des Lösungsmittels in der Mischphase. Hat man, wie es im allgemeinen üblich ist, nach einer der Methoden la) bis lc) die Aktivität des Lösungsmittels bestimmt, kann daraus die Aktivität des gelösten Stoffes berechnet werden. Dazu setzt man in die GiBBS-DuHEMsche Gleichung (167 b) für binäre Mischungen die aus Gl. (199) für p und T = konst. folgende Beziehung dß^ = IiT • dln a^ ein und erhält unter Berücksichtigung von Gl. (178 a) nach entsprechenden Umformungen dln/B = -(zA/a;B)(fln/A. Zur praktischen Handhabung bedient man sich am zweckmäßigsten der graphischen Integration. 3. Aktivität gelöster Gase aus dem Gleichgewicht zwischen der reinen Gasphase und der Lösung (vgl. Abschn. 4.3.5.). Das HENBY-DALTONsche Gesetz in seiner exakten Form lautet «i

-Pi-

(217)

Der Partialdruck eines gelösten Gases ist also seiner Aktivität in der Lösung direkt proportional. Wenn man die Löslichkeitsmessungen noch bei genügend kleinen Drücken durchführen kann, um den Faktor A zu ermitteln, bieten solche Messungen ein einfaches Mittel zur Bestimmung der Aktivität des oder der gelösten Gase. 4. Aktivität schwerlöslicher Salze aus dem Löslichkeitsgleichgewicht (vgl. Abschn. 4.3.6.). Speziell bei Elektrolyten muß man den Lösungsvorgang in einem dissoziierenden Lösungsmittel als einen chemischen Vorgang auffassen. Wie in Lehrbüchern der Elektrochemie gezeigt wird,

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

149

besteht über das sog. Löslichkeitsprodukt die Möglichkeit, die Aktivitätskoeffizienten des gelösten Elektrolyten in der Lösung zu berechnen. 5. Aktivität schwacher Elektrolyte aus Dissoziationsgleichgewichten. I m Fall löslicher, aber nur wenig dissoziierender Elektrolyte kann die Ermittlung der Aktivitätskoeffizienten in der Lösung über die Dissoziationskonstante erfolgen. Auch diese Möglichkeit wird in Lehrbüchern der Elektrochemie behandelt. 6. Aktivität starker Elektrolyte aus Zellspannungs-Messungen. Die bei der Kombination zweier beliebiger Halbelemente zu einer galvanischen Zelle auftretende Zellspannung hängt eng mit den thermodynamischen Bedingungen der betreffenden chemischen Gleichgewichte im Element zusammen. Wie in den entsprechenden Lehrbüchern und Monographien der Elektrochemie ausführlich nachzulesen ist, gilt für den Zusammenhang zwischen der partiellen molaren freien Reaktionsenthalpie und der Zellspannung ATG = z • E -F. (218) Der Faktor z bedeutet hierin die Anzahl der bei dem elektrochemischen Vorgang ausgetauschten Elektronen. F ist die sog. FAEADAY-Konstante = 96484,56 C • mol - 1 . Für die Abhängigkeit der Zellspannung E von der Aktivität der an dem Vorgang beteiligten Ionen gilt die fundamentale NEBirsTsche Gleichung ^

ßredl * ^0X2

E° ist die sog. Standard-Zellspannung, die man erhält, wenn alle Reaktionsteilnehmer in der Aktivität 1 vorliegen. aox und a re< i sind die Aktivitäten der Oxydations- und der Reduktionsprodukte. Durch Messung der Zellspannung bei verschiedenen (kleinen) Konzentrationen und Extrapolation auf unendliche Verdünnung kann man mit ac = c • fc die Aktivitätskoeffzienten der in der Lösung befindlichen Elektrolyte ermitteln.

