Bundeswehr und Umweltschutz: Das Umweltsonderrecht als Teil des Verwaltungssonderrechts der Bundeswehr [1 ed.] 9783428495870, 9783428095872

Die Bundeswehr nimmt durch vielfältige Aktivitäten die Umwelt in Anspruch. Der normale Dienstbetrieb, Übungen und Manöve

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Bundeswehr und Umweltschutz: Das Umweltsonderrecht als Teil des Verwaltungssonderrechts der Bundeswehr [1 ed.]
 9783428495870, 9783428095872

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ULRICH REPKEWITZ

Bundeswehr und Umweltschutz

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M ich a e I Klo e p fe r, Beriin

Band 89

Bundeswehr und Umweltschutz Das Umweltsonderrecht als Teil des Verwaltungssonderrechts der Bundeswehr

Von Ulrich Repkewitz

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Repkewitz, Ulrich: Bundeswehr und Umweltschutz: das Umweltsonderrecht als Teil des Verwaltungssonderrechts der Bundeswehr I von Ulrich Repkewitz. Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 89) Zug\.: Mainz, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09587-1

Alle Rechte vorbehalten

© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-09587-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 §

Vorwort Diese Untersuchung hat dem Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 1997/98 als Dissertation vorgelegen. Für die Veröffentlichung sind Änderungen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie Stellungnahmen in Schrifttum und Judikatur bis zum 31. Mai 1998, vereinzelt auch dariiber hinaus, berücksichtigt worden. Bei einer Arbeit, deren Entstehung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, gibt es viele Menschen, die mit Rat und Tat, Ermutigung und gelegentlich auch Ungeduld geholfen und die Fertigstellung gefördert haben. Sie alle namentlich zu nennen, ist unmöglich. Ihnen sei daher an dieser Stelle gemeinsam gedankt. Besonderen Dank schulde ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Hans-Wemer Laubinger, an dessen Lehrstuhl ich seit vielen Jahren tätig sein darf und der diese Arbeit angeregt und betreut hat. Von ihm habe ich sehr viel gelernt. Die Freiheit zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit, die ständige Diskussionsmöglichkeit, das offene Ohr und die Unterstützung nicht nur in dienstlichen, sondern auch in privaten Dingen und die gute Atmosphäre am Lehrstuhl haben mir sehr geholfen. Danke! Unter den Freunden und Kollegen gilt mein besonderer Dank Dr. Andreas Haratsch und Dr. Dieter Kugelmann, nicht nur, aber auch für viele gute Gespräche und für die so selbstverständlich gewährte Unterstützung. Danken möchte ich darüber hinaus Herrn Univ.-Prof. Dr. Dieter Dörr für die bereitwillige Zweitbegutachtung und dem Zentrum für Umweltforschung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz für die finanzielle Förderung der Arbeit. Großen Dank schulde ich außerdem Herrn Univ.-Prof. Dr. Christoph Huber und seinem Team, ohne die diese Arbeit nicht fertiggestellt worden wäre. Schließlich möchte ich mich bei meinen Eltern, Werner und Erika Repkewitz, für den Rückhalt und die Unterstützung bedanken. Last but not least danke ich meiner Frau, Gabriele Lobrum. Sie hat - nicht allein und nicht nur den Part der Ungeduld übernommen. Sie hat die kleinen Freuden und die Kümmernisse bei der Entstehung aus nächster Nähe miterlebt. Ihr widme ich die Arbeit - trotz des Themas. Bischofsheim, im August 1998

Ulrich Repkewitz

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil Einleitung

15

Zweiter Teil Bestandsaufnahme: Umwelt rechtliche Sonden'orschriften für die Bundeswehr

19

§1

Begriff des Umweltrechts ................ ........... ................................................

19

§2

BWldeswehrspezifisches Umweltrecht........... ........... ................................... A. VollregelWlgen..................................................................................... B. TeilregelWlgen ........................................ ...... ...... ................................. I. Allgemeines Umweltrecht ......... .............. ...................................... I. Umweltverträglichkeitsprüfung .................. ...... ......................... 2. Zugang zu Umweltinformationen.............................................. 3. EntWUrfe ftlr ein Umweltgesetzbuch.......................................... 11. Besonderes Umweltrecht .................... ........................................... I. Medialer Umweltschutz................................ ...................... ...... 2. Kausaler Umweltschutz ....................................... , .... .... ............ 3. Vitaler Umweltschutz ...................................................... ......... 4. Integrierter Umweltschutz......................................................... a) Konvergierender integrierter Umweltschutz.......................... b) Konkurrierender integrierter Umweltschutz....................... ... ill. Sonstige Materien des Besonderen Verwaltungsrechts ...... ........... ...

23 23 24 24 24 25 25 26 26 33 42 43 43 46 54

Dritter Teil Das Umweltsonderrecht der BundeswehrAllgemeiner Teil

67

Gegenstände spezieller RegelWlgen .................... ........................................

67

§3

8 §4

§5

Inhaltsverzeichnis Verwaltungszuständigkeiten des Bundes.. ......................................... .......... A. Erscheinungsfonnen ............................................................. ................ I. Vollzugszuständigkeiten................................................................ I. Gesamtvollzugszuständigkeit .................................................... 2. Einzelvollzugszuständigkeiten ............. .... .. ... .. ............. ............. a) Überwachung ...................................................................... b) Überwachungskonsequenzen................................ .... ............ c) Verteidigungsspezifische Ausnalunen................................... d) Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien ...... e) Letztentscheidung .............. .................................................. t) Sonstige Vollzugshandlungen............................................... II. Zuständigkeit filr Verfahrensentscheidungen ................. ................. B. Ressortzuständigkeit............................................................................. I. Bundesminister der Verteidigung .......... ......................................... I. Streitkräfte............................ ........ ........................................... 2. Bundeswehrverwaltung............................................................. II. Andere oberste Bundesbehörden...... ........................ ............... ....... C. Zweck abweichender Zuständigkeitsregelungen .................................... D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit abweichender Zuständigkeitsregelungen ............................................ ............................................... I. Ausfilhrung von Bundesrecht durch den Bund................................ 1. Art. 87d Abs. I Satz I GG............................... ......................... 2. Art. 87c GG ............................................................................. 3. Art. 87b Abs. I Sätze I und 2 GG ............ ................................. 4. Art. 87b Abs. I Satz 3 GG .............. ........... ........................ ....... 5. Art. 84 Abs. I GG ........ ............ ......... ........ .................. ............. 6. Art. 87a Abs. 2 GG................. .. ................................................ 7. Art. 87b Abs. 2 Satz I GG ........ .................... ............. .. ...... .. .. ... 8. Stillschweigende Verwaltungszuständigkeiten .................... ....... a) Zuständigkeit kraft Natur der Sache...................................... b) Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ............ ...... ............ 9. Ergebnisse................................................................................ II. Ausftlhrung von Landesrecht durch den Bund ................................ I. Unterscheidung zwischen Vollzug und Beachtung ..................... 2. Zulässigkeit des Bundesvollzugs von Landesrecht ................ .....

70 70 70 71 72 73 74 74 74 75 75 76 76 76 77 78 78 79 81 82 82 83 83 87 89 89 90 95 97 102 117 118 119 123

Materielle Regelungen................................................................................ A. Erscheinungsfonnen der materiellen Sondervorschriften........................ 1. Geltungsausschluß. ................... ......... .............. ............... ........ ....... II. Abweichungsbefugnis kraft Gesetzes.................. .... .. .... ................. III. Zulassung von Ausnalunen .... .................. ................... ....... .... ........ IV. Positive Geltungsanordnung ................................... ...................... _ B. Bindung an allgemeine materielle Vorschriften .... .............. ............ .......

130 130 130 131 132 132 132

Inhaltsverzeichnis I. Bundesrecht .............................................................. .................... 11. Landesrecht................................................................................... C. Zweck abweichender materieller Anforderungen ................ , .................. D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit abweichender materieller Anforderungen ..................................................................................... I. Privilegierung gegenüber Privaten.................................................. II. Privilegierung gegenüber anderen öffentlichen Verwaltungen......... §6

§8

147 147 154

Verfahren................................................................................................... 156

164 164 165 166 167 168

Kompetenzen der Länder............................................................................ 174 Tatbestände der Sondervorschriften ............................................................ 176

A. Anwendungsmerkmale: Bestimmung des Anwendungsbereichs ........... .. 177

I. II.

§9

132 133 146

A. ,,Fonnelle Polizeipflicht" des Bundes.................................................... 156

B. Erscheinungsformen der Sonderregelungen..................................... ...... I. Ausschluß von Verfahren ................................................ .......... .... II. Punktuelle Verfahrensvorschriften ................................................. III. Verfahrenskonzentration im Verfahren nach § lAbs. 2 LBG .......... C. Zweck abweichender Verfahrensvorschriften ........................................ D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit ....................................................... §7

9

Organisatorische Bestimmung des Anwendungsbereichs ................ Funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs........................ I. Landesverteidigung als Vorhabenszweck. .................................. 2. Der Verteidigung dienen ....................... ..... ............................... B. Voraussetzungsmerkmale: Voraussetzungen der Privilegierung .............

178 179 181 190 194

Vierter Teil Das Umweltsonderrecht der BundeswehrBesonderer Teil

199

Allgemeines Umweltrecht ................................................... ....................... A. Umweltverträglichkeitsprufung........ .............................. ................. ...... I. Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 UVPG............................... ...... II. Ausna1unen................................ ..... ... ........................................... III. Ausschluß der UVP ....................................................................... IV. Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen ................................. V. Verfahren, Entscheidung über eine Abweichung............................. VI. UVP und vorgelagerte Verfahren ......................... ... ....................... B. Zugang zu Umweltinformationen .......................................................... I. Infonnationsanspruch gegen Stellen der Bundeswehr ..................... II. Ausschluß des Zugangsanspruchs (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 UIG) ......

199 199 200 202 205 206 207 209 212 212 215

10 § 10

§ 11

Inhaltsverzeichnis Medialer Umweltschutz.............................................................................. A. Naturschutz.......................................................................................... I. Reichnaturschutzgesetz.................................................... .............. II. Materielle Abweichungen.. ....... .................. ................. .... .. . ........... 1. Altnutzungen (§ 38 BNatSchG) ................................................ 2. Neue Nutzungen ....................................................................... III. Verfahren bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 9 BNatSchG). B. Gewässerschutz .................................................................................... I. Materielle Anforderungen.............................................................. II. Verfahrensrechtliche Sonderregelungen für Gewässerbenutzungen (§ 17a WHG) ................................................................................ III. Abweichende Zuständigkeiten für die Überwachung von Gewässerbenutzungen (§ 21 Abs. 4 WHG) ................................................... c. Inunissionsschutz ................................................................................. I. Materielle Anforderungen.................................................... ....... ... 1. Zulassung von Ausnahmen (§ 60 Abs. 1 BImSchG) ................... 2. Abweichungsbefugnis ............................................................... a) Bei ortsveränderlichen Anlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 BImSchG) ........................... ....... .......... .... ...... ................ ..... b) Bei Kraftfahrzeugen (§ 70 Abs. 4 Satz 1 StVZO) .................. c) Bei der Teilnahme am Straßenverkehr .................................. II. Inunissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren (§ 10 Abs. 11 BImSchG) ........................................................................ III. Zuständigkeiten (§ 59 BImSchG)................................................... 1. Zuständigkeiten nach § 1 der 14. BImSchV ............................... 2. Eigenüberwachung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 der 1. BImSch V ..... 3. Zuständigkeiten aufgrund von Verwaltungsvorschriften.............

219 219 221 221 222 227 228 235 236

Kausaler Umweltschutz.... ......... ................................................................. A. Strahlenschutz........................ ...... ........................................................ I. Zuständigkeiten nach § 24 Abs. 3 AtomG ...................................... II. Einfuhr und Ausfuhr sonstiger radioaktiver Stoffe (§ 11 Abs. 3 StrISchV) ...................................................................................... III. Zuständigkeiten nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StrVG ............................. B. Gefahrstoffe. ........................................................................................ I. Materielle Anforderungen .............................................................. 1. Geltungsbereich des GefahrstofTrechts ...................................... 2. Zulassung von Ausnahmen (§ 24 Abs. 2 ChemG) ...................... II. Zuständigkeiten (§ 24 Abs. 1 ChemG) ........................... ........... ..... C. Gefahrgutbeförderung. .......... .... ................. ............. .............................. I. Materielle Anforderungen.................. ... .............. ............ ....... ........ 1. Geltungsausschluß ................................................................ .... 2. Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen.......................

288 288 288

238 243 248 249 250 264 264 267 268 271 279 280 284 286

291 294 295 296 297 300 303 306 309 310 312

§ 12

lnhaltsverzeiclmis

11

II. Zuständigkeiten.. ......................................................... ...... ............ D. Abfallbeseitigung ......... ............ .......... .................. ... .................. ........... I. Verwertung und Beseitigung militäreigentümlicher Abfälle... ... ...... II. Zuständigkeiten (§ 58 Abs. I KrW-/AbfG)..................................... III. Zulassung von Ausnahmen (§ 58 Abs. 2 KrW-/AbfG) ....................

315 317 318 320 323

Vitaler Umweltschutz......... ......... ........... .............. ... .................. ...... .. ......... 330

A. Artenschutz .......................................................................................... 330

B. Schutz des Waldes.................... ..................... .................. .... ................. 331 I. II.

§ 13

Materielle Anforderungen.............................................................. 333 Verfahrensvorschriften (§ 45 Abs. 2 BWaldG) ............ ...... ............ . 340

Integrierter Umweltschutz: Luftverkehr .. :... .......... ...... .............. .... ........ ....... 343

A. Materielle Anforderungen......................... ... ................. ... ... .................. 346 I. Allgemeines (§ 30 Abs. 1 Satz I LuftVG) ...................................... 348 II. Anlegung und Änderung militärischer Flugplätze (§ 30 Abs. 3

LuftVG) ........................................................................................ III. Verhalten im Luftraum (§ 30 Abs. 1 Satz 3 LuftVG) ...................... B. Verfahren ............................................................................................. 1. Allgemeines......................................... ..... ....................... ............. II. Anlegung und Änderung militärischer Flugplätze (§ 30 Abs. I Satz 2, Abs. 3 LuftVG) .................................................................. C. Zuständigkeiten (§ 30 Abs. 2 LuftVG) ..................................................

357 359 364 364

366 370

Fünfter Teil Zusammenfassung und Ergebnisse

373

Literaturveneichnis....... .......... ..... ............ .......... ..... ...... ...... ...... ... ... ... ... ............. 381 Sachregister... ......... .......................... .............. ....................................... .............. 399

Abkürzungsverzeichnis ArbSchG

Gesetz über die Durchfllhrung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbessenmg der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) vom 7.8.1996 (BGBL I S. 1246), zu!. geändert durch G. vom 24.3.1997 (BGB\. I S. 594)

AP

Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts

APF

Archiv für das Post- und Fernmeldewesen

Bw

Bundeswehr

BWV

Die Bundeswehrverwaltung (Zeitschrift)

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.3.1957 (BGBI. II S. 766)

HdUR

Handbuch des Umweltrechts, hrsg. von Kimminich, von Lersner und Storm

HdUVP

Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, hrsg. von Storm und Bunge

HStR

Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von Isensee und P. Kirchhof

LBA-G

Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt

LBG

Landbeschaffimgsgesetz

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

NuL

Natur und Landschaft (Zeitschrift)

n.v.

nicht veröffentlicht

NZWehrr

Neue Zeitschrift fUr Wehrrecht

RNatSchG

Reichsnaturschutzgesetz

TransportR

Zeitschrift für das gesamte Recht der Güterbeförderung, der Spedition, der Versicherungen des Transports, der Personenbeförderung und der Reiseveranstaltung

UA

Urteilsabdruck

UTR

Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts

UVP-RL Bw

Richtlinie des BMVg für die Durchfilhrung von § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Bundeswehr vom 31.1.1992 (VMBI. S. 131)

AbkUrzungsverzeichnis

uvu

Umweltverträglichkeitsuntersuchung

vr

Verwal tungsrundschau

WBV

Wehrbereichsverwaltung

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZAU

Zeitschrift ftlr angewandte Umweltforschung

zu!.

zuletzt

ZUR

Zeitschrift ftlr Umwe\trecht

13

Hinschtlich der übrigen verwendeten Abkürzungen verweise ich auf das Werk von Hildebert Kirchner, Abkürzllngsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Aufl., BerlinlNew York 1993.

Erster Teil

Einleitung Die deutsche Rechtsordnung kennt eine Fülle von Normen, die an den Bestand von Streitkräften in Gestalt der Bundeswehr anknüpfen. Sie sind im Verfassungsrecht 1 ebenso anzutreffen wie im Zivilrecht2, im Strafrechf und im Strafprozeßrecht4 • Duen Schwerpunkt haben sie im Verwaltungsrecht5 . Allein die verwaltungsrechtlichen Vorschriften für die Bundeswehr sind Gegenstand dieser Untersuchung. Das schließt nicht aus, daß einzelne Bundeswehr-Vorschriften vor allem des Grundgesetzes in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Denn Verwaltungsrecht ist vor allem konkretisiertes Verfassungsrecht6 . Regelungstiefe der Sondervorschriften

Die verwaltungsrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr regeln eine Materie nach streitkräftespezifischen Kriterien7 . Hinsichtlich der Regelungstiefe sind zwei Regelungsmodelle zu unterscheiden. Vollregelungen normieren ein Rechtsgebiet umfassend und weichen streitkräftespezifisch von den allgemeinen Regelungen ab. Sie beschränken sich nicht auf die Normierung der Abweichungen. Nach ihrem Geltungsanspruch ist zu differenzieren zwischen zwingenden und fakultativen Normen.

I

Vgl. Art. 17a, 65a, 73 Nr. I, Art. 87a, 87b GG.

2

Vgl. etwa § 570 BGB.

Vgl. §§ 89, 109 fT., 113 StGB, §§ 112a fT. JGG, § 114 OWiG wld das WehrstrafD vom 30.3.1957 i.d.F. der Bek. vom 24.5.1974 (BGBl. I S. 1213), zul. geändert durch G. vom 26.1.1998 (BGBI.I S. 164). 4 Vgl. § 105 Abs. 3 StPO. 3

5

Dazu ausführlich unten § 2.

Vgl. Werner, "Verwaltungsrecht als konkretisiertes Vertassungsrecht", DVBl. 1959 S. 527 fT. 6

7

Lerche, FS Dürig, S. 401 fT.,401.

16

Erster Teil: Einleitung

Zwingende Vollregelungen verdrängen in ihrem Geltungsbereich die allgemeinen Bestimmungen. Beispiele hierfür bieten das Dienstrecht für die Soldaten und Wehrpflichtigen8 und das Sicherheitsrecht9 . Fakultative Vollregelungen nonnieren eine Materie ebenfalls umfassend. Sie verdrängen die allgemeinen Bestimmungen jedoch nicht, sondern ergänzen sie. Fakultative Normen sind nur dann anwendbar, wenn die Bundeswehr ihr Ziel mit den allgemeinen Vorschriften nicht erreichen kann. Solche Vorschriften enthält vornehmlich das Beschaffungsrecht im Landbeschaffungsgesetz (LBG)\O und im Bundesleistungsgesetz (BLG)II. Weder die Möglichkeit eines freihändigen Erwerbs (§§ 2 ff. LBG) oder der Enteignung (§§ 10 ff. LBG) von Grundstücken noch die Möglichkeit der Anforderung von Sachen oder Leistungen nach dem BLG verdrängen die allgemeinen zivilrechtIichen Bestimmungen über Kauf-, Überlassungs-, Dienstleistungs- oder sonstige geeignete Verträge l2 . Es ist der Bundeswehr unbenommen, ihren Bedarf als Marktteilnehmer auf zivilrechtIichem Wege zu decken. Die Möglichkeiten, die die Beschaffungsgesetze vorsehen, stehen ihr zusätzlich zum Zivilrecht zur Verfügung. Während Vollregelungen typischerweise in eigenen Gesetzen enthalten sind, sind Teilregelungen in allgemeine Gesetze eingebunden. Sie modifizieren deren Regelungen in mehr oder minder weitem Umfang. Dieser ist je nach dem Sachgebiet sehr verschieden und kann in die Nähe von Vollregelungen führen13 . Teilregelungen sind in nahezu allen Bereichen des Besonderen Verwal8 Vgl. die grundsätzlichen Regelungen im Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz) i.d.F. der Bek. vom 15.12.1995 (BGBI. I S. 1737), zul. geändert durch G. vom 4.12.1997 (BGBI. I S. 2846), im Soldatenbeteiligungsgesetz i.d.F. der Bek. vom 15.4.1997 (BGBI. I S. 766), und im Wehrpflichtgesetz i.d.F. der Bek. vom 15.12.1995 (BGBl. I S. 1756, ber. 1996 I S. 103), geändert durch G. vom 25.3.1997 (BGBl. I S. 726). 9 Gesetz über die Anwendung urunittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen (UZwGBw) vom 12.8.1965 (BGBl. I S. 796), geändert durch G. vom 2.3.1974 (BGBI. I S. 469); Gesetz über die Beschränkung von Grundeigentunl für die militärische Verteidigwlg (Schutzbereichgesetz - SchBerG) vom 7.12.1956 (BGBI. I S. 899), zul. geändert durch G. vom 20.12.1976 (BGBI. I S. 3574). 10 Gesetz über die LandbeschatTung flir Aufgaben der Verteidigung (Landbeschaffungsgesetz) vom 23.2.1957 (BGBl. I S. 134), zul. geändert durch G. vom 14.9.1994 (BGBI. I S. 2325). 11 Bundesleistungsgesetz i.d.F. der Bek. vom 27.9.1961 (BGBI. I S. 1769), zul. geändert durch G. vom 14.9.1994 (BGBl. I S. 2325). 12 Danekelmann, LandbeschatTungsgesetz, Einflihrwlg Amn. 4; Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 94 f 13 Das ist etwa dann der Fall, wenn die Geltung eines Gesetzes für den Bereich der Bundeswehr ausgeschlossen wird.

Erster Teil: Einleitung

17

tungsrechts zu finden, ihre Schwerpwlkte haben sie im Umwelt- und technischen Sicherheitsrecht. Ziel der Untersuchung

Im Mittelpwlkt der Untersuchung stehen die Teilregelungen. Sie weisen trotz vergleichbarer Regelungstiefe ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild auf. Das dürfte seinen Grund zumindest teilweise in den unterschiedlichen Entstehungszeiten dieser Normen und in ihrer Einbindung in die jeweiligen Fachgesetze haben. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Teilregelungen in den verfassungsrechtlichen Kontext eingebettet auf eine einheitliche Systematik und etwaige WertungswiderspTÜche zu prüfen. Damit wird die Grundlage geschaffen für eine systemgerechte Fassung neuer Bundeswehrklauseln und für die Überlegungen zu einer Kodifizierung des UmweItrechts, die von verallgemeinerungsfähigen Grundlagen ausgehen14. Gang der Untersuchung

Die Systematisierung wird am Beispiel des UmweItrechts unternommen. Die Probleme einer Zersplitterung der Sondemormen für die Bundeswehr sind bei den Arbeiten zu einem Umweltgesetzbuch 15 besonders beklagt worden 16 Am Beginn steht daher eine Bestandsaufnahme der umweltrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr. Das übrige Besondere Verwaltungsrecht wird, um möglichen Zerschneidungseffekten entgegenzuwirken, in diese Bestandsaufnahme einbezogen. In einem Allgemeinen Teil werden die Sondervorschriften in Fallgruppen zusammengefaßt und in ihre verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen eingeordnet, um ihre Grenzen zu ermitteln. Ihre Voraussetzungen und Rechtsfolgen

14 Der Bestand allgemeiner Rechtssätze für die Bundeswehr wird für das Umweltrecht inzident behauptet, ohne hierfür jedoch den Beweis anzutreten, vgl. Kloepfer/ RehbinderISchmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil -, S.497, 501 ff., und BMU (Hrsg.), UGB-KomE, S. 546. 15 Vgl. die Entwürfe eines Allgemeinen Teils VOll KloepferiRehbinderISchmidt-Aßmann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil-, und eines Besonderen Teils VOll Jarass/Kloepfer/KunigiPapier/PeineIRehbinderISalzwedeIISchmidt-Aßmann, Umweltgesetzbuch - Besonderer Teil - (UGB-BT), sowie den Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommissioll beim BMU (UGB-KomE). 16 KloepferIRehbillderISchmidt-AßmallnIKullig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil-, S. 502 f.; ebenso UGB-KomE, S. 542 f. 2 Rcpkewilz

18

Erster Teil: Einleitung

werden systematisch behandelt17 . Dabei ist vor allem zu klären, ob und inwieweit den unterschiedlichen Formulierungen der Tatbestände sachgebietsübergreifende Anforderungen zugrunde liegen und ob eine "harmonisierende" Auslegung vorgenommen werden kann. Die Rechtsfolgen bedürfen einer differenzierten Betrachtung im Hinblick auf die Auswirkungen für die Bundeswehr18 und - dies ist in der Vergangenheit mehrfach Anlaß für die Untersuchung der Bundeswehr-Vorschriften gewesen19 - auf die Konsequenzen für Dritte, und zwar sowohl für Private wie für andere Hoheitsträger (Länder und Gemeinden)20. Diese Erkenntnisse werden in einem Besonderen Teil auf die einzelnen Teilregelungen übertragen, wobei das Schwergewicht auf den streitkräftespezifischen Abweichungen von den allgemeinen Normen liegt.

17 Ob eine "bestimmende Systematik" im Hinblick auf Freistellungen und Milderungen nicht zu erkennen ist, wie Schoellenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 47, behauptet, wird sich dabei zeigen. 18 Hier ist zum einen an Privilegierungen zu denken, zum anderen aber auch an Konsequenzen aus dem föderalen Aufbau der Bundesrepublik und der entsprechenden Verteilung insbesondere der Verwaltungszuständigkeiten durch das Grundgesetz. 19 Vgl. etwa Burmeister/Bodenheim, Die Rechtsstellung der Gemeinden in der Landesverteidigung~ Ebsen, Militärische Bodennutzung.

20 Hier kommen insbesondere erweiterte Duldungspflichten und Kompetenzverschiebungen zu Lasten der Länder in Betracht.

Zweiter Teil

Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften für die Bundeswehr § 1 Begriff des Umweltrechts Einer Bestandsaufnahme voranzustellen sind Überlegungen zur Umgrenzung des zu sichtenden Teils der Rechtsordnung, hier des Umweltrechts. Bei dieser Begriffsbestimmung geht es nicht vorrangig wn die Erfassung des Umweltrechts als eigenständiges Rechtsgebiet, sondern um die (Nominal-)Definition1 des Umweltrechts für die Zwecke dieser Untersuchung. Das Umweltrecht ist, insoweit herrscht wohl allgemeine Übereinstimmuni, ein eigenständiges Rechtsgebiet. Die systematische Zuordnung der Einzelgesetze und -normen ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Es besteht Einigkeit, daß das Umweltrecht weder nach Gesetzgebungs) noch nach Verwaltungskompetenzen4 von anderen Rechtsgebieten abgegrenzt werden kann. Entscheidend ist vielmehr eine funktionale Betrachtung. Danach werden solche Gesetze, Gesetzesteile und Einzelnormen zum Umweltrecht gezählt, die eine ausdrückliche und spezifische umweltschützende Funktion aufweisen6 . 1 Als Nominaldefinition nimmt der BegrifT des Umweltrechts in dem hier verwendeten Verständnis nicht die Richtigkeit, sondern die Zweckmäßigkeit ftir sich in Anspruch. Vgl. dazu Laubinger, FS Menger, S. 443 fT., 445 f. in Fußn. 9. 2 Vgl. BenderlSparwasseriEngel, Umweltrecht, Rdnr. 1/17 (S. 7); HoppelBeckmann, Umweltrecht, § I Rdnr. 68 (S. 23); Kloepfer, Umweltrecht, § I Rdnr. 60 (S. 53); Steiger, AöR 117(1992)S. 100fT., 101. 3 Dazu ausftihrlich Kloepfer, Systematisierung, S. 71 f 4 Dazu Kloepfer, Systematisierung, S. 72 f 5 BenderlSparwasseriEngel, Umweltrecht, Rdnr. 1/13 (S.5 1'.); HoppelBeckmanll, Umweltrecht, § I Rdnr. 68 (S. 23); Kloepfer, Systematisierung, S. 74 f.; Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 1fT., 11; ders., AöR 117 (1992) S. 100 tf, 101. 6 HoppelBeckmann, Umweltrecht, § I Rdnrn. 69, 70 (S. 23 1'.); Kloepfer, Systematisierung, S. 77; ders., Umweltrecht, § I Rdnr. 61 (S. 54); KloepferlRehbinderlSchmidtAßmanll/Kullig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil-, S. 3 f.; Steiger, in: SalzwedeL Grundzüge, S. 1fT., 10; ders., AöR 117 (1992) S. 100 fT., 104. Dementsprechend hat sich der Professoren-Entwurf des Besonderen Teils eines Umweltgesetzbuches lediglich

2*

20

Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Umstritten ist die Abgrenzung bei der Einordnung lediglich umweltrelevanter Rechtsnormen. Gegen eine Zugehörigkeit dieser Nonnen zum Umweltrecht wird eingewandt, daß die Sonderrechtskonzeption des Umweltrechts am sachlichen Geltungsumfang der Normen ansetze. Die daraus resultierende Ungleichbehandlung des Umweltschutzes gegenüber anderen staatlichen und gesellschaftlichen Bereichen fordere, diejenigen Aktivitäten, die sich nicht allein als Umweltschutzaktivitäten qualifizieren lassen, aus dem Umweltrecht auszusondern7 • Dem wird entgegengehalten, daß eine solche - rein additive 8 und damit nicht von Zufalligkeiten freie - Bestimmung des Umweltrechts dessen Anforderungen nicht genüge9 • Denn die Einwirkungsvorgänge auf die Umwelt als Lebenswelt des Menschen sind komplex und in weiten Bereichen interdependent1o. Die hier vorgenommene Abgrenzung des Umweltrechts von anderen Gebieten geht von folgenden Überlegungen aus: Das Umweltrecht läßt sich nur funktional von anderen Rechtsmaterien unterscheiden. Umweltschutz hat die Funktion, die Natur und den vom Menschen gestalteten Raum vor Zerstörung zu schützen und eingetretene Schäden zu beseitigenll . Das Umweltrecht ist auf die Bewältigung der durch die technisch-industrielle Zivilisation entstehenden Gefahrdungen der menschlichen Lebenswelt ausgerichtee 2 . Diesen Gefahrdungen wird mit den (vernetzten) Handlungsdimensionen der Abwehr und der Wiederherstellung, der Bewirtschaftung und der planenden Gestaltung begegnet l3 . Nur damit kann der komplexen Wirkungsweise von Umweltgefahrdungen entsprochen werden. Diese Gestalt der Ursachen und die langfristigen Entwicklungen und Auswirkungen umweltrelevanten Handeins machen die Vorsorge zum bestimmenden Strukturprinzip des Umweltrechtsl4 .

mit den umweltspezifischen Materien befaßt, vgl. Kloepfer, JZ 1992 S. 817 ff., 817; ders., DVBI. 1994 S. 305 ff.; Rehbhuler, NuR 1994 S. 213 ff. Die vorn BMU eingesetzte Unabhängige Sachverständigenkornrnission zur Erarbeitung eines solchen Gesetzbuches hat ihre Arbeiten dagegen weiter angelegt, wie Sendler, NVwZ 1996 S. 1145 ff., 1147, berichtet hat. 7 Kloepfer, Systematisierung, S. 75 f; Kloepfer/Rehbinder/Schrnidt-Aßrnann/Kunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil-, S. 3 f 8 Kloepfer, Umweltrecht, § I Rdnr. 65 (S. 58). 9 Steiger, AöR 117 (1992) S. 100 ff., 102 f 10 Steiger, AöR 117 (1992) S. 100 ff., 103 f 11 Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, Rdnr. 115 (S. 3); Ule/Laubinger, Gutachten, B 7. 12 Burgi, NVwZ 1993 S. 954 ff., 954; Steiger, AöR 117 (1992) S. IOD tI, 103. 13 Steiger, AöR 117 (1992) S. IOD ff., 104. 14 Steiger,AöR 117(l992)S. 100tT., 108.

§ I Begriff des Umweltrechts

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Zum Umweltrecht sind danach die Nonnen zu zählen sind, die umweltbezogenes gefahrenabwehrendes, wiederherstellendes, bewirtschaftendes und planerisch gestaltendes Handeln rechtlich erfassen, um die natürlichen und die vom Menschen gestalteten Elemente der Umwelt in ihrer gegenseitigen Verbindung so auszugleichen und nachhaltig zu erhalten, daß sie für sich selbst als auch für die menschliche Existenz auf Dauer funktionsfähig bleiben I5. Diese Begriffsbestimmung des Umweltrechts impliziert die Antwort auf zwei Abgrenzungsprobleme. Zum einen gehören nicht nur die umweltspezifischen, sondern auch die umweltrelevanten Nonnen dem Umweltrecht an16 . Denn insbesondere die planerische Gestaltung des Umweltschutzes ist eingebunden in konkurrierende Belange. Diese Nonnen könnten nur bei einer radikalen Ökologisierung der gesamten Rechtsordnung umweltspezifisch ausgeformt werden. Eine klare Trennung zwischen umweltspezifischen und lediglich umweltrelevanten Nonnen ist im übrigen schon deshalb nicht durchführbar, weil sämtliche staatlichen Eingriffsbefugnisse am Maßstab des - nicht umweltspezifischen - Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen sind. Zum anderen sind solche Nonnen aus dem Umweltrecht auszusondern, die dem Schutz einzelner Menschen, Tiere oder Pflanzen dienen, wie etwa das allgemeine StrafrechtI?, das Tierschutz-, das Gesundheits- oder das Verbraucherschutzrechtl8 . Denn das Umweltrecht schützt Menschen, Tiere und Pflanzen als (kollektive) Teile der menschlichen Lebenswelt, nicht in ihrer Individualität. Die Gesundheit des einzelnen Menschen wird durch das Umweltrecht nur mittelbar geschützt l9 . Das hat seinen Grund darin, daß der umnittelbare Gesundheitsschutz weitgehend individualbezogen ist, während sich das Umweltrecht nach der hier vertretenen Abgrenzung von Nachbargebieten durch seine übergreifende, "kollektive" Funktion unterscheidet. Aber auch die gesundheitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Allgemeinheit, z.B. die seuchenrechtlichen Bestimmungen, gehören nicht dem Umweltrecht an. Denn sie setzen nicht bei einem Teil der Lebenswelt des Menschen, sondern bei dem Menschen selbst als Ausscheider oder potentieller Empfänger von Krankheitserregernan. Vgl. Steiger, in: Salzwede\, Grundzüge, S. 1fT., 10. Hoppe/Beckmanll, Umweltrecht, § 1 Rdnr.71 (S.24); Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 1 ff., 10 f; ders., AöR 117 (1992) S. 100 Ir, 104. I? Anders aber die Bestimmungen des Umweltstmtrechts (§§ 324 tr StGB), vgl. Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § I Rdnr. 70 (S.24); Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 1 ff., 10. 18 Steiger, AöR 117 (1992) S. 100 fT., 105. 19 Kloepfer, Umwe\trecht, § 1 Rdnr. 78 (S. 63). 15

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Das Umweltstrafrecht und das Umweltprivatrecht weisen keine Sondervorschriften rur die Bundeswehr auf. Deshalb kann in dieser Untersuchung der Begriff des Umweltrechts mit dem Umweltverwaltungsrecht gleichgesetzt werden.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht Das bundeswehrspezifische Umweltrecht ist neben dem sachlichen durch ein personelles Abgrenzungskriterium zu kennzeichnen: Es muß sich um Normen handeln, als deren Adressat die Bundeswehr ausdrücklich genannt ist oder die VerwaItungsaufgaben mit ausdrücklichem Bezug zur Bundeswehr begründen oder modifizieren. Das so umgrenzte bundeswehrspezifische Umweltrecht wird nachfolgend zusammengetragen. Eine solche Bestandsaufnalune liegt bisher nicht vor l . Sie ist - bei aller Monotonie derartiger Materialsammlungen - notwendig, um zu zeigen, in welchem Ausmaß bundeswehrspezifische Normen die allgemeine Rechtsordnung überlagern. Um dies zu demonstrieren und der Gefahr sachlicher Verkürzungen zu begegnen, werden die Nonnen nicht nur des Umwelt-, sondern auch - allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit - des übrigen Besonderen Verwaltungsrechts aufgefiihrt. A. Voll regelungen Zunächst ist auf diejenigen Vollregelungen2 hinzuweisen, die zumindest partiell UmweItrelevanz aufweisen und insoweit dem Umweltrecht zuzuordnen sind. Das sind als zwingende Normen die §§ 1 bis 11 SchBerG. Als fakultative Nonnen sind § 1 LBG sowie die §§ 66 ff. BLG zu nennen. Diese Bestinunungen ordnen das Handeln der Streitkräfte durch Planungs- und Bewirtschaftungs-, teilweise auch Gefahrenabwehrmaßnalunen in die rechtlichen Anforderungen zum Schutz (auch) der Umweltfunktionen des Bodens ein. Dabei geht es insbesondere um den Freiramnschutz bzw. den Schutz vor Bodenverbrauch3 , aber auch um eine umweltverträgliche Zuordnung der Nutzungsarten.

I Die Materialsammlungen von DelbnJck, Umweltpflichtigkeit, S. 37 tf., Schoenellbroicher, BlUldesverwaltlUlg lUlter Landesgewalt, S. 38 ff., und von Schönfeider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 96 ff., verfolgen andere Ziele als diese Untersuchung, letztgenannte hat außerdem wegen ihres Alters nur noch eine begrenzte Aussagekratl 2 Zum Begriff siehe oben Erster Teil, S. 15. 3 Kloepfer, Umweltrecht, § 12 Rdnr. 24 (S. 774 f).

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

B. Teilregelungen Innerhalb der Teilregelungen sind drei Gruppen zu unterscheiden: das Allgemeine Umweltrecht, -

das Besondere Umweltrecht und (nachrichtlich) das übrige Besondere Verwaltungsrecht. I. AI/gemeines Umweltrecht

Als al/gemeines Umweltrecht werden hier die verfahrensrechtlichen und organisatorischen Vorschriften bezeiclmet, die allein dazu dienen, Umweltbelange im Verwaltungsverfahren zur Geltung zu bringen. Bereichsspezifisches Verfahrensrecht gehört nicht hierzu, es ist dem Besonderen Umweltrecht zuzuordnen. Allgemeines Umweltrecht enthalten das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung und das Umweltinformationsrecht. Auf den Entwurf eines Umweltgesetzbuches - Allgemeiner Teil - und den Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch sei hier hingewiesen. I. Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3 Abs.2 UVPG 4 eröffnet dem BMVg die Möglichkeit, für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung auszuschließen oder Ausnahmen von den Anforderungen des Gesetzes zuzulassen5 .

4 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12.2.1990 (BGB!. I S. 205), zu!. geändert durch G. vom 18.8.1997 (BGBI. I S. 2081). Vgl. auch die Richtlinie des BMVg für die Durchflihrung von § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der Bundeswehr vom 31.1.1992 (VMBI. S. 131) [im folgenden: UVP-RLBwJ. 5 "Soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen es erfordern, kaJm der Bundesminister der Verteidigung nach Richtlinien, die im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit festzulegen sind, für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, die Anwendwlg dieses Gesetzes ausschließen oder Ausnahmen von den Anforderungen dieses Gesetzes zulassen. Dabei ist der Schutz vor schädlichen Umwe1tauswirkungen zu berücksichtigen. Sonstige Rechtsvorschriften, die das Zulassungsverfahren betreffen, bleiben unberührt. Der Bundesminister der Verteidigung untemchtet den Bundesmini-

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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2. Zugang zu Umweltinformationen In Umsetzung der Umweltinfonnations-Richtlinie der EG6 räumt § 4 Abs. I Satz 1 UJG7 jedennann einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen ein. Den Zugang haben alle Behörden zu gewähren, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen haben (§ 9 Abs. I Satz I, § 3 Abs. I Satz I UIG). Der Anspruch besteht nicht, soweit das Bekanntwerden der Informationen die Landesverteidigung berührt (§ 7 Abs. I Nr. I Alt. 2 UIG)8.

3. Entwürfe für ein Umweltgesetzbuch Der Professoren-Entwurf eines Umweltgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - (EUGB-AT) sieht in seinem § 163 Abs. I eine Verordnungsermächtigung zugunsten der Bundesregierung zur Übertragung von Zuständigkeiten auf Bundesbehörden aus Gründen der Landesverteidigung vor9 . Außerdem enthält § 169 Abs.2 die Befugnis des BMVg, durch Rechtsverordnung materielle Abweichungen zuzulassenlO . Der Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch ll sieht in § 50 Abs. 2 Satz 112 eine Ausnahmevorschrift und in § 53 ster für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit jährlich über die Anwendung dieses Absatzes." 6 Richtlinie 9011 l3IEWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Infonnationen über die Umwelt (ABI. EG Nr. L 158 S. 56) [= UlelLaubinger, BhnSchG, RvB E 27]. 7 Umweltinfonnationsgesetz vom 8.7.1994 (BGBI. I S. 1490). 8 ,,Der Anspruch besteht nicht, 1. soweit das Bekanntwerden der Infonnationen die internationalen Beziehungen, die Landesverteidigung oder ... beruhrt ... " 9 KloepferlRehbinderISchmidt-AßmannIKunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil -, S. \0 I: ,,Die Bundesregierung wird ennächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß der Vollzug dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Bundesbehörden obliegt, soweit Gründe der Landesverteidigung dies zwingend erfordern." 10 A.a.O., S. \04: ,,Der Bundesminister der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für den Umweltschutz zuständigen Bundesminister und mit Zustimmung des BWldesrates, soweit Gründe der Landesverteidigung es zwingend erfordern, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, daß und in welchem Ausmaß von in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes gestellten Anforderungen abgewichen werden darf." 1I BMU (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KornE), Berlin 1998. 12 A.a.O., S. 126: "Soweit es Grunde der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Landesverteidigung oder des Zivilschutzes zwingend erfordern, kann

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Abs. 3 Satz 113 die Möglichkeit zur Übertragung von Zuständigkeiten auf Bundesbehörden vor. lI. Besonderes Umweltrecht

Die Materien des Besonderen Umweltverwaltungsrechts lassen sich nach ihrem Regelungsgegenstand in vier Gruppen unterteilen, die allerdings nicht trennscharf geschieden sind, sondern Überschneidungsbereiche besitzen l4 : -

Der mediale Umweltschutz hat die "klassischen" Umweltmedien Boden, Wasser und Luft zum Regelungsgegenstand.

-

Der kausale Umweltschutz dient der Erfassung von Gefahrenquellen; er verfolgt daher einen stoffbezogenen, medienübergreifenden Ansatz.

-

Der vitale Umweltschutz ist unmittelbar auf den Schutz von Tieren und Pflanzen als Teil der menschlichen Umwelt gerichtet, erfaßt jedoch nicht die menschliche Gesundheit selbst, die mittelbar durch Vorschriften des kausalen und des medialen Umweltschutzes geschützt wird.

-

Der integrierte Umweltschutz ist - anders als die übrigen Fallgruppen - in eine übergreifende AufgabensteIlung eingebunden und kann als konkurrierender in einem Zielkonflikt mit gegenläufigen Belangen stehen oder aber als konvergierender die übergreifende AufgabensteIlung gleichgerichtet ergänzen. l. Medialer Umweltschutz

Den Umweltmedien Boden, Wasser und Luft korrespondieren - wenn auch nicht mit einem Exklusivitätsanspruch der Schutzwirkung - die Gesetzesmaterien des Naturschutz-, des Wasser- und des Immissionsschutzrechts, in Zukunft auch des Bodenschutzes l5 . das zuständige Bundesministerium im Einvernehmen mit dem für den Umweltschutz zuständigen Bundesministerium durch Rechtsverordnung Ausnahmen von Absatz I zulassen, die nach Inhalt und Ausmaß näher zu bestimmen sind." 13 A.a.O., S. 127: ,,Durch Rechtsverordnung kann bestimmt werden, daß die AusfUhrung der umweltrechtlichen Vorschriften Bundesbehörden obliegt, soweit Glilnde der Landesverteidigung dies zwingend erfordem." 14 Zum folgenden Breuer, Der Staat 20 (1981) S. 393 fT., 395 fT.; ders., in: SchmidtAßmann, BesVerwR, Rdmn. 36 fT. (S. 454 fT.); ders., Prinzipien, S. 9 tT. 15 Siehe z.B. BenderiSparwasserlEIIgel, Umweltrecht, Teil 5 (S.255 fT.); Kloepfer, Umweltrecht, § 12 (S. 761 fT.). Vgl. nunmehr das Gesetz zum Schutz vor schädlichen

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Das Naturschutzrecht sieht zwei Sonderregelungen für die Bundeswehr vor. § 9 BNatSchG16 legt für Eingriffe in Natur und Landschaft i.S.v. § 8 BNatSchG, denen eine Entscheidung von Bundesbehörden vorausgeht oder die von Behörden des Bundes durchgeführt werden, ein Abstimmungs- und Entscheidungsverfahren im Zusammenwirken mit den zuständigen Landesbehörden fest l7 . Diese Bestimmung erfaßt nicht ausschließlich die Bundeswehr. Verteidigungsvorhaben machen aber einen erheblichen Teil ihrer Anwendungsfeme aus und rechtfertigen es damit, § 9 BNatSchG auch dem bundeswehrspezifischen Umweltrecht zuzurechnen. § 38 Nr. 1 BNatSchG 18 stellt die Bundeswehr partiell von den naturschutzrechtlichen Anforderungen frei l9 . Die Naturschutzgesetze einiger Bundesländer wiederholen nahezu wörtlich die gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar geltenden Vorschriften der §§ 9,

Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz BBodSchG) vom 17.3.1998 (BGB\. I S. 502). 16 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 12.3.1987 (BGBI. I S. 889), zul. geändert durch G. vom 30.4.1998 (BGBL I S. 823). 17 "Soll bei Eingriffen in Natur und Landschaft, denen Entscheidungen von Behörden des Bundes vorausgehen oder die von Behörden des Bundes durchgeführt werden, von der Stellungnahme der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde abgewichen werden, so entscheidet hierüber die fachlich zuständige Behörde des Bundes im Benehmen mit der obersten Landesbehörde für Naturschutz und Landschaftspflege, soweit nicht eine weitergehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist." 18 ,,Durch Naturschutz und Landschaftspflege dürfen Flächen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ausschließlich oder überwiegend Zwecken

I. der Landesverteidigung, einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, 2. des Bundesgrenzschutzes, 3.... dienen oder die in einem verbindlichen Plan für die genannten Zwecke ausgewiesen sind, in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung nicht beeinträchtigt werden." 19 Eine weitere Privilegierung enthält der durch das G. vom 30.4.1998 eingefügte § 19c BNatSchG. Diese Vorschrift sieht in ihrem Abs. I die Verpflichtung vor, eine Prüfung der Verträglichkeit von Vorhaben mit den Erhaltungszielen eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung bzw. eines Europäischen Vogelschutzgebietes durchzuführen. Das Projekt ist bei erheblichen Beeinträchtigungen unzulässig (Abs. 2), es sei denn, daß es (u.a.) aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist. Gemäß Abs. 4 Satz 1 können als derartige Interessen, wenn sich in dem betroffenen Gebiet prioritäre Biotope oder Arten befinden, nur solche u.a. ,,im Zusammenhang mit ... der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung" geltend gemacht werden. Das bedeutet, daß sich ein Verteidigungsvorhaben gegen die Belange prioritärer Biotope und Arten ggf. durchsetzen kann. Auf diese Vorschrift wird im folgenden nicht weiter eingegangen.

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

38 Nr. 1 BNatSchG20 . Das baden-württembergische Naturschutzgesetz schränkt seinen Anwendungsbereich über die Bestimmung des § 38 BNatSchG hinaus zugunsten einer Verteidigungsnutzung ein21 . Das Wasserrecht enthält in § 17a und § 21 Abs. 4 WHG Sondervorschriften rur die Bundeswehr. Nach § 17a WHG 22 ist die Bundeswehr von der Einholung einer Erlaubnis oder Bewilligung fiir näher bezeichnete Gewässerbenutzungen befreit, sie muß diese lediglich anzeigen23 . § 21 Abs.4 WHG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die behördliche Überwachung im Sinne des § 21 bei Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, Stel20 §§ 15 (= § 9 BNatSchG), 56 Abs. I (= § 38 BNatSchG) des bremischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bremisches Naturschutzgesetz - BremNatSchG) vom 17.9.1979 (GB!. S. 345), zu!. geändert durch Bek. vom 22.9.1988 (GBI. S. 223), und §§ 14 (= § 9 BNatSchG), 34 Abs. I (= § 38 BNatSchG) des saarländischen Gesetzes über den Schutz der Natur und die Pflege der Landschaft (Saarländisches Naturschutzgesetz - SNG) vom 19.3.1993 (Amtsbl. S. 346, ber. S. 482), zu!. geändert durch G. vom 5.2.1997 (Amtsb!. S. 258). § II Abs.2 des Sächsischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 11.10.l994 (GVBI. S 1601, ber. 1995 S. 106), und § 7a Abs. 8 des schleswigholsteinischen Gesetzes zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz) i.d.F. des Gesetzes vom 16.6.1993 (GVOBI. S. 215), verweisen lediglich auf § 9 BNatSchG. 21 Vgl. § 68 des Gesetzes zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (Naturschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 29.3.1995 (GB!. S. 386), zu!. geändert durch VO vom 17.6.1997 (GB!. S.278): ,,Die Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften sind auf die Nutzung von Flächen, die ausschließlich oder überwiegend der zivilen oder militärischen Verteidigung dienen, nur insoweit anzuwenden, als dadurch die bestirnmungsgemäße Nutzung dieser Flächen nicht beeinträchtigt wird." Dazu Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 31. 22 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) i.d.F. der Bek. vom 12.11.1996 (BGB!. I S. 1695), geändert durch G. vom 30.4.1998 (BGB!. I S 823). 23 ,,Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist nicht erforderlich bei Übungen und Erprobungen ntr Zwecke 1. der Verteidigung einschließlich des Zivilschutzes oder

2. der Abwehr von Gefahren fur die öffentliche Sicherheit oder Ordnung für

a) das vorübergehende Entnehmen von Wasser aus einem Gewässer und das Wiedereinleiten des Wassers in ein Gewässer mittels beweglicher Anlagen sowie b) das vorübergehende Einbringen von Stoffen in ein Gewässer, wenn dadurch andere nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden, keine nachteilige Veränderungen der Eigenschaften des Wassers und keine andere Beeinträchtigung des Wasserhaushalts zu erwarten ist. Das Vorhaben ist der zuständigen Wasserbehörde vorher anzuzeigen."

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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len im Geschäftsbereich des BMVg zu übertragen24 . Von dieser Ermächtigung wurde bisher kein Gebrauch gemacht. Dem Schutz des Umweltmediums Luft dienen neben dem Bundes-Immissionsschutzgesetz25 und den zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsverordnungen sowie den Landesimmissionsschutzgesetzen die Regelungen des Fluglänngesetzes26 und des Benzinbleigesetzes27 • Die Zuordnung des BzBlG zum Umweltrecht ist nicht unproblematisch, denn der Zweck des Gesetzes ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Schutz der Gesundheit, die kein Umweltschutzgut ist28 . Der Gesetzeszweck wird jedoch durch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 Satz 3 im Sinne des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen näher erläutert. Daher gehört das BzBlG zum Umweltrecht. Die Zuordnung zum medialen Umweltschutz wird bestritten29 , weil das Gesetz stoffbezogene Regelungen treffe 30 . Das BzBlG geht dem § 34 BImSchG als lex specialis vor l . Wie diese Regelung und anders als die Normen des kausalen Umweltschutzes32 schützt das BzBlG aber nicht vor einem bestimmten Stoff als solchem, sondern nur im Hinblick auf einen bestinunten Verwendungszweck, die Verbrennung in Kraftfahrzeugmotoren mit den davon ausgehenden Einwirkungen auf die Luft33 . Damit liegt der Schwerpunkt des Gesetzes im medialen Umweltschutz. 24 "Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustinunung des Bundesrates zu bestimmen, daß die behördliche Überwachung im Sinne dieser Vorschrift bei Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung gehörenden Stellen übertragen wird." 25 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwe1teinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 14.5. 1990 (BGB!. I S. 880), zu!. geändert durch G. vom 17.3.1998 (BGB!. I S. 502). 26 Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm vom 30.3.1971 (BGB!. I S. 282), zu!. geändert durch G. vom 25.9.1990 (BGB!. I S. 2106). 27 Gesetz zur Verminderung von Luftverunreinigungen durch Bleiverbindungen in Ottokraftstoffen f\lr Kraftfahrzeugmotore (Benzinbleigesetz) vom 5.8.1971 (BGB!. I S. 1234), zu!. geändert durch G. vom 24.6. I 994 (BGB!. I S. 1416). 28 Siehe oben § I.

Hoppe/Beckmann, UPR 1990 S. 161 ff., 162. HoppelBeckmann, Umweitrecht, § 27 Rdnr. 39 (S. 467); Kloepfer, Umwe1trecht, § 14 Rdnr. 6 (S. 919). 31 HoppelBeckmann, UPR 1990 S. 161 tT, 161; Jarass, BImSchG, § 34 Rdnr. 3 m. w. N. 32 Balensiefen, UPR 1990 S. 426 ff., 427. 29

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33 Balensiefen, UPR 1990 S. 426 ff., 427; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 40 (S. 457); ähnlich Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdnrn. 153 f. (S. 985 f.).

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Zweiter Teil: Bestandsaufnalune: Umweltrechtliche Sondervorschriften

§ 59 BlmSchG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung Zuständigkeiten auf Bundesbehörden zu übertragen34 • Aufgrund dieser Ermächtigung wurden § 1 der 14. BlmSchy35 und § 17 Abs. 6 der l. BImSchy37 erlassen38 •

e

Die Yerordnungsermächtigung des § 10 Abs. 11 BlmSchG, von der der BMVg mit Erlaß des § 2 der 14. BImSchY Gebrauch gemacht hat, eröffnet die Möglichkeit verfahrensrechtlicher Abweichungen39 . Schließlich sieht § 60 BImSchG die Befugnis des BMYg vor, Ausnalunen von den Anforderungen des BImSchG zuzulassen; bei ortsveränderlichen Anlagen darf die Bundeswehr von ihnen unter bestinunten Voraussetzungen abweichen40 • 34 ,,Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustinunung des Bundesrates zu bestinunen, daß der Vollzug dieses Gesetzes wld der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen bei Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, Bundesbehörden obliegt." 35 Vierzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Anlagen der Landesverteidigung) vom 9.4.1986 (BGBI. I S. 380) [= Ule/lAubinger, BImSchG, RvB A 14].

36 ,,(1) Die Aufgaben des Bezirksschornsteinfegermeisters nach den §§ 14 bis 16 werden bei Feuerungsanlagen der Bundeswehr, soweit der Vollzug des Bundes-Irnmissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen nach § I der Vierzehnten Verordnung zur Durchfiihrung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 9. April 1986 (BGB\. I S. 380) Bundesbehörden obliegt, von Stellen der zuständigen Verwaltung wahrgenonunen. Sie teilt die Wahrnehmung der Eigenüberwachung der fur den Vollzug dieser Verordnung jeweils örtlich zuständigen Landesbehörde und dem Bezirksschomsteinfegermeister mit." 37 Erste Verordnung zur DurchfUhrung des Bundes-Irnmissionsschutzgesetzes (Verordnung über KleinfeuerungsanIagen - I. BImSchV) i.d.F. der Bek. vom 14.3.1997 (BGBI. I S. 490) [= UlelLaubinger, BImSchG, RvB A I]. 38 Zur Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. I der I. BImSch V ausfllhrlich unten § IOCIV2. 39 ,,(11) Der Bundesminister der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustinunung des Bundesrates das Genehmigungsverfahren flir Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von den Absätzen I bis 9 zu regeln." 40 ,,( I) Der Bundesminister der Verteidigwlg kann flir Anlagen nach § 3 Abs. 5 Nr. I und 3, die der Landesverteidigung dienen, in Einzelfallen, auch für bestinunte Arten von Anlagen, Ausnalunen von diesem Gesetz und von den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zulassen, soweit dies zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfilllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen erfordern. Dabei ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen.

(2) Die Bundeswehr darf bei Anlagen nach § 3 Abs. 5 NT. 2, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung in ihrem Bereich bestinunt sind, von den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen abweichen,

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Gemäß § 40d Abs. 3 Satz 1 BlmSchG sind Fahrzeuge, für die Sonderrechte nach § 35 StV041 in Anspruch genonunen werden können, von dem Verkehrsverbot bei erhöhten Ozonkonzentrationen ausgenommen. Derartige Sonderrechte stehen auch den Fahrzeugen der Bundeswehr zu. Die Smog-Verordnungen der Bundesländer42 sehen vor, daß das Verkehrsverbot bei austauscharmen Wetterlagen innerhalb der festgelegten Sperrbezirke nicht für Kraftfahrzeuge der Bundeswehr gilt, wenn die Fahrten zur Aufgabenerfüllung erforderlich und unaufschiebbar sind43 .

soweit dies zur ErfiUlung ihrer besonderen Aufgaben zwingend erforderlich ist. Die auf Grund völkerrechtlicher Verträge in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen dürfen bei Anlagen nach § 3 Abs. 5 Nr. 2, die zur Verwendung in deren Bereich bestimmt sind, von den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben zwingend erforderlich ist." 41 Straßenverkehrs-Ordnung vom 16.11.1970 (BGB!. I S. 1565, ber. 1971 I S. 38), zu!. geändert durch G. vom 17.12.1997 (BGBI. I S. 3108). 42 Nordrhein-Westfalen: Verordnung zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen bei austauscharrnen Wetterlagen (Smog-Verordnung) vom 29.10.1974 (GV.NW. S. 1432), zu!. geändert durch VO vom 2.2.1993 (GV.NW. S.82) [= Ule/Laubinger, BImSehG, RvL NRW 11);

Saarland: Smog-Verordnung vom 14.6.1988 (ABI. S.493) [= Ule/Laubinger. BImSehG, RvL SaarI18]; Sachsen: Verordnung der Sächsischen Staatsregierung und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen bei austauscharrnen Wetterlagen (Smog-Verordnung) vom 28.10.1996 (SächsGVBl. S. 449) [= UlelLaubinger, BImSchG, RvL Sachs 29); Sachsen-Anhalt: Verordnung zum Schutz vor schädlichen Luftverunreinigungen bei austauscharrnen Wetterlagen (Smog-Verordnung) vom 6.12.1991 (GVBl. LSA S. 509), geändert durch VO vom 11.12.1992 (GVBl. LSA S. 851) [= Ule/Laubinger, BImSehG, RvL Sa-Anh 9); Tharingen: Thüringer Verordnung zur Verhinderung schädlicher Umwe\teinwirkungen bei austauscharrnen Wetterlagen (Smog-Verordnung) vom 29.10.1991 (GVBl. S.589), zul. geändert durch VO vom 19.9.1994 (GVB!. S. 1068) [= Ule/Laubinger, BImSehG, RvL Thür 5]. Die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schieswig-Hoistein haben ihre SmogVerordnungen wegen praktischer Bedeutungslosigkeit aufgehoben. MecklenburgVorpommern hat keine Smog-Verordnung erlassen. 43 § 9 Abs. I Nr.5 Smog-VO NRW; § 8 Abs. I Nr.5 Smog-VO Saarl; § 11 Abs. I Nr. 5 der Smog-VO Sachs; § 9 Abs. I Buchst. e Smog-VO Sa-Anh; § 8 Abs. I Nr. 5 Smog-VO Thür.

32

Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Die Streitkräfte sind von den Vorschriften der hessischen Gefahrenabwehrverordnung gegen Lärm44 befreit, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist (§ 9 Abs. I LärmVO). Andere Bundesländer haben keine vergleichbaren Vorschriften erlassen. Das FluglärmG gilt gemäß seinem § I Satz I Nr. 2 auch für militärische Flugplätze, die dem Betrieb von Flugzeugen mit Strahltriebwerken zu dienen bestimmt sind45 • Für militärische Flugplätze sind Lärmschutzbereiche festzusetzen. Die Festsetzung erfolgt durch Rechtsverordnung des BMU, die gemäß § 4 Abs. I Satz I Alt. 2 FluglärmG das Einvernehmen des BMVg erfordert46 . Das Benzinbleigesetz findet nach § 8 auf die Einfuhr von Ottokraftstoffen zu Verteidigungszwecken keine Anwendung47 . Dadurch wird der Geltungsbereich des BzBIG eingeschiänkt48 • Zweck der Regelung ist, der Bundeswehr entsprechend den bestehenden zwischenstaatlichen Verpflichtungen weiterhin den Bezug von Ottokraftstoffen aus dem NATO-Pipelinenetz zu ermöglichen49 . Die NATO-Spezifikation sah einen deutlich höheren als den nach § 2 Abs. 2 BzBIG zulässigen Bleigehalt vor, der nicht von der Bundeswehr allein an die Anforderungen des BzBIG angepaßt werden konnte. Da das NATOPipelinenetz nicht von der Bundeswehr oder der Bundeswehrverwaltung selbst, sondern von der Fernleitungsbetriebsgesellschaft in Privatrechtsform betrieben wird50, erfolgt die Einfuhr des Ottokraftstoffs nicht durch die Bundeswehr. Trotzdem handelt es sich bei § 8 BzBIG um eine Norm des bundeswehrspezifi44

67].

LännVO vorn 16.6.1993 (GVBI. I S. 257) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvL Hess

45 ,,( I) Zum Schutz der Allgemeinheit vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen werden für

1. 2. militärische Flugplätze, die dem Betrieb von Flugzeugen mit Strahltriebwerken zu dienen bestimmt sind, Lärmschutzbereiche festgesetzt." 46 ,,Der Lännschutzbereich wird vorn Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bei Verkehrsflughäfen im Einvemehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, bei militärischen Flugplätzen im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates festgesetzt." 47 ,,Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die Einfuhr von OttokraftstofTen mit einem höheren als dem in § 2 Abs.1 festgelegten Gehalt an Bleiverbindungen, wenn die Einfuhr aufgrund entsprechender intemationaler Vereinbarungen der Bundesrepublik Deutschland zu Verteidigungszwecken erforderlich ist." 48 Hansmann, in: LandmannIRohmer, UmweItrecht III, § 8 BzBIG Rdnr. 2. 49 Hierzu und zum folgenden siehe die BegründlUlg des RegE zu § 8, BTDrucks. VIII 902, S. 6. 50 Vgl. BT-Drucks. VIII 902, S. 6.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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sehen UmweItrechts, weil sie VerwaItungsaufgaben nach dem BzBIG, soweit Ottokraftstoffe zu Verteidigungszwecken eingefiihrt werden, aufhebt. Das Bundes-Bodenschutzgeseti 1 sieht in seinem § 23 Sonderregelungen fiir die "Landesverteidigung"S2 vor: Abs. I eröffnet dem BMVg in Anlehnung an § 60 Abs. I BImSchG die Möglichkeit, Ausnahmen von den Anforderungen des Gesetzes zuzulassen, Abs. 2 enthält eine Verordnungsermächtigung zur Übertragung der Vollzugskompetenz auf den BMVgS3 . 2. Kausaler Umweltschutz Normen des kausalen Umweltschutzes verfolgen einen stoffbezogenen Ansatz und dienen der Erfassung von Gefahrenquellens4 . Dem entsprechen das Atom- und Strahlenschutzrecht, das Gefahrstoff- und das AbfallrechtSs . Gleiches gilt fiir die Bestimmungen des GentechnikgesetzesS6 . Sieht man das Vorsorgeprinzip als prägendes Element des Umweltrechts anS7 , dann ist die Zuordnung des Chemikaliengesetzes s8 als dem allgemeinen Siehe oben Fußn. 15. So die amtliche Überschrift des § 23. 53 ,,(1) Das Bundesministerium der Verteidigung kann Ausnahmen von diesem Gesetz und von den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zulassen, soweit dies zwingende Gründe der Verteidigung oder die ErfI1llung zwischenstaatlicher Verpflichtungen erfordern. Dabei ist der Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen zu berücksichtigen. (2) Die Bundesregierung wird ennächtigt, durch Rechtsverordnung mit ZustinuTIung des Bundesrates zu bestimmen, daß der Vollzug dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung und für die auf Grund völkerrechtlicher Verträge in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte dem Bundesministerium der Verteidigung oder den von ihm bestinuTIten Stellen obliegt." 54 Breuer, Der Staat 20 (1981) S. 393 fT., 398; ders., in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 41 (S. 457). 55 Vgl. Breuer, Der Staat 20 (1981) S. 393 fr., 398 f; ders., Prinzipien, S. 10; ders., in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnrn. 42,43,46 (S. 458 ff.). 56 Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) i.d.F. der Bek. vom 16.12.1993 (BGB!. I S. 2066), zul. geändert durch VO vom 21. 9.1997 (BGBI. I S. 2390). Zur Zuordnung des GenTG zum Umweltrecht siehe Hirsch/Schmidt-DidczuJI1l, GenTG, § 1 Rdnrn. 18, 19; Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 45 (S. 460 f); differenzierend Kloepfer, Umweltrecht, § 16 Rdnr. 5 (S. 1083 f). 57 Siehe oben § I. SI

52

58 Gesetz zum Schutz vor geflihrlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) i.d.F. der Bek. vom 25.7.1994 (BGBI. I S. 1703), zul. geändert durch G. vom 27.9.1994 (BGB!. I S. 2705).

3 Rcpkcwitz

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Zweiter Teil: Bestandsaufuahme: Umwe1trechtliche Sondervorschriften

Gefahrstoffgesetz59 zum Umweltrecht durchaus problematisch60 . Denn dieses Gesetz sieht keine präventive Kontrolle in dem Sinne vor, daß ein gefahrlicher Stoff vor der Markteinführung auf seine Umweltverträglichkeit geprüft und nur clann. wenn sie gewährleistet ist, in den Verkehr gebracht werden dürfte. Allein die Anmeldung eines Stoffes und seine Kennzeiclmung und Verpackung treffen nur geringe Vorsorge gegen das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen61 . Die chemikaliengesetzlichen Eingriffsmöglichkeiten gegenüber auf dem Markt befindlichen Stoffen differenzieren dagegen zwischen der Abwehr von Gefahren und der Risikovorsorge62 . Für die Umweltvorsorge ist jedoch nicht die präventive Vorsorge erforderlich, es genügt auch, daß bei erkannten Risiken Vorsorge gegen deren weitere Verbreitung getroffen werden kann. Daher ist das allgemeine Gefahrstoffrecht auch dann dem kausalen Umweltschutz zuzuordnen, wenn man das Umweltrecht nur auf solche Rechtsgebiete erstreckt, die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen treffen oder ermöglichen. Die vielfaltigen Überschneidungen des allgemeinen Gefahrstoffrechts mit dem Arbeitsschutzrecht, das dem Schutz der Gesundheit einzelner Menschen und nicht primär dem Schutz der Menschen schlechthin durch den Schutz ihrer Umwelt dient63 , würden es auch zulassen, das ChemG und die auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen dem (konvergierenden) integrierten Umweltschutz zuzuordnen64 . Damit wäre jedoch der Blick auf die spezifisch stoffrechtliche Regelungssystematik und -problematik verstellt. Das ChemG verfolgt als einziges (auch) dem Umweltschutz dienendes Gesetz konsequent einen umfassenden stoffbezogenen, kausalen Ansatz, der sich nicht auf die Wirkungen einzelner Stoffe oder auf einzelne Wirkungspfade beschränkt. 59 Breuer, EingrifTsmöglichkeiten, S. 163; Kloepfer, Umwe1trecht, § 17 Rdnr.7 (S. 1107). 60 Vgl. Rehbinder, NuR 1981 S. 185 fT., 186 f. Keine Bedenken haben dagegen etwa Breuer, EingrifTsmöglichkeiten, S. 155 fT., 163, 167 fT., und Storm, Einftihrung, S. 123 fT., 123: Das Chemikaliengesetz eröfTne dem Vorsorgeprinzip verpflichtete und das Verursacherprinzip verwirklichende Kontrollmöglichkeiten. 61 Die Vorsorge gegen Schädigungen der Gesundheit der Arbeitneluner ist dagegen umfassender, vgl. Rehbinder, NuR 1981 S. 185 fT., 186. Um den Arbeitsschutz geht es hier aber nicht. 62 Breuer, EingrifTsmöglichkeiten, S. 155 fT., 223 fT. 63 Vgl. § I Abs. I des Gesetzes über die Durchführung von Maßnalunen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz) vom 7.8.1996 (BGB!. I S. 1246), zul. geändert durch G. vorn 24.3.1997 (BGBL I S. 594). 64 Vgl. Breuer, EingrifTsmöglichkeiten, S. 155 fT., 163 f.; Burgi, NVwZ 1993 S. 954 fT., 954. Auf die drei Schutzziele Umwe1t-, Gesundheits- und Arbeitsschutz weist auch Storm, Einführung, S. 123 fT., 124 (Tz. 4), 125 (Tz. 6), hin, während Donner/Fischer, UPR 1990 S. 406 fT., 409, wohl den Arbeitsschutz als zentralen Rege1ungsgehaIt des ChemG ansehen.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

35

Das Gefahrgutbeförderungsrecht ist ebenfalls Teil des Stoffrechts bzw. dem kausalen Umweltschutz zuzuordnen65 . Das läßt sich anzweifeln, weil das Gefahrgutbeförderungsrecht nicht vor sämtlichen Gefahren schützt, die von den erfaßten gefährlichen Stoffen ausgehen, sondern nur vor beförderungsspezifischen Gefahren66 . Mit dieser zugleich handlungsbezogenen Zielsetzung gewinnt das Gefahrgutbeförderungsrecht eine gewisse EigenStändigkeit67 , die eine Zuordnung zwn integrierten Umweltschutz erwägenswert erscheinen läßt. Es ist aber nicht durch eine übergreifende AufgabensteIlung, sondern dadurch gekennzeichnet, daß seine Regelungen einen umfassenden Schutz vor gefährlichen Stoffen in Bezug auf bestimmte Umgangsformen gewährleisten sollen, zu dem wesentlich der Schutz der Umwelt gehört. Mit der Anknüpfung an die von dem Transportgut ausgehenden Gefahren in § 2 GBefGG 68 ist der wesentliche Ausgangspunkt stoflbezogen. Das rechtfertigt die Erörterung der einschlägigen Normen im Zusammenhang mit dem kausalen Umweltschutz. Auch die Zuordnung des Atom- und Strahlenschutzrechts zum kausalen Umweltschutz ist nicht unproblematisch. Teilweise wird dieses Rechtsgebiet dem Immissionsschutzrecht und damit dem medialen Umweltschutz zugeschrieben69 . Das läßt sich insbesondere aus § 2 Abs. 2 Satz I BlmSchG rechtfertigen, der die Geltungsbereiche des Atom- und Strahlenschutzrechts und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes voneinander abgrenzt. Diese Zuordnung überzeugt jedoch nicht. Denn der Schutzzweck des § 1 Nr. 2 AtomG70 ist auf sämtliche Gefahren der Kernenergie und schädlichen Wirkungen ionisierender Strahlen bezogen. Mögen diese Gefahren auch weitgehend durch das Umweltmedium Luft vermittelt werden, so ist ein solcher Schutz der Luft doch nur ein Reflex. Ausschlaggebend rur die Regelungen des AtomG und der auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen ist das Gefahrenpotential radioaktiver Stoffe 7l . Die Umschreibung des Schutzzwecks in § 1 Nr. 2 AtomG orientiert sich denn auch nicht an Gefahren fiir bestimmte Umweltmedien, sondern urnfaßt alle 65 Breuer, in: Schmidt-Aßmarm, BesVerwR, Rdnr.43 (S.459); Hoppe/Beckmmm, Umweltrecht, § 27 Rdnr. 31 (S. 465); Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rdnr. 12 (S. 1109).

