Candela und seine Schalen
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CANDELA

und seine Schalen Von Colin Faber

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Verlag Georg D. W. Callwey

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1963 unter dem Titel ,,Candela/The Shell Buildcr" bei Reinhold Publishing Corporation/New York. Die Übersetzung besorgre Max L. Cctto, die Durchsicht Paulhans Peters.



Copyright der deutschen Ausgabe 1965 by Verlag Georg D. W. Callwey, München Satz, Druck und Bindearbeiten: Graphische Betriebe Dr. F. P. Datterer & Cic. - Inhaber Sellicr - Freising Printed in Germany

NA753 · C3F/f INHALT

7

Vorwort

9

Vorrede

9

Einführung

16

Das Hyperbolische Paraboloid, von Felix Candela

26 28 33 39 43 45 48 53 62 64 69

Seilliniengewölbe - Die ersten Schalen Konoide - Shedschale

71 75 86 98 104

Kurze und lange Tonnen - Einfache Beispiele Hyperbolische Paraboloide - Ein dünner Sattel Gewellte Decken - Wellenförmige Platien Kurze und langeTonnen-Experi111entelle Typen Konoide - Zusamfllengesetzte Formen Faltwerke Kegel Elliptische Flächen - Ellipsoide Hyperbolische Paraboloide Ein losgelöstes Gewölbe Hyperbolische Paraboloide - Schirm-Prototypen Kurze und lange Tonnen - Große Arbeiten Hyperbolische Paraboloide Eine komplexe Konstruktion Hyperbolische Paraboloide Lagerhalle mit Schirmschalen Hyperbolische Paraboloide Rechteckige Kuppeln

113 Elliptische Flächen - Sphärische Abschnitle 124 Hyperbolische Paraboloide - Schirm-Scharen 138 Hyperbolische Paraboloide-Zwei Grundformen 152 Kurze und lange Tonnen 158

Weitere Anwendungen Hyperbolische Paraboloide Kombinationen mit geraden Rändern Hyperbolische Paraboloide - Fächerschalen Hyperbolische Paraboloide - Mit freien Rändern

173 186 198 Hyperbolische Paraboloide -

Mit gekrümmten freien Rändern

212 235 239

577125

Hyperbolische Paraboloide Vier andere Entwürfe Bibliographie Anmerkungen



VORWORT

Die Bauten, durch die Candela berühmt wurde, konn­ ten nur in unserer Zeit geschaffen werden und viel­ leicht auch nur in Mexiko oder in einem Land mit ähnlichen sozialen Verhältnissen. Aber ebenso gut hätten sie auch gar nicht gebaut werden können. Daß sie jetzt stehen, ist der Persönlichkeit ihres Erbauers zu verdanken. Candela hat die Betonschale nicht erfunden; ebenso­ wenig ist er der erste, der das hyperbolische Paraboloid anwandte, jene geometrische Form, die er so virtuos be­ nutzt hat. Andere haben größere Schalen errichtet oder mehr zur theoretischen Berechnung von Schalenkon­ struktionen beigetragen. Aber niemand anderer ver­ dient Anerkennung für eine solch erregende Vielfalt von Schalenbauten, wie sie in diesem Buch abgebildet sind. Es ist wert, darüber nachzudenken, wie Candela diese erstaunliche Leistung fertiggebracht hat. Da ist zunächst einmal Candela selbst. Als Mensch hat er viele ausgezeichnete Qualitäten, deren wichtigste wohl seine intellektuelle Aufrichtigkeit ist. Sie läßt ihn immer direkt auf den Kern eines Problems los­ gehen, wobei er jede Täuschung vermeidet und die Tatsachen so nimmt, wie sie wirklich sind. Er stützt sich auf die Ideen anderer Leute, sobald sie ihm von Nutzen sind, und er erkennt seine geistigen Anleihen auf das Großmütigste an. Aber er verwendet dieses Material nicht unkritisch; er durchdenkt das Problem auf seine eigene Weise und verwirft, was ihm nicht dient. Er weiß, was er will: Er möchte gut leben - aber so, daß es ihm Spaß macht, daß es seine intellektuellen Kräfte anregt und seinen künstlerischen Sinn befrie­ digt. Und er weiß, daß es für diesen Zweck nicht ge­ nügt, sich mit der Kenntnis vom Drum und Dran der Konstruktion auszurüsten. Kenntnis der mensch­ lichen Natur und Kenntnis davon, was Entscheidun­ gen beeinflußt und wie man den Kunden dahin bringt, daß er wünscht, was man selber will, das ist ebenso wichtig für die Verwirklichung seiner Träume. Behilflich war ihm auch, daß er seine Arbeit auf ein bestimmtes Gebiet konzentriert hat: die Konstruk­ tion leichter Stahlbetondächer. Seitdem er vor zwölf Jahren seine erste Schale baute, hat er den Blick nicht mehr zurückgewandt; er hat auf seiner eigenen, sich immer erweiternden Erfahrung aufgebaut. Er ist ein Spezialist geworden und ein Meister auf seinem Gebiet. Die Baumethoden, die er anwendet, sind auch be­ schränkt: Ortbeton, der in Holzschalungen einge­ bracht wird, bewehrt mit schlaffen Eisen. Das ist der ,,Ton", mit dem die meisten seiner Skulpturen ge­ schaffen wurden. Diese Technik ist wohl glänzend