4.3.9. Oleichgewichte zwischen flüssigen und gasförmigen Mischphasen Der Abschnitt über die Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen soll mit einigen Betrachtungen zu solchen Systemen abgeschlossen werden, bei denen alle

150

Thermische Gleichgewichte

Phasen Mischphasen sind. Dabei muß ein kurzer Überblick genügen, denn diese vor allem in der Praxis wichtigen Systeme sind so vielgestaltig, daß nur einige besonders häufige und wichtige Fälle erwähnt werden können. Zur ausführlicheren Information sei wieder auf die Spezialliteratur verwiesen1). Grundsätzlich geht man bei der thermodynamischen Behandlung auch solcher Systeme wieder von der allgemeinen Beziehung (170) aus. Auch die weiteren Ableitungen halten sich völlig im Rahmen der bisher durchgeführten, mit dem einzigen Unterschied, daß die Verhältnisse etwas weniger übersichtlich und formelmäßig komplizierter werden. Meist begnügt man sich aber mit der experimentellen Untersuchung und phänomenologischen Beschreibung, was auch für praktische Belange oftmals ausreichend ist. Es leuchtet auch ein, daß bisher vorwiegend binäre Systeme untersucht worden sind, da beispielsweise schon zur Wiedergabe der Dampfdruckkurven eines ternären Systems eine räumliche Darstellung erforderlich ist. Man kann das HENBY-DALTONsche Gesetz nicht nur für gelöste Gase, sondern auch für das Lösungsmittel selbst anwenden. Unter der Annahme, daß für die Gasphase das ideale Gasgesetz gilt, erhält man bei verdünnten Lösungen XA

=

A'

-P

A

.

Für XA = 1 (reines Lösungsmittel) wird damit Eingesetzt:

A'

= =

= PA* und

LLPX*. P J P A *•

(220)

*) FINDLAY, A., „Die Phasenregel und ihre Anwendungen", Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr. 1958; VOGEL, R., „Die heterogenen Gleichgewichte", Geest & Portig, Leipzig 1959 (2. Aufl.); KOGAN, W. B., FRIDMAN, W. M., „Handbuch der Dampf-Flüssigkeits-Gleichgewichte", V E B Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1961.

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

151

Das Verhältnis aus dem Partialdruck der Komponente A beim Molenbruch xA und dem Dampfdruck des reinen Stoffes A ist gleich dem Molenbruch xA. Man kann dieses Ergebnis als eine Erweiterung des RAOULTschen

Gesetzes

ansehen:

Wird

nämlich

der

Dampfdruck der 2. Komponente Null, dann ist pA = p; das ßAOULTsche Gesetz ist demnach ein Spezialfall der allgemeinen Beziehung (220). Natürlich gilt aber auch diese Gleichung nur für verdünnte Lösungen. Ein allgemeiner, auch für reale Mischungen geltender Zusammenhang zwischen den Partialdrücken der Mischungskomponenten und der Zusammensetzung der flüssigen Mischphase folgt aus der allgemeinen Form der GiBBS-DuHEMschen Gleichung (167 b). W e n n die Gasphase

als ideal angesehen werden kann, so gilt für jede Komponente bei konstanter Temperatur und konstantem Druck dfii = RTdln p,. Für eine binäre Mischphase ergibt dies xAd\n pk = —xBd\iipB.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Änderungen dhipx und efln pB durch Änderungen der Zusammensetzungen dxk bewirkt werden, läßt sich auch schreiben (221)

Da xA -)- Xß = 1 und dxA + dxB = 0, ergibt sich schließlich die DuHBM-MAKGTJLESScAe Gleichung (222)

Ist demnach die Molenbruchabhängigkeit des Partialdruckes einer Mischungskomponente bekannt, kann mit Hilfe dieser Gleichung die Molenbruchabhängigkeit der anderen Komponente ermittelt werden.

152

Thermische Gleichgewichte

Hinsichtlich der Pampfdruck-Molenbruch-Funktionen einer Mischung aus zwei flüchtigen Komponenten unterscheidet man grundsätzlich drei Typen von Systemen. 1. Monoton veränderlicher Dampfdruck: Die Partialdrücke der Komponenten sind ihrem Molenbruch in der flüssigen Mischung proportional. Das erweiterte RAOULTsche Gesetz (220) gilt also innerhalb des gesamten Mischungsbereiches. Solche Dampfdruckdiagramme, findet man stets bei idealen Mischungen, bei denen also auch keine Mischungswärme auftritt. Molekulartheoretisch läßt sich dieses Verhalten dadurch erklären, daß die Komponenten untereinander chemisch sehr ähnlich sind, die Wechselwirkungskräfte zwischen den Molekülen von A und B also etwa die gleichen sind wie zwischen den Molekülen von A bzw. B untereinander. Demgegenüber sind in den beiden folgenden Fällen die Wechselwirkungskräfte stark unterschiedlich.