Vg\. § lAbs. 2, § 3 Abs. I Satz I Halbs. 2 GBefGG. Kloepfer, Umweltrecht, § 17 Rdnr. 12 (S. 1109). 68 Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter vom 6.8.1975 (BGB\. I S. 2121), zu\. geändert durch G. vom 19.7.1996 (BGBI. I S. 10 19). 69 Sellner, Atom- und Strahlenschutzrecht, S. 357 ff., 361, differenzierend Feldhaus, HdUR I, Sp. 1018, und Kloepfer, Umwe\trecht, § 15 Rdnr.2 (S. 1022), § 17 Rdnr. 3 (S. 1\05). 70 Gesetz über die friedliche VerwendW1g der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) i.d.F. der Bek. vom 15.7.1985 (BGBI. I S. 1565), zul. geändert durch G. vom 6.4.1998 (BGBI. I S. 694). 71 Vg\. die Definition in § 2 Abs. I AtomG. 66

67

3*

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Gefahren, die von radioaktiven Stoffen in ihrem Einsatzbereich Kernenergie und in Fonn ionisierender Strahlen ausgehen72 . Damit setzt das AtomG an der Gefahrenquelle und nicht beim Schutzgut an. Das Atom- und Strahlenschutzrecht kennt drei Sondervorschriften für die Bundeswehr. § 24 Abs. 3 Atomä 3 überträgt die Zuständigkeiten, die für die Anlagen anderer Betreiber durch die Länder wahrgenommen werden74 , für den Dienstbereich der Bundeswehr dem BMVg oder den von ihm bezeichneten Dienststellen75 . Die aufgrund des AtomG erlassene Strahlenschutzverordnung76 enthält eine bundeswehrspezifische Verfahrensvorschrift in § 11 Abs. 3. Danach ist die Bundeswehr von der Genehmigungspflicht für die Einfuhr und Ausfuhr sonstiger radioaktiver Stoffe befreit77.

n Winter, NVwZ 1992 S. 841 ff., 844. 73

Siehe Fußn. 70.

Von den Ländern werden im Auftrag des Bundes u.a. die Zuständigkeiten zur Erteilung von Genehmigungen nach den §§ 7, 7a und 9 sowie deren Rücknahme und Widerruf, zur Planfeststellung nach § 9b und zur Aufhebung des PIanfeststellungsbeschlusses wahrgenommen. 75 ,,Für den Dienstbereich der Bundeswehr werden die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Zuständigkeiten durch den Bundesminister der Verteidigung oder die von ihm bezeichneten Dienststellen im Benehmen mit dem für die kemtechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständigen Bundesminister wahrgenommen." 76 Verordnung über den Schutz vor Schäden durch ionisierende Strahlen (Strahlenschutzverordnung) i.d.F. der Bek. vom 30.6.1989 (BGBI. 1 S. 1321, ber. S. 1926), zu\. geändert durch VO vom 18.8.1997 (BGB\. I S. 2113). 77 ,,(1) Wer sonstige radioaktive Stoffe oder kernbrelUlstofThaltige Abfalle einführt oder ausführt, bedarf der Genehmigung. 74

(3) Absatz I ist auf die Einfuhr und Ausfuhr sonstiger radioaktiver Stoffe durch die Bundeswehr nicht anzuwenden." Nach der Anlage I zu § 2 Abs. I (Begriffsbestimmungen) sind kernbrennstofThaltige Abfalle (im Sinne der § 3 Abs. I, § 8 Abs. I, § 11 Abs. I) radioaktive Abfälle, die höchstens 3 g Kernbrennstoffe pro 100 kg Abfall enthalten und nicht nach § 2 Abs. 2 als sonstige radioaktive Stoffe gelten; diese Begrenzung gilt nicht fUr die Lagerung kernbrennstofThaltiger Abfalle zu Zwecken der Endlagerforschung (VersuchseinIagerung) in dafür notwendigen Mengen. Sonstige radioaktive Stoffe sind teilweise in § 2 Abs. 2 StrlSchV definiert.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StrVG78 obliegt der Vollzug des Gesetzes und der auf das Gesetz gestützten Rechtsverordnungen im Bereich der Bundeswehr deren Stellen79 . Zentrale Regelungen des Gefahrstoffrechts enthält das ChemG80 • § 24 Abs. 1 ordnet die umfassende Zuständigkeit des BMVg zum Vollzug des Gesetzes in seinem Geschäftsbereich an, § 24 Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit, zugunsten der Bundeswehr Ausnahmen von chemikalienrechtlichen Vorschriften zuzulassen81 • Andere stoffbezogene Gesetze82 enthalten zwar Bundeswehrklauseln83 , sie sind aber keine umweltrechtlichen Bestimmungen84 . Denn sie dienen nicht dem Schutz der Lebensumwelt des Menschen, sondern dem Individualschutz, wie den Vorschriften der §§ 8, 20, 24 LMBG85 , § 1 AMG86 zu entnehmen ist87 .

78 Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung (Strahlenschutzvorsorgegesetz) vom 19.12.1986 (BGBI. 12610), zul. geändert durch G. vom 24.6.1994 (BGBI. I S. 1416).

79 ,,Im Bereich der Bundeswehr obliegt der Vollzug dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen den zuständigen Stellen der Bundeswehr." 80 Siehe Fußn. 58. 81 ,,(1) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung obliegt der Vollzug des Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen dem Bundesministerium der Verteidigung und den von ihm bestimmten Stellen.

(2) Das Bundesministerium der Verteidigung kann für seinen Geschäftsbereich in Einzelfällen sowie für bestimmte Stoffe Ausnahmen von dem Gesetz und den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zulassen, soweit dies zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllwlg zwischenstaatlicher Verpflichtungen erfordem." 82 Ausführlichere Aufstellungen z.B. bei BenderiSparwasseriEngel, Umwe1trecht, Rdnr. 9120 (S. 510); Hoppe/Beekn/ann, Umweltrecht, § 27 Rdnr. 31 (S. 465); Kloepfer, Umwe1trecht, § 17 Rdnm. 10, 11 (S. 1109). 83 Siehe unten § 2 B III.

84 A.A. im Hinblick auf das Lebenslnittel-, das Arzneimittel-, das Futtermittel- und das Pflanzenschutzrecht Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 44 (S. 459 f). 85 Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugrussen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz) i.d.F. der Bek. vom 9.9.1997 (BGBI. I S.2297), zul. geändert durch G. vom 25.2.1998 (BGBI. I S. 374). 86 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimitte\gesetz) i.d.F. der Bek. vom 19.10.1994 (BGBI. I S. 3018), zul. geändert durch G. vom 25.2.1998 (BGSI. 1 S. 374). 87 Vgl. Stob er, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, § 115 I (S. 1279 f), zum LMBG, und § 116 I (S. 1302), zum AMG.

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güte,ß8 ennächtigt in seinem § 5 Abs. 5 die Bundesregierung, den Vollzug des Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen in Fällen, in denen gefahrliche Güter durch die Streitkräfte befördert werden, durch Rechtsverordnung Bundesbehörden zu übertragen89 . Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung im Jahr 1985 Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit des BMVg zur Ausführung des GBefGG rur Transporte der Streitkräfte begründet9o . Diese Zuständigkeit wurde bereits 1990 wieder aufgehoben91 . Aufgrund der Ennächtigung des § 3 Abs. 1 GBefGG zum Erlaß konkretisierender Rechtsverordnungen sind die GGVS 92 , die GGVE93 , die GGVSee94 und die GGVBinSch95 ergangen. § 3 Abs. 5 GBefGG verlangt, in ihnen Ausnahmen rur die Streitkräfte zuzulassen96 .

§ 1 Abs.6 GGVSee97 und § 3 Abs. 9 GGVBinSch98 schließen sachlich übereinstimmend ihre Geltung rur Gefahrguttransporte auf Fahrzeugen der StreitSiehe Fußn. 68. ,,(5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß der Vollzug dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen in Fällen, in denen gefahrliche Güter durch die Streitkräfte oder den Bundesgrenzschutz befördert werden, Bundesbehörden obliegt, soweit dies Gründe der Verteidigung oder die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erfordern. " 90 § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung gefahrgutrechtlicher Ermächtigungen auf den Bundesminister für Verkehr vom 12.9.1985 (BGB!. I S. 1918). 91 Art. I der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Übertragung gefahrgutrechtlicher Ermächtigungen auf den Bundesminister für Verkehr vom 23.5.1990 (BGBL I S. 989). 92 Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefahrlicher Güter auf Straßen (Gefahrgutverordnung Straße) vom 12.12.1996 (BGB!. I S. 1886). 93 Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefahrlicher Güter mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Eisenbahn) vom 12.12.1996 (BGB!. I S. 1876). 94 Verordnung über die Beförderung gefahrlicher Güter mit Seeschiffen (Gefahrgutverordnung See) i.d.F. der Bek. vom 24.8.1995 (BGBI. I S. 1077). 95 Verordnung über die Beförderung gefahrlicher Güter auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Binnenschiffahrt) vom 21.12.1994 (BGBI. I S. 3971), zul. geändert durch VO vom 24.12.1997 (BGB!. I S. 2853). 96 ,,(5) In den Rechtsverordnungen nach Absatz 1 sind Ausnahmen für die Streitkräfte, den Bundesgrenzschutz und die Polizeien sowie die Kampfmittelräumdienste der Länder zuzulassen, soweit dies Gründe der Verteidigung, polizeiliche Aufgaben oder die Aufgaben der Kampfmittelmumung erfordern." 97 "Diese Verordnung gilt nicht für die Beförderung gefahrlicher Güter mit Fahrzeugen der Streitkräfte, soweit dies Gründe der Verteidigung erfordern." 88 89

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe\trecht

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kräfte aus, soweit dies GlÜßde der Verteidigung erfordern. Die GGVS und die GGVE gelten hingegen auch für solche Beförderungsfälle; § lAbs. 2 GGVS spricht dies ausdrücklich aus99 . Entsprechend § 3 Abs. 5 GBefGG sehen § 5 Abs. 5 GGVS oo und § 5 Abs. 5 GGVE10I die Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen vor. Die GGVS geht damit über die ihre europarechtliche Grundlage hinaus: Die Gefahrguttransport-Richtliniel02 gilt nach ihrem Art. I Abs. I Satz 2 nicht fiir die Beförderung gefährlicher Güter mit Fahrzeugen, die den Streitkräften eines Mitgliedstaates gehören oder für die diese Streitkräfte verantwortlich sind. Die GGVS eröffnet in ihrem § 6 Abs. 2 Zuständigkeiten des BMVg oder von ihm bestimmter Sachverständiger und Stellenl03 . 98 ,,Diese Verordnung gilt nicht für die Beförderung gefährlicher Güter auf Fahrzeugen der Streitkräfte einschließlich aller Fahrzeuge im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung, ... , soweit dies die Aufgaben der Bundeswehr, ... erfordern." 99 ,,Diese Verordnung gilt hinsichtlich der in Absatz I genannten Beförderungen auch filr Fahrzeuge, die den Streitkräften (§ 2 Abs. I Nr. 7) gehören oder fUr die diese Streitkräfte verantwortlich sind." 100 ,,Das Bundesrninisterium der Verteidigung, ... können für ihren jeweiligen Aufgabenbereich Ausnahmen von dieser Verordnung zulassen, soweit Gründe der Verteidigung, ... dies erfordern und die öffentliche Sicherheit gebührend berücksichtigt ist. Absatz 2 ist anzuwenden. Die Sätze I und 2 gelten auch fUr Ausnahmen, die das Bundesministerium der Verteidigung oder die von ihm bestimmte Stelle zur Erfüllung völkerrechtlicher Vereinbarungen oder gesetzlicher Vorschriften erteilt."

§ 5 Abs. 2 GGVS bestimmt, daß Ausnahmen nur zugelassen werden dürfen, weml 1. der technische Fortschritt dies rechtfertigt, das Gut sonst von der Beförderung ausgeschlossen wäre oder die Einhaltung einer Bestimmung unzumutbar ist und 2. sichergestellt ist, daß Sicherheitsvorkehrungen, die nach den von dem Gut ausgehenden Gefahren erforderlich sind, dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen; entsprechend die Sicherheitsvorkehrungen nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik, so muß die Zulassung der Ausnahme im Hinblick auf die verbleibenden Gefahren als vertretbar angesehen werden können. 101 ,,Für die Streitkräfte (§ 2 Nr. 7) und die Vollzugspolizei des Bundes und der Länder sowie die Kampfmittelräumdienste der Länder sind Ausnahmen zuzulassen, soweit Gründe der Verteidigung, polizeiliche Aufgaben oder die Aufgaben der KampfmitteIräumung dies erfordern. Absatz 2 [entspricht § 5 Abs. 2 Nr. 2 GGVS} und Absatz 3 Satz I und 2 sind anzuwenden." 102 Richtlinie 94/55/EG des Rates vom 21. November 1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten fur den Gefahrguttransport auf der Straße (ABI. EG Nr. L 319 S. 7). 103 ,,Für die Streitkräfte nach § 2 Abs. I Nr. 7 Buchstabe a wld b wld die Dienstbereiche des Bundesgrenzschutzes werden, soweit dies Gründe der Verteidigung oder die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes erfordern, die Zuständigkeiten hinsichtlich der Typengenehrnigung ... , als Genehmigungsbehörde ... sowie als zuständige Behörde ... , hinsichtlich der Zulassung und der Prüfungen der Tanks wld der Fahrzeuge ... und der

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Nach § 1 Abs.3 GGKontrollV 04 gelten die Bestimmungen der Verordnung nicht fiir Kontrollen von Gefahrguttransporten der Streitkräfte, die durch deutsche Behörden und die Streitkräfte gemeinsam durchgeführt werden. Das entspricht der europarechtlichen Vorgabe der Gefahrguttransportkontroll-Richtlinie\Os, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 UAbs. 2 nicht für die Beförderung gefahrlicher Güter mit Fahrzeugen, die den Streitkräften gehören oder für die die Streitkräfte verantwortlich sind, gilt. Gemäß § 58 Abs. 1 KrW_/AbjGI06 obliegt im Geschäftsbereich des BMVg der Vollzug des Gesetzes und der zugehörigen Durchfiihrungsverordnungen für die Verwertung und Beseitigung militäreigentÜllllicher Abfälle dem BMVg und den von ihm bestimmten Stellen. Abs.2 ennächtigt den BMVg, fiir die Verwertung und Beseitigung dieser Abfälle Ausnahmen vom KrW-/AbfG zuzulassen, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Pflichten dies erfordern107. Nach § 13 Abs. 3 der Batterieverordnungl08 liegt ein nach Absatz 1 dieser Vorschrift verbotenes Inverkehrbringen stark quecksilberhaItiger Alkali-Mangan-Batterien nicht vor, soweit 1. die Bundeswehr zur Aufrechterhaltung einzelner technischer Systeme auf den Einsatz von derartigen Batterien nicht verzichten karm,

Bescheinigungen ... sowie für die Streitkräfte nach § 2 Abs. I Nr. 7 hinsichtlich der Fahrwegbestimmung und Bescheinigung nach § 7 durch Sachverständige oder Dienststellen wahrgenommen, die das Bundesministerium der Verteidigung oder das Bundesministerium des Innern bestellt hat." 104 Verordnung über die Kontrollen von Gefahrguttransporten auf der Straße und in den Unternehmen vom 27.5.1997 (BGBl. I S. 1306). 105 Richtlinie 95/501EG des Rates vom 6. Oktober 1995 über einheitliche Verfahren für die Kontrolle von Gefahrguttransporten auf der Straße (ABl. EG Nr. L 249 S. 35). 106 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz) vom 27.9.1994 (BGBl. I S. 2705),zul. geändert durch G. vom 17.3.1998 (BGBl. I S. 502). 107 ,,(1) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung obliegt der Vollzug des Gesetzes und der darauf gestützten Rechtsverordnungen für die Verwertung und Beseitigung militäreigentümlicher Abfälle dem Bundesminister der Verteidigung und den von ihm bestimmten Stellen. (2) Das Bundesministerium der Verteidigung wird ermächtigt, für die Verwertung oder die Beseitigung von Abfällen im Sinne des Absatzes I aus dem Bereich der Bundeswehr Ausnahmen von diesem Gesetz und den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zuzulassen, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erflillung zwischenstaatlicher Pflichten dies erfordern." 108 Verordnung über die Rücknahme und Entsorgung gebrauchter Batterien und Akkumulatoren (BattV) vom 27.3.1998 (BGBl. I S. 658).

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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2. gewährleistet ist, daß diese Batterien wunittelbar nach dem Gebrauch an den Hersteller zurückgegeben werden und 3. der Hersteller sich gegenüber der Bundeswehr verpflichtet hat, diese Batterien zurückzunehmen und entsprechend des Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zu verwerten oder nicht verwertete Batterien zu beseitigen. § 29a Abjal/G I09 traf Regelungen über den Übergang der Entsorgungspflicht auf den Bund und zugehörige Zuständigkeitsbestimmungen (Abs. I). Außerdem ermächtigte Abs. 2 den BMVg, Ausnalunen von abfallrechtlichen Vorschriften zuzulassen I 10.

Das GentechnikGIII enthält keine bundeswehrspezifischen Bestimmungenl12 . 3. Vitaler Umweltschutz Die Materien des vitalen Umweltschutzes sind unmittelbar auf den Schutz von Tieren und Pflanzen als Teil der Umwelt des Menschen gerichtet, erfassen aber nicht die menschliche Gesundheit l13 . Unmittelbarer Gesundheitsschutz des einzelnen Menschen ist nicht Gegenstand des Umweltrechts l14 •

109 Artikel I des Gesetzes über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz) vom 27.8.1986 (BGBl. I S. 1410). Das Gesetz wurde aufgehoben durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. 110 ,,(1) Soweit es Gründe der Verteidigung zwingend erfordern, ist der Bund filr einzelne Abfalle aus dem Bereich der Bundeswehr entsorgungspflichtig. Der Bundesminister der Verteidigung oder die von ilun bestimmte Stelle ist insoweit die filr die Ausführung dieses Gesetzes zuständige Behörde. (2) Der Bundesminister der Verteidigung wird ermächtigt, aus zwingenden Gründen der Verteidigung und zur Erfülhll1g zwischenstaatlicher Verpflichtungen filr die Entsorgung von Abfallen im Sinne des Absatzes I aus dem Bereich der Bundeswehr Ausna1unen von diesem Gesetz und den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zuzulassen." 111 Siehe Fußn. 56. 112 In der Antwort der Bundesregierung vom 30.6.1993 auf eine kleine Anfrage der SPD-Fraktion wurde von 18 gentechnischen Forschungsvorhaben im Bereich der Bundeswehr berichtet, von denen 16 im Ra1unen der Vertragsforschung in zivilen Einrichtungen und zwei in Einrichtungen der Bundeswehr durchgeführt wurden. Die erforderlichen Genehmigungen nach dem GenTG wurden bei den zuständigen Landesbehörden eingeholt, die notwendigen Anmeldungen durchgefllhrt. Vgl. BT-Drucks. 12/5324, S. 5 ( 113 Breuer, Der Staat 20 (1981) S.393 ff., 395, 399; ders., in: Sclunidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 47 (S. 461). 114 Zur Abgrenzung des Umweltrechts zum Gesundheitsrecht näher oben § I.

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Zweiter Teil: Bestandsaufnalune: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Einen vitalen Ansatz verfolgen die artenschutzrechtlichen Vorschriften des BNatSchG I15 und teilweise die Bestimmungen des Wald- und Forstrechtsl16 . Das Tierschutzgesetzl17 wird gelegentlich ebenfalls dem vitalen Umweltschutz zugerechnetl18 • Dieses Gesetz schützt Tiere jedoch in ihrer Individualität und anders als das Artenschutzrecht - nicht als Teil der menschlichen Umwelt und gehört deshalb nicht zwn Umweltrechtl19 . Gleiches gilt für das Tierseuchengesetz l20 , das ausweislich seines § lAbs. 1 Satz 1 dem Schutz individueller Tiere, nicht deren Schutz als Teil der Umwelt des Menschen dient. Das Artenschutzrecht enthält keine eigene Bundeswehrklausel, seine Bedeutung kann aber auf Flächen, die der Landesverteidigung dienen, durch § 38 BNatSchG eingeschränkt sein. Für Flächen, die Zwecken der Verteidigung dienen, sieht § 45 Abs. 1 den Vorrang dieser Nutzung gegenüber landeswaldrechtlichen Anforderungen vor. § 45 Abs. 2 enthält Verfahrensregelungen für die Nutzungsänderung von Waldflächen 123 . § 45 Abs. 3 verlangt für Planungen und Maßnahmen des Bundes die Beachtung des rahmengesetzlichen § 8124 •

BWaldä21.122

Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § II Rdnr. 79 (S. 737). 116 Breuer, Prinzipien, S. 12.

115

117 Tierschutzgesetz i.d.F. der Bek. vom 25.5.1998 (BGBI. I S. 1105, ber. S. 1818). Siehe dazu auch die Bestimmungen über die Durchfilhrung des Tierschutzgesetzes im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung - Neufassung - vom 2.1.1995 (VMBI. S. 61).

Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 47 (S. 461). Kloepfer, Umweltrecht, § I Rdnr. 77 (S. 63). 120 I.d.F. der Bek. vom 20.12.1995 (BGBI. I S. 2038), geändert durch G. vom 22.12.1997 (BGB!. I S. 3224). 121 Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaidgesetz) vom 2.5.1975 (BGBI. I S. 1037), geändert durch G. vom 27.7.1984 (BGBI. I S. 1034). 122 ,,(1) Auf Flächen, die Zwecken I. der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung, 2. des Bundesgrenzschutzes oder 3. des zivilen Luftverkehrs dienen, sind die nach den §§ 6, 7 und 9-13 dieses Gesetzes erlassenen Landesvorschriften nur anzuwenden, soweit dadurch die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigt wird." 123 ,,(2) Soll bei Vorhaben, die den in Abs. I Nr. I und 2 genannten Zwecken dienen, Wald in eine andere Nutzungsart umgewandelt werden (§ 9), eine Fläche erstmals aufgeforstet (§ 10), Schutzwald (§ 12) oder Erholungswald (§ 13) filr die in Abs. I Nr. I und 2 genannten Zwecke verwendet werden, so ist die höhere Forstbehörde zu hören. Ist es erforderlich, von der Stellungnalune dieser Behörde abzuweichen, so entscheidet 118

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§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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4. Integrierter Umweltschutz Die Regelungen des integrierten Umweltschutzes sind in übergreifende Aufgabenstellungen eingebunden. Sie sind überwiegend keine umweltspezifischen, sondern umweltrelevante Vorschriften. Integrierter Umweltschutz findet statt in konvergierenden Regelungen, die den Umweltschutz als gleichgerichtete Ergänzung zu der primären AufgabensteIlung normieren, und in konkurrierenden Regelungen, in denen der Umweltschutz in einem Zielkonflikt mit gegenläufigen Belangen der primären Aufgabenstellung steht125 .

a) Konvergierender integrierter Umweltschutz Konvergierende umweltrechtliche Regelungen enthält das technische Arbeitsschutzrecht, das insbesondere im Gerätesicherheitsgesetz 126 und in den aufgrund des § 24 Gew0 127 bzw. § 3 Abs. I, § II GerätesicherheitsG erlassenen Verordnungen niedergelegt sind l28 • Diese Normen erfassen Anlagen, an die auch in Vorschriften des medialen Umweltschutzes materielle Anforderungen gestellt werden. Sie dienen zwar vorrangig dem Arbeitsschutz129 und damit dem Individualschutzl3o , vermitteln dadurch aber "Fernwirkungen" hinsichtlich des Schutzes der Umweltmedien. Das rechtfertigt ihre Einbeziehung in das

hierüber der zuständige Bundesminister im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern und im Benehmen mit der nach Landesrecht zuständigen obersten Landesbebörde. Findet ein Anhörungsverfahren nach § I Landbeschaffungsgesetz, § I Schutzbereichgesetz oder § 30 Abs. 3 Luftverkehrsgesetz statt, so sind die forstlichen Erfordernisse in diesem Verfahren abschließend zu erörtern." 124 ,,(3) Behörden des Bundes und der bundesurunitte!baren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts haben bei Planungen und Maßnahmen, die eine Inanspruchnahme von Waldflächen vorsehen oder die in ihren Auswirkungen Waldflächen betreffen können, die Vorschriften des § 8 zu beachten." 125 Breuer, Der Staat 20 (1981) S. 393 tT., 400 f; ders., Prinzipien, S. 12 f 126 Gesetz über technische Arbeitsmittel (Gerätesicherheitsgesetz) i.d.F. der Bek. vorn 23.10.1992 (BGB!. I S. 1793), zu!. geändert durch G. vorn 24.4.1998 (BGB!. I S. 730). J27 Gewerbeordnung i.d.F. der Bek. vorn 1.1.1987 (BGBI. I S.425), zu!. geändert durch G. vorn 16.12.1997 (BGBI. I S. 2970). Die §§ 24 ff. GewO wurden durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes vom 26.8.1992 (BGBI. I S. 1564) mit Wirkung vom 1.1.1993 aufgehoben. Ihre Regelungsinhalte wurden in das Gerätesicherheitsgesetz überführt. 128 Breuer, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 50 (S. 463). 129 Meyer, in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung 11, § 11 GSG Rdnr. 13. 130 Dazu oben § 2 B 11 2.

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Umweltschutzrecht, zumal umweltspezifische Bestimmungen arbeitsschutzrechtlichen Maßnahmen gelegentlich den Vorrang einräwnen l31 . Das Gerätesicherheitsgesetz132 galt bis zum 3 1.12. 1992 nicht für technische Arbeitsmittel, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung in der Bundeswehr bestimmt waren 133 . Seither gilt es gemäß § lAbs. 2 Nr. 2 nicht für das Inverkehrbringen und Ausstellen von technischen Arbeitsmitteln, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung für militärische Zwecke bestimmt sind l34 . Das bedeutet, daß für diese Arbeitsmittel die zivilen Hersteller und Vertreiber von den materiellen Anforderungen des GerätesicherheitsG freigestellt sind135 . Für die Bundeswehr hat diese Regelung keine Bedeutung, da das Gesetz gemäß § 1 Abs. 1 nur für gewerbsmäßiges und für selbständiges Handeln im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen gilt. Das GerätesicherheitsG gehört nach seinem personellen Geltungsbereich damit nicht zum Umweltsonderrecht der Bundeswehr. Sondervorschriften für die Bundeswehr enthalten die aufgrund des § 24 Gew0 136 erlassenen Dampjkesselverordnuni 37, Druckbehälterverordnungl38 , Verordnung uber elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen 139 , Vgl. z.B. § 24 Satz 2 BlmSchG. Siehe Fußn. 126. 133 § 1 Abs. 2 Nr. 3 a.F. GerSichG. 134 ,,(2) Dieses Gesetz gilt nicht fUr das Inverkehrbringen und Ausstellen von ... 2. technischen Arbeitsmitteln, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung für militärische Zwecke bestimmt sind; (00')" 135 Vgl. die entsprechenden Geltungsausschlüsse in § lAbs. 5 Nr. der Achten Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (Verordnung über das Inverkehrbringen von persönlichen Schutzausrüstungen - 8. GSGV) vom 10.6.1992 (BGBL I S. 1019), zul. geändert durch VO vom 28.9.1995 (BGB!. I S. 1213); § 1 Abs.5 Nr. 13 der Neunten Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz (Maschinenverordnung - 9. GSGV) vom 12.5.1993 (BGBL I S. 704), zu!. geändert durch VO vom 28.9.1995 (BGBL I S. 1213); § lAbs. 2 Nr. 7 der Elften VerordntUlg zum Gerätesicherheitsgesetz (VerordntUlg über das Inverkehrbringen von Geräten und Schutzsystemen für explosionsgefährdete Bereiche - Explosionsschutzverordnung - 11. GSGV) vom 12.12.1996 (BGB!. I S. 1914). 136 Nach Art. 13 Satz 2 des Zweiten Änderungsgesetzes zum GerätesicherheitsG (siehe Fußn. 127) gelten diese Verordnwlgen seit dem 1.1.1993 als Verordnungen nach § 3 Abs. I, § 1I GerätesicherheitsG. 137 VerordntUlg über Dampfkesselanlagen (DamptkV) vom 27.2.1980 (BGB\. I S. 173), zul. geändert durch VO vom 12.12.1996 (BGBI. I S. 1914). 138 Verordnung über Druckbehälter, Druckgasbehälter und Füllanlagen (DruckbehV) i.d.F. der Bek. vom 21.4.1989 (BGB!. I S. 843), zu!. geändert durch VO vom 12.12.1996 (BGBL I S. 1914). 139 Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen (EIexV) i.d.F. der Bek. vom 13.12.1996 (BGB!. I S. 1931). 131

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§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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Acetylenverordnungl40 , Verordnung über brennbare Flüssigkeiten l41 , Aufzugsverordnung l42 , Getränkeschankanlagenverordnung143 und Medizingeräteverordnung l44 . Die Verordnungen nehmen übereinstimmend die AnJagen der Bundeswehr von ihrem Geltungsbereich aus, bei deren Betrieb keine Arbeitnehmer oder nur vorübergehend Arbeitnehmer an Stelle von Soldaten beschäftigt werden l45 . Für die verbleibenden AnJagen der Bundeswehr werden die Zuständigkeiten zur Stellung weitergehender Anforderung und zur Erteilung von regulären Ausnahmen dem BMVg oder der von ihm bestimmten Behörde übertragen 146 Darüber hinaus wird dem BMVg die Befugnis eingeräwnt, Ausnahmen von den Vorschriften der Verordnungen auch dann zuzulassen, "wenn dies zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen der Bundesrepublik erfordern und die Sicherheit der AnJage auf andere Weise gewährleistet ist,,147. Soweit Errichtung und Betrieb der Anlagen erlaubnispflichtig sind, ist die Bundeswehr von der Erlaubnispflicht befreie 48. Der BMVg kann für AnJagen der Bundeswehr besondere Sachverständige bestel140 Verordnung über Acetylenanlagen und Calciumcarbidlager (AcetV) vom 27.2.1980 (BGB!. I S. 173), zu!. geändert durch VO vom 12.12.1996 (BGBI. I S. 1914). 141 Verordnung über Anlagen zur Lagerung, Abfüllung und Beförderung brelUlbarer Flüssigkeiten zu Lande (VbF) i.d.F. der Bek. vom 13.12.1996 (BGBI. I S. 1937, ber. 1997 I S. 447). 142 Verordnung über Aufzugsanlagen (AufzY) vom 27.2.1980 (BGBI. I S. 173), zul. geändert durch VO vom 12.12.1996 (BGBI. I S. 1914). 143 Verordnung über Getränkeschankanlagen (SchankV) vom 27.11.1989 (BGB!. I S. 2044), zul. geändert durch VO vom 12.12.1996 (BGBI. I S. 1914). 144 Verordnung über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte (MedGV) vom 14.1.1985 (BGBI. I S. 93), zul. geändert durch G. vom 14.9.1994 (BGBI. I S. 2325, ber. 1996 I S. 103). Siehe dazu die Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte in der Bundeswehr (DBBwMedGV) Erstfassung - vom 27.5.1986 (VMBI. 1986 S. 341) und die Bestimmungen zur Durchführung der Verordnwlg über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte in der Bundeswehr (DBBwMedGV) - Übergangsbestinunungen - vom 1.2.1995 (VMBI. S. 120). 145 § 1 Abs.2 Nr. 4 DampfkV, § 1 Abs. 2 Nr. 3 DruckbehY, § 1 Abs.2 Nr. 2 EIexV, § lAbs. 2 Nr. 4 AcetV, § 1 Abs. 2 Nr. 2 VbF, § 1 Abs.2 Nr.4 AufzY. Die SchankV (vgl. § lAbs. 2 Nr. 5) und die MedGV geiten uneingeschränkt auch für die Bundeswehr. 146 § 9 Abs. 1 Satz 1 DampfkV, § 7 Abs. 1 Satz 1 DruckbehY, § 6 Abs. 1 Satz 1 EIexV, § 6 Abs. 1 Satz 1 AcetV, § 7 Abs. 1 Satz 1 VbF, § 6 Abs. 1 Satz 1 AufzV, § 18 Satz 1 SchankV, § 19 Abs. 1 Satz 1 MedGV. 147 § 9 Abs. 2 DampfkV, § 7 Abs. 2 DruckbehV, § 6 Abs. 2 ElexY, § 6 Abs. 2 AcetV, § 7 Abs. 2 VbF, § 6 Abs. 2 AufzV, § 19 Abs. 2 MedGV. 148 § 10 Abs.7 Nr. 3 DampfkV, § 26 Abs.6 Nr. 3 DruckbehY, § 7 Abs.6 Nr. 3 AcetV, § 9 Abs. 5 Satz I Nr. 3 VbF, § 8 Abs. 5 Nr. 3 AufzY.

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Zweiter Teil: Bestandsautnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

len l49 . Die Pflicht zur Anzeige von Unfällen oder Schadensereignissen gilt nicht fur die Bundeswehrl5o . Aufsichtsbehörde für die Anlagen der Bundeswehr ist das BMVg oder die von ilun bestinunte Behörde l51 . b) Konkurrierender integrierter Umweltschutz Vorschriften des konkurrierenden integrierten Umweltschutzes enthält insbesondere das Recht der raumbeanspruchenden Maßnahmen, d.h. die Bestimmungen über die Raumordnung und Landesplanung, die Bauleitplanung sowie die raumbezogene Fachplanung. Vorrangiger Regelungsgegenstand des Bauordnungsrechts ist die Abwehr von Gefahren, die durch Bauwerke verursachter werdenl52 und damit der Schutz vor Gefahren, die nicht durch ein Umweltmedium vermittelt werden. Die Bestimmungen über Abstandsflächen, Verunstaltungsverbote, den Wärme-, Schall- und Erschütterungsschutz greifen jedoch über den unmittelbaren Individualschutz hinaus und verfolgen jedenfalls auch Ziele des Umweltschutzes153 • Deshalb ist das Bauordnungsrecht ebenfalls dem (konkurrierenden) integrierten Umweltrecht zuzuordnen. Problematischer ist die Einordnung der Rechtsnormen des Verkehrsrechts, denn sowohl das Straßenverkehrs- wie das Luftverkehrsrecht erfassen höchst unterschiedliche Regelungsgegenstände. So behandelt das Straßenverkehrsgesetz l54 neben der Ordnung des Straßenverkehrs die privatrechtliche Haftpflicht und die Einrichtung und Nutzung staatlicher Register (Verkehrszentral-, Fahrzeug-, FahrerlaubnisregisterI55 ); außerdem enthält das Gesetz die in der Rechtspraxis sehr bedeutsamen Straf- und Bußgeldvorschriften. Das Luftver-

149 § 24 Abs.2 DamptkV, § 31 Abs.5 Nr.2 DruckbehV, § 15 Abs. 3 EIexV, § 18 Abs. 4 AcetV, § 16 Abs. 1 Nr. 5 VbF, § 18 Abs. 2 AufzV, § 15 Abs. 5 SchankV. ISO § 28 Abs. 2 DamptkV, § 34 Abs. 2 DruckbehV, § 17 Abs. 2 EIexV, § 26 Abs. 3 AcetV, § 23 Abs. 2 VbF, § 22 Abs. 2 AufzV, § 19 Abs. 3 MedGV. 151 § 29 Satz 1 DamptkV, § 35 Abs. 1 Satz 1 DruckbehV, § 16 Satz 1 EIexV, § 27 Abs. 1 Satz 1 AcetV, § 24 Satz 1 VbF, § 23 Satz 1 AufzV, § 18 Satz 1 SchankV, § 19 Abs. 1 Satz 1 MedGV. IS2 Krebs, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnrn. 190 tT. (S. 398 tr). IS3

Kloepfer, Umweltrecht, § \0 Rdnr. 71 (S. 674 f.).

StVG i.d.F. der Bek. vom 19.12.1952 (BGBL I S. 837), zu\. geändert durch G. vom 28.4.1998 (BGBI. I S. 810). IS5 Die Vorschriften über das Fahrerlaubnisregister (VI. Abschnitt §§ 48 fr StVG) treten am 1.1.1999 in Kraft. 154

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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kehrsgesetz156 trifft außer verkehrsrechtlichen Regelungen auch solche mit fachplanungsrechtlichem und mit gewerberechtlichem Inhale 57. Die verkehrsrechtlichen Bestimmungen, d.h. die Nonnen, die die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zur Teilnalune am Verkehr und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer regeln J58 , können nur teilweise dem konkurrierenden integrierten Umweltschutz zugeordnet werden. Ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Vorschriften über die Ausbildung und Prüfung der Verkehrsteilnehmer und dem Schutz der Umwelt besteht nicht. Allein die Unterweisung in umweltbewußtem Verkehrverhalten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 StVG I59 , § 11 Abs. 3 Nr. 1, § lla StVZä 60 ) reicht dafür nicht aus. Überschneidungen zwischen dem Verkehrs- und dem Umweltrecht gibt es bei den Anforderungen an die Ausrüstung der Fahrzeuge und bei den Verhaltensregeln. Wenn auch bei diesen Nonnen der Schutz vor den durch die Fahrzeuge hervorgerufenen Gefahren 161 bzw. die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehfs im Vordergrund stehen, sind umweltschützende Folgewirkungen, insbesondere die Venninderung von Länn und Luftschadstoffen (vgl. §§ 47, 49 StVZO), bei einem Teil der Anforderungen nicht zu übersehen l62 . Die Sondervorschriften der § 35 Abs. 1, 3 und 4 StVO, § 68 Abs. 3, § 70 Abs.4 StVZO und § 30 LuftVG gehören insoweit zu den Nonnen des integrierten Umweltschutzes. Sie stehen im Spannungsverhältnis zwischen den Verkehrserfordernissen der Bundeswehr und denen des Umweltschutzes, d.h. es handelt sich um konkurrierendes integriertes Umweltrecht. Wird fur ein raumbeanspruchendes Vorhaben der militärischen Verteidigung ein Raumordnungsverfahren durchgefuhrt, entscheidet nach § 15 Abs. 5 Roä 63 der BMVg, welche Angaben fur dieses Verfahren gemacht werdenl64 . 156 LuftVG i.d.F. der Bek. vom 14.1.1981 (BGB!. I S. 61), zu!. geändert durch G. vom 17.12.1997 (BGB!. I S. 3108). 157 Zu den verschiedenen Regehmgsmaterien des LuftVG näher unten § 13. 158 Salzwedel, in: Schrnidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnrn. 3 (S. 765),69 (S. 804). 159 Ab dem 1.1.1999: § 2 Abs. 5 Nr. 4 StVG. 160 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung i.d.F. der Bek. vom 28.9.1988 (BGBI. S. 1793), zul. geändert durch VO vom 26.5.1998 (BGB!. I S. 1159). 161 Vgl. § 30 Abs. I StVZO, § 2 Abs. I Satz 2 Nm. 1 und 2 LuftVG. 162 Besonders deutlich sind insoweit § 2 Abs. I Satz 2 Nr. 4 LuftVG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst b LuftVZO (Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung i.d.F. der Bek. vom 13.3.1979 [BGBI. I S. 308], zu!. geändert durch G. vom 17.12.1997 [BGEl. I S. 3108] und VO vom 15.12.1997 [BGB!. 1998 I S. 2]), § 30 Abs. 1 StVO. 163 Raumordnungsgesetz vom 18.8.1997 (BGB!. I S. 2081, 2102), geändert durch G. vom 15.12.1997 (BGB!. I S. 2902). 164 ,,Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen der militärischen Verteidigung entscheidet das zuständige Bundesministerium oder die von ihm bestimmte Stelle,

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Er befindet nach § 15 Abs. 6 Satz 2 ROG auch darüber, ob und in welchem Umfang die Öffentlichkeit in das Raumordnungsverfahren einbezogen wird l65 •

§ 29 Satz 2 a.F. BauGB I66 stellte ausdrücklich klar, daß die BestiImnungen über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit auch für Vorhaben geIten, die der Landesverteidigung dienen l67 . Mit der Neufassung des § 29 durch das BauROG I68 ist diese Klarstellung entfallen, ohne daß daraus eine sachliche Änderung folgt. Über ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften bei Bauvorhaben des Bundes entscheidet nach § 37 Abs. 1 BauGB die höhere VerwaItungsbehörde 169. Handelt es sich um Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, verlangen § 37 Abs. 2 und 4 BauGB lediglich die Zustimmung der höheren VerwaItungsbehörde und räumen dem BMVg die Letztentscheidungsbefugnis ein l70 •

... über Art lllId Umfang der Angaben für die Planung oder Maßnahme." Wortgleich § 15 Abs. 5 des Landesplanungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vorn 28.4.1998 (GVBI. LSA S. 255). 165 ,,Es kann vorgesehen werden, daß die Öffentlichkeit in die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens einbezogen wird. Bei Planungen und Maßnahmen nach Absatz 5 entscheiden darüber, ob und in weIchem Umfang die Öffentlichkeit einbezogen wird, die dort genannten Stellen." 166 Baugesetzbuch i.d.F. der Bek. vorn 8.12.1986 (BGBI. I S. 2253), zu!. geändert durch G. vorn 20.12.1996 (BGBI. I S. 2049). Seit dem 1.1.1998 gilt das BauGB i.d.F. der Bek. vorn 27.8.1997 (BGBL I S. 2141, ber. 1998 I S. 137). 167 ,,Für Vorhaben, die die Errichtung, Änderllllg oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben und die einer bauaufsichtlichen Genehmigung oder Zustimmung bedürfen oder die der Bauaufsichtsbehörde angezeigt werden müssen, gelten die §§ 30 bis 37; die §§ 30 bis 37 gelten auch, wenn in einern anderen Verfahren über die ZuIässigkeit entschieden wird. Dies gilt auch für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen ... " 168 Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neurege1lll1g des Rechts der Raumordnllllg (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998) vorn 18.8.1997 (BGBL I S. 2081). 169 ,,(1) Macht die besondere öffentliche Zweckbestimmung für bauliche Anlagen des BlllIdes oder eines Landes erforderlich, von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrlllld dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften abzuweichen oder ist das Einvernehmen mit der Gemeinde nach § 14 oder § 36 nicht erreicht worden, entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde." 170 ,,(2) Handelt es sich um Vorhaben, die der Landesverteidigllllg, dienstlichen Zwecken des Bundesgrenzschutzes oder dem zivilen Bevölkerungsschutz dienen, ist nur die Zustimmllllg der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich. Vor Erteilllllg der Zustimmllllg hat diese die Gemeinde zu hören. Versagt die höhere VerwaItllllgsbehörde ihre Zustimmung oder widerspricht die Gemeinde dem beabsichtigten Bauvorhaben, entscheidet der zuständige BlllIdesminister im Einvernehmen mit den beteiligten Bundesministern lllId im Benehmen mit der zuständigen obersten Landesbehörde.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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Nach den Landesbauordnungen l71 bedürfen Vorhaben des Bundes keiner Baugenehmigung, sondern der Zustimmung der unteren Bauaufsichtsbehörde 172 . Bauvorhaben, die der Landesverteidigung dienen, sind der oberen

(4) Sollen bauliche Anlagen auf Grundstücken errichtet werden, die nach dem Landbeschaffungsgesetz beschaffi werden, sind in dem Verfahren nach § lAbs. 2 des LandbeschatTungsgesetzes alle von der Gemeinde oder der höheren Verwaltungsbehörde nach den Absätzen I und 2 zulässigen Einwendungen abschließend zu erörtern. Eines Verfahrens nach Absatz 2 bedarf es in diesem Fall nicht." 171 Baden-Württemberg: Landesbauordnung für Baden-Württemberg vom 8.8.1995 (GBl. S. 617), geändert durch G. vom 15.12.1997(GBI. S. 521); Bayern: Bayerische Bauordnung i.d.F. der Bek. vom 4.8.1997 (GVBI. S. 433, ber. 1998 S. 270); Berlin: Bauordnung fUr Berlin i.d.F. der Bek. vom 3.9.1997 (GVBI. S. 421, ber. S. 512);

Brandenburg: Brandenburgische Bauordnung i.d.F. der Bek. vom 25.3.1998 (GVBI. I S.82); Bremen: Bremische Landesbauordnung vom 27.3.1995 (GBI. S. 211); Hamburg: Hamburgische Bauordnung vom 1.7.1986 (GVBI. S. 183), zul. geändert durch G. vom 4.11.1997 (GVBI. S. 489); Hessen: Hessische Bauordnung vom 20.12.1993 (GVB\. I S. 655), zu\. geändert durch G. vom 27.2.1998 (GVBl.I S. 34); Mecklenburg- Vorpommern: Landesbauordnung für Mecklenburg-Vorpornmern i.d.F. der Bek. vom 6.5.1998 (GVOBI. S. 468, ber. S. 612); Niedersachsen: Niedersächsische Bauordnung i.d.F. der Bek. vom 13.7.1995 (GVBl. S. 199), geändert durch G. vom 6.10.1997 (GVBl. S. 422); Nordrhein-Westfalen: Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7.3.1995 (GV.NW. S. 218); Rheinland-Pfalz: Landesbauordnung Rheinland-Pfalz vom 8.3.1995 (GVBI. S. 19); Saarland: Bauordnung rur das Saarland vom 27.3.1996 (Amtsbl. S.477), geändert durch G. vom 16.10.1997 (Amtsbl. S. 1130); Sachsen: Sächsische Bauordnung i.d.F. der Bek. vom 26.7.1994 (GVBl. S. 1401), zu\. geändert durch G. vom 20.2.1997 (GVB\. S. 105); Sachsen-Anhalt: Gesetz über die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.6.1994 (GVBl. S. 723), geändert durch G. vom 24.11.1995 (GVBI. S. 339); Schleswig-Holstein: Landesbauordnung für das Land Schleswig-Holstein i.d.F. der Bek. vom 21.7.1994 (GVOBl. S. 321); Thüringen: Thüringer Bauordnung i.d.F. der Bek. vom 3.6.1994 (GVBl. S. 553). 172 § 70 Abs. 1-2 LBauO B-W; Art. 86 Abs. 1-3 BayBauO (obere Behörde); § 67 Abs. 1-3 BauO Bin; § 80 Abs. 1-4 BrbgBauO (oberste Behörde); § 79 Abs. 1-4 BremLBauO (obere Behörde); § 62 Abs. 1-4 HambBauO; § 75 Abs. 1-4 HessBauO; § 77 Abs. 1-5 Me-Vo LBauO; § 82 Abs. 1-3 NdsBauO (obere Behörde); § 80 Abs. 1-2 BauO NRW (obere Behörde); § 79 Abs. 1-3 LBauO Rh-Pf; § 91 Abs. 1 und 3 LBauO Saarl; § 75 Abs. 1-4 SächsBauO (höhere Behörde); § 79 Abs. 1-4 BauO LSA (obere 4 Rcpkcwitz

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: UmweltrechtIiche Sondervorschriften

Baubehörde lediglich in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen (Kenntnisgabeverfahren)173. Die Bundeswehr ist grundsätzlich an die Vorschriften des Straßenverkehrsrechts l74 gebunden. Das ist im Gegenschluß dem § 31 Abs. 3 Satz 1 StVG I75 zu entnehmen, der lediglich unter bestimmten Voraussetzungen die Anwendung des V. Abschnitts über das Fahrzeugregister auf die (u.a.) von der Bundeswehr zugelassenen Fahrzeuge ausschließt176, und § 62 Abs. 1 StVG, der die Führung eines gesonderten Registers für Dienstfahrerlaubnisse der Bundeswehr anordnetl77 .

§ 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG eröffnet dem Bundesminister für Verkehr die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung oder allgemeine Verwaltungsvorschrift Regelungen über straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen für Zwecke der Verteidigung zu treffen 178 . Diese Vorschrift zählt nicht zum Verwaltungssonderrecht Behörde); § 83 Abs. l-{j LBauO Schl-H (oberste Behörde); § 75 Abs. 1-4 ThürBauO (obere Behörde). 173 § 70 Abs. 3 LBauO B-W; Art. 86 Abs. 4 BayBauO; § 67 Abs. 4 BauO Bin; § 80 Abs. 5 BrbgBauO; § 79 Abs. 5 BremLBauO; § 62 Abs. 5 HambBauO; § 77 Abs. 6 MeVo LBauO; § 82 Abs. 4 NdsBauO; § 80 Abs. 3 BauO NRW; § 79 Abs. 4 LBauO Rh-Pf; § 91 Abs. 2 LBauO Saarl; § 75 Abs. 5 SächsBauO; § 79 Abs. 5 BauO LSA; § 83 Abs. 7 LBauO Schl-H; § 75 Abs. 5 ThürBauO. Abw. § 75 Abs. 5 HessBauO: Der Bauherr (Bund oder Land) kann die Zuständigkeit zur Zustimmung übernehmen, wenn dies wegen der besonderen Bedeutung oder Schwierigkeit des Vorhabens zweckmäßig erscheint. 174 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird in der folgenden Zusanunenstellung nicht zwischen umweltrechtlichen und sonstigen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts unterschieden. 175 Siehe Fußn. 154. 176 ,,(3) Soweit die Dienststellen der Bundeswehr, der Polizeien des Bundes und der Länder, der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes eigene Register für die jeweils von ihnen zugelassenen Fahrzeuge führen, finden die Vorschriften dieses Abschnittes keine Anwendung." 177 ,,Die Zentrale Militärkraftfahrtstelle führt ein zentrales Register über die von den Dienststellen der Bundeswehr erteilten Dienstfahrerlaubnisse und ausgestellten Dienstführerscheine. In dem Register dürfen auch die Daten gespeichert werden, die in den örtlichen Fahrerlaunbisregistem gespeichert werden dürfen." 178 ,,(1) Das Bundesministerium für Verkehr wird ermächtigt, Rechtsverordnungen und allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen über ... 3. die sonstigen zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnwlg auf den öffentlichen Straßen, für Zwecke der Verteidigung, zur Verhütung einer über das verkehrsübliche Maß hinausgehenden Abnutzung der Straßen oder zur Verhütung von Belästigungen erforderlichen Maßnahmen über den Straßenverkehr, und zwar hierzu unter anderem "

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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der Bundeswehr, denn sie richtet sich an den BMY. Von dieser Ennächtigung hat er beim Erlaß der StVä 79 Gebrauch gemacht. Materielle Befreiungen oder Befreiungsennächtigungen enthalten § 35 180 und § 46 Abs. 1 Sätze 2 und 3181 StVO. Für die übermäßige Straßenbenutzung (§ 35 Abs. 3) regeln § 44 Abs. 4 und 5182 und § 47 Abs. 3183 StVO die sachliche und örtliche Zuständigkeit der fiir die Erlaubniserteilung zuständigen Landesbehörden.

179

Siehe Fußn. 41.

180 ,,(1) Von den Vorschriften dieser Verordnung sind die Bundeswehr ... befreit, soweit das zur Erfttllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.

( ... ) (2) Dagegen bedürfen diese Organisationen auch unter den Voraussetzungen des Absatzes I der Erlaubnis, 1. wenn sie mehr als 30 Kraftfahrzeuge im geschlossenen Verband (§ 27) fahren lassen wollen, 2. im übrigen bei jeder sonstigen übermäßigen Straßenbenutzung mit Ausnaltme der nach § 29 Abs. 3 Satz 2. (3) Die Bundeswehr ist über Absatz 2 hinaus auch zu übermäßiger Straßenbenutzung befugt, soweit Vereinbarungen getroffen wurden. (4) Die Beschränlamgen der Sonderrechte durch die Absätze 2 und 3 gelten nicht bei Einsätzen anläßlich von Unglücksfällen, Katastrophen und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung sowie in den Fällen der Artikel 91 und 87a Abs. 4 des Grundgesetzes sowie im Verteidigungsfall und im Spannungsfall. ( ... ) (8) Die Sonderrechte dürfen nur unter gebührender BelÜcksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden." 181 "Vom Verbot, Personen auf der Ladefläche mitzunehmen (§ 21 Abs. 2), kölmen für die Dienstbereiche der Bundeswehr ... deren Dienststellen, ... , Ausnaltmen genehmigen. Dasselbe gilt fIlr die Vorschrift, daß vorgeschriebene Sicherheitsgurte angelegt oder Schutzhelme getragen werden müssen (§ 2Ia)." 182 ,,(4) Vereinbarungen über die Benutzung von Straßen durch den Militärverkehr werden von der Bundeswehr oder den Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes mit der obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle abgeschlossen. (5) Soweit keine Vereinbarung oder keine Sonderregelung fIlr ausländische Streitkräfte bestehen, erteilen die höheren Verwaltungsbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen die Erlaubnis ftlr übermäßige Benutzung der Straße durch die Bundeswehr oder durch die Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes; sie erteilen auch die Erlaubnis fIlr die übermäßige Benutzung der Straße durch den Bundesgrenzschutz, die Polizei und den Katastrophenschutz." 183 ,,(3) Die Erlaubnis ftlr die übermäßige Benutzung der Straße durch die Bundeswehr ... erteilt die höhere Verwaltungsbehörde oder die nach Landesrecht bestimmte Stelle, in deren Bezirk der erlaubnispflichtige Verkehr beginnt." 4'

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Die Fahrzeuge der Bundeswehr unterliegen den materiellen und formellen Anforderungen der StVZO I84 • Das ist im Gegenschluß aus den Befreiungsvorschriften der § 15d Abs. la Nr. 1185 , § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3186 und § 70 Abs. 4 187 zu entnehmen. Die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden und höheren Verwaltungsbehörden werden für den Dienstbereich der Bundeswehr nach § 68 Abs.3 StVZO durch deren Dienststellen wahrgenommen l88 . Als Spezialnonnen dürften § 12e StVZO l89 hinsichtlich der Anordnung von Nachschulungen bei Inhabern der Fahrerlaubnis auf Probe und § 47a Abs. 8 StVZO l90 hinsichtlich der Durchfuhnmg der Abgasuntersuchung und der Bestimmung der Ausgestaltung der Prüfbescheinigung der allgemeinen Zuständigkeitsregelung des § 68 Abs. 3 vorgehen.

184

Siehe Fußn. 160.

185 ,,( la)

Der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedarf es nicht für

I. Dienstfahrzeuge der Bundeswehr ... " 186 ,,( I) Die Halter von Fahrzeugen, die ein eigenes amtliches Kennzeichen nach Art der Anlage V oder Anlage Va haben müssen, haben ihre Fahrzeuge auf ihre Kosten nach Maßgabe der Anlage VIII in regelmäßigen Zeitabständen untersuchen zu lassen. Ausgenommen sind ... 3. Fahrzeuge der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes." 187 ,,(4) Die Bundeswehr, ... sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, soweit dies zur Erflillung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist. Abweichungen von den Vorschriften über die Ausrüstung mit Kennleuchten, über Warneinrichtungen mit einer Folge von Klängen verschiedener Grundfrequenz (Einsatzhorn) und über Sirenen sind nicht zulässig."

188 ,,(3) Die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden und höheren Verwaltungsbehörden auf Grund dieser Verordnung, im Falle des § 4a Abs. I [Mofa-PrüfbescheinigungJ auch die Zuständigkeit der obersten Landesbehörde, werden fllr die Dienstbereiche der Bundeswehr ... durch deren Dienststellen nach Bestimmung der Fachminister wahrgenommen. " 189 "Hat ausschließlich eine Dienststelle der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes oder der Polizei eine Fahrerlaubnis zu dienstlichen Zwecken erteilt, so sind flir die Anordnung von Maßnahmen nach § 2a Abs. 2, 4 und 5 des Straßenverkehrsgesetzes [Nachschulung bei Führerschein auf Probe] innerhalb der Probezeit deren Dienststellen zuständig. Die Zuständigkeit bestimmt der zuständige Fachminister, soweit sie nicht landesrechtlich geregelt wird. Ist daneben eine allgemeine Fahrerlaubnis der Klassen I, I a, I b, 2 oder 3 erteilt, so treffen die Anordnungen ausschließlich die nach Landesrecht zuständigen Verwaltungsbehörden. " 190 "Die Bundeswehr, der Bundesgrenzschutz und die Polizeien der Länder können die Untersuchung nach Absatz I [Abgasuntersuchung] selbst durchflihren sowie die Ausgestaltung der Prütbescheinigung selbst bestimmen ". Für die Fahrzeuge der Bundeswehr und des Bundesgrenzschutzes entfallt die Plakette nach Absatz 3."

§ 2 Bwtdeswehrspezifisches Umweltrecht

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Auch die Bestimmungen des Luftverkehrsrechts hat die Bundeswehr grundsätzlich einzuhalten. Ausnahmen von diesem Grundsatz regelt § 30 191 LuftVG I92 . Materielle Besonderheiten regeln Abs. 1 Sätze 1 und 3 mit einer allgemeinen Abweichungsbefugnis sowie Abs. 3 rur die Anlegung und Änderung militärischer Flugplätze. Hierfiir sieht neben Abs. 3 auch Abs. I Satz 2 besondere Verfahrensregelungen vor. Abs. 2 überträgt die Verwaltungszuständigkeiten nach dem LuftVG und seinen Durchfiihrungsverordnungen weitgehend auf Dienststellen der Bundeswehr bzw. der Bundeswehrverwaltung.

191 ,,(1) Die Bundeswehr, der Bwtdesgrenzschutz, die Polizei sowie die aufgrund völkerrechtlicher Verträge in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen dürfen von den Vorschriften des ersten Abschnitts dieses Gesetzes - ausgenommen die §§ 12, 13 wtd 15 bis 19 - wtd den zu seiner Durchführung erlassenen Vorschriften abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit wtd Ordnwtg erforderlich ist. Das in § 8 vorgesehene Planfeststellwtgsverfahren entfällt, wenn militärische Flugplätze angelegt oder geändert werden soHen. Von den Vorschriften über das Verhalten im Luftraum darf nur abgewichen werden, soweit dies zur Erfullwtg hoheitlicher Aufgaben zwingend notwendig ist. Hinsichtlich der Ausnahmebefugnisse der Polizei bleiben auch die §§ 6 bis 10 wtbe-

rührt.

(2) Die Verwaltwtgszuständigkeiten aufgrWld dieses Gesetzes werden für den Dienstbereich der Bwtdeswehr wtd, soweit völkerrechtliche Verträge nicht entgegenstehen, der stationierten Truppen durch Dienststellen der Bwtdeswehr nach Bestimmungen des Bwtdesministers der Verteidigung wahrgenommen. Dies gilt nicht fur die Aufgaben der Flugsicherwtg nach § 27c mit Ausnahme der örtlichen Flugsicherung an den militärischen Flugplätzen; die notwendigen Vorbereitungen zur WahmeJunung der Aufgaben nach Art. 87a des Grundgesetzes bleiben unbelÜhrt. Der Bundesminister der Verteidigwtg erteilt im Einvemehmen mit dem Bundeslninister für Verkehr die Erlaubnisse nach § 2 Abs. 7 wtd § 27 Abs. I auch für andere militärische Luftfahrzeuge. Bei militärischen Flugplätzen treten an die SteHe der in den §§ 12, 13 und 15 bis 19 genannten Luftfahrtbehörden die Behörden der Bwtdeswehrverwaltung. (3) Bei der Anlegung und wesentlichen Änderwtg militärischer Flugplätze auf Gelände, das nicht durch Maßnahmen aufgrund des Landbeschaffungsgesetzes beschall zu werden braucht, sind die Erfordemisse der Raumordnung, insbesondere des zivilen Luftverkehrs, nach Anhörung der Regierungen der Länder, die von der Anlegwtg oder Änderung betroffen werden, angemessen zu berücksichtigen. Der Bundesminister der Verteidigwtg kann von der Stellungnahme dieser Länder hinsichtlich der Erfordernisse des zivilen Luftverkehrs nur im Einvemehmen mit dem Bundesminister für Verkehr abweichen; er unterrichtet die Regierungen der betroffenen Länder von seiner Entscheidwtg. Wird Gelände ftlr die Anlegung wtd wesentliche Änderung militärischer Flugplätze nach den Vorschriften des Landbeschaffungsgesetzes beschall, findet allein das Anhörungsverfahren nach § lAbs. 2 des Landbeschaffwtgsgesetzes statt; hierbei sind insbesondere die Erfordemisse des zivilen Luftverkehrs angemessen zu berücksichtigen." 192 Siehe oben Fußn. 156.

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

IIf. Sonstige Materien des Besonderen Venvaltungsrechts

Weitere Sondervorscluiften fur die Bundeswehr, die hier - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - genannt werden sollen, finden sich in den Gebieten des Stoff-, Arbeitsschutz-, Gesundheits-, Tierschutz-, Verkehrs-, des Personenbeförderungs-, des Waffen- und des Fernmelderechts. § 70 Abs. 1 AMG193 ordnet die entsprechende Anwendung der Vorscluiften des Gesetzes auf Einrichtungen, die der Arzneimittelversorgung der Bundeswehr dienen, an. Der Vollzug des AMG bei der Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln im Bereich der Bundeswehr obliegt nach § 70 Abs. 2 Satz 1 den zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehrl94 . § 71 AMG sieht materielle Ausnahmeregelungen vor: Abs. 1 befreit von der Angabe des Verfallsdatums, andere Ausnahmen können nach Abs. 2 und 3 durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums fur Gesundheit zugelassen werden l95 . Das Medizinproduktegesetz196 ist nach seinem § 41 Abs. 1 auf Einrichtungen, die der Versorgung der Bundeswehr mit Medizinprodukten dienen, entsprechend anzuwenden. 1m Bereich der Bundeswehr obliegt der Vollzug des Gesetzes und die Überwachung den jeweils zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehr (§ 41 Abs. 2). Gemäß § 42 Abs. 1 kann die Angabe eines

193

Siehe oben Fußn. 86.

,,(1) Die Vorschriften dieses Gesetzes fmden auf Einrichtungen, die der Arzneimitte1versorgung der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes ... dienen, ... entsprechende Anwendung. 194

(2) 1m Bereich der Bundeswehr obliegt der Vollzug dieses Gesetzes bei der Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln den zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehr.. _" 195 ,,( 1) Die in § 10 Abs. 1 Nr. 9 vorgeschriebene Angabe des Verfallsdatums krum entfallen bei Arzneimitteln, die an die Bundeswehr ... abgegeben werden. Die zuständigen Bundesministerien ... stellen sicher, daß Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auch bei solchen Arzneimitteln gewährleistet sind.

(2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Ausnahmen von den Vorschriften dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsverordnungen für den Bereich der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes ... zuzulassen, soweit dies zur Durchführung der besonderen Aufgaben in diesen Bereichen gerechtfertigt ist und der Schutz der GeslUldheit von Mensch oder Tier gewahrt bleibt. (3) Die Rechtsverordnung ergeht, soweit sie den Bereich der Bundeswehr berührt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung ... , jeweils ohne Zustimmung des Bundesrates; ... " 196

Gesetz über Medizinprodukte vom 2.8.1994 (BGEl. I S. 1963).

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Verfalldatums entfallen, Abs.2 ennächtigt das BMVg, Ausnalunen von dem Gesetz zuzulassen l97 • Die Möglichkeit, nach § 37 Abs. I LMBä 98 Ausnalunen von den materiellen Anforderungen des Gesetzes und der auf das LMBG gestützten Rechtsverordnungen zuzulassen, betrifft in der Regel nicht unmittelbar die Bundeswehr, sondern vielmehr deren (zivile) Lieferantenl99 . Die Entscheidung trifft nach § 37 Abs. 4 das Bundesministerium für Gesundheit im Einvernelunen mit dem BMVg2OO• § 40 Abs. 2 LMBG überträgt den Vollzug des Gesetzes im Bereich 197 ,,( I) Schreiben die Gnmdlegenden Anforderungen nach § 5 Abs. I die Angabe des Verfalldatums vor, kann diese bei Medizinprodukten entfallen, die an die BWldeswehr abgegeben werden. Das Bundesministerium der Verteidigung stellt sicher, daß die Qualität, die Leistungen und die Sicherheit des Medizinproduktes gewährleistet sind. (2) Das Bundesministerium der Verteidigung kann fllr seinen Geschäftsbereich im Einvernehmen mit dem Bundesministerium ftir GesWldheit Wld, soweit der Arbeitsschutz betroffen ist, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium ftir Arbeit und SozialordnWlg in Einzelfällen Ausnahmen von diesem Gesetz Wld aufGnmd dieses Gesetzes erlassenen RechtsverordnWlgen zulassen, wenn Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften dem nicht entgegenstehen und dies zur DurchflihrWlg der besonderen Aufgaben gerechtfertigt ist und der Schutz der GesWldheit gewahrt bleibt." 198 Siehe oben Fußn. 85. Vgl. auch die Bestinunungen zur Durchfühnmg der überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln und Bedarfsgegenständen sowie der Lebensmittelqualitätskontrolle in der Bundeswehr - Neufassung - vom 10.2.1987 (VMBI. S.65). 199 ,,(1) Von den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Gnmd dieses Gesetzes erlassenen RechtsverordnWlgen können im Einzelfall auf Antrag Ausnahmen nach Maßgabe der Absätze 2 und 3 zugelassen werden. Satz I gilt nicht ftir Verbote der §§ 8, 18, 22, 24, 30 sowie für die nach §§ 9 und 10 erlassenen RechtsverordnWlgen. (2) Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden ... 2. für das Herstellen, Behandeln Wld Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel als Sonderverpflegung ftir Angehörige a) der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte

b) .. . c) .. . einschließlich der hierfür erforderlichen Versuche sowie der Abgabe solcher Lebensmittel an andere, wenn dies zur ordnungsgemäßen Vorratshaltung erforderlich ist; 200 ,,(4) Zuständig für die Zulassung von Ausnalunen nach Absatz 2 Nr. I Wld 3 ist das Bundesministerium im Einvernehmen ... In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist hinsichtlich der Organisationen des Bundes und der verbündeten Streitkräfte das Bundesministerium im Einvernehmen mit dem ftir diese fachlich zuständigen BWldesministerium zuständig .... (7) Das BWldesministerium wird ennächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates in den Fällen des Absatzes 2 Nr. I, Nr. 2. soweit es sich um

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Zweiter Teil: BestandsaufnaJune: Umweltrechtliche Sondervorschriften

der Bundeswehr teilweise den zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundesweh?OI. Das Betäubungsmitteigeseti02 findet nach seinem § 26 Abs. 1 auf Einrichtungen, die der Betäubungsmittelversorgung der Bundeswehr dienen, entsprechende Anwendung. Eine Verkehrserlaubnis benötigen diese Einrichtungen nicht. Der BMVg kann im Einvernehmen Init dem BundesIninister für Gesundheit nach Abs. 3 Ausnahmen von betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften zulassen. Abs. 2 überträgt den Vollzug des Gesetzes und die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs im Bereich der Bundeswehr den in diesem Bereich zuständigen Sachverständigen und Stellen203 . Das Grundstojfüberwachungsgesetz204 findet gemäß seinem § 32 Abs. I Init Ausnahme einiger Vorschriften auf Einrichtungen der Bundeswehr für den Bereich ihrer dienstlichen Tätigkeit entsprechende Anwendung. Der Vollzug des Gesetzes und die Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen obliegt im Bereich der Bundeswehr den jeweils zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehr (§ 32 Abs. 2). Das BMVg kann für seinen Geschäftsbereich im Einvernehmen Init dem BundesIninisterium für Gesundheit in EinzelfalIen Ausnahmen von dem GÜG und den aufgrund des Gesetzes erlassenen RechtsOrganisationen des Bundes oder um verbündete Streitkräfte handelt, und Nr. 3 Vorschriften über das Verfahren bei der Zulassung von AusnaJunen, insbesondere über Art und Umfang der vom Antragsteller beizubringenden Nachweise und sonstigen Unterlagen sowie über die Veröffentlichung von Anträgen oder erteilten AusnaJunen zu erlassen." 201 "Im Bereich der Bundeswehr obliegt der Vollzug dieses Gesetzes bei der Überwachung des Verkehrs mit Erzeugnissen im Sirme dieses Gesetzes, insbesondere in den Verpflegungseinrichtungen und Kantinen, den zuständigen SteHen und Sachverständigen der Bundeswehr." 202 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln i.d.F. der Bek. vom 1.3.1994 (BGBI. I S. 358), zul. geändert durch G. vom 126.1.1998 (BGBI. I S. 160). 203 ,,(1) Dieses Gesetz findet mit AusnaJune der Vorschriften über die Erlaubnis nach § 3 [Verkehrserlaubnis] auf Einrichtungen, die der Betäubungsmittelversorgung der Bundeswehr ... dienen, ... entsprechende Anwendung. (2) In den Bereichen der Bundeswehr ... obliegt der Vollzug dieses Gesetzes und die Überwachung des Betäubungsmittelverkehrs den jeweils zuständigen SteHen und Sachverständigen der Bundeswehr ... (3) Der Bundesminister der Verteidigung kann für seinen Geschällsbereich im Einvernehmen mit dem Bundesminister {für Gesundheit, vgl. § 1 Abs. 3] in Einzelfällen AusnaJunen von diesem Gesetz und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zulassen, soweit die internationalen Suchtstoffübereinkommen dem nicht entgegenstehen und dies zwingende Gründe der Verteidigung erfordern." 204 Gesetz zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln mißbraucht werden kölUlen (GÜG) vom 7.10.1994 (BGBI. I S. 2835).

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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verordnungen zulassen, soweit Rechtsakte der Gemeinschaft oder die intemationalen Suchtstoffübereinkonunen dem nicht entgegenstehen und dies zwingende Gründe der Verteidigung erfordem (§ 32 Abs. 3). Das Sprengstof!gesetl0 5 gilt gemäß seinem § lAbs. 4 Nr. 1 nicht für die Bundeswehr und die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte206 • Das Arbeitszeitgesetl07 ermöglicht in § 15 Abs. 3208 dem BMVg, durch Rechtsverordnung die Arbeitszeit der in seinem Bereich beschäftigten Arbeitnehmer aus zwingenden Gründen der Verteidigung zu verlängem. Das Arbeitsschutzgesetz209 enthält zwei Sonderregelungen (u.a.) für die Bundeswehr: § 20 Abs. 2210 ermächtigt das BMVg, durch Rechtsverordnung die Unanwendbarkeit des Gesetzes zu bestimmen, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordem. § 21 Abs. 5 Satz 4211 weist dem BMVg die Zuständigkeit durch Durchführung des Gesetzes zu. Die Arbeitsmittelbenutzungsverordnuni l2 greift in § 1 Abs. 3213 die Ausnahmevorschrift des § 20 Abs. 2

205 Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe i.d.F. der Bek. vom 17.4.1986 (BGBI. I S. 577), zul. geändert durch G. vom 19.10.1994 (BGB\. I S. 2978). 206 ,,(4) Dieses Gesetz gilt nicht ftlr

I. die Bundeswehr, die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte, die Vollzugspolizei des Bundes und der Länder, den Zollgrenzdienst sowie für die für die Kampfmittelbeseitigung zuständigen Stellen der Länder, ... " 207 ArbZG vom 6.6.1994 (BGB\. I S. 1170), geändert durch G. vom 30.7.1996 (BGB\. I S. 1186). 208 ,,Das Bundesrninisterium der Verteidigung kann in seinem Geschäftsbereich durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung aus zwingenden Gründen der Verteidigung Arbeitnehmer verpflichten, über die in diesem Gesetz und in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und Tarifverträgen festgelegten Arbeitszeitgrenzen und -beschränkungen hinaus Arbeit zu leisten." 209 Siehe oben Fußn. 63. 210 ,,Für bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes, insbesondere bei der Bundeswehr, ... können ... das Bundesministerium der Verteidigung ... , soweit sie hierftlr jeweils zuständig sind, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des BWldesrates bestimmen, daß Vorschriften dieses Gesetzes ganz oder zum Teil nicht anzuwenden sind, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit."