für die örtlichen Gegebenheiten geeignet und gestattet ihm eine absolute Freiheit beim Entwurf, da sie nicht von den Einschränkungen der Mechanisierung und Serienfertigung behindert wird. In einem anderen Sinn stehen seine Erfolge auf einer breiten Basis: Er ist nicht bloß ein Ingenieur oder ein Architekt oder ein Bauunternehmer und Baumeister, sondern alle drei in einem. Und das ist vielleicht der allerwichtigste Umstand überhaupt. In der Regel ist ein moderner Bau zwangsläufig das Produkt ver­ schiedener Geister, jeder davon mit seiner eigenen Herkunft und Ausbildung sowie seinem eigenen Trachten: der Architekt, der Ingenieur, der Unter­ nehmer, die verschiedenen Spezialisten, Fabrikanten usw. Ihre Arbeit muß koordiniert werden, damit daraus eine Einheit wird. Die verschiedenen und oft widerstreitenden Anforderungen, die ein Bau zu er­ füllen hat, müssen gegeneinander abgewogen und ihrem Rang entsprechend eingeordnet werden. Das aber ist ein schwieriges und dorniges Unterfangen, das sehr selten zu restlosem Erfolg fl!lhrt. Wieviel günstiger, wenn diese Koordination innerhalb eines einzigen Kopfes vor sich gehen kann! Denn das ist der entscheidende Punkt: Der schöpferische Vorgang des Entwurfs muß sich in einem einzigen Gehirn voll­ ziehen; und das Ergebnis kann nur dann wirklich zu einer Lösung führen, wenn dieses Gehirn alle Faktoren kennt und versteht, welche die notwendigen Entscheidungen beeinflussen: Koordinierung, Fest­ legung von Prioritäten, das zu erfassen, was auf jeden Fall erreicht werden muß oder was nur wünschens­ wert, aber nicht so wichtig ist - das sind die Dinge, die schon bei der Geburt einer Idee da sein sollten, wenn die Phantasie das Feld der Möglichkeiten ab­ sucht und dieses verwirft und jenes auswählt. Und wenn dies von einem Team-Leiter getan wird, sei er Architekt, Ingenieur oder Bauunternehmer, dann hat er aller Voraussicht nach nicht alle entschei­ denden Faktoren im Kopf, wenn er die ersten Ent­ scheidungen trifft, die später nur mit Schwierigkeiten abgeändert werden können. Denn ein Entwerfer spielt ja nicht einfach mit Worten, "die nicht miteinander verknüpft werden können, sondern mit vagen Vor­ stellungen, mit noch unklaren Möglichkeiten und Intuitionen. Er muß das Wünschenswerte mit dem technisch und wirtschaftlich Möglichen in Einklang bringen. Das hängt aber nicht nur von bekannten Tatsachen und Erfahrungen ab, sondern von Phan­ tasie und Erfindungsgabe im Bereich der Architektur, der Konstruktion und der Bauweise. Doch Architek­ ten und Ingenieure schätzen sich gegenseitig und kennen jeder des anderen Arbeit nicht so gut, oder sehen den Standpunkt des Unternehmens nicht ein, oder wenn sie es tun, haben sie keine Zeit, keine Lust oder Gelegenheit, sich der Mühe zu unter­ ziehen, vom anderen etwas zu lernen, wodurch jeder