2. Dampfdruckmaxima: Das erweiterte RAOULTsche Gesetz gilt nur noch bei sehr niedrigen Molenbrüchen, im übrigen Bereich ist der Partialdruck in komplizierterWeise vom Mischungsverhältnis abhängig. Der Gesämtdruck der Mischung durchläuft ein ausgeprägtes Maximum. Bei der Mischung der Komponenten tritt über den gesamten Mischungsbereich eine endotherme Mischungswärme auf. 3. Dampfdruckminima: Der Gesamtdruck läuft durch ein Minimum. Hier tritt eine exotherme Mischungswärme auf. I m allgemeinen hat die Dampfphase eine andere Zusammensetzung als die flüssige Phase, wobei außerhalb eines Extremwertes stets die leichter flüchtige Komponente im Dampf angereichert ist. Hier ist also eine Trennung beider Komponenten durch Destillation möglich. Im Maximum oder Minimum dagegen haben die flüssige und die Gasphase stets die gleiche Zusammensetzung.. Hier geht bei einer Destillation ein konstant siedendes, sog. azeotropes Gemisch über.

Phasengleichgewichte in Mehrkomponentensystemen

153

Bei der praktischen Anwendung ist es häufig zweckmäßiger, an Stelle der Dampfdruckdiagramme die sog. Siedediagramme darzustellen. Dabei trägt man den Siedepunkt des Gemisches über der Zusammensetzung auf. Es leuchtet ohne weiteres ein, daß einem Dampfdruckmaximum ein Siedepunktsminimum entsprechen muß und umgekehrt. Zwischen den drei geschilderten Arten von Systemen gibt es alle möglichen Übergänge. Außerdem sind auch solche Fälle nicht selten, bei denen in bestimmten Bereichen eine sog. Mischungslücke auftritt, ab einem gewissen Molenbruch die beiden Komponenten also nicht mehr miteinander mischbar sind. Für die Destillation zweier Flüssigkeiten mit begrenzter Mischbarkeit oder zweier nichtmischbarer Flüssigkeiten gilt der Satz, daß sich der Gesamtdruck über der Flüssigkeit additiv aus den Partialdrücken der Komponenten zusammensetzt. Von praktischer Bedeutung ist die darauf beruhende Wasserdampfdestillation. 4.3.10. Oleichgewichte zwischen festen und flüssigen Mischphasen Gegenüber den Gleichgewichten zwischen flüssigen und gasförmigen Mischphasen sind die Verhältnisse zwischen festen und flüssigen Mischphasen noch vielgestaltiger. Das rührt vor allem daher, daß neben der im allgemeinen homogenen flüssigen Phase (Schmelze) eine ganze Reihe verschiedener fester Phasen auftreten können. Die wichtigsten Fälle seien im folgenden kurz zusammengestellt. 1. Wenn die beiden Komponenten keine chemische Verbindung miteinander eingehen, liegt der Erstarrungspunkt der flüssigen Mischphase stets niedriger als derjenge der reinen Komponenten (vgl. Abschn. 4.3.3. ,,Gefrierpunktserniedrigung"). Dabei kristallisiert zunächst das jeweilige „Lösungsmittel" aus. 2. Wenn die Komponenten auch keine Mischkristalle

154

Thermische Gleichgewichte

bilden, tritt bei einer bestimmten Zusammensetzung ein Minimum der Erstarrungstemperatur auf, bei dem die beiden Komponenten gleichzeitig, aber als Einzelindividuen auskristallisieren. An einem solchen Punkt sind demnach vier Phasen miteinander koexistent: Dampf, Schmelze und die beiden Kristallarten. Einen solchen Quadrupelpunkt, für den nach dem Phasengesetz die Anzahl der Freiheitsgrade Null ist, bezeichnet man als eutektischen Punkt und das bei diesem auskristallisierende Gemisch als Eutektikum. 3. Wenn die beiden Komponenten in jedem Verhältnis miteinander Mischkristalle bilden, tritt kein Eutektikum auf. Wohl aber kann ein Minimum der Gleichgewichtstemperatur auftreten, bei dem sich einheitliche Mischkristalle von der Zusammensetzung bilden, die die Schmelze in diesem Punkt aufweist. 4. Wenn die Komponenten beiderseitig nur für die Randkonzentrationen Mischkristalle bilden können, treten im allgemeinen Eutektika auf, bei denen ein Gemenge zweier Mischkristallsorten ausgeschieden wird. 5. Wenn die beiden Komponenten eine chemische Verbindung miteinander eingehen, kann der Schmelzpunkt dieser Verbindung über dem der reinen Komponenten liegen. Diese Verbindung kann ihrerseits wieder mit den beiden Komponenten Eutektika bilden. Beträchtlich komplizierter werden die Verhältnisse, wenn die Komponenten nicht nur eine, sondern mehrere chemische Verbindungen miteinander bilden und wenn außerdem noch Mischkristalle auftreten. Ein technisch äußerst wichtiges Beispiel hierfür ist das System EisenKohlenstoff. 4.4.