211 ,,Für Betriebe und Verwaltungen in den Geschäftsbereichen des Bundesrninisteriums der Verteidigung ... fUhren das jeweilige Bundesrninisterium ... , soweit sie jeweils zuständig sind, oder die von ihnen bestinunte Stelle dieses Gesetz durch." 212 Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung von Arbeitsmitteln bei der Arbeit (AMBV) vom 11.3.1997 (BGBI. I S. 450).

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

ArbSchG auf und ennächtigt das BMVg, Ausnahmen von der Verordnung durch Einzelakt zuzulassen. Mangels entgegenstehender ausdriicklicher Bestimmung gelten die materiellen Regelungen des Bundes-SeuchengesetzeS2 14 auch für die Bundeswehr. Allerdings sieht dessen § 78 wnfangreiche Zuständigkeiten der Bundeswehr zum Vollzug des BSeuchenG vor und trifft ausführliche Regelungen über die Zusammenarbeit zwischen den zivilen Gesundheitsbehörden der Länder und den zuständigen Stellen der Bundesweh?15. 213 " ... das Bundesministerium der Verteidigwlg ... können, soweit sie hierfür jeweils zuständig sind, im Einvernehmen ... bestimmen, daß ftlr bestimmte Tätigkeiten im öffentlichen Dienst des Bundes, insbesondere bei der Bundeswehr, ... Vorschriften dieser Verordnung ganz oder zum Teil nicht anzuwenden sind, soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit. In diesem Fall ist gleichzeitig festzulegen, wie die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten nach dieser Verordnung auf andere Weise gewährleistet werden." 214 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen i.d.F. der Bek. vom 18.12.1979 (BGBI. I S. 2262), zul. geändert durch G. vom 24.3.1997 (BGBl. I S. 594). 21S ,,(1) Im Bereich der Bundeswehr obliegt der Vollzug dieses Gesetzes den zuständigen Stellen der Bundeswehr, soweit er betrim I. Personen, die in Unterkünften oder sonstigen Einrichtungen der Bundeswehr untergebracht sind,

2. Soldaten, die dauernd oder vOrUbergehend außerhalb der in Nummer I bezeiclmeten Einrichtungen wolmen, 3. Angehörige der Bundeswehr auf dem Transport, bei Märschen, in Manövern und Übungen, 4. die Untersuchung nach § 18 Abs. J [Gesundheitszeugnisjür Lebensmittelherstellullg und -verarbeitung] bei Personen, die in Einrichtungen der Bundeswehr eine der in § 17 bezeiclmeten Tätigkeiten ausüben, sowie die Anordnung und Durchführung von Wiederholungsuntersuchungen fllr diesen Personenkreis, 5. Grundstücke, Einrichtungen, AusrUstungs- und Gebrauchsgegenstände der Bundeswehr, 6. die Erlaubnis nach § 19 Abs. I [Arbeiten mit Krankheitserregern}. (2) In den Fällen des Absatzes I Nr.2 sind die Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im Benehmen mit dem zuständigen Gesundheitsantt zu treffen. In den Fällen des Absatzes I Nr. 4 ist bei Zivilpersonen das zuständige Gesundheitsantt unverzüglich von dem Ergebnis der Untersuchungen zu unterrichten. (3) Bei Zivilbediensteten, die außerhalb der in Absatz I Nr. I bezeiclmeten Einrichtungen wolmen, sind die Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten im Benehmen mit der zuständigen Stelle der Bundeswehr zu treffen. (4) In den Fällen des Absatzes 2 kann bei Gefa1tr im Verzuge das Gesundheitsamt, in den Fällen des Absatzes 3 die zuständige Stelle der Bundeswehr vorläufige Maßnahmen treffen.

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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Das Gejlüge1j7eischhygienegesetl l6 bestimmt in § 17 Abs. 3, daß die Durchfiihrung des Gesetzes im Bereich der Bundeswehr den zuständigen Dienststellen der Bundeswehr obliegt217. Die Durchfiihrung amtlicher Untersuchungen und die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen sind von Sanitätsoffizieren (Veterinär) wahrzunehmen. Eine inhaltlich übereinstimmende Regelung enthält das Fleischhygienegesetl 18 in seinem § 22a Abs. 3. Nach § 15 Abs. 3 Tierschutzgesetl 19 obliegt die Durchfiihrung des Gesetzes fiir Tiere, die sich im Besitz der Bundeswehr befinden, den zuständigen Stellen der Bundeswehr2o . Beim BMVg ist eine Tierschutzkonunission zu berufen.

(5) Der Bundesminister für Gesundheit wird ennächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Verteidigung durch allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, inwieweit sich die Gesundheitsämter und die zuständigen Stellen der Bundeswehr von dem Auftreten oder dem Verdacht des Auftretens einer übertragbaren Krankheit gegenseitig zu benachrichtigen haben, inwieweit sie sich bei den Ennittlungen gegenseitig zu unterstützten haben und inwieweit die Geswldheitsämter auf Grund der Benachrichtigungen durch die zuständigen Stellen der Bundeswehr die Auskunftspflicht nach § 5a [BundesstatistikJ auch für meldepflichtige Tatsachen aus dem Dienstbereich der Bundeswehr übernemnen." 216 GFlHG vom 17.7.1996 (BGB\. I S. 991), geändert durch G. vom 22.12.1997 (BGBI. I S. 3224). 217 In seinem Erlaß ,,zuständigkeit nach dem Geflüge1fleischhygienegesetz (GFlHG) - Erstfassung" vom 7.8.1997 (VMBI. S. 319) hat der BMVg die Wehrbereichskommandos als zuständige Dienststellen bestimmt. 218 FlHG i.d.F. der Bek. vom 8.7.1993 (BGBI. I S. 1189), zul. geändert durch G. vom 22.12.1997 (BGB\. I S. 3224). Vgl. dazu die Bestimmungen über die Durchführung des Fleischhygienegesetzes im Bereich der Bundeswehr - Ersttassung - vom 24.8.1995 (VMBI. S. 286). 219 Siehe oben Fußn. 117. 220 ,,(3) Im Bereich der Bundeswehr obliegt die Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften den zuständigen Dienststellen der Bundeswehr. Das Bundesministeriwn der Verteidigung beruft eine Kommission zur Unterstützung der zuständigen Dienststellen bei der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder muß die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, der Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung haben. In die Kommission sollen auch Mitglieder berufen werden, die aus Vorschlagslisten der Tierschutzorganisationen ausgewählt worden sind und aufgrund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sind. Die zuständige Dienststelle unterrichtet unverzüglich die Kommission über Anträge auf Genehmigung von Versuchsvorhaben und gibt ihr Gelegenheit, in angemessener Frist Stellung zu nemnen. Die Sicherheitsbelange der Bundeswehr sind zu berücksichtigen. Sollen Tierversuche im Auftrag der Bundeswehr durchgeführt werden, so ist die Kommission ebenfalls zu unterrichten und ihr vor Auftragserteilung Gelegenheit zur Stellungnalune zu geben; Absatz I bleibt unberührt. Die für die Genelunigung des Versuchsvorhabens zuständige Landesbehörde

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

Für die Durchführung des Tierseuchengesetzesl2l sind nach § 3 Abs. 1 im Bereich der Bundeswehr weitgehend deren Dienststellen zuständig222 . Das gilt gemäß § 73 Abs. 1 Alt. 2 auch für die Überwachung123 . Tierkörper, die sich im Besitz der Bundeswehr befinden, können gemäß § 17 Abs. 5 Tierkörperbeseitigungsgeset:l 24 unter Wahrung des allgemeinen Grundsatzes des § 3 in den von der Bundeswehr betriebenen Anlagen beseitigt werden. Der Vollzug des Gesetzes obliegt insoweit den vom BMVg bestimmten Stellen225 . Gemäß § 7 Abs. 1 der Seeschiffahrtsstraßen-Ordnunl 26 sind Fahrzeuge des öffentlichen Dienstes, also nicht nur solche der Bundeswehr, von den Vorschriften der Verordnung befreit, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist. Für einzelne Abweichungen schreibt Abs. 2 den Fahrzeugen der Bundeswehr besondere Sicherheitsmaßnalunen bei Annäherung

ist davon in Kenntnis zu setzen. Die zuständige Dienststelle der Bundeswehr sendet auf Anforderung die Stellungnahme zu." 221 I.d.F. der Bek. vom 20.12.1995 (BGBL I S. 2039). Vgl. die Bestimmungen des BMVg über die Durchfilhrung des Tierseuchengesetzes im Bereich der Bundeswehr Erstfassung - vom 11.1.1992 (VMBI. S. 54). 222 ,,hn Bereich der Bundeswehr obliegt die Durchflihrung der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften, mit Ausnahme der Einfuhr- und Ausfuhrvorschriften, den zuständigen Dienststellen der Bundeswehr. Diese Dienststellen haben der flir den Standort zuständigen Landesbehörde den Ausbruch, den Verdacht des Ausbruchs, den Verlauf und das Erlöschen einer Tierseuche in ihrem Zuständigkeitsbereich mitzuteilen; bei Tierseuchen, die bekämpft werden müssen, haben sie auch die getroffenen Schutzmaßregeln unverzüglich mitzuteilen." 223 ,,Die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, der nach diesem Gesetz oder nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung getroffenen vollziehbaren Anordnungen sowie der der Bekämpfung von Tierseuchen dienenden unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft wird durch die nach Landesrecht zuständigen Behörden, im Falle des § 3 Abs. 1 durch die zuständigen Dienststellen der Bundeswehr, überwacht." 224 Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen vom 2.9.1975 (BGB!. I S. 2313, ber. S. 2610). m Vgl. dazu den Erlaß "Zuständigkeit nach dem Gesetz über die Beseitigung von Tierkörpern, Tierkörperteilen und tierischen Erzeugnissen (Tierkörperbeseitigungsgesetz - TierKBG) - Neufassung -" vom 10.12.1997 (VMBI. 1998 S. 108). 226 SeeSchStrO i.d.F. der Bek. vom 15.4.1987 (BGBI. I S. 1266), zul. geändert durch VO vom 24.6.1997 (BGBI. I S. 1537).

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umwe1trecht

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anderer Schiffe vor. Die Schifjssicherheitsverordnunl 27 gilt nach ihrem § 1 Abs. 2 Nr. 1 nicht für Schiffe der Bundeswehr und Truppentransportschiffe. Die Inhaber eines Berechtigungsscheins ihrer Dienststelle bedürfen nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 Binnenschijferpatentverordnunl28 beim Führen von Dienstfahrzeugen229 der Bundeswehr keiner Fahrerlaubnis der allgemein zuständigen Behörde. Das Fahrlehrergesetl 30 läßt in § 30 Abs. 1 zu, daß der Bund eigene Fahrschulen errichtet. Gemäß § 30 Abs. 2 kann das BMVg anordnen, daß die Aufgaben der Fahrlehrerlaubnisbehörde und der Prüfungsausschüsse von Dienststellen seines Geschäftsbereichs wahrgenommen und für Fahrlehreranwärter seines Geschäftsbereichs Fahrlehrerausbildungsstätten eingerichtet werden. Für die Anerkennung dieser Anwärter als Fahrlehrer gelten die allgemeinen Vorschriften. Die Bundeswehr ist von den Vorschriften des Personenbefärderungsgeset-

zei 31 nach § 1 Nr. 5 Freistellungs-Verordnuni32 freigestellt 233 .

Das Gaststättengesetl 34 ist nach seinem § 25 Abs. 1235 auf Betreuungseinrichtungen der Bundeswehr nicht anzuwenden, soweit sich diese Betriebe 227 Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (SchSV) i.d.F. der Bek. vom 3.9.1997 (BGBI. I S. 2218). 228 Verordnung über Befahigungszeugnisse in der Binnenschiffahrt (BinSchPatentV) vom 15.12.1997 (BGBI. I S. 3066). 229 Das sind nach § 1 Nr. II BinSchPatentV Fahrzeuge, die im Ralunen hoheitlicher Aufgaben eingesetzt werden. 230 Gesetz über das Fahrlehrerwesen vom 25.8.1969 (BGBI. I S. 1336), zul. geändert durch G. vom 24.4.1998 (BGBI. I S. 747).

231 I.d.F. der Bek. vom 8.8.1990 (BGBl. I S. 1690), zul. geändert durch G. vom 24.4.1998 (BGBI. I S. 747). 232 Verordnung über die Befreiung bestimmter Beförderungsfalle von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes vom 30.8.1962 (BGBI. I S. 60 I), zul. geändert durch va vom 30.6.1989 (BGBI. I S. 1273). 233 "Von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes werden freigestellt ( ... )

5. Beförderungen durch die Streitkräfte mit eigenen Kraftfahrzeugen 234 Vom 5. Mai 1970 (BGBl. I S.465, ber. S. 1298), zul. geändert durch G. vom 19.7.1996 (BGBI. I S. 1019). 235 ,,Die Vorschriften dieses Gesetzes fmden keine Anwendung auf Betreuungseinrichtungen, insbesondere Kantinen und Kameradschaftsheime, der im Geltungsbereich dieses Gesetzes stationierten ausländischen Streitkräfte, der Bundeswehr, des Bundesgrenzschutzes oder der in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Polizei sowie auf die Messen an Bord, soweit sich diese Betriebe überwiegend auf die Bewirtwlg der Angehörigen dieser Verbände beschränken ... "

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

überwiegend auf die Bewirtung von Angehörigen der Verbände beschränken. Adressat ist die Bundeswehr in den Fällen, in denen sie solche Einrichtungen in eigener Regie betreibt. Das Waffongeset:?36 ist auf die dienstliche Tätigkeit (u.a.) der Bundeswehr nach seinem § 6 Abs. 1 Satz 1 nur dann anzuwenden, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist237 • Für die Beschußpflicht nach § 16 WaffenG wiederholt § 17 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b diese Befreiung238 . Allerdings sind nach § 13 Abs. 5239 Besitzzeichen und nach § 19 Abs.2240 Prüfzeichen anzubringen. Diese Vorschriften gehören zum Verwaltungssonderrecht der Bundeswehr. Nicht unmittelbar die Bundeswehr, sondern die Hersteller und Vertreiber betreffen die Vorschriften der § 23 Abs. 3241 , § 25 Abs. 4242 sowie § 37 Abs. 2243 .

236 Ld.F. der Bek. vom 8.3.1976 (BGBI. I S. 432), zul. geändert durch G. vom 21.11.1996 (BGBI. I S. 1779). 237 ,,( I) Dieses Gesetz ist auf die obersten Bundes- und Landesbehörden, die Bundeswehr und die Deutsche Bundesbank sowie auf deren Bedienstete, soweit sie dienstlich tätig werden, nicht anzuwenden, wenn es nicht ausdrücklich etwas anderes bestinunt. ... " 238 ,,(1) § 16 ist nicht anzuwenden auf... 2. Handfeuerwaffen, die a) b) für die Bundeswehr ... hergestellt und ihnen überlassen werden, wenn die nach diesem Gesetz erforderliche Beschußprüfung durch die jeweils zuständige Stelle sichergestellt ist, 239 ,,(5) Schußwaffen, die von der Bundeswehr, vom Bundesgrenzschutz, von der Bundeszollverwaltung oder von den PoIizeien der Länder erworben werden, sind von ihnen mit einem Zeichen zu versehen, welches das Besitzrecht dieser Behörden erkennenläßt." 240 ,,(2) In den Fällen des § 17 Abs. I Nr. 2 Buchstabe b sind die Gegenstände mit einem Prüfzeichen der jeweils zuständigen Stelle zu versehen." 241 ,,(3) Absatz 1 [Zulassungspjlicht für pyrotechnische Munition einschließlich der mit ihr festverbmu1enen Antriebsvorrichtung] ist nicht anzuwenden auf pyrotechnische Munition, die fllr die Bundeswehr ... hergestellt und ihnen überlassen wird." 242 ,,(4) Absatz 1 [Zulassungspjlicht für Patronen- und Kartuschenmunition sowie Treibladungen nach § 2 Abs. 2für Handfeuerwaffen} gilt nicht für ... 2. Munition, die ftir die Bundeswehr ... hergestellt und ihnen überlassen wird, ... " 243 ,,(2) Absatz I [Verbotene Gegenstände} ist nicht anzuwenden, soweit l. die dort bezeichneten Gegenstände für die BWldeswehr ... bestinunt sind und ihnen überlassen werden,

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Die Genehmigungspflicht nach §§ 2 bis 4a des Kriegswaffenkontrollgesetze;44 rur das Herstellen, Befördern und das Vennitteln eines Geschäfts über im Ausland befindliche Kriegswaffen sowie die Pflichten nach § 12 im Verkehr mit Kriegswaffen gelten gemäß § 15 Abs. 1 nicht rur die Bundesweh~45. Entsprechende Regelungen enthält die Ausführungsverordnung zum Chemiewaffentibereinkommen 246 : gemäß § 11 bedarf die Bundeswehr keiner Genehmigung nach § 2 CWÜV rur Produktion, Verarbeitung und Verbrauch der betroffenen Chemikalien und entsprechender Produktionseinrichtungen, die Bundeswehr ist außerdem von den Meldevorschriften der CWÜV befreit247 . Auch im Telekommunikationsrecht bestehen einige Sondervorschriften fiir die Bundeswehr. Für Anlagen, die zur Verteidigung des Bundesgebietes bestimmt sind, stand bis zum 31.12.1997 nach § 1 Abs. 6 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen248 das ausschließliche Recht zum Betrieb von Sprachtelefondienst dem BMVg ZU249 . Die weitere Ausgestaltung der Telekommunikation erfolgt durch die Vorschriften des Telekommunikationsgesetze;5o. Nach § 2 Abs.4 TKG251 bleiben die Hoheitsrechte des BMVg von der Regulierung der Telekommunikation und der Frequenzordnung unberührt. Frequenzen, die der Verteidigung des Bundesgebietes dienen, unterliegen nicht der Frequenzzuteilung und Nutzungsüberwachung, sondern werden im Einvernehmen

244 Ausflihrungsgesetz zu Artikel 26 Abs.2 des Gnmdgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) i.d.F. der Bek. vorn 22.11.1990 (BGB\. I S. 2506), zu\. geändert durch G. vorn 28. \0.1994 (BGB\. I S. 3186). 245 ,,Die §§ 2 bis 4a und 12 gelten nicht rur die Bundeswehr ..." 246

cWüV vorn 20.1 \.1996 (BGB\. I S. 1794).

,,Keiner Genehmigung nach § 2 bedürfen die Bundeswehr ... Die MeIdevorschrifteIl dieser Verordnung gelten nicht für die Bundeswehr." 247

248 FAG i.d.F. der Bek. vorn 3.7.1989 (BGB\. I S. 1455), zu\. geändert durch G. vom 17.12.1997 (BGB\. I S. 3 \08). 249 ,,(6) Für Anlagen, die zur Verteidigwlg des Bundesgebietes bestimmt sind, hat der Bund die in den Absätzen I, 2 {aufgehoben} und 4 [felefondienstmonopol bis zum 3J.J2.J997} bezeichneten Rechte inne; diese Rechte werden durch den Bundesminister der Verteidigung ausgeübt."

250 TKG vom 25.7.1996 (BGB\. I S. 1120), geändert durch G. vorn 17.12.1997 (BGB\. I S. 3108). 251 ,,Die hoheitlichen Rechte des Bundesministers der Verteidigung bleiben {von der Regulierung der Telekommunikntion und der Frequenzordnung] unberührt."

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Zweiter Teil: Bestandsaufnahme: Umweltrechtliche Sondervorschriften

zwischen dem Bundesministerium für Post und Telekommunikation252 und dem BMVg vereinbart, § 44 Abs. 3253 , § 47 Abs. 2254 . Schließlich sieht das Kraftfahrzeugsteuerrecht besondere Regelungen für die Bundeswehr vor: Das Halten von Fahrzeugen, die ausschließlich im Dienst der Bundeswehr verwendet werden, ist, soweit die Fahrzeuge äußerlich als für diesen Zweck bestimmt erkennbar sind, nach § 3 Nr. 2 Kraftjahrzeugsteuergeset;55 von der Steuer befreit. Für die Fahrzeuge, die danach steuerpflichtig sind, entrichtet die Bundeswehr die Kfz-Steuer im Abrechnungsverfahren nach § 9 Abs. I Krajtfahrzeugsteuer-Durchjührungsverordnunl 56 • Nicht nur das Bundesrecht, auch das Landesrecht kennt außerhalb des Umweltrechts Sonderregelungen für die Bundeswehr. Exemplarisch seien hier zwei Regelungsgegenstände . genannt. Die Kampjmitte/verordnungen sind auf die Bundeswehr nicht anzuwenden257 • Einige Brandschutzgesetze 258 schließen ihre

252 Diese Zuständigkeiten sind mit Wirkungen vom 1.1.1998 auf das Bundesministerium fllr Wirtschaft übergegangen, vgl. 11 2 des Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 17.12.1997 (BGBI. 1998 I S. 68). 253 ,,Für Frequenznutzungen, die der Verteidigung des Bundesgebietes dienen, stellt das Bundesministerium für Post und Telekommunikation das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung her." [statt Frequenzzuteilung und Nutzungsüberwachung]. 254 ,,Frequenznutzungen des Bundeslninisteriums der Verteidigung bedürfen in den ausschließlich für militärische Nutzungen im Frequenznutzungsplan ausgewiesenen Frequenzbereichen keiner Zuteilung." 255 I.d.F. der Bek. vom 24.5.1994 (BGBI. I S. 1 \02), zul. geändert durch G. vom 18.4.1997 (BGBI. I S. 805). 256 I.d.F. der Bek. vom 24.5.1994 (BGBI. I S. 1144), zul. geändert durch G. vom 18.4.1997 (BGBI. I S. 805). 257 Vgl. z.B. in Nordrhein-Westfalen § 6 Abs. 1 der Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel vom 3.11.1993 (GV.NW. S. 887); in Sachsen die Polizei verordnung des Sächsischen Staatslninisteriums des lnnern zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel vom 4.2.1994 (SächsGVBI. S. 417); in Schieswig-Hoistein § lAbs. 4 der Landesverordnung zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Kampfmittel (Kampfmittelverordnung) vom 24.4.1998 (GVOBI. Schl.-H. S. 180). 258 Nicht z.B. in Baden-Württemberg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen. Brandenburg und Sachsen-Anhalt stellen zwar die Deutsche Reichsbahn, die Deutsche Bundespost, die Bundesfernstraßenverwaltung und die Bundeswasserstraßenverwaltung, nicht aber die BWldeswehr von der Geltung ihrer Brandschutzgesetze frei, vgl. § 37 Abs. 2 des Gesetzes über den Bralldschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfallen und öffentlichen Notständen des Landes Brandenburg i.d.F. der Bek. vom 9.3.1994 (GVBI. I S. 65), § 30 Abs. 2 des Brandschutz- und Hilfeleistungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 6.7.1994 (GVBI. LSA S. 786).

§ 2 Bundeswehrspezifisches Umweltrecht

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Geltung für die Bundeswehr ganz259 oder teilweise - insbesondere hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufstellung einer Werksfeuerwehr und des vorbeugenden Brandschutzes - aus 260 .

259 Z.B. § 26 Abs. 2 des Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistung im Saarland vom 30.11.1988 (Amtsbl. S. 1410, ber. 1989 S. 1397), geändert durch G. vom 10.12.1997 (Amtsbl. S. 1375).

260 Z.B. § 47 Abs. 2 des hessischen Gesetzes über den Brandschutz und die Hilfeleistung der Feuerwehren vom 5.10.1970 (GVBI. I S. 585), zu! geändert durch G. vom 15.7.1997 (GVBI. I S. 217); § 42 Abs. 2 des nordrhein-westfalischen Gesetzes über den Feuerschutz wld die Hilfeleistung vom 10.2.1998 (GV.NW. S. 122); § lAbs. 3 des rheinland-pfalzischen Landesgesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz vom 2.11.1981 (GVB! S.247), geändert durch G. vom 8.4.1991 (GVB! S. 112).

5 Rcpkcwitz

Dritter Teil

Das Umweltsonderrecht der BundeswehrAllgemeiner Teil Die Bestandsaufnahme zeigt ein buntes Bild mit einer Vielzahl auf den ersten Blick höchst unterschiedlicher Normen. Das Normengewirr läßt sich aber nach rein formalen Kriterien strukturieren. Das erlaubt es, die verschiedenen Regelungsgegenstände zu Normgruppen zusammenzufassen.

§ 3 Gegenstände spezieller Regelungen Kriterium fiir die Systematisierung ist der Regelungsgegenstand der Normen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Normen des formellen und des materiellen Umweltrechts. Das formelle Umweltrecht ist weiter aufzugliedern in das Umweltverfahrens- und das Umweltorganisationsrecht1. Aus dieser Untergliederung ergeben sich drei Erscheinungsformen der Sondervorschriften für die Bundeswehr: Zuständigkeitsnormen, materielle Normen und Verfahrensnormen.

Zuständigkeitsregelungen bestimmen, welcher Hoheitsträger oder welche Behörde zur Wahrnehmung einer Aufgabe berechtigt und verpflichtet ist2 • Die umweltrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr übertragen einzelne oder sämtliche Zuständigkeiten zum Gesetzesvollzug auf den BMVg oder ihm nachgeordnete Behörden, vereinzelt begründen sie eine "neue" Zuständigkeit desBMVg 3 . Normen des materiellen Verwaltungsrechts sind dadurch gekennzeiclrnet, daß sie die Rechtsbeziehungen zwischen einem Träger öffentlicher Gewalt und

1 Zu diesen Unterscheidungen allgemein Ule/Lallbinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 2 (S. 11). 2 BadlIra, in: Erichsen, AllgVerwR, § 35 Rdnr. 1 (S.405); Mallrer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rdnr. 44 (S. 507); Rlldolf, in: Erichsen, AllgVerwR, § 53 Rdnr. 44 (S. 715); Ule/Lallbillger, Verwaltwlgsverfahrensrecht, § 10 Rdnr. 2 (S. 78). 3

5*

Zu den ZuständigkeitsregeJungen ausführlich unten § 4.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

einem (nicht notwendig privaten) Dritten bestimmen4 . Sie stellen inhaltliche Anforderungen an das reglementierte Verhaltens. Die Abgrenzung zwischen inhaltlichen und fonnalen Anforderungen (z.B. Anzeige- oder Genehmigungspflichten) ist nach dem Regelungszweck des jeweiligen Gesetzes vorzunehmen. Inhaltliche Anforderungen stellen Umweltschutzvorschriften dann, wenn sie Maßstäbe dafür festlegen, was der Umwelt an Belastungen zugemutet werden darf. Davon zu unterscheiden sind formale Anforderungen, die keine Aussagen über das Maß der zulässigen Umweltbelastung, sondern über Verfahrensschritte fiir deren Zulässigkeit treffen. Die materiellen Vorschriften des Umweltsonderrechts erlauben der Bundeswehr meist, unter bestimmten Voraussetzungen von den allgemein geltenden Anforderungen abzuweichen. Gelegentlich schließen sie die Anwendung eines Gesetzes im Bereich der Bundeswehr vollständig aus oder ordnen dessen entsprechende Anwendung an6 . Die Verfahrensvorschriften betreffen, anders als die materiellen Regelungen, nicht den Inhalt einer Verwaltungsentscheidung, sondern deren Zustandekommen7 . Sie enthalten die Regeln der Entscheidungsfindung. Soweit diese Begriffsbestimmung dahin eingeschränkt wird, daß nur das Zustandekommen von Entscheidungen mit Außenbezug erfaßt werde 8 , bezieht sich das auf das Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG 9 , nicht aber auf einen allgemeinen Begriff der Verfahrensvorschriften. Die Verfahrensvorschriften im Umweltsonderrecht der Bundeswehr regeln oftmals den Ausschluß einzelner Verfahrensabschnitte oder ganzer Verfahren, teilweise aber auch die Ergänzung von Verfahren, die von anderen als dem BMVg oder ihm nachgeordneter Behörden durchgefiihrt werden. Gelegentlich werden spezielle Verfahren eingefiihrt, etwa zur Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen J o. Eine trennscharfe Abgrenzung dieser Erscheinungsformen der Sondervorschriften ist nicht immer möglich. So enthalten etwa die Normen, die ein Ab4 Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rdnr.2 (S. 11); Woljf, vr 1996 S. 367 ff., 268, mit verengter Betrachtung nur der Staat-Bürger-Beziehungen. 5 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 7. 6 Dazu ausführlich unten § 5. 7 Badura, in: Erichsen, AllgVerwR, § 34 Rdnr. 2 (S. 434 f); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 1 (S. 446); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrellsrecht, § 2 Rdnr. 3 (S. 11); Wolff, vr 1996 S. 367 ff., 367. 8 So etwa Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rdnr. 50. 9 Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 3 (S. 11). 10 Ausführlich zu den Verfahrensvorschriften unten § 6.

§ 3 Gegenstände spezieller Regelungen

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weichen von materiellen Anforderungen von einer Entscheidung des BMVg abhängig machen, materielle und zugleich ZuständigkeitsregelungenlI, da sie die Zuständigkeit des BMVg für diese Entscheidung anordnen. Sie enthalten zudem Verfahrensbestimmungen, soweit sie festlegen, nach welchen Regeln die Abweichungsentscheidung zu treffen ist. Auf eine eindeutige und unbedingte Einordnung derartiger Vorschriften muß daher verzichtet werden, vielmehr ist ggf. eine Mehrfachzuordnung geboten.

11 OVG Münster, Beseh!. v. 2.3.1989 - 21 B 1861/88 -, Ule/Laubinger, BImSehGRspr. § 60 Nr. 3 S. 6 f

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des Bundes Die Zuständigkeit legt fest, welcher Hoheitsträger und welche Behörde eine bestimmte Aufgabe wahrzunelunen hat. Sie läßt sich definieren als die Berechtigung und Verpflichtung zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabel . Dabei sind die Verbands-, die sachliche, die örtliche und die funktionelle Zuständigkeit zu unterscheiden2 . Im folgenden geht es überwiegend um die Verbandszuständigkeit, die bestimmt, welche juristische Person des öffentlichen Rechts eine bestimmte Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen hat.

A. Erscheinungsformen Die Bundeszuständigkeiten zur Ausfuhrung von Bundesgesetzen im Bereich der Bundeswehr weisen kein einheitliches Erscheinungsbild auf. Sie können nach dem Gegenstand der wahrzunelunenden Verwaltungsaufgabe in zwei Gruppen systematisch zusammengefaßt werden. Vol/zugszuständigkeiten betreffen den materiellen Gehalt des jeweiligen Gesetzes: Die Vorschriften über Vollzugszuständigkeiten legen fest, wer zur Durchsetzung der materiellen Anforderungen berufen ist. Dagegen erfassen die Zuständigkeiten für Verfahrensentscheidungen lediglich fonnelle gesetzliche Anforderungen: diese Vorschriften bestimmen, wer über die Durchfuhrung und Ausgestaltung von Verwaltungsverfahren befindet, ohne daß es auf die in dem Verfahren zu erörternden materiellen Anforderungen ankäme. 1. Vol/zugszuständigkeiten

Hinsichtlich der Vollzugszuständigkeiten ist weiter nach ihrem Umfang zu unterscheiden zwischen der Gesamtvol/zugszuständigkeit und den Einzelvollzugszuständigkeiten J . Die Gesamtvollzugszuständigkeit läßt sich als Summe I Maurer, Allgemeines Verwaltwlgsrecht, § 21 Rdnr. 44 (S. 507); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rdnr. 2 (S. 78).

2 Hierzu ausführlich Ule/Laubinger, VerwaItungsverfahrensrecht, § 10 Rdnrn. 2 ff. (S. 78 ff.). 3 Schon dies zeigt, daß entgegen der Auffassung des VGH Mannheim (Urt. v. 19.9.1994 - I S 3050/93 -, DVBI. 1995 S. 365 f., 365) keine aus Art. 8Th GG resultie-

§ 4 Verwaltlmgszuständigkeiten des Bundes

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aller in dem betreffenden Gesetz vorgesehenen Einzelvollzugszuständigkeiten auffassen. Der Gesetzgeber hat beide Modelle genutzt. I. Gesamtvollzugszuständigkeit Gesamtvollzugszuständigkeiten sind dann gegeben, wenn "der Vollzug dieses Gesetzes" Bundesbehörden übertragen wurde. Derartige Vorschriften sind in einer ganzen Reihe von umweltrechtlichen Gesetzen enthalten. Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 StrVG obliegt der Vollzug des Gesetzes im Bereich der Bundeswehr deren Stellen. § 24 Abs. I ChemG ordnet an, daß der Vollzug des ChemG und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen "im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung" dem BMVg und den von ihm bestimmten Stellen obliegt. Der Vollzug des KrW -/ AbfG obliegt im Geschäftsbereich des BMVg für die Verwertung und Beseitigung militäreigentümlicher Abfälle dem BMVg. Nach § 68 Abs. 3 StVZO werden die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden und höheren Verwaltungsbehörden nach der StVZO für den Dienstbereich der Bundeswehr "durch deren Dienststellen nach Bestimmung der Fachminister wahrgenommen". Gesamtvollzugszuständigkeiten bestehen auch außerhalb des Umweltrechts. Der Vollzug des Medizinproduktegesetzes obliegt im Bereich der Bundeswehr den zuständigen Stellen der Bundeswehr (§ 41 Abs. 2 MPG). Gleiches gilt für den Vollzug des Betäubungsmiuelgesetzes (§ 26 Abs. 2 BtMG), des Grundstoffüberwachungsgesetzes (§ 32 Abs. 2 GÜG), des Geflügelfleischhygienegesetzes (§ 17 Abs. 3 GFlHG) und des Fleischhygienegesetzes (§ 22a Abs. 3 FlHG). Der BMVg ist für die Durchführung des Arbeitsschutzgesetzes zuständig (§ 21 Abs. 5 Satz 4 ArbSchG). "Im Bereich der Bundeswehr" obliegt die Durchführung des TierseuchenG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften nach § 3 Abs. 1 Satz 1 weitgehend den zuständigen Dienststellen der Bundeswehr. Gleiches gilt gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 TierschutzG für den Vollzug dieses Gesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften. Der Vollzug des BSeuchenG obliegt gemäß § 78 Abs. 1 BSeuchenG hinsichtlich des dort abschließend aufgezählten Personenkreises "den zuständigen Stellen der Bundeswehr". Gemäß § 9 SchBerG sind Schutzbereichsbehörden die Bundeswehrverwaltungen. Auch dieses Gesetz wird damit vollständig von Bundesbehörden ausgeführt. Eine abweichende Gestaltung sehen § 59 BImSchG und § 5 Abs. 5 GBefGG vor. Sie ermächtigen die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung die Ausrende umfassende Vollzugszuständigkeit des Bundes im Bereich der Bundeswehr besteht. Zutreffend insoweit das Revisionsurteil des BVerwG in diesem Verfahren (Urt. v. 10.12.1996 -I C 33.94 -, Buchholz 11 Art. 30 Nr. 5 S. 3).

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Dritter Teil: Das Umwe1tsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

führung des jeweiligen Gesetzes im Bereich der Landesverteidigung unter weiteren Voraussetzungen Bundesbehörden zu übertragen. Von der Ermächtigung des § 59 BlmSchG hat die Bundesregierung mit dem Erlaß von § 1 der 14. BlmSchV in lediglich eingeschränktem Umfang Gebrauch gemacht. Aufgrund des § 5 Abs. 5 GBefGG hatte die Bundesregierung durch § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung gefahrgutrechtlicher Ennächtigungen auf den Bundesminister für Verkehr4 die Zuständigkeit des BMVg oder der von ihm bestimmten militärischen Stellen und Behörden begründet. Diese Zuständigkeitsübertragung wurde jedoch durch Art. 1 der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Übertragung gefahrgutrechtlicher Ermächtigungen auf den Bundesminister für Verkems aufgehoben. Das Atomrecht weist eine Besonderheit hinsichtlich seines Vollzuges auf. Gemäß Art. 87c GG können Gesetze, die auf Grund des Art. 74 Abs. 1 Nr. lla GG ergehen, mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß sie von den Ländern im Auftrage des Bundes (Bundesauftragsverwaltung) ausgeführt werden. Hiervon ist in § 24 Abs. I AtomG Gebrauch gemacht worden. Gemäß § 24 Abs. 3 AtomG gilt das jedoch nicht rur den Dienstbereich der Bundeswehr. Die Verwaltungsaufgaben, die sonst von den Ländern im Auftrag des Bundes wahrgenommen werden, nehmen für den Dienstbereich der Bundeswehr der BMVg oder die von ihm bezeichneten Dienststellen im Benelunen mit dem für die kerntechnische Sicherheit und den Strahlenschutz zuständigen Bundesminister wahr. Eine Gesamtschau der Vollzugsaufgaben ergibt, daß die Gesamtvollzugszuständigkeiten im wesentlichen folgende vier Zuständigkeitsgruppen umfassen: -

Zuständigkeit für die Erteilung von "Kontrollerlaubnissen",

-

Überwachungszuständigkeit,

-

Zuständigkeit für die Anordnung von Überwachungskonsequenzen,

-

Zulassung allgemeiner Ausnahmen. 2. Einzelvollzugszuständigkeiten

Die Einzelvollzugszuständigkeiten sind nur eingeschränkt einer systematischen Darstellung zugänglich. Sie hängen stark von der jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung ab. Übergreifende Vollzugsformen sind erkennbar in der Überwachung, der Anordnung von Überwachungskonsequenzen, der Zulassung 4 5

Vom 12.9.1985 (BGBL IS. 1918). Vom 23.5.1990 (BGBI. I S. 989).

§ 4 Verwalttmgszuständigkeiten des Bundes

73

verteidigungsspezifischer Ausnalunen, der Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien sowie der Letztentscheidung bei unterschiedlicher Beurteilung eines Sachverhalts oder unterschiedlicher rechtlicher Bewertung durch Bundes- und Landesbehörden.

a) Überwachung Die behördliche Überwachung dient der Prüfung, ob die fachgesetzlichen materiellen Anforderungen eingehalten werden. Sie ist in vielen Gesetzen, die keine Gesamtvollzugszuständigkeit des Bundes vorsehen, für den Bereich der Bundeswehr dem BMVg oder ihm nachgeordneter Stellen übertragen worden. Umweltrechtliche Überwachungszuständigkeiten finden sich in einigen Normkomplexen. § 1 Abs. 1 der 14. BlmSchV überträgt die Zuständigkeit für die Überwachung nach § 52 BImSchG und nach den Durchführungsverordnungen zum BlmSchG sowie die zur Überwachung gehörenden Zuständigkeiten für Maßnahmen nach den §§ 26, 28, 29, 31, 53 Abs. 2 und § 55 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG auf Grund der Ermächtigung des § 59 BlmSchG dem BMVg oder der von ihm bestimmten Stelle. Nach § 17 Abs. 1 der 1. BlmSch V nimmt die Bundeswehr die Überwachungsaufgaben des Bezirksschomsteinfegermeisters bei Anlagen, für die im übrigen die 14. BlmSchV gilt, wahr. Gemäß § 29 Satz 1 DampfkV, § 35 Abs. 1 Satz I DruckbehV, § 16 Satz 1 EIexV, § 27 Satz 1 AcetV, § 24 Satz 1 VbF, § 23 Satz I AufzV, § 18 Satz 1 SchankV, § 19 Abs. I Satz 1 MedGV ist der BMVg oder die von ihm bestimmte Behörde Aufsichtsbehörde über die einschlägigen Anlagen der Bundeswehr.

§ 6 Abs. 2 GGVS überträgt einzelne Prüfungs- und Zulassungszuständigkeiten auf vom BMVg bestellte Sachverständige oder Dienststellen. § 21 Abs.4 WHG ermächtigt die BReg., durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß die behördliche Überwachung im Sinne des § 21 WHG bei Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, zum Geschäftsbereich des BMVg gehörenden Stellen übertragen wird. Von dieser Ermächtigung wurde bislang kein Gebrauch gemacht.

Auch außerhalb des Umweltrechts bestehen Überwachungszuständigkeiten des Bundes: Gemäß § 70 Abs. 2 AMG obliegt der Vollzug des AMG bei der Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln im Bereich der Bundeswehr den zuständigen Stellen und Sachverständigen der Bundeswehr. § 40 Abs. 2 LMBG sieht Überwachungszuständigkeiten der Bundeswehr im Bereich ihrer Verpflegungseinrichtungen vor. § 26 Abs. 2 BtMG erwähnt neben der Gesamtvollzugszuständigkeit ausdrücklich auch die Überwachungszuständigkeit der zuständigen Stellen der Bundeswehr für den Betäubungsmittelverkehr im Be-

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

reich der Bundeswehr. Derartige Überwachungszuständigkeiten ordnet auch § 32 Abs. 2 GÜG an. Eine ähnliche Bestimmung enthält § 73 Abs. 1 Alt. 2 des TierseuchenG.

b) Überwachungskonsequenzen

§ 1 Abs. 1 der 14. BImSchV überträgt dem BMVg oder der von ihm bestimmten Stelle im Bereich der Bundeswehr neben der Überwachungszuständigkeit nach § 52 BImSchG die Zuständigkeit für die nach den §§ 17, 20, 21, 24 und 25 BImSchG (i.d.R. im Anschluß an Ergebnisse der Überwachung) durchzuführenden Maßnahmen. c) Verteidigungsspezijische Ausnahmen

Einige Gesetze sehen vor, daß Ausnahmen von den regulären materiellen Anforderungen einer ausdrücklichen Zulassung bedürfen. Für Anlagen der Bundeswehr ist i.d.R. eine Zuständigkeit des Bundes gegeben. Die Ressortzuständigkeit des BMVg, teilweise auch die instanzielle Zuständigkeit des Ministers, sehen folgende Vorschriften vor: § 60 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, § 24 Abs.2 ChemG, § 5 Abs.5 GGVS, § 58 Abs.2 KrW-/AbfG, § 9 Abs.2 DampfkV, § 7 Abs.2 DruckbehV, § 6 Abs.2 ElexV, § 6 Abs.2 AcetV, § 7 Abs. 2 VbF, § 6 Abs. 2 AufzV, § 19 Abs. 2 MedGV und außerhalb des Umweltrechts § 42 Abs. 2 MPG, § 26 Abs. 3 BtMG, § 32 Abs. 3 GÜG, § 15 Abs. 3 ArbZG, § 20 Abs. 2 ArbSchG, § 1 Abs. 3 AMBV. Eine andere Ressortierung ordnen § 71 Abs. 2 AMG und § 37 Abs. 7 LMBG an (Bundesministerium für Gesundheit), wobei die Zulassung einer Ausnahme jeweils im Einvernehmen mit dem BMVg ergeht (§ 71 Abs.3 AMG, § 37 Abs. 4 LMBG).

d) Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien

§ 1 Abs. 1 der 14. BImSchV LY.m. § 26 BImSchG ermächtigt den BMVg, Sachverständige für Emissions- und Immissionsmessungen bekanntzugeben. Gemäß § 6 Abs. 2 GGVS werden für den Dienstbereich der Bundeswehr einige Aufgaben durch Sachverständige wahrgenommen, die der BMVg bestellt hat. Sachverständige zur Prtifung der in der jeweiligen Verordnung angesprochenen Anlagen der Bundeswehr bestellt nach § 24 Abs. 2 Dampfk V, § 31 Abs. 5 Nr. 2

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des Bundes

75

DruckbehV, § 15 Abs.3 EIexV, § 18 Abs.4 AcetV, § 16 Abs. 1 Nr.5 VbF, § 18 Abs. 2 AufzV, § 15 Abs. 5 SchankV der BMVg. Im Ralunen der Durchführung des TierschutzG beruft das BMVg nach § 15 Abs. 3 Satz 2 TierschutzG eine Kommission zur Unterstützung der zuständigen Dienststellen bei der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben.

e) Letztentscheidung Zuständig rur die Letztentscheidung ist der BMVg, wenn bei Eingriffen in Natur und Landschaft durch die Bundeswehr von der Stellungnalune des Landes abgewichen werden soll, § 9 BNatSchG. Gleiches gilt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG rur die Abweichung von der Stellungnalune des Landes bei der Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart. Bei einer Abweichung von den Vorschriften des BauGB rur Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, ist die Entscheidung des BMVg erforderlich, wenn die höhere Verwaltungsbehörde ihre Zustimmung nicht erteilt oder die Gemeinde dem Bauvorhaben widerspricht, § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGE.

j) Sonstige Vollzugshandlungen Über die genannten Gruppen hinaus bestehen weitere, nicht systematisch darstellbare Einzelvollzugszuständigkeiten. Von erheblicher Bedeutung ist die Zuständigkeit des BMVg rur den Erlaß einer Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG. Das ist die einzige Zuständigkeit des Bundes nach diesem Gesetz. Die Landesenteignungsbehörden können nur auf der Grundlage dieser Entscheidung tätig werden. Ein wesentlicher Teil des Vollzugs dieses Gesetzes liegt also beim Bund. In § 5 Abs. 1 BLG ist vorgesehen, daß die Anforderungsbehörden durch Rechtsverordnung der BReg. bestimmt werden. Hiervon wurde zuletzt mit der Anforderungsbehörden- und Bedarfsträgerverordnung (ABV)6 Gebrauch gemacht. Dabei wurden, entsprechend der Ermächtigung des § 5 Abs. 1 Satz 2 BLG, auch Zuständigkeiten von Bundesbehörden begründet.

6 Verordnung über Anforderungsbehörden und Bedarfsträger nach dem Bundesleistungsgesetz vom 12.6.1989 (BGB!. I S. 1088), zu!. geändert durch G. vom 14.9.1994 (BGB!. I S. 2325).

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Die Befugnisse zur Stellung weitergehender Anforderungen7 und zur Zulassung nicht verteidigungsspezifischer Ausnahmen8 stehen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 DampfkV, § 7 Abs. 1 Satz 1 DruckbehV, § 6 Abs. 1 Satz 1 ElexV, § 6 Abs. 1 Satz 1 AcetV, § 7 Abs. 1 Satz 1 VbF, § 6 Abs. 1 Satz 1 AufzV, § 18 Satz 1 SchankV, § 19 Abs. 1 Satz 1 MedGV für Anlagen der Bundeswehr dem BMVg oder der von ihm bestimmten Stelle zu. lJ. Zuständigkeit für Verfahrensentscheidungen

Einige Gesetze eröffnen dem BMVg die Möglichkeit, das nach dem Gesetz durchzuführende Verfahren für näher umschriebene Vorhaben zu verändern. Derartige Regelungen finden sich in § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG, in § 3 Abs. 2 Satz 1 UVPG sowie als Verordnungsermächtigung in § 10 Abs. 11 BlmSchG, von der mit dem Erlaß des § 2 der 14. BlmSchV Gebrauch gemacht wurde.

B. Ressortzuständigkeit Die Bundesverwaltung gliedert sich in Geschäftsbereiche, denen jeweils ein Minister vorsteht. Durch die Ressortzuständigkeit werden die Aufgaben der Ministerien mit den ihnen jeweils nachgeordneten Behörden abgegrenzt9 . Bundeswehrbezogene Zuständigkeiten des Bundes sehen i.d.R. die Ressortzuständigkeit des BMVg oder ihm nachgeordneter Stellen vor. Das erscheint aus Gründen der Sachnähe und Fachkompetenz sinnvoll, zumal die Wahrnehmung der Zuständigkeit teilweise an eine Abstimmung mit dem jeweiligen Fachminister geknüpft ist.

I. Bundesminister der Verteidigung Der BMVg ist Leiter zweier getrennter Verwaltungszweige: ihm sind sowohl die Streitkräfte (vgl. Art. 65a GG) als auch die (zivile) Bundeswehrverwaltung (vgl. Art. 87b GG) nachgeordnet lO . Während sich die Ressortzuordnung der Streitkräfte unmittelbar aus Art. 65a GG ergibt, beruht die Ressortierung der 7 Vgl. § 7 DampfkV, § 5 DruckbehV, § 4 ElexV, § 4 AcetV, § 5 VbF, § 4 AufzV, § 4 SchankV, § 7 MedGY. 8 § 8 DampfkV, § 6 DruckbehV, § 5 EIexV, § 5 AcetV, § 6 VbF, § 5 AufzV, § 5 SchankV, § 8 MedGY. 9 UlelLaubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 10 Rdnr. 6 (S. 79). 10 ReinfriedlSteinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S. 21,33 ff., 36; Sturm, Streitkräfte - Bundeswehrverwaltung - Rechtspflege, S. 7; Walz, NZWehrr 1997 S. 89 ff., 91.

§ 4 Verwaltwlgszuständigkeiten des BWldes

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Bundeswehrverwaltung beim BMVg auf der Organisationsgewalt der BundesregierunglI. Mit der Ressortzuständigkeit des BMVg ist nicht ausdrücklich die Festiegung des jeweiligen Verwaltungszweiges verbunden. Sie scheint entbehrlich, wenn der BMVg die Zuständigkeit nicht weiter übertragen darf. Jedenfalls in den Fällen, in denen eine Weiterübertragungsmöglichkeit ausdrücklich eingeräumt wird, muß Klarheit darüber herrschen, ob die Übertragung auf die Streitkräfte oder auf die zivile Bundeswehrverwaltung erfolgen darf.

1. Streitkräfte Eine Übertragung von Aufgaben auf die Streitkräfte (bzw. eine Wahrnehmung der Zuständigkeit durch den BMVg als Spitze der Streitkräfte i.S.v. Art. 65a GG) kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Aufgabe handelt, die das Grundgesetz den Streitkräften ausdrücklich zuordnet (Art. 87a Abs. 2 GG). Die Aufstellung der Streitkräfte obliegt gemäß Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG dem Bund. Die Zuständigkeiten dieses Teils der vollziehenden Gewalt bestimmen Art. 87a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG, die die Zuständigkeit zur Verteidigung auf die Streitkräfte übertragen (Abs. 1 Satz 1) und die Begründung anderer als der im Grundgesetz ausdrücklich zugelassenen Zuständigkeiten verbieten (Abs. 2). Ungeachtet aller Kontroversen um den Verteidigungsbegriff im Detail dürfte es als geklärt anzusehen sein, daß ein Verteidigungseinsatz i.S. des Art. 87a Abs. 2 GG ausschließlich militärische Aktivitäten, d.h. Einsätze der bewaffneten Macht erfaßt l2 . Der verwaltungsmäßige Vollzug von Gesetzen erfolgt nicht mittels militärischer Machtmittel und gehört deshalb nicht zum Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung. Eine anderweitige ausdrückliche Zulassung des Gesetzesvollzugs durch die Streitkräfte ist dem Grundgesetz nicht zu entnehmen. Daher dürfen die hier zu behandelnden Zuständigkeiten innerhalb des Ressorts des BMVg nicht dem Streitkräfte-Bereich zugeordnet werden. Eine Ausnahme bilden solche Verwaltungstätigkeiten, die sich als Maßnahmen der

11 Oldiges, in: Sachs, GG, Art. 65a Rdnr. 7; Roellecke, DÖV 1992 S. 200 fT., 200; Sturm, Streitkräfte - Bundeswehrverwaltung - Rechtspflege, S. 17. 12 Bartke, Verteidigungsauftrag, S. 77; Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87a Rdnr. 9; Frank, in: AK-GG, Tz. 18 hinter Art. 87; F. Kirchhof, HStR 1lI, § 78 Rdnr. 24; Klein, ZaöRV 34 (1974) S.429 ff., 435; Pieroth, in: JarassIPieroth, GO, Art. 87a Rdnr. 4; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-BleibtreulKlein, GO, Art. 87a Rdnr. 2; in einem hier nicht relevanten Bereich enger Hemekamp, in: von MünchIKunig, GOK 3, Art. 87a Rdnr.6.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Fürsorge oder der Fachaufsicht darstellen. Für derartige Aufgaben darf die funktionelle Zuständigkeit der Streitkräfte begründet werden. Für einzelne Aufgaben kann die Übertragung an die Truppenverwaltung geboten sein13 . Diese ist - trotz ihrer Integration in einen militärischen Stab oder eine militärische Dienststelle 14 - Teil der Bundeswehrverwaltungl5 . In Abgrenzung von den übrigen Bereichen der Bundeswehrverwaltung läßt sich ihre Aufgabe - in den Worten Roelleckes 16 - dahin umschreiben, daß sie sich mit dem Management der Truppe 17 , aber nicht mit den rechtlichen Anschlüssen der militärischen Gewalt an das gesellschaftliche Umfeld zu befassen hat. 2. Bundeswehrverwaltung Der Aufgabenbereich der Bundeswehrverwaltung wird durch Art. 87b GG umschrieben. Aus dieser Vorschrift und dem Aufgabenbereich der Streitkräfte ist ersichtlich, daß die hier zu untersuchenden Aufgaben - sofern sie im Ressort des BMVg angesiedelt werden - der Bundeswehrverwaltung einschließlich der Truppenverwaltung zuzuordnen sind. Ob die tatsächlichen Zuweisungen verfassungsgemäß sind, ist eine andere, später zu untersuchende Fragel8 . 11. Andere oberste Bundesbehörden Soweit andere Ressortzuständigkeiten als die des BMVg festgelegt wurden, geht es dabei meist nicht um die Ausführung des Gesetzes unmittelbar gegenüber der Bundeswehr. Diese Vorschriften wenden sich überwiegend an außerhalb der Bundeswehr stehende Personen und weisen lediglich einen starken Bezug zur Bundeswehr auf. So werden Lärmschutzbereiche für militärische Flugplätze gemäß § 4 Abs. I Satz I FluglärmG vom BMU im Einvernehmen mit dem BMVg durch Rechtsverordnung festgesetzt. Rechtsfolgen in der Form

13 Vgl. das Beispiel der Unterrichtung über die GeländebeschatTenheit und den Hinweis auf zu schonende Geländeteile bei Reinhart, DVBI. 1977 S. 473 tT., 474.

Ausfllhrlich Reinhart, DVBI. 1977 S. 473 ff. Reinhart, DVBI. 1977 S. 473 tT., 477; Stuml, Streitkräfte - Bundeswehrverwaltwlg - Rechtspflege, S. 20 f. 16 Roellecke, DÖV 1992 S. 200 tT., 204. Im Ergebnis wohl ebenso Reinhart, DVBI. 1977 S. 473 ff., 479. 17 Loosch, DÖV 1963 S. 252 fI, 253, bezeichnet die Truppenverwaltung als ,,reine Betriebsverwaltung". Kritisch dazu allerdings Reinhart, DVBI. 1977 S. 473 tT., 473. 18 Dazu unten § 4 D. 14

15

§ 4 Verwaltllllgszuständigkeiten des Blllldes

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eingeschränkter Zulässigkeit der baulichen Nutzung von Grundstücken\9 ergeben sich daraus für die (i.d.R. zivilen) Nachbarn des Flugplatzes. Andere Ressortzuständigkeiten finden sich außerhalb des Umweltrechts. Ausnahmen von den Vorschriften des LMBG und von den auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen für das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln als Sonderverpflegung für Angehörige der Bundeswehr (§ 37 Abs. 1 und 2 Nr. 2 Buchst. a) läßt nach § 37 Abs. 4 LMBG der für die Ausführung dieses Gesetzes zuständige Bundesminister im Einvernehmen mit dem BMVg zu. Diese Regelung hat überwiegend für die (zivilen) lieferanten der Bundeswehr und nicht für die Bundeswehr selbst Auswirkungen. Auch die Ausnahmen, die der nach dem AMG zuständige Bundesminister nach § 71 Abs. 3 durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem BMVg (§ 71 Abs. 4 AMG) zulassen kann, betreffen überwiegend zivile Arzneimittelhersteller. Sie können daneben die Herstelhmg von Arzneimitteln in bundeswehreigenen Apotheken erfassen.

C. Zweck abweichender Zuständigkeitsregelungen Als Zweck der Übertragung von Zuständigkeiten auf den BMVg werden weithin Gesichtspunkte der Sicherheit, insbesondere der militärischen Geheimhaltung, angegeben20 . Das trifft in dieser allgemeinen Formulierung nicht den Kern. So bedarf etwa eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage, die der Landesverteidigung dient, einer Genehmigung durch die regulär zuständige Landesbehörde2 \. Lediglich die Überwachung bereits betriebener Anlagen obliegt nach dieser Vorschrift Bundesbehörden. Hier ist nicht einsichtig, warum Geheimhaltungserfordernisse lediglich Einzelvollzugszuständigkeiten begründen sollen. Gleiche Erwägungen provoziert die Aufhebung der Zuständigkeit des BMVg zum Vollzug des GBefGG in den Fällen, in denen gefährliche Güter durch die Streitkräfte befördert werden (§ 5 Abs. 5 GBefGG, Art. 1 der VO vom 23.5.199022): Es ist nicht erkennbar, daß nach 5 Jahren der \9

Vgl. §§ 5,6 FluglännG.

Begründung zum RegE des § 59 BlmSchG (noch als § 45), BT-Drucks. 7/1 79, S.47; ebenso Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 16; Kunig, in: KuniglSchwermerNersteyl, AbfG, § 29a Rdnr. I; Delbrlick, Umweltpflichtigkeit, S. 165; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rdnm.386, 388 (S. 373, 375 f), der allerdings (Rdnr. 386) als weiteren Zweck die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen zivilen und militärischen Stellen nennt. Schneider, HdUR I, Sp. 1324, spricht nunmehr von der Sicherheit als Zweck der Normen, während er in der I. Auflage (Sp. 970 f.) noch die Geheimhaltung genannt hatte. 2\ Vgl. § I Abs. I der 14. BlmSchV. 22 Dazu oben bei Fußn. 5. 20

80

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Zuständigkeit des BMVg ein Geheimhaltungserfordemis entfallen wäre, so daß die regulären Zuständigkeiten wieder ausreichend wären. Gegen die Dringlichkeit von Geheimhaltungszwecken läßt sich weiter einwenden, daß von der Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 4 WHG seit ihrer Einfügung durch das Vierte Änderungsgesetz zwn WHG 23 kein Gebrauch gemacht wurde und eine Verordnung aufgrund des § 59 BImSchG erst 12 Jahre nach Inkrafttreten der Ermächtigung ergini 4 • Bei der Zweckbestimmung der hier zu untersuchenden Normen sind Differenzierungen nach der Art der Zuständigkeit angebracht. Den Zuständigkeiten für Verfahrensentscheidungen wird man die Geheimhaltung als zumindest vorrangige Zwecksetzung entnelunen können. Diese Bestimmungen gehören gleichzeitig zur Gruppe der punktuellen Verfahrensvorschriften, deren Zweck die Geheimhaltung ist25 . Unter den Einzelvollzugszuständigkeiten ist den Überwachungszuständigkeiten vorrangig der Zweck zu entnehmen, eine doppelte Überwachung zu vermeiden. Diese könnte sich aus dem Nebeneinander von "förmlicher" Überwachung und Dienstaufsicht ergeben mit der Gefahr divergierender Entscheidungen. Daneben wird man auch eine größere Saclrnähe der Bundeswehrverwaltung zu den Bundeswehr-Vorhaben und Geheimhaltungszwecke anerkennen können26. Urnen muß aber nicht durch eine Eigenüberwachung Rechnung getragen werden. Die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen durch entsprechend geheimhaltungsverpflichtete Mitarbeiter der regulär zuständigen Behörden würde ausreichen 27 • Geheimhaltungsinteressen sind also keine zwingende Rechtfertigung für Überwachungszuständigkeiten des Bundes. Soweit es wn die Überwachungskonsequenzen, etwa den Erlaß nachträglicher Anordnungen28 , geht, dürfte der Zweck der Zuständigkeit von Bundesbehörden darin zu suchen sein, daß nach überwiegender, jedoch nicht überzeugender Auffassuni9 die Landesbehörden nicht die Möglichkeit haben, mit den "klassischen" Instrumenten die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu 23 Viertes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 25.4.1976 (BGBI. I S. 1109).

25

Vgl. hierzu Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. B 10. Vgl. unten § 6 C.

26

Kuhnert, BWV 1996 S. 25 fT., 30.

24

Das entspricht nach mündlicher Auskunft des BMVg der Praxis der wasserrechtlichen Überwachung von Bundeswebranlagen. 28 Vgl. § 17 BImSchG, § lAbs. 1 der 14. BImSchV. 27

29 Zu dem hier angesprochenen Problem der sog. ,,formellen Polizeipflicht" von Hoheitsträgern ausführlich unten § 6 A.

§ 4 Verwaltwlgszuständigkeiten des BWldes

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erzwingen30 . Hingegen können vorgesetzte Behörden, etwa der BMVg gegenüber den Streitkräften und der Bundeswehrverwaltung, mit Mitteln der Aufsicht, bis hin zu einem Selbsteintritt, die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften durchsetzen. Die Zuständigkeitsübertragungen auf den Bund sollen damit einer effektiven Umsetzung umweltrechtlicher Anforderungen in den Streitkräften dienen. Der Zweck der Zuständigkeiten zur Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen, zur Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien und zur Letztentscheidung kann aus folgenden Überlegungen hergeleitet werden. Voraussetzung für derartige Entscheidungen ist oftmals die Erfiillung von Verteidigungszwecken. Was hierzu gehört, läßt sich nicht allgemein bestimmen, sondern nur im jeweiligen Einzelfall ennitteln. Hierfiir besteht ein Beurteilungsspielraum, der unter Zugrundelegung der Verteidigungskonzeption des Bundes auszufüllen isr 1 • Mit den genannten Zuständigkeitsgruppen wird der Zweck verfolgt, die Ausfüllung von Beurteilungsspielräumen einer in dieser Sache kompetenten Stelle zu überlassen32 • Die Zuständigkeiten fiir die Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien dienen daneben der Verwaltungsvereinfachung, da die Erkenntnisse und Erfahrungen aus der internen Dienst-(Fach-)aufsicht zugleich fiir die "externe" Prüfung und Beratung der Streitkräfte herangezogen werden. Der Zweck der Gesamtvollzugszuständigkeiten ergibt sich als Bündel der Zwecke der Einzelvollzugszuständigkeiten, die sie umfassen. Sie venneiden darüber hinaus eine Zuständigkeitszersplitterung und die damit möglicherweise einhergehenden Zuständigkeitskonflikte33 .

D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit abweichender Zuständigkeits regelungen Das Grundgesetz regelt in Art. 83 ff. die Ausfiihrung von Bundesgesetzen, d.h. die Verwaltungszuständigkeiten. Die dargestellten Zuständigkeitsregelungen müssen sich an diesen Bestimmungen messen lassen. 30 Kloepfer, UmweJtrecht, § 5 Rdnr. 386 (S. 373), spricht von der VenneidWlg von Kompetenzkonflikten zwischen zivilen und militärischen Stellen. 31 Vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1993 - III ZR 59/92 -, BGHZ 122 S. 363 t1, 369; BVerwG, Beschl. v. 6.8.1993 - 11 B 36.93 -, Buchholz 442.40 § 30 Nr. 4 S. 17; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 52, jeweils m. w. N. 32 Vgl. auch KloepferlRehbinderISchmidt-AßmanniKunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 497: " ... die LandesverteidigWlg - der Natur der Sache entsprechend primär BWldesangeJegenheit ist". 33

Vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rdnr. 386 (S. 373).

6 Repkewilz

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Dritter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

1. Ausführung von Bundesrecht durch den Bund Nach Art. 83 GG werden Bundesgesetze von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt, soweit nicht das Grundgesetz etwas anderes bestinunt oder zuläßt. Die Sonderregelungen für die Bundeswehr sehen - in Abweichung von Art. 83 GG - vor, daß nicht die Länder, sondern der Bund die hier interessierenden Bundesgesetze ganz oder teilweise ausführt. Solche Vorschriften bedürfen einer besonderen verfassungsrechtIichen Legitimation. Sie sind nur verfassungsgemäß, wenn das Grundgesetz die Ausführung dieser Gesetze durch den Bund ausdrücklich anordnet oder zumindest zuläßt. Als derartige Zulassungen kOimnen die Art. 84 Abs. I, Art. 87a Abs. 2, Art. 87b Abs. 1, Abs. 2, Art. 87c und Art. 87d GG in Betracht. Soweit diese Vorschriften nicht einschlägig sind, sind ungeschriebene Verwaltungszuständigkeiten des Bundes zu erwägen. 1. Art. 87d Abs. I Satz I GG § 30 Abs. 2 LUjtVG34 sieht "für den Dienstbereich der Bundeswehr" die Verwaltungszuständigkeit von Dienststellen der Bundeswehr vor. Diese Vorschrift stellt keine Abweichung von den auf Art. 87d Abs. 2 GG beruhenden Länderzuständigkeiten nach § 31 Abs. 2 LuftVG ~5. Sie beruht vielmehr auf der originären VerwaItungskomptenz des Bundes für die LuftverkehrsverwaItung nach Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG. Bedeutung hat § 30 Abs. 2 LuftVG mit der Festlegung der Ressortzuständigkeit. Das ist unproblematisch, da Art. 87d Abs. 2 GG keine Zuordnung zu einem bestimmten Bundesministerium vorgesiehe6 . Ob die gesetzliche FestIegung der Ressortzuständigkeit eine Frage der Organisationsgewalt der Bundesregierung (Art. 65 GG) ise 7 , was zur Folge hätte, daß der legislative Eingriff in diese Kompetenz durch die FestIegung der Ressortzuständigkeit des BMVg in § 30 Abs. 2 LuftVG nur bei Anerkennung eines - begrenzten - Zugriffsrechts der Legislative38 verfassungsgemäß ist, soll an dieser Stelle offenbleiben. Das Grundgesetz verlangt in Art. 65a, daß es in der Bundesregierung einen Bundesminister für Verteidigung gibt. Errichtung

34

Wortlaut oben § 2 Fußn. 191.

35 So fUr die Zulassung von militärischem Luftfahrtgerät auch BöckstiegellReifarth, ZLW 34 (1985) S. 1fT., 17; Schwenk, Handbuch, S. 190, dort (S. 190 f) auch zur Zulassung des Luftfahrtpersonals. AA Hojmaflf//lrrabherr, LullVG, § 30 Rdnr. 20. 36 Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87d Rdnr. 8. 37

38

So Mmmz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87d Rdnr. 8.

Dazu Böckenjörde, Die OrganisationsgewaIt im Bereich der Regierung, S. 89, 103 Ir

§ 4 VerwaIt\ll1gszuständigkeiten des BWldes

83

und Teile seines Geschäftsbereichs sind der näheren FestIegung durch die Organisationsgewalt entzogen39 . 2. Art. 87c GG Art. 87c begründet keine Bundeszuständigkeiten, sondern läßt - abweichend von Art. 83 GG40 - die Ausführung des Atomgesetzes durch die Länder im Auftrag des Bundes (Auftragsverwaltung i.S.v. Art. 85 GG) zu. Damit kann die Vorschrift des § 24 Abs. 3 AtomG ihre verfassungsrechtIiche Legitimation nicht aus Art. 87c GG herleiten.

3. Art. 87b Abs. 1 Sätze I und 2 GG Die hier interessierenden Zuständigkeitsbestimmungen zugunsten des Bundes könnten jedoch ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung in Art. 87b Abs. 1 Satz 1 (und Satz 2 mit seiner Legaldefinition der Bundeswehrverwaltung41 ) GG finden. Hierbei ist zwischen den in Satz 2 genannten Aufgabenbereichen der originären42 BundeswehrverwaItung zu unterscheiden. Eine eindeutige begriffliche Erfassung der Aufgabenbereiche ist wohl nicht möglich43 • Der Bundeswehrverwaltung obliegen nur solche VerwaItungsaufgaben, die einen unnlittelbaren Bezug zur Bundeswehr und deren Funktionen haben44 . Unter den Aufgaben des Persona/wesens werden üblicherweise - lnit Differenzierungen im einzelnen - die Aufgaben verstanden, die dem Bund als Dienstherm der Bundeswehr im weiteren Sinne (Soldaten, Beamte, Angestellte

39 So wohl auch Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87 Rdnr. 16; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 64 Rdnr. 2, Art. 65a; Stuml, Streitkräfte - Bundeswehrverwaltung Rechtspflege, S. 35. 40 Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87c Rdnr. 2; Uerpmann, in: von MünchIKunig, GGK 3, Art. 87c Rdnr. I; Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87c Rdnr. 3. 41 Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87b Rdnr. 3; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 8Th Rdnr. 6; ReinfriedlSteinebach, Die BundeswehrverwaItung, S. 52, oie an anderer Stelle (S. 53) von einer Generalklausel sprechen. 42 Lerche, FS Dürig, S. 401 ff.,403. 43 ReinfriediSteinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S. 52; Kokon, in: Sachs, GG, Art. 87b Rdnr. 8 mit Hinweis auf die Abgrenzungserlasse des BMVg. 44 Dürig, BayVBI. 1963 S. 129 ff., 131; ders., in: MawlZlDürig, GG, Art. 8Th Rdnr. 19; Frank, in: AK-GG, Tz. 97 hinter Art. 87; Halmenfeld, Wehrverfassungsrecht, S. 95; Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 87b Rdnr. 2; ReinfriediSteinebach, Die Bundeswehrverwalt\ll1g, S. 51.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

und Arbeiter) obliegen45 . Neben den Bereichen des Dienstrechts, des Besoldungs- und Versorgungswesens (ohne die Beschädigtenversorgung) und der Berufsförderung gehört dazu auch das Wehrbeschwerde- und -disziplinarwesen46 . Die hier zu untersuchenden Materien gehören nicht zu diesen Aufgaben47 . Das gilt auch fiir die Zuständigkeit der Bundeswehr zur Ausfiihrung des BSeuchenG. Zwar könnte man die nach diesem Gesetz zulässigen Maßnahmen als Teil der Fürsorge des Dienstherm und damit dem Personal wesen zugehörig einordnen. Damit würde jedoch übersehen, daß das Instrumentarium des BSeuchenG polizeiliche Maßnahmen vorsieht48 , deren Einsatz aus Zweckmäßigkeitsgründen der Bundeswehr übertragen wurde 49 . Diese Zuständigkeit beruht also nicht auf einer besonderen Fürsorge gegenüber den Angehörigen der Bundeswehr, sondern auf einer zweckmäßigen Wahrnehmung sonderpolizeilicher Aufgaben. Ebenso wie die Aufgabe des Personalwesens entzieht sich auch die Aufgabe der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte einer abschließenden Definition. Üblicherweise wird hierunter das Beschaffungs-, Instandsetzungs-, Lager-, Unterkunfts- und Liegenschaftswesen einschließlich des zugehörigen Kassen- und Rechnungswesens verstanden 50 . Man könnte erwägen, die Zuständigkeiten fiir die Erteilung von Genehmigungen der Bundeswehrverwaltung unter dem Kompetenztitel der unmittelbaren Bedarfsdeckung durch das Beschaffungswesen zuzuerkennen. Denn derartige Anlagen und Einrichtungen sind fiir die Streitkräfte erst dann einsatzfahig, wenn die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen. Eine solche weite Auslegung des Art. 87b Abs. I Satz 2 GG begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken. Denn auf diesem Weg würde das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit der Sachbedarfsdeckung bedeutungslos und die Abgrenzung zur fakultativen Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG verwischt 51 . Die zu dieser Abgrenzung erforderliche (behutsam) restriktive Aus45 Hernekamp, in: von Münch/Kwlig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 7; Schulte, Die verfassungsrechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, S. ISS. 46 Frank, in: AK-GG, Tz. 97 hinter Art. 87; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 7; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87b Rdnr. 6. 47 Anderes dürfte etwa für das Arbeitszeitrecht (vg!. § 15 Abs. 3 ArbZG) gelten.