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etwas zum Entwurf beisteuern kann, zumindest aber könnte. Und durch die immer zahlreicheren Experten und möglichen Bauweisen wird die Chance, eine har­ monische Übereinstimmung zu erzielen, natürlich geringer. Candela ist in der glücklichen Lage, alle Entwurfs­ probleme selbst zu beherrschen. Als Bauunternehmer kennt er die Kosten der ihm zur Verfügung stehenden Bauweisen, und wenn er sich eine neue Sache aus­ denkt, so sind der Bauvorgang und seine Wirtschaft­ lichkeit ihm ständig gegenwärtig. Trotzdem gleichen seine Entwürfe nicht der üblichen langweiligen Unter­ nehmerarchitektur. Er zieht es vor, die Wirtschaft­ lichkeit dadurch zu erreichen, daß er mit Hilfe seiner Erfindungsgabe als Ingenieur den Materialaufwand bei seinen Konstruktionen auf ein Minimum redu­ ziert. Nichtsdestoweniger ist er nicht etwa darauf aus, die Dinge unnötig komplizierter zu machen; das würde die Eleganz der Lösung vermindern. Während der Ingenieur Candela den Horizont und die Reich­ weite des Bauunternehmers Candela erweitert, sorgt dieser dafür, daß beide Füße fest auf dem Boden bleiben. Seine Einstellung zur Theorie ist charakteri­ stisch: Er anerkennt den Wert einer Strukturanalyse als ein Werkzeug und bat Freude an ihrer intellek­ tuellen Herausforderung und Disziplin, aber er kennt auch sehr genau ihre Grenzen. Besonders skeptisch ist er gegenüber der Elastizitätstheorie, soweit sie auf Beton bezogen ist. Fast verachtet er jene raffinierten Berechnungen, die eine Genauigkeit vortäuschen, die eine reine Fiktion ist und die im Büro eines Bauunter­ nehmers mehr oder weniger nutzlos ist. Übrigens haben viele bedeutende Bauingenieure die gleiche Einstellung. Das ist nur natürlich, denn für den Ent­ werfenden ist es entscheidend, möglichst schnell zur richtigen Lösung in bezug auf das Material zu gelan­ gen. Eine Strukturanalyse setzt voraus, daß diese Aufstellung gemacht wurde und daß sie zumindest die Widerstandsfähigkeit der gewählten Konstruktion anzeigt. Der Entwurf entwickelt sich deshalb von einem Gefühl für die Struktur, das man sich durch Erfahrung angeeignet hat und das durch überschläg­ liche Berechnungen korrigiert wird, weiter zu einer exakten Analyse, einer Verbesserung des Entwurfs, Überprüfung durch noch eine Analyse, und so immer weiter. Auf diesem Weg erreicht man mit einer Be­ gabung für die richtigen Schätzungen schneller und bessere Resultate als mit einem Haufen Mathematik. Doch darin besteht kein Grund, die theoretische Analyse zu verachten - unter den weniger begabten Ingenieuren wird diese Einstellung nur deshalb ein­ genommen, um damit Unkenntnis und Faulheit zu verdecken. Letzten Endes haben uns die Arbeiten der Theoretiker dorthin gebracht, wo wir heute stehen, und durch die Rechenmaschinen können wir ihre Resultate für die Praxis verwerten. Sieb die ganze

Hilfe der Theorie zunutze zu machen kann nie falsch sein; oft ist sie sogar nötig. Aber man kann nicht mit der Theorie entwerfen, und es gibt andere Wege, um Konstruktionen zu entwerfen, die sehr haltbar sind, auch wenn sie sich einer Analyse widersetzen. Wo fängt nun der Architekt Candela an? Er wird viel­ leicht ein bißchen durch den Bauingenieur in den Schatten gestellt. Zum mindesten, wenn Candelas Äußerung zitiert wird: ,,Ich fühle mich täglich immer weniger als Architekt, ich verliere Interesse daran, Grundrisse, Fensterdetails und ähnliches Zeug zu machen", und wenn Colin Faber schreibt, nur wenig Zauber bliebe in einem Konzept Candelas übrig, wenn die „Architektur" hinzugefügt worden sei, dann vermutet man, daß irgend etwas bei dem Ge­ bäude als Ganzem falsch ist. Aber glücklicherweise sind die meisten Bauten Candela. = - X Ilft. (2a) +Winkel sein; XOZ und YOZ sind rechte Winkel. Dies Öx c5y uJ die einfachste unter allen Gleichungen zweiten Grades, + c5{}y = - Y sinw (2b) die drei Koordinaten jedes Punktes fixieren. Wenn die j.!_ Öx öy Ltitebenen einen rechten Winkel bilden (w = 90°), ist das (2c) rbolische Paraboloid gleichseitig oder rechtwinklig; bei r{}" + t {}1 + 2 s-r = (p X+ q Y - Z) sinw