Chemische

Gleichgewichte

Schon sehr frühzeitig erkannte man aus der experimentellen Beobachtung, daß praktisch bei allen chemischen Reaktionen in geschlossenen Systemen niemals eine

Chemische Gleichgewichte

155

vollständige Umsetzung erfolgt, sondern stets ein bestimmter Gleichgewichtszustand zwischen den Ausgangsstoffen und Reaktionsprodukten erreicht wird. Auch bei sehr stürmisch verlaufenden Reaktionen setzen sich die reagierenden Stoffe nicht quantitativ um, sondern liegen nach beendeter Reaktion stets noch in einer endlichen, wenn auch oft praktisch nicht mehr erfaßbaren Menge neben den Reaktionsprodukten vor. Wie schon in der Einleitung ausgeführt wurde, besteht nun die große Bedeutung der Thermodynamik für die Chemie darin, daß erst durch die Anwendung der allgemeinen thermodynamischen Gleichgewichtsbedingungen auf chemische Vorgänge eine Präzisierung des Begriffes „chemisches Gleichgewicht" und darüber hinaus bestimmte Aussagen über die Lage der Gleichgewichte möglich wurden. Als erstes sollen daher die für die chemischen Vorgänge maßgebenden speziellen Formen der allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen abgeleitet werden. 4.4.1. Das Massenwirkungsgesetz Ausgangspunkte sind die im Abschn. 2.4.2.1. getroffenen allgemeinen Festlegungen zur thermodynamischen Beschreibung chemischer Reaktionen sowie die im Abschn. 4.1. bereits als zweckmäßige Formulierung der Gleichgewichtsbedingung für solche Stoffum Wandlungsvorgänge charakterisierte Gl. (187): Im Gleichgewicht einer chemischen Reaktion K l • A + K l • B + ... % K l . C + K l • D + ... ist die Summe der mit den zugehörigen stöchiometrischen Reaktionskoeffizienten multiplizierten chemischen Potentiale aller Reaktionsteilnehmer Null. Diese Summe ist identisch mit der partiellen molaren freien Reaktionsenthalpie der betreffenden chemischen Reaktion bei isothermem und isobarem Reaktionsab-

156

Thermische Gleichgewichte

lauf, ArGT,p = Zivl-ni

= 0.

(187)

Das chemische Potential jedes Reaktionsteilnehmers kann durch eine Gleichung der Art (176) ausgedrückt werden: ^

=

/V + RT In i • ¡US + RTE¡Vj • In «i>e 0) nimmt Ka mit steigender Temperatur zu, verschiebt sich also die Lage des Gleichgewichtes auf die Seite der Reaktionsprodukte. Umgekehrt nimmt die Gleichgewichtskonstante einer exothermen Reaktion (ArH° < 0) mit steigender Tempera-

160

Thermische Gleichgewichte

tur ab; eine Erhöhung der Ausbeute ist hier durch eine Senkung der Reaktionstemperatur möglich 1 ). Für die Druckabhängigkeit der molaren freien Standardreaktionsenthalpie gilt entsprechend Gl. (154a) {8ATG°/dp)T = ATV°. Damit erhält man aus Gl. (225) für die Abhängigkeit der Gleichgewichtskonstante vom Gesamtdruck, dem das Reaktionssystem unterliegt, ArV° ~RT'

(232)