Martens, in: DrewsIWacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, S. 157. SchumacherlMeyn, Bundes-Seuchengesetz, S. 175 (Er!. zu § 78 BSeuchG). 50 Frank, in: AK-GG, Tz. 97 hinter Art. 87; Hernekamp, in: von Münch/Kunig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 8; Jess, in: Bmmer Konunentar (Erstbearb.), GG, Art. 8Th Anrn. II. 2. a; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87b Rdnr. 6; Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 8Th Rdnr.2. 51 Lerche, FS Dürig, S. 401 Ir, 405. 48

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§ 4 VerwaltWlgszuständigkeiten des BWldes

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legung des Abs. 1 Satz 252 legt es vielmehr nalle, das Merkmal der Unmittelbarkeit von der Funktion der Bundeswehrverwaltung her zu interpretieren. Sie hat die Funktion, in bewußter Abkehr von der früheren Intendanturverwaltung53 die Aufgaben der Streitkräfte auf ihren Verteidigungseinsatz (vgl. Art. 87a Abs. 2 GG) zu begrenzen. Alle Maßnahmen, die der Herstellung und Erhaltung der Kampfkraft und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte durch Sachbedarfsdeckung dienen, obliegen der zivilen Bundeswehrverwaltung. Das bedeutet, daß zur unmittelbaren Sachbedarfsdeckung nur solche Maßnahmen gehören, deren Hauptzweck die Bedarfsdeckung der Streitkräfte ist, nicht aber solche, bei denen die Bedarfsdeckung der Streitkräfte lediglich Nebenzweck ist 54 . Genehmigungsvorbehalte dienen jedoch in der Hauptsache nicht der Einsatzfahigkeit der Streitkräfte, sondern der Durchsetzung von Umwelt-, Sicherheitsund sonstigen Bestimmungen. Damit finden diese Zuständigkeiten in Art. 8Th Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG keine verfassungsrechtliche Legitimation55 . Gleiches gilt für die Zuständigkeiten des BMVg für die Verwertung und Beseitigung militäreigentÜßllicher Abfalle nach § 58 Abs. I KrW-/AbfG, die einer geordneten Abfallwirtschaft, nicht aber der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte dienen. Die Einzelvollzugszuständigkeiten zur Erteilung von verteidigungsspezifischen Ausnailmen56 können ebenfalls nicht durch Art. 87b Abs. I Sätze 1 und 2 GG legitimiert werden. Zwar kann die Bedarfsdeckung durch verringerte Anforderungen erleichtert und/oder verbilligt werden. Zweck der Ausnallffien ist nicht vorrangig die Sachbedarfsdeckung, sondern der sinnvolle Ausgleich zwischen widerstreitenden Anforderungen der militärischen Landesverteidigung auf der einen und Belangen etwa des Umweltschutzes auf der anderen Seite57 • Der Zusammenhang mit der Sachbedarfsdeckung beruht nur auf einem Reflex. Die Ausnailmeerteilung gehört zur Bedarfsvorgabe, in dem die Anforderungen der entsprechenden Gegenstände beschrieben und der Beschaffungs-

Lerche, FS Dürig, S. 401 ff., 405. 53 Vgl. exemplarisch Cartellieri, Die BWldeswehrverwaltung, S. 4, 9; Reinhart, BWV 1996 S. 100 ff., 101 ff. 54 Schulte, Die verfassWlgsrechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, S. 160; in der Sache wohl ebenso Hemekamp, in: von MünchIKWlig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 8; Lerche, FS Dürig, S. 401 ff., 406. 55 Lerche, FS Dürig, S. 401 ff., 406. 56 Vgl. die Zusarnrnenstellung oben § 4 A 12 c. 57 Kuhnert, BWV 1996 S.25 ff., 27. Zwn Zweck der materiellen Ausnahmevorschriften näher § 5 C. 52

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

stelle damit ein "Leistungsheft" in die Hand gegeben wird. Bedarfsvorgabe und Bedarfsdeckung sind jedoch streng zu trennen 58 . Auch wäre eine Ressortierung außerhalb der Bundeswehrverwaltung, wie sie in § 71 Abs.2 AMG und § 37 Abs. 7 LMBG vorgesehen ist, bei einer Fundierung dieser Zuständigkeiten in Art. 87b Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG verfassungswidrig. Die Letztentscheidungszuständigkeiten ennöglichen ebenfalls lediglich eine Vorentscheidung im Rahmen der Bedarfsennittlung und gehören nicht unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Bedarfsdeckung zur obligatorischen Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b Abs. 1 Sätze I, 2 GG. Gleiches gilt für die Zuständigkeit des BMVg zur Bezeichnung eines Vorhabens nach § 1 Abs. 2, 3 LBG 59 • Die Bezeichnung stellt lediglich die Bedarfsvorgabe dar, die Bedarfsdeckung erfolgt im Anschluß an die Bezeichnung durch Begründung von Nutzungsverhältnissen oder durch freihändigen Erwerb (§ 2 LBG), ggf. auch durch Enteignung (§§ 10, Il LBG). Daß die Länder hinsichtlich der Enteignung das LBG als eigene Angelegenheit ausführen60 , steht in einem Spannungsverhältnis zu der obligatorischen Bundeswehrverwaltung für die Sachbedarfsdeckung, läßt sich aber damit begründen, daß der eigentliche Beschaffungsvorgang im Rahmen der Landbeschaffung dem der lediglich fakultativen Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b Abs. I Satz 3 GG zugewiesenen Gebiet des Bauwesens61 zuzuordnen ist. Dagegen könnten die Zuständigkeiten von Bundesbehörden als Anforderungsbehörden nach dem BLG 62 wegen des Zwecks der Anforderung von Leistungen (vgl. § I Abs. I BLG) ihre Legitimation in Art. 87b Abs. I Sätze I, 2 GG finden. Denn Hauptzweck der Anforderung ist die Herstellung und Siche58 Hernekamp, in: von MünchIKwlig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 8; Schulte, Die verlassungsrechtliche Stellung der Bundeswehrverwaltung, S. 163 Fußn. 127. 59 A.A. wohl Dürig, in: MaunzJDürig, GG, Art. 87b Rdnr. 23, der die BeschatTung und Verwaltung von Liegenschaften der obligatorischen BWldeswehrverwaltung zuordnet. Das hätte allerdings zur Konsequenz, daß die Zuständigkeit der Länder für die Enteignung nach § 28 Abs. 1 LBG verfassungswidrig wäre. Delill nur hierbei handelt es sich um einen unmittelbaren BeschatTungsvorgang. 60 Vgl. § 28 Abs. 1 und die an Art. 84 Abs. 5 Satz 1 GG angelehnte Formulierung des § 28 Abs. 3 LBG. Wie hier Bauch/Schmidt, § 28 LBG Anm. 5. Zweifelnd dagegen Halmen/eid, Wehrverfassungsrecht, S. 98. 61 Zu den Gründen für die Ausgliederung des Bauwesens als Teil der Bedarfsdeckung aus dem Bereich der obligatorischen Bundeswehrverwa1twlg vgl. von MangoldtlKlein, GG, Art. 87b Anm. III 4 b aa (S 2352), bb (S. 2353 f.); Reinhart, BWV 1996 S. 100 tT., \03.

62 Vgl. § 5 Abs. I Satz 2 BLG und die Anforderungsbehörden- und Bedarfsträgerverordnung (Fußn. 6).

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des Bundes

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rung der Einsatzfahigkeit der Streitkräfte63 . Allerdings hätte das zur Folge, daß - da Art. 87b Abs. 1 Sätze 1, 2 GG von der obligatorischen Bundeswehrverwaltung handelt - die in § 5 Abs. 1 Satz 2 und § 6 BLG vorgesehene Möglichkeit, Landesbehörden als Anforderungsbehörden zu bestimmen, ebenso verfassungswidrig wäre wie die Bestimmung anderer Bundesbehörden außerhalb der Bundeswehrverwaltung als Anforderungsbehörden durch § 2 ABY. Deshalb wird zu prüfen sein, ob die Zuständigkeitsregelungen der Anforderungsbehörden eine anderweitige Grundlage haben. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 BLG legt eine Fundierung in Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG nahe64 . Die Überwachungszuständigkeiten des Bundes können nicht als dem Instandsetzungswesen zugehörig der obligatorischen Bundeswehrverwaltung zugeordnet werden. Bedenken dagegen resultieren zum einen daraus, daß nicht für alle Überwachungsmaßnahmen, die die Bundeswehr betreffen, die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung vorgesehen wurde 65 . Zwn anderen würde der Begriff der Instandsetzung damit überdehnt. Denn das Instandsetzungswesen UInfaßt im wesentlichen die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit von Geräten, Anlagen und Einrichtungen einschließlich der zugehörigen Logistik, nicht aber die Feststellung, daß Instandsetzungsmaßnalunen erforderlich sind. Die übrigen Zuständigkeiten der Bundeswehrverwaltung haben mit der Sachbedarfsdeckung nichts zu tun, so daß auch sie in Art. 87b Abs. 1 Sätze 1, 2 GG keine verfassungsrechtliche Legitimation finden können. Der obligatorischen Bundeswehrverwaltung i.S. des Art. 87b Abs. 1 Sätze 1, 2 GG können die hier interessierenden Zuständigkeitsregelwlgen somit nicht zugeordnet werden66 .. 4. Art. 87b Abs. 1 Satz 3 GG Für einige Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Errichtung von Bauwerken67 könnte die verfassungsrechtliche Legitimation in Art. 87b Abs. 1

Butz, Bundesleistungsgesetz, S. 4 (Er\. zu § 1 Abs. 1 Nr. 2). In diesem Sinne für den entsprechenden § 5 i.d.F. von 1956 Oestreicher, Bundesleistungsgesetz, § 5 Anm. 3. 65 So z.B. die Zuständigkeit von Landesbehörden für die Überwachung gemäß § 25 Abs. I, § 31 GenTG. 66 Lerche, FS Dürig, S. 401 tr, 406, mit der Begründung, Art. 8Th Abs. 1 Satz 2 GG 63

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ordne den Vol1zug speziel1 der den dort genrumten Zwecken dienenden Vorschriften, während die hier zu betrachtenden Zuständigkeiten ihrem Wesen nach allgemeines Recht durch Setzung von Sonderregehl flir die Verteidigungsaufgabe adaptiere.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Satz 3 GG bestehen. Das setzt voraus, daß es sich um Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Bauwesens handelt. Der Grund für die Einführung einer lediglich fakultativen Bundeswehrvenvaltung auf dem Gebiet des Bauwesens, die zur Umsetzung eines zustimmungsbedürftigen Bundesgesetzes bedarf, war die Besorgnis der Länder, der Bund würde zu stark in ihre Venvaltungskompetenzen einbrechen68 . Die Errichtung einer weiteren Bundesbauvenvaltung sollte damit zumindest aufgeschoben werden. Nach wohl allgemeiner Auffassung stellt das Bauwesen einen Unterfall der Deckung des Sachbedarfs dar, nämlich die Deckung des Sachbedarfs an baulichen Anlagen69 . Aufgabe der Bauvenvaltung ist die Errichtung baulicher Anlagen als Bauherr. Dazu gehört nicht die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens, sei es nun auf Grund bauplanungs-, naturschutz- oder waldrechtlicher Vorschriften. Auch die Bedarfsvorgabe durch die Bezeichnung nach § lAbs. 2, 3 LBG - da Grundlage und nicht Bestandteil der Bedarfsdeckung läßt sich, anders als der nachfolgende Beschaffungsvorgang, nicht unter den Begriff des Bauwesens subsumieren. Die Zuständigkeiten nach den § 37 Abs.2 Satz 3 BauGB, § 9 BNatSchG, § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG und § lAbs. 2, 3 LBG können damit nicht nach Art. 8Th Abs. I Satz 3 GG gerechtfertigt werden. Die Zuständigkeiten der Schutzbereichbehörden i.S.v. § 9 SchBerG können sich ebenfalls nicht auf Art. 87b Abs. I Satz 3 GG stützen. Die Anordnung von Schutzbereichen dient nicht der Bedarfsvorgabe für die Beschaffung von Grundstücken (wie die Bezeichnung nach § lAbs. 3 LBG), sondern dem Schutz und der Erhaltung der Wirksamkeit von Verteidigungsanlagen, § I Abs. 2 SchBerG. Rechtsfolge einer Schutzbereichsanordnung ist nicht die Durchführung von Baumaßnahmen durch den Bund, sondern die Einschränkung der Nutzung der Grundstücke durch die (häufig zivilen) Grundstückseigentümer und die Allgemeinheit (vgI. §§ 3-8 SchBerG).

67 Letztentscheidungskompetenzen nach § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 9 BNatSchG und § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG; Zuständigkeit für den Erlaß der Bezeichnung nach § 1 Abs. 2,3 LBG. 68 Von Mangoldt/Klein, GG, Art. 8Th Arun. III 4c aa (S. 2352), cc (S. 2353); Hemekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 8Th Rdnr. 9. 69 Frank, in: AK-GG, Tz. 99 hinter Art. 87; Hemekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 9; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87b Rdnr. 15; von Mangoldt/Klein, GG, Art. 87b Anrn. III 4b cc (S. 2353); olTenge\assen von Dürig, BayVBI. 1963 S. 129 Ir., 131; unklar Meyer-Dalheuer, DVBI. 1957 S. 185 Ir., 189.

§ 4 VerwaltlUlgszuständigkeiten des BWldes

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5. Art. 84 Abs. I GG § 59 BImSchG soll seine verfassungsrechtliche Ermächtigung in Art. 84 Abs. I GG finden 70 . Das wird damit begründet, daß Art. 84 Abs. I GG die Zuständigkeitsübertragung auf den Bund zulasse, wenn nur die grundsätzliche Ausführung des betreffenden Gesetzes weiterhin den Ländern obliegt; es sei nicht erforderlich, daß das betreffende Gesetz insgesamt von den Ländern ausgeführt wird71 .

Das begegnet erheblichen Bedenken. Zwar wird der Begriff der Einrichtung der Behörden weit ausgelegt, so daß ihm auch die Zuständigkeitsfestlegung unterfaIlt72 • Allerdings handelt Art. 84 Abs. I GG ausschließlich von Landesbehörden73 . Denn der letzte Halbsatz mit der Ermächtigung an den Bundesgesetzgeber nimmt mit dem Wort "soweit" die Einrichtung von Behörden bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigene Angelegenheit der Länder in Bezug. Er ermächtigt daher nicht zur Einrichtung von Bundesbehörden, wie dies aber etwa § 59 BImSchG und andere die Zuständigkeit von Bundesbehörden anordnenden Bestimmungen tun. Bedenken ergeben sich schließlich auch daraus, daß diese Zuständigkeitsregelungen auf bereits bestehende Behörden zurückgreifen und lediglich deren Zuständigkeit erweitern74 • Datnit läßt Art. 84 Abs. I GG nicht die Ausführung von Bundesgesetzen durch den Bund ZU75 . 6. Art. 87a Abs. 2 GG Die hier in Rede stehenden Zuständigkeiten finden auch in Art. 87a Abs. 2 GG keine Stütze. Denn es handelt sich nicht um Zuständigkeiten der StreitHansmann, in: Landmann!Rohmer, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 3. Hansmann, in: Landmann!Rohmer, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 3. 72 BVerfD, Beschl. v. 8.4.1987 - 2 BvR 909/82 u.a. -, BVerfDE 75 S. 108 fT., 150 f; Lerche, in: MawWDürig, 00, Art. 84 Rdnr. 25; Pieroth, in: JarassfPieroth, GG, Art. 84 Rdnr. 3; wohl auch Broß, in: von MünchIKunig, GGK 3, Art. 84 Rdnr. 11; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 11, S. 799. 73 Gallas/Eisenbarlh, UPR 1986 S. 417 fT., 418; Laubinger, in: U1elLaubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. B 7; Lerche, in: MaunzlDürig, 00, Art. 83 Rdnr. 33, Art. 84 Rdnr. 28; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 11, S. 800. 74 Pieroth, in: JarassfPieroth, GG, Art. 84 Rdnr. 3; a.A. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 11, S. 799: "EinrichtlUlg dürfte ... auch die nähere Regelung über die Ausgestaltung einer schon vorhandenen Behörde bezeichnen". Ähnlich auch BVerfD, BeschI. v. 8.4.1987 (Fußn. 72), BVerfDE 75 S. 108 fT., 150 f 75 Laubinger, in: U1e1Laubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. B 7; Gallas/Eisenbarlh, UPR 1986 S. 417 ff., 418; im Ergebnis ebenso Vallendar, in: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 59 Anrn. 3. 70

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

kräfte, vielmehr geht es wn die velWaltungsmäßige Gesetzesausführung. Im Gegensatz zu der VelWaltung sind die Streitkräfte durch die Aufgabe als bewaffnetes Machtorgan76 und ihre durch Befehlsprinzip bestimmte Organisation77 gekennzeiclmet. Die velWaltungsmäßige Gesetzesausführung ist etwas anderes als ein Verteidigungseinsatz. Das ergibt sich schon aus Art. 87b GG, der die Erfüllung von VelWaltungsaufgaben der zivilen BundeswehrvelWaltung überträgt und damit Zuständigkeiten der Streitkräfte ausschließt. 7. Art. 87b Abs. 2 Satz I GG Die wohl herrschende Auffassung erblickt die verfassungsrechtliche Legitimation der Bundeszuständigkeiten im Bereich der Bundeswehr in Art. 87b Abs. 2 Satz I GG78 . Nach dieser Vorschrift können Bundesgesetze, die der Verteidigung dienen, bestimmen, daß sie in bundeseigener VelWaltung mit eigenem VelWaltungsunterbau ausgeführt werden. Der Verteidigung sollen einer Auffassung nach die Gesetze dienen, die mit der durch einen äußeren militärischen Angriff bedingten besonderen Situation in direktem Zusammenhang stehen79 • Dazu gehöre auch die Herstellung der Verteidigungsbereit-

76 VgI. (bei allen Unterschieden im Detail) Dürig, in: MaunzIDürig, GG, Art. 87a Rdnr. 9; Hemekamp, in: von MünchIKwlig, GGK 3, Art. 87a Rdnr. 6; Pieroth, in: JamsslPieroth, GG, Art. 87a Rdnr. 2; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 11, § 42 III 2 b (S. 862); StIlmI, Streitkräfte - BWldeswehrverwaltung - Rechtspflege, S. 7. 77 Auf dieses Merkmal weist Hafer, NZWehrr 1973 S. 2 fr, 5, zu Recht hin. Vgl. auch Sturm, Streitkräfte - Bundeswehrverwaltung - Rechtspflege, S. 13 f. 78 Allgemein Hernekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art.87b Rdnr. 16, mit Hinweis auf die BWldeswehr-Klausein. Aus der verwaltungsrechtlichen Litemtur Czychowski, WHG, § 21 Rdnr. 31; Engelhardt/Schlicht, BImSehG, § 59 Rdnr. 2; Führ, in: GK-BImSchG, § 59 Rdnr. 19; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 fr, 4 I 8; Stiehl Porger, Immissionsschutzrecht, § 59 Rdnr.3; Vallendar, in: Feldhaus, BWldesimmissionsschutzrecht, § 59 Anm. 3. Unklar Haedrich, Atomgesetz, § 24 Rdnr. 9. Auch der an § 59 BImSchG angelehnte Vorschlag des § 163 Abs. 2 UGB-E wird auf Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG gestützt, vgI. KloepferlSchmidt-AßmannlRehbinderlKunig, Umweltgesetzbuch - Allgemeiner Teil, S. 497 (Begründung zu § 163). Es ist auffällig, daß die verfassungsrechtIiche Zulässigkeit von Zuständigkeitsübertragungen auf den BMVg nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit § 59 BImSchG problematisiert wird.

79 Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87b Rdnr. 33; von !vJangoldt/Klein, GG, Art. 87b Amn. 11 4 a (S. 2344). VgI. auch Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 87b Rdnr. 3: VerteidigungsverwaltWlg i.S.v. Abs. 2 betreffe den Vollzug von Gesetzen gern. Art. 73 Nr. 1 GG, der nicht unter Art. 87b Abs. 1 GG falle. Ähnlich Frank, in: AK-GG, Tz. 101 hinter Art. 87; Hernekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 16.

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schaftSO. Bundesgesetz in diesem Sinne sei ggf. eine einzelne Gesetzesnonn, da der Gesetzgeber die Einzelnorm als selbständiges Gesetz erlassen könne81 . Diese Begründung ist sehr allgemein und läßt die Unterschiede zwischen den Bundeswehr-Sondemonnen unberücksichtigt. Um dem Rechnung zu tragen, ist eine Differenzierung nach dem Inhalt der Zuständigkeitsregelung und der damit übertragenen Aufgabe erforderlich. Ansatzpunkt hierfür muß eine präzise Bestimmung des Begriffs "Bundesgesetze, die der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen" sein. Die oben gegebene Umschreibung, wonach ein Gesetz dann der Verteidigung dient, wenn es mit der durch einen äußeren militärischen Angriff bedingten besonderen Situation in einem direkten Zusammenhang steht, wird man dahin ergänzen müssen, daß es sich um materielle Regelungen handeln mußS2 . Sonst wäre die anschließende Aussage über die Vollzugsform nicht verständlichs3 . Wenn eine Rechtsnonn, die sich auf eine Vollzugsaussage beschränkt84 , als Verteidigungsgesetz anzusehen wäre, würde der Zusammenhang mit der Verteidigungssituation darauf reduziert, daß Anwendungsfälle des betreffenden Gesetzes auch im Bereich der Streitkräfte vorhanden sind. Die "materielle Aufladung" des Begriffs des Verteidigungsgesetzes ergibt sich daneben aus einem Vergleich mit der Regelung des Art. 87b Abs. 1 Satz 2 GG, die durch Art. 87b Abs. 2 GG ergänzt wird85 , und mit den in Art. 87b Abs. 2 Satz I GG ausdrücklich genannten Gebieten. Dieser Vergleich zeigt, daß nur solche Materien in die Bundesverwaltung (sei es durch Eingliederung in die Bundeswehrverwaltung, sei es durch sonstige Bundesverwaltung mit eigenem Unterbau) überführt werden dürfen, die einen verteidigungsspezifischen Regelungsgehalt aufweisen. Verteidigungsgesetze sind danach Rechtsnormen, die solche materiellen Regelungen treffen, die auf die von den Streitkräften wahrzunehmenden Aufgaben zugeschnitten und nicht an die Allgemeinheit gerichtet sind. Das schließt nicht aus, daß von solchen GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 fT., 418. Lerche, FS Dilrig, S.401 fT., 408. In der Sache ebenso EngelhardtiSchlicht, BImSchG, § 59 Rdnr. 2; GallaslEisenbarth, UPR 1986 S. 417 fT., 418; Vallendar, in: Feldbaus, Bundesirnrnissionsschutzrecht, § 59 Anrn. 3. Bedenken gegen diese Konstruktion meldet Laubinger, in: UlelLaubinger, BIrnSchG, § 59 Rdnr. B 9, an. Diese Bedenken sind jedoch wegen der dargestellten Umgehungsmöglichkeit unbegründet. Es spricht nichts dafür, den Gesetzgeber zu zwingen, Modifikationen eines allgemeinen Gesetzes für Verteidigungsanlagen in ein eigenes Gesetz aufzunehmen. 82 Lerche, FS Dürig, S. 401 fT.,409. 83 Lerche, FS Dürig, S. 401 fT.,409 Fußn. 32. 84 Vgl. etwa § 24 Abs. 3 AtomG, § 59 BIrnSchG. 80

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85 Lerche, FS Dürig, S. 401 fT., 407 f.; von MangoldtiKlein, GG, Art. 8Th Amll. II 4 a (S. 2344); Roemer, JZ 1956 S. 193 fT., 197.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Gesetzen rechtliche Wirkungen für die Allgemeinheit ausgehen können. Verteidigungsspezifische Regelungen können daher auch solche sein, die die Betroffenheit der Allgemeinheit durch einen äußeren militärischen Angriff rechtlich zu erfassen suchen. Derartige materielle Sonderregelungen enthalten das LBG86 , das SchBerG und das BLG. Die in diesen Gesetzen angeordneten Bundeszuständigkeiten87 finden ihre Rechtfertigung in Art. 87b Abs. 2 Satz I GG88 • Darüber hinaus weisen die Einzelvollzugszuständigkeiten für die Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen89 einen materiellen Verteidigungsbezug auf. Auch sie finden ihre Grundlage in Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG90 . Die Zuständigkeiten für Verfahrensentscheidungen91 sehen ebenfalls verteidigungsspezifische Regelungen vor. Zwar handelt es sich nicht im strengen Sinne um materielle Normen. Mit dem zusätzlichen Erfordernis verteidigungsspezifischer materieller Regelungen sollen jedoch nur solche Normen aus dem Begriff des Verteidigungsgesetzes ausgeklammert werden, die sich in einer bloßen Zuständigkeits regelung erschöpfen92 . Mit den Verfahrensentscheidungen werden Pflichten des Trägers des Vorhabens im Verfahren modifiziert. Dies kann, wie die Modifikation materieller Anforderungen, nur aus Grtinden erfolgen, die sich aus den Besonderheiten der militärischen Verteidigung ergeben 93 . Insoweit sind Pflichten im Verfahren den Anforderungen an das Vorhaben gleichzustellen. Die Zuständigkeiten für Verfahrensentscheidungen 86 Die mit der Zuständigkeit ftlr den Erlaß der Bezeichnung nach § lAbs. 3 LBG ähnliche Bestimmung über die Bestimmung der Planung und Linienführung nach § 16 Abs. I Satz I FStrG fmdet nach dem Urteil des BVerwG v. 26.6.1981 - 4 C 5.78 -, BVerwGE 62 S. 342 tT., 344 f., ihre Rechtfertigung in einer Kompetenz des Bundes kraft Natur der Sache, da die generelle Planung und Liniellbestimmung der Bundesfernstraßen von überregionaler Bedeutung sei und durch die in ihrer Zuständigkeit durch die Landesgrenzen beschränkten Landesbehörden allein nicht sachgerecht wahrgenommen werden kötulte. Diese Überlegungen sind auf § lAbs. 3 LBG jedoch nicht übertragbar, detul ein bezeichnetes Vorhaben ist nicht notwendig länderllbergreifend. 87 Zum Erlaß einer Bezeichnung nach § lAbs. 2, 3 LBG; als Schutzbereichbehördell, § 9 SchBerG; als Anforderungsbehörden, § 5 Abs. I Satz 2 BLG. 88 Blümel, HStR IV, § 10 1 Rdnr. 10 I. Für das SchBerG ebenso von Mangoldt/Klein, GG, Art. 8Th Anm. TI 4 b (S. 2345); Reinjried/Steinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S. 53, 55; Roemer, JZ 1956 S. 193 tT., 197. 89 Vgl. oben § 4 A I 2 c. 90 Lerche, FS Dürig, S. 401 tT., 408. 91 § 15 Abs. 5,6 Satz 2 ROG, § 3 Abs. 2 Satz I Alt. 1 UVPG, § 10 Abs. 11 BImSchG i.V.m. § 2 der 14. BImSchV, vgl. auch unten § 6 B. 92 Im Ansatz wie hier Lerche, FS Dürig, S. 401 tT., 409, der die Verfahrensentscheidungen jedoch nicht erörtert. 93 Siehe unten § 6 D.

§ 4 VerwaltWlgszuständigkeiten des Bundes

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finden damit ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung ebenfalls in Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG. Die Entscheidung über ein Abweichen von der Stellungnahme einer höheren oder obersten Landesbehörde94 dient in gleicher Weise wie die Verfahrensentscheidungen und die Entscheidungen über die Zulassung von Ausnahmen der Anpassung der Rechtsfolgen gesetzlicher Bestimmungen an die Besonderheiten der militärischen Verteidigung. Denn die Abweichung von der Stellungnahme ist nur aus dringenden verteidigungsspezifischen Gründen zulässig und insofern mit der Erteilung einer Ausnahme vergleichbar. Auch die LetztentscheidungsZuständigkeit darf gemäß Art. 87b Abs. 2 Satz I GG der bundeseigenen Verwaltung übertragen werden. Die Gesamtvollzugszuständigkeiten95 können ihre verfassungsrechtliche Legitimation überwiegend nicht aus Art. 87b Abs. 2 Satz I GG herleiten. Zwar stehen diese Regelungen im Zusanunenhang mit der Verteidigungsaufgabe der Bundeswehr. Allein das macht sie aber noch nicht zu einem Verteidigungsgesetz. Denn es wird nicht die Ausführung von verteidigungsspezifischen, sondern von allgemeinen Regelungen übertragen96 . Der verteidigungsspezifische Gehalt ergibt sich nicht daraus, daß es um den Vollzug im Bereich der Streitkräfte geht97 , da diese als Teil der Allgemeinheit zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet sind (Art. 20 Abs. 3 GG). Gleiches gilt für die Zuständigkeitsregelung des § 78 Abs. I BSeuchenG. Zwar weisen die Situationen, in denen die Ausführung des BSeuchenG den zuständigen Stellen der Bundeswehr obliegt, einen verteidigungsspezifischen Gehalt dadurch auf, daß das Wolmen in Gemeinschaftsunterkünften seinen Grund vor allem in dem Erfordernis der schnellen Einsatzbereitschaft der Truppe besitzt. Man könnte daher annehmen, daß die Vorschrift des § 78 Abs. 1 BSeuchenG mit der durch einen äußeren militärischen Angriffbedingten besonderen Situation in direktem Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang besteht allerdings nur insoweit, als sich aus dem engen Zusammenleben vieler Menschen besondere Ansteckungsgefahren beim Auftreten übertragbarer Krankheiten ergeben. Kein Zusammenhang besteht dagegen mit den Maßnallmen zur Abwehr dieser Gefahren. Es handelt sich nänllich um die gleichen 94 § 9 BNatSchG, § 45 Abs. 2 Satz 3 BWaldG, § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB (fehlende Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde). Die Zuständigkeit für die AbweichungsentscheidWlg nach § 30 Abs. 3 Satz 2 LuftVG findet dagegen ihre Rechtfertigung in Art. 87d Abs. I GG. 95 Siehe oben § 4 A I I. 96 Laubinger, in: U1e/Laubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. B 9. 97 So aber wohl EngelhardtiSchlicht, BImSehG, § 59 Rdnr. 2; GallaslEisenbarth, UPR 1986S.4l7tT.,4l8.

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Dritter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Maßnahmen, die auch gegenüber sonstigen Personen ergriffen werden dürfen. Ein Gesetz dient nur dann der Verteidigung, wenn seine Rechtsfolgen und nicht nur seine Voraussetzungen auf die Besonderheiten der militärischen Verteidigung abstellen 98 . Das ist bei den Vorschriften des BSeuchenG jedoch ebensowenig der Fall wie bei den anderen Gesetzen, die dem Bund im Bereich der Streitkräfte die Vollzugskompetenz einräumen oder eine entsprechende Übertragung zulassen. Problematisch erscheinen die Vorschriften, die lediglich Überwachungszuständigkeiten des Bundes für den Bereich· der Streitkräfte begründen99 • Zwar handelt es sich wn den Vollzug von Vorschriften, die für die Allgemeinheit gelten. Wenn es den Landesbehörden verwehrt wäre, die allgemein geltenden Normen mit Zwang gegenüber der Bundeswehr durchzusetzen lOO , könnte sich ein spezifischer Verteidigungsbezug einer Überwachungszuständigkeit aus den Durchsetzungsmöglichkeiten des BMVg herleiten lassen. Das ist jedoch keine verteidigungsspezifische Argumentation, sondern betrifft andere Bundesbehörden in gleicher Weise. Auch dort könnten nicht die Länderbehörden, sondern nur vorgesetzte Bundesbehörden die Einhaltung materieller Anforderungen notfalls zwangsweise durchsetzen. Die Überwachungsvorschriften sehen außerdem als Zwangsmaßnahmen der Überwachungsbehörde i.d.R. nur Betretungs-, Auskunfts- und Einsichtsrechte und damit korrespondierende Duldungspflichten vor. Die Ergebnisse der Überwachung sind nach anderen Vorschriften umzusetzen (etwa nach §§ 17, 20, 21 BlmSchG). Die Vorschriften, die Überwachungszuständigkeiten des Bundes im Bereich der Bundeswehr vorsehen, sind damit keine Gesetze, die der Verteidigung dienen, und finden in Art. 8Th Abs. 2 Satz 1 GG keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Gleiches gilt für die Stellung weitergehender Anforderungen lOI und für die Zulassung nicht verteidigungsspezifischer Ausnahmen 102, für die bei Anlagen der Bundeswehr der BMVg zuständig ist103 • Auch die Zuständigkeiten des BMVg zur Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien l04 können, da die entsprechenden Vorschriften keine Anpassung ihrer Rechtsfolgen an 98 Ähnliche Überlegungen klingen an bei Laubillger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. B 9; Lerche, FS Dürig, S. 401 ff.,409. 99 Siehe oben § 4 A I 2 a. 100 Darstellung mit Nachweisen unten § 6 A. 101 Siehe oben in Fußn. 7. 102 Siehe oben in Fußn. 8. 103 Siehe oben § 4 A 12 f. 104 Siehe oben § 4 A 12 d.

§ 4 Verwalttmgszuständigkeiten des Bundes

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Verteidigungsbelange vorsehen, nicht auf Art. 87b Abs. 2 Satz I GG gestützt werden. Die Zuständigkeiten des BMVg nach § 6 Abs. 2 GGVS weisen ebenfalls keinen spezifischen Verteidigungsbezug auf. Dieser fehlt schließlich bei den Einzelvollzugszuständigkeiten für Überwachungskonsequenzen. Denn hier sind solche Maßnahmen vorgesehen, die von der sonst zuständigen Behörde auch gegenüber einem Privaten ergriffen werden können lO5 • Auf ausdrücklich genannte VerwaItungszuständigkeiten des Bundes lassen sich folgende Zuständigkeiten somit nicht stützen: -

die Gesamtvollzugszuständigkeiten mit Ausnalune der Ausführung des SchBerG,

-

die Einzelvollzugszuständigkeiten für die Überwachung, die Überwachungskonsequenzen, die Bestellung von Sachverständigen, die Aufgaben nach § 6 Abs. 2 GGVS, die Stellung weitergehender Anforderungen und die Zulassung nicht verteidigungsspezifischer Ausnalunen und

-

die Zuständigkeiten für Verfahrensentscheidungen. 8. Stillschweigende Verwaltungszuständigkeiten

Für diese Zuständigkeiten des Bundes kommt nur die verfassungsrechtIiche Rechtfertigung durch eine stillschweigende Verwaltungszuständigkeit des Bundes in Betracht. Die Möglichkeit sog. ungeschriebener (oder, zutreffender, stillschweigend mitgeschriebener106) VerwaItungszuständigkeiten des Bundes ist weitgehend anerkannt lO7 . Diese Auffassung findet in dem Wortlaut des Art. 83 GG insoweit \05 Vgl. Nr. 1.1 des Erlasses des BMVg zur Durchführung des § 17 BImSchG vom 9.9.1991 - S IV 2 - Az. 63-10-06/40 -, n.v. Danach sollen abschließend bestimmte nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 4 BImSchG verstärkt angewendet werden, weil sie das - von der zuständigen Landesbehörde durchzuführende - Änderungsgenehmigungsverfahren (jetzt § 16 BImSchG) venneiden. 106 Achterberg, JA 1980 S. 2 IO ff., 273 ff., 217 mit Fußn. 69; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 30 Rdnr. 39; Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 39 Fußn. 136; von MangoldtiKlein, GG, Art. 83 Anrn. 4 (S. 2107); VOll Mutius, Jura 1986 S. 498 fr, 499; zwischen den Ableitungen des Sachzusammenhangs und der Natur der Sache differenzierend Harms, Der Staat 33 (1994) S. 409 ff., 411. Dagegen Stettner, Kompetenzlehre, S. 425 f., der die terminologische Unterscheidung als nicht sinnvoll ansieht. 107 Dittmanll, in: Sachs, GG, Art. 83 Rdnr. 16; Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 39; VOll Mutius, Jura 1986 S. 498 ff., 498; Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 30 Rdnr. 5, Art. 83 Rdnr. 6; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Vorb. vor Art. 83 Rdnr. 3; skeptisch Bull, in: AK-GG, Art. 83 Tz. 8 (mit der Mahnung zu größter

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

eine Stütze, als Abweichungen von der Grundform der Ausfiihrung von Bundesgesetzen nicht unbedingt ausdrücklich festgelegt sein müssen, sondern eine "Zulassung" im Grundgesetz ausreicht lo8 . Daß diese Zulassung ausdrücklich erfolgen muß, sagt Art. 83 GG nicht lO9 . Unterschieden werden dabei Zuständigkeiten kraft Natur der Sache und kraft Sachzusanunenhangs. Ob Annexzuständigkeiten einen eigenständigen Typus darstellen oder lediglich eine Ausprägung der Zuständigkeitsbegründung kraft Sachzusanunenhangs sind, ist umstritten. Das BVerfG und ihm folgend einige Stinunen in der Literatur verwenden die Begriffe des Sachzusammenhangs und des Annexes gleichsinnig; mit dem Annex werde eine Unterfall des Sachzusammenhangs beschrieben llO . Die Gegenauffassung, die zwischen diesen Begriffen trennt, begründet dies wie folgt: Während Sachzusammenhang und Natur der Sache unterschiedliche Formen der Ableitung stillschweigender Zuständigkeiten darstellten, liege der Begriff des Annexes auf einer anderen Ebene lll . Er erweitere ausdrückliche Zuständigkeiten innerhalb der jeweiligen Staatsfunktion in das Stadium der Vorbereitung oder Durchfiihrung ll2 . Annex-Kompetenzen können nicht nur als stillschweigende, sondern auch als ausdrückliche Kompetenzen l13 auftreten l14 • Für eine Abgrenzung konunt es entscheidend auf die Zurückhaltung); ablelmend dagegen Maullz, DÖV 1950 S. 643 ff. (zu ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen), der jedoch ungeschriebene Verwaltungskompetenzen wohl anerkennt, vgl. dens., in: MaunzlDürig, GG, Art. 30 Rdnr.20. Broß, in: von MÜllchIKunig, GGK 3, Art. 83 Rdnr. 11, leimt die Annahme ungeschriebener Verwaltungszuständigkeiten dagegen ab, da die abschließende Regelung der Verwaltungskompetenzen in Art. 83 ff. GG keinen Raum für die Zulassung einer anderen Regelung lasse. 108 Achterberg, AöR 86 (1961) 63 ff., 86; Kölble, DÖV 1963 S. 660 fr, 663; Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 41. 109 Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 663. AA Broß, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 83 Rdnr. 11: das GG lasse allenfalls dann eine andere Regelung zu, wenn es nicht schon selbst die Einzelheiten eines Bereichs abschließend regele, wie das in den Art. 83 ff. geschehen sei. 110 Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 70 Rdnr. 7; Rengeling, HStR IV, § 100 Rdnr.55. 111 Achterberg, DÖV 1966 S. 695 ff., 700; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 70 Rdnr. 32; Lerche, FS Dürig, S. 401 ff., 409 mit Fußn. 36; ebenso Stettner, Kompetenzlehre, S.429, 431, der die Existenz ungeschriebener Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs ablelmt. 112 Achterberg, DÖV 1966 S. 695 tr, 698, im Anschluß an Maunz, in: MawlZlDürig, GG, Art. 30 Rdnr. 26, der gleichwohl den Annex als Spezialform des überwiegenden Sachzusanunenhangs ansieht. So auch Stetlller, Kompetenzlehre, S. 431. 113 Vgl. Art. 74 Abs. I Nr. 14, Art. 73 Nr. 11 GG. 114 Achterberg, DÖV 1966 S.695 ff., 698; Lerche, FS Dürig, S.401 ff., 409 mit Fußn.36.

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Art der EnnittIung an. Annexkompetenzen werden wie solche kraft Sachzusammenhangs aus den geschriebenen Kompetenzen ennittelt. Sie ergänzen diese in die Breite und die Tiefe l15 und stellen damit zwei Aspekte eines Vorgangs dar. Das rechtfertigt es, den Annex als Unterfall des Sachzusammenhangs zu interpretieren.

a) Zuständigkeit kraft Natur der Sache Die Voraussetzungen, unter denen eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache besteht, sind nicht abschließend geklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat zunächst darauf abgestellt, daß sich Zuständigkeiten kraft Natur der Sache unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes als natürliche Bundesaufgaben ergeben müssenl\6. Dies hat das Gericht später so präzisiertl17 : "Eine Kompetenz aus der Natur der Sache ist begründet nach dem 'ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebwlgszuständigkeit apriori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reiche und nur von ihm geregelt werden können.'''

Diese Voraussetzungen hätten auch unter dem Grundgesetz noch Geltung. Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache müßten begriffs notwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösungen zwingend fordern. Das sei nicht der Fall, wenn sich auch eine andere Lösung mit beachtlichen Gründen rechtfertigen lasse. Bereits zuvor hatte das BVerfG die Annalune stillschweigender Bundesverwaltungszuständigkeiten mit folgenden Überlegungen eingeschränkt l18 : Stillschweigende Bundeszuständigkeiten könnten nur im Ausnahmefall angenommen werden. Es seien Gesetze denkbar, deren Zweck durch das Verwaltungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden könne. Grundsätzlich sei aber davon auszugehen, daß das Grundgesetz bei der in Art. 30 und 83 ff. 115 116

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Stettner, Kompetenzlehre, S. 431. BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 - 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 3 S. 407 fr,

117 BVerfG, Besch!. v. 10.5.1960 - 2 BvO 6/56 -, BVerfGE 11 S. 89 fT., 98 f., unter Verweis auf Anschütz, in: Anschützffhoma (Hrsg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Erster Band, S. 367. Ebenso Urt. v. 28.3.1961 - 2 BvG 1,2/60 -, BVerfGE 12 S. 205 ff., 251. In diesem Sinne auch Küchenhoff, DVB!. 1951 S. 585 fT., 586. 118 BVerfG,Besch!.v.15.3.1960-2BvG 1/57-, BVerfGE 11 S.6tT., 17f. Bestätigend Besch!. v. 10.2.1976 - 2 BvG In4 -, BVerfGE 41 S. 291 fr, 312.

7 Rcpkcwitz

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getroffenen Regelung eine reibungslose und vollständige Ausführung der Bundesgesetze unterstellei 19. Nur wenn diese durch die Landesverwaltung nicht erreicht werden könne, sei anzunehmen, daß das GG stillschweigend eine andere Regelung - die Ausführung durch den Bund - zugelassen habe '20 . Der Umstand, daß die Ausführung durch den Bund im Einzelfall zweckmäßiger wäre, genügt dem BVerfG für die Annahme einer stillschweigenden Zulassung nicht. Der Bund habe die Befugnis zur ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebung auf den Gebieten, auf denen eine einheitliche Regelung von besonderer Bedeutung sei. Diese einheitliche Geltung von Rechtsvorschriften dürfe nicht dadurch illusorisch gemacht werden, daß ihre Ausführung von Land zu Land erhebliche Verschiedenheiten aufweise. Allerdings dürfe der Bund die Befugnis zum Vollzug von Bundesgesetzen, die sich nicht auf Gegenstände der bundeseigenen Verwaltung beziehen, nicht an sich ziehen, solange er nicht versucht habe, mit dem dafür in Art. 84 Abs. 2 GG vorgesehenen Instrument des Erlasses allgemeiner Verwaltungsvorschriften eine einheitliche Verwaltungspraxis herbeizuführen. Die Überregionalität einer Aufgabe könne eine Bundeszuständigkeit kraft Natur der Sache ebensowenig begründen '21 wie die tatsächliche Wahrnehmung einer Aufgabe durch einige oder alle Länder gemeinsam122 . Für die mit dem Beitritt der DDR nach Art. 23 Satz 2 a.F. GG verbundenen unaufschiebbaren gesetzgeberischen Aufgaben nalun das BVerfG eine aus der Natur der Sache folgende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes un 12J

Die Kommentarliteratur folgt, wenn auch mit Modifikationen im Detail, weitgehend der Auffassung des BVerfG '24 . Entscheidendes Kriterium für die 119 Kritisch Bullinger, AöR 96 (1971) S.237 tT., 275: Das Grundgesetz unterstelle nicht die reibungslose und einheitliche Ausführung von Bundesgesetzen, sondern es strebe sie in bestimmter Weise an. 120 Einengend BVertG, Besch\. v. 10.2.1976 (Fußn. 118), BVertGE 41 S.291 tT., 312: vollständiger Vollzug muß von vornherein ausgeschlossen sein. 121 BVertG, Urt. v. 28.3.1961 (Fußn. 117), BVertGE 12 S.205 tT., 250; BVertG, Besch\. v. 10.2.1976 (Fußn. 118), BVertGE 41 S. 291 tT., 312. 122 BVertG, Urt. v. 28.3.1961 (Fußn. 117), BVerfGE 12 S. 205 tT., 251 f. 123 BVertG, Urt. v. 24.4.1991 - I BvR 1341/90 -, BVerfGE 84 S. 133 tT., 148. Kritisch dazu Harn/s, Der Staat 33 (1994) S. 409 tT., 424. 124 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rdnr. 6: Kompetenz kraft Natur der Sache, wenn der Zweck eines Gesetzes durch das VerwaItungshandeln eines Landes überhaupt nicht erreicht werden kann. Erforderlich ist für Fälle sonst drohender unerträglicher Uneinheitlichkeit, daß die gleiche Wirkung nicht durch Länderkooperation, vorhandene Einwirkungsmöglichkeiten des BWldes (z.B. Art. 84 Abs. 2, 3, Art. 85 Abs. 3) oder durch Anwendung des Gebots bundesfreundlichen Verhaltens erreicht werden kann; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-B1eibtreulKlein, GG, Vorb. vor Art. 83, Rdnr. 10; Kunig, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 70 Rdllr. 27. Kritisch Bull, in: AK-GG,

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Anerkennung einer Zuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache ist danach, daß eine Aufgabe nicht von den Ländern - allein oder gemeinsam - wahrgenommen werden kann. Dies wird gelegentlich dahin präzisiert, daß eine Bundeszuständigkeit kraft Natur der Sache dann vorliege, wenn die Länder den Versuch unternähmen, zentrale gemeinschaftliche Einrichtungen zu schaffen, da dies mit der Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten kollidiere 125 . Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache könnten sich darüber hinaus nicht nur aus der Natur der Materie, sondern auch aus der Natur des Staates ergeben; solche Zuständigkeiten seien notwendig, sollte nicht die Staatsqualität in Frage gestellt werden l26 . Hierzu gehörten das Recht der Selbstdarstellung, die nationale Repräsentation und die Pflege kontinuitätsbewahrender Traditionenl27 . Für die hier interessierenden Zuständigkeiten spielen diese Erwägungen jedoch keine Rolle. Die Methoden der Ermittlung ungeschriebener Bundeszuständigkeiten stellt Küchenhoff in den Mittelpunkt seiner Überlegungen l28 . Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache könnten nur aus einer evidenten Höherwertigkeit von Bundesinteressen gegenüber den Gliedstaatsinteressen folgen. Die Wertigkeit ergebe sich aus den dem geschriebenen Verfassungsrecht zu entnehmenden verfassungsgestaltenden Grundentscheidungen rur den Bundesstaat, seinen Ausprägungen und seinen Differenzierungenl29 . Die Grundentscheidungen seien jedoch nicht aus der Stellung eines bestimmten Bundesorgans zu anderen Bundesorganen oder aus der Stellung des Staates gegenüber seinen Staatsbürgern abzuleiten130. Küchenhoff bezeichnet die so gefundenen Zuständigkeiten als stillschweigende Bundeszuständigkeiten kraft eines im Hinblick auf verfassungsgestaltende Grundentscheidungen evident höherwertigen Bundesinteresses l3l . Art. 83 Tz. 12: Die begriffsjuristische Methode der Definition durch das BVerfG, die die in der Weimarer Republik vertretene AuffasslUlg fortschreibe, überzeuge nicht, da kaum jemals eine ganz bestimmte LöslUlg zwingend erforderlich erscheine. Realistischer sei die Annahme einer Zuständigkeit kraft Natur der Sache in den Fällen, in denen der Zweck eines Gesetzes durch das VerwaltlUlgshande1n eines Landes nicht erreicht werden könne. 125 Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 668 f; ders., NJW 1962 S. 1081 ff., 1083 f 126 Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 667 f

Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 668. 128 Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 ff.; ders., DVBl. 1951 S. 585 ff., 617 ff. 129 Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 ff., 460. In der Sache ebenso Rarms, Der Staat 33 (1994) S. 409 ff., 420 ff. 130 Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 ff., 461. 131 Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 ff., 472; ebenso Rarms, Der Staat 33 (1994) S. 409 ff., 426 f 127

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Im Anschluß an Küchenhoff erkennt Achterberg Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache nur bei einer echten Lücke in der Verfassung an, die durch Rechtssatzergäflzung geschlossen werden müsse. Die Lücke könne durch Gesetzes- oder Rechtsanalogie aus in der Verfassung enthaltenen ausdrücklichen Kompetenzen geschlossen werden, auch könne eine Rechtssatzergänzung aus evident höherwertigen Bundesinteressen erfolgen132 . Letzteres bedeute, daß sich Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache "durch die Augenscheinlichkeit einer auf einer feststehenden Tatsache beruhenden Aussage" ergebe. Die Höherwertigkeit der Bundesinteressen müsse evident sein 133 . Sie ergebe sich aus der Überregionalität der Bundesaufgaben und der damit verbundenen Funktion des Bundes als Sachwalter auch der ihm eingegliederten Länderl34 . Die Errichtung besonderer Schranken gegen eine zu weitgehende Annahme von Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache hält Achterberg fur entbehrlich, soweit deren Ableitung auf Evidenz beruht135 . Beruht diese Zuständigkeit auf der analogen Anwendung ausdrücklicher Verfassungsnormen, könne zur Begrenzung Art. 72 Abs. 2 GG analog herangezogen werden l36 . Einen abweichenden Ansatz fur die Begründung ungeschriebener Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache vertritt Bleckmann137 . Die Probleme um Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache seien nur teilweise durch einen Rückgriff auf das Wesen des Staates oder des Bundesstaates zu lösen J38 . Das betreffe insbesondere die Verantwortung des Bundes fur die Funktionsfahigkeit des Gesamtstaates, die Unterrichtungs- und Einflußnalunemöglichkeiten erfordere l39 . Der Grundgedanke des Bundesstaatsrechts, daß die Wahrnehmung von Staatsaufgaben, die von den Ländern allein oder gemeinsam nicht oder nicht effektiv und optimal wahrgenommen werden können, dem Bund obliegen müsse, sei in Art. 72 Abs. 2 GG ausdrücklich festgeschrieben. Die drei Ziffern des Art. 72 Abs. 2 a.F. GG gäben in ihrer Gesamtheit abschließend die Gründe und sozialen Zwänge an, die den Grundsatz der autonomen Erfiillung der Staatsaufgaben durch die Länder durchbrechen und zum Übergang von Kompetenzen auf die nächsthöhere Ebene, d.h. auf den Bund fuhren könnten l40 . Das

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Achterberg, AöR 86 (1961) s. 63 ff., 68. Achterberg, AöR 86 (1961) s. 63 ff., 69 f. Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 ff., 70 Fußn. 32. Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 ff., 93. Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 ff., 93. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 ff. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 ff., 109 f. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 ff., 110; ders., Staatsrecht I, Rdnrn. 10 10, 1062. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 ff., 111.

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gelte sowohl für Gesetzgebungs- als auch für Verwaltungszuständigkeitenl41 . Der vom Autor selbst lediglich als Lösungsansatz verstandene und als vertiefungsbedürftig bezeichnete142 Vorschlag zur Lösung der Probleme um die Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache dürfte, insbesondere in der engeren Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG, zu den gleichen Ergebnissen kommen wie die anderen hier vorgestellten Begründungsansätze l43 . Mit dem Topos, daß eine Bundeszuständigkeit kraft Natur der Sache anzunehmen sei, wenn das betreffende Gesetz durch die Länder nicht ausgeführt werden kann, könnten die Bundeszuständigkeiten begründet werden, die zu hoheitlichen Maßnalunen gegenüber der Bundeswehr ermächtigen l44 . Das setzt voraus, daß derartige Anordnungen von den allgemein zuständigen Landesbehörden nicht erlassen werden können. Nach der wohl vorherrschenden Auffassung, die eine formelle Polizeipflicht des Bundes gegenüber Landesbehörden ablehnt, ist das der Fall. Wie noch zu zeigen istl45 , treffen weder die Prämissen dieser Auffassung zu noch überzeugen ihre Ergebnisse. Der Bund ist vielmehr auch formell polizeipflichtig. Die hier zu erörternden Zuständigkeiten146 beruhen danach nicht auf Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache. Hierfür spricht insbesondere, daß solche Bundeszuständigkeiten grundsätzlich eine obligatorische Bundesverwaltung begründen müßten147 , die die Länder von der Durchführung ausschließt. Dieser Vorstellung scheint selbst der Bund nicht zu folgen. Denn dann hätte es bis zum Erlaß der 14. BImSchV ein zwölfjähriges Vakuum für die Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bei Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, gegeben, weil Landesbehörden im Bereich der obligatorischen Bundesverwaltung nicht tätig werden dürfen. Die bis heute ungenutzte Verordnungsermächtigung des § 21 Abs. 4 WHG und die Zuständigkeitsveränderungen im Rahmen des § 5 Abs. 5 GBefGG 148 sprechen ebenfalls gegen die Annalune einer Bundeszuständigkeit kraft Natur der Sache für die Überwachung und die Überwachungskonsequenzen bei Verteidigungsanlagen. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 tI, 113. Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 LI, 109. 143 Die Beispiele von Bleckmann entsprechen überwiegend den auch sonst erörterten Anwendungsfällen und weichen im Ergebnis nicht von den anderen BegründlUlgsansätzen ab. 144 Darauf dürfte die Argumentation von Kölble, DÖV 1962 S. 661 ff., 666, hinauslaufen. 145 Siehe unten § 6 A. 141

142

146 Das betriffi vor allem die Überwachung und die ÜberwachlUlgskonsequenzen, aber auch die Entscheidung über die Erteilung von Kontrollerlaubnissen. 147 Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 670.

148

Siehe oben im Text bei Fußn. 4.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Hier liegen weder evident höherwertige Bundesinteressen vor noch stellt die Bundeszuständigkeit die aus dem Wesen der Aufgaben begründete einzig sachgerechte Lösung dar. Geheimhaltungsinteressen können die hier zu betrachtenden Bundeszuständigkeiten ebenfalls nicht zwingend erfordern. Die Geheimhaltung stellt nur einen untergeordneten Zweck der Zuständigkeitsübertragung auf den Bund dar149 • Zu ihrer Sicherstellung bedarf es nicht denknotwendig einer Bundesverwaltungskompetenz. Eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache ist danach für die hier in Rede stehenden Materien nicht anzuerkennen 150.

b) Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs Damit stellt sich die Frage, ob die noch offenen Zuständigkeitsformen auf einer Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs beruhen. Während die Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache trotz aller Unterschiede in den Begründungsansätzen ein relativ einheitliches Bild zeigen, ist insbesondere die Begründung von Verwaltungszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs in einem noch weitergehenden Umfang ungeklärt l51 . Nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Sachzusammenhang die (Gesetzgebungs-)Zuständigkeit des Bundes nur begründen, "wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene andere Materie geregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist", um die ausdrücklich zugewiesene Materie auszufüllen 152. Von diesen strengen Anforderungen geht 149

Siehe oben § 4 C.

150 Für die Rechtfertigung des § 59 BhnSchG zweifelnd auch Laubinger, in: Ulel Laubinger, BhnSchG, § 59 Rdnr. B 10; hinsichtlich der atom- und strahlenschutzrechtlichen Zuständigkeiten nach § 24 Abs. 3 AtomG, § 10 Abs. I Satz 3 StrVG ablehnend ebenfalls Blumel, HStR IV, § 10 I Rdm. 119. 151 Stettner, Kompetenzlehre, S. 430, hält ungeschriebene Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs für überflüssig. Die Sachzusammenhangs-Argwnentation sei durch eine ausgefeilte Methodik der Kompetenzauslegung zu ersetzen. Die Zuständigkeitszuweisung müsse unter Wahrung der Länderkompetenzen und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ermittelt werden. Älmlich für Gesetzgebungskompetenzen von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Art. 70 Rdnr. 111, bezüglich kompetenzergänzender Sachzusammenhänge: sie seien verfassungswidrig. Eventuelle Lücken seien durch VerfassungSänderung zu schließen. 152 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 (Fußn. 116), BVerfGE 3 S. 407 ff., 42 \. Zustimmend Kölble, DÖV 1963 S. 660 ff., 667. Kölble kritisiert zwar das Begren-

§ 4 Verwaltlmgszuständigkeiten des BWldes

103

das BVerfG jedoch nicht bei allen Erscheinungsformen einer derartigen Kompetenzbegründung aus 153. Diese teilweise divergierenden Anforderungen lassen sich jedoch auf die Grundüberlegung zurückführen, daß die Kompetenzauslegung aus dem Sachzusammenhang die Ermittlung verlangt, wie weit Bundes- oder Landeskompetenzen auf die zu ihrer zweckentsprechenden, sachgemäßen Verwirklichung dienenden Regelungen oder Verwaltungsmaßnallmen erstreckt werden können, ohne die zweckentsprechende, sachgemäße Verwirklichung einer anderen Bundes- oder Landeskompetenz zu verhindern. Entscheidend ist danach der stärkere oder überwiegende Sachzusammenhang im Überschneidungsbereich zweier Kompetenzen I54 • Als Maßstäbe für das Überwiegen eines Sachzusammenhangs lassen sich eine durch Strukturanalyse der betroffenen Materien ermittelte größere Sachnähe, der Schutz der Länder insgesamt sowie insbesondere die Schutzbedürftigkeit wichtiger Länderkompetenzen mit größerem eigenen politischen Gestaltungsspielmum festmachen I55 . In der Rechtsprechung des BVerfG lassen sich - mit Bullinger - vier Fallgruppen eines überwiegenden Sachzusammenhangs ausmachen I56 . Die Begründung einer Hiljszuständigkeit für eine ihrer Art nach unselbständige Materie geht davon aus, daß mit der Verwaltungskompetenz für ein bestimmtes Sachgebiet "im Zweifel", ohne daß dies unerläßlich oder notwendig sei, die Kompetenz für solche Maßnallmen verbunden ist, die ihrer Art nach im allgemeinen unselbständig sind und ihre Funktion erst im Zusammenhang mit einem bestimmten Sachgebiet erhalten, falls sie sich nicht trotz dieser dienenden Funktion zu einem eigenen Rechts- und Kompetenzgebiet entwickelt habenI57 • Das BVerfG verwendet hierfür gelegentlich auch die Bezeiclmung "Annexkompetenz" 158.

zungsmerkmal der "Wlerläßlichen Voraussetzung" als zu eng, verwendet es bei der Übertragwlg der zitierten Formel des BVerfG aus dem Baurechtsgutachten dann aber doch zur Umschreibung der Voraussetzung einer Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs. 153 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 252. 154

Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 248.

Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 253 f, 259. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 261. Trotz erheblicher Bedenken zustimmend Bull, in: AK-GG, Art. 83 Tz. 10. 157 Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 261 f; BVerfG, Urt. v. 30.7.1958 - 2 BvF 3, 6/58 -, BVerfGE 8 S. 104 ff., 118 f; Besch!. v. 8.6.1960 - I BvR 580/53 -, BVerfGE 155

156

11 S. 192 ff., 199; Urt. v. 18.7.1967 - 2 BvF 3/62 u.a. -, BVerfGE 22 S. 180 ff., 210;

Pieroth, in: JarassfPieroth, GG, Art. 83 Rdnr. 6. Bull, in: AK-GG, Art. 83 Tz. 9, weist

allerdings zutreffend darauf hin, daß auch bei dieser ,,relativ Wlproblematisch erscheinenden" Zuständigkeitsbegründung Aufmerksamkeit geboten sei, da Z.B. in Art. 87b

104

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Unter den Zuständigkeiten für untergeordnete Nebenzwecke J 59 sind die Fälle zusammenzufassen, in denen eine rechtliche Regelung vollständig einer Kompetenzmaterie zugeordnet werden kann, obwohl Aspekte eines anderen Kompetenzbereichs berührt werden, die jedoch nur untergeordnete Bedeutung haben J60 • Die Auswirkungen auf die untergeordnete Kompetenzmaterie sind zwangsläufig, aber im wesentlichen unbeabsichtigt. Beispiele hierfiir sind die wasserhaushaltsrechtlichen Auswirkwlgen von Regelungen fiir die Schifffahrt l61 . Die Zuständigkeit zur Spezialregelung J62 meint die Konstellationen, in denen eine Frage nach den besonderen Gegebenheiten und Erfordernissen einer Kompetenzmaterie speziell geordnet wird, obwohl sie allgemein einer anderen Kompetenz unterfällt. Ein Beispiel für diese Fallgruppe ist die Verjährungsregelung von Pressedelikten, die dem Landesgesetzgeber kraft Sachzusammenhangs mit der Kompetenz zur Regelung des Presserechts zustehe 63 . Bei der Zuständigkeit zur Spezialregelung müßten die Maßstäbe für das Überwiegen eines Sachzusammenhangs, insbesondere die größere Sachnähe und der Gesichtspunkt des Schutzes der Landeskompetenzen in besonderem Maße geprüft werden. Eine ausschließliche Bundeskompetenz wie die fiir die Verteidigung könne zwar kraft Sachzusanunenhangs die Befugnis zur Spezialregelung in sonst den Ländern vorbehaltenen Bereichen wie dem Naturschutzund dem Wegerecht geben, allerdings nicht als ausschließliche, sondern lediglich als konkurrierende Kompetenz kraft Sachzusammenhangs. Zur Begründung sei eine Analogie zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG zu erwägen J64 . Diese Überlegungen zur Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sind indessen nur mit größter Vorsicht auf die Verwaltungszuständigkeit übertragbar, da in diesem Bereich das Instrunlent einer konkurrierenden Bundeszuständigkeit, die Abs. I Sätze 2 und 3 relativ nahe beieinander liegende Teilaufgaben der Bundeswehrverwaltung unterschiedlich behandelt würden. \S8 BVerfD, Beschl. v. 29.4.1958 - 2 BvO 3/56 -, BVerfDE 8 S. 143 Ir, 153. \59 Bullinger, AöR 96 (1971) S.237 Ir, 263 f; Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 83 Rdnr. 6; Wipfelder, DVBI. 1982 S. 477 ff., 481. \60 Hierzu gehört wohl auch die "punktuelle Annexregelung" zu einer zur Bundeszuständigkeit gehörenden materiellen Regelung, die rur den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes notwendig ist, vgl. BVerfD, Beschl. v. 9.12.1987 2 BvL 16/84 -, BVerfDE 77 S. 288 ff., 299. \6\ BVerfD, U. v. 10.7.1962 - 2 BvF 2/60, 1,2,3/61 -, BVerfDE 15 S. \ ff., 22. Vgl. auch BVerfD, Beschl. v. 22.11.\983 - 2 BvL 25/8\ -, BVerfDE 65 S. 283 ff., 289. \62 Bullinger, AöR 96 (\97\) S. 237 ff., 264 ff.; Wipfelder, DVBI. \982 S.477 ff., 481 f \63 BVerfG, Beschl. v. 4.6.1957 - 2 BvL 17/56 u.a. -, BVerfGE 7 S. 29 ff., 38 f \64 Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 265 f

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den Ländern einen ersten Zugriff sichert (vgl. Art. 72 Abs. I GG), nicht besteht. Eine vierte Fallgruppe schließlich bildet die übergreifende Bundeszuständigkeitl65 • Sie ergibt sich aus einer unter dem Gesichtspunkt des Sachzusanunenhangs korrigierend-extensiven Auslegung einer Kompetenz mit dem Ziel einer sinnvollen Gesamtordnung des Kompetenzgefüges. Küchenhoff betont, daß stillschweigende Zuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs durch die Anwendung von Auslegungsmitteln auf das geschriebene Verfassungsrecht, die über die rein philologisch-logische Interpretation aus Wortsinn und Begriffssinn hinausgehen, abzuleiten sindl66 . Diese Ableitung habe stets aus Zuständigkeitsnormen zu erfolgen l67 . Die Bundeszuständigkeiten kraft Sachzusarnmenhangs unterteilt er in drei Gruppen. Die Allseitigkeitszuständigkeit berechtige den Bundesgesetzgeber bei der Ausübung einer Zuständigkeit, das ihm anvertraute Zuständigkeitsthema so allseitig zu bearbeiten, wie es den Grundsätzen einer zweckmäßigen Gesetzgebung entspriche 68 . Das entspricht wohl der übergreifenden Bundeszuständigkeit in der Terminologie Bullingers. Die Überschneidungszuständigkeit folge daraus, daß die geschriebenen Zuständigkeiten nicht unter einem einheitlichen Einteilungsgesichtspunkt stünden. Sie sei zu definieren als eine Bundeszuständigkeit, die im Verhältnis zu einer dem einen Einteilungsgesichtspunkt folgenden Zuständigkeitsgruppe als ausdrückliche, im Verhältnis zu einer einem anderen Einteilungsgesichtspunkt folgenden Zuständigkeitsgruppe dagegen als ungeschriebene Zuständigkeit erscheinel69 . In der Tenninologie Bullingers dürfte das den Zuständigkeiten für untergeordnete Nebenzwecke sowie den Hilfszuständigkeiten entsprechen. Eine dritte Gruppe bildeten schließlich die Bundespjlegezuständigkeiten, die der Behauptung und Entwicklung des Staates selbst dienen, insbesondere die Bundesorganisationsgewaltl7o . Hierbei dürfte es sich um solche Sachgebiete handeln, die üblicherweise den Bundeszuständigkeiten kraft Natur der Sache zugeordnet werden. Achterberg unterscheidet - im Anschluß an Küchenhoff - Bundeszuständigkeiten kraft Sachzusanunenhangs von denen kraft Natur der Sache durch das 165 Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 f1"., 267. VgL etwa BVertG, Urt. v. 28.2.1961 (Fußn. 117), BVertGE 12 S. 205 11".,241 f. 166 167 168 169 170

Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 IT., 450. Küchenhoff, AöR 82 (1957) S. 413 IT., 462. Küchenhoff, DVBI. 1951 S. 585 fT., 587. Küchenhoff, DVBI. 1951 S. 585 fT., 587. Küchenhoff, DVBI. 1951 S. 585 fT., 587.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Rechtsgewinnungsmiuel. Die Ennittlung des Sachzusammenhangs erfordere die Auslegung der ausdrücklichen Kompetenznonnen des Grundgesetzes l71 . In der Sache entspricht das der Ennittlung eines überwiegenden Sachzusammenhangs, wie er von Bullinger aus der Rechtsprechung des BVerfG entwickelt wurde. Als Schranken einer derartigen Ableitung hält Achterberg die vom BVerfG verwendeten Kriterien für unzureichend172 . Statt der Fonnel von einer notwendigen oder unerläßlichen Voraussetzung für die Ausübung einer ausdrücklichen Bundeszuständigkeit entwickelt er die analoge Anwendung des Art. 72 Abs. 2 GG zur Begrenzung sowohl stillschweigender Gesetzgebungsais auch Verwaltungskompetenzen des Bundes 173 . Die Ennittlung einer Bundesverwaltungszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs muß nach den vorgestellten Begrtindungsansätzen zunächst feststellen, welche ausdrücklichen Zuständigkeitstitel des Bundes berührt sein können, um dann durch deren Auslegung unter Berücksichtigung der grundlegenden Wertung des Art. 83 GG zu untersuchen, ob ein überwiegender Sachzusammenhang mit der ausdrücklichen Bundeszuständigkeit besteht 174. Für die hier zu untersuchenden Bundeszuständigkeiten kommt in Betracht ein Sachzusammenhang mit -

der Zuständigkeit der Streitkräfte für die Verteidigung, Art. 87a Abs. I Satz 1, Abs. 2 GG,

-

der obligatorischen Bundeswehrverwaltung für das Personalwesen, Art. 8Th Abs. 1 Satz 2 Alt. I GG,

-

der obligatorischen Bundeswehrverwaltung für die Sachbedarfsdeckung, Art. 87b Abs. I Satz 2 Alt. 2 GG,

-

die fakultative Bundeswehrverwaltung für das Bauwesen, Art. 87b Abs. 1 Satz 3 GG,

-

die fakultative Bundeswehrverwaltung für die Ausführung von Verteidigungsgesetzen, Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG, sowie

-

die Dienst- und Fachaufsicht des BMVg als Bestandteil der Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte (Art. 65a GG).

Zu erwägen ist darüber hinaus ein Sachzusanunenhang mit der Pflege der auswärtigen Beziehungen, die nach Art. 32 Abs. I GG Sache des Bundes ist. Der Auslandsbezug ließe sich über die NA TO-Einbindung der Bundeswehr 171

172 173

174

Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 ff., 67. Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 tT., 89 f. Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 ff., 90 ff. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 tf., 238; Wipfelder, DVBI. 1982 S. 477 ff., 478.