Abb. 7: Hyperbolisches Paraboloid, begrenzt durch Hauptparabeln

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SEILLINIENGEWÖLBE Die ersten Schalen

Entwurf einer . Schule tn . S parbauweise

26

Im Sommer 1949 baute Candela versuchsweise sein erstes Seilliniengewölbe nach einigen Vorbildern, die während des zweiten Weltkrieges1) in England er­ richtet worden waren. Der Erfinder dieser Gewölbe scheint Kurt Billig2) gewesen zu sein, und das von ihm benützte System nennt sich „Ktesiphon", nach einem altsyrischen Palastgewölbe. Die Worte Seillinie und Kettenlinie sind Synonyme für eine Schale von gleichbleibender Dicke, clie nur auf Druck beansprucht ist und also keinerlei Beweh­ rung bedarf. Die Schalung war aus Sackleinwand, an hölzernen Bögen befestigt, und nach Aufbringen des Betons hingen clie Säcke entsprechend der Ketten­ linie zwischen den Bögen durch. Die so entstandenen Wellen und Grate gaben der Schale erhöhten Wider­ stand gegen Verformung. Zwei Jahre später baute Candela ein ähnliches Ge­ wölbe für eine kleineLandschule,clie im Dschungel bei Ciudad Victoria versteckt liegt. Die Bögen für die Schalung und das gesamte Material konnten mit einem einzigen Lastwagen befördert werden. Der Erfolg clieses Versuchs regte Candela dazu an, sich ausschließlich dem Bau von Schalen zu widmen. Es war wichtig, etwas Ungewöhnliches vorzuschlagen, um in dem grausamen Wettbewerb des mexikanischen Baumarktes zu überleben. ,,Sonderbarerweise", be­ merkt Candela, ,,begegnete man den Betonschalen, trotz der mexikanischen Überlieferung kühner Ge­ wölbekonstruktionen, mit beträchtlichem Mißtrauen. ie wurden wegen der Bodenverhältnisse und häufi­ gen Erdbeben allgemein für unsicher gehalten."

) nmcrkungcn auf Seite 239

Versuchsgewölbe, San Bartolo, Mexiko; 1949

Landschule bei Ciudad Victoria (unten), Tarnaulipas; 1951. Mit Leon de 1a Barra

Anfangs hatte Candela keine Auftraggeber. Außer­ halb seines engeren Freundeskreises hatte er wenig Beziehungen und war unter den mexikanischen Archi­ tekten praktisch unbekannt. Im Frühjahr 1950 traf er einen alten Freund, den Architekten Fernando Fernandez. Dieser hatte gerade den Bau einer Druckerei aus zylindrischen Schalen für seinen Vater in San Bartolo beendet, deren Konstruk­ tion einem brasilianischen Ingenieur übertragen wor­ den war. Sie beschlossen, eine Firma ausschließlich für den Bau von Schalenkonstruktionen zu gründen. Fernandez hatte für die Aufträge zu sorgen und Can­ dela für den Entwurf der Schalen. So entstand Cubier­ tas Ala, S. A., ,,Spezialisten für industrielle Architek­

KONOIDE

Sheddächer

tur".