Sie wird also bestimmt durch das entsprechend Gl. (105 b) definierte molare Standardreaktionsvolumen. Allgemein braucht die Druckabhängigkeit nur berücksichtigt werden, wenn gasförmige Reaktionsteilnehmer an der Reaktion beteiligt sind und 2> i ( g ) 4= 0 ist (vgl. Gl. (107)). Für die Verschiebung der Gleichgewichtslage mit dem Druck lassen sich völlig analoge Überlegungen anstellen wie sie vorstehend für die Temperatur skizziert wurden. 4.4.3. Näherungsgleichungen

für das MWG

I m Prinzip lassen sich Gleichgewichtsaktivitäten experimentell ermitteln, z. B. mit den im Abschn. 4.3.8. angeführten Methoden. Leichter zugänglich sind aber und für die praktische Anwendung des MWG häufiger benutzt werden die entsprechenden Angaben in Molenbrüchen, Partialdrücken, Molalitäten und. Konzentrationen. Die daraus folgenden Konstanten Kx, Kp, Km und Kc nennt man konventionelle Gleichgewichtskonstanten. Zu ihnen gelangt man auf folgenden Wegen. I n ideal, d. h. vereinfacht hinreichend stark verdünnten *) Diese auf streng thermodynamischer Basis beruhende Aussage stellt ein Beispiel für das ältere IE Chateliek-Bratjnscä6 Prinzip vom kleinsten Zwang (1887) dar: Übt man auf ein im Gleichgewicht befindliches System durch Änderung einer der Zustandsgrößen T oder p einen Zwang aus, so ändern sich die übrigen Zustandsvariablen des Systems in dem Sinne, daß dem Zwang ausgewichen wird. Bei Temperaturerhöhung durch Wärmezufuhr verschiebt sich das Gleichgewicht auf die endotherme („wärmeverbrauchende") Seite der Reaktion.

161

Chemische Gleichgewichte

Lösungen können die Aktivitäten durch die Molenbrüche ersetzt werden. Dann nimmt das MWG die Form

¡XcM-XjyM • - \ U a " a | • »b"" • -/eq

(233)

an. Bei idealen (oder näherungsweise idealen) Gasmischungen hängen die Partialdrücke nach Gl. (40) mit den Molenbrüchen zusammen. Man kann für solche Systeme mit Vorteil ein MWG der Form

benutzen. Die Gleichgewichtskonstante Kp ist grundsätzlich unabhängig vom Gesamtdruck; zu K x besteht der Zusammenhang Kp = K x - p * « .

(235)

Für heterogene Gasgleichgewichte mit reinen festen oder flüssigen Stoffen fa = a^ = 1) gehen in das MWG (233) oder (234) nur die Gleichgewichtsmolenbrüche oder -partialdrücke der gasförmigen Reaktionsteilnehmer ein. Bei höheren Drücken wird die Abweichung von Kp von der exakten Gleichgewichtskonstante Ka um so größer, je realer sich die Gleichgewichtsmischung verhält. Die Anwendung von Gl. (234) liefert dann nur noch Näherungswerte, die auch etwas von der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches abhängen. Bei Reaktionen in flüssigen Phasen verwendet man zur Angabe von Zusammensetzungen meist die Molalität oder die Konzentration (vgl. Abschn. 1.3.). E s gilt dann /wie'"0' • "1D'"D' • •• A = K m

(236)

//•J»c| . /.„I'DI .- ...\\ /CqW-CDw\ C A M. C B |VBi....j e = K C .

(237)

[ oder

m

^ . m

B

™ . . . . L

Für genügend verdünnte Lösungen besteht der Zusam11 Wagner

Thermische Gleichgewichte

162 menhang Kx = Km-

M ^

= Kc

.

(238)