§ 4 VerwaltlUlgszuständigkeiten des BlUldes

107

herstellen. Sämtliche NATO-Streitkräfte müßten gleich behandelt werden, was nur durch eine Bundeszuständigkeit sichergestellt werden könne. Eine Vereinheitlichung von Gerät und Verfahren im Rahmen der NATO zwingt jedoch nicht zu einem Vollzug allgemeiner Gesetze durch Bundesbehörden. Die Integration in der NATO betrifft die Streitkräfte, nicht aber die Bundeswehrverwaltung. Hier geht es jedoch darum, Zuständigkeiten der (zivilen) Bundeswehrverwaltung auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu untersuchen. Die NATO-Integration militärischer Einheiten kann ihnen keinen ausreichenden Sachzusammenhang mit Art. 32 Abs. 1 GG vermitteln. Die Streitkräfteaufgaben (Art. 87a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG) sind als Anknüpfungspunkt für einen Sachzusammenhang mit der Bundesverwaltung untauglich. Eine solche Begründung müßte die Einbindung der Aufgabenwahrnehmung in die militärische Organisation zur Folge haben. Das ist jedoch weder in den hier zu erörternden Vorschriften vorgesehen noch verfassungsrechtlich zulässig, da Art. 87a Abs. 2 GG nach seinem klaren Wortlaut stillschweigende Zuständigkeiten der Streitkräfte ausschließt. Die Zuweisung einer Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs zu den Streitkräften erscheint allerdings nicht zwingend. Der Sachzusammenhang mit einer Bundeszuständigkeit entscheidet für sich genommen nur die Verbandszuständigkeit175 . Ob der Sachzusammenhang auch die sachliche Zuständigkeit prägt, bedürfte einer näheren Betrachtung der entsprechenden Materie über die Herstellung des Sachzusammenhangs hinaus. Die Begründung eines Sachzusammenhangs mit den Streitkräften begegnet jedoch aus einem anderen Grund durchgreifenden Bedenken. Das Beschaffungswesen (im weitesten Sinne) steht in einem engen Sachzusammenhang mit den Streitkräften l76 . Hierunter könnten die hier interessierenden Zuständigkeiten subsumiert werden. Indes trifft das Grundgesetz für die Materien, die lnit den Streitkräften in einem engen Sachzusammenhang stehen, selbst eine Regelung über die Verbands- und die sachliche Zuständigkeit. Diese steht nach Art. 87b GG gerade nicht den Streitkräften, sondern der (zivilen) Bundeswehrverwaltung zu. Dem läßt sich entnehmen, daß die mit den Streitkräften zusammenhängenden Aufgaben, soweit sie nicht den militärischen Einsatz betreffen, durch die Zivilverwaltung wahrzunehmen sind. Wann ein solcher Zusammenhang mit den Streitkräften besteht, regelt Art. 8Th abschließend. Damit scheidet Art. 87a GG für die Herstellung eines Sachzusammenhangs zur Begründung von Bundesverwaltungszuständigkeiten aus.

Von Mangoldt/Klein/Pestalozza, GG, Art. 70 Rdnr. 9\. Von Mangoldt/Klein, GG, Art. 83 Arun. IV 4 c bb (S. 2111 f.); Stettner, Kompetenzlehre, S. 433. 175 176

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Die Herstellung eines Sachzusammenhangs mit der Bundeswehrverwaltung ist ebenfalls nicht frei von grundsätzlichen Bedenken. Art. 87b GG legt den Aufgabenbereich der BundeswehrverwaItung in zwei Richtungen fest: Sie ist zuständig rur die inneren Verwaltungsaufgaben der Streitkräfte, insbesondere im Zusammenhang mit Personalangelegenheiten, und fiir die unmittelbaren Rechtsbeziehungen der Streitkräfte zum Bürger. Bei den hier zu erörternden Zuständigkeiten geht es zwar um innere Verwaltungsaufgaben. Sie verbleiben aber nicht im Bereich der Bundeswehr, sondern greifen in andere Geschäftsbereiche über. Versteht man die Regelungen des Art. 87b GG als abschließend, so erscheint es fraglich, ob über die aufgezeigten Aufgabenkomplexe der BundeswehrverwaItung hinaus ein überwiegender Sachzusammenhang zu anderen VerwaItungsaufgaben bestehen kann 177 . Relativ unproblematisch erscheint dies nur rur die der Fachaufsicht verwandte Überwachungszuständigkeit. Die grundsätzlichen Bedenken sollen jedoch hier nicht vertieft werden. Ihnen kann nach einer Detailanalyse der Zuständigkeitsgruppen nachgegangen werden. Um den Blick auf die Zuständigkeitsgruppen nicht zu verstellen 178 , bilden diese Gruppen und nicht die nonnativen Ansatzpunkte der Begründung eines Sachzusammenhangs das Raster der weiteren Untersuchung. Die Gesamtvollzugszuständigkeiten werden in ihre vier Regelungsgehalte, die weitgehend bei den Einzelzuständigkeiten wiederzufinden sind, zerlegt. Die Zuständigkeiten nach § 78 BSeuchenG sind als Beispiel eines außerumweltrechtlichen Zuständigkeitsbündels gesondert zu untersuchen. Für die Zuständigkeiten zur Erteilung von "Kontrollerlaubnissen " besteht zwar ein Sachzusarnmenhang mit der obligatorischen Bundeswehrverwaltung rur die Sachbedarfsdeckung (Art. 87b Abs. I Satz 2 Alt. 2 GG). Man könnte diese Zuständigkeiten als Annex im Sinne der Verlängenmg in die Durchfiihnmg der Bedarfsdeckung ansehen, da den Streitkräften nicht mit der bloßen Bereitstellung von Anlagen, Geräten und Material gedient ist, sondern die von der Erlaubniserteilung abhängige Nutzbarkeit entscheidende Bedeutung hat. Es muß aber berücksichtigt werden, daß die Erlaubnisvorbehalte anderen Zwecken als der Sachbedarfsdeckung der Streitkräfte dienen 179, also keinen gegenüber der Sachbedarfsdeckung untergeordneten Zweck verfolgen. Zwar sind Erlaubnisvorbehalte sachgebietsneutral, d.h. sie können in jedem Sachgebiet als Annex zur eigentlichen Aufgabe angesehen werden. Eine Annexzuständigkeit leitet sich aber nur dann daraus ab, wenn der Erlaubnisvorbehalt der Vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 (Fußn. 3), Buchholz 11 Art. 30 Nr. 5 S. 4. Vgl. dagegen die undifferenzierte Behauptung einer umfassenden Kompetenz kraft Sachzusammenhangs mit der Eisenbahnhoheit, die andere Zuständigkeiten so weit verdränge, wie dies zur sachgemäßen Wahrnehmung der eisenbahnhoheitlichen Aufgaben notwendig sei, bei Kilian/Hesse, Die Verwaltung 27 (1994) S. 175 fT., 185 f. 179 Vgl. oben § 4 D I 3. 177 178

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des BWldes

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Realisierung der sachgebietsspezifischen Zwecke dient. Das ist im Verhältnis von rnnweltrechtlichen Erlaubnisvorbehalten und der Sachbedarfsdeckung der Streitkräfte gerade nicht der Fall. Die hier zu erörternden Erlaubnisvorbehalte enthalten keine gegenüber der Sachbedarfsdeckung unselbständige Aufgabe. Ein zugunsten der Bundeswehrverwaltung überwiegender Sachzusammenhang besteht also nicht. Gleiches gilt für einen Sachzusammenhang mit der fakultativen Bundeswehrverwaltung im Bereich des Bauwesens (Art. 87b Abs. I Satz 3 GG). Auch soweit sie die Durchführung von Barnnaßnahmen erfassen, besteht für die Erlaubniserteilung kein überwiegender Sachzusammenhang mit der Bundeswehrverwaltung. Zu erwägen ist weiter ein Sachzusammenhang mit der fakultativen Bundeswehrverwaltung zur Ausführung von Verteidigungsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG)180. Verteidigungsgesetze im Sinne dieser Vorschrift sind materielle Regelungen, die in Voraussetzungen und Rechtsfolgen auf die speziellen Aufgaben der Streitkräfte zugesclmitten und nicht an die Allgemeinheit gerichtet sind l81 . Ein derartiger Sachzusammenhang ließe sich mit folgenden Erwägungen herstellen. Die materiellen Verteidigungsgesetze können bei entsprechender gesetzlicher Anordnung durch die Behörden der Bundeswehrverwaltung vollzogen werden. Diese Bestimmungen greifen überwiegend in das Verfahren zur Erteilung einer Kontrollerlaubnis über, indem sie die üblichen Anforderungen herabsetzen oder eine entsprechende Ausnallmeerteilung ermöglichen. Um sicherzustellen, daß die Erlaubnis für eine für Zwecke der Verteidigung notwendige Anlage nicht verweigert wird, ist der Bundeswehrverwaltung, deren Spitze (BMVg) die Zulassung von Ausnahmen regelmäßig obliegt, auch die Entscheidung über die Erteilung der Kontrollerlaubnisse zu übertragen. Die unmittelbare Kommunikation mit der vorgesetzen Behörde kann sicherstellen, daß die erforderlichen Ausnalmlezulassungen eingeholt werden. Diese Argumentation folgt in etwa der sog. Zuständigkeit zur Spezialregelung l82 . Ein Sachzusammenhang allein kann aber eine Bundeszuständigkeit noch nicht begründen, vielmehr muß er die Länderkompetenzen überwiegen. Auch die Schranken der Zuständigkeitsbegründung kraft Sachzusammenhangs Unerläßlichkeit oder entsprechende Anwendung des Art. 72 Abs. 2 GG bedürfen einer weiteren Erörterung. 180 So Lerche, FS Dürig, S. 401 IT., 410, zur Rechtfertigung des § 59 BirnSchG, mit der Bezeichnung als Annexkompetenz. 181 Vgl. oben § 4 D I 7. 182 In dieser Richtung auch die Begründwlg des RegE zu § 59 BInlSchG, BTDrucks. 71179, S. 47.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Eine größere Sachnähe zur Bundesverwaltung kann nicht mit Geheimhaltungserfordernissen begründet werden. Zwar kann beim Vollzug durch die BundeswehlVerwaltung ein Streit über den Umfang der Geheimhaltung vermieden werden, doch spielen diese Belange für die Begründung von Bundeszuständigkeiten eine eher untergeordnete Rolle 183 . Diesen Bundesbelangen kann bei der Erteilung von Kontrollerlaubnissen durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung, den Regelungen über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angenähert, Rechnung getragen werden l84 . Gleiches gilt für den spezifischen Sachverstand der Bundeswehtverwaltung über Aufgaben, Konstruktion und Wirkungsweise von für die Streitkräfte speziell entwickelten Anlagen oder Verfahren, den die Länderbehörden durch Einholung von Sachverständigengutachten beiziehen können, ohne daß es einer Zuständigkeitsverlagerung bedarf. Auch insofern bestehen keine Besonderheiten gegenüber den Anforderungen an den fachspezifischen Sachverstand bei industriellen Anlagen. Allein Kostengründe und Zweckmäßigkeitserwägungen, die für einen Verzicht auf sachverständige Begutachtung und für die Begründung einer Bundeszuständigkeit sprechen mögen, können die Länderinteressen an einer Kompetenzwahrung nicht verdrängen l85 . Für eine größere Saclmähe spricht auch nicht die Frage der sog. "fonnellen Polizei pflicht" des Bundes, da es den Länderbehörden nicht grundsätzlich verwehrt ist, eine von einer Bundesbehörde beantragte Kontrollerlaubnis zu versagen l86 . Schließlich vennag der Umstand, daß die Kontrollerlaubnisse im Bereich der Bundeswehr quantitativ nicht ins Gewicht fallen dürften, ebenfalls den Schutz der Länderkompetenzen nicht zu verdrängen. Denn derartige Zuständigkeiten sind prinzipiell geeignet, Begehrlichkeiten anderer Teile der Bundesverwaltung zu wecken, wenn eine EinbruchsteIle in die Länderkompetenzen besteht. So könnte der Bundesgrenzschutz auf partiell ähnliche AufgabensteIlungen und eine partiell ähnliche Art der Aufgabenerfüllung verweisen, um entsprechende eigene Zuständigkeiten zu reklamieren. Die Zuständigkeiten zur Erteilung von Kontrollerlaubnissen läßt sich danach nicht auf eine Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs mit der Ausführung von Verteidigungsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG) stützen. Mit der Aufsicht des BMVg über die Streitkräfte besteht für die Zuständigkeiten zur Erteilung von Kontrollerlaubnissen kein Sachzusammenhang. Zwar betrim die Fachaufsicht die rechtmäßige Erledigung der Verwaltungsaufgaben l87 , hier der Verteidigungsaufgabe. Die Aufsicht ist jedoch, soweit nicht 183

Vgl. oben § 4 C.

Vgl. die Regelung des § 2 Abs. 2 der 14. BImSchV. Zum Ausnahmecharakter der Sondemonnen sehr eindringlich Kuhnert, BWV 1996 S. 25 fT., 27. 186 Dazu ausfllhrlich unten § 6 A. 184 185

187

Maurer, Allgemeines VerwaItwlgsrecht, § 22 Rdnr. 32 (S. 532).

§ 4 VerwaltlUlgszuständigkeiten des BlUldes

III

besondere gesetzliche Vorschriften etwas anderes bestimmen l88 , lediglich eine nachträgliche und umfaßt nicht eine Eröffnungskontrolle, wie sie bei der Erteilung von Kontrollerlaubnissen vorgenommen wird. Die (Bundes-)Zuständigkeiten zur Erteilung von Kontrollerlaubnissen lassen sich damit nicht mittels einer Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs rechtfertigen. Die Zuständigkeiten zur Überwachung, sei es als Teil einer Gesamtvollzugszuständigkeit oder als Einzelzuständigkeit, könnten in einem Sachzusammenbang mit der Instandsetzung als Teil der Sachbedarfsdeckung (Art. 87b Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GG) stehen. Es wäre eine Annexzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs zu denken, wenn die Überwachung - auch - dazu diente, Instandsetzungsbedarfzu ermitteln, mithin also eine Verlängerung in die Vorbereitung in Betracht käme. Hiergegen spricht jedoch, daß die Überwachungszuständigkeiten als eigenständigen Zweck die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen verfolgen. Ob daraus ein Instandsetzungsbedarf resultiert, ist irrelevant. In Betracht kommt ein Sachzusammenhang mit der Fachaufsicht des BMVg über die Streitkräfte in Gestalt der Befehls- und Kommandogewalt (Art. 65a GG). Während die ("förmliche") Überwachung die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen durch externe Stellen überprüfen und sicherstellen soll, verfolgt die Fachaufsicht das gleiche Ziel durch Maßnahmen interner (übergeordneter) Stellen. Eine solche Bundeszuständigkeit ist geeignet, eine doppelte Überwachung zu vermeiden und deren Durchfiihrung den Stellen zu übertragen, die für die Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen, denen Verteidigungsanlagen genügen müssen, in besonderem Maße sachkundig sind. Eine sachverständige Begutachtung kann dem, im Gegensatz zur Beurteilung von Anlagen oder Verfahren in einem Genehmigungsverfahren, nicht genügen. Einschlägiger Topos wäre hier eine übergreifende Bundeszuständigkeit. Indessen begegnet eine derartige Ableitung einigen durchgreifenden Bedenken. Eine Aufsichtsbefugnis der Bundeswehrverwaltung gegenüber den Streitkräften läßt sich aus Art. 65a GG nicht begründen. Diese Säulen des Verteidigungsressorts stehen vielmehr selbständig nebeneinander, wobei die Bundeswehrverwaltung der Entlastung der Streitkräfte von Verwaltungsaufgaben dient, also Hilfsfunktionen übernimmtl89 . Außerdem verbietet Art. 65a GG dem BMVg die Delegation der Befehls- und Kommandogewalt l90 , während die Überwachungszu188 Vgl. etwa die Vorschriften über die GenehmigungsbedÜfftigkeit kommunaler Satzungen. 189 Vgl. RehifriedlSteinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S. 51 fT.,64.

190 Hemekamp, in: von MünchIKlUlig, GGK 2, Art. 65a Rdnr. 25; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 65a Rdnr. I; Quaritsch, VVDStRL 26 S. 207 fT., 241.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

ständigkeiten jeweils unteren Behörden der Bundeswehrverwaltung zugeordnet sind oder zwnindest eine solche Zuordnung erlauben. Allerdings kommt ein Sachzusammenhang der Überwachungszuständigkeit mit der fakultativen Bundeswehrverwaltwlg zur Ausfiihrwlg von Verteidigwlgsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG) in Betracht. Ähnlich der Ausfiihrung von Verteidigwlgsgesetzen verlangt die Überwachung als Rechtmäßigkeitskontrolle die Berucksichtigwlg verteidigWlgsspezifischer Belange und Anforderungen. Denn Anlagen und Verfahren der Streitkräfte entsprechen nicht in jedem Fall den zivilen Standards, sondern sind an die Besonderheiten der Landesverteidigwlg angepaßt, teilweise sogar eigens fiir einen solchen Einsatz konzipiert. Der besondere Sachverstand von Streitkräften und Bundeswehrverwaltung wird bereits fiir die Rechtmäßigkeitskontrolle im Rahmen der allgemeinen Fachaufsicht genutzt. Bei der Überwachung sind die regulär zuständigen Landesbehörden zumindest teilweise auf diesen Sachverstand angewiesen. Eine doppelte BeaufsichtigWIg mit u.U. gegensätzlichen Ergebnissen kann vermieden werden. Für eine besondere Sachnähe der Überwachungszuständigkeit zur Ausfiihrung von VerteidigWIgsgesetzen spricht weiter, daß die hier interessierenden Zuständigkeiten zumindest auch der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen l91 . Das BVerfG geht regelmäßig davon aus, daß die Ordnungsgewalt nicht auf einem selbständigen grundgesetzlichen Kompetenztitel berul1t, sondern einen Annex zu dem Sachgebiet, in dem sie ausgeübt wird, darstelltl92.193. Diese Sachnähe kann eine Bundeszuständigkeit zur Spezialregelung allerdings nur begründen, wenn sie die regulären Länderkompetenzen überwiegt. Geheimhaltungsgründe sprechen nicht fiir ein solches Überwiegen l94 , da die Länderbehörden durch den Einsatz entsprechend geheimhaltWlgsverpflichteten Personals diesen Interessen in ausreichendem Maße genügen können. Auch die Frage der sog. "formellen Polizeipflicht" des Bundes spricht nicht gegen Länderzuständigkeiten, da es den Länderbehörden ohne weiteres möglich ist, die erforderlichen Duldungs- und ggf. auch Handlungsverpflichtungen 195 gegen191 Marlens, in: Drews/Wacke/VogelfMartens, Gefahrenabwehr, S. 159 f.; Ule, in: UlefLaubinger, BImSchG, Ein!. Rdnr. 10. 192 BVerfG, Besch!. v. 29.4.1958 (Fußn. 158), BVerfGE 8 S. 143 fT., 149. 193 Für § 59 BImSchG - allerdings auf die Gesamtvollzugszuständigkeit bezogen, die erforderlichen Differenzienmgen der Zuständigkeitsgruppen einebnend - wohl ebenso Bentmann, Immissionsschutzrecht wld militärische Anlagen, S. 66; Jarass, BImSchG, Einl. Rdnr. 43, § 59 Rdnr. 2. 194 Anders wohl Laubinger, in: UlefLaubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. B 11. 195 Z.B. §§ 26, 28 BImSchG i.Y.m. § 59 BImSchG und § I Abs. I der 14. BImSchV.

§ 4 Verwalttmgszuständigkeiten des Btmdes

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über dem Bund zu verfügen l96 . Jedoch ist es ihnen nicht ohne weiteres möglich, den erforderlichen verteidigungsspezifischen Sachverstand zu erwerben. Effizienzgesichtspunkte sprechen also eher für eine überwiegende Sachnähe zur Bundeswehrverwaltung. Hinzu kommt, daß durch die ohnehin erforderliche Fachaufsicht die Einhaltung der materiellen Anforderungen sichergestellt werden kann, so daß die "förmliche" Überwachung keine darüber hinausgehenden Ergebnisse erwarten läßt. Soweit Umfang und Häufigkeit der Überwachung in das Ermessen der Überwachungsbehörde gestellt sind, kann die parallele Fachaufsicht dazu führen, daß die Landesbehörde keinen Überwachungsbedarf mehr sieht und deshalb die Vorschriften über die förmliche Überwachung vollständig leerlaufen. Wegen der bundesweit erforderlichen Vereinheitlichung und Standardisierung der Anlagen, Einrichtungen und Verfahren der Streitkräfte wird man darüber hinaus besondere Anforderungen an die Einheitlichkeit der Überwachung stellen dürfen. Ob dies durch die Länderbehörden gewährleistet werden kann, erscheint zweifelhaft. Den Länderinteressen an einer flächendekkenden Überwachung der jeweiligen Materie trägt der Sachzusammenhang mit der fakultativen Bundeswehrverwaltung dadurch Rechnung, daß die Zuständigkeitsübertragung auf den Bund von der Zustimmung des Bundesrates abhängt und hierüber für jedes Sachgebiet erneut entschieden werden muß 197 . Der Sachzusammenhang der Überwachung mit der Ausführung von Verteidigungsgesetzen überwiegt in einem solchen Umfang die Länderinteressen, daß die Bundeszuständigkeit unerläßliche Voraussetzung für die Durchführung der Überwachung ist. Sofern man die Schranken der Bundesverwaltungszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs durch eine entsprechende Anwendung des Art. 72 Abs. 2 GG ermittelt, gebieten bundeseinheitliche Überwachungsintensität und der Ermessensspielraum der Überwachungsbehörden mit hinreichender Deutlichkeit eine bundesbehördliche Ausführung entsprechend Art. 72 Abs.2 Alt. 2 GG. Diese Erwägungen begründen aber auch, daß die Bundeszuständigkeit unerläßliche Voraussetzung für den vollständigen Vollzug der Überwachungsvorschriften ist, da die Überwachung der Streitkräfte bundeseinheitlich nach gleichen Ermessenskriterien zu erfolgen hat und nicht gegen die allgemeine Fachaufsicht "aufgerechnet" werden darf. Die (Bundes-)Überwachungszuständigkeiten finden ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung in einer Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs mit der Ausführung von Verteidigungsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG). In einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Überwachungszuständigkeiten steht die Zuständigkeit für Überwachungskonsequenzen. Auf deren verfassungsrechtliche Beurteilung sind die Überlegungen zur Überwachungszu196 197

Dazu ausführlich unten § 6 A. Lerche, FS Dürig, S. 401 ff., 409 f.

8 Rcpkcwilz

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

ständigkeit allerdings nicht übertragbar. Die Überwachungskonsequenzen bilden keinen Annex zur Überwachung (im Sinne einer Verlängerung in die Durchführung). Denn die Überwachung ist abgeschlossen, bevor die zuständige Behörde über Konsequenzen aus den Überwachungsergebnissen entscheiden kann. Diese Entscheidungen haben eine ähnliche Funktion wie die Eröffnungskontrolle durch Erlaubnisse und Genehrnigungen l98 . Entweder konkretisieren sie deren Regelung, wo der Vorhabenträger die Genehmigung nicht einhält, oder sie "ersetzen" die Eröffnungskontrolle durch nachträgliche Möglichkeiten zur Durchsetzung der materiellen Anforderungen. Verteidigungsspezifischer Sachverstand kann den Landesbehörden durch Sachverständigengutachten vermittelt werden. Die Bundeszuständigkeit für Überwachungskonsequenzen läßt sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, die Ordnungsgewalt stelle einen Annex zu dem Sachgebiet dar, in dem sie ausgübt wird. Denn dieses Sachgebiet ist nicht die Verteidigung, sondern z.B. das Immissionsschutz-, Atom- oder Gewerberecht. Gegen eine Bundeszuständigkeit für die Überwachungskonsequenzen sprechen schließlich Rechtsschutzüberlegungen. Denn bei lediglich innerdienstlichen Anweisungen zur Einhaltung materieller Anforderungen an eine nachgeordnete Stelle sind einem betroffenen Bürger keine Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet. Die Zuständigkeiten für Überwachungskonsequenzen sind daher verfassungswidrig. Die Zuständigkeit zur Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien stellt einen Annex zu den Aufgaben dar, die ihnen übertragen werden. Denn die Bestellung ist eine "Vorbereitungshandlung" zur Wahrnehmung der materiellen Aufgabe. Führen die Sachverständigen Überwachungsmaßnahmen durch l99 , folgt die Bestellungszuständigkeit als Annex der Überwachungszuständigkeit. Diese Bundeszuständigkeiten sind danach kraft Sachzusammenhangs mit der Ausführung von Verteidigungsgesetzes verfassungskonform. Soweit ein Beratungsgremiwn, wie die nach § 15 Abs. 3 Satz 2 TierschutzG2°O zu bestellende Kommission, bei der Erteilung von Kontrollerlaubnissen mitwirken soll, folgt die verfassungsrechtliche Beurteilung den Regeln dieser 198 Besonders deutlich wird das bei der abschließend bestimmten nachträglichen Anordnung nach § 17 Abs. 4 BhnSchG. 199 So z.B. nach § 6 Abs. 2 GGVS, § 24 Abs. 2 DampfkV, § 31 Abs. 5 Nr. 2 DruckbehV, § 15 Abs.3 EIexV, § 18 Abs.4 AcetV, § 16 Abs. 1 Nr.5 VbF, § 18 Abs. 2 AufzV, § 15 Abs. 5 SchankV. 200 Wortlaut der Norm oben § 2 Fußn. 220.

§ 4 Verwa1tWlgszuständigkeiten des BWldes

115

Zuständigkeitsgruppe. Das fiihrt zur partiellen Verfassungswidrigkeit des § 15 Abs. 3 Satz 2 TierschutzG, weil der Bundeswehrverwaltung die Zuständigkeit fiir die Erteilung derartiger Erlaubnisse nicht übertragen werden darf. Die Zuständigkeiten zur Stellung weitergehender Anforderungen und zur Zulassung allgemeiner Ausnahmen erfassen Maßnahmen, die mit den Überwachungskonsequenzen und der Entscheidung über Kontrollerlaubnisse vergleichbar sind. Der Zusammenhang dieser Regelungen mit der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung besteht lediglich darin, daß Anlagen oder Vorgänge im Geschäftsbereich des BMVg erfaßt werden. Die Maßnahmen haben keinen verteidigungsspezifischen Inhalt. Allein aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen läßt sich ein Sachzusammenhang mit der Bundeswehrverwaltung jedoch nicht herleiten. Diese Regelungen sind daher verfassungswidrig. Die Zuständigkeiten zur Fahrwegbestimmung nach § 7 Abs. 3, § 6 Abs. 2 GGVS 201 und zur Erteilung der Bescheinigung nach § 7 Abs. 5, § 6 Abs. 2 GGVS weisen Parallelen zur Zuständigkeit fiir die Erteilung von Kontrollerlaubnissen auf. Es geht in beiden Fällen um die Sicherstellung der Einhaltung materieller Vorschriften durch eine (vorbeugende) Eröffnungskontrolle. Erst wenn die genannten Verwaltungsentscheidungen vorliegen, darf der Gefahrguttransport auf der Straße durchgefiihrt werden (§ 7 Abs. 3 Satz 4, Abs. 7 Satz 1). Gleiches gilt fiir die weiteren Zuständigkeiten als zuständige Behörde fiir Typzulassungen, Genehmigungen und sonstige Zulassungen nach § 6 Abs. 2 GGVS. Eine Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhang kann fiir sie nicht begründet werden. Die Bestimmung des § 6 Abs. 2 GGVS ist daher verfassungswidrig, soweit sie sich auf Kontrollerlaubnisse bezieht. Die Zuständigkeiten nach § 78 Abs. J BSeuchenG202 bedürfen einer differenzierten Betrachtung, denn die in den Nrn. 1-6 aufgelisteten Fälle unterscheiden sich erheblich voneinander. Nach Abs. 1 Nr. 6 sind die zuständigen Stellen der Bundeswehr zuständig fiir die Erteilung der Erlaubnis fiir Verkehr und Arbeiten mit Krankheitserregern. Hierbei handelt es sich um die Zuständigkeit zur Erteilung einer Kontrollerlaubnis, die aus den genannten Gründen dem Bund nicht übertragen werden kann. § 78 Abs. 1 Nr. 6 BSeuchenG ist daher verfassungswidrig. Das gilt auch fiir die Zuständigkeit zur Gesundheitsuntersuchung beim Umgang mit Lebensmitteln (§ 78 Abs. 1 Nr. 4 BSeuchenG). Zwar wird keine "Erlaubnis" zum Umgang in Form einer eigenen behördlichen Entscheidung erteilt, jedoch ist diese Untersuchung Voraussetzung fiir die Aufnahme der in

8*

201

Wortlaut des § 6 Abs. 2 GGVS oben § 2 Fußn. 103.

202

Wortlaut oben § 2 Fußn. 215.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

§ 17 Abs. 1 genannten Tätigkeiten. Allein der Umstand, daß bei der Zuständigkeit einer Landesbehörde entsprechende Untersuchungen doppelt durchgeführt werden müßten, sofern diese auch im Rahmen der üblichen Untersuchungen bei der Bundeswehr durchgeführt werden, vermag keinen überwiegenden Sachzusammenhang mit Bundeszuständigkeiten zu begründen. Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte reichen dafiir nicht aus.

Soweit sich die Zuständigkeiten auf Grundstücke, Einrichtungen sowie Ausrüstungs- und Gebrauchsgegenstände der Bundeswehr beziehen (Abs. 1 Nr. 5), handelt es sich um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben. Für diese besteht eine Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs mit der Ausführung von Verteidigungsgesetzen. Dabei handelt es sich jedoch um eine funktionelle Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung, während § 78 Abs. 1 Nr. 5 BSeuchenG die Wahrnehmung dieser Aufgaben den zuständigen Stellen der Bundeswehr, d.h. der militärischen Organisation, überträgt. Ob dies zulässig ist, erscheint allerdings fraglich. Denn Art. 87a Abs. 2 GG schließt die Begründung von stillschweigenden Zuständigkeiten des Militärs aus. Dieser Ausschluß erfaßt jedoch nur Einsätze203 • Was darunter zu verstehen ist, ist umstritten204 , kann aber hier dahinstehen. Die Wahrnehmung von Aufgaben nach dem BSeuchenG in Bezug auf Bundeswehrgegenstände ist jedenfalls kein solcher Einsatz. Die entsprechende Zuständigkeit kann damit ebenfalls durch eine stillschweigende Bundeszuständigkeit gerechtfertigt werden. Hier kommt eine Zuständigkeit zur Spezialregelung in Betracht, begründet durch einen Sachzusammenhang mit der Fachaufsicht nach Art. 65a GG. Der militärärztliche Dienst, dessen Zuständigkeit § 78 Abs. 1 BSeuchenG begründet, ist in besonderem Maß mit den speziellen Anforderungen an die Gegenstände der Bundeswehr vertraut und verfügt durch die eigene Ausbildung über ausreichende Kenntnisse zur Beurteilung der spezifischen Gefahren für diese Gegenstände. Über derartiges Spezialwissen verfügen die Gesundheitsbehörden der Länder nicht, sie können sich dieses oftmals nicht in der gebotenen Eile beschaffen. Darüber hinaus obliegt der Bundeswehr neben der seuchenpolizeilichen Aufsicht eine gesundheitliche Fürsorgepflicheo5 für ihre Soldaten und Zivilbediensteten, die daneben die Beaufsichtigung der Grundstücke und des Geräts umfaßt, soweit von ihnen Gesundheitsgefahren ausgehen können. Ein Nebeneinander von Seuchenpolizei und Fachaufsicht kann durch eine einheitliche Zuständigkeit vermieden werden. Die Länderbelange werden durch umfangreiche 203 Von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 58; Hemekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 87a Rdnr. 13; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87a Rdnr. 14; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 87a Rdnr. 3. 204 Vgl. z.B. von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 59 fr.; Klein, ZaöRV 34 (1974) S. 429 Ir, 434 Ir., jeweils m. w. N. 205 Vgl. §§ 30,31 des Soldatengesetzes.

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des BWldes

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Abstimmungs- und Informationspflichten zwischen militärischen Dienststellen und den Gesundheitsämtern (§ 78 Abs. 2 bis 5) geschützt. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, daß übertragbare Krankheiten nicht an Kasernengrenzen haltmachen. Im Fall des § 78 Abs. 1 Nr. 5 wird man daher eine Bundes(wehr)zuständigkeit kraft Sachzusanunenhangs mit der Fachaufsicht anerkennen können. Diese Erwägungen tragen auch die Bundeswehrzuständigkeiten nach § 78 Abs. 1 Nm. 1-3 BSeuchenG. Insoweit wird man ebenfalls einen überwiegenden Sachzusammenhang mit der Fürsorgepflicht des Bundes als Dienstherr und Arbeitgeber und mit der Fachaufsicht anzuerkennen haben, zumal nach § 78 Abs. 2 und 3 ein enges Zusanunenwirken mit den zuständigen Landesbehörden sichergestellt ist. 9. Ergebnisse Die Gesamtvollzugszuständigkeit nach § 30 Abs. 1 LuftVG entspricht der Anordnung bundeseigener Verwaltung in Art. 87d Abs. 1 Satz 1 GG. Die Zuständigkeiten rur Verfahrensentscheidungen, die Gesamtvollzugszuständigkeit nach dem SchBerG sowie die Einzelvollzugszuständigkeiten zur Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen, zur Letztentscheidung, zum Erlaß der Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG und die Bestinunung von Bundesbehörden als Anforderungsbehörden wurden aufgrund des Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG begründet. Die verbleibenden Gesarntvollzugszuständigkeiten sind nur bei verfassungskonformer einschränkender Auslegung verfassungsgemäß. Soweit sie die Zuständigkeit zur Erteilung von Kontrollerlaubnissen umfassen, finden sie im Grundgesetz keine Rechtfertigung und sind verfassungswidrii 06. 207. Auch die Zuständigkeit fiir Überwachungskonsequenzen - als Teil der Gesamtvollzugszuständigkeit oder als Einzelvollzugszuständigkeit - findet keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Überwachungszuständigkeiten des Bundes sind dagegen sowohl als Einzelvollzugszuständigkeiten wie als Teilaspekt der Gesamtvollzugszuständigkeiten kraft Sachzusammenhangs mit der Ausfiihrung von Verteidigungsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG) verfassungsgemäß.

206

Siehe die detaillierte Aufstellung Wlten im Fünften Teil, These 20.

Deshalb sollte die BReg. von der im BMVg erwogenen ÜbertragWlg der Genehmigungszuständigkeiten nach dem BWldes-Immissionsschutzgesetz auf den Geschäftsbereich des BMVg (vgl. Schröders, BWV 1997 S. 204 tr., 221 ff., 225) Abstand nehmen. 207

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Für die Zuständigkeit zur Bestellung von Sachverständigen und Beratungsgremien ist nach deren Aufgaben zu differenzieren. Nur soweit ihnen Überwachungsaufgaben übertragen sind, ist eine derartige Bestellungszuständigkeit verfassungsgemäß. Die Zuständigkeiten der Bundeswehr nach § 78 Abs. 1 Nm. 1-3, 5 BSeuchenG finden ihre Rechtfertigung in ihrem Sachzusammenhang mit der Fürsorge und der Fachaufsicht des Bundes über seine Bediensteten und seine Grundstücke und Geräte. Für die Zuständigkeiten nach § 78 Abs. 1 Nm. 4, 6 BSeuchenG besteht kein derartiger Sachzusammenhang; diese Vorschriften sind mithin verfassungswidrig.

11. Ausführung von Landesrecht durch den Bund Die dargestellten Bundesverwaltungskompetenzen im Bereich der Bundeswehr greifen teilweise über das Bundesrecht hinaus. Für Teilbereiche des Umweltrechts hat der Bund nur eine Rahmengesetzgebungskompetenz, die durch das Landesrecht ausgefiillt wird, so im Wasser-, Landesplanungs-, Naturschutz- und Forstrecht. Das Bauordnungsrecht als Materie des integrierten Umweltschutzes unterliegt in vollem Umfang landesgesetzlicher Regelung. Auch in diesen Bereichen ist der BMVg tätig und teilweise zuständig. Behördliche Aufgaben bestehen insbesondere fiir -

die Abweichungsentscheidungen nach § 9 BNatSchG und § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG,

-

die Zulassung von Abweichungen oder Ausnahmen von landesrechtlichen Anforderungen (z.B. nach § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB),

-

die Inanspruchnahme landesgesetzlicher Privilegierungen nach den SmogVerordnungen und den Vorschriften über das bauordnungsrechtliche Kenntnisgabeverfahren,

-

brandschutzrechtliche Aufgaben und

-

die Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG, soweit in dem Verfahren landesbehördliche Aufgaben abschließend behandelt werden.

Problematisch sind diese Zuständigkeiten dann, wenn sie dazu führen, daß der Bund landesrechtliche Normen zu vollziehen hat. Daß Landesgesetze von ihm grundsätzlich zu beachten sind, ist allgemein anerkannro8 . Für den Vollzug

208

Siehe unten § 5 B 11.

§ 4 Verwaltlmgszuständigkeiten des BWldes

119

von Landesrecht gilt das Gegenteil: nach ganz überwiegender Auffassung ist es unzulässig, daß Bundesbehörden Landesrecht vollziehen209 . 1. Unterscheidung zwischen Vollzug und Beachtung Die Zuständigkeiten des BMVg, die den Vollzug und nicht nur die Beachtung von Landesrecht zum Gegenstand haben, sind dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt. Es ist daher zwischen der (unproblematischen) Beachtung von Rechtsnormen und dem Vollzug (bzw. der Ausfiihruni lO) zu unterscheiden211 • Einige Stimmen im Schrifttum plädieren dafiir, die Beachtung negativ zu definieren: Eine Rechtsnorm wird beachtet, wenn sie nicht des Vollzugs bedarf l2 • Vollzug sei die Umsetzung normativer Anforderungen in eine Verwaltungsentscheidung durch einen mit dieser Aufgabe betrauten Träger öffentlicher Gewalt2l3 , d.h. die Ermittlung und verbindliche Feststellung, welche Gebote, Verbote und Beschränkungen einer Norm zu beachten sind214 • Vollzug sei notwendig, wenn das Gesetz inhaltlich hinreichend programmierte Verwaltungsaufgaben schaffe und nicht lediglich Verhaltensregeln aufstelle, die keines gesetzlich gesteuerten Vollzugsaktes bedürften2l5 . Diese Definitionen geben keine zuverlässige Auskunft darüber, welche Normen vollzogen werden, ob z.B. bei einer Genehmigungsentscheidung lediglich die Norm, die die Genehmigungspflicht statuiert, vollzogen wird, und was mit den Normen geschieht, die die materiellen Kriterien der Entscheidung festlegen. Das hat seinen Grund darin, daß die Definitionen von der jeweiligen Norm ausgehen. Vollzug und Beachtung sind jedoch keine normstrukturellen Elemente. Diese Begriffe erfassen vielmehr unterschiedliche Reaktionen der

209

Siehe unten § 4 D II 2.

210

Diese Begriffe werden üblicherweise synonym verwendet.

211 Vgl. BVerfG, Urt. v. 26.3.1957 - 2 BvG l/55 -, BVerfGE 6 S. 309 ff., 329; Urt. v. 11.4.1967 - 2 BvG l/62 -, BVerfGE 21 S. 312 ff., 327. Siehe dazu auch unten im Text bei § 6 Fußn. 29. 212 Vgl. Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 57; von Mangoldt/Klein, GG, Vorbem. vor Art. 83 Anm. II 5 d (S. 2073). 213 Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende PlanWlg, S. 115; Kirschenmann, JuS 1977 S.565 ff., 566; von Mangoldt/Klein, GG, Vorbem. vor Art. 83 Anm. 11 5 c (S. 2072); Wöhrle, Ausführung von Landesgesetzen durch den BWld, S. 12. 214 Salzwedel, FS Partsch, S. 581 ff., 581. 215

Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rdnr. 21.

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Dritter Teil: Das Umwe1tsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Nonnadressaten. Ausschlaggebend muß daher die dieser Reaktion zugrundeliegende Entscheidungsstruktur sein216 • Der Normadressat beachtet eine Norm, wenn er sein Verhalten an dem Gesetzesbefehl orientiert. Er entscheidet notwendig über eigenes Verhalten. Er vergleicht das von ihm beabsichtigte Verhalten oder das von ihm angestrebte Ziel mit den normativen Vorgaben und, das ist der wesentliche Unterschied zum Vollzug, er wählt aus den rechtlich zulässigen Alternativen die ihm genehme Verhaltensweise aus. Seine Verhaltensmöglichkeiten werden durch die zu beachtenden Normen eingeschränkt2l7 . Nur der Adressat einer Norm kann sie beachten. Vollzug ist dagegen die verbindliche Konkretisierung einer abstrakt-generellen Nonn für einen konkreten Lebenssachverhalt durch eine Verwaltungsentscheidung. Der Vollzugsakt legt den konkreten Inhalt der Norm fest. Er kann nur einem Träger öffentlicher Gewalt übertragen werden. Die Vollzugsaufgabe eröffnet dem Träger öffentlicher Gewalt eine Handlungsmöglichkeit, sie ist für sein Handeln konstitutiv 218 • Der Vollzug setzt zum einen die Begründung der Verwaltungsaufgabe und zum anderen die zu konkretisierenden materiellen Nonnen voraus219 • Der Normadressat ist in den meisten Fällen, aber - wie der Normvollzug z.B. der Bauaufsichtsbehörde gegenüber dem Land als Bauherm zeigt - nicht notwendig von der zum Vollzug berufenen Person verschieden. Beim Vollzug prüft die Behörde und stellt durch geeignete Norrnkonkretisierung sicher, daß ein konkreter Lebenssachverhalt dem Normbefehl entspricht, d.h. der betroffene Adressat die Norm beachtet. Die Betrachtungsweise ist für Beachtung und Vollzug verschieden: Beachten setzt beim Lebenssachverhalt an und fragt nach eventuellen normativen Schranken. Der Vollzug nimmt zunächst die vollzugsbedürftige Norm in den Blick und fragt, ob und wie der Lebenssachverhalt mit der Norm in Einklang gebracht werden kann. Vollzug präzisiert die normativen Schranken für den Adressaten einer Norm. Dies zeigt, daß Beachten und Vollziehen keine Komplementärbegriffe sind, die nach der Subtraktionsmethode220 definiert werden können.

So in der Sache auch Delbrück, UmweItpflichtigkeit, S. 13. Delbrück, Umwe1tpflichtigkeit, S. 13. 218 Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 13. ÄJmlich Laubinger, in: Ule/l..aubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 26: Der Vollzug (des BImSchG i.S.v. § 59) umfasse die behördlichen Maßnahmen, zu denen das Gesetz die Behörde berechtige und verpflichte. 219 Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 22. 220 Diese Methode setzt im übrigen einen gemeinsamen Oberbegriff voraus, der hier noch von niemandem in die Diskussion eingeführt wurde. 216

217

§ 4 Verwalt\lllgszuständigkeiten des B\llldes

121

Für die vom BMVg wahrzunehmenden landesgesetzlichen Verwaltungsaufgaben ergibt sich aus dieser Unterscheidung von Beachtung und Vollzug folgendes. Bei der Abweichungsentscheidung nach § 9 BNatSchG vollzieht der BMVg Landesnaturschutzrecht221 , denn er legt verbindlich fest, welche Maßnahmen dem materiellen Recht (noch) entsprechen222 . Die materiellen naturschutzrechtlichen Anforderungen ergeben sich allein aus den Landesgesetzen, denn das BNatSchG ist - jedenfalls was die Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG angeht - ein nur an die Landesgesetzgeber gerichtetes Rahmengesetz, das rur den Bund nicht urunittelbar gilt. Entsprechendes gilt nach § 8 Abs. 6 BNatSchG bei der Entscheidung einer Bundesbehörde als Vorhabensträger rur einen anderweitig nicht genehmigungsbedürftigen Eingriff in Natur und Landschaft223 : auch bei dieser Entscheidung hat die Bundesbehörde Landesrecht auszuführen, etwa durch die Festsetzung von Ausgleichsrnaßnahmen oder einer Ausgleichsabgabe224 . Gleiches gilt rur die Abweichungsentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG. Die materiellen Anforderungen, die fiir die Beachtung durch den Träger des Vorhabens - abweichend von der Stellungnalune der höheren Forstbehörde - zu konkretisieren sind, statuiert nicht allein das Bundesrecht. Sie ergeben sich vielmehr aus den zur Ausrullung der ralunenrechtlichen Bestimmungen der §§ 9, 10, 12 und 13 BWaldG erlassenen Landesgesetzen. Bei dieser Entscheidung vollzieht der BMVg also Landesrecht. Die Privilegierungen nach den Smog-Verordnungen der Länder25 würden dann von Bundesbehörden vollzogen, wenn ihnen die Aufgabe obläge, die Voraussetzungen der Privilegierung fiir den Einzelfall verbindlich zu konkretisieren. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Vergleich mit den übrigen, nicht auf die Bundeswehr bezogenen Ausnahmen von dem Fahrverbot in Sperrbezirken zeigt, das der Begünstigte nicht die Ausnahmevorschrift zu konkretisieren hat, sondern umgekehrt sein Verhalten an dem Nonnbefehl ausrichtet, wenn er die 221 Funk-Draschka, Die gerichtliche Überprüfbarkeit von PIanfeststellungsbeschlüssen, S. 35; Laubinger, VerwArch. 85 (1994) S.291 fT., 315 Salzwedel, FS Partsch, S. 581 fT., 595. Ebenso Louis, NuR 1995 S. 62 fT., 64, ftir die die Befrei\lllg von naturschutzrechtlichen Ge- und Verboten. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 31.88 -, BVerwGE 82 S. 17 fT., 20; Urt. v. 29.4.1993 -7 A 2.92 -, BVerwGE 92 S. 258 fT., 260. A.A. Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. 13. 222 Dazu näher unten § 10 A III. 223

224 225

Vgl. Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 65, 78, 132. Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 78. Siehe oben § 2 Fußn. 43.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Privilegierung ausnutzt. Die Bundeswehr beachtet also die Ausnahmevorschriften der Smog-Verordnungen, wenn sie sie in Anspruch nimmt. Das gilt auch für die bauordnungsrechtliche Kenntnisgabe eines Bauvorhabens, das der Landesverteidigung dient226 • Die Pflicht zur Kenntnisgabe tritt an die Stelle der sonst bestehenden Pflicht des Bauherm, eine Baugenehmigung bzw. die Zustimmung der oberen Bauaufsichtsbehörde einzuholen. Die Mitteilung des Vorhabens ersetzt den Bauantrag. Wird ein Vorhaben lediglich der oberen Bauaufsichtsbehörde zur Kenntnis gegeben, nimmt der Bauherr diese Privilegierung in Anspruch, olme aber dabei abstrakt-generelle Normen zu konkretisieren. Der Bund vollzieht dabei also kein Landesrecht. Anders verhält es sich bei der Zulassung von Abweichungen oder Ausnahmen von landesrechtliChen Normen, z.B. bei der Zulassung einer Abweichung von einem Bebauungsplan nach § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB. Bei derartigen Entscheidungen des BMVg wird die Norm vollzogen, die die Entscheidungsbefugnis statuiert. Die Zulassung setzt aber in jedem Fall die Prüfung und Entscheidung der Frage voraus, ob die allgemeinen landesrechtlichen Anforderungen dem Vorhaben entgegenstehen. Diese Normen vollzieht der BMVg dann, wenn nicht zuvor eine Landesbehörde mit Tatbestandswirkung entschieden hat, daß das Vorhaben mit dem Landesrecht unvereinbar ist. Denn er hat zunächst die landesrechtlichen Normen für das einzelne Vorhaben zu konkretisieren. Diesen Fall regelt § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB: die Zuständigkeit des BMVg ist ausschließlich dann gegeben, wenn die Landesbehörden die Abweichung für nicht erforderlich halten. Da der BMVg zu einer hiervon abweichenden Beurteilung und Entscheidung kommen kann, entfaltet die Versagung der Zustimmung durch die höhere Verwaltungsbehörde keine Tatbestandswirkung. Der BMVg befindet selbst dariiber, ob das Vorhaben auch dann durchgeführt werden kann, wenn es den Anforderungen eines vorhandenen Bebauungsplanes nicht genügt. Damit vollzieht er diese dem Landesrecht angehörende Satzung. Auf dem Gebiet des abwehrenden Brandschutzes gegenüber militärspezifischen Gefahren soll der Bund zuständig sein227 . Der VGH Mannheim hatte aus der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit für die Verteidigung als Annex die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den abwehrenden Brandschutz in allen Bundeswehr-Einrichtungen hergeleitet228 • Damit hätte der Bund insoweit Bundesrecht auszuführen, wenn und soweit er entsprechende Normen erlassen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Gesetzgebungskompetenz zutreffend abgelelmt229 . Auch insoweit gilt das Lan226 227 228 229

Siehe oben Fußn. 173. BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 (Fußn. 3), Buchholz Il Art. 30 NT. 5 S. 5. VGH Mannheim, Urt. v. 19.9.1994 (Fußn. 3), DVBI. 1995 S. 365 f., 365. Urt. v. 10.12.1996 (Fußn. 3), Buchholz 11 Art. 30 NT. 5 S. 2.

§ 4 VerwaltlUlgszuständigkeiten des BlUldes

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desrecht. Hiervon geht das Gericht selbst aus, wenn es die Pflicht der Bundeswehr zur Beachtung des materiellen Landesrechts betone30 Soweit die Verwaltungskompetenz des Bundes nach Art. 87a und 87b GG den abwehrenden Brandschutz gegenüber militärspezifischen Gefahren umfaßt, kann damit nicht eine schlichte Beachtenspflicht gemeint sein, fiir die es keiner Verwaltungskompetenz bedürfte, sondern die Befugnis, Landesbrandschutzrecht durch Verwaltungsentscheidung verbindlich zu konkretisieren. Das ist Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden. Mit der Bezeichnung eines Vorhabens nach § lAbs. 3 LBG legt der BMVg parzellenscharf fest, wo ein militärisches Vorhaben verwirklicht werden soll. Dieser Entscheidung geht eine umfassende Stellungnahme der Landesregierung voraus, die die Erfordernisse der Raumordnung, des Städtebaus sowie des Naturschutzes und der Landschaftspflege darstellt (§ 1 Abs. 2 >LBG). Die Stellungnahme unterrichtet den BMVg darüber, ob und inwieweit dem Vorhaben Landesrecht oder vom Land oder den Kommunen wahrzunehmende öffentliche Belange entgegenstehen23I . Die Bezeichnung stellt jedoch nicht umfassend die Zulässigkeit des Vorhabens fest232 , sondern bildet lediglich die Grundlage fiir die Beschaffung der erforderlichen Grundstücke durch Begründung eines Nutzungsverhältnisses, durch freihändigen Erwerb oder notfalls durch Enteignung. Für drei Rechtsgebiete hat die Bezeichnung aber weitergehende Wirkungen: In dem Anhörungsverfahren nach § 1 LBG sind die städtebaulichen (§ 37 Abs. 4 BauGB), die forstlichen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 BWaldG) und die luftverkehrsrechtlichen (§ 30 Abs. 3 Satz 3 LuftVG) Belange abschließend zu erörtern. Die Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG entfaltet insoweit Tatbestandswirkung. Sie ersetzt die städtebauliche Abweichungsentscheidung (§ 37 Abs. 4 Satz 2 BauGB) und nach Landesrecht erforderliche forstliche Genehrnigungen233 . Wie diese ersetzten Entscheidungen kann damit die Bezeichnung eines Vorhabens durch den BMVg den Vollzug von Landesrecht bedeuten. 2. Zulässigkeit des Bundesvollzugs von Landesrecht

Zu dem Befund, daß in einer Reihe von Konstellationen der BMVg - soweit ersichtlich, bisher unbeanstandet - Landesrecht ausführt234 , steht die weithin 230

Urt. v. 10.12.1996 (Fußn. 3), Buchholz 11 Art. 30 Nr. 5 S. 6.

231

Salis, Gestufte VerwaItlUlgsverfahren im Umweltrecht, S. 49 f. Mißverständlich Salis, Gestufte VerwaItlUlgsverfahren im Umweltrecht, S. 130.

232

m Siehe unten § 12 B H. Außerhalb des Umwe\tsonderrechts der BlUldeswehr ist der BlUldesvollzug von Landesrecht insbesondere bei der eisenbahnrechtlichen (dazu Laubinger, VerwArch. 85 [1994] S.291 fT.; Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 135) und bei der bundeswas234

124

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Al1gemeiner Teil

vertretene Auffassung in Widerspruch, daß die Ausfiihrung von Landesrecht durch Bundesbehörden unzulässig sei. Landesrecht dürfe ausschließlich von Landesbehörden ausgefiihrt werden235 . Ausnalunsweise sei es erlaubt, daß Bundesbehörden im Wege der Organleihe der Vollzug von Landesrecht übertragen wird236 . Der Bundesvollzug von Landesrecht stelle eine Übertragung von Hoheitsrechten des Landes auf den Bund da?37. Die Einheit der Staatsgewalt sowohl des Bundes als auch der Länder umfasse sowohl die gesetzgebende wie die vollziehende Funktion238 . Der Einfluß auf den Vollzug sei daher das Minimum exekutivischer Funktion des normsetzenden Staates fiir seine Staatsqualität239 . Auflockerungen der Einheit der Staatsgewalt wie die Übertragung des Gesetzesvollzuges an einen anderen Staat bedürften einer ausdrücklichen Verfassungsbestinunung, die fiir den Landesvollzug von Bundesrecht in den Art. 83 ff. GG vorhanden sei 240 . Wegen seiner Kompetenz-Kompetenz nach Art. 79 GG könne der Bund durch eine entsprechende Verfassungsänderung auch ohne Zustimmung der Länder den Vollzug von Landesrecht an sich ziehen. Ein einfaches Bundesgesetz reiche dafür nicht aus, da die Kompetenzordnung des Grundgesetzes abschließend sei und keine entsprechende Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber enthalte241 . Als Reaktion auf den Widerspruch zwischen tatsächlichem Befund und der verfassungsrechtlichen Beurteiluni42 haben sich in Schrifttum und Rechtspreserstraßenrechtlichen Planfeststellung zu konstatieren. Siehe auch Steinberg, Fachplanung, § 4 Rdnr. 17 (S. 175 f). 235 BVertG, Urt. v. 28.2.1961 (Fußn. 117), BVertGE 12 S. 205 ff., 221, im Anschluß an Zeidler, DVBI. 1960 S. 573 ff.; BVertG, Beschl. v. 11.4.1967 - 2 BvG 1/62 -, BVertGE 21 S. 312 ff., 325; Besch!. v. 12.1.1983 - 2 BvL 23/81 -, BVertGE 63 S. I ff., 40 f.; Broß, in: von MÜllChIKunig, GGK 3, Art. 83 Rdnr. 6; Bull, in: AK-GG, Tz. 59 vor Art. 83; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rdnr. 3; Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 25; Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-BleibtreulKlein, GG, Art. 83 Rdnr. 4; wohl auch Blümel, HStR IV, § \0 I Rdnr. 14. 236 BVertG, Beschl. v. 12.1.1983 (Fußn. 235), BVertGE 63 S. 1 ff., 31; Blümel, HStR IV, § 101 Rdnrn. 13 f; Broß, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 83 Rdnr. 8; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rdnr. 26. 237 Zeidler, DVBl. 1960 S. 573 ff., 578. 238 Zeidler, DVBI. 1960 S. 573 ff., 575. 239 Zeidler, DVBI. 1960 S. 573 ff., 576. 240 Zeidler, DVB!. 1960 S. 573 ff., 576, 578. 241 Zeidler, DVBI. 1960 S. 573 ff., 579. 242 Siehe die (kritische) Darstellung bei Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 45 f in Fußn. 11. Kritisch ebenfal1s Heinze, Eisenbahn-P1anfeststel1ung, S. 135, derwenn denn der Geltungsanspruch des Grundsatzes, daß Landesrecht nicht von Bundesbehörden ausgeführt werden darf, aufrechterhalten werden solle - in der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung durch das Eisenbahn-Bundesamt eine Ausnahme von diesem Grundsatz erblicken will. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 (Fußn. 221),

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des Bundes

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chung zur bundesbehördlichen Planfeststellung, in der das Problem des Bundesvollzugs von Landesrecht besonders deutlich und praktisch am häufigsten auftritt, zwei "Vermeidungsstrategien" herausgebildet. Im Anschluß an den Beschluß des BVerfG zum Eisenbahnkreuzungsgesetz243 gehen Rechtsprechung und einige Stimmen in der Literatur davon aus, daß das jeweilige Landesrecht als partielles Bundesrecht rezipiert werde, wenn das Bundesrecht auf das Landesrecht verweist244 . Das hat zur Folge, daß lediglich Bundesrecht ausgeführt wird. Zu dem gleichen Ergebnis - Bundesbehörden führen lediglich Bundesrecht aus - kommt auch die Auffassung, daß in der Planfeststellung das sekundäre materielle Recht von der Planfestellungsbehörde beachtet, nicht aber vollzogen werde245 . Beide Ansätze vermögen jedoch nicht zu überzeugen246 . Auf welche Weise eine bloße Bezugnahme die Mutation von Landes- in partielles Bundesrecht bewirken soll, ob es sich dabei um eine statische oder eine dynalnische VerweiBVerwGE 82 S. 17 ff., 20: ,,Der Vollzug landesrechtlicher Vorschriften wird vielmehr abschließend der Entscheidung des Bundes und seiner Behörden und dessen Verfahren zugeordnet." Wenn das Gericht hier die Möglichkeit des Bundesvollzugs von Landesrecht erkennt und keinerlei verfassungsrechtlichen Anstoß daran nimmt, bedeutet das jedoch keine Abkehr von der überwiegenden verfassungsrechtiichen Beurteilung. Der zitierte Satz dient lediglich der Begründung, daß dem Land kein Recht i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO zustehe, es damit eine bWldesba1mrechtiiche Planfeststellung nicht mit der Begründung anfechten kÖlme, naturschutzrechtliche Bestimmungen seien fehlerhaft angewendet worden. 243 Besch!. v. 15.7.1969 - 2 BvF 1/64 -, BVerfGE 26 S. 328 fT., 368. 244 BVerwG, Besch!. v. 7.1.1992 - 7 B 153. 91 -, Buchholz 442.08 § 36 Nr. 20; Blümel, HStR IV, § 101 Rdnr. 14; Salzwedel, FS Partsch, S. 581 ff., 583 f, 589 fT. 245 BVerwG, Urt. v. 28.6.1968 - IV C 11.65 -, DÖV 1969 S. 206 fT., 207; Blümel, HStR IV, § 101 Rdnr. 15; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 115; Knack/Busch, VwVfG, § 75 Rdnr. 3.3.1; Kühling, Fachplanungsrecht, Rdnr. 339 (S. 150); wohl auch Steinberg, Fachplanung, § 4 Rdnr. 17 (S. 175 f.). Nur am Rande sei vermerkt, daß dann, wenn man der Konzentrationswirkwlg uneingeschränkte materielle Wirkung beimißt (vg!. Manner, Die rechtsstaatiichen Grundlagen des Planfeststellwlgsverfahrens, S. 50), das sekundäre materielle Recht keinen Einfluß auf die PIanfeststellung hat und deshalb nicht vollzogen wird. Diese AufTassung wird jedoch weithin (vg!. Laubinger, VerwAreh. 77 (1986) S.77 fT., 89; Ronellenfitsch, VerwAreh. 80 (1989) S. 92 ff., 95) mit überzeugenden Argumenten abgelehnt. Ganz überwiegend wird heute die Auffassung vertreten, die Konzentrationswirkung beschränke sich auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften (Theorie der Verfahrenskonzentration, vg!. dazu jeweils m. w. N. Laubinger, VerwAreh. 77 (1986) S.77 fT., 91; Kopp, VwVfG, § 74 Rdnr. 13; Kühling, Fachplanungsrecht, Rdnr.336 [So 148 f.); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41 Rdnr. 13 [So 391)). 246 Kritisch auch Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 45 f. Fußn. 116; Heinze, Eisenbahn-Planfeststellung, S. 135.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der BWIdeswehr - Allgemeiner Teil

sung handelt und wie die entsprechende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zu begründen ist, wird nicht erläutert247 . Es bleibt außerdem unklar, wieso die Konzentrationswirkung der Planfeststellung dazu führt, daß Verwaltungsmaßnahmen, die fiir sich genommen zweifellos Gesetzesvollzug darstellen248 , als Teil eines Planfeststellungsbeschlusses nur ein Beachten des Landesrechts sind249 • Das sekundäre materielle Recht verpflichtet die Planfeststellungsbehörde zu prüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Träger des Vorhabens diese Normen beachtet250 . Das ist jedoch nicht Beachtung, sondern Vollzug. Ein weiterer Ansatz, die Ausführung von Landesrecht durch Bundesbehörden zu vermeiden, ist die Beschränkung der Konzentrationswirkung der Planfeststellung. Sie soll sich auf die Sachgebiete beschränken, für die der die Planfeststellung anordnende Gesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz und der Verwaltungsträger der Planfeststellungsbehörde die Verwaltungskompetenz besitze 51 • Für die hier zu erörternden Fälle des Bundesvollzugs von Landesrecht hilft diese "verfassungskonforme Auslegung" des § 75 Abs. I VwVfG jedoch nicht weiter. Gleiches gilt fiir den Versuch nachzuweisen, daß das Grundgesetz im Bereich der Art. 89 Abs. 2 Satz 1, Art. 108 Abs. I Satz I a.F. den Bundesvollzug von Landesgesetzen i.S.v. Art. 30 GG zuläßt252 . Damit wird lediglich gezeigt, daß das Grundgesetz diese Vollzugsform immer dann eröffnet, wenn die bundeseigene Verwaltung fiir Sachgebiete angeordnet wird, fiir die der Bund nur eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hat253 . Das ist zwar 247 Die Erörterung des Problems als "unechter Vollzug von Landesrecht" durch Salzwedel (FS Partsch, S. 581 ff, 583 f) läßt die verfassungsrechtliche Problematik durchscheinen, ohne aber weiterftlhrende Erklärungen zu liefern. 248 Z.B. die Festsetzung naturschutzrechtlicher Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahnlen oder von naturschutzrechtlichen Ausgleichsabgaben oder die Einziehung eines Weges, vgl. BVerwG, Urt. v. 28.6.1968 (Fußn. 245), DÖV 1969 S. 206 ff., 207. 249 Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 204; Kopp, BayVBI. 1973 S. 85 ff., 86; ders., NuR 1991 S. 449 ff., 451; Laubinger, VerwAreh. 85 (1994) S. 291 ff., 309; zweifelnd auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 32. 250 So wohl auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 41 Rdnr. 14 (S. 392). 251 Kopp, NuR 1991 S.449 ff., 451; enger ders., VwVfG, § 74 Rdl1r. 12; Hoppe/ Schulte, Rechtsschutz der Länder in Planfeststellungsverfahren des Bundes, S. 52 f: Die Konzentrationswirkung werde nur durch die Gesetzgebungskompetenz eingeschränkt. Das ist jedoch inkonsequent, weil danlit in bundesrechtlichen Planfeststellungen durch Landesbehörden die Konzentrationswirkung flir landesrechtlich geregelte Materien, z.B. das Bauordnungsrecht, entfiele. Damit würde die Konzentrationswirkung ohne Not zu stark eingeschränkt. Problematisch ist im Hinblick auf den Vollzug allein die Verwaltungskompetenz des Trägers der Planfeststellungsbehörde. 252 Wöhrle, Ausft\hrung von Landesgesetzen durch den BWId, S. 30 ff. 253 Wöhrle, Ausft\hrung von Landesgesetzen durch den Bund, S. 32, 36; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 45 f Fußn. 116.

§ 4 Verwaltungszuständigkeiten des Bundes

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hinsichtlich des LBG (Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG) und des BauGB (Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG) der Fall, nicht aber hinsichtlich der wald- und der naturschutzrechtlichen Bestinunungen, die auf der Rahmenkompetenz des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG beruhen. In den hier zu behandelnden Konstellationen hat der Bund die Ausführung in bundeseigener Verwaltung aufgrund von Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG angeordnee 54 • Diese Vorschrift sieht ausdrücklich nur den Vollzug von Bundesgesetzen vor ("können Bundesgesetze ... bestinunen, daß sie ... in bundeseigener Verwaltung ... ausgeführt werden. "). Der Vollzug von Landesrecht durch die Bundeswehrverwaltung i.S.v. Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG entspricht trotzdem den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen255 : Der Bundeswehrverwaltung darf grundsätzlich nur der Vollzug von Bundesrecht übertragen werden. Die Verteidigungsgesetzgebungskompetenz (Art. 73 Nr. 1 GG) ermöglicht es jedoch, in einem Bundesgesetz verteidigungsspezifische Ausnahmen auch von Regelungen, die an sich nach Art. 70 GG in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder stehen, zuzulassen256 . Der Vollzug einer solchen Norm ist der Bundeswehrverwaltung aber nur möglich, wenn sie - mit der verbindlichen Feststellung, daß das Landesrecht einem unerläßlichen Verteidigungsvorhaben entgegensteht - zugleich Landesrecht vollzieht. Das ist die klassische Konstellation, in der eine Zuständigkeit kraft Sachzusanunenhangs angenommen wird257 • Diese Form des Bundesvollzugs von Landesrecht kann daher als in Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG stillschweigend mitgeschrieben angesehen werden258 • Diese Norm wäre also so zu lesen: ,,'" können Bundesgesetze, die der Verteidigung ... dienen, ... bestimmen, daß sie und Landesgesetze, deren Vollzug unerläßliche Voraussetzung flir den Vollzug derartiger Bundesgesetze ist, ganz oder teilweise in bundeseigener Verwaltung ... ausgefllhrt werden."

254 Für die Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG siehe oben im Text bei Fußn. 88, für die Letztentscheidungsbefugnisse siehe oben im Text bei Fußn. 94. 255 Älmlicher Ansatz bei Salzwedel, FS Partsch, S. 581 ff., 590. 256 Siehe unten im Text bei § 5 Fußn. 96. 257 Dazu ausführlich oben § 4 D I 8 b. 258 Ähnlich Funk-Draschka, Die gerichtliche ÜberpTÜfbarkeit von Planfeststellungsbeschlüssen, S. 39 f., zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung: sekundäres materielles Landesrecht dürfe aufgrund eines Sachzusammenhangs mit Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG von Bundesbehörden vollzogen werden. Treffer, UPR 1994 S. 378 ff., 379, begnügt sich mit dem Verbot mißbräuchlicher Anordnung der Konzentrationswirkung, das er über das Prinzip der Bundestreue bzw. entsprechend Art. 72 Abs. 2 GG konkretisieren will. Eine solche Begründung genügt den verfassungsrechtlichen Gegebenheiten jedoch nicht.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Die Letztentscheidungsregelungen stellen einen Spezialfall der Ausnahmezulassung dar. Auch sie können nur getroffen werden, wenn zugleich der Inhalt des Landesgesetzes im Hinblick auf das Verteidigungsvorhaben verbindlich konkretisiert wird, d.h. der Vollzug des Landesrechts steht in einem untrennbaren Sachzusammenhang mit dem Vollzug der bundesrechtlichen Letztentscheidungsnonn. Der Zulässigkeit des Bundesvollzugs von Landesgesetzen kraft Sachzusammenhangs mit dem Vollzug von Verteidigungsgesetzen kann das Dogma vom grundgesetzlichen Verbot dieser Vollzugsform nicht entgegengehalten werden. Dieses Verbot hat das Bundesverfassungsgericht ohnehin nur für die Fälle anerkannt, in denen der Bund Landesrecht für den Vollzug durch seine Behörden usurpiert hat259 . Das Grundgesetz läßt an mehreren Stellen diese Vollzugsfonn ZU260 . Für die Abweichungsentscheidung nach § 9 BNatSchG ist weiter zu berücksichtigen, daß das Landesrecht den Vollzug der Eingriffsregelung jeweils dem Verwaltungsträger überträgt, der eine anderweitige Zulassungsentscheidung für ein Vorhaben, das einen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt, trifft, und zwar als originären Teil der Zulassungsentscheiduni61 . § 9 BNatSchG wäre, da § 8 für Bundesbehörden nicht unmittelbar gi1t262 , olme die von den Landesgesetzen zur Verfügung gestellten Normen nicht vollzugsfahig. Eine vergleichbare Situation besteht für die Abweichungsentscheidung nach § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG. Diese Norm ist, ebenso wie § 9 BNatSchG, als ausnahmsweise Vollregelung aufgrund der Rahmengesetzgebungskompetenz des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GG ergangen. Sie ninunt unmittelbar auf landesrechtliche Nonnen bezug und ist ohne deren gleichzeitige Ausführung nicht vollzugsfähig. Bei dem Erlaß der Bezeichnung nach § 1 Abs. 3 LBG vollzieht der BMVg Landesrecht, wenn die Bezeiclmung an die Stelle von selbständigen Abweichungs- oder Letztentscheidungen tritt, die ihrerseits den Vollzug von Landesrecht darstellen würden. Die Zulässigkeit einer Vollzugsform kann aber nicht davon abhängen, ob die Vollzugshandlung selbständig oder als Teil einer übergreifenden, "konzentrierten" Vollzugshandlung ergeht. 259 Laubinger, VerwArch. 85 (1994) S. 291 fr., 310; Salzwedel, FS Partsch, S. 581 tT., 584 fr., 593. 260 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 45 f Fußn. 116; Wöhrle, Ausführung von Landesgesetzen durch den Bund, S. 30 ff. 261 Laubinger, VerwArch. 85 (1994) S. 291 ff., 308 f; Salzwedel, FS Partsch, S. 581 ff.,597. 262 So aber Ronellenjitsch, VerwArch. 84 (1993) S. 537 ff., 553; dagegen zutr. Laubi1/ger, VerwArch. 85 (1994) S. 291 ff., 309 in Fußn. 89.

§ 4 Verwaltlillgszuständigkeiten des Blilldes

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Dem Bundesvollzug von Landesrecht stehen fiir die hier erörterten Fälle im Bereich der umweltrechtlichen Sondemormen fiir die Bundeswehr danach keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.

9 RcpkewilZ

§ 5 Materielle Regelungen Die materiellen Nonnen des Umweltrechts stellen inhaltliche Anforderungen, d.h. sie legen die Maßstäbe dafiir fest, was der Umwelt an Belastungen zugemutet werden darf. Die unterschiedlichen nonnativen Erscheinungsfonnen des materiellen Umweltsonderrechts der Bundeswehr werden im folgenden zunächst nach ihren Regelungstypen systematisch geordnet. Anschließend wird auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und den Inhalt der Nonnen eingegangen. Dabei wird auf die weitergehenden Sondervorschriften hingewiesen.

A. Erscheinungsformen der materiellen Sondervorschriften Das materielle Bundeswehr-Sonderrecht enthält überwiegend Privilegierungen: es räumt der Bundeswehr durch einen Geitungsausschluß2 oder die Befugnis zur Abweichung von den allgemeinen Anforderungen materielle Erleichterungen ein. Dagegen stellen die Nonnen, die die entsprechende Anwendung eines Gesetzes oder eine besondere Beachtenspflicht anordnen, eher Belastungen der Bundeswehr dar. I. Geltungsausschluß

Die Privilegierung der Bundeswehr durch einen Geltungsausschluß läßt keinen Gestaltungsspielraum, die Einhaltung einer Norm zu fordern, wenn dem Belange der Verteidigung nicht entgegenstehen. Der Geltungsausschluß wird ausdrücklich angeordnet und kann ein ganzes Gesetz oder einzelne Normen umfassen. So nimmt § 40d Abs. 3 Satz I BImSchG die FailTZeuge der Bundeswehr von der Verbotsnonn des § 40a Abs. 1 BImSchG aus. Einen partiellen Geltungsausschluß statuieren auch § 38 Nr. 1 BNatSchG, § 45 Abs. I BWaldG, § 8 BzBIG, Siehe oben § 3. Es ist für den Bereich der Bundeswehr unzutreffend, wenn Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 59 f., behauptet, Exemtionen bestünden nur in verfahrensreehllieher Hinsicht. I

2

§ 5 Materielle Regelungen

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§ 11 Abs. 3 StriSchV, § lAbs. 6 GGVSee, § 3 Abs. 9 GGYBinSch, § lAbs. 2 Nr. 4, § 10 Abs. 7 Nr. 3, § 28 Abs. 2 DampfkV, § lAbs. 2 Nr.3, § 26 Abs. 6 Nr. 3, § 34 Abs. 2 DruckbehV, § lAbs. 2 Nr. 2, § 17 Abs. 2 EIexV, § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 7 Abs. 6 Nr. 3, § 26 Abs. 3 AcetV, § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 9 Ab;. 5 Satz 1 Nr. 3, § 23 Abs. 2 VbF, § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 8 Abs. 5 Nr. 3, § 22 Abs. 2 AufzV, § 19 Abs. 3 MedGV, § 35 Abs. 1 StVO, § 70 Abs. 4 StVZO, aus dem sonstigen Verwaltungsrecht § 31 Abs. 3 Satz I StVG, § 15 Abs. 1 KriegswaffenkontrollG. Einen vollständigen Geltungsausschluß kennt das Umweltsonderrecht niche. Soweit der Geltungsausschluß an ein Erforderlichkeitskriterium anknüpft 4 , ist er strukturell an die Abweichungsbefugnis kraft Gesetzes angenähert.