Im Hof der Fabrik Fernandez begann Candela ein Konoid zu bauen. Die Schale hatte über einer Spann­ weite von 15 x 6,00 m eine gleichmäßige Dicke von 3 cm und wurde im Oktober 1950 fertiggestellt. Die

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-Eje de simetr-ia

Grundriß, Aufriß, Schnitte und Detail Tiranle (4/ZJ 3//)-Zugstangen (40 19 mm) E11 de Simelrla - Symmetrieachse Alambron de IZJ 1// a 20 cmJ, tn /01 do; untidoJ Rundeisen 0 6,3 mm alle 20 cm in beiden Richtungen 15 x 30 cm;, con 4/ZJ 5/t - 15 x 30 cm mit 40 16 mm

1

einzige Abweichung von ähnlichen französischen Konoiden war die Verwendung von Zugstangen über dem Dach. Aus übertriebener Vorsicht benützte Candela eine zu tcifc :\iischung, um einen satten Beton zu erzielen, was zu einer schlechten Bindung zwischen Zement und Kies führte. Die Kiesel fielen zum Teil beim Auschalcn heraus, und die so entstandenen Löcher er­ abcn keine allzu schöne Untersicht. Die chalung stand in Sandkisten, um eine gleich­ mäßige enkung zu ermöglichen, so daß die Kontruktion beim Ausrüsten normalen Spannungen aus­ gc ctzt blieb. Als der Sand entfernt wurde, klebte jedoch ein Teil der Schalung an der Decke und mußte IIllt Gewalt heruntergerissen werden. Die Prozedur hatte keinerlei nachteilige Folgen, was Candela zu der nnahme führte, daß meistens die „gleichmäßige" bsenkung eine Zeitverschwendung ist. Seiner Mei­ nung nach „muß man bei großen Schalen sehr vor-

sichtig mit dem Ausschalen sein, kann aber normaler­ weise die Schalung wie üblich entfernen, sei es von der Seite oder in der Mitte anfangend, solange man dabei die Symmetrie der Konstruktion berücksichtigt".

Die Schale entspricht dem Prinzip des Dmckgewölbes inso­ fern, als die Leit/euroe eine Kellenlinie ist (eine Seillinie gleichmäßiger Belastung), mit anderen Worten: Die Druck­ linie der Belastungfällt mit der Schwerlinie des Querschnills zusammen, so daß nur Dr11ckspann11ngen an sämtlichen Punkten des Bogens auftreten. In diesem Gewölbe folgt nur die milllere Rippe der Kellen­ linie, während die beiden anderen leicht davon abweichen. Praktisch kann man das Gewö'lbe eine zylindrische Schale nennen, wenn auch die Gewiilbeansätze leicht verzogen sind. Die dort auftretenden unbestimmten Kräfte müssen von der Schale selbst aufgenommen werden. Die Berechnungen stützen sich auf eine Abhandlung von Fauconnier3.

Femandez-Fabrik (Ver1.uchsgewölbe), San Bartolo, Mexiko; 1950. Mit Rau! Femandez 1

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Sport-Fabrik Pinedo, Nativitas, Stadt Mexiko; 1951; mit Rau! Femändez

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KURZE UN D LANGE TONNEN Einfache Beiipiele

Abgesehen von der Dicke besteht kein grundsätz­ licher Unterschied zwischen Stein- oder Backstein­ gewölben und Tonnen und kurzen Zylinder- oder sphärischen Schalen aus Stahlbeton. Selbst die Dünn­ wandigkeit ist keine spezielle Eigenschaft der Beton­ gewölbe. ,,In meiner Jugend", sagt Candela, ,,habe ich beobachtet, wie spanische Maurer aus dem Ge­ dächtnis Gewölbe und Kuppeln mit nur 2,5 cm dicken Hohlziegeln ( rasilla genannt) errichteten. Die Decken­ stärke betrug selten mehr als 8 cm und manchmal sogar nur 4 cm, und das aus Hohlziegeln. Tatsache ist, daß selbst das Aufreißen komplizierter Bauteile - wie Rampen für Wendeltreppen - den gelernten Maurern am Bau überlassen wurde." ach dem Bürgerkrieg wurden infolge Stahlmangels noch mehr Ziegelgewölbe in Spanien ausgeführt. Solche Bauten brauchen nur angenähert berechnet zu werden. Die Wahl der geeigneten Form, eine grobe Bestimmung der größten Normalspannungen und Aussteifungsbögen in den am Mittelmeer üblichen Abständen ist alles, was verlangt wird. Stahlbetonschalen haben offensichtliche Vorteile gegenüber Ziegelgewölben. Sie nehmen Zug- und Biegespannungen auf und können mit erstaunlicher Schnelligkeit von ungelernten Arbeitern errichtet werden. In den ersten Monaten des Jahres 1951 baute Candela verschiedene zylindrische Schalen - darunter die Fabrik Pinedo Deportes mit Tonnen desselben Aus­ maßes wie bei Fernandez, aber leichter als diese. Für das Dach der Kegelbahn „Marsella" benutzte er eine Reihe von kurzen Tonnen oder Seilliniengewöl­ ben, 15 m lang, mit Zugbändern darüber. Die Kämp­ fer liegen im Gewölbe selbst und übertragen als flache Scheibenbalken den Gewölbedruck auf die Auflager.