Ma — molare Masse, F A — molares Volumen des reinen Lösungsmittels. Die Anwendung der Gin. (233), (236) oder (237) auf Lösungen höherer Molenbrüche, Molalitäten oder Konzentrationen liefert wiederum nur Näherungswerte der Gleichgewichtskonstanten, die aber für viele praktische Zwecke trotzdem sehr nützlich sind. Wie die thermodynamisch exakte Form des MWG haben auch die angeführten Näherungsgleichungen für konkrete Reaktionssysteme immer nur für eine bestimmte Reaktionsgleichung einen Sinn; auch die Zahlenwerte der Gleichgewichtskonstanten gelten immer nur für eine bestimmte Gleichung. Die Gleichgewichtskonstanten haben in der Regel Einheiten, die sich aus den Einheiten der gewählten Zusammensetzungsangaben ergeben. Sie werden deshalb auch oft weggelassen. In zwei Fällen sind die Konstanten dimensionslos: Die Gleichgewichtskonstante Kx ist es immer, alle anderen dann, wenn für die betreffende Reaktion i = 0 ist, wenn also die Stoffmengen auf beiden Seiten der Reaktionsgleichung gleich sind. Für einen gegebenen Druck und eine gegebene Temperatur wird das Gleichgewicht einer chemischen Reaktion charakterisiert durch einen bestimmten Wert der Gleichgewichtskonstante, also ein bestimmtes Verhältnis der Mengen von Reaktionsprodukten und Ausgangsstoffen. Dieses Verhältnis ist unabhängig von den Ausgangsmengen der Reaktanden oder vom Mengenverhältnis der einzelnen Reaktanden zueinander. Abhängig von diesen sind aber, eben weil die Lage des Gleichgewichtes konstant bleiben muß, die Gleichgewichtsmengen der Reaktionsteilnehmer. D a s Wissen u m den Näherungscharakter der Gleichgewichtskonstanten Kx', KP, Km und Kc insbesondere in Systemen, bei denen keine vollständige Idealität mehr angenommen werden kann, ist auch deshalb bedeutsam, weil die beiden grundsätzlichen Wege zur Ermittlung von Gleichgewichtskonstanten auch für ein und dasselbe Gleichgewicht unter gleichen Bedingungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. D a s zeigt sich z. B. in manchmal voneinander abweichenden Werten in

Chemische Gleichgewichte

163

Tabellenwerken oder in der Literatur. Diese beiden Wege sind die experimentelle Bestimmung und die thermodynamische Berechnung. 4.4.4. Experimentelle konstanten

Ermittlung

von

Gleichgewichts-

Die experimentelle Messung der Gleichgewichtskonstanten Kx, Kp, Km oder Kc beruht in jedem Fall auf einer Untersuchung der Zusammensetzung des Reaktionsgemisches im Gleichgewicht. Am einfachsten sind dabei solche Reaktionen zu untersuchen, bei denen die vor der Reaktion vorhandenen Mengen an Ausgangsstoffen bekannt sind, da in diesem Fall meist die Ermittlung der Gleichgewichtsmenge einer der Komponenten genügt, woraus die Gleichgewichtsmengen der anderen Reaktionsteilnehmer berechnet werden können. Wesentlich bei einer solchen Messung ist in jedem Fall, daß das Gleichgewicht durch die Untersuchung selbst nicht gestört wird. Das läßt sich prinzipiell auf zwei Wegen erreichen: 1. Man kühlt das im Gleichgewicht befindliche Reaktionsgemisch schnell auf eine Temperatur ab, bei der die Reaktionsgeschwindigkeit nur' noch sehr klein ist, so daß praktisch keine Zusammensetzungsänderungen mehr vonstatten gehen. Dann können die der ursprünglichen Reaktionstemperatur entsprechenden Gleichgewichtsmengen mit geeigneten analytischen Methoden bestimmt werden. 2. Man beläßt das Gemisch im Gleichgewicht bei der Reaktionstemperatur und wendet physikalische Analysenmethoden an, die das System selbst nicht beeinflussen. Hierfür kommen z. B. Messungen der Lichtabsorption, der elektrischen Potentiale, der optischen Drehung, der elektrischen Leitfähigkeit und viele andere physikalische Methoden in Frage. Da sich viele Gleichgewichte nur sehr langsam einstellen, benötigt man oftmals ein Kriterium dafür, daß das Gleichgewicht auch tatsächlich erreicht ist. Der sicherste Weg besteht darin, die Gleichgewichtseinstellung einmal von den Ausgangsstoffen, zum anderen von den Reaktionsprodukten ausgehend zu untersuchen. Dabei muß man zu gleichen Zahlenwerten für die Konstante gelangen. Eine prinzipielle Grenze ist der experimentellen Ermittlung der Gleichgewichtskonstante immer dann gesetzt, wenn die betreffenden Gleichgewichte weit auf der einen oder der anderen Seite liegen. 11*