11. Abweichungsbefugnis kraft Gesetzes Die Befugnis zur Abweichung von materiellen Anforderungen im Einzelfall beläßt den allgemeinen Vorschriften größere Wirkung als der Geltungsausschluß. Die Bundeswehr darf nur dann und nur insoweit abweichen, als dies erforderlich ist. Die Abweichung bedarf keiner ausdrücklichen Gestattung. Im Umweltrecht sehen § 60 Abs. 2 BImSehG, § 30 Abs. I Satz I urrl 3 LuftVG eine derartige Befugnis vor5. Die Smog-Verordnungen bestimmen, daß Fahrverbote rur Fahrzeuge der Bundeswehr nicht gelten6 . Auch dies ist als Abweichungsbefugnis kraft Gesetzes aufzufassen. Es wird nicht die Geltung der Smog-Verordnungen, sondern die Wirkung einer behördlichen Entscheidung suspendiert. Die Ausnahme vom Fahrverbot bedarf keiner Zulassung durch die regulär zuständige Landesbehörde7 •

3 Vgl. § lAbs. 4 Nr. I SprengG, § 25 Abs. I GastG, § I Nr. 5 FreistellullgsVO PersBefG, § 7 Abs. I SeeSchStrO. Einen grundsätzlichen Geltungsausschluß, der jedoch in einzelnen Vorschriften rückgängig gemacht werden kam1, sieht. § 6 Abs. I Satz I WaffenG vor. 4 So ausdrücklich § lAbs. 6 GGVSee, § 3 Abs. 9 GGVBinSch, § 35 Abs. I StVO, § 70 Abs. 4 StVZO. 5

Aus dem übrigen Verwaltungsrecht: § 71 Abs. I AMG, § 42 Abs. I MPG.

Siehe oben § 2 Fußn. 43. Siehe dazu Nr. 5 des Erlasses des BMVg "Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs der Bundeswehr in Smog-Gebieten bei austauschannen Wetterlagen (Smog) - Erstfassung" vom 23.1.1986 (VMBI. S. 73). 6

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9"

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

III. Zulassung von Ausnahmen Die materiellen umweltrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr machen überwiegend die Abweichung von regulären materiellen Anforderungen von einer vorherigen ausdrücklichen Zulassung abhängig8. Diese Ausgestaltung ist auch im sonstigen Verwaltungsrecht gebräuchlich9 . IV. Positive Geltungsanordnung Die ausdrückliche Anordnung, daß ein Gesetz für die Bundeswehr gilt, ist in den Fällen der § 45 Abs. 3 BWaldG, § I Satz I Nr. 2 FluglärmG konstitutiv, in § 1 Abs. 2 GGVS dagegen lediglich deklaratorisch. Die Bestimmungen, daß ein Gesetz auf Einrichtungen der Bundeswehr entsprechend anzuwenden ist lO , finden sich dort, wo materielle Pflichten an gewerbsmäßige Vorgänge oder an ein Inverkehrbringen anknüpfen. Sie vermeiden Unklarheiten darüber, ob die Bundeswehr von der materiellen Regelung erfaßt wird.

B. Bindung an allgemeine materielle Vorschriften

I. Bundesrecht Die bundesrechtlichen materiellen Sondervorschriften für die Bundeswehr bestätigen im Umkehrschluß, was bereits Art. 20 Abs. 3 GG anordnet. Die Bundeswehr ist als Teil der Exekutiveil an die allgemeinen materiellen Vor8 Vgl. § 60 Abs. 1 BImSehG, § 23 Abs. 1 BBodSchG, § 24 Abs.2 ChemG, § 5 Abs. 5 GGVS, § 5 Abs.5 GGVE, § 58 Abs. 2 KrW-/AbfG, § 9 Abs.2 DampfkV, § 7 Abs.2 DruckbehV, § 6 Abs. 2 EIexV, § 6 Abs.2 AcetV, § 7 Abs. 2 VbF, § 6 Abs. 2 AufzV, § 19 Abs. 2 MedGV, § 37 Abs. 1 BauGB. 9 § 42 Abs. 2 MPG, § 26 Abs. 3 BtMG, § 32 Abs. 3 GÜG, § 46 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StVO, § 20 Abs. 2 ArbSchG, § 1 Abs. 3 AMBV. Die Zulassung von Ausnahmen nach § 71 Abs. 2 AMG und § 37 Abs. 1,2 Nr. 2 Buchst. a LMBG erteilt, anders als nach den übrigen Gesetzen, nicht das BMVg, sondern das Bundesministerium fiir Gesundheit. 10 § 70 Abs. I AMG, § 41 Abs. I MPG, § 26 Abs. 1 BtMG, § 32 Abs. 1 GÜG. 11 Von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 37 f.; Dreier, in: ders., GG, Art. I Rdnrn. 3, 42; Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 1 Rdnr. \08; Jarass, in: JarasslPieroth, GG, Art. 20 Rdnr. 25; Kunig, in: von MünchlKunig, GGK I, Art. I Rdnr. 60; Sachs, in: ders., GG, Art. 20 Rdnr. 67; Schnapp, in: von MünchlKunig, GGK I, Art. 20 Rdnr. 37.

§ 5 Materielle Regelungen

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schriften des Bundesrechts gebunden l2 . Das ist unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten - anders als bei der Frage nach der Bindung an Vorschriften des Landesrechts - völlig unproblematisch. Hier ist es ohne Belang, ob eine bundesrechtliche materielle Sondemorm wie z.B. § 60 BImSchG auf Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG oder auf Art. 74 Abs. I Nr. 24 GG beruht J3 . Da Rahmengesetze nach Art. 75 GG punktuelle Voll regelungen enthalten dürfen l4 , gilt gleiches für die Ennittlung der Gesetzgebungskompetenz für Vorschriften wie § 45 BWaldG, § 38 BNatSchG oder die Zuständigkeitsnorm des § 21 Abs. 4 WHG. 11. Landesrecht

Neben dem Bundesrecht besteht eine Vielzahl umweltrechtlicher Normen des Landesrechts, nicht nur auf den Gebieten, für die der Bund eine Rahmengesetzgebungskompetenz besitzt. So stellt sich etwa die Frage, ob das Landesimrnissionsschutzrecht auch den Streitkräften verbieten kann, Motoren von Kraftfahrzeugen unnötig laufen zu lassen. Ob und in welchem Umfang die Bundeswehr an solche Normen gebunden ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Das Problem wird zumeist unter dem Stichwort der materiellen Polizeipflicht des Bundes erörtert. Im Anschluß an die Rechtsprechung des Preußischen OVG15 wurde eine Bindung des Bundes an Landesgesetze zwar bei dessen fiskalischer Betätigung angenommen l6 , bei hoheitlicher Betätigung jedoch entschieden abgelehnt. Es sei mit der Stellung des Bundes als Oberstaat 17 unvereinbar, ihn bei hoheitlicher Tätigkeit der Landesstaatsgewalt zu unterwerfen l8 . Eine Bindung könne allenfalls aus dem Gebot der Bundestreue folgen oder durch Selbstbindung des Bundes herbeigeführt werden l9 . Die Rechtsprechung argumentierte stärker aus dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenzen. Die Kompetenz des Bundes 12

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Kölble, DÖV 1962 S. 661 Ir., 665; Mußgnug, DÖV 1989 S. 917 Ir., 919. Vgl. auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 27 f.

14 Zur früheren Fassung des Art. 75 BVerfD, Urt. v. 1.12.1954 - 2 BvG 1/54 -, BVerfDE 4 S. 115 IT., 128 Ir. Art. 75 Abs. 2 zwingt zu einer engeren Auslegung der Vollrege\ungskompetenz, vgl. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 75 Rdnr. 13; Pieroth, in: JarasslPieroth, GG, Art. 75 Rdnr. 1. 15

Endurteil v. 5.5.1877 - Rep. C. 94/77 -, PrOVGE 2 S. 399 Ir.

16

Kölble, DÖV 1962 S. 661 tT.,662.

17 Kölble, DÖV 1962 S. 661 Ir., 663. Ausf. Begründung dieser These bei Scheurer, Unterwerfung der Bundesverwaltung unter Landesrecht?, S. 63 Ir. 18 Kölble, DÖV 1962 S. 661 tT., 664. Vgl. auch Scheurer, Unterwerfung der BWldesverwaltung unter Landesrecht?, S. 80 f. 19 Kölble, DÖV 1962 S. 661 tT., 667.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

aus Art. 73 GG gehe im Überschneidungsbereich der Gesetzgebungskompetenz der Länder vor, dem Landesgesetzgeber sei der Eingriff in den Kernbereich bundeseigener Verwaltung verwehrt. Das habe zur Folge, daß eine allgemein geltende Landesvorschrift zwar grundsätzlich wirksam, ihre Anwendbarkeit aber durch die der Bundesverwaltung vorbehaltenen Materien begrenzt sei20 . Diese Auffassung hat sich zu Recht nicht behaupten können. Hier sei nur auf zwei Bedenken hingewiesen. Die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und fiskalischer Tätigkeit kann zur Lösung der hier interessierenden Frage nichts beitragen, weil sie auf das Bürger-Staat-Verhältnis ausgerichtet ise 1 • Die These vom Bund als "Oberstaat" entspricht nicht der bundesstaatlichen Konzeption des Grundgesetzes22 • Heute besteht Einigkeit darüber, daß der Bund sowohl bei hoheitlicher wie bei fiskalischer Tätigkeit grundsätzlich an das Landesrecht gebunden ist, soweit nicht der Gesetzgeber etwas anderes bestimmt hae 3 . Art.20 Abs. 3 GG unterscheidet nicht zwischen Bundes- und Landesrecht. Auch die hoheitliche Verwaltung darf die öffentliche Sicherheit nicht stören: Wenn schon Privaten eine Verantwortung für die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit auferlegt wird, muß dies erst recht für einen Hoheitsträger geIten 24 . Daher ist die BundesverwaItung grundsätzlich an das materielle Landesrecht gebunden. Die lediglich grundsätzliche Bindung des Bundes - und damit der Bundeswehr - an das Landesrecht wird vielfach relativiert. Wenig überzeugend ist dabei der Hinweis, daß die Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtung selbst ebenso ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sei wie eventuell betrof-

20 BayObLG, Urt. v. 15.3.1957 - RReg. 3 St 244a, blJ 956 -, BayVBI. 1957 S. 295 fT.,296. 21 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 40 mit Fußn. \04. 22 Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. \05; vgl. auch lsensee, HStR IV, § 98 Rdnr. 105; Reigl, DÖV 1967 S. 397 tT., 398 f.; Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 tT., 813; ders., Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 49 fr. 23 Blumenwitz, AöR 96 (1971) S. 161 tT., 176; Delbrück, UmweItpflichtigkeit, S. 194; Den1linger, in: LiskenlDenninger, Hdb PoIR, E Rdnr. 80; Fluck, NJW 1987 S. 2352 tT., 2352; Friauf, in: Schmidt-AßmmUl, BesVerwR, Rdnr. 103 (S. 154); Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 239; Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 135; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 272; Martens, in: DrewsIWacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, S. 294; Reigl, DÖV 1967 S. 397 tT., 398, 399; Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S.71, 104 f.; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 127; Weber, APF 1958 S.65 tT., 66; BVerwG, Urt. v. 16.l.I968 - I A 1.67 -, BVerwGE 29 S. 52 tT., 57, 58.

24 Marlens, in: DrewsIWacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, S. 294; Weber, APF 1958 S. 65 tT., 66.

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fene Rechte DritterS und daß deshalb bei einem Konflikt kollidierender Schutzgüter eine Abwägung im Einzelfall vorgenommen werden müsse26 , die gelegentlich an dem Prinzip der Bundestreue27 , überwiegend jedoch am Verhältnismäßigkeitsprinzip28 ausgerichtet wird29 • Die These, daß die Beeinträchtigung von Rechten Dritter keine Störung der öffentlichen Sicherheit sei, sofern Notwendigkeit und Nutzen der "störenden" hoheitlichen Tätigkeit überwiegen30, ist nur auf den ersten Blick plausibel. Diese am allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht entwickelte Auffassung paßt nicht auf jene Rechtsgebiete wie das Umweltrecht, in denen die Funktionsfahigkeit staatlicher Einrichtungen nicht Schutzgut isf1. Deren Funktionsfahigkeit kann deshalb in einer Abwägung nicht berücksichtigt werden. Problematisch ist weiter, die Abwägung der Verwaltung zu überlassen. Denn der von Art. 20 Abs. 3 GG postulierte Vorrang des Gesetzes würde ausgehöhlt, wenn er zur Disposition der Exekutive steht, olme daß die Legislative materielle Abwägungsvorgaben gibt. Ein weiteres Bedenken zeigt sich bei näherer Betrachtung der vermeintlichen Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit: Die Beeinträchtigung der Bundeswehr durch die Anwendung des Landesrechts hat eine andere Qualität als eine Beeinträchtigungen individueller Rechte Dritter2 . Von einer Störung der öffentlichen Sicherheit durch Beeinträchtigung individueller Rechte wird nur dann gesprochen, wenn es sich um rechtswidrige Eingriffe handele 3 . Die 25 Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 272; Martens, in: DrewsIWackel VogellMartens, Gefahrenabwehr, S. 295; Schoene"broicher, DVBI. 1990 S. 811 tT., 816; Weber, APF 1958 S. 65 tT., 66. 26 BVerwG, Urt. v. 16.l.l968 (Fußn. 23), BVerwGE 29 S. 52 tT., 58; Urt. v. 8.2.1974 - VII C 16.71 -, BVerwGE 44 S. 351 tT., 358; Urt. v. 18.4.1975 - VII C 2.74 -, Buchholz 401.84 Nr.26; Martens, in: DrewslWacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, S.295. 27 Fluck, NJW 1987 S. 2352 tT., 2354. 28 Dennillger, in: LiskenlDetminger, Hdb PoIR, E Rdnr. 81; Friauf, in: Sclunidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 103 (S. 154); K"emeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr.272; Marte"s, in: DrewsIWacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, S.295; Schenke, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11 Rdnr. 146 (S. 245); einschränkend ScllOne"bro;cher, DVBI. 1990 S. 811 IT., 816: Für eine Abwägung sei nur bei Ermessensvorschriften, nicht aber bei zwingenden Rechtsnormen Raum. 29 Schoch, JuS 1994 S. 849 tT., 852. 30 Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 239; Weber, APF 1958 S. 65 tT.,66. 31 Vgl. Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rdnr. 37. 32 Vgl. Gusy, Polizeirecht, Rdnr. 133. 33 Vgl. Friauf, in: Sclunidt-Aßmatm, BesVerwR, Rdnr. 38 (S. 121).

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

"Funktionsfahigkeit der Bundesverwaltung" soll dagegen vor Eingriffen geschützt werden, die gegenüber Privaten rechtmäßig wären und - weitergehend - Eingriffe in Rechte Dritter ennöglichen, obwohl sich diese rechtstreu verhalten. Ob eine solche Bevorzugung der Funktionsfahigkeit der Verwaltung gegenüber grundrechtlich geschützten Rechten Dritter vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben kann, erscheint sehr zweifelhaft. Diese Frage soll jedoch hier offen bleiben, denn für das Umweltrecht ist sie, wie dargelegt, nicht relevant. Der Geltungsanspruch des Landesrechts gegenüber der Bundesverwaltung kann auch nicht durch den Grundsatz der Bundestreue relativiert werden. Verletzten die Länder ihre Bundestreuepflicht, wenn sie der Bundesverwaltung die Aufgabenerfiillung erschweren, so liegt die Ursache hierfür nicht in der Gesetzesbindung. Der Verletzung der Bundestreuepflicht könnten die Landesgesetzgeber durch gesetzliche Abweichungsbefugnisse der Bundesverwaltung nach dem Muster des § 60 Abs.2 BlmSchG oder der Smog-Verordnungen begegnen34 . Ob die Gesetzgebungskompetenz der Länder allerdings so weit reicht, bedürfte dann der Untersuchung. Besonders problematisch ist die neuere Tendenz der Rechtsprechunis, unmittelbar auf den Grundsatz der Bundestreue und die daraus folgende Pflicht staatlicher Organe zu "gemeinschaftsfreundlichem Verhalten" zurückzugreifen. Das führt zu einer allgemeinen Abwägung unter dem Gesichtspunkt der Bundestreue, die die Kompetenzordnung des Grundgesetzes völlig verdrängen kann36 . Die "Abwägungstheorie" weist in dem Schutz der Bundesverwaltung vor dem Landesgesetzgeber außerdem Anklänge an die unzutreffende Auffassung vom Bund als Oberstaat auf. Anders ist es nicht zu erklären, daß eine Relativierung von Bundesgesetzen für eine betroffene Landesverwaltung - soweit ersichtlich - nicht in Betracht gezogen wird. Eine Abwägung nach dem Verhältnismäßigkeits- oder dem Bundestreueprinzip ist danach nicht geeignet, die Reichweite der Bindung der Bundesverwaltung an Landesrecht zu bestimmen37 • Ausgangspunkt für die Festlegung, in welchem Umfang der Bund an das Landesrecht gebunden ist, müssen vielmehr die Gesetzgebungskompetenzen Isensee, HStR IV, § 98 Rdnr. 108. BVerwG, Urt. v. 28.7.1989 - 7 C 65.88 -, BVerwGE 82 S. 266 Ir, 268 ( Anders nunmehr aber Urt. v. 10.12.1996 (§ 4 Fußn. 3), Buchholz 11 Art. 30 NT. 5 S. 3 tT. 36 Kritisch auch Delbriick, Umwe\tpflichtigkeit, S. 197; Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 Ir, 817; ders., Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 71. 37 Aus rein methodischen Erwägungen ebenso Isensee, HStR IV, § 98 Rdnr. 106; Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 73. 34

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§ 5 Materielle Regelungen

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des Bundes und der Länder sein38 . Denn die Gesetzesbindung des Art. 20 Abs. 3 GG setzt ein verfassungsmäßiges, lmd das heißt hier vor allem: ein kompetenzgemäß erlassenes Gesetz voraus39 . Die Bundeswehr ist nur dann und insoweit an Landesrecht gebunden, als dieses nicht in die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes fiir die Verteidigung hineinreicht. Es bedarf also der Abgrenzung zwischen der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fiir die Verteidigung (Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG) und den Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder z.B. im Naturschutz-, Wassero, Bauordnungs-, Straßen-, Abfall- und Immissionsschutzrecht. Bei der Wahrnehmung von Aufgaben mit spezifisch territorialem Bezug, wie der Verteidigung, verwirklicht der Bund vielfach Tatbestände des Landesrechts40 • Aus der Bundeskompetenz ist zumindest zu entnehmen, daß die Länder aufgrund ihrer Kompetenzen keine speziellen Regelungen fiir die Verteidigung treffen dürfen41 • Andererseits können die Landeskompetenzen ihre Grenze aber nicht uneingeschränkt in der Tätigkeit einer Bundesverwaltung finden42 . Für territorial geprägtes Handeln des Bundes könnten sonst Gebiete ohne Landesrecht, d.h. bundesunmittelbare Gebiete, entstehen43 . Wie die Abgrenzung zwischen den Kompetenzen des Bundes und der Länder im Detail vorzunehmen ist, ist lebhaft umstritten. Dabei sind drei Begriindungslinien auszumachen. Wohl überwiegend wird aus dem Zweck der Gesetzgebungskompetenz fiir die Verteidigung, eine bundeseinheitliche Wahrnehmung dieser Aufgabe zu gewährleisten, auf eine weite und umfassende Regelungsbefugnis des Bundes geschlossen44 . Die Bundeskompetenz werde durch das aus der Bundestreue38 Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 tT., 812; ders., Bundesverwaltung unter LandesgewaIt, S. 56, 74; Zieifleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 26, 34; im Ansatz ebenso Blumenwitz, AöR 96 (1971) S. 161 tT., 176 tT.; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 28; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 tT., 167; in der Sache auch BVerwG, Urt. v. 8.2.1974 - VII C 16.71 -, BVerwGE 44 S. 351 tT., 357; Urt. v. 18.4.1975 - VII C 2.74 -, Buchholz 401.84 Nr.26; Delbrück, UmweItpflichtigkeit, S.197. 39 Reigl, DÖV 1967 S. 397 tT., 398, 399; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 127.

Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 7. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 31; Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 28. 42 So aber BayObLG, Urt. v. 15.3.1957 (Fußn. 20), BayVBI. 1957 S. 295 tT., 296. 43 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 31; Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 194. 44 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 34 f.; von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 47. 40

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Dritter Teil: Das Umwe1tsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

pflicht folgende Gebot der Rücksichtnalune auf das allgemeine Landesrecht begrenzt45 . Der Gnmdsatz der Funktionsnotwendigkeit konkretisiere diese Begrenzung näher, denn der Bund dürfe nur dann eine vom Landesrecht abweichende Regelung schaffen, wenn das zur Erfüllung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich sei 46 . Die Sperrwirkung des Art. 71 GG wird dadurch eingeschränkt, daß das Landesrecht auch für die Bundesverwaltung gelten soll, soweit der Bund keine Regelung getroffen hat47 . Ein anderer, ebenfalls formaler Ansatz sieht die Lösung des Abgrenzungsproblems rur die Fälle, daß das Handeln der Bundesverwaltung bereits landesrechtlieh regelt ist, das Land also eine erste legislative Entscheidung getroffen hat, im Prioritätsgnmdsatz48 • Es sei nicht einzusehen, daß ein ausdifferenziertes Landesgesetz nur wegen einer nicht ausgenutzten Bundeskompetenz nicht angewendet werden und das Handeln der Bundesverwaltung im gesetzlosen Raum verbleiben sollte 49 . Die Befugnis der Länder zur Gesetzgebung im Übersclmeidungsbereich sei aus einer Analogie zu Art. 74 Abs. I Nr. 14 GG herzuleiten50 . Wenn sich der Bund durch eigene Rechtsnormen vom Landesrecht freistelle, müsse er allerdings auf einen schonenden Ausgleich zwischen den eigenen Interessen und den Belangen des Landesrechts hinwirkensI. Liege keine Freistellung durch den Erlaß eines Bundesgesetzes vor, müsse unterschieden werden zwischen der uneingeschränkten Bindung an die Landesvorschriften mit striktem Geltungsanspruch und der durch eine Abwägung zwischen dem Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung und den Belangen Dritter relativierten Bindung an das Landesrecht, das eine Ennessensentscheidung vorsieht52 . Auch dieser Ansatz schränkt in der Sache die Wirkung des Art. 71 GG eins3 .

Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 37. 46 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 41; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 167; Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 79. 47 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 40 f. 48 Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 ff., 814; ders., BWldesverwaltung unter Landesgewalt, S. 64. 49 Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 1T., 815; ders., BWldesverwaltwlg unter Landesgewalt, S. 91. 50 Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 98. 51 Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 ff.,816. 52 Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 ff., 816. 53 A.A. Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 98, der den Überschneidungsbereich der Gesetzgebungskompetenzen aus der ausschließlichen in die konkurrierende Bundeszuständigkeit überführt und damit aus dem Anwendungsbereich des Art. 71 GG herausninunt. 45

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Dem wird zu Recht entgegengehalten, es sei methodisch fragwürdig, durch das Prinzip der Bundestreue den Ländern zurückzugeben, was ihnen aufgrund einer unausgewogenen, weil zu weiten Interpretation des Art. 73 Nr. I Alt. 2 GG zuvor entzogen wurde 54 . Eine weite Auslegung der Verteidigungskompetenz führt zu einer Aushöhlung der Länderkompetenzen55 . Für die vorgeschlagene Einengung der Sperrwirkung des Art. 71 GG bieten weder der Wortlaut noch der Zweck der Norm einen Anhalt. Der Unterschied zwischen der ausschließlichen und der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes würde systemwidrig verwischt 56 . Das gilt insbesondere für die Analogie zu Art. 74 Abs. I Nr. 14 GG. Denn die behauptete Regelungslücke ist in Wahrheit eine Doppelregelung: Bund wie Land beanspruchen die Regelungsbefugnis. Nicht hilfreich ist auch der Ansatz, von einer eindeutig nachgewiesenen Verwaltungs- auf eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zu schließen57 • Landesrecht könne dann nicht für die Bundesverwaltung gelten, wenn dadurch deren Eigenständigkeit beeinträchtigt werde; in diesem Fall müsse dem Bund die Gesetzgebung zustehen. Die Pflicht zur Beachtung fachfremder Rechtsnormen sei für eine Verwaltung nichts Ungewölmliches und könne keine Beeinträchtigung begründen. Eine Beeinträchtigung liege nur dann vor, welm einschlägiges Landesrecht vollzogen werden müsse 58 , m.a.W. Verwaltungsmaßnahmen zur Realisierung des gesetzgeberischen Willens erforderlich seien59 . Dazu gehöre jedoch nicht die Inanspruchnaiune von Ausnahmen oder Dispensen60 . Danach soll eine Landesgesetzgebungskompetenz auf den Gebieten ausscheiden, für die den Streitkräften oder der Bundeswehrverwaltung die Verwaltungskompetenz zusteht. Das umfaßt den Verteidigungseinsatz (Art. 87a Abs. 2 GG), dessen Ausgestaltung allerdings von Art. 73 Nr. I Alt. 2 GG erfaßt wird61 . Für das Personalwesen und die Beschädigtenvorsorge (Art. 87b Abs. I Satz 2 Alt. I, Art. 87b Abs. 1 Satz 3 GG) hat der Bund die GcsetzgeblUlgskompetenz nach Art. 73 Nr.8 GG62 . Die Sachbedarfsdeckung (Art. 87b Abs. 1 Blumenwitz, AöR 96 (1971 ) S. 161 tf, 178 f. Blumenwitz, AöR 96 (1971) S. 161 IT., 177 f.; Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 196; Zieljleisch, Landeshoheit und blUldeseigene Verwaltung, S. 29. 56 Blumenwitz,AöR96(1971)S. 161 tT., 179. 57 Zieljleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 47. 58 Zieljleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 47. 59 Zieljleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 48. 60 Zieljleiscll, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 48. 61 Rengeling, HStR IV, § 100 Rdnr. 74. 62 BVerfG,Beschl. v. 22.1.1975-2BvL51171 und 10, 14173-,BVerfGE39S.128 tT., 141; Rengeling, HStR IV, § 100 Rdnr.96; von Mangoldt/Kleill/Pestalozza, GG, Art. 73 Rdnm. 57, 503, 522; Maunz, in: MaunzlDiirig, GG, Art. 73 Rdnrn. 137, 142, 54 55

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Satz 2 Alt. 2 GG), zu der auch das Bauwesen (Art. 87b Abs. 1 Satz 3 GG) gehört63 , kann der Bund aufgrund von Art. 73 Nr. 1 GG regeln64 ; nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 kann er insoweit auch Enteignungen vorsehen65 . Damit verbleibt für einen möglichen Einfluß der Landesgesetzgebung allein die Ausführung von Gesetzen, die der Verteidigung dienen (Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG). Wenn jedoch der Verteidigungsbegriff in Art. 87b Abs. 2 Satz 1 und in Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG identisch ist66 , kann der fakultativen BundeswehrvelWaltung nur die Ausführung von nach Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG erlassenen Gesetzen übertragen werden. Die VelWaltungskompetenz des Bundes trägt somit nichts zur Lösung des Abgrenzungsproblems bei, ihre Heranziehung führt vielmehr zu einem Zirkel67 • Schließlich wird die Auffassung vertreten, entsprechend der föderativen Struktur des Grundgesetzes müßten die Kernbereiche der Bundeskompetenzen einengend ermittelt werden. In den Rand- und Übersclmeidungsbereichen sei anband der Kriterien des Sachzusammenhangs und der Natur der Sache durch eine problemorientierte Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte zu ermitteln, wie weit die Bundeskompetenzen reichen68 . Diese Differenzierung der Kompetenzgegenstände nach Kern- und Überschneidungsbereichen wird als unscharf und deshalb für eine Abgrenzung untauglich kritisiert69 . Wenn dann allerdings die Abgrenzung zwischen Bundesanders aber Rdnr. 50: Personal wesen und Beschädigtenvorsorge werden von Nr. 1 erfaßt. So auch BVerwG, Urt. v. 25.11.1971 - I C 65.65 -, BVerwGE 39 S. 110 fT., 112; BVerfG, Besch!. v. 8.12.1982 - 2 BvL 12/79 -, BVerfGE 62 S. 354 ff., 367; Erichsen, Jura 1993 S. 385 ff., 385; Kunig, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 73 Rdnr. 8; Pieroth, in: JarasslPieroth, 00, Art. 73 Rdnr. 4. 63 Frank, in: AK-OO, Tz. 99 hinter Art. 87; Hemekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 87b Rdnr. 8; VOll Mangoldt/Klein, GG, Art. 87b Anm. III 4b cc (S. 2353); offengelassen von Dürig, BayVB!. 1963 S. 129 ff., 131; unklar Meyer-Dalheuer, DVB!. 1957 S. 185 ff., 189. 64 Kunig, in: von MÜ11chlKunig, OOK 3, Art. 73 Rdnr. 9; Rellgeling, HStR IV, § 100 Rdnr. 74; VGH Mannheim, Urt. v. 19.9.1994 (§ 4 Fußn. 3), DVB!. 1995 S. 365 f, 365. 65 Vgl. Kunig, in: von MünchlKunig, OOK 3, Art. 74 Rdnr. 72; Reilifn'edlSteinebach, Die Bundeswehrverwaltung, S.93. A.A. von Mangoldt/KleiniPestalozza, 00, Art. 73 Rdnr.64.

Zielj1eisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 37. Im Ergebnis ebenso Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter LandesgewaIt, S.52. 68 Blumenwitz, AöR 96 (1971) S. 161 ff., 179 f, 181; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planwlg, S. 120 f 69 Zielj1eisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 27; ähnlich Schoenenbroicher, DVBI. 1990 S. 811 tT., 814; ders., BWldesverwaltung unter Landesgewalt, S. 74; im Ergebnis auch Delbrnck, Umwe!tpflichtigkeit, S. 197. 66

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und Landeskompetenzen durch teleologische Auslegung der Kompetenznormen empfohlen wird70 , für die insbesondere der Gedanke einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nutzbar zu machen sei, ist das von einer "Kernbereichstheorie" nicht weit entfernt. Dieses Abgrenzungsmodell geht zutreffend von der grundgesetzlichen Systematik der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern aus, wie sie Art. 70 Abs. 1 GG für die Gesetzgebung dokumentiert7 !. Bundeszuständigkeiten sind danach rechtfertigungsbedürftige Ausnahmen. Das bedeutet nicht, daß sie als Ausnahmen stets eng auszulegen sind. Die Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes sind vielmehr "rechtfertigungskonform" auszulegen 72 • Die Kompetenz zur Verteidigungsgesetzgebung bezieht ihre rechtsdogmatische "Rechtfertigung" allerdings allein aus der Aufnahme in den Katalog des Art. 73 GG. Eine Änderung dieses Katalogs73 muß nicht erforderlich i.S.v. Art. 72 Abs. 2 GG sein74 . Ausgangspunkt der konkreten Abgrenzung zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Verteidigung und detjenigen der Länder für die nicht im GG aufgeführten Kompetenzmaterien ist der Kernbereich der Regelungsbefugnisse des Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG. Ob der Kernbereich evident ise s, mag offenbleiben. Hier muß er jedenfalls genauer umrissen werden. Soll die Auslegung der Gesetzgebungskompetenzen nicht zu Widerspruchen mit den übrigen Bestimmungen des Grundgesetzes führen 76, ist bei der Ermittlung des Verteidigungsbegriffs i.S.v. Art. 73 Nr. I GG auf die Verwendung des gleichen Begriffs insbesondere in Art. 87a Abs. 1 Satz I und Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG Rücksicht zu nehmen. Der Vergleich mit der fakultativen Bundeswehrverwaltung (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG) ist jedoch wenig ergiebig. Denn der Begriff des "Gesetzes, das der Verteidigung dient" ist von der Verteidigungsgesetzgebungskompetenz des Bundes abhängig, weil die VerwaItungs70 Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 78; Zielfleisch, Landeshoheit und bundeseigene Verwaltung, S. 42. 7! Vgl. Breuer, Die hoheitliche mumgestaltende Planung, S. 120 f. 72 Erbguth, DVBI. 1988 S. 317 fT., 319. 73 Die Gesetzgebungskompetenz für die Verteidigung ist erst durch Gesetz vom 26.3.1954 (BGBI. I S. 45) in Art. 73 Nr. I eingeftigt worden. 74 Hiemuf deuten aber die Ausführungen von Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 34 f., hin. Aueh Maunz, in: MaunzJDürig, GG, Art. 73 Rdnr. 20, und Bleckmann, NWVBL 1990 S. 109 fT., 111, können in diesem Sinn verstanden werden. Wie hier Haratsch, DVB!. 1993 S. 1338 fT., 1338; Heintzen, DVB!. 1997 S. 689 fT., 692. 75 So BayObLG, Urt. v. 15.3.1957 (Fußn. 20), BayVB!. 1957 S.295 fT., 296; Schoenenbroicher, DVB!. 1990 S. 811 fT., 814; anders ders., Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 74: unklare Grenzen. 76 BVerfG, Beseh!. v. 16.6.1959 - 2 BvF 5/56 -, BVerfGE 9 S. 305 fT., 315.

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kompetenz des Bundes grundsätzlich 77 ihre äußerste Grenze in seiner Gesetzgebungskompetenz findees. Der Blick auf Art. 87a Abs. I Satz I ist aufschlußreicher, denn die Verteidigungsaufgabe der Streitkräfte stellt den Mindestbestand der Gesetzgebungskompetenz fiir die Verteidigung dar79 • Danach ist der Bund nach Art. 73 Nr. I GG zum Erlaß der Regelungen berechtigt, die erforderlich sind, damit die Streitkräfte Angriffe auf die Bundesrepublik Deutschland abwehren könnenso. Hierzu gehört nicht nur die Regelung der Durchfiihrung militärischer Verteidigungsmaßnalunen einschließlich der erforderlichen BefugnisseSI, sondern auch der notwendige rechtliche Rahmen, insbesondere die Organisation der Streitkräfte hinsichtlich ihres Personals und MaterialsS2 . Allerdings können aus dem Aufgabenbereich der originären Bundeswehrverwaltung (Art. 87b Abs. I GG) keine Rückschlüsse auf die Teilgebiete der Verteidigungsgesetzgebung gezogen werdens3 , weil eine Bundeskompetenz zur Regelung dieser Teilgebiete weitgehend auch ohne Rückgriff auf Art. 73 Nr. I GG besteht. Landesrecht kann danach nicht festlegen, in welcher Weise ein militärischer Angreifer abgewehrt wird oder wie die Bundeswehr zu organisieren ist. Hiermit befaßt sich das Landesrecht auch nicht.

Zu den Ausnahmen oben § 4 D H. BVerfG, Urt. v. 28.2.1961 (§ 4 Fußn. 117), BVerfGE 12 S.205 ff., 229; Isensee, HStR IV, § 98 Rdnr. 105 m. w. N. 79 Von Bulow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 42; Brunkow, Rechtliche Probleme des Einsatzes, S.34 f.; Degenharl, in: Sachs, GG, Art. 73 Rdnr.6; Kunig, in: von MünchIKunig, GGK 3, Art. 73 Rdnr. 9; weitergehend Barlke, Verteidigungsauftrag, S. 77: "alles die Bundeswehr betreffende". 80 Von Bulow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 42 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rdnr.6; Kunig, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 73 Rdnr.9; Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 73 Rdnr. 49. 81 Während sich die Befugnisse gegenüber einem Angreifer unmittelbar aus dem Kriegsvölkerrecht als Bestandteil des Bundesrechts (Art. 25 GG) ergeben (Mußgnug, DÖV 1989 S. 917 ff., 918), fehlt es an klaren Regelungen ftlr die Befugnisse gegenüber der eigenen Zivilbevölkerung auf dem Gefechtsfeld (Stein, FS Doehring, S. 935 ff., 937). Die Bestimmungen des UZwGBw und des BLG sind hierfür nicht geeignet, wie Mußgnug, DÖV 1989 S. 917 ff., 919 ff., 921, gezeigt hat. Die entsprechenden Befugnisse auf dem Gefechtsfeld sollen sich dann unmittelbar aus der zum militärischen Handeln verpflichtenden Regelung des Art. 87a Abs. 2 GG ergeben, unter Beachtung der sich aus dem Kriegsvölkerrecht ergebenden Pflicht zur Schonung auch der eigenen Zivilbevölkerung (Mußgnug, DÖV 1989 S. 917 ff., 921 f.). 82 Von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 42 f.; Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 73 Rdnr. 6; Kunig, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 73 Rdnr. 9; Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 73 Rdnr. 50. 83 So aber Maunz, in: MaunzlDÜTig, GG, Art. 73 Rdnr. 50. 77

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Von diesem engen Kernbereich ausgehend ist zu ennitteln, in welchem Umfang die Verteidigungsgesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs in Bereiche hinein auszudelmen ist, die allgemein den Ländern zustehen84 . Die Voraussetzungen für Gesetzgebungskompetenzen des Bundes kraft Natur der Sache sind sehr streng. Es muß sich um natürliche Bundesaufgaben handeln, die sich unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes ergeben85 . Schlußfolgerungen aus der Natur der Sache werden nur akzeptiert, wenn sie begriffsnotwendig sind und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Lösungen zwingend fordern86 . Als methodische Voraussetzung wird verlangt, daß eine Lücke in der Verfassung besteht, die durch Rechtssatzergänzung aufgrund evident höherwertiger Bundesinteressen zu schließen ist87 . Diese Voraussetzungen liegen jedoch hinsichtlich der von der Wahrnehmung der Verteidigungsaufgabe berührten Materien der Länder nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß nur durch Bundesgesetze auf diesen Gebieten sichergestellt werden kann, daß der Bund seine Verteidigungsaufgabe wahrnehmen kann. In Betracht kommt eine Ausdehnung der Verteidigungsgesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs. Die Voraussetzungen einer stillschweigend mitgeschriebenen Gesetzgebungskompetenz sind umstritten. Sie lassen sich in zwei Ansätzen zusammenfassen. Im Schrifttum wird teilweise eine analoge Anwendung des Art. 72 Abs. 2 GG befürwortet, da diese Vorschrift die Kriterien dafür festlege, wann das Bedürfnis einer bundeseinheitlichen Regelung besteht88 . Im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts89 wird überwiegend verlangt, daß das Übergreifen in einen anderen Kompetenztitel notwendige oder unerläßliche Voraussetzung für die Ausübung einer ausdrücklichen Kompetenz sein muß. Entscheidend sei ein überwiegender Sachzusammenhang mit der ausdrücklichen Kompetenz90 . Danach ist zu ennitteln, wie weit eine Bundeskompetenz die zu ihrer zweckentsprechenden, sachge84 Delbrnck, Umweltpflichtigkeit, S. 197. Für die Abgrenzung von Verwaltungskompetenzen nunmehr ebenso BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 (§ 4 Fußn. 3), Buchholz 11 Art. 30 Nr. 5 S. 4 f In der Sache ähnlich Erbguth, DVBI. 1988 S. 317 ff., 321, der rur die kompetenzrechtliche Zuordnung auf die spezifische Qualität als kompetenzthematisches Sonderrecht, die teleologisch zu ennitteln ist, abstellt. 85 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 (§ 4 Fußn. 116), BVerfGE 3 S. 407 Ir, 421 f 86 BVerfG, Beschl. v. 10.5.1960 (§ 4 Fußn. 117), BVerfGE 11 S. 89 fT., 98 f; Küchenhoff, DVBl. 1951 S. 585 fT., 586. 87 Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 fT., 68. 88 Achterberg, AöR 86 (1961) S. 63 fT., 90 fT. 89 BVerfG, Rechtsgutachten v. 16.6.1954 (§ 4 Fußn. 116), BVerfGE 3 S. 407 fT., 421. 90 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 fT., 248.

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mäßen Verwirklichung dienenden Regelungen erstrecken kann, ohne die zweckentsprechende und sachgemäße Verwirklichung der Landeskompetenzen zu verhindern91 . Aus der Sicht der Länder könnte ein Sachzusammenhang als sogenannte Zuständigkeit für untergeordnete Nebenzwecke 92 diskutiert werden. Sonderregelungen für die Bundeswehr berühren zwar den Kompetenzbereich der Verteidigungsgesetzgebung, haben aber im Verhältnis zur Gesamtregelung einer Ländermaterie nur eine untergeordnete Bedeutung. Eine PIiifung von Kompetenzen kann jedoch nur vom Bund her erfolgen, da dieser nur über begrenzte (Katalog) Zuständigkeiten verfügt93. Die Bundesperspektive legt es nahe, die Verteidigungsgesetzgebung kraft Sachzusammenhangs als sog. Zuständigkeit zur Spezialregeluni4 in den Länderbereich hinein auszudehnen. Die entsprechenden Materien könnten damit nach den besonderen Gegebenheiten und Erfordernissen der Verteidigung geordnet werden95 . Dieser Sachzusammenhang ist unabhängig von der kompetenzsystematischen Argurnentationsrichtung der stärkere, da das Grundgesetz der Verteidigungsaufgabe ein hohes Gewicht beimißt und in Art. 87b GG selbst Abweichungen von zivilen Strukturen statuiert. Die Verteidigung ist kein untergeordneter, sondern ein gegenläufiger Zweck zu den mit den Ländermaterien sonst verfolgten Regelungszielen. Eine Spezialregelung ist nur insoweit erforderlich, als landesrechtIiche Bestimmungen die Durchführung effektiver Verteidigungsmaßnalunen wesentlich erschweren oder vereiteln können, während im übrigen keine Notwendigkeit für eine verteidigungsspezifische Ordnung besteht. Dem kann durch eine ausschließliche Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs mit der Verteidigungsgesetzgebungskompetenz for den Erlaß von Vorschriften, die die Zulassung von Abweichungen von Landesgesetzen nach dem Vorbild etwa des § 60 Abs. 1 BlmSchG aus Gründen der Verteidigung erm6glicht, Rechnung 91 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 248. Enger Delbrück, Umweltptlichtigkeit, S. 197: Bundesgesetzliche Regelungen müssen unerläßlich sein. 92 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 ff., 263 f; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rdnr. 6; Wipfelder, DVBI. 1982 S. 477 fT., 481. 93 Erbguth, DVBI. 1988 S. 317 fT., 318 mit Fußn. 27. 94 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) S. 237 fI, 264 ff.; Wipfelder, DVBI. 1982 S.477 fT.,481 f 95 Vgl. ftlr die Bundeswasserstraßenverwaltung Friesecke, NuR 1993 S. 6 fT., der im Bereich des konkurrierenden integrierten Umweltschutzes die Wahrung von Umweltbelangen als Annex der Bundeskompetenz ansieht (S. 8), und aus dem Umfang der Verwaltungsaufgaben - sehr problematisch - auf den materiellen Ptlichtenkreis des Vorhabenträgers schließt (S. 9 f).

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getragen werden96 . Als Beispiel fiir eine solche Regelung ist § 45 Abs. 1 BWaldG zu nennen, der ausdrücklich von landesgesetzlichen Vorschriften freistellt. Schon aufgrund der Voraussetzung für die Kompetenzbegriindung kraft Sachzusammenhangs kann es sich hierbei nur um eine ausschließliche Bundeskompetenz handeln. Damit werden indessen - trotz der Sperrwirkung des Art. 71 GG - solche Ländervorschriften nicht ausgeschlossen, die die Bundeswehr aus dem Geltungsbereich des allgemeinen Landesgesetzes ausnehmen97 . Denn es ist zunächst Sache der Länder festzulegen, fiir wen eine Regelung gelten soll. Eine solche eng begrenzte Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs mit Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG greift nicht unzulässig in die Länderinteressen ein. Eine derartige Ausnahmenorm wäre entweder nach Art. 83 GG von den Ländern auszufiihren, d.h. ihnen stünde die Entscheidungsbefugnis über die Zulassung von Abweichungen zu, oder sie bedürfte der Zustimmung des Bundesrates, wenn die Ausfiihrung nach Art. 87b Abs. 2 Satz 1 GG auf die Bundeswehrverwaltung übertragen werden so1l98. Für den Bund stellt eine solche Gesetzgebungskompetenz lediglich eine Option, aber keine Verpflichtung dar. Über eine Abweichungsmöglichkeit von gesetzlichen Anforderungen wird durch Gesetz entschieden, so daß der Gesetzesvorrang des Art. 20 Abs. 3 GG nicht zur Disposition der Exekutive steht. Die Bundeswehr ist danach in vollem Umfang an das kompetenzgerecht erlassene Landesrecht gebunden, soweit es auf sie anwendbar ist und nicht aufgrund eines Bundesgesetzes eine Ausnahme zugelassen ist. Die Kompetenzen der Bundesländer werden im Bereich der Bundeswehr durch den engen Kernbereich der Verteidigungsgesetzgebungskompetenz des Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG begrenzt, d.h. die Länder dürfen keine Regelungen treffen, die die innere Organisation der Bundeswehr oder die Art der Ausführung von Verteidigungsmaßnahmen erfassen99 .

96 Im Ergebnis ebenso Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 98, mittels analoger Anwendung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG, der dann aber zu einer konkurrierenden Bundeskompetenz gelangt. Ansätze in der hier vertretenen Richtung bei Salzwedel, NuR 1984 S. 165 fT., 170. A.A. Ebsen, Militärische Bodermutzung, S. 30, der allerdings den engen Sachzusammenhang mit der Verteidigung nicht berücksichtigt. 97 Vgl. z.B. § 68 b-w Naturschutzgesetz. 98 Zur Zulässigkeit einer derartigen Bundeszuständigkeit siehe oben § 4 D I 7. 99 Vgl. Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 28 f. 10 RepkewilZ

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C. Zweck abweichender materieller Anforderungen Die Streitkräfte bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen ihrem verfassungsrechtlichen Verteidigungsauftrag und den Anforderungen des allgemeinen materiellen Rechts. Im Grundsatz müssen sie ihre Aufgabe im Rahmen und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des Umweltund sonstigen Besonderen VerwaItungsrechts, wahrnehmen. Das kann im Einzelfall bedeuten, daß eine effektive Verteidigung an umweltrechtlichen Anforderungen scheitert. Die militärische Selbstbehauptung des Staates hat aber eine erhebliche Bedeutung als staatliche "Urfunktion"l00. Ihre effektive Wahrnehmung zu gewährleisten, ohne die grundsätzliche Gesetzesbindung der Bundeswehr in Frage zu stellen, ist Aufgabe der materiellen Sondervorschriften. Den materiellen Ausnahmebestimmungen geht es vor allem danun, die notwendige Flexibilität bei der Durchfiihrung von Verteidigungsmaßnahmen herzustellen. Der militärischen Verteidigung soll ein beschränkter Vorrang gegenüber den Belangen des Umweltschutzes zukommen101 , sofern die umweltrechtlichen Vorschriften einen effektiven Verteidigungseinsatz verhindern oder wesentlich erschweren würden. Das ist den Privilegierungsvoraussetzungen zu entnehmen. Materielle Erleichterungen bestehen, soweit dies aus Gründen der Landesverteidigung erforderlich ist. Dabei kann der Grad der Erforderlicbkeit je nach Regelungsgegenstand abgestuft sein. Das gilt auch für eine Freistellung der Bundeswehr ohne Abwägung im Einzelfall. Hier hat der Vorschriftengeber die Erforderlicbkeit von Abweichungen als typische Situation angesehen. Neben der F1exibilisierung können weitere Zwecke, etwa die Geheimhaltung, mit der Einführung und Ausgestaltung der materiellen Sondemormen verfolgt werden lo2 .

Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff, 686. Vgl. OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 - 7 A 608/84 -, Ule/Laubinger, BlmSchGRspr. § 60 Nr. 2 S. 7. 102 Dazu Kunig, in: Kunig/Schwenner/Versteyl, AbfG, § 29a Rdnr. 5. 100

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D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit abweichender materieller Anforderungen Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit materieller Privilegierungen von Bundesbehörden und insbesondere der Bundeswehr wird kamn erörtert. Im Rahmen seiner Entscheidung zur Stationierung amerikanischer C-Waffen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des § 60 Abs. 1 BImSchG sehr knapp so begründet103 : § 60 Abs. 1 BImSchG nehme ein höheres Maß an Gefahren hin als § 22 Abs. 1 Satz 2 oder andere Vorschriften des BImSehG. ,,Die Sicherung der freiheitlichen Ordnung nach außen durch eine wirkungsvolle Landesverteidigung rechtfertigt es indessen, dem Einzelnen hinsichtlich militärischer Anlagen ausnahmsweise ein höheres Maß an Risiken zuzumuten als im Bereich ziviler Anlagen." So unproblematisch ist die Sache aber nicht. Denn Privilegierungen stellen neben der Einwirkung auf Rechte Dritter104 - immer ein Gleichheitsproblem dar105 . Eine privilegierende Ungleichbehandlung der Bundeswehr ist in zweierlei Hinsicht zu konstatieren: gegenüber dem Bürger, dessen Verhalten bei der Inanspruchnahme der Umwelt höheren Anforderungen genügen muß, und gegenüber anderen Trägem öffentlicher Verwaltung, die nicht oder nur teilweise entsprechend der Bundeswehr privilegiert werden. Eine materielle Privilegierung erlegt zugleich dem Nachbarn, wie vom Bundesverfassungsgericht zutreffend ausgeführt, erhöhte Duldungspflichten auf. Deshalb ist auch zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung der Nachbarn gerechtfertigt ist. /. Privilegierung gegenüber Privaten

Die Rechtsetzung ist an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. I GG gebunden. Das ergibt sich aus Art. lAbs. 3 GG und ist, anders als unter der Geltung des Art. 109 Abs. 1 WRV106, unbestritten 107. Die materiellen Anforderungen des Art. 3 Abs. I GG sind aber bis heute nicht abschließend geklärt. 103 BVerfG, Beseh!. v. 29.10.1987 - 2 BvR 624, 1080, 2029/83 -, BVerfGE 77 S. 170 ff., 226.

Dies betont DeLbrock, Umweltpfliehtigkeit, S. 133. DeLbrock, Umweltpflichtigkeit, S. 134. 106 Vg!. dazu Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, S. 460 tT. (keine Bindung des Gesetzgebers); dagegen Stier-SamLa, Artikel 109: Gleichheit vor dem Gesetz, S. 158 ff., 177 ff.; TriepeL, Goldbilanzen-Verordnung und Vorzugsaktien, S. 27 ff. 104

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Die ältere Rechtsprechung des BVerfG interpretiert den allgemeinen Gleichheitssatz als Willkürverbot. Nach dieser auf die Arbeiten von Gerhard Leibholz!08 ZUlÜckgehenden!09 Auffassung verbietet Art. 3 Abs. 1 GG es dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln!! o. Willkür verlange im objektiven Sinn, daß eine Norm die zu regelnde tatsächliche Situation eindeutig unangemessen erfasse!!!. Der Gleichheitssatz sei nur dann verletzt, wenn ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund fiir die gesetzliche Differenzierung sich nicht finden läße 12. Das bedeutet, daß zunächst die Unterschiede in den tatsächlichen Verhältnissen festzustellen sind, bevor untersucht werden kann, ob eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf diese Unterschiede sachlich begründet und vertretbar ist113 . Vergleichspaar ist hier die Inanspruchnahme der Umwelt fiir private zivile und fiir Verteidigungszwecke. Das entscheidende Vergleichskriterium, das den zu vergleichenden Sachverhalten gemeinsam ist, ist die Inanspruchnahme der Umwelt. Tatsächliche Unterschiede der Inanspruchnahme der Umwelt zu Verteidigungszwecken gegenüber einer Inanspruchnahme für private zivile Zwecke bestehen in folgendem: Die Verteidigungsnutzung muß in hohem Maße verfügbar und effektiv!!4 sein, um die Landesverteidigung gewährleisten zu können. Art und Umfang der Inanspruchnahme hängen weitgehend von dem Vorgehen eines Angreifers ab, sind also situationsabhängig und damit nur eingeschränkt vorherseh- und planbar. Die Einbindung des deutschen Verteidigungsbeitrages in die Bündnissysteme von NATO und WEU erfordert Kompatibilität mit den verbündeten Streitkräften. Die Inanspruchnahme der 107 Vg!. statt vieler BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 - 2 BvG I/51 -, BVerfGE I S. 14 fT., 52; Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 241; Schoch, DVB!. 1988 S. 863 fT., 868. 108 Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 72 fT. (zu Art. 109 WRV), 245 fT. (zu Art. 3 Abs. I GG). 109 Hesse, AöR 109 (1984) S. 174 fT., 186; Sachs, JuS 1997 S. 124 fT., 124. 110 BVerfG, Urt. v. 16.3.1955 - 2 BvK I/54 -, BVerfGE 4 S. 144 fT., 155; Beseh!. v. 20.3.1979 - I BvR 111174,283178 -, BVerfGE 51 S. 1fT., 23; Besehl. v. 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76 S. 256 fT., 329. 111 BVerfG, Beseh!. v. 7.5.1953 -I BvL 104/52 -, BVerfGE 2 S. 266 fT., 281; Urt. v. 16.3.1955 (Fußn. 110), BVerfGE 4 S. 144 fT., 155; Besehl. v. 20.3.1979 (Fußn. 110), BVerfGE 51 S. 1fT., 27; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 9. 1!2 BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 (Fußn. 107), BVerfGE I S. 14 fT., 52; Besehl. v. 20.3.1979 (Fußn. 110), BVerfGE 51 S. 1fT., 23; Besch!. v. 30.9.1987 (Fußn. 110), BVerfGE 76 S. 256 fT., 329. 113 Gubelt, in: von MünchlKunig, GGK I, Art. 3 Rdnr. 11. 1!4 EfTektiv in dem Sinne, daß sie ihre Aufgaben erfüllen muß, ohne durch anderweitige Rücksichtnahmen darin wesentlich behindert zu sein.

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Umwelt für zivile Zwecke ist nicht in gleichem Maße situationsabhängig. Sie beruht in der Regel auf einer längerfristigen Planung, die an Überlegungen wie etwa der Rentabilität ausgerichtet ist. Die tatsächlichen Unterschiede ergeben, gerade im Hinblick auf Art. 87a Abs. I Satz 1 und Art. 12a Abs. 1 GG, die die militärische Landesverteidigung zulassen, eine nachvollziehbare Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung. Das sagt allerdings noch nicht, in welchem Umfang eine solche Differenzierung vorgenommen werden darf. Hier hilft die Willkür-Formel nicht weiter. Das Willkür-Verbot kann lediglich evident unzulässige Differenzierungen ausgrenzen115 . Es ist auf die Kontrolle des Gesetzgebers durch das Verfassungsgericht ausgerichtet und vermeidet erhebliche Beschränkungen des einen Verfassungsorgans durch ein anderes l16 . Für die Feinabstimmung zulässiger Differenzierungen ist die Willkür-Formel zu vage 117 . Um den allgemeinen Gleichheitssatz besser handhabbar zu machen, hat das Bundesverfassungsgericht die sog. "neue Formel" entwickelt. Danach ist Art. 3 Abs. 1 GG vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können 118 . Eine sachlich einleuchtende Zielsetzung sei nur dann rechtmäßig, wenn die zur Ziel erreichung eingesetzten Mittel angemessen sind l19 . Das läuft im Ergebnis auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus l20 . Hesse, AöR 109 (1984) S. 174 ff., 191;Schoch, DVBl. 1988 S. 863 ff., 875 m. w. N. Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. \0. Auch Hesse, AöR 109 (1984) S. 174 fI, 191, weist zutreffend auf den Zusammenhang zwischen der Willkür-Formel und der verfassungsgerichtlichen PIilfungskompetenz hin. 117 Hesse, AöR 109 (1984) S. 174 ff., 191; P. Kirchhof, HStR V, § 124 Rdnr. 237; Sachs, JuS 1997 S. 124 ff., 125; Schoch, DVBl. 1988 S. 863 ff., 875 m. w. N. 118 Besehl. v. 7.10.1980 - I BvL 50, 89179, I BvR 240179 -, BVerfGE 55 S. 72 ff., 88; Besehl. v. 29.11.1989 - 1 BvR 1402, 1528/87 -, BVerfGE 81 S. \08 ff., 118; Besehl. v. 29.5.1990 - 1 BvL 20, 26/84, 4/86 -, BVerfGE 82 S. 60 11, 86.; Besehl. v. 2.12.1992-1 BvR296/88-, BVerfGE 88 S. 5 ff., 12. 119 BVerfG, Besehl. v. 20.3.1979 (Fußn. 110), BVerfGE 51 S. J 11, 24; Besehl. v. 23.1.1990 - I BvR 306/86 -, BVerfGE 81 S. 208 ff., 224; Besehl. v. 30.5.1990 - I BvL 2/83,9, 10/84,3/85, 11, 12, 13/89,4/90, I BvR 764/86 -, BVerfGE 82 S. 126 ff., 146. 120 Abw. Meinung Katzenstein, BVerfGE 74 S. 28 ff., 30; BVerfG, Besehl. v. 26.1.1993 - I BvL 38, 40,43/92 -, BVerfGE 88 S. 87 ff., 96; Besehl. v. 11.1.l995 - I BvR 892/88 -, BVerfGE 92 S. 53 ff., 68; Henog, in: MaunzlDürig, GG, Anhang zu Art. 3 Rdnr. 6; Hesse, AöR 109 (1984) S. 174 ff., 189; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 14; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rdnr. 19, anders aber Rdnr. 25. Dagegen Sachs, JuS 1997 S. 124 ff., 129: es handele sich wesensgemäß um eine Entsprechensprüfung, nicht um die Kontrolle der Verhältnismäßigkeit. 115

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Daraus hat das Bundesverfassungsgericht eine abgestufte Differenzierungsbefugnis des Gesetzgebers je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen entwickelt. Sie reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse 121 . Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers gehe am weitesten, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedlichen Regelungen einstellen könnten122 . Bei der Ungleichbehandlung von Personen unterliege der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung, die um so enger sei, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale an die in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale annäherten und je stärker sich die Differenzierung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann 123 • Bei den materiellen Ausnahrnevorschriften für die Bundeswehr nimmt der Gesetzgeber eine Differenzierung nach Personen vor. Die materiellen Anforderungen, von deren Einhaltung die Bundeswehr partiell freigestellt wird, richten sich an Personen, die auf die Umweltgüter einwirken, indem sie z.B. Anlagen betreiben, mit Stoffen umgehen oder in Natur und Landschaft eingreifen. Das bedeutet, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die hier zugrundegelegt werden soll, Art. 3 Abs. I GG hier nicht ein bloßes Willkürverbot statuiert., sondern weitergehende Anforderungen an die Rechtfertigung der Differenzierung stellt. Betrachtet man isoliert das Verhältnis der Umweltnutzer, wird man im Hinblick auf die Verteidigungsaufgabe (Art. 87a Abs. 1 GG) zwischen zivilen und militärischen Nutzern Unterschiede ausmachen können, die der Privilegierung der Streitkräfte nicht im Wege stehen. Die Bundeswehr steht nicht im Wettbewerb mit Privaten, erlangt mithin ihnen gegenüber keine Wettbewerbsvorteile. Geringere Umweltschutzanforderungen bedeuten geringere Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen hat. Eine Kostenreduzierung kommt der Allgemeinheit und damit auch anderen Umweltnutzern zugute. Eine derart vordergründige Angemessenheitsprüfung würde allerdings den entscheidenden Aspekt der materiellen Umweltschutzanforderungen verkennen. Sie erlegen nämlich nicht nur den Umweltnutzern Anforderungen auf, sondern legen gleichzeitig fest, in welchem Umfang Dritte, sei es als Allgemeinheit oder als Nachbarschaft, Einwirkungen auf die Umwelt und damit u.U. 121 BVerfG, Beseh\. v. 26.1.1993 (Fußn.120), BVerfGE 88 S. 87 fI, 96; Beseh\. v. 1 1.1.1995 (Fußn. 120), BVerfGE 92 S. 53 fT., 68. 122 BVerfG, Beseh\. v. 2.12.1992 (Fußn. 118), BVerfGE 88 S. 5 fT., 12. 123 BVerfG, Beseh\. v. 2.12.1992 (Fußn. 118), BVerfGE 88 S. 5 tT., 12; Beseh\. v. 26.1.1993 (Fußn. 120), BVerfGE 88 S. 87 tT., 96; Beseh\. v. 11.1.1995 (Fußn. 120), BVerfGE 92 S. 53 tT., 69.

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auch auf ihre Rechte zu dulden haben. Wenn eine Ungleichbehandlung grundrechtlich verbürgte Rechtspositionen berührt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine strenge Entsprechensprüfung vorzunehmen l24 . Das Ausmaß der Differenzierungsmöglichkeiten findet seine Grenze an den Grundrechten der Betroffenen. Die unterschiedliche Behandlung der Nachbarn darf jeweils nicht zu einem unzulässigen Eingriff in deren Grundrechte fuhren. Hier geht es - mangels eines allgemeinen UmweItgrundrechts - um die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit125 und des Eigentums l26 • Selbst wenn man Art. 2 Abs.2 GG eine Pflicht des Staates entnehmen wollte, den Nachbarn vor Beeinträchtigungen durch nicht grundrechtsverpflichtete Dritte zu schützenI27 , reicht der verfassungsrechtIiche Schutzanspruch nicht weiter als deljenige aus dem "klassischen" Abwehrrecht des Art. 2 Abs.2 Satz I GG gegenüber der Verteidigungsnutzung, die Schutzstandards entsprechen sich vielmehrl28 . Vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG liefert nur der grundrechtliehe Abwehran-

124 BVerfG, Besch!. v. 18.11.1986 - 1 BvL 29, 30, 33, 34, 36/83 -, BVerfGE 74 S. 9 fT., 24 (allgemein), 26 (fIlr Art. 14 Abs. 1 GG); Besch!. v. 29.11.1989 (Fußn. 118), BVerfGE 81 S. 108 tT., 118 (für Art. 5 Abs. 3 GG); Besch!. v. 29.5.1990 (Fußn. 118), BVerfGE 82 S.60 tT., 86 (fIlr Art. 6 Abs. 1 GG); Beschl. v. 30.5.1990 (Fußn. 119), BVerfGE 82 S. 126 ff., 146; Besch!. v. 2.12.1992 (Fußn. 118), BVerfGE 88 S. 5 ff., 12; Besch!. v. 26.1.1993 (Fußn. 120), BVertGE 88 S. 87 ff., 96; Besch!. v. 11.1.1995 (Fußn. 120), BVerfGE 92 S. 53 ff., 69. 125 Von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.2 Rdnm. 130, 158; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 II Rdnr. 48; Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rdnr. 11 (S. 116) m. w. N. 126 Kloepfer, Umweltrecht, § 3 Rdnr. 12 (S. 116). 127 So Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, insbes. S. 187 ff.; Murswiek, Die staatliche Verantwortung fIlr die Risiken der Technik, insbes. S. 101 ff.; Schmidt-Aßmann, AöR 106 (1981) S. 205 tT., 215 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 II Rdnr.48. Speziell für die LuftreinhaItung auch BVerfG (Vorprüfungsausschuß), Besch!. v. 14.9.1983 - 1 BvR 920/83 -, Ule/Laubinger, BImSchG-Rspr. § 10 Nr. 46 S. 3. 128 Hemles, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 249; Murswiek, Die staatliche Verantwortung fIlr die Risiken der Technik, S. 110; wohl auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 11 Rdnr. 53, der auf das Untermaßverbot abstellt. Enger Schmidt-Aßmalln, AöR 106 (1981) S. 205 ff., 216 (',Die Schutzpflicht der umweItbezogenen Seite des Art. 2 Abs. 2 GG ist al1erdings nicht von der gleichen Intensität wie die der klassischen abwehrrechtlichen Dimension des Art 2 Abs. 2 GG entsprechende staatliche EnthaItungspflicht. Während staatliche Eingriffe jedes Schweregrades grundsätzlich untersagt sind und nur mittels ausdlÜcklicher gesetzlicher Anordnung vorgenommen werden dürfen, zwingt die Schutzpflicht nicht schon bei jeder wie immer gearteten Verletzung der genannten Rechtsgüter durch Dritte zu einer staatlichen Reaktion. Zu einem Handeln verpflichtet wird der Staat vielmehr erst bei nicht unerheblichen Gefahren." [Hervorhebungen im Original)).

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

spruch aus Art. 2 Abs. 2 Satz I GG Kriterien für eine zulässige Differenzierung. Maßstab für die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ist die Verhältnismäßigkeit. Dieses Grundrecht darf nur insoweit beschränkt werden, als das ZlUn Schutz öffentlicher Interessen geeignet, erforderlich und angemessen ist l29 . Gleiches gilt für die Bestimmung der Schranken des Eigentmns durch den Gesetzgeber l30 . Zur Gewährleistung einer funktionsfähigen Landesverteidigung ist die Venninderung der materiellen Umweltschutzanforderungen bei der Inanspruchnahme der Umwelt für Verteidigungsvorhaben grundsätzlich geeignet, weil eine effektive Verteidigung dann nicht an solchen Anforderungen scheitern kann. Bei der Erforderlichkeit und der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) ist nach den Erscheinungsformen der materiellen Ausnahrnevorschriften zu differenzieren. Ob der Geltungsausschluß erforderlich ist, ist problematisch, denn die Zulassung von Ausnahmen im Einzelfall ist als milderes Mittel denkbar. Der Geltungsausschluß in § lAbs. 6 GGVSee und § 3 Abs. 9 GGYBinSch besteht aber nur dann, wenn GIiinde der Verteidigung dies erfordern, d.h. die Erforderlichkeit im konkreten Einzelfall zu bejahen ist. Die § 38 Nr. 1 BNatSchG, § 45 Abs. 1 Nr. 1 BWaldG betreffen den Bestandsschutz für Verteidigungsnutzungen, die bereits beim jeweiligen Inkrafttreten dieser Gesetze bestanden 131 ; hierfür würden flächendeckend Ausnahmen erteilt werden. Die Einzelzulassung ist danach nicht milderes Mittel gegenüber einem Geltungsausschluß. Gleiches gilt für die Abweichungsbefugnis kraft Gesetzes \32. Auch hier ist eine Ausnahrnezulassung als milderes Mittel denkbar und die Erforderlichkeit deshalb begIiindungsbedürftig. Ebenso wie die geltungsausschließenden Normen binden die Bestimmungen der § 30 Abs. I Satz I LuftVG, § 60 Abs.2 BlmSchG sowie der Smog-Verordnungen die Abweichungsmöglichkeiten im Einzelfall an die Erforderlichkeit für Zwecke der Landesverteidigung. 129 Kunig, in: von MünchlKunig, GGK I, Art. 2 Rdnr. 84; PierothiSchlink, Grundrechte, Rdnr. 442; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 II Rdnr. 37,39; von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnr. 135. \30 Papier, in: MaunzlDürig, GG, Art. 14 Rdnr. 307; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rdnrn. 70, 73; BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 - I BvR 532/77 -, BVerfGE 50 S. 290 If., 341; Besch\. v. 14.7.1981 - I BvL 24/78 -, BVerfGE 58 S. 137 If., 148; Beschl. v. 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79 S. 174 If., 198; mit EinschränlClUlgen auch Bryde, in: von MünchlKunig, GGK I, Art. 14 Rdnr. 63. \31 Repkewitz, VerwAreh. 82 (1991) S. 388 tf., 408. 132 Vgl. ZU § 30 Abs. 1 LufiVG BVerfG, Besch!. v. 7.10.1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604176 -, BVerfGE 56 S. 298 tf., abw. Meinung Wand/Niebeler, S. 329; im Erg. ebenso Soell, in: Salzwede1, Grundzüge, S. 347.

§ 5 Materielle Regelungen

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Für die Vorschriften, die eine ausdrückliche Zulassung der Abweichung verlangen, ist kein milderes Mittel ersichtlich. Sie sind erforderlich. Die Prüfung der Angemessenheit (Proportionalität, Verhältnismäßigkeit i.e.S.) fiihrt zu der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Grundrecht Drittbetroffener auf körperliche Unversehrtheit und der militärischen Verteidigung. Soweit die Ausnahmevorschriften sich nur auf das Grundrecht von Soldaten auswirken 133 , kann die Angemessenheit schon deshalb bejaht werden, weil das Grundgesetz mit der Zulassung einer militärischen Verteidigung die unvermeidliche erhebliche Gefahrdung der körperlichen Unversehrtheit der Soldaten anerkennt und akzeptiert 134 • Auch die übrigen materiellen Sonderregelungen sind im Verhältnis zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angemessen 1J5 . Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Der staatlichen Aufgabe der Verteidigung (Art. 87a Abs. 1 Satz 1 GG) obliegt der Schutz der Bundesrepublik Deutschland und der durch das Grundgesetz konstituierten Rechtsordnung gegen 133 Verordnungen nach § 24 a.F. GewO, § 3 Abs. I, § II GerätesicherheitsG, siehe oben § 2 B II 4 a. Nach den Durchführungsbestimmungen des BMVg gelten die Verordnungen entsprechend für die Anlagen, die den Verordnungen nicht unterliegen. Siehe dazu Nr. 1 der Bestimmungen zur Durchführung der Dampfkesselverordnung in der Bundeswehr (DBBwDampfkV) - Neufassung - vom 26.10.1977 (VMBl. S. 398), zul. geändert durch Erl. vom 19.3.1987 (VMBl. S. 87); Nr. I Satz 2 der Bestimmungen zur Durchfuhrung der Druckbehälterverordnung in der Bundeswehr (DBBwDruckbeh V) Neufassung - vom 1.8.1990 (VMBl. S.379), geändert durch Erl. vom 13.7.1995 (VMB!. S. 275); Einleitung der Bestimmungen zur Durchftihrung der Getränkeschankanlagenverordnung in der Bundeswehr (DBBw Getränkeschankanlagen V) - Erstfassung - vom 26.10.1977 (VMBl. S. 387); Nr. I der Bestimmungen zur Durchftihrung der Aufzugsverordnung in der Bundeswehr (DBBwAufz V) - Neufassung - vom 18.4.1979 (VMB!. S. 109), zu!. geändert durch Er!. vom 19.3.1987 (VMBl. S. 87); Ne. I der Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung über elektrische Anlagen in explosionsgefährdeten Räumen in der Bundeswehr (DBBwElexV) - Neufassung - vom 29.7.1981 (VMBl. S. 303); Nr. 1 Abs. 2 der Bestimmwlgen zur Durchführung der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) in der BWldeswehr (DBBwVbF) - Neufassung - vom 6.4.1993 (VMB!. S. 170); Ne. I Abs. I der Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung über die Sicherheit medizinisch-technischer Geräte in der BW1deswehr (DBBwMedGV) - Erstfassung - vom 27.5.1986 (VMBl. S. 341); siehe auch bereits Nr. 3 des Erlasses "Sicherheitstechnische Überwachung gefährlicher, in der Regel von Soldaten bedienter Anlagen im Bereich der Marine" vom 6.5.1964 (VMBl. S.239). 134 Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 168 Fußn. 52; ders., in: Sachs, GG, Art. 2 Rdnm 171 f., 178; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 II Rdnr. 42; von MangoldtiKleinlStarck, GG, Art. I Rdnr. 54, Art. 2 Rdnr. 153. Sachs, BayVB!. 1983 S. 460 tT., 463, 489 tT., 490 f., hält eine Pflicht zum Einsatz von Leben und Gesundheit mangels entsprechender gesetzlicher Grundlage und denkbare gesetzliche Grundlagen wegen Verstosses gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. I Satz 2 GG für verfassungswidrig. 135 Soe/l, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 347.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Angriffe von außen. Die Wahrnehmung der Verteidigungsaufgabe dient auch dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Zum einen dadurch, daß eine Rechtsordnung geschützt wird, die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einen Abwehranspruch gegen staatliche Eingriffe in das Leben und die körperliche Unversehrtheit statuiert. Zum anderen dadurch, daß die Aufstellung von Streitkräften potentielle Angreifer von einem Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland abschrecken soll. Wo diese Abschreckung nicht (mehr) greift, ist einem Angriff durch militärische Gegenmaßnahmen zu begegnen, um Schäden fiir die Bundesrepublik und ihre Bewohner abzuwenden. Jedenfalls soweit Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz I GG der Bürger für eine effektive Landesverteidigung unvermeidlich sind, sind sie angemessen 136 . Das gilt gleichermaßen fiir einen Eingriff in das Eigentwn. Wenn die unterschiedliche Behandlung lnilitärischer und privater ziviler Inanspruclmahrnen der Umwelt vor dem Hintergrund der Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 GG mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist, besteht erst recht kein Gleichheitsverstoß, wenn die Auswirkungen keine grundrechtlich geschützten Positionen betreffen. Die dann vorzunehmende Willkürprüfung zeigt keine Verstöße gegen Art. 3 Abs. I GG. Die Privilegierung der Bundeswehr gegenüber Privaten bei der Inanspruchnahme von Umweltgütern genügt damit den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG.