Die Idee der Kämpferbalken stammte von Robert Maillarts berühmter Ausstellu11gshalle in Ziirich4). Obwohl die Kämp­ ferpartien der Schalen in ihrer Eigenschaft als Balken Biege­ momente aufzunehmen haben, kö)men diese mit Rücksicht a1if die Ausmaße des Gewölbes und seiner unbedeutenden Kriim,mmg in der betreffenden Zone vernachlässigt werden. 1/Venn aber ein kt1rzes Gewölbe (durch Vergrößerung der Spannweite in Llngsrichtung) in ein Tonnengewölbe ver­ u·andelt wird, vergrößert sich der Wirkungsbereich des Bal­ kens und die Krümmung fängt an eine Rolle zu spielen. In diesem Fall müssen die Ringmomente berücksichtigt werden, weil sie einen entscheidenden Einfluß atif den Gesamtent­ wurf haben.

Candelas Arbeit mit seiner eigenen Firma unterschei­ det sich sehr von der eines durchschnittlichen Inge­ nieurs. Sein Steckenpferd war seit jeher die Analyse, und um seine Bauaufträge zu Festpreisen ausführen zu können, mußte er die Baukosten niedrig halten, was ihn zu neuen und schnelleren Entwurfmethoden veranlaßte. ,,Jahrelang", erklärt er, ,,verführte mich der von den deutschen Ingenieuren geschickt ge­ zogene mathematische Vorhang dazu, die Schalen­ bauweise für das Reservat einer Elite glänzender Theoretiker zu halten." Daher kommt seine Abnei­ gung gegen die elastische Berechnungsweise: ,,Die Elastizitätstheorie war jahrelang ein nützliches Werk­ zeug. Sie gibt uns eine Vorstellung davon, was in einer Konstruktion vor sich geht. Aber es war ein so brauchbares Werkzeug, daß die Leute vergaßen, hierin nur einen von vielen Wegen zu sehen. Besonders wenn junge Leute glauben, es gäbe nur einen Lösungs­ weg, muß die Entwicklung von konstruktiven Ideen darunter leiden."

Kegelbahn Marsella, Juarcz, Stadt Mexiko; 1951. Architektonischer Entwurf: Jose Dorningo Samperio

Lagerhalle Pisa, San Bartolo, Mexiko; 1951. Architektonischer Entwurf: Jose Luis Certucha

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Die Berechnung der langen Zylinder des Lagerhauses Pisa folgte der Bruchtheorie statt der Elastizitäts­ theorie, die ein sehr viel umständlicheres Verfahren nötig macht. Die Anhänger der Elastizitätstheorie haben eine einzigartige Lösung vorgeschlagen, indem sie die Materialien als vollkommen elastisch annahmen. ,,Wenn das der Fall wäre", schrieb Freudenthal 19486), „gäbe es keine sichere Konstruktion, selbst unter normalen Voraussetzungen." Candela machte sich ein Bild davon, was geschehen muß, ehe eine Schale bricht, und schrieb: ,,Unsere Untersuchung kann sich auf irgend einen Gleichgewichtszustand beschränken, den die Konstruktion in einem Zwischenstadium vor dem Zusammensturz annehmen würde." Die Pisa-Gewölbe haben Randbalken, und benach­ barte Schalen sind durch Fugen getrennt. ,,Zu jener Zeit war ich mir noch nicht der Vorteile des Zusam­ menhangs bewußt", sagt Candela. Eine Folge der Randbalken war, daß die Stütze in der Nähe der Fuge riß (wegen der Einspannmomente am Auflager). Hier ist also die erste wellenförmige Platte Candelas, eine Form, die im Prinzip dem Tonnengewölbe gleicht. Aber wegen der geringeren Dimensionen kann man die Ringmomente vernachlässigen.