164 4.4.5. Berechnung von

Thermische Gleichgewichte

Gleichgewichtskonstanten

Die Möglichkeit einer Vorherberechnung von Gleichgewichtskonstanten und damit Gleichgewichtszusammensetzungen ist deshalb von größter Bedeutung, weil man damit in der Lage ist, ohne aufwendige experimentelle Untersuchungen thermodynamisch mögliche Ausbeuten bei beliebigen Reaktionen und ihre Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen zu ermitteln. Die wichtigsten Methoden sollen im folgenden dargestellt werden. 4.4.5.1. Anwendung der VAN'T HOFFsehen

Reaktionsisobare

Vielfach ist die Gleichgewichtskonstante einer Reaktion bei einer Temperatur T bekannt, und es müssen ihre Werte bei anderen Temperaturen T' (aber dem gleichen Druck) berechnet werden. Das ist mit Hilfe der VAN'T HoFFschen Reaktionsisobare möglich. Integration von Gl. (230) bei konstantem Druck liefert unter der Voraussetzung, daß der jeweilige Temperaturbereich nur sehr klein ist, AtH° also innerhalb dieses Bereiches als konstant angesehen werden kann, mit entsprechenden Umformungen Am T' — T (239) = * Für genauere Berechnungen muß die Temperaturabhängigkeit der molaren Standardreaktionsenthalpie mit Hilfe des KmcHHOFFschen Satzes (108) und der entsprechenden Temperaturfunktionen der molaren Wärmekapazitäten (86) berücksichtigt werden. 4.4.5.2. Berechnung molarer freier enthalpien

Standardreaktions-

Nach Gl. (225) führt der direkte Weg zur Ermittlung von Gleichgewichtskonstanten über die Größe ATG°. Zu deren Berechnung sind drei Möglichkeiten von praktischer Bedeutung.

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Chemische Gleichgewichte

1. Aß0 kann völlig analog zu ATH° (vgl. Abschn. 2.4.2.4.) aus molaren freien Standardbildungsenthalpien A ß " der Reaktionsteilnehmer nach ArG° = ZiVX • AtGi°

(240)

berechnet werden. Wie für die Enthalpien hat man auch für die freien Enthalpien eine relative Skala geschaffen, indem definiert wird: Die freien Standardenthalpien der Elemente sind bei allen Temperaturen Null. Damit werden auch die molaren freien Standardenthalpien der chemischen Verbindungen mit ihren molaren freien Standardbildungsenthalpien identisch. Aß?-Werte liegen heute schon für viele Verbindungen tabelliert vor oder können nach Gl. (228) aus den molaren Standardbildungsenthalpien ASH° (meist aus Tabellenwerken) und den molaren Standardbildungsentropien zltnS0 berechnet werden. Letztere sind mit Hilfe von Gl. (185) aus tabellierten molaren Standardentropien zugänglich. 2. A ß 0 läßt sich nach Gl. (228) aus der molaren Standardreaktionsenthalpie ArH° (vgl. Abschn. 2.4.2.4.) und der molaren Standardreaktionsentropie ¿IriS0 (vgl. Abschn. 3.4.3.) berechnen. 3. Wenn die betreffende chemische Reaktion auch in einer galvanischen Zelle ablaufen kann, erhält man die molare freie Standardreaktionsenthalpie über Aß° =

Z

• E° • F

aus der Standard-Zellspannung E° (vgl. Abschn. 4.3.8.; 6.). Da sich die meisten in Tabellen angegebenen Zahlenwerte für die benötigten Standardbildungs- bzw. Standardreaktionsgrößen auch auf die Temperatur T° = 298,15 K beziehen, liefern die angeführen Methoden natürlich auch nur die molare freie Standardreaktions-

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Thermische Gleichgewichte

enthalpie bei dieser Temperatur. Zur Ermittlung von zJrß°-Werten und, daraus von Gleichgewichtskonstanten als Temperaturfunktionen geht man von der Beziehung (154b) aus. Integration der hier benötigten Form liefert T

ÄfiT = Zlr(?2098 - f

dT.

298

Die Temperaturabhängigkeit der molaren Standardreaktionsentropie ist durch Gl. (186) gegeben. Einsetzen dieser und der Gl. (228) für T = 298,15 K ergibt schließlich T

Ar