Il. Privilegierung gegenüber anderen öffentlichen Venvaltungen Die Bundeswehr wird bei der Inanspruclmahme von Umweltgütern nicht nur gegenüber privater, sondern auch gegenüber öffentlich-rechtlicher ziviler Inanspruchnalune von Umweltgütem privilegiert. Nur vereinzelt gelten, z.B. fiir den Bundesgrenzschutz I3 ?, ähnliche Ausnahmebestimmungen zugunsten anderer Verwaltungen. Im Verhältnis zu diesen Verwaltungen gilt Art. 3 Abs. 1 GG nicht\38, vielmehr gilt ein aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitetes objektivrechtliches Willkürverbot 139 . \36 Das ist wohl im Ergebnis enger als die oben im Text bei Fußn. 103 wiedergegebene AutTassWlg des BVerfG, das allerdings in dem entschiedenen Fall keine VeranlasSWlg hatte, hierauf näher einzugehen, da § 60 Abs. 1 Satz 1 BImSchG die Zulassung von Ausnahmen an die Voraussetzung knüpft, daß zwingende Gründe der VerteidigWlg eine AbweichWlg erfordern. Wie hier Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 2 11 Rdnr. 42; Delbrlick, Umweltpflichtigkeit, S. 134. 137 Vgl. § 38 Nr. 2 BNatSchG, § 45 Abs. 1 Nr. 2 BWaldG. 138 Jarass, in: JarasslPieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 4a; Osterloh, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 74. AA BVerfG, Beschl. v. 2.5.1967 - 1 BvR 578/63 -, BVerfGE 21 S. 362 tT.,

§ 5 Materielle Regelungen

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Zwischen der Abwehr von Angriffen auf die Bundesrepublik Deutschland und der Wahrnehmung der übrigen staatlichen Aufgaben gibt es einen grundlegenden Unterschied: Der Bestand der Bundesrepublik Deutschland und damit die Erfüllung anderer staatlicher Aufgaben hängt von der Verteidigung ab. Die mit der Privilegierung geschaffene erhöhte Flexibilität der Verteidigung stellt einen vernünftigen Grund für die Ungleichbehandlung dar.

372; Besehl. v. 19.12.1967 - 2 BvL 4/65 -, BVerfGE 23 S. 12 fT., 24; Besehl. v. 1.7.1987 - 1 BvL 21182 -, BVerfGE 76 S. 130 fT., 139. 139 Jarass, in: JarasslPieroth, GG, Art. 3 Rdnr. 4a; Osterloll, in: Sachs, GG, Art. 3 Rdnr. 74; BVerfG, UIt. v. 27.5.1992 - 2 BvF 1,2/88, 1/89, 1190 -, BVerfGE 86 S. 148 fT.,251.

§ 6 Verfahren Verfahrensvorschriften legen die Regeln der Entscheidungsfindung fese. Für die Bundeswehr gibt es eine Reihe von Sondervorschriften, die die Durchführung von VerwaItungsverfahren ausschließen oder eine abweichende Verfahrensgestaltung vorschreiben oder ermöglichen. Bevor die einschlägigen Normen dargestellt und die mit ihnen verfolgten Zwecke herausgearbeitet werden, bedarf die sog. "formelle Polizeipflicht" der Bundeswehr einer grundsätzlichen Klärung. Dies deshalb, weil die hier zu erörternden Gesetze meist nach Art. 83 GG von den Ländern ausgeführt werden und es noch nicht abschließend geklärt ist, ob und in welchem Umfang die Bundeswehr landesbehördlichen Verfahren unterworfen werden kann. Die verfahrensrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr sollen abschließend einer verfassungsrechtlichen Würdigung unterzogen werden, da sie insbesondere mit Blick auf den Gleichlleitssatz und das Rechtsstaatsprinzip nicht unproblematisch, zumindest aber begriindungsbedürftig erscheinen.

A. "Formelle Polizeipflicht" des Bundes Die Bundeswehr hat mit den dargestellten Einschränkungen das materielle Bundes- und Landesrecht zu beachten. Von dieser sog. "materiellen Polizeipflicht" ist die "formelle Polizeipflicht" zu unterscheiden. Hierbei geht es danun, ob die regulär zuständigen Polizei- oder Ordnungsbehörden die Bundeswehr mit hoheitlichen Mitteln an ihre materielle Polizeipflicht "erinnern" dürfen. Die verfahrensrechtlichen Sondervorschriften lassen diese Frage teilweise offen. Welche rechtlichen Regelungen geiten, wenn keine ausdrücklichen Normen für die Bundeswehr bestehen? Besondere Bedeutung hat diese Fragestellung für die Nonnen, die die Befugnis zu "polizeilichen Maßnahmen" gegenüber der Bundeswehr vorsehen. Darunter werden hier sämtliche belastenden hoheitlichen Maßnahmen verstanden.

) Badura, in: Erichsen, AlIgVerwR, § 34 Rdnr.2 (S. 434 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. I (S. 446); Ule/Laubinger, VerwaItungsverfahrensrecht, § 2 Rdnr. 3 (S. 11); Wolff, vr 1996 S. 367 fT., 367.

§ 6 Verfahren

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Dies sind etwa der Erlaß nachträglicher Anordnungen2, der Widerruf einer Genelunigung3 , die Stillegung einer Anlage oder die Betriebsuntersagung4. aber auch die Befugnisse im Rahmen der Überwachungs. Der belastende Charakter einer Genehmigungsentscheidung mag zweifelhaft erscheinen, werden doch dem Antragsteller jedenfalls bei gebundenen Entscheidungen lediglich die Grenzen des von ilun ohnehin zu beachtenden materiellen Rechts aufgezeigt6 Aus seiner Sicht stellen allerdings sowohl die einer Genehmigung regelmäßig beigefügten Nebenbestimmungen wie auch eine Versagung der Genehmigung Belastungen dar, da er das geplante Vorhaben nicht wie gewünscht verwirklichen kann. (positive wie negative) Genehmigungsentscheidungen sind danach "polizeiliche Maßnalunen" im Sinne der hier verwendeten Terminologie. Eine sog. "formelle Polizeipflicht" von Hoheitsträgern wird weithin abgelehnt. Gefahren, rur die andere Verwaltungen als die Polizei- oder Ordnungsverwaltung verantwortlich seien, dürften grundsätzlich nicht mit polizeilichen Anordnungen gegen die verantwortliche Behörde bekämpft werden, wenn und soweit dadurch in deren hoheitliche, d.h. öffentlichrechtlich geordnete Zuständigkeiten eingegriffen würde 7 . Denn die Polizeibehörden fungierten nicht als Oberbehörden mit Befehlsgewalt über andere Verwaltungsbehörden8 . Die An2 Z.B. § 17 (ähnlich § 24 für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen) i.Y.m. § 59 BIrnSchG i.V.m. § lAbs. 1 der 14. BImSchV.

Z.B. § 21 i.V.m. § 59 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 14. BImSchV. Z.B. § 20 (ähnlich § 25 für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen) i. V.m. § 59 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 14. BImSchV. 5 Z.B. § 21 WHG. 3 4

6 Vgl. Delbriick, Umweltptlichtigkeit, S. 166, der jedoch dem Genehmigungserfordernis einen überwiegend materiellen Geha1t entnirrunt. Die Genehmigungsbedürftigkeit sei demnach eine materiell-rechtliche Frage und nach den dafür entwickelten Kriterien zu beantworten (a.a.O., S. 174). 7 Denninger, in: Lisken/Deruunger, Hdb Po1R, E Rdnr. 82; Gusy, Polizeirecht, Rdnrn. 136, 137 (S. 72); Mmtens, in: DrewslWackelVogellMartens, Gefahrenabwehr, § 15 3 b (S. 241); Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 273 (S. 163); Kölble, DÖV 1962 S. 661 ff., 665; Schenke, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, II Rdnr. 147 (S. 246); Weber, APF 1958 S. 65 ff., 67; Würtenberger, in: Achterberg/ Püttner 11, Kap. 7/1 Rdnr. 178 (S. 405). Für den Bereich der Nutzung von Liegenschaften durch die Bundeswehr: Dörge, DÖV 1961 S. 527 ff., 528. Aus der Rspr. grundlegend OVG Lüneburg, Urt. v. 18.6.1957 - II OVG - 47/55 -, OVGE 12 S. 340 ff. (Paketpostamt Hannover); BVerwG, Urt. v. 16.2.1968 (§ 5 Fußn. 23), BVerwGE 29 S. 52 ff, 59. Zweifelnd nurunehr Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 240 (S. 92 f.), der dargestellten Ansicht folgend noch in der 11. Autl. 1993, Rdm. 224. Enger Friauf, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. \04 (S. 154): Maßnahmen der Gefahrenabwehr können nur insoweit erfolgen, als dadurch im Einzelfall die Ausübung der dem störenden Hoheitsträger übertragenen Aufgaben lucht behindert wird. Ähnlich auch Schoch, JuS 1994 S. 849 ff., 853. 8 Würtenberger, in: AchterberglPüttner II, Kap. 7/1 Rdm. 178 (S. 405 f).

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

nahme der fonnellen Polizeipflicht würde darauf hinauslaufen, daß den polizeilich zu schützenden Interessen der Vorrang vor den kollidierenden öffentlichen Interessen aller übrigen Verwaltungszweige eingeräumt werde9 . Auch würde eine Anordnungsbefugnis von Landesbehörden gegenüber hoheitlicher BundesverwaItung der vom Grundgesetz vorgenollunenen Verteilung der VerwaItungskompetenzen widersprechen 10. Diese auf polizeiliche Maßnahmen im engeren SilUle, d.h. auf Maßnahmen nach den Polizeigesetzen bezogenen Überlegungen lassen sich zwanglos auf andere ordnungsbehördliche hoheitliche Maßnahmen wie die Erteilung oder Versagung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung oder den Erlaß einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG übertragenli. Konsequenz dieser Auffassung wäre - um am Beispiel des Immissionsschutzrechts zu bleiben -, daß der Bundeswehr von einer Landesbehörde zwar die immissionsschutzrechtliche Genehmigung fiir einen Schießpiatzl2 erteilt werden dürfte, da hierdurch nicht in den Hoheitsbereich des Bundes eingegriffen würde l3 . Die Versagung dieser Genehmigung wäre problematisch, delUl sie stellt einen Eingriff in den Hoheitsbereich der Bundeswehr dar, weil die Bundeswehr den geplanten und für notwendig gehaltenen Schießplatz nicht verwirklichen darf. Eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG zur Anpassung eines bereits bestehenden Schießplatzes an Lännschutzanforderungen oder dessen Stilllegung kÖlUlte von einer Landesbehörde nicht verfügt werden l4 . Die Ablehnung der fonnellen Polizei pflicht von Hoheitsträgern überzeugt zumindest fiir das hier interessierende Verhältnis zwischen Landesordnungs-

9 Martens, in: Drews/Wacke/VogellMartens, Gefahrenabwehr, § 15 3 b (S. 241); Schenke, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, II Rdnr. 147 (S. 246); Weber, APF 1958 S. 65 ff., 67. 10 Kölble, DÖV 1962 S. 661 ff., 665 f.; Weber, APF 1958 S. 65 ff., 67. 11 So in der Sache auch Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 193 ff. 12 Siehe Nr. 10.18 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BlmSchV (Vierte Verordnung zur Durchfilhrung des Bundes-lmmissionsschutzgesetzes - Verordnung über genelunigungsbedürftige Anlagen - i.d.F. der Bek. vom 14.3.1997 [BGBl. I S 504), zul. geändert durch VO vom 20.4.1998 [BGEl. I S. 723] = UlelLaubinger, BlmSchG, RvB A 4). Vgl. auch Schröders, BWV 1997 S. 204 ff., 221 ff., 205. \3 Ein Eingriff liegt deshalb nicht vor, weil die Bundeswehr das bekommt, was sie begehrt hat. Wird die Genehmigung allerdings mit Auflagen verbunden, stellen diese einen Eingriff dar. 14 Dieses Problem stellte sich bis zum Inkrafttreten der 14. BlmSch V am 1.5.1986. Erst seit diesem Zeitpunkt sind für Entscheidungen etwa nach den §§ 17, 20 BlmSchG Bundesbehörden zuständig. Die Genelunigungsentscheidung obliegt dagegen weiterhin Landesbehörden.

§ 6 Verfahren

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behörden und der Bundeswehr weder in ihren Prämissen noch in ihren Konsequenzen. Wollte man annehmen, daß zmnindest die Versagung einer gebundenen Genehmigung durch eine Landesbehörde keinen Eingriff in Hoheitsrechte des Bundes darstellt, wäre zu erklären, worin eigentlich der materielle Unterschied zwischen der Genehmigungsversagung und der Betriebsuntersagung oder Stilllegung einer genehmigten Anlage besteht. Zu erwägen wäre allenfalls, die Genehmigungsversagung als Konkretisierung eines gesetzlichen Verbots aufzufassen, den Eingriff mithin schon in den materiellen gesetzlichen Anforderungen zu erblicken, während eine nachträgliche Untersagung sich gegen eine früher erlaubte Betätigung richtet. Diese Erklärung trägt jedoch in den Fällen nicht, in denen eine ursprüngliche Genehmigung oder deren Versagung rechtswidrig war. Eine rechtswidrige Entscheidung über den Genehrnigungsantrag wiederholt und konkretisiert nicht die gesetzlichen Anforderungen, sondern begründet eigenständig Belastungen oder Vorteile. Geht man dagegen davon aus, daß bereits die Genehmigungsversagung durch eine Landesbehörde in jedem Fall einen selbständigen Eingriff in den Hoheitsbereich des Bundes darstellt, wäre nach der traditionellen Auffassung die Landesbehörde an der Versagung einer Genelunigung gehindert l5 . llir bliebe nichts anderes übrig, als entweder eine nach ihrer Überzeugung rechtswidrige Genehmigung zu erteilen, auf dem Verhandlungswege eine Rücknahme des Genehmigungsantrages anzustreben oder im Wege einer Feststellungsklage eine gerichtliche Klärung der Berechtigung zur Durchfiihrung des Vorhabens herbeizuführen16 - ein mit dem Zweck von Genehmigungsverfahren kamn zu vereinbarendes Ergebnis. Erhebliche Bedenken bestehen gegen die Prämissen der Auffassung, daß ein Hoheitsträger nicht mit Hoheitsgewalt in den Hoheitsbereich eines anderen Hoheitsträgers eingreifen dürfe. Sie wurden durch das PrOVG grundlegend formuliert l7 • Zwar sei der Staat als Fiskus wie jedermann der polizeilichen Einwirkung unterworfen 18. Bei der Ausübung von Staatshoheit könne jedoch es zu Kollisionen mit der ebenfalls hoheitlichen Wahrnehmung polizeilicher Befugnisse kommen. Da die Gesetze keinem der kollidierenden öffentlichen Interessen eine absolute Bedeutung eingerämnt haben, d.h. die anderen Rücksichten des Staatswohls zu weichen hätten, müßten die Interessen regelmäßig in So wohl Fluck, NJW 1987 S. 2352 fI., 2354. Reigl, DÖV 1967 S.397 fI., 401; BVerwG, Urt. v. 10.12.1996 (§ 4 Fußn.3), Buchholz 11 Art. 30 Nr. 5 S. 7. 17 Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußn. 15), PrQVGE 2 S. 399 fI. 18 PrQVG, Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußu. 15), PrQVGE 2 S. 399 fI., 407. Ebenso (',Es unterliegt nun keinem ZweifeL") Kölble, DÖV 1962 S. 661 t1".,662. 15

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

einer das Staatswohl in allen Beziehungen mnfassenden Entscheidung zum Ausgleich gebracht werden l9 . Diese Entscheidung obliege nicht der Polizei, sondern, der Einheit der Staatsverwaltung entsprechend, der gemeinsamen Verwaltungsspitze, in Preußen somit dem Staatsministerium2o . Der Ausschluß der formellen Polizei pflicht von Hoheitsträgern ergebe sich nicht aus besonderen gesetzlichen Bestimmungen, sondern aus dem Rechtsbegriff der Polizei und der Organisation der Staatsverwaltung, da die Polizei das allgemeine Gewaltverhältnis zwischen Staat und Bürger konkretisiere21 . Diese Prämissen tragen unter den Gegebenheiten des Grundgesetzes und dem föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland nicht meh?2. So ist eine Trennung der Staatstätigkeit in fiskalisches und hoheitliches Handeln praktisch urunöglich23 , was Gleichheitsverstöße durch eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gleichartiger staatlicher Tätigkeit nach sich ziehen kann24 und im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG problematisch ist. In den Fällen der Kollision zwischen Staatsfunktionen eines Landes und denen des Bundes (hier: der Bundeswehr) besteht keine einheitliche Verwaltungsspitze2s . Der Bund ist den Ländern nicht übergeordnee 6 , er kann Kollisionen öffentlicher Interessen nicht in dem vom PrOVG beschriebenen Sinne einem Ausgleich zuführen27 . PrOVG, Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußn. 15), PrOVGE 2 S. 399 ff., 408. PrOVG, Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußn. 15), PrOVGE 2 S. 399 ff., 409. 21 PrOVG, Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußn. 15), PrOVGE 2 S. 399 ff., 409. 19

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22 Delbrilck, Umwe\tpflichtigkeit, S. 143~ Schoenenbroicher, BWldesverwaltung unter LandesgewaIt, S. 184 f.~ Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 91-96. 23 Reigl, DÖV 1967 S. 397 ff., 398, betont zu Recht, daß diese UnterscheidWlg ihre Bedeutung lediglich im Verhältnis Bürger - Staat habe. Ebenso Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 40 Fußn. 104. Kritisch auch Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 84 ff., und Schönfelder, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 248, der diese Unterscheidung zwar akzeptiert, aber nicht als den maßgeblichen Anknüpfungspunkt ansieht. 24 Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 19 ff.~ Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 184. 25 Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 48 f.~ Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 22 f~ Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 186. 26 Anders Kölble, DÖV 1962 S. 661 ff., 663 f., unter Bezugnalune auf das Urteil des BVerfG v. 11.7.1961 - 2 BvG 2/58, 2 BvE 1/59 -, BVerfGE 13 S. 54 ff., 78 f. Wie hier Blumenwitz, AöR 96 (1971) S. 161 ff., 177~ Brohm, Landeshoheit und BWldesverwaltung, S. 28 f; Reigl, DÖV 1967 S. 397 ff., 399 f; Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 105; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 126 f 27 Wenn § 9 BNatSchG, § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG Bundesbehörden ausdrücklich ein Letztentscheidungsrecht zusprechen, wird man das eher als ausdrückliche Ausnahme deml als Bestätigung eines allgemeinen Rechtssatzes,

§ 6 Verfahren

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Das Argument, mit dem Erlaß polizeilicher Anordnungen würde den von den Polizei- und Ordnungsbehörden wahrzunehmenden Belangen ein absoluter Vorrang eingeräumt, überzeugt nicht28 . Es läßt sich zwanglos ins Gegenteil wenden: mit der Freistellung von polizeilichen Anordnungen beansprucht der andere Hoheitsträger seinerseits für die von ihm vertretenen öffentlichen Interessen den Vorrang vor der allgemeinen Gefahrenabwehraufgabe29 . Der allgemeinen polizeilichen Eingriffsbefugnis wie auch den hier interessierenden sonderpolizeilichen bzw. sonderordnungsbehördlichen Eingriffsbefugnissen ist keine gegenständliche Begrenzung auf bestimmte Gefahrenquellen zu entnehmen. Die Eingriffsbefugnisse sind objektiv konzipiert und nicht in einer Zuordnung zu bestimmten Rechtssubjekten 30 . Damit sind Zuständigkeitsüberschneidungen zwischen objektiven Eingriffskriterien und subjektbezogener Kompetenz in der Struktur der polizeilichen Eingriffsbefugnisse angelegt31. Schließlich widerspricht die Annahme der formellen Polizei pflicht des Bundes im Verhältnis zu den Ländern auch nicht der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung. Denn es ist sorgfältig zwischen dem Beachten und dem Vollziehen von materiellen Vorschriften zu unterscheiden 32 . Soweit die Bundesbedaß bei Vorhaben des Bundes der Bund das letzte Wort habe, ansehen müssen. Dazu näher unten § JO A IIl. 28 Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 186; Scholz, DVBI. 1968 S.732 tT., 733. Schön/eider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 79, rechtfertigt einen solchen Vorrang mit der Pflicht aller Verwaltungsträger, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu wahren. 29 Delbrlick, Umweltpflichtigkeit, S. 136; Reigl, DÖV 1967 S.397 ff., 400; Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 185. Reigl zieht daraus offenbar den Schluß, daß Bundesbehörden in gesetzlich vorgesehenen Genehrnigungsverfahren, die den gebotenen Ausgleich der kollidierenden öffentlichen Interessen gewährleisteten, Eingriffen von Landesbehörden unterworfen seien. Sofern ein Genehmigungsverfahren nicht vorgesehen ist, verweist er die Landesbehörden darauf, auf dem Dienstweg auf die verletzte landesrechtliehe Vorschrift hinzuweisen und um Beachtung zu ersuchen. Nötigenfalls sei eine Klärung auf dem Rechtsweg zu suchen (a.a.O., S. 401). Ähnlich Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 92 f.: Die Ablehnung der formellen Polizeipflicht von Hoheitsträgern würde zu einer partiellen Kompetenznegation der Polizeibehörden fUhren. 30 Scholz, DVBI. 1968 S. 732 ff., 735. 31 Scholz, DVBI. 1968 S. 732 ff., 735.

32 Delbrlick, Umweltpflichtigkeit, S. 138 f.; Laubinger, VerwAreh. 85 (1994) S. 291 ff., 309; Salzwedel, FS Partseh, S. 581 ff., 581; ScllOenenbroicher, BWldesverwaltung unter Landesgewalt, S. 128; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 129. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 29, betont zu Recht, daß die Verwaltungskompetenz noch nichts darüber aussagt, welches materielle Recht anzuwenden ist. Insoweit problematisch Friesecke, NuR 1993 S. 6 ff., 9 f. Die saubere TreIUlung gelingt z.B. bei Ossenbiihl, FS Sendler, S. 107 ff., 110, nicht. 11

RcpkcwilZ

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

börden anläßlich der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen Bundes- oder Landesrecht beachten müssen, dessen Vollzug den Ländern obliegt, greifen die Länder nicht in die Vollzugszuständigkeit des Bundes ein, wenn sie die Bundesverwaltung durch Erlaß einer Polizeiverfügung zu einer Art der Aufgabenwahrnehmung verpflichten, die diesen Normen entsprichf3. Die traditionelle Auffassung vom Nichtbestehen einer formellen Polizeipflicht von Hoheitsträgern als ungeschriebener Rechtssatz34 läßt sich danach unter der Geltung des Grundgesetzes nicht rechtfertigen35 . Wenig Überzeugungskraft hat der Versuch, die Sonderregelungen über die Zulässigkeit polizeilicher Maßnahmen, die überwiegend gefahrenabwehrende Verwaltungsträger von der formellen Polizeipflicht freistellen 36 , als Ausprägungen eines allgemeinen Rechtsgedankens darzustellen, wonach Polizeiverfügungen gegenüber anderen Verwaltungsträgern dann ausgeschlossen sind, wenn diese zur unmittelbaren Erfüllung ihrer eigenen Gefahrenabwehraufgabe tätig werden37 . Gemeinsames Merkmal dieser Ausnahmen sei die Gewährleistung der unmittelbaren Erfüllung von Aufgaben der Gefahrenabweh~8. Polizeiliche Spezialklauseln und Genehmigungsvorbehalte hätten einen inhaltlich bestimmt umrissenen Geltungsbereich und seien nur von den in den betreffenden Gesetzen ausdrücklich fur zuständig erklärten Verwaltungsträgern anzuwenden, so daß sich beispielsweise die Bundeswehr nicht gegen eine Genehmigungspflicht mit dem Hinweis auf eigene umfassende und vorrangige polizeiliche Zuständigkeiten wehren könne39 . Diese Auffassung vermag lediglich die Unterstellung unter polizeiliche Anordnungen nach den Polizeigesetzen zu erklären, nicht aber spezialgesetzlich 33 Delbrack, Umweltpflichtigkeit, S. 139; Schoch, JuS 1994 S. 849 ff., 853; Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 129; BVerwG, Urt. v. 16.2.1968 (Fußn. 23), BVerwGE 29 S. 52 ff., 58. 34 Vgl. PrOVG, Endurtheil v. 5.5.1877 (§ 5 Fußn. 15), PrOVGE 2 S. 399 ff., 409. 35 Delbrack, Umweltpflichtigkeit, S. 143; Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 25; Schoch, JuS 1994 S. 849 ff., 853; Schultes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 96. Auf die Inanspruchnahme eines "störenden" Hoheitsträgers beschränkt Schön/eider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 79 ff. 36 Vgl. die Zusammenstellung bei Schön/eider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 96 ff. Für den hier relevanten Bereich siehe die Darstellung der einschlägigen Vorschriften oben § 2 und unten § 6 B. 37 Schönfeider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 245, 253; in Ansätzen auch bei Scholz, DVBI. 1968 S. 732 ff., 736. Das BVerwG hält das nur im Bereich der materiellen Polizeipflicht für einschlägig, BVerwG, Urt. v. 16.2.1968 (Fußn.23), BVerwGE 29 S. 52 ff., 59.

38 39

Schön/eider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 244. Schön/eider, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 245.

§ 6 Verfahren

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geregelte ordnungsbehördliche Anordnungen, wn die es hier geht. Auch müssen ihr umfassendere Freistellung von der formellen Polizeipflicht - wie etwa im Bauordnungsrecht - als Durchbrechungen erscheinen40 • Sie kann nicht erklären, warwn ein derartiger allgemeiner Rechtssatz - eigentlich überflüssig - in viele Gesetze gleichwohl aufgenommen wurde41 . Und schließlich findet die dieser Auffassung wohl zugrundeliegende Vorstellung von der Subsidiarität polizeilichen Handeins ihre Grenze in der gegenständlichen Gleichheit der wahrzunehmenden Aufgaben42 • Zwar nehmen sowohl die Bundeswehr wie auch die Polizei- und Ordnungsbehörden Aufgaben der Gefahrenabwehr wahr, es handelt sich aber wn die Abwehr höchst unterschiedlicher Gefahren und damit nicht mehr wn die gleiche Aufgabe. Vielmehr wird man aus den Bestimmungen, die polizeiliche Maßnahmen gegenüber anderen Hoheitsverwaltungen ausdrücklich zulassen43 , sowie aus den Vorschriften, die polizeiliche oder ordnungsbehördliche Befugnisse modifizieren oder ausdrücklich ausschließen, den umgekehrten Schluß zu ziehen haben, daß ein Hoheitsträger grundsätzlich in dem Umfang formell polizeipflichtig ist, in dem er materielle polizeiliche Normen zu beachten und einzuhalten hat44 . Hoheitsträger sind danach ebenso wie Private polizeilichen Anordnungen ausgesetzt. Das entspricht dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 3 GG, der die vollziehende Gewalt an "Gesetz und Recht" bindet, ohne dabei nach dem Inhalt der Gesetze (etwa zwischen materiellen und Verfahrensvorschriften) zu differenzieren45 . 40 Dies wird von Schönfelder, Polizeiliche Eingriffe gegen Hoheitsträger, S. 243, zugestanden. Den Versuch einer sachlichen Begriindung dieser Abweichung unternimmt er jedoch nicht. 41 Auch Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 107 Fußn. 53, vennißt eine einleuchtende Begründung für diesen Schluß Schönfelders. 42 Schofz, DVBI. 1968 S. 732 ff., 736. 43 Z.B. die Vorschriften über das Zustimmungsverfahren für Bauvorhaben des Bundes in den Landesbauordnungen (siehe oben § 2 Fußn. 172) oder § 35 Abs. 2 StVO. 44 Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 26; Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 184, 190. Im Ergebnis ebenso, jedoch hinsichtlich der Begründung zweifelnd Schuftes, Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 66, 106; Wagller, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgern, S. 130. Wie hier auch Scholz, DVBI. 1968 S. 732 ff., 733, allerdings mit der Einschränkung, daß eine polizeiliche Maßnahme lediglich modifizierend in den Bereich der Verwaltungsausübung eingreifen, aber keinesfalls kompetenznegierend wirken dürfe (a.a.O., S. 735). Ähnliche Einschränkungen machen Friauf, in: Schmidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnr. 104 (S. 154), undSchoch, JuS 1994 S. 849 tI, 853: die Erfüllung der Fachaufgaben darf nicht ernstlich beeinträchtigt werden. 45 Ähnlich Wagner, Die Polizeipflicht von Hoheitsträgenl, S. 99: Welill Polizeiverfügungen lediglich gesetzliche Nonnierungen vollziehen und der Hoheitsträger an diese Nonnierung gebunden ist, sei kein Grund ersichtlich, die Möglicilkeit des Erlasses von Polizeiverftlgungen gegen Hoheitsträger abzulehnen.

11*

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Dritter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

B. Erscheinungsformen der Sonderregelungen Im Grundsatz gelten die verfahrensrechtlichen Anforderungen einschließlich der Genehmigungserfordernisse auch für die Bundeswehr. Unter den Bundeswehr-Sondervorschriften sind zwei Regelungstypen zu unterscheiden.

I. Ausschluß von Verfahren Einige Gesetze befreien die Bundeswehr von der Durchführung allgemein erforderlicher Verwaltungsverfahren. So ist eine Entscheidung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 37 Abs. 1 BauGB) über ein Abweichen von den Vorschriften des BauGB und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen nach § 37 Abs. 2 BauGB nicht erforderlich. Nach § 17a Satz I WHG bedarf die Benutzung von Gewässern für Übungen, die Zwecken der Verteidigung dienen, keiner Erlaubnis oder Bewilligung. Für die Errichtung baulicher Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, ist die Einholung einer Baugenehmigung nicht erforderlich, sofern das Vorhaben unter sachkundiger Leitung geplant und durchgefiihrt wird46 . Die Bundeswehr ist in diesen Fällen von verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht völlig freigestellt: Statt der (konstitutiven) Abweichungsentscheidung nach § 37 Abs. 2 BauGB ist die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde und, sofern diese nicht erteilt wird, eine Entscheidung des BMVg erforderlich. Die Gewässerbenutzung für Übungen zu Verteidigungszwecken ist nach § 17a Satz 2 WHG anzeigepflichtig. Bauvorhaben, die der Landesverteidigung dienen, sind der oberen Baubehörde in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen47 . Zum Teil wird die Bundeswehr ersatzlos von der Pflicht zur Durchführung von Verfahren freigestellt. So bedarf die Bundeswehr fiir die Einfuhr und Ausfuhr sonstiger radioaktiver Stoffe nach § 11 Abs. 3 StrlSch V keiner Genelunigung, die andere Personen nach § 11 Abs. 1 StrlSchV einholen müssen. Errichtung und Betrieb von Dampfkesselanlagen (§ 10 Abs. 7 Nr. 3 DampfkV), Füllanlagen (§ 26 Abs. 6 Nr. 3 Druckbeh V), Acetylenanlagen (§ 7 Abs. 6 Nr. 3 AcetV) , Montage, Installation und Betrieb von Anlagen zur Lagerung, Abfiillung oder Beförderung brennbarer Flüssigkeiten zu Lande (§ 9 Abs. 5 Nr. 3 VbF) und der Betrieb einer Aufzugsanlage (§ 8 Abs. 5 Nr. 3 AufzV) der Bundeswehr bedürfen keiner Erlaubnis. Für die Anlegung oder Änderung militäri-

46 47

Vgl. oben § 2 Fußn. 172. Vgl. oben § 2 Fußn. 173.

§ 6 Verfahren

l65

scher Flugplätze ist kein Planfeststellungsverfahren nach § 8 LuftVG erforderlich (§ 30 Abs. 1 Satz 2 LuftVG). Der Verfahrensausschluß kann, wie die Befugnis des BMVg zum Verzicht auf die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 3 Abs. 2 UVPG zeigt, auf unselbständige Verfahrensteile beschränkt sein. Auch außerhalb des Umweltrechts ist diese Gruppe von Sondervorschriften verbreitet. Einrichtungen, die der Betäubungsmittelversorgung der Bundeswehr dienen. bedürfen keiner Verkehrserlaubnis nach § 3 BtMG (§ 26 Abs. 1 BtMG). Für Fahrzeuge der Bundeswehr ist keine Fahrgastbeförderungserlaubnis nach § 15d Abs. la StVZO erforderlich, auch brauchen diese Fahrzeuge nicht zur Untersuchung der Verkehrssicherheit vorgeführt werden (§ 29 Abs. 1 StVZO). Die Befreiung der Bundeswehr von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes durch § I Nr. 5 der FreistellungsVO führt zum Ausschluß des Genehmigungspflicht nach § 2 PersBefG. Sofern die Bundeswehr ein eigenes Fahrzeugregister führt, finden die Bestimmungen des V. Abschnitts des StVG über das Fahrzeugregister gem. § 31 Abs. 3 StVG keine Anwendung. Die Bundeswehr ist von den Genehmigungspflichten nach dem Kriegswaffenkontroll gesetz und der Ausführungsverordnung zum Chemiewaffenübereinkommen befreit (§ 15 Abs. I KriegswaffenkontrollG, § ll CWÜV).

11. Punktuelle Verfahrensvorschriften Eine Reihe von Verfahrensvorschriften setzt die Durchführung der einschlägigen Verfahren voraus und modifiziert deren allgemeine Ausgestaltung. Eine bedeutsame Gruppe dieser Modifikationen betrifft den Ausschluß oder die Einschrankung der ÖjJentlichkeitsbeteiligung: § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG für das Raumordnungsverfahren, § 3 Abs. 2 UVPG für die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie § 10 Abs. 11 BlmSchG und § 2 Abs. 2 der 14. BImSchV für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Eine weitere große Gruppe punktueller Verfahrenssonderregelungen bilden die Letztentscheidungsregeln: nach § 37 Abs. 2 BauGB, § 9 BNatSchG und § 45 Abs. 2 Satz 2 BWaldG befindet über Abweichungen von der Stellungnahme der Fachbehörde letztendlich der BMVg. Die übrigen Verfahrensvorschriften entziehen sich weitgehend einer systematischen Zusammenfassung. Sie sind teils als Konsequenz der Zustandigkeit des BMVg aufzufassen, so etwa die Pflicht zur Anhörung der Länder nach § 30 Abs. 3 Sätze 1 und 2 LuftVG im Ralunen der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung eines militärischen Flugplatzes und der Wegfall der Schadensanzeigepflicht nach § 28 Abs.2 DampfkV, § 34 Abs.2 DruckbehV, § 17 Abs.2

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

ElexV, § 26 Abs. 3 AcetV, § 23 Abs.2 VbF, § 22 Abs.2 AufzV und § 19 Abs. 3 MedGV. Teilweise tragen sie materiellen Ausnaluneentscheidungen Rechnung, wie etwa § 2 Abs. 1 der 14. BlmSchY. Der abgestinunten Vorgehensweise mit den Landesbehörden dienen § 78 Abs. 2-4 BSeuchenG, nach denen seuchenpolizeiliche Maßnahmen durch die zuständigen Stellen der Bundeswehr im Benehmen mit dem Gesundheitsamt getroffen werden.

§ 35 Abs. 2 und 3 StVO bindet eine übermäßige Straßenbenutzung durch die Bundeswehr auch unter den Voraussetzungen, unter denen sie nach § 35 Abs. 1 StVO von den Anforderungen der StVO freigestellt ist, an eine Erlaubnispflicht. llf. Verfahrenskonzentration im Verfahren nach § J Abs. 2 LBG Mit dem Bezeichnungsverfahren nach § 1 Abs. 2 und 3 LBG steht dem BMVg ein eigenständiges Verfahren zur Verfügung, um die erforderlichen Grundstücke fiir raumbeanspruchende Vorhaben zu beschaffen. Dem Beschaffungsvorgang - durch freihändigen Erwerb oder durch Enteignung - geht mit der Bezeichnung des Vorhabens nach § 1 Abs. 3 LBG eine planerische Entscheidung48 voraus. Die Bezeichnung verlangt nach umfassender Abwägung aller durch das Vorhaben berührter öffentlicher Belange49 , die insbesondere in der Stellungnahme der Landesregierung zusammengetragen werden. Mit der Bezeichnung wird nicht über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden, als Flächenbedarfsvorgabe kommt ihr keine Konzentrationswirkung zu50 . Da hier aber eine umfassende Prognose der Genehmigungsfahigkeit vorzunehmen ist, ordnen § 37 Abs. 4 BauGB, § 45 Abs 2 Satz 3 BWaldG und § 30 Abs. 3 Satz 3 LuftVG eine Verfahrenskonzentration an. Bauplanungsrechtliche Abweichungen, die forstlichen Erfordernisse und die Erfordernisse des Luftverkehrs sind in der Anhörung der Landesregierung nach § 1 Abs. 2 LBG - und nicht erst in einem nachfolgenden Zulassungsverfahren51 - abschließend zu erörtern. 48 BVerwG, Urt. v. 21.3.1986 - 4 C 48.82 -, BVerwGE 74 S. 109 1f., 112; OVG Münster, Urt. v. 15.12.1988 - 23 A 103/86 -, NVwZ 1989 S. 981 ff., 981; Laubinger, VerwArch. 77 (1986) S. 421 ff., 428; Paal, BayVBI. 1981 S. 242 ff., 243. 49 BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 - 4 C 51.83 -, BVerwGE 74 S. 124 ff., 131; Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 15.93 -, NVwZ-RR 1994 S.305 ff., 306; OVG Münster, Urt. v. 15.12.1988 (Fußn. 48), NVwZ 1989 S. 981 ff., 981. 50 VGH Miinchen, Besehl. v. 16.1.1980 - 9 Cs 1598/79 -, NuR 1971 S. 174 ff., 175; BVerwG, Urt. v. 11.4.1986 (Fußn. 49), BVerwGE 74 S. 124 ff., 129 f.; OVG Münster, Urt. v. 15.12.1988 (Fußn. 48), NVwZ 1989 S. 981 ff., 981. Allerdings ersetzt die Bezeichnung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 2 BauGB das Zustimmungsverfahren für eine Abweichung von bauplanungsrechtlichen Vorschriften. 51 BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 - 4 C 21.88 -, DVBI. 1989 S. 1051 ff., 1053.

§ 6 Verfahren

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C. Zweck abweichender Verfahrensvorschriften Den dargestellten Yerfahrensvorschriften liegt keine einheitliche Zwecksetzung zugrunde. Eine bedeutende, wenn auch nicht die einzige Zielsetzung sind militärische Geheimhaltungserfordernisse52 . In Yerwaltungsverfahren muß außer der Bundeswehr die für die abschließende Entscheidung zuständige andere Behörde umfassend unterrichtet werden. Weiteren ggf. zu Beteiligenden stehen Anhörungs- und Akteneinsichtsrechte zu. Für umfangreiche Vorhaben kann sogar die Beteiligung der Öffentlichkeit vorgeschrieben sein. Dies ist mit den Erfordernissen militärischer Geheimhaltung nicht in jedem Fall zu vereinbaren. Durch den Geheimhaltungszweck motiviert sind die Vorschriften, die eine Öffentlichkeitsbeteiligung einschränken oder ausschließen. Neben den § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG, § 3 Abs. 2 UVPG und § 10 Abs. ll BImSchG i. Y.m. § 2 Abs.2 der 14. BlmSchy53 gehört auch der Ausschluß der luftverkehrsrechtlichen Planfeststellung durch § 30 Abs. I Satz 2 LuftYG hierzu. Auch für die bauordnungsrechtlichen Bestimmungen über das KelUltnisgabeverfahren wird als Zweck die Geheimhaltung der Baupläne angefiihrt54 . Die Sonderregelungen des § 3 Abs. 2 UVPG waren daneben wohl durch Überlegungen des Sabotageschutzes und der Yerfahrensbeschleunigung im Falle einer der Bundesrepublik Deutschland drohenden Gefahr motiviert55 . Eine weiterer Zweck der verfahrensrechtlichen Sonderbehandlung dürfte darin zu suchen sein, daß wegen der Gesetzesbindung der Bundeswehr (Art. 20 Abs. 3 GG) die interne Aufsicht als ausreichend und daher eine präventive Kontrolle entbehrlich erscheine6 . In diesem SilUle verfolgt § 17a WHG Zwecke der Yerwaltungsvereinfachung57 • Letztentscheidungsregelungen und die Abstimmungspflichten mit Landesbehörden dienen dazu, spezifischen Sachverstand in die Entscheidungsfindung einzubinden. 52 Vgl. Delbrilck, UmweJtpflichtigkeit, S. 150 f.; Schoenenbroicher, Bundesverwaltung unter Landesgewalt, S. 195; allerdings ohne die gebotenen DifTerenzienmgen. 53

54

Storost, in: UlelLaubinger, BImSehG, § JO Rdnr. L 6. Ebsen, Militärische Bodelillutzung, S. 148; VGH Kassel, Besch!. v. 9.9.1985 - 3

TG 1640/85 -, NuR 1986 S. 31 fT., 31. 55 Vgl. Nr. 3 UVP-RL Bw (§ 2 Fußn. 4).

56 Vgl. Meyer, in: LandmannIRohrner, Gewerbeordnung II, § JO DanIptkV Rdnr. 21: Die Befreiung VOll der Erlaubnispflicht gehe davon aus, daß die genannten Hoheitsträger über technische Dienste verfugten, um die notwendige Präventivkontrolle selbst durchzuführen.

57

Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. I.

168

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

D. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Vor dem Grundgesetz erscheinen die abweichenden Verfahrensvorschriften in dreifacher Hinsicht begIiindungsbedürftig: -

Verfahrenserleichterungen oder der Ausschluß von Verfahren müssen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein.

-

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt ein Mindestmaß an verfahrensrechtlichen Sicherungen.

-

Die Grundrechte betroffener Dritter können solche Auswirkungen auf die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens haben, die mit den für die Bundeswehr vorgesehenen Erleichterungen nicht zu vereinbaren sind.

Eine Ungleichbehandlung der zivilen Inanspruchnahme der Umwelt gegenüber einer solchen zu Verteidigungszwecken ist nicht prinzipiell willkürlich58 . Die Verteidigungsaufgabe ist ein sachgerechtes und damit zulässiges Diff'erenzierungskriterium. Das gilt nicht nur für die materiellen Umweltschutzanforderungen. Die Verfahrensvorschriften dienen der Durchsetzung des materiellen Rechts und nehmen daher an den materiellen Differenzierungsmöglichkeiten teil. Die Bundeswehr ist nach Art. 20 Abs. 3 GG zur Beachtung des geltenden Rechts besonders verpflichtet. Eine zusätzliche Eröffnungskontrolle vor der Aufnahme einer umweltgefahrdenden Betätigung erscheint daher nicht in jedem Fall als notwendig. Für Verfahrensunterschiede zwischen ziviler und Verteidigungsinanspruchnahrne der Umwelt besteht daller ein sachlicher Grund, sie sind nicht willkürlich und im Hinblick auf die mit ihnen verfolgten Zwecke angemessen. Die Reichweite der gesetzgeberischen Differenzierungsmöglichkeiten ist damit aber noch nicht bestimmt. Das ist - ebenso wie bei der materiellen Ungleichbehandlung - eine Frage des verfassungsrechtIichen Mindeststandards. Im Anschluß an die Mülheim-Kärlich-Entscheidung des BVerfG 59 wird dies überwiegend unter dem Stichwort des "Grundrechtsschutzes durch Verfahren" erörtert60 . Ein Teil der Lehre leitet die Mindeststandards, die von einem Verwaltungsverfahren zu verlangen sind, aus dem Rechtsstaatsprinzip her61 . Siehe oben § 5 0 I. 59 Beschl. v. 20.12.1979 - I BvR 385/77 -, BVerfDE 53 S. 30 fI, insbes. S. 65 f. 60 Vgl. Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien; Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens; Hufen, NJW 1982 S. 2160 ff.; von Mutius, NJW 1982 S. 2150 ff. Blümel, Grundrechtsschutz, S.44 Fußn. 128, hält jedenfalls ein Genehmigungserfordernis bei raumbedeutsamen Vorhaben für verfassungsgeboten. 61 Laubinger, VerwAreh. 73 (1982) S. 60 ff., 83 ff.; Ule, VerwaltlUlgsreform als Verfassungsvollzug, in: ders., Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 383 ff., 392 58

§ 6 Verfahren

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Unabhängig von der BeglÜndung hat sich ein Kanon von Verfahrensanforderungen herausgebildet, der nur eingeschränkt zur Disposition des Gesetzgebers steht. Im Hinblick auf die Sondervorschriften für die Bundeswehr gehören hierzu die Anhörungsrechte Dritter, deren Grundrechte von der Verwaltungsentscheidung betroffen sein können62 , und der BeglÜndungszwang fiir die getroffene Verwaltungsentscheidung63 . Der nach § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG und § 3 Abs. 2 UVPG mögliche Ausschluß der Öffentlichkeitsbeteiligung wirft gleichwohl keine verfassungsrechtlichen Bedenken auf. Denn die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens wie die der Umweltverträglichkeitsprüfung sind im nachfolgenden Zulassungsverfahren lediglich zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2,4 ROG, § 12 UVPG). Dort darf die Öffentlichkeitsbeteiligung nur in dem Umfang eingeschränkt werden, in dem sie in dem vorgelagerten Verfahren durchgefiihrt wurde (§ 16 Abs. 3 UVPG). Anhörungsrechte von möglicherweise in ihren Grundrechten betroffenen Bürgern werden durch diese Bestimmungen zwar eingeschränkt, aber nicht bis zur Wirkungslosigkeit ausgehöhlt oder gar gänzlich beseitigt. Problematischer sind die Vorschriften, die die Bundeswehr von der Durchfiihrung von Verfahren zu einer Eröffnungskontrolle freistellen 64 • Denn wenn kein Genehmigungsverfahren durchgefiihrt wird, ist fur eine Anhörung betroffener Dritter ebenso wenig Raum wie fiir die BeglÜndung der getroffenen Entscheidung. Aus grundrechtlichen Schutzpflichten ließe sich eine gesetzgeberische Pflicht zur Einfuhrung von behördlichen Genehmigungsverfahren herleiten. Die vorgängige Prüfung von Einwirkungen auf Grundrechte Dritter entspreche dem präventiven Charakter der Schutzpflichten65 , d.h. Genehmigungsverfahren zumindest fur großtechnische Anlagen könnte der Gesetzgeber nur modifizieren, nicht aber abschaffen 66 . Die Einfiihrung von Genehmigungsverfahren wird aber nur dann durch Schutzpflichten gefordert, wenn es um EinfT.; Ule, Probleme des Verwaltungsverfahrensrechts in der Bundesrepublik Deutschland,

in: ders., Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 561 tT., 568 tT.; hinsichtlich der Beteiligung BetrotTener ebenso Blümel, Grundrechtsschutz, S. 26. 62 Held, Der Grundrechtsbezug des VerwaItungsverfahrens, S. 183; Hufen, NJW 1982 S. 2160 tT., 2163; Laubinger, VerwAreh. 73 (1982) S. 60 tT., 84; Ule, Verwaltungsreform als Verfassungsvollzug (Fußn. 61), S.383 fT., 393; BVerfG, Besch!. v. 20.12.1979 (Fußn. 59), BVerfGE 53 S. 30 tT., 60. 63

64 65

Hufen, NJW 1982 S. 2160 tT., 2163; Laubinger, VerwAreh. 73 (1982) S. 60 tT., 82. Siehe oben § 5 B I. Hemles, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, S. 263; BVerfG,

Besch!. v. 8.8.1978 - 2 BvL 8/77 -, BVerfGE 49 S. 89 tT., 140; Besch!. v. 20.12.1979 (Fußn. 59), BVerfGE 53 S. 30 tT., 57. 66 Kloepfer, DVB!. 1988 S. 305 tT., 311; wohl auch Blümel, Grundrechtsschutz, S. 44 Fußn. 128, S. 76 f.

170

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

wirkungen Privater, die nicht umnittelbar an die Grundrechte gebunden sind, auf grundrechtlich geschützte Rechte Dritter geht. Das ist bei der Zulassung von Vorhaben der Bundeswehr jedoch nicht der Fall. Die Bundeswehr ist selbst unmittelbar an die Grundrechte gebunden. Grundrechtliche Schutzpflichten zwingen somit nicht zur Durchführung von Genehmigungsverfahren für Vorhaben der Bundeswehr. Präventive Genehmigungsverfahren verfolgen den Zweck sicherzustellen, daß das Vorhaben den materiellen Anforderungen genügt, d.h. sie fordern die Beachtung der Interessen der Allgemeinheit und der Nachbarn ein67 • Nur an Rande sei hier vennerkt, daß ein Genehmigungsverfahren keine im Interesse des Antragstellers zu erbringende behördliche Leistung ist68 . Der Bestandsschutz einer Genehmigung als "Leistung" an den Antragsteller ist lediglich ein Reflex, der seinen Grundrechten Rechnung trägt, nicht aber Zweck des Verfahrens69 . Das gilt insbesondere für staatliche Vorhaben, bei denen der Träger des Vorhabens sich nicht auf Grundrechte berufen kann. Genehmigungsverfahren sind danach dann nicht von Verfassungs wegen notwendig, wenn weder die Verfahrenszwecke ausschließlich durch eine präventive Kontrolle erreicht werden können noch verfahrensrechtliche Mindeststandards einzuhalten sind. Bei für Dritte weniger bedeutsamen Vorhaben wird man die Gesetzesbindung der Bundeswehr in Verbindung mit der repressiven Dienstaufsicht als zur Sicherstellung materieller Rechtmäßigkeit ausreichend ansehen dürfen. Was die verfahrensrechtlichen Mindeststandards angeht, muß nach den einschlägigen Vorhaben differenziert werden. In den Verfahren zu einer Eröffnungskontrolle bedarf es aus verfassungsrechtlichen GJiinden keiner Anhörung, wenn die beantragte Genehmigung von ihrem Regelungsgehalt her nicht den Schutzbereich von Grundrechten Dritter berührt70 • Das ist bei der Einfuhr- und der Ausfuhrgenehmigung nach § 11 Abs. 1 StrlSchV der Fall, wie sich § 14 StrlSchV entnehmen läßt. Auch die Erlaubnisfreiheit nach § 17a Satz 1 WHG berührt nicht die Belange Dritter, da der Bundeswehr hieraus keine Rechte gegenüber Dritten erwachsen7l . Mangels einer Berührung von Grundrechten bedarf es also hier keiner Anhörung Dritter. Der Gesetzgeber durfte die Bun-

67 Blamel, Grundrechtsschutz, S. 76; Koch, NVwZ 1996 S. 215 tT., 221; Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, S. 107 f; UlelLaubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 40 Rdnr. 10 (S. 356).

68 69

70 7\

So aber BMWi, Investitionsförderung, Rdnrn. 139,209,213.

Koch, NVwZ 1996 S. 215 ff., 221. Hufen, NJW 1982 S. 2160 tT., 2162. Czychowski, WHG, § 17a Rdllf. 2.

§ 6 Verfahren

171

deswehr von der Durchführung entsprechender Verfahren einer Eröffnungskontrolle freistellen. Die Erlaubnispflicht für Errichtung und Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen besteht hingegen nach § 24 a.F. GewO, § 11 Abs. I GerätesicherheitsG gerade auch im Hinblick auf den Schutz Dritter vor Gefahren, die von diesen Anlagen ausgehen72 . Gleiches gilt für die luftverkehrsrechtliche Planfeststellung für Flughäfen nach § 8 LuftVG, wie § 8 Abs. 2 Satz 2 LuftVG zu entnehmen ist. Allerdings ist hier eine Anhörung möglicherweise Grundrechtsbetroffener in dem Verfahren zur Erteilung der luftverkehrsrechtlichen Genehmigung möglich, so daß dadurch der verfassungsrechtliche Minimalstandard gewahrt bleibt. Für die Erlaubnis überwachungsbedürftiger Anlagen der Bundeswehr besteht eine derartige Gewährleistung nicht. Allerdings könnte man die Auffassung vertreten, daß die Anhörung Drittbetroffener nicht notwendigerweise im Verwaltungsverfahren durchzuführen ist, weil das Verwaltungsverfahren und ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren als Einlleit anzusehen sind73 . Den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen sei genügt, wenn eine gerichtliche Anhörung erfolge, sofern das Gericht die erteilte Erlaubnis vollständig nachprüft74. Nur bei eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle von Ennessens- oder Planungsentscheidungen müsse eine Anhörung bereits im Verwaltungsverfahren gewährleistet werden75 . Bereits der Ausgangspunkt dieser Überlegung überzeugt nicht. Weder sind behördliches und gerichtliches Verfallfen als Einheit anzusehen76 noch genügt es, daß irgendwann eine Anllörung stattfindet77 . Entscheidend sind vielmehr das Gewicht des geschützten Rechtsgutes, die Intensität des möglichen Eingriffs, die Wahrscheinlichkeit eines Eingriffs und der Spielraum, den der Gesetzgeber der Verwaltung bei der Entscheidung eins. Bei den Entscheidungen über die Erlaubnis für Errichtung und geräumt Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen hat die Behörde keinen Ennessens-

hae

Meyer, in: LandmrumIRohrner, Gewerbeordmmg H, § II GSG Rdnr. 13. Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 183 f. 74 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 191. 75 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S. 190. 76 Eine Einheit von Ausgangs- und Widerspruchsverfaltren ablehnend Laubinger/ Repkewitz, VerwArch. 85 (1994) S. 86 tT., 117. Erst recht wird man drum ein Gerichtsverfaltren wegen seiner vom Verwaltungsverfaltren abweichenden Struktur nicht mit diesem als Einheit ansehen können. 77 Vgl. zu den entsprechenden Optionen im VwVfG und der VwGO kritisch Bracher, DVBl. 1997 S. 534 fT.; Repkewitz, VerwArch. 88 (1997) S. 137 tT., 160; jeweils Ill. w. N. 78 Laubinger, VerwArch. 73 (1982) S. 60 tT., 76. 72

73

172

Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

spieiratUn, es handelt sich vielmehr um gebundene Entscheidungen79 . Das Gefahrenpotential dieser Anlagen ist vergleichsweise gering und sehr häufig auf das Betriebsgelände beschränkt. Aufgrund der seit langem erprobten Technik ist auch die Wahrscheinlichkeit eines Grundrechtseingriffs eher niedrig anzusetzen. Berücksichtigt man darüber hinaus die Verpflichtung der Bundeswehr zur Einhaltung der Anforderungen an diese Anlagen aus Art. 20 Abs. 3 GG, wird man den verfassungsr\!chtlichen Mindeststandard unter den Gesichtspunkten der Anhörung und Begründung darauf reduzieren dürfen, daß der Dritte sich mit dem Begehren auf Anordnung ergänzender Anforderungen80 an die Bundeswehr wenden kann und einen Anspruch auf Bescheidung eines derartigen Begehrens hat. Auch der Ausschluß des Verfallrens nach den Verordnungen über überwachungsbedürftige Anlagen genügt damit den verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an die Verfallrensgestaltung. Damit genügen die Verfallrenssondemonnen für die Bundeswehr den verfassungsrechtlichen Mindeststandards, der Gesetz- oder Verordnungsgeber hat mithin die ihm durch Art. 3 Abs. 1 GG eingerätUnten Differenzierungsmöglichkeiten für eine Ungleichbehandlung der Bundeswehr gegenüber anderen Umweltnutzem nicht überschritten. Einige Verfahrenssondernonnen für die Bundeswehr werfen allerdings noch eine weitere Frage auf. Das Raumordnungs- wie das Wasserhaushaltsgesetz beruhen lediglich auf einer Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes. Da Rahmengesetze auf Ausfüllung und Ausfiihrung durch die Länder angelegt sind, stellt sich die Frage nach einer Bundesgesetzgebungskompetenz für die in § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG, § 17a Satz 1 WHG vorgesehen Verfallrensmodifikationen. Nur wenn es sich bei ihnen tUn unmittelbar geltendes Recht handelt, sind aufgrund des Art. 75 Abs. 1 GG erlassene Gesetze vollzugsfähig81 . Die Ausfüllung von Rahmenvorschriften durch den Landesgesetzgeber ist kein Vollzug im Sinne der Art. 83, 84 GG. Die Regelungen der §§ 2 ff. WHG über das System der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung von Gewässern sind unmittelbar geltendes Recht82 und somit vollzugsfähig. Dementsprechend konnte der Bundesgesetzgeber in § 17a Satz 1 WHG auch eine unmittelbar geltende Verfahrensregelung vorsehen. Dagegen ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Vorschrift des § 15 Abs.5, 6 Satz 2 ROG fraglich. Allein diese Ausnahmebestimmungen können keine unmittelbar geltenden Normen sein, denn sie modifizieren das 79 Vgl. § 10 Abs.4 Satz I DamptkV~ § 26 Abs.4 Satz I DruckbehV~ § 8 Abs. I Satz 1 AufzV~ § 7 Abs. 4 Satz 1 AcetV~ § 9 Abs. 4 Satz 1 VbF.

80 81

82

Vgl. § 7 DamptkV, § 5 DruckbehV, § 4 AufzV, § 4 AcetV, § 5 VbF. Lerche, in: MaunzlDürig, GG, Art. 83 Rdnr. 62. Czychowski, WHG, Ein!. IV. 2 (S. 52).

§ 6 Verfahren

173

von den Ländern einzuführende und zu regelnde Verfahren. Ob Art. 75 Abs. 2 GG ZlUn Erlaß derartiger Verfahrensregelungen ennächtigt, ist im Hinblick auf Art. 83, 84 Abs. I GG zweifelhaft. Gegen § 15 Abs. 5,6 Satz 2 ROG bestehen dann keine kompetenzrechtlichen Bedenken, wenn sie aufgrund einer konkurrierenden oder ausschließlichen Bundesgesetzgebungskompetenz erlassen wurden. Nach der oben 83 vorgenommenen AbgrenzlUlg der Gesetzgebungskompetenzen ist der Bund kraft Sachzusammenhangs mit der Verteidigung (Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG) zum Erlaß von Vorschriften, die Abweichungen von allgemeinen landesgesetzlichen Anforderungen aus zwingenden Gründen der Verteidigung zulassen, berechtigt. Dies gilt nicht nur für materiell-rechtliche Abweichungen, sondern in gleicher Weise für Verfahrensarrforderungen. Eine solche Regelung trifft § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG. Der Bundesgesetzgeber hat diese Vorschrift damit aufgrund einer ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz erlassen. Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG danach nicht zu beanstanden.

83

Vgl. im Text bei § 5 Fußn. 96.

§ 7 Kompetenzen der Länder Die dargestellten Gesetzgebungs- und Vollzugsaufgaben des Bundes wirken auf die Länderkompetenzen ein: Die Länder sind nach Art. 30, 70, 83 GG für die Gesetzgebung und den Vollzug zuständig, soweit hierfür keine Bundeskompetenzen bestehen. Die Gesetzgebungskompetenzen der Länder werden für die Bundeswehr durch die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Verteidigung (Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG) eingeschränkt. Danach kann der Bund den Kernbereich der Verteidigung, d.h. die innere Organisation der Streitkräfte und die Durchführung von Verteidigungsmaßnalunen regeln'. Dieses Gebiet ist det Gesetzgebungskompetenz der Länder entzogen (Art. 71 GG). Den Ländern ist es jedoch nicht versagt, auf den in ihrer Kompetenz stehenden Gebieten Regelungen zu treffen, die auch für die Bundeswehr gelten. Denn Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG umfaßt nur die Spezifika der Durchführung von Verteidigungsmaßnahmen. Soweit allgemeine Landesgesetze Regelungen enthalten, die notwendige Verteidigungsmaßnalunen vereiteln würden, steht dem Bund eine (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs mit der Verteidigungskompetenz zu Gebote, um verteidigungsspezifische Ausnahmen von den Landesgesetzen zu ennöglichen2• Gegen landesrechtliche Nonnen, die die Bundeswehr privilegieren3 , bestehen gleichwohl keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn der Landesgesetzgeber hat den ersten Zugriff auf den personellen Geltungsbereich seiner Gesetze und kann bereits auf dieser Stufe die Bundeswehr ausschließen. Soweit diese Normen lediglich unmittelbar geltenden Bundesrecht wiederholen4, haben sie wegen Art. 31 GG keine eigene Bedeutung. Bei den Verwaltungskompetenzen der Länder für die Bundeswehr bestehen Unterschiede zwischen dem Vollzug von Bundes- und von Landesrecht. In wenigen Teilbereichen5 ist den Ländern der Vollzug des Landesrechts im BeDazu oben im Text bei und nach § 5 Fußn. 81. Dazu oben im Text bei § 5 Fußn.96. 3 VgJ. die Normen über das baurechtliche KelIDtnisgabeverfahren (§ 2 Fußn. 173) oder die naturschutz- (§ 2 Fußn. 20) oder brandschutzrechtlichen (§ 2 Fußn. 260) Ausnahmevorschriften. 4 VgJ. die oben in § 2 Fußn. 20 genannten Normen. S Siehe oben § 4 D II 2. I

2

§ 7 Kompetenzen der Länder

175

reich der Bundeswehr entzogen. Die Ausführung obliegt insoweit - verfassungsrechtlich unbedenklich - Bundesbehörden. Die weitgehenden Kompetenzen zur Ausführung von Bundesrecht, die der Gesetzgeber im Bereich der Verteidigung Bundesbehörden eingeräumt oder übertragen hat, haben vor dem Grundgesetz nicht in vollem Umfang Bestand. Die Bundeswehr ist nicht befugt, in ihrem Bereich alle anfallenden Vollzugsaufgaben selbst zu übernehmen. Auch fiir die Bundeswehr gilt die allgemeine Regelung des Grundgesetzes, wonach die Zuständigkeit fiir die Ausführung von Bundesgesetzen bei den Ländern liegt, soweit nicht das Grundgesetz etwas anderes bestimmt oder zuläßt. Entgegen einigen teilweise verfassungswidrigen Normen haben die Landesbehörden folgende Verwaltungsaufgaben auch gegenüber der Bundeswehr wahrzunehmen: -

die Erteilung von Kontrollerlaubnissen,

-

das Ergreifen von Überwachungskonsequenzen,

-

die Stellung weitergehender Anforderungen und die Zulassung nicht verteidigungsspezifischer Ausnalunen sowie

-

die in § 6 Abs. 2 GGVS enthaltenen Zuständigkeiten für die Erteilung von Kontrollerlaubnissen.

Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben dürfen die Landesbehörden die Bundeswehr mit dem allgemeinen Instrumentarium zur Einhaltung der materiellen normativen Pflichten anhalten. Es ist ilmen nicht verwehrt, gegenüber dem Bund belastende Verwaltungsakte zu erlassen6 .

6

Siehe oben § 6 A.

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften Die Sondervorschriften rur die Bundeswehr sind, wie die Bestandsaufnahme belegt hat, recht vielgestaltig. Gleichwohl wird hier die These aufgestellt, daß diesen Regelungen - hinter unterschiedlichen Formulierungen versteckt - die gemeinsame Annahme zugrundeliegt, daß es einen Bereich der Bundeswehr und ihrer Betätigungen gibt, der bei Einhaltung der allgemeinen Gesetze nicht funktionsfähig wäre, und der durch das Bundeswehrsonderrecht geschützt werden soll. Um die These zu belegen. ist eine systematische Betrachtung der Tatbestands-S trukturen notwendig. Unter den Tatbestandsmerkmalen sind zwei Gruppen zu unterscheiden!: -

Tatbestandsmerkmale, die den Anwendungsbereich einer Nonn bestimmen; sie sollen im folgenden als Anwendungsmerkmale bezeichnet werden, und

-

Tatbestandsmerkmale, die innerhalb dieses Anwendungsbereichs die Voraussetzungen festlegen, unter denen die (privilegierenden) Rechtsfolgen eintreten sollen; im folgenden werden sie als Voraussetzungsmerkmale bezeichnet.

An einem Beispiel demonstriert: In § 60 Abs. 1 Satz I BImSchG legt das Tatbestandsmerkmal "Anlagen nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 3, die der Landesverteidigung dienen" den Anwendungsbereich der Norm fest. Die Voraussetzungen der Privilegierung, die Befugnis zur Zulassung von Ausnahmen, bestimmt ein anderes Tatbestandsmerkmal: Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden, "soweit dies zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfiillung zwischenstaatlicher Verpflichtungen erfordern". Sondernormen fiir die Bundeswehr enthalten notwendig Tatbestandsmerkmale, die ihren Anwendungsbereich beschreiben und sie damit von den fiir die Allgemeinheit geltenden Normen absetzen2• Die Rechtsfolgen dieser Nonnen sind dagegen nicht notwendig an weitere Voraussetzungsmerklnale geknüpft.

1 2

Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 - 4 C 24.90 -, BVerwGE 91 S. 227 fr., 23\ f. Siehe auch oben § 2.

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

177

A. Anwendungsmerkmale: Bestimmung des Anwendungsbereichs Für die Anwendungsmerkmale, d.h. die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Sonderregelungen, haben Gesetz- und Verordnungsgeber keine einheitliche Fassung gewählt. Es bestehen zwei Grundmuster: Eine organisatorische (weite) und eine funktionale (eingeschränkte) Bestimmung des Bereichs, für den die Sonderregelungen gelten sollen3 . Die Mehrzahl der Sondervorschriften des Umwelt- wie auch des übrigen Besonderen Verwaltungs rechts sehen eine organisatorische Definition ihres Anwendungsbereichs vor. Diese Regelungen gelten für die Bundeswehr4 , für den Bereichs oder den Dienstbereich der Bundeswehr6 , für den Geschäftsbereich des BMVg7 oder dessen Aujgabenbereich8 oder für die Streitkräfte9 . Zu dieser Gruppe weitgefaßter Anwendungstatbestände gehören auch die Nonnen, die für (Dienst-)Fahrzeuge der BundeswehrIo oder der Streitkräftell gelten. Zumindest in der Formulierung sind diejenigen Anwendungsmerkmale enger, die keine organisatorische, sondern eine funktionale Bestimmung verwenden. Diese Normen gelten für Anlagen, Vorhaben etc., die der Landesverteidiguni 2 3 Eine Besonderheit stellt die Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. I BBodSchG dar, die kein Anwendungsmerkmal enthält.

4 § 60 Abs. 2 Satz I BImSchG, § 10 Abs. I Satz 3 StrVG, § II Abs. 3 StrISchV, § I Abs. 2 Nr. 4 DampfkV, § lAbs. 2 Nr. 3 DruckbehV, § lAbs. 2 Nr. 2 Ele:xV, § lAbs. 2 Nr. 4 AcetV, § lAbs. 2 Nr. 2 VbF, § lAbs. 2 Nr. 4 AufzV, § 30 Abs. I Satz I LuftVG, § 35 Abs. 1 und 3 StVO, § 70 Abs. 4 StVZO, § 25 Abs. 1 GaststättenG, § 20 Abs. 2 ArbSchG, § lAbs. 3 AMBV, § 1 Abs.4 Nr. I SprengG, § 6 Abs. I Satz I WaffenG, § 15 Abs. I KriegswaffenkontroUG, § II CWüv.

5 § 70 Abs. 2, § 71 Abs. 2 AMG, § 40 Abs. 2 LMBG, § 26 Abs. 2 BtMG, § 32 Abs. 2 GÜG, § 41 Abs. 2 MPG, § 78 Abs. I BSeuchenG, § 3 Abs. I TierseuchellG, § 17 Abs. 3 GFIHG, § 22a Abs. 3 FIHG. 6 § 24 Abs.3 AtomG, § 30 Abs. 2 Satz I LuftVG, § 46 Abs. I StVO, § 68 Abs. 3 StVZO. Für Dienststellen der Bundeswehr gilt § 31 Abs. 3 StVG. 7 § 23 Abs. 2 BBodSchG, § 24 ChemG, § 58 Abs. 1 KrW-IAbfG, § 26 Abs. 3 BtMG, § 42 Abs. 2 MPG, § 32 Abs. 3 GÜG, § 21 Abs. 5 Satz 4 ArbSchG, § 15 Abs. 3 ArbZG, § 30 Abs. 2 FahrlehrerG. 8 § 5 Abs. 5 GGVS.