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Abb. 1: Grundriß, Schnitt

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STRUKTUR Die Berechnung frt unmittelbar aus einem Aufsatz von K. W. Johansen6) abgeleitet, der die sogenannte „Balken­ Methode" erklärte. Die Tonne wird darin wie ein hohler Balken aufgefaßt. Die willkiirliche Bestimmung der neu­ tralen Achse ergibt den Hebelarm der inneren Kräfte, welche die äußeren Momente aufnehmen müssen. Die Werte fiir die Druckkrafte in der Längsrichtung des Betons und die I Fläche der Hauptzugbewehrung ergeben sich durch einfache �1 1 Berechnung. I Die Sch11bspannungen und die Bewehnmg werden wie in ,,\ 11 1'1/ /_/. , einem Balken_ berechnet. Die Ringmomente werden statisch Abb. 2: Leitkurve ermittelt, indem man das Gleichgewicht in einen Querstreifen konstanter Breite, der den vertikalen Lasten ausgesetzt ist, kleine wellenförmige Platte gespannt, die aber infolge in Betracht zieht und die Differenz zwischen den Schub­ eines Fehlers in der Schalung in der Mitte durchhing. kräften an den beiden Querschnittsufern, die den Streifen Obgleich schwere Belastungsproben ihre Standfestig­ begrenzen. Die.re Differenz wird als Kraft tangential zum keit erwiesen, wurde sie durch eine neue wellenför­ Querschnitt eingesetzt. Die Methode ist in der Berechnung Junior-Club mige Schale von doppelter Spannweite ersetzt. Ailura util - Nutzhöhe du Junior-Clubs beschrieben (S. 37). Ctnlro de compruiontJ de la Jtmibovtda Eine weitere Abhandlung von johansen (viel/eicht die wich­ Schwerpunkt der Druckkräfte tigste, die je über Tonnengewölbe verfaßt wurde) beschreibt ANALYSE in der Gewölbehälfre einen un.rymmetrischen Entwurf, der mit den klassi.rchen Methoden1) niemals hätte gelöst werden können. Sie enthält Das Dach besteht aus fünf zylindrischen Tonnen, von denen zona de comprtJionu - Druckzone Ctntro de Trauionu en la Jtmiboveda die Berechnungen und gleichzeitig das Ergebnis einer Druck­ jede 12 m lang und 5 m breit ist (Abb. 1). Die Tonnen Schwerpunkt der Zugkräfte probe an einem Bakelit-Modell. Messungen an der ausgefiihr­ sind in der Que"ichtung aneinandergereiht, d .h. sie hängen in der Gcwölbchälftc ltn Konstmktion zeigten, daß die statische Wirkungsweise monolithisch zusammen entlang den E eugenden ihrer Kämp­ Altura Iota/ - Gesamthöhe rz der Schale der Berechnung entsprach. fer. Sie sind getragen von Binderscheiben aus Stahlbeton an Armadura de lracü6n - Zugbewehruni Die Tonnengewölbe des Junior-Clubs wurden im den Enden der Wölbung und Ziege/mauern entlang den äuße­ Murtlt dt labique - Füllmäuerchen Timpano de concrtlo - Giebelfeld aus Beton April 1951 begonnen. Anfänglich hatte man eine ren freien Kanten oder Erzeugenden. I I

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Die Querschnittskuroe der einzelnen Tonnen setzt sich aus drei Kreisbögen zusammen, die dt1rch zwei gerade Stücke von 40cm miteinander verbunden sind , wobei eit1e Scheite/hone vot1 88cm entsteht (Abb. 2). Die gleichmäßige Dicke der Schalen ist 6,cm. Daten

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Abb. 3: a. Schubspannungen; b. Quermomcme

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Last (Eigengewicht, Nutzlast , Putz und Dachdeckung): Gesamt P = 250kg/m2 Last pro lfdm der Tonne :

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Winddruck brauchte nicht berücksichtigt zu werden; bei derart flachen Gewöiben tritt ho·chstens Sog auf

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Bestimmung der Längsbewehrung und Nachweis der maximalen Druckspannungen im Beton.

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Die Größe der Druckzone sollte den A ngaben der Kon­ struktionszeichnungen entsprechend bestin,mt sein durch die Schnittpunkte der Querschnittskuroe mit den Radien, die in einem Winke/von 10° zur Senkrechten gezogen sind (ß = 10°). Länge der Druckzone :

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Abb. 4: Momemencliagramen für End- und Mittelgewölbe

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lp= 2 X 3,31 X fSO = 1,155m Schwerpunkt der Druckzone, unter der Annahme, daß alle Druckspannungen gleich sind: 0,17]2 Schwerpunkt = 3,31 1- 1 ) = 0,025 m vom höch0, 745 sten Punkt der Querschnittskuroe. Der Schwerpunkt der Hauptbewehrung ergab einen Hebel­ arm der inneren Spannungen von 88cm. Das größte Biegemoment der Lasten:

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P/2 fJJJxfJ� = 24 400mk�o M= 8 = 8 ht = 0,88 m Gesamte Druckkräfte im Beton 1md Zugkräfte im Stahl: 24400 M D = Z = ht =o ja= 27750kg Dn1ckspannung im Beton:

BOVEDA EXTREIIA

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IIOVEDA CEHTRAL

ab =

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Zugbewehrung:

= 40kgfcnr

F, = 28,40cm2 (10 0 18mm)

Vertikale Komponente:

Zugspanmmg im Stahl: _ 27750

_ a,- 2840 - 976 kg/cm2

Es konnte ein ,nagerer Beton mit einer zulässigen Druck­ festigkeit von 100-120 kgfcm2 benützt werden. Bestimmung der Ringmomente In einem Gewöfbestreifen konstanter Breite muß Gleich­ gewicht bestehen zwischen den darauf einwirkenden äußeren Lasten und den auf die Liingseinheit entfallenden zusätz­ lichen Schubkräften; aber obwohl die Resultierenden beider Kräfte übereinstimmen müssen, ist ihre Verteilung inner­ halb des Querschnitts nach Größe und Richtung verschieden. Statische Gleichgewichtsverhältnisse im Querschnitt ver­ langen, daß Biegemomente in Querrichtung vorhanden sind, deren Größe in jedem Punkt bestimmt wird, indem die Momente der Kräfte von links nach rechts berücksichtigt werden. Diese Kräfte sind keine anderen als die Lasten und die zlfsätzlichen Qlferkräfte. Beide werden pro Oberßächen­ einheit angegeben. Lasten: P= 250 kgfm 2 Schubkraftzunahmeje lfdm: P

I= 2bi

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=

770 kgfm2

Die ersteren sind senkrecht, die letzteren tangential zur Leitkurve und haben einen konstanten Wert t innerhalb der Zugzone ( der sich gleichmäßig in der Druckzone vermin­ dert). Es war einfacher, eine gleichmäßige Verteilung der Schub­ spannungen mit dem Wert t zwischen den P11nkten 01 1md 80 anzunehmen und keine zwischen 80 und 9 ( Abb. Ja). Dieser Amtausch hatte fast keinen Einfluß auf das Endergebnis. Jede Schale w11rde zunächst als 11nabhängig und von den anderen abgetrennt angenommen. Die Momente in Punkt 1 und 2 und die Resultierende der Kräfte links von Punkt 2 wurden durch graphische Annähemng ermittelt. to/ = 0,20 X 770= 154 kg 112 = 0,40 X 770 = 308 kg P01 = 0,30 X 250= 75 kg } senkrecht P12 = 0,40 X 250= 100 kg 1111 = - 75 X 0,135 154 X 0,02= 13,18 kgm m2 = 75 X 0,46 100 X 0,165 154 X 0,09 = 64,80 kgm

-

-

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Resultierende der Kräfte links von Punkt 2 ( Abb. 3 b) Horizontale Komponente:

H2= 154 X cos 24 ° + 308 X cos 35 ° = 393 kg nach rechts

V2= P01 + P 12 = 64 kg

-

154

X

sin 24 ° -308

X

sin 35 ° nach oben

Zur Ermittlung der Momente in den Punkten 3 bis 9, die auf denselben Kreisbögen liegen, w11rde die folgende Tabelle von Formeln benutzt ( Abb. 3 b): M"' = M ,, = M1 = MH2 = Mv2 =

m2 + m,, + mt + 111H2 + mv2 - pR2 [ cosa cos(a