§ 3 Abs. 5, § 5 Abs. 5 GBefGG, § I Nr. 5 FreistelhmgsVO zum PBefG. § 15d Abs. la, § 29 Abs. I Satz 2 StVZO, § 40d Abs.3 BImSchG i.V.m. § 35 StVO, § 7 Abs. 2 SeeSchStrO sowie die SmogVO'en der Länder (§ 2 Fußn. 43). 11 § lAbs. 6 GGVSee, § 3 Abs. 9 GGVBinSch, § 5 Abs. 5 GGVE, § 6 Abs. 2 GGVS. 12 § 3 Abs.2 UVPG, § 21 Abs.4 WHG, § 10 Abs. 11, §§ 59, 60 Abs. I Satz I 9

10

BImSchG, § 37 Abs. 2 BauGB sowie die Vorschriften der LBauO'en über das Kelllltnisgabeverfahren, die teilweise verlangen, daß das Vorhaben unmittelbar der Landesverteidigung dient (siehe oben § 2 Fußn. 173). 111 der Sache ebenso § 17 Abs. I der 12 RcpkcwilZ

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

oder die Zwecken der Landesverteidigung13 bzw. Zwecken der Verteidigung dienen l4 , die der Verteidigung des Bundesgebietes bestimmt sindl5 , fiir Vorhaben der militärischen Verteidigung l6 , für Maßnahmen für Zwecke der Verteidiguni 7 oder für Zwecke des BMVgI8 • Ebenfalls eine funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs liegt vor, wenn eine Vorschrift nur fiir Anlagen. die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung im Bereich der Bundeswehr bestimmt simJ9, oder fiir militärische Flugplätze 20 gilt.

I. Organisatorische Bestimmung des Anwendungsbereichs Die organisatorische Bestimmung des Anwendungsbereichs ist in den Vorschriften eindeutig gefaßt, die vom Geschäftsbereich des BMVg sprechen. Zu seinem Geschäftsbereich gehören die Streitkräfte als bewaffnete Macht und die Bundeswehrverwaltuni l . Der Begriff der Bundeswehr, ihres Bereichs oder Dienstbereichs, ist weder verfassungsrechtlich noch durch die Organisationsgewalt der Bundesregierung entscheidend vorgeprägt. Daher könnte man erwägen, hierunter nur die bewaffnete Macht, d.h. die Streitkräfte i.S.v. Art. 87a GG, zu verstehen. Das hätte zur Folge, daß die Bundeswehrverwaltung die entsprechenden Sondervorschriften zwar auszuführen hätte, für ihren Aufgabenbereich - der verwaltungsmäßigen Unterstützung der Streitkräfte - aber an ihnen nicht partizipieren würde. Eine derartige Trennung überzeugt nicht. Denn sowohl Streitkräfte als auch Bundeswehrverwaltung verfolgen das gemeinsame, einheitliche Ziel der Verteidigung der Bundesrepublik gegen bewaffnete Angriffe von außen. Auch den Zwecken der Sondervorschriften ist nichts fiir eine solche Trennung zu entnehmen. Beschränkter Vorrang der Verteidigung vor dem Umweltschutz, Geheimhaltung und Verfahrensvereinfachung rechtfertigen abweichende Vorschriften unabhängig davon, ob die Bundeswehrverwaltung oder die Streitl. BhnSchV; dem Wortlaut nach enger § I der 14. BhnSchV, der nur die Anlagen erfaßt, die der militärischen Landesverteidigung dienen. 13 § 38 Nr. 1 BNatSchG. 14 § 45 Abs. 1 BWaldG. 15 § 1 Abs. 6 FAG, § 44 Abs. 3 TKG. 16 § 15 Abs. 5,6 Satz 2 ROG. 17 § 17a Satz I Nr. I WHG. 18 § 47 Abs. 2 TKG 19 § 60 Abs. 2 Satz I BhnSchG. 20 § 4 Abs. I Satz I Alt. 2 FluglärmG, § 30 Abs. I Satz 3, Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 LuftVG. 21 Siehe oben § 4 B I.

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

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kräfte betroffen sind. In der gemeinsamen Verwaltungsspitze, dem BMVg, wäre eine solche Trennung überdies nicht mehr durchführbar. Zur Bundeswehr, ihrem Bereich bzw. ihrem Dienstbereich gehören daher der BMVg, die Streitkräfte und die Bundeswehrverwaltuni2 . Die Begriffe der Bundeswehr und des Geschäftsbereichs des BMVg sind deckungsgleich. Die Vorschriften des Gefahrgutbeförderungsrechts, die ihren Anwendungsbereich über die Streitkräfte bestimmen, sind nicht enger, sondern beruhen auf eigenständigen Streitkräftebegriffen23 , die ausländische Truppen einbeziehen. Soweit sie deutsche Exekutivorgane erfassen, ist von der Bundeswehr die Rede 24 • Damit sind Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung gemeinrs. Die Sondervorschriften, die ihren Anwendungsbereich organisatorisch bestimmen, gelten ungeachtet ihres unterschiedlichen Wortlauts zumindest26 für alle dem Geschäftsbereich des BMVg zugeordneten Stellen.

11. Funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs Der Anwendungsbereich der Sondervorschriften insbesondere des medialen Umweltschutzes wird funktional bestimmt; dieses Modell wurde aber auch in vorhabenbezogenen Regelungen sowohl des integrierten Umweltschutzes als auch anderer Materien des Besonderen Verwaltungsrechts gewählt. In handlungsbezogenen Regelungen findet es sich dagegen nicht. Die meisten der hier zu erörternden Normen erfassen Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, oder, was in der Sache keinen Unterschied macht27 , die Zwecken der Landesverteidigung dienen. Was darunter zu verstehen ist, kann trotz einer Reihe von Definitionsansätzen nicht als abschließend geklärt angesehen werden. Es besteht wohl Einigkeit darüber, daß die funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs enger ist als die organisatorische: Nicht jedes Vorhaben der Bundeswehr dient der Landesverteidiguni8 . Sie ist allerF. Kirchhof, HStR III, § 78 Rdnr. 2; Roewer, StrVG, § 10 Rdnr. 4. Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 7 GGVS, § 2 Nr. 7 GGVE. 24 § 2 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a GGVS, § 2 Nr. 7 Buchst. a GGVE. 25 Vgl. auch Vorbem. IV der Richtlinie der Bundeswehr zur Gefahrgutverordnung Straße 1997 (RLBwGGVS '97) - Beförderung geflihrlicher Güter auf der Straße mit Fahrzeugen der Bundeswehr - Neufassung - vom 30.5.1997 (VMBl. S. 198). 26 Ob sie auch die in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Streitkräfte erfassen, soll hier nicht untersucht werden. 27 Denn "dienen" setzt notwendig einen entsprechenden Zweck voraus. 28 Bentmann, lmmissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 40; Enge/hardt! Schlicht, BImSchG, § 59 Rdnr. 3; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff, 419; Laubinger, in: U1eJLaubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 15; Steinberg, Nachbarrecht der 22

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

dings insofern weiter, als auch Vorhaben der Stationierungsstreitkräfte der Landesverteidigung dienen können29 . Nach Auffassung des BMVg dient ein Vorhaben i.S.v. § 3 Abs.2 UVPG dann der Landesverteidigung, wenn seine Realisierung der Herstellung oder dem Erhalt der Verteidigungsbereitschaft oder der Verteidigungsfähigkeit dieneo. Das hilft insofern wenig weiter, als das Definitionsproblem auf die Begriffe der Verteidigungsbereitschaft und der Verteidigungsfähigkeit verlagert wird, während die Kernfrage, welche Aufgaben die Verteidigung umfaßt, unbeantwortet bleibt. Wenig weiterführend sind die insbesondere in der immissionsschutzrechtlichen Literatur vertretenen Definitionen. So soll eine Anlage der Landesverteidigung dienen, wenn sie ausschließlich oder überwiegend Zwecken der Landesverteidigung diene 1, wenn sie zur Wahrnehmung von Aufgaben der Landesverteidigung erforderlich und diesem Zweck errichtet und betrieben wird32 oder wenn sie unmittelbar der Landesverteidigung diene 3 . All diese Erläuterungen setzen den Zweck der Anlage, die Landesverteidigung, als bekannt voraus und diskutieren lediglich, wann eine Anlage diesem Zweck dient. Ein Vorhaben der Landesverteidigung läßt sich auch nicht dadurch charakterisieren, daß bei ihm die Gefahr bestehen muß, daß militärische Geheimnisse bekannt werden34 • Diese Begriffserläuterung verlagert das Definitionsproblem öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr.2; Vallendar, in: Feldhaus. Bundesimmissionsschutzrecht, § 59 Anrn. 4. 29 BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 (Fußn. I), BVerwGE 91 S.227 ff., 230; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, Rdnr. 179; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 7; Henkel, Anlagenbegriff, S. 174; Laubinger, in: U1e/Laubinger, BlmSchG, § 59 Rdnr. 14; Repkewitz, VerwAreh. 82 (1991) S. 388 ff., 408, dort (S. 408 f.) auch zu der Frage, ob Vorhaben der sowjetischen (später russischen) Streitkräfte in Deutschland Zwecken der (Landes-)Verteidigung i.S.v. § 38 BNatSchG, § 45 BWaldG dienen kOlUlten. 30 Nr. 3 der UVP-RL Bw (§ 2 Fußn. 4). Ebenso VG Darrnstadt, Urt. v. 6.10.1988 IIIIV E 827/81 -, NJW 1988 S. 3170 ff., 3171; ähnlich auch VGH Kassel, Besch!. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S. 31 ff., 32. 31 GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 419; Hansmann, in: LandmannIRohrner, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 14; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnrn. 2, 9; Vallendar, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 59 Anrn. 4. 32 Bentmann, hnrnissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S.41; Bunge, HdUVP, 0600 § 3 UVPG Rdnr. 57; Führ, in: GK-BlmSchG, § 59 Rdnr. 29; Hansmann, in: LandmannIRohrner, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 14; Jarass, BlmSchG, § 60 Rdnr. 3; StichiPorger, hnrnissionsschutzrecht, § 59 Anrn. 4. 33 Czychowski, WHG, § 21 Rdnr. 31; Engelhardt/Schlicht, BlmSchG, § 59 Rdnr. 3. 34 So aber Bentmann, hrunissiollsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 41; Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 148: Führ, in: GK-BlmSchG, § 59 Rdnr. 29; Laubinger,

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

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auf den Begriff des militärischen Geheimnisses und vertauscht Ursache und Wirkung: Ein Vorhaben unterliegt (möglicherweise) der militärischen Geheimhaltung, weil es ein Verteidigungsvorhaben ist, und nicht umgekehrt35 . Es ist danach notwendig, das Tatbestandsmerkmal "der Landesverteidigung dienen" aufzuspalten und zunächst den Zweck des Vorhabens, die Landesverteidigung, näher zu beleuchten. Dabei ist zu untersuchen, ob "Verteidigung" und "Landesverteidigung" unterschiedliche Dinge meinen. Erst dann ist der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben diesem Zweck dient. 1. Landesverteidigung als Vorhabenszweck Die verwaltungsrechtlichen Sondervorschriften dienen dazu, der Bundeswehr die Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. Das verwaltungsrechtliche Tatbestandsmerkmal der Landesverteidigung hat daher seine Grundlage im Verfassungsrecht, weil dort die Aufgaben der Bundeswehr festgelegt sind. Das Grundgesetz kennt den Begriff der Landesverteidigung nicht. Es räumt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung für die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung (Art. 73 Nr. 1 Alt. 2) ein und weist den Streitkräften die Aufgabe der Verteidigung zu (Art. 87a Abs. 1 Satz I); die Bundeswehrverwaltung hat Aufgaben der Bedarfsdeckung der Streitkräfte (Art. 87b Abs. I Satz 2) wahrzunehmen und Bundesgesetze, "die der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen", auszuführen, sofern dies ausdrücklich bestimmt wird (Art. 87b Abs. 2 Satz I). Diese verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisungen erklären den Begriff der Verteidigung nicht, sondern setzen ihn voraus36 .

in: UlelLaubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. C 16; Simon, BayBauO, Art. 93 Rdnr. 30a. Für das Bauordnungsrecht auch VGH Kassel, Beschl. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S.31ff.,31. 35 Gegen diese Erläuterung auch Hansmmm, in: LandmamliRoluner, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 14. 36 Von Bü[ow, NZWehrr 1984 S.237 ff., 241. Nach Auffassung von Beckert, NZWehrr 1984 S. 9 ff., 15, 23, ist "Verteidigung" kein Rechtsbegriff, weil er der politischen Vorentscheidung, ob ein Angriff vorliegt, folgt. Der Verteidigungseinsatz könne daher rechtsstaatlieh nicht an Gesetzmäßigkeit lUld juristische Berechenbarkeit gebunden werden. Wie das allerdings mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbart werden soll, verrät der Autor nicht. Gegen solche Vorstellungen wendet sich zu Recht auch Mußgnug, DÖV 1989 S. 917 ff., 917 f.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Zentrale Aufgabe der Streitkräfte ist nach der grundlegenden Aufgabenzuweisung des Art. 87a Abs. I Satz I GG die Verteidiguni 7 . Eine erste, äußerste Grenze des Verteidigungs-Begriffs bildet das Verbot des Angriffskrieges (Art. 26 Abs. 1 GGi 8 . Die schlichte Gleichsetzung, wonach Verteidigung alles ist, was keinen Angriffskrieg darsteUe 9 , kann dem GG allerdings nicht entnommen werden, weil sonst für eine anderweitige Zulassung von Einsätzen kein Raum wäre40 • Die Auffassung, daß mit der Bestimmung des Verteidigungsfalls in Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG auch der Begriff der Verteidigung in Art. 87a Abs. I und 2 GG definiert sei41 , überzeugt nicht42 . Denn Art. 115a Abs. I Satz I nennt die Voraussetzungen, unter denen das innerstaatliche Organisationsgefüge modifiziert wird, um die Funktionsfahigkeit des Staates zu erhalten43 • Deren Beeinträchtigung ist nur bei einer Einwirkung auf das Bundesgebiet zu erwarten. Daß hier zwei unterschiedliche Entscheidungsebenen vorliegen, zeigt sich im übrigen daran, daß die Feststellung des Verteidigungsfalles nach Art. 115a Abs. I GG nicht zur Voraussetzung für einen Verteidigungseinsatz der Bundeswehr nach Art. 87a GG gemacht wurde44 • Art. 115a Abs. I Satz I GG enthält aller37 Dürig, in: MaunzlDürig, GG, Art. 87a Rdnr. 23. Unerfindlich ist, weshalb manche Stimmen trotz der klaren Regelung des Art. 87a Abs. I Satz I ("stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf') erst in Absatz 2 den Umfang des zulässigen Einsatzes erblicken wollen, vgl. z.B. von Bülow, Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 50; Burmester, NZWehrr 1993 S. 133 ff., 133; Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 686. 38 Burmester, NZWehrr 1993 S. 133 ff., 134; Wieland, DVBI. 1991 S. 1174 ff., 1178; BVerfG, Urt. v. 13.4.1978 -2 BvF 1,2,4,5/77 -, BVerfGE48 S. 127 ff., 160. 39 Doehring, HStR VII, § 17 Rdnr. 24; Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 ff., 69 f; Stein, FS Doehring, S. 935 ff., 943. 40 Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87a Rdnr. 21.

41 Arndt, DÖV 1992 S. 618 ff., 619; Brunner, ZRP 1991 S. 133 ff., 134, 138; Emde, NZWehrr 1992 S. 133 ff., 134; Fehn/Feim, Jura 1997 S. 621 ff., 22; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 87a Rdnr. 3; wohl auch Dürig, in: MaunzlDiirig, GG, Art. 87a Rdnr.22.

42 BVerfG, Urt. v. 12.7.1994 - 2 BvE 3/92, 5, 7, 8/93 -, BVerfGE 90 S. 286 ff., 386; Beckert, NZWehrr 1984 S. 9 ff., 16; Blumenwitz, NZWehrr 1984 S. 133 ff., 135 f; von Bülow, NZWehrr 1984 S. 237 ff., 249; Buro/ester, NZWehrr 1993 S. 133 ff., 135; Dreist, BWV 1994 S. 125 ff., 130; Kind, DÖV 1993 S. 139 ff., 145 (zur historischen Argumentation); Klein, ZaöRV 34 (1974) S. 429 ff., 437; Riedei, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S.64; Wieland, DVBI. 1991 S. 1174 ff., 1179; Woopen, NZWehrr 1983 S. 20 I ff., 210. 43 Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 ff., 136; von Bülow, NZWehrr 1984 S. 237 ff., 249; Klein, ZaöRV 34 (1974) S. 429 ff., 437; Riedei, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 69; Stein, FS Doehring, S. 935 ff., 939 f; Graf Vitzthum, HStR VII, § 170 Rdnr. 29; Woopen, NZWehrr 1983 S. 20 I ff.,21O. 44 BVerfG, Urt. v. 12.7.1994 (Fußn. 42), BVerfGE 90 S. 286 ff., 386. A.A. ohne jede Begründung Fehn/Fehn, Jura 1997 S. 621 ff., 622.

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dings den Mindestbestand des verfassungsrechtlichen Verteidigungsbegriffs: die Abwehr von Angriffen auf die territoriale Integrität. Nicht zur Verteidigung gehören die in Art. 35 Abs. 2 und 3, Art. 87a Abs. 3 und 4 GG genannten Aufgaben 45 . Sie haben polizeilichen Charakter und setzen einen Katastrophenfa1l46 voraus oder dürfen nur bei Gelegenheit der Abwehr von Gefahren für den Bestand des Bundes und der Länder wahrgenommen werden47 • Problematisch ist die Fassung des Verteidigungsbegriffs im Hinblick auf solche Einsätze der Bundeswehr, die - unterhalb der Schwelle des Angriffskrieges - nicht der Abwehr eines Angriffs auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland dienen. Das sind die Abwehr von Angriffen auf das Territorilln von NATO-Mitgliedern (Art. 5 Nordatlantikvertrag48 ) und von WEU-Mitgliedem (Art. V Briisseler Vertrag49 ) sowie Einsätze im Dienst der UN0 50 • Sehr weitgehend identifizieren einige Stimmen in der Literatur die Verteidigung mit den völkerrechtlich gemäß Art. 51 UNO-Charta zulässigen Maßnahmen der individuellen und der kollektiven Selbstverteidigunil . Hiergegen bestehen Bedenken, weil zwei selbständige Rechtsquellen, deren Wertungen

Bunnester, NZWehrr 1993 S. 133 ff., 134. Vgl. den Versuch von Majer, BWV 1992 S. 221 ff., 222 f, aus dem Tatbestandsmerkmal des Unglückfalls in Art. 35 Abs. 2, 3 GG einen Auftrag der Bundeswehr herzuleiten, von Dritten verursachte Umweltgefahren zu bekämpfen. Das ist vor dem Hintergrund des Art. 87a Abs. 2 GG nicht möglich, weil aus der Zulassung eines kurzfristigen Auftrags die Zulässigkeit einer Daueraufgabe hergeleitet werden soll. Umweltpolizeiliche Aufgaben können der Bundeswehr allenfalls durch den verfassungsändemden Gesetzgeber übertragen werden. 47 Knut Ipsen, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 87a AmTI. I S. 3; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87a Rdnm. 32, 36. 48 Vom 4.4.1949 (BGB\. 1955 n S. 289). 49 Vertrag über die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit und über kollektive Selbstverteidigung vom 17.3.1948 i.d.F. des Protokolls vom 23.10.1954 (BGB\. II 1955 S. 283). 50 Vgl. die Darstellung der Möglichkeiten von Schroeder, JuS 1995 S. 398 fT., 399 ff. SI Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 ff., 138; Dreist, BWV 1994 S. 125 fT., 133; Hernekamp, in: von MünchlKunig, GGK 3, Art. 87a Rdnr. 4; Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 ff., 70; Woopen, NZWehrr 1983 S. 20 I ff., 206; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87a Rdnr.21, die weitergehend auch die Staatsnothilfe unter den Verteidigungsbegriff fassen will. Auf eine Abhängigkeit des Verteidigungsbegriffs von der Zulässigkeit individueller und kollektiver Selbstverteidigung i.S.v. Art. 51 UNO-Charta weist auch Burnlester, NZWehrr 1993 S. 133 ff., 136, hin. Dagegen Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 107. 45

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Dritter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

nicht notwendig übereinstimmen, gleichgesetzt werden 52 . Auch bleibt unklar, worin das zu verteidigende Schutzobjekt bestehen soll. Nach allgemeinen Sprachgebrauch bedarf die Verteidigung eines Bezugspunktes: verteidigt wird eine Person oder eine (nicht notwendig körperliche) Sache. Eine Fassung des Verteidigungsbegriffs, die sich allein an Art. 51 UNOCharta orientiert, setzt ein sehr weites Verteidigungsobjekt voraus53 . Aus diesem Blickwinkel ist es durchaus folgerichtig, wenn beinahe jedes Interesse der Bundesrepublik Deutschland, begrenzt nur durch ein offenes Aufspielen als Weltpolizist, mit militärischen Mitteln soll verteidigt werden dürfen54 • Auf der Grundlage des Art. 87a Abs. I Satz I GG kommt ein solches Verteidigungsobjekt jedoch nicht in Betracht. Diese Vorschrift steht im Abschnitt über die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung. Das macht deutlich, daß hier nicht jedes beliebige Interesse lnit militärischen Machtmitteln verteidigt werden darf55. Die Bundesverwaltung hat einen territorialen Bezug und eine Verantwortung für den Bestand und die Funktion des Staates. Das besagt nichts darüber, ob andere, weitergehende Ziele auf einer anderen Ermächtigungsgrundlage verfolgt werden dürfen. Verteidigungsobjekt der Streitkräfte ist die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer Staatsgewalt, ihrem Staatsvolk und ihrem Staatsgebiet56 . Dieses Verteidigungsobjekt ist auch bei Angriffen auf Partner "klassischer" Verteidigungsbündnisse betroffen 57 , wenn der Angriff auf einen Bündnispartner als Angriff auf den beistandsverpflichteten Staat fingiert wird. Hierzu gehören die Bündnisverpflichtungen nach Art. 5 Nordatlantikvertrag und Art. V Brüsseler Vertrag. Denn lnit der Regelung des Art. 87a Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 686. Das gilt jedenfalls dann, wenn man auf eine territoriale Anbindung der SeIbstverteidigung als Gegengewalt gegen eine vorangegangene Verletzung des GewaItverbotes des Art. 2 Nr. 4 UNO-Charta verzichtet, wie dies in manchen Elementen der Aggressionsdefinition der Fall ist. Vgl. dazu Bothe, in: Graf Vitzthum, Völkerrecht, 7. Abschnitt Rdnrn. 12 f (S. 591 ff.), 16 (S. 594 f); RandelzhoJer, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen, Art. 51 Rdnr. 16. S4 Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 ff., 139; ähnlich auch Gomig, JZ 1993 S. 123 If., 124. 55 Zweifelnd gegenüber systematischen Erwägungen zur Ennittlung des Schutzobjektes VOll Bülow, NZWehrr 1984 S. 237 ff., 241; ders., Der Einsatz der Streitkräfte zur Verteidigung, S. 62. 56 Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 687; F. Kirchhof, HStR III, § 78 Rdnr. 27; Riedei, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 79 f. (Bestandsschutz der staatlichen Ordnung gegen Angriffe von außen); BVerfG, Urt. v. 13.4.1978 (Fußn. 38), BVerfGE 48 S. 127 ff., 160, 163; Urt. v. 24.4.1985 - 2 BvF 2, 3,4/83,2/84 -, BVerfGE 69 S. I ff., 23; wohl auch von Bülow, NZWehrr 1984 S. 237 Ir, 251. 57 Klein, ZaöRV 34 (1974) S. 429 ff., 439; Schroeder, JuS 1995 S. 398 tr, 40 I; Stein, FS Doehring, S. 935 ff., 940; Wieland, DVBI. 1991 S. 1174 tI, 1179; BVerfG, Urt. v. 13.4.1978 (Fußn. 38), BVerfGE 48 S. 127 II, 160. 52

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Abs. 2 GG sollte die Erfüllung der aus dem Nordatlantikvertrag resultierenden Verpflichtungen nicht erschwert oder urunöglich gemacht werden. Vielmehr sollte zulässig bleiben, was Ausgangspunkt der Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland war: die nationale Verteidigung innerhalb der NAT058 . Aus dieser Bestimmung des Verteidigungsobjektes folgt zunächst, daß Art. 87a Abs. 2 GG nicht nur den Inlandseinsatz erfaßt59 . Weder aus der Entstehungsgeschichte noch aus der Systematik des Grundgesetzes läßt sich ableiten, daß ein Außeneinsatz der Streitkräfte sich in den Grenzen des Art. 26 Abs. 1 GG nur aus einem dem Staatsbegriff immanenten Verteidigungsrecht ergibt60 . Sonst wäre die Regelung des Art. 24 Abs. 2 GG, die einen Außeneinsatz der Streitkräfte innerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit zuläßt61 , unnötig. Die Regelungen der Art.87a Abs. I Satz 1, Abs. 2 einerseits und Art. 24 Abs. 2 GG andererseits haben, wie auch die jeweiligen Entstehungszeitpunkte und -anlässe belegen, eine unterschiedliche Regelungsperspektive, die für die Abgrenzung des Verteidigungsbegriffs nutzbar zu machen ist62 . Art. 87a Abs. 1 Satz 1 ist die Grundnorm für von deutschen Staatsorganen autonom angeordnete Streitkräfteeinsätze, die allein oder im Rallmen klassischer Verteidigungsbündnisse erfolgen können. Sie erfordern einen urunittelbaren Bezug zur Sicherung der eigenen Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Durch die territoriale Integrität werden zugleich Recht und Freiheit der Staatsangehörigen

58 Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 IT., 686 (der den Schwerpunkt seiner Argumentation auf das traditionelle Verständnis von Verteidigung legt); Wieland, DVBI. 1991 S. 1174 IT., 1179; BVerfD, Urt. v. 12.7.1994 (Fußn. 42), BVerfDE 90 S. 286 Ir., 356 f Zu diesem Zusammenhang vgl. auch BVerfD, Urt. v. 18.12.1984 - 2 BvE 13/83 -, BVerfDE 68 S. 1 Ir., 79 f 59 So Dreist, BWV 1994 S. 125 tT., 132; F. Kirchhof, HStR III, § 78 Rdnr.29; Kokott, in: Sachs, GG, Art. 87a Rdnr. 12; Stein, FS Doehring, S. 935 tT., 940. Tendenziell ebenso BVerfD, Urt. v. 12.7.1994 (Fußn. 42), BVerfDE 90 S. 286 ff., 357. Wie hier FeJmlFehn, Jura 1997 S. 621 tT., 621. 60 So Kersting, NZWehrr 1983 S. 64 tT., 71. 61 BVerfD, Urt. v. 12.7.1994 (Fußn.42), BVerfDE 90 S. 286 tT., 345; Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 tT., 686; Emde, NZWehrr 1992 S. 133 tT., 138; Gomig, JZ 1993 S. 123 tT., 125; Majer, BWV 1992 S. 221 tT., 221; Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 190 f; Wieland, DVBI. 1991 S. 1174 tT., 1180. Dagegen (mit der Begrundung, "ausdrücklich" bedeute so viel wie "wörtlich") Amdt, DÖV 1992 S. 618 tT., 623; ders., NJW 1994 S. 2197 fr., 2198; Bachmann, MDR 1993 S. 397 tT., 398 f; Brunner, ZRP 1991 S. 133 tT., 134; Bum/ester, NZWehrr 1993 S. 133 tT., 140; Franzke, NJW 1992 S. 3075 tT., 3077; Dreist, BWV 1994 S. 125 tT., 131. 62 Hierzu Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 Ir, 687.

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gegen Angriffe von außen geschützt63 . Dabei unlfaßt Verteidigung nicht nur die Territorialverteidigung, sondern auch die Personalverteidigung64 . Grundnorm der Einsätze, die nicht autonom, sondern im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme angeordnet werden, ist Art. 24 Abs. 2 GG65 . Bei ilmen erfolgt die Einsatzanordnung ausschließlich im Bündnis. Schon diese unterschiedliche Regelungsperspektive zeigt, daß zwischen den Normen des Art. 87a Abs. I Satz I, Abs. 2 und Art. 24 Abs. 2 GG ein Exklusivitätsverhältnis besteht. Verteidigung ist etwas anderes als Beteiligung an einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Während erstere notwendig einen Bezug zum anordnenden Staatswesen hat, verfolgt letztere andere, über die nationale Verteidigung hinausgehende Ziele, etwa die globale Friedenssicherung. Damit ist im übrigen zugleich die Gefahr gebannt, daß sich die Bundesrepublik Deutschland als Weltpolizist aufspielen könnte66 . Einsätze im Rahmen der UNO, und dazu gehören auch solche, die NATO oder WEU durchführen und sich dafür der Bundeswehr bedienen67 , haben keinen direkten Bezug zur Bundes republik Deutschland. Sie erfolgen somit nicht zur Verteidigung, sondern aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG. Verteidigung im Sinne des Art. 87a Abs. I Satz 1, Abs. 2 GG ist danach die Abwehr von Angriffen auf die territoriale oder personale Integrität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verbündeten in NATO und WEU, soweit der Angriff eine Bündnispflicht zur Verteidigung auslösen kann. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Landesverteidigung ist auf dem Hintergrund dieses verfassungsrechtlichen Befundes zu interpretieren. Gegenüber dem allgemeinen Sprachgebrauch68 und der Begriffsverwendung in Art. 73 Nr. 1 GG sind diese Begriff enger, weil sie die Zivilverteidigung auskIam-

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Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 687.

Zu den völkerrechtlichen Grenzen der Personal verteidigung gegen den Willen des Aufenthaltsstaates vgl. RandelzhoJer, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen, Art. 2 Ziff. 4 Rdnrn. 53-55 m. w. N. zum Streitstand. 6S Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 688. 66 Vgl. Blumenwitz, NZWehrr 1988 S. 133 ff., 139, der den Verteidigungsbegriff erst bei offenem Aufspielen als We1tpolizei überschritten ansieht. 67 Siehe z.B. die Durchsetzung des Flugverbots im Luftraum über Bosnien-Herzegowina und die Überwachung des gegen die Föderative Republik Jugoslawien verhängten Embargos, vgl. SteinlKrölIilIger, Jura 1995 S. 254 ff., 254, 256. 68 Nach ihm ist Landesverteidigung die "Gesamtheit der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Maßnahmen eines Staates zur Sicherung seiner staatlichen Souveränität und nationalen Unabhängigkeit und zur Abwehr feindlicher Angriffe", vgl. Meyers Neues Lexikon in 10 Bänden, Fünfter Band, S. 511; ähnlich Brockhaus Enzyklopädie, Band 13, S. 38. 64

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mern69 . Die Verteidigungsvorschriften knüpfen an die Zuständigkeit des BMVg an, während die Zivilverteidigung weitgehend beim Bundesministerium des Innern ressortiert70 . Im Sinne des Art. 87a ebenso wie im verwaltungsrechtlichen Sprachgebrauch ist Landesverteidigung immer militärische Landesverteidigung71, was nicht notwendig die Zuständigkeit der Streitkräfte, sondern auch - entsprechend den Vorgaben des Art. 87b GG - die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung zur Folge haben kann. Denn die zivile Bundeswehrverwaltung unterstützt die Streitkräfte bei ihrer militärischen Aufgabenerfüllung. Für den verwaltungsrechtlichen Verteidigungsbegriff kommt es auf die klare Trennung der Aufgaben der Bundeswehr zu dem Bereich des Art. 87a Abs. 1 Satz 1 oder dem des Art. 24 Abs. 2 GG an n . Die Zulässigkeit verwaltungsrechtlicher Privilegierungen steht unter dem Vorbehalt der allgemeinen verfassungsrechtIichen Randbedingungen. Funktion der Privilegierung ist, den Streitkräften die Erfüllung ihrer Verteidigungsaufgabe zu ennöglichen. Allgemeine Gesetze, die die Aufgabenerfüllung behindern, erschweren oder vereiteln würden, erfahren solche Durchbrechungen, die die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte gewährleisten sollen. Dabei müssen u. U. Dritte Beeinträchtigungen ihrer Rechte hinnehmen. Dies wie auch die mit den Privilegierungen verbundenen Ungleichbehandlungen können nur vor dem Hintergrund der Sicherung des Bestandes des Staatsganzen ihre Rechtfertigung finden. Privilegierungen sind nur insoweit zulässig, als schwergewichtige Rechtsgüter zu sichern sind. Die Bedeutung und das Gewicht allgemeiner Güter wie des Weltfriedens und der Sicherheit der Bevölkerung in anderen Staaten soll hier keineswegs heruntergespielt werden. Solche wichtigen Politikziele dürfen aber nur im Ralunen der bestehenden Vorschriften verfolgt werden. Während die Abwehr von Angriffen auf die Integrität der Bundesrepublik Deutschland auch dem Schutz einer Hemekamp, in: von MünchIKwüg, GGK 3, Art. 87a Rdnr. 5. Vgl. § 2 Abs. 3, § 4 Abs. I wld 2 Zivilschutzgesetz vom 25.3.1997 (BGBI. S. 726), und die Rahmenrichtlinien für die Gesamtverteidigung - Gesamtverteidigungsrichtlinien - vom 10.1.1989 (GMBI. S. 107), Ziff. lAbs. 3, Ziff. 4, 18. 71 Engelhardt/Schlicht, BImSehG, § 59 Rdnr. 3; Henkel, Anlagenbegriff, S. 173 f; beide für die immissionsschutzlichen Vorschriften. Henkel interpretiert allerdings die §§ 59, 60 BImSchG im Lichte der 14. BImSchV; dies ist im Hinblick auf die Normenhierarchie und die Entstehungsgeschichte der 14. BImSchV metllodisch nicht korrekt. Weitergehend § 17a WHG: im Sinne dieser Vorschrift zählt der Zivilschutz zur Verteidigung, siehe auch Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 4. 72 An dieser Stelle zeigt sich, daß es keinen Süm macht, sämtliche denkbaren Fonnen eines äußeren Streitkräfteeinsatzes wmüttelbar oder in analoger Anwendung unter Art. 87a Abs. 2 Alt. I GG zu subsUinieren, wie dies Blumenwitz (NZWehrr 1988 S. 133 ff., 138, 143; BayVBI. 1994 S. 678 ff., 678) für richtig hält. Detm dann wäre die funktionale Fassung des Anwendungsmerkmals funktionslos, weil mit der organisatorischen identisch. 69

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Rechtsordnung dient, die sich dem Gnmdrechtsschutz verschrieben hat, es also zu einer Konfliktsituation zwischen dem Gnmdrechtsschutz für das ganze deutsche Volk und dem individuellen Gnmdrechtsschutz kommt, haben Maßnahmen innerhalb kollektiver Sicherheitssysteme keine gleichwertige Funktion. Sie können daher nicht in gleichem Umfang Privilegienmgen der Bundeswehr rechtfertigen. Die verwaltungsrechtliche Sonderrechtsordnung stellt eine Ausprägung der vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 12a Abs. 1, Art. 73 Nr. 1, Art. 87a Abs. 1 und 2 GG entnommenen verfassungsrechtlichen Gnmdentscheidung für eine militärische Verteidigung73 dar. Unabhängig von den gegen eine gnmdrechtsbeschränkende Funktion sog. verfassungsrechtlicher Gnmdentscheidungen bestehenden methodischen Bedenken74 müssen sich die verwaltungsrechtlichen Normen im verfassungsrechtlichen Kontext rechtfertigen. Dabei ist die Bedeutung der Verteidigung mit den Rechten Dritter abzuwägen. Diese Abwägung geht davon aus, daß die Verteidigung dazu dient, die Ordnung des Gnmdgesetzes mit den in ihr entllaltenen Garantien der Gnmdrechte gegen äußere Angriffe zu schützen. Nur dann, wenn die Einschränkung von Gnmdrechten bzw. eine UngIeichbehandlung Teil der Sichenmg der freiheitlichen und demokratischen Ordnung des Gnmdgesetzes ist, kann eine Abwägung zugunsten der Verteidigung ausgehen. Denn in dieser Situation steht die Alternative "Möglichkeit von Gnmdrechtsgewährleistungen" gegen "Gnmdrechte einzelner" zur Entscheidung. Daß der verwaItungsrechtliche Verteidigungsbegriff über die ausschließlich national organisierte Landesverteidigung hinausgeht, wird im übrigen durch das Voraussetzungsmerkmal "zur Erfiillung zwischenstaatlicher Verpflichtungen" belegt, das ohne eine Bündniskomponente des Verteidigungsbegriffs sinnlos wäre. Die Wahrnehmung von Aufgaben durch die Bundeswehr, die nicht in dem hier geschilderten Sinn existentiell für den Bestand der gnmdgesetzlichen Ordnung sind, sind demgegenüber nicht geeignet, Gnmdrechtseinschränkungen oder Ungleichbehandlungen zu rechtfertigen. In solchen Fällen geht es um politisch zweckmäßige oder sinnvolle Maßnahmen, um die Erhaltung der außenpolitischen Glaubwürdigkeit und eine AngIeichung des politischen Gewichts der Bundesrepublik Deutschland an ihre wirtschaftliche Bedeutung. Das sind Ziele, die insbesondere unter dem Dach der UNO verfolgt und bei 73 Beseh!. v. 26.5.1970 - I BvR 83,244, 345/69 -, BVerfGE 28 S. 243 ff, 261; Urt. v. 13.4.1978 (Fußn. 38), BVerfGE 48 S. 127 ff., 159; Urt. v. 24.4.1985 (Fußn.56), BVerfGE 69 S. 1 ff., 21 f. 74 Vgl. dazu lestaedt, in: Au1ehner u.a. (Hrsg.), S. 315 ff., 318, 324. Diese Bedenken hatjÜllgst Spranger, RiA 1998 S. 14 ff., kritisiert.

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denen die Streitkräfte aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG eingesetzt werden dürfen 75 . Der verwaltungsrechtliche Verteidigungsbegriff deckt sich danach mit dem des Art. 87a Abs. I Satz I, Abs. 2 Alt. I GG 76 . Die Bundeswehr kann Sonderrechte nur für Einsätze, die auf der Grundlage dieser Vorschriften erfolgen, in Anspruch nehmen. Der funktional bestinunte Anwendungsbereich der Sondervorschriften bleibt bei Einsätzen auf anderer Rechtsgrundlage verschlossen. Das gilt insbesondere für UNO-Missionen. Hier kann auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung der Sondervorschriften geholfen werden. Ob drum, wenn allgemeine gesetzliche Vorschriften einen Einsatz, der aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG erfolgt, erschweren oder vereiteln können, überhaupt eine Regelungslücke vorliegt, erscheint bereits zweifelhaft. Dies könnte immerhin mit der Überlegung bejaht werden, daß die frühere Staatspraxis nur die Verteidigungseinsätze der Bundeswehr als zulässig ansah77 . Regelungsbedarf für eine Privilegierung von sonstigen Einsätzen der Bundeswehr wurde nicht gesehen, vielmehr ging der Gesetzgeber wohl davon aus, daß für sämtliche zulässigen Verwendungen der Streitkräfte Ausnalunen möglich sind78 . Ob hier eine Regelungslücke vorliegt, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung, denn ein Analogieschluß scheitert an einer nicht vergleichbaren Interessenlage. Einsätze, die nicht Verteidigung darstellen, sind nicht dem Schutz existentieller Belange der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet. Nur die Abwehr existentieller Gefährdungen kann aber die Privilegierungen rechtfertigen. Einsätze aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG eröffnen danach nicht den Anwendungsbereich der Sondervorschriften für die Bundeswehr. Das gilt nicht nur für die Vorschriften, die den Begriff der Verteidigung verwenden. "Verteidigung" und "Landesverteidigung" werden vom Gesetzgeber

BVerfG, Urt. v. 12.7.1994 (Fußn. 42), BVerfGE 90 S. 286 fT., 351, 353. 76 Wie hier ohne ausdrücklichen Rückgriff auf Art. 87a BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 (Fußn. I), BVerwGE 91 S. 227 ff., 230, rur § 37 Abs. 2 BauGB. Für § 7 Abs. 1 Nr. 1 UIG ebenso FluckITheuer, lnG, § 7 Rdnr. 46/49; Schrader, in: Schomerus/Schrader/ Wegener, UIG, § 7 Rdnr. 8. 77 Vgl. Depenheuer, DVBI. 1997 S. 685 ff., 685; Riedei, Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 3 f.; ders., DÖV 1989 S. 890 ff., 890 f.; Stein/Kröninger, Jura 1995 S. 254 ff., 259. Vgl. auch den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskorrunission, BT-Drucks. 12/6000, S. 103; dort ist von einer Zurückhaltung aller BWldesregienmgen, die deutschen Verpflichtungen aus der UNO-Charta zu erfüllen, die Rede. 78 Vgl. Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. C 16. 75

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

synonym verwendee 9 . Vor der Wiedervereinigung Deutschlands herrschte die Vorstellung vor, wegen der Lage des Landes sei ein Angriff auf die NATO notwendig mit einem Angriff auf die Bundesrepublik Deutschland verbunden80 . Die unterschiedliche Begriffsbildung allein läßt vor diesem Hintergrund, wie das Beispiel der etwa zeitgleich entstandenen Regelungen der § 38 Nr. 1 BNatSchG und § 45 Abs. 1 Nr. 1 BWaldG zeigt, nicht den Schluß auf unterschiedliche Regelungsgehalte ZU81. Verteidigung wie Landesverteidigung im verwaltungsrechtlichen Sprachgebrauch meint damit den Bereich der nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Alt. 1 GG zulässigen Einsätze. Der Zweck, für den die funktional bestimmten Sondemormen in Anspruch genommen werden dürfen, ist damit auf solche Einsätze begrenzt, die von deutschen Staatsorganen autonom angeordnet werden können. Erforderlich ist ein unmittelbarer Bezug zur Sicherung der eigenen staatlichen Existenz. Dazu gehören nicht die Einsätze in einem kollektiven Sicherheitssystem wie der UNO; sie unterfallen nicht dem Anwendungsbereich der funktional bestimmten Sondervorschriften für die Bundeswehr. 2. Der Verteidigung dienen Der Anwendungsbereich der Sondervorschriften ist nur dann eröffnet, wenn das privilegierte Vorhaben der Verteidigung dient. Damit wird eine funktionale Beziehung des Vorhabens zu dem mit ihm verfolgten Zweck bezeichnet. Die immissionsschutzrechtliche Literatur, in der das Tatbestandsmerkmal ausführlicher erörtert wird, ist hinsichtlich dieses Anwendungsmerkmals uneinheitlich. Teilweise wird verlangt, daß das Vorhaben bei bestimmungsgemäßer Verwendung ausschließlich oder überwiegend Verteidigungszwecken dient82 . Diese Anreicherung des Dienens um weitere Merkmale trägt aber zur Aufklärung, was denn nun unter "dienen" zu verstehen ist, nichts bei. 79 Vgl. Nr. 6 Fußn. 2 der Richtlinien des BMVg zur Durchfilhrung des Bundesnaturschutzgesetzes und des Bundeswaldgesetzes in Liegenschaften der Bundeswehr und NATO - Wald- und Naturschutzrichtlinien - vom 17.8.1978 (VMBl. S. 269). Bezogen auf das Umweltinformationsgesetz ebenso Schrader, in: SchomerusiSchraderlWegener,

UIG, § 7 Rdnr. 8. 80 Vgl. Amdt, OOV 1992 S. 618 ff., 620.

81 Außerdem könnte der Begriff der Landesverteidigung als normative Zielvorgabe, die auch mittels der Beistandsleistungen im Bündnis verwirklicht werden kann, interpretiert werden, vgl. Kind, DÖV 1993 S. 139 ff., 144. 82 GallaslEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 419; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 14; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnm. 2,9; Vallendar, in: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § S9 Anm. 4.

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Anderen Stimmen zufolge dient eine Anlage dann der Landesverteidigung, wenn sie fiir die Erfiillung des Verteidigungszweckes erforderlich ist und unmittelbar hierfiir errichtet und betrieben wird83 . Ergänzend84 oder ausschließlich85 wird auf die militärische Geheimhaltungsbedürftigkeit abgestellt. Die zuletzt genannte Begriffsbestimmung ist nicht hilfreich, denn sie übersieht., daß die materiellen Sondemormen keine Geheimhaltungszwecke verfolgen und die Geheimhaltungsbedürftigkeit aus der Zuordnung zur Verteidigung folgt, und nicht umgekehrt. Für eine übergreifende Begriffsbestimmung, die durch die einheitliche Wortwahl innerhalb des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nahegelegt wird, gibt die Geheimhaltung nichts her. Mit den Merkmalen der Erforderlichkeit und der Errichtung und dem Betrieb zur Zweckerfiillung ist zumindest der Ansatz beschrieben, von dem aus das Anwendungsmerkmal "dienen" konkretisiert werden kann. Während die tatsächliche Nutzung zur Verteidigung ein wichtiges Merkmal ist., das eine Abgrenzung zu zivilen Zwecken eines Vorhabens ermöglicht, bleibt der Begriff der Erforderlichkeit ähnlich unbestimmt wie der des Dienens. Das Bundesverwaltungsgericht86 greift bei der Auslegung dieses Merkmals in § 37 Abs. 2 BauGB auf seine Rechtsprechung zum "Dienen" im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zurück. Danach ist Dienen enger als bloße Förderlichkeit des Vorhabens, verlangt aber nicht dessen Notwendigkeit oder gar Unerläßlichkeit87 • Innerhalb dieses Rahmens stellt das Gericht darauf ab, ob ein vernünftiger Landwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung fiir einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Hinzukommen müsse eine

83 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 41; Bunge, HdlNP, 0600 § 3 lNPG Rdnr. 57; Fahr, in: GK-BImSchG, § 59 Rdnr. 29; Hansmann, in: LandmannlRohmer, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 14; Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 3; Stiehl Porger, Immissionsschutzrecht, § 59 Anm. 4; ähnlich auch Czyehowski, WHG, § 21 Rdnr. 31; EngelhardtiSehlieht, BJmSchG, § 59 Rdnr. 3. 84 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 41; Fahr, in: GKBImSchG, § 59 Rdnr. 29; Hansmann, in: LandmannlRohmer, Umweltrecht I, § 59 Rdnr.14. 85 Laubinger, in: UleJLaubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 16 (f\ir die Zuständigkeitsnonnen), § 60 Rdnr. C 4 (für die materiellen Nonnen); Storost, in: UleJLaubinger, BImSchG, § 10 Rdnr. L 6 (f\ir die Verfahrensvorschriften). 86 Urt. v. 3.12.1992 (Fußn. 1), BVerwGE 91 S. 227 tT., 230. Zustimmend Krautzberger, in: ErnstiZinkalmlBieienberg/Krautzberger, BauGB, § 37 Rdnr. 30. 87 Grundlegend BVerwG, Urt. v. 3.11.1972 - IV C 9.70 -, BVerwGE 41 S. 138 tT., 140; Urt. v. 3.12.1992 (Fußn. I), BVerwGE 91 S. 227 ff., 230.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

auch äußerlich erkennbare Prägung des Vorhabens durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb 88 • Überträgt man das auf Vorhaben, die der (Landes-)Verteidigung dienen, ergibt sich folgendes. Das Vorhaben muß objektiv geeignet sein, Verteidigungszwecke zu verfolgen, und es muß durch diese Zwecksetzung erkennbar geprägt sein89 • Dies ist zu fordern, um Vorhaben, die der Verteidigung lediglich unspezifisch nützlich sind und keine Sonderregelungen erfordern, auszusondern. Weiter muß das Vorhaben tatsächlich zu diesem Zweck genutzt werden. Fraglich ist, welchen Umfang andere mögliche Nutzungen haben dürfen90 • Unschädlich ist sicherlich, wenn das Vorhaben auch für Einsätze aufgrund des Art. 24 Abs. 2 GG nutzbar ist91 • Denn in sehr weitgehendem Umfang stellen Verteidigungseinsätze und Einsätze im Rahmen von Systemen kollektiver Sicherheit gleiche Anforderungen an die Anlagen und Geräte. Umgekehrt wird ein Vorhaben, das ausschließlich für andere Zwecke als Verteidigungseinsätze verwendet wird, trotz objektiver Eignung nicht als der Verteidigung dienend anzusehen sein. Hier wird man auf den Schwerpunkt der tatsächlichen Nutzung abstellen müssen. Der Verteidigung dienen solche Vorhaben, die im Schwerpunkt rur Verteidigungszwecke tatsächlich genutzt werden. Eine Feuerleitstelle, die rur einen längeren Zeitraum im Rahmen eines UNO-Einsatzes verwendet wird, verliert nicht dadurch ihre Qualität als Verteidigungsanlage, wenn sie nach dessen Beendigung wieder rur Verteidigungseinsätze zur Verfiigung stehen soll. Die qualitative Schwerpunktsetzung bei der Betrachtung gemischter tatsächlicher Nutzungen muß vielmehr fragen, welche Nutzung sachliche Priorität hat. Ist dies die Verteidigungsnutzung, dient das Vorhaben Verteidigungszwecken. Nicht auf das Dienen rur Zwecke der Verteidigung übertragbar ist der von BVerwG im Rahmen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB verwendete Vergleichsmaßstab des vernünftigen Landwirts. Diesem Maßstab geht es darum, im Rahmen von Freiheitsbetätigung mögliche unvernünftige Nutzungen im Interesse der Allgemeinheit am Schutz des Außenbereichs vor Bebauung auszuschließen. Verteidigungsvorhaben werden aber nicht aufgrund von Freiheitsbetätigung 88 BVerwG, Urt. v. 3.11.1972 (Fußn. 87), BVerwGE 41 S. 138 ff., 140; ebenso Söfker, in: ErnstlZinkahnlBielenberglKrautzberger, BauGB, § 35 Rdnr. 34. 89 Ebenso in der Sache ebenso VGH Kassel, Beschl. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S. 31 ff., 31 f. 90 Vgl. als Beispiel das zu beschaffende Artillerie-Radar-System COBRA, das auch für den Einsatz im Rahmen friedenserhaltender Maßnahmen, Z.B. bei der Überwachung von Waffenstillstandsabkommen, geeignet ist (BT-Drucks. 13/6128, S. 1). Damit ist das System nicht ausschließlich für die Verteidigung einsetzbar. 91 Vgl. BVerwG, Urt. v. 3.12.1992 (Fußn. 1), BVerwGE 91 S. 227 ff., 230; Krautzberger, in: EmstlZinkahnlBie1enberglKrautzberger, BauGB, § 37 Rdnr. 30.

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

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durchgeführt. Ob ein Vorhaben für die Verteidigung vernünftigerweise geboten ist, hängt von der jeweiligen Konzeption der Verteidigung und der angenommenen militärischen Lage ab. Diese Annahmen vorzugeben, obliegt dem BMVg. Für einen "vernünftigen" Vergleichsmaßstab fehlt damit die Grundlage. Nicht notwendig ist, einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Nutzung des Vorhabens und der Landesverteidigung zu verlangen92 . Ein enger Zusammenhang ergibt sich bereits daraus, daß eine tatsächliche Verteidigungsnutzung vorausgesetzt wird, damit ein Vorhaben der Verteidigung dient. Die Verteidigung ist Aufgabe der Streitkräfte, die für einzelne Hilfstätigkeiten nach Art. 8Th GG von der Bundeswehrverwaltung unterstützt wird. Das bedeutet aber, daß eine Verteidigungsnutzung nur durch die Streitkräfte erfolgen kann. Vorhaben der Bundeswehrverwaltuog dienen danach nicht der Verteidigun~3.

Schließlich kann ein militärisches Geheimhaltungsbedürfnis für die Auslegung des "Dienens" nutzbar gemacht werden94 . "Dienen" beschreibt eine funktionale Beziehung zwischen dem Vorhaben und dem mit ihm verfolgten Zweck. Geheimhaltungserfordernisse folgen aus dem Zweck des Vorhabens; der Geheimhaltung unterliegt das Vorhaben, nicht seine funktionale Beziehung zur Verteidigung. Zusammengefaßt dient ein Vorhaben der Verteidigung, wenn es -

objektiv geeignet ist, Verteidigungszwecke zu verfolgen,

-

durch den Verteidigungszweck erkennbar geprägt ist, und

-

tatsächlich vorrangig oder ausschließlich für Verteidigungszwecke genutzt wird.

Das sind nicht alle Vorhaben der Bundesweh?5, sonst wäre die funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs der Sondervorschriften mit der organisatorischen identisch. Die unterschiedliche Wortwahl steht einer solchen Interpretation entgegen.

92 So aber Bunge, HdUVP, 0600 § 3 UVPG Rdnr.58; Engelhardt/Schlicht, BImSchG, § 59 Rdnr. 3; Führ, in: GK-BImSchG, § 59 Rdnrn. 29, 98; Jarnss, BImSchG, § 60 Rdnr. 3; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 2.

93 Im Ergebnis ebenso EngelhardtlSchlicht, BImSchG, § 59 Rdnr. 3; Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 3. 94 So Führ, in: GK-BImSchG, § 59 Rdnm. 29, 30. 95 Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 15. 13 Rcpkcwilz

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Dritter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Die üblicherweise als Verteidigungsvorhaben gehandeIten Beispiele96 genügen diesen Anforderungen.

B. Voraussetzungsmerkmale: Voraussetzungen der Privilegierung Nicht alle Sondervorschriften für die Bundeswehr verfügen über die Anwendungsmerkmale hinaus über weitere Tatbestandsmerkmale, deren Vorliegen Voraussetzung für die (privilegierende) Rechtsfolge ist. Ohne solche Voraussetzungsmerkmale kommen insbesondere die Zuständigkeitsnormen aus. Die Privilegierungen sind nur zulässig, -

soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Vereinbarungen dies erfordern97 ,

-

soweit dies Gründe der Verteidigung erfordern98 ,

-

soweit dies zur Erfüllung ihrer (der Bundeswehr) besonderen Aufgaben erforderlich ist99 ,

-

soweit öffentliche Belange dies zwingend erfordern lOO ,

-

soweit dies die Aufgaben der Bundeswehr erforderniOI,

-

soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist '02,

-

soweit dies zur Durchführung der besonderen Aufgaben (der Bundeswehr) gerechtfertigt ist l03 ,

96 Vgl. die Zusammenstellung von Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 15, m. w. N. 97 § 3 Abs. 2 UVPG, § 60 Abs. I BImSchG, § 23 Abs. I BBodSchG (,,zwischenstaatliche Verpflichtungen" statt ,,zwischenstaatliche Vereinbarungen"), § 58 Abs. 2 KrW-/AbfD, § 24 Abs.2 ChemG, § 9 Abs.2 DampfkV, § 7 Abs.2 DruckbehV, § 6 Abs.2 EIexV, § 6 Abs.2 AcetV, § 7 Abs.2 VbF, § 6 Abs.2 AufzV, § 19 Abs.2 MedGV. In der sprachlichen Fassung etwas abweichend § 169 Abs.2 E UGB-AT: "soweit Gründe der Landesverteidigung dies zwingend erfordern", 98 § 1 Abs. 6 GGVSee, § 5 Abs. 5 GGVS, § 5 Abs. 5 GGVE, § 26 Abs. 3 BtMG (zwingende Gründe), § 32 Abs. 3 GÜG (zwingende Gründe), § 15 Abs.3 ArbZG (zwingende Gründe). 99

§ 9 Abs. 1 HessLärrnVO (Aufgaben der Bundeswehr), § 30 Abs. I Satz 1 LuftVG,

§ 60 Abs. 2 Satz 1 BImSchG (zwingend erforderlich). 100 § 20 Abs. 2 ArbSchG, § lAbs. 3 AMBV. 101 § 3 Abs. 9 GGVBinSch.

102 § 35 Abs. 1 StVO, § 70 Abs. 4 StVZO, § 7 Abs. I SeeSchStrO, § 30 Abs. I Satz 3 LuftVG (zwingend notwendig).

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

195

-

wenn die Fahrten zur Aufgabenerfüllung erforderlich und unaufschiebbar sind104 ,

-

soweit die besondere öffentliche Zweckbestimmung ein Abweichen erforderlich machtlOS.

Die Voraussetzungsmerkmale bestehen, wie die Anwendungsmerkmale, aus einem Privilegierungszweck und der Bezeichnung fiir eine funktionale Beziehung zwischen der Privilegierung (und ihrem Umfang) und dem damit verfolgten Zweck. Bei den Privilegierungszwecken ist zu differenzieren zwischen einer weiten Fassung, die alle Aufgaben der Bundeswehr einbeziehtlO6, und einer engen Fassung, die nur auf die Verteidigung abstelltl 07. Stellt man dies den Anwendungsmerkmalen gegenüber, ist festzuhalten, daß die funktionale Bestimmung des Anwendungsbereichs mit der engen Fassung der Privilegierungszwecke einhergehtlO8 . In umgekehrter Richtung gibt es keinen Zusammenhang: bei organisatorischer Bestimmung des Anwendungsbereichs gibt es sowohl die weite wie die enge Fassung der Privilegierungszwecke. Die enge Fassung der Privilegierungszwecke wird über Gründe der Verteidigung definiert. Damit wird der Verteidigungsbegriff des Art. 87a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Alt. I GG aufgenommen. Gründe der Verteidigung sind danach aus der verfassungsrechtlichen Verteidigungsaufgabe folgende Gründe. Die weitere Fassung der Privilegierungszwecke setzt bei den (besonderen) Aufgaben der Bundeswehr an. Das geht über die Verteidigungsaufgabe hinaus und urnfaßt auch Einsätze im Rahmen des Art. 24 Abs. 2 GG. Polizeiliche Aufgaben nach den Art. 35 Abs. 2, 3, Art. 87a Abs. 3, 4 GG gehören jedoch nicht dazu, weil es sich nicht um besondere Aufgaben der Bundeswehr handelt. Deren Besonderheit besteht in der Möglichkeit, militärische Mittel einzusetzen. Besondere Aufgaben der Bundeswehr sind die militärischen Aufgaben, d.h. Verteidigungseinsätze und Einsätze innerhalb eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Das gilt auch dann, wenn nicht von besonderen, sondern nur schlicht von Aufgaben der Bundeswehr, von öffentlichen Belangen oder von der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben die Rede ist. Wenn die Streitkräfte polizeiliche Aufgaben wahrnehmen, könnten möglicherweise die hierfür zur 103 104 105 106

107

§ 71 Abs. 2 AMG, § 42 Abs. 2 MPG. So die SmogVO'en, siehe die Nachw. oben § 2 Fußn. 43. § 37 Abs. 1 BauGE. Siehe oben bei Fußn. 98-104. Siehe oben bei Fußn. 97, 98.

108 Vgl. § 3 Abs. 2 UVPG, § 60 Abs. 1 BImSehG, § 24 Abs. 1 Entwurf BBodenSchutzG, anders nunmehr aber § 23 Abs. 1 BBodSchG.

13*

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Verfügung stehenden Sondervorschriften anwendbar sein. Das soll hier jedoch nicht vertieft werden. Die funktionale Beziehung wird über das Merkmal der Erforderlichkeit hergestellt. In einigen Sachbereichen wird zwingende Erforderlichkeit verlangt bzw. müssen zwingende Gründe vorliegen; das Verkehrsrecht verlangt, daß die Privilegierung dringend geboten ist. Die meisten umweltrechtlichen Voraussetzungsmerkmale verlangen zwingende Gründe der Verteidigung und benügen sich für die funktionale Beziehung mit der (schlichten) Erforderlichkeit. Nimmt man dies beim Wort, kommt eine Privilegierung nur für solche Gründe in Betracht, denen militärisch nicht ausgewichen werden kann'09. Dazu paßt es nicht, zwingende Gründe dann anzunehmen, wenn die entsprechenden Ziele nicht durch andere Maßnalunen als die Privilegierung verwirklicht"O bzw. der Verteidigungskonzeption der Bundesregierung sonst nicht entsprochen werden könnte"'. Denn dies sind selbstbestimmte Gründe, denen u.U. durch eine andere Verteidigungskonzeption begegnet werden könnte. Ebenso wenig wird die Annahme, daß zwingende Gründe gegeben wären, wenn ohne die Privilegierung die äußere Sicherheit gefährdet würde ll2 , dem Wortlaut gerecht, weil auch diese Ansicht von einer politisch vorgegebenen und damit nicht zwingenden Verteidigungskonzeption ausgeht. Bei näherer Betrachtung der Voraussetzungsmerkmale fallt auf. daß die gewählten Fonnulierungen nach dem Sachgebiet, in dem die Bundeswehr privilegiert werden soll, variieren. So formulieren etwa jeweils übereinstimmend die verkehrsrechtIichen Bestimmungen, der Arbeitsschutz, das Gefahrguttransportrecht, das Betäubungsmittelrecht, das ArzneiInittel- und Medizinprodukterecht sowie das "klassische" Umweltrecht (zusammen lnit seiner Quelle des Rechts überwachungsbedürftiger Anlagen). Das legt den Verdacht nalle, daß unterschiedliche Formulierungen stärker durch die Tenninologie des jeweiligen Sachgebiets - geprägt durch die Entwurfsverfasser - als durch sachliche Unterschiede bedingt sind. Diese Annahme dürfte auch den Interpretationen des § 60 Abs. 1 Satz I BImSchG zugrunde liegen. Denn die Auslegungen

109 110

So wohl auch Kulmert, BWV 1996 S. 25 tr., 27. Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 3.

111 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 21; Frenz, KrW-/AbfG, § 58 Rdnr. 5; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 36; OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§ 5 Fußn. 101), S. 6. 112 Bentmann, lnunissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 96; Engelhardtl Schlicht, BImSehG, § 60 Rdnr. 4; Gallas/Eisenbarth, UPR 1986 S. 417 Ir., 419; HansmanII, in: LandmannIRoluner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 15.

§ 8 Tatbestände der Sondervorschriften

197

machen viel mehr Sinn, wenn das Gesetz die Erforderlichkeit und nicht die Verteidigungsgrtinde mit dem Merkmal "zwingend" versehen hätte. Das entspricht der Entstehungsgeschichte jedenfalls des § 60 Abs. I Satz I BImSehG: Im Entwurf war einerseits von zwingenden Gründen der Verteidigung die Rede, während andererseits bei den (später gestrichenen) Ausnahmen für den Bundesgrenzschutz verlangt werden sollte, das dessen Aufgaben die Ausnahme zwingend erfordern l\3. Aus der Begründung l14 läßt sich nicht herauslesen, daß damit Unterschiedliches gemeint war. Auch teleologische Überlegungen rechtfertigen die hier vorzunehmende "berichtigende" Auslegung. Die Privilegierungen sollen gewährleisten, daß die Bundesrepublik Deutschland sich verteidigen kann, d.h. eine effektive Verteidigung nicht an anderweitigen gesetzlichen Anforderungen scheitert. Hierfür ist es nicht entscheidend, die Verteidigungsgründe als zwingende Voraussetzung zu beschreiben - was im übrigen in nur einigen Gesetzen erfolgt wäre und damit olmehin nicht zu einer flächendeckenden Regelung führen könnte -, sondern es kommt auf die enge oder weite Fassung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Ausnahme und Verteidigungsgrtinden an. Das Tatbestandsmerkmal ,,zwingend"' ist somit in allen Vorschriften, in denen es verwendet wird, im Zusammenhang mit der Erforderlichkeit und nicht mit

den Verteidigungsgründen zu lesen.

Erforderlichkeit verlangt eine Abwägung der Verteidigungsaufgabe mit dem Schutzzweck des Sachgebiets, in dem Privilegierungen erfolgen sollen l15 . Mit der Erforderlichkeit im Sinne des Verhältnismäßigkeitprinzips hat das nicht viel zu tun 116 . Dort bedeutet Erforderlichkeit, daß die grundrechtliehe Sphäre nicht intensiver beschränkt werden darf, als dies vom sachlichen Anlaß geboten ist ll7 , also das mildeste der geeigneten Mittel zu wählen ist ll8 . Auf die Erforderlichkeit einer Abweichung ist das schon deshalb nicht übertragbar, weil die abzuwägenden Belange nicht notwendig individual schützenden Charakter haben.

113

BT-Drucks. 71179, S. 14

114

BT-Drucks. 71179, S. 47

= UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. = UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdnr.

A 2. A 2.

115 BittlingeriKulm, NJW 1988 S. 2768 ff., 2771 ~ Giemulla, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 30 Rdnr. 4~ Kuhnert, BWV 1996 S. 25 fr., 26~ Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 39. 116 So aber Schatta, BWV 1993 S. 73 ff., 76. 117

118

Lerche, HStR V, § 122 Rdnr. 16 m. umf. Nachw. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 318.

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Dritter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Allgemeiner Teil

Erforderlichkeit bedeutet, daß ein konkretes Verteidigungsvorhaben 119 das konkret betroffene Schutzgut überwiegt. Das ist dann der Fall, wenn das Vorhaben militärisch notwendig und ein Ausweichen auf ein mit den allgemeinen Normen zu vereinbarendes Vorhaben militärtaktisch und -strategisch unzweckmäßig ist. Versteht man Erforderlichkeit nicht als "mildestes Mittel" im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips, ist deses Merkmal einer Steigerung in der Form zwingender Erforderlichkeit zugänglich l20 • Die Privilegierung ist dann zwingend erforderlich, wenn die allgemeinen Vorschriften der Durchsetzung der Verteidigungskonzeption der Bundesregierung entgegenstehen121 und das konkrete Vorhaben in seiner Ausgestaltung und räumlichen Lage militärisch unabweisbar ist. Das entspricht der Auffassung, die auf die Gefährdung der äußeren Sicherheit abstellt122 , wenn damit die abstrakte Gefährdung gemeint ist123 . Denn wie die äußere Sicherheit gewährleistet werden soll, wird politisch durch die Verteidigungskonzeption der Bundesregierung festgelegt. Festzuhalten bleibt dariiber hinaus, daß Erforderlichkeit immer nur militärische Erforderlichkeit sein kann. Weder fehlende Haushaltsmittel noch Bequemlichkeit oder gar die vorsorgliche Inanspruchnahme von Privilegierungen machen eine Ausnahme erforderlichl24 . Gleiches gilt, wenn die Einhaltung der allgemeinen Anforderungen höhere Kosten verursacht125 .

119 Vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 28.8.1985 - 9 TG 2605/84 -, Ule/Laubinger, BImSchG-Rspr., § 22 Nr. 20 S. 8, der auf die konkrete Lage einer Schießbahn zur nächstge1egenen Ortschaft abstellt. 120 AA - aus seiner Interpretation der Erforderlichkeit folgerichtig - Schatta, BWV 1993 S. 72 ff., 76. 121 Frenz, KrW-/AbfG, § 58 Rdnr. 5; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 21; Jarass, BImSehG, § 60 Rdnr. 3; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 36; OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§ 5 Fußn. 101), S. 6. 122 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 96; Engelhardtl Schlicht, BImSehG, § 60 Rdnr. 4; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 419; Hansmann, in: LandmannIRohmer, Umwe1trecht I, § 60 Rdnr. 15. 123 Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5; in dieser Richtung auch Bentmann, Immissionsschutzrecht wld militärische Anlagen, S. 97.

Sehr deutlich insoweit Kuhnert, BWV 1996 S. 25 fT., 27. Bentmann, Immissionsschutzrecht Wld militärische Anlagen, S. 96 (mit Einschränkungen S. 96 f.); Bunge, HdVUP, 0600 § 3 UVPG Rdnr. 58; Führ, in: GKBImSehG, § 60 Rdnr.21; Hansmann, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 27; Jarass, BImSehG, § 60 Rdnr. 12; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5. 124 125

Vierter Teil

Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr Besonderer Teil Nachdem im Allgemeinen Teil insbesondere die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen aufgezeigt wurden, werden im Besonderen Teil die umweltrechtlichen Sondervorschriften für die Bundeswehr in ihrem jeweiligen Regelungszusammenhang dargestellt. Dabei geht es nicht darum, die Nonnen kommentannäßig zu erläutern. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf den für die Bundeswehr geltenden Abweichungen von dem allgemeinen Regelungsgefüge. Ausführungen zu den allgemeinen Vorschriften werden auf das zum Verständnis unbedingt Notwendige beschränkt. Die Darstellung folgt dabei der Gliederung der Bestandsaufnahme! .

§ 9 Allgemeines Umweltrecht Das Allgemeine Umweltrecht wnfaßt die überwiegend verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfuni und den Zugang zu Umweltinfonnationen.

A. Umweltverträglichkeitsprüfung § 3 Abs.2 UVPG bestimmt. daß der BMVg für Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, Ausnahmen von den Anforderungen des Gesetzes zulassen oder seine Anwendung ganz ausschließen kann, soweit zwingende Gründe der Verteidigung oder die Erfüllung zwischenstaatlicher Verpflichtungen dies erfordern. Dabei hat er nach eigenen, im Einvernelunen mit dem BMU festgelegten Richtlinien (UVP-RL Bw)3 zu verfahren4 • Durch diese Regelung sind

Siehe oben § 2. Zum Charakter der UVP als verfahrensrechtlichem Erfordemis Schmidt-Preuß, DVBI. 1995 S.485 tT., 490; BVerwG, Urt. v. 25. \.1996 - 4 C 5_95 -, BVerwGE 100 S_ 238 tT., 243. 3 Siehe oben § 2 Fußn. 4. I

2

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Vorhaben, die der Landesverteidigung dienen, grundsätzlich in den Anwendungsbereich des UVPG einbezogen5 . Der deutsche Gesetzgeber ist damit über die europarechtlichen Vorgaben der UVP-Richtlinie6 hinausgegangen. Denn nach Art. 1 Abs. 4 UVP-Richtlinie gilt diese nicht fiir Projekte, die Zwecken der nationalen Verteidigung dienen? I. Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 UVPG § 3 Abs. 2 UVPG erfaßt alle nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V.m. der Anlage zu § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben. Nr. 2 Abs. 1 UVP-RL Bw nennt beispielhaft die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlagen (Anhang zu Nr. 1 der Anlage zu § 3 UVPG), Abfallentsorgungsanlagen (Nr. 4 der Anlage zu § 3 UVPG)8, den Gewässerausbau (Nr.6 der Anlage zu § 3 UVPG) und Rohrleitungsanlagen fiir den Ferntransport von Öl oder Gas (Nr. 16 der Anlage zu § 3 UVPG)9. Die Anlage oder Änderung eines militärischen Flugplatzes ist nicht UVP-pflichtig. Denn Nr. 13 der Anlage zu § 3 UVPG nennt nur planfeststellungsbedürftige Flugplätze 1o . Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 LuftVG bedürfen militärische Flugplätze jedoch keiner Planfeststellung nach § 8 LuftVG. Auch § 15 Abs. 1 Satz I UVPG begründet, obwohl dort das Verfahren zur Erteilung einer luftverkehrsrechtlichen Genehmigung nach § 6 4 UnzutretTend Peters, UVPG, § 3 Rdnr. 14. Die Richtlinie enthält nicht selbst die Ausnahmen, sie legt nur den Entscheidungsrahmen fest. S Bunge, HdUVP, 0600 § 3 UVPG Rdnr. 57; SoelLlDimberger, NVwZ 1990 S. 705 tT., 706; Steinberg, DVBI. 1990 S. 1369 tT., 1370; Nr. 1 Abs. 2 UVP-RL Bw. 6 Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprufung bei bestimmten ötTentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) vom 27. Juni 1985 (ABI. EG Nr. L 175 S. 40), geändert durch RL 97/II/EG vom 3. März 1997 (ABI. EG Nr. L 73 S. 5) [= Ule/Laubinger, BIrnSchG, RvB E 19, E 19.2). 7 Siehe zur Entstehung dieses Absatzes Cupei, UVP, Kap. 4 Erl. zu Art. I Rdnm. 17 tT. (S. 115 tT.). Kritisch zu dem der UVP-Richtlinie insoweit entsprechenden RegE Steinberg, DVBI. 1988 S. 995 tT., 996. 8 Seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes am 7.10.1996 heißt es dort ,,Errichtung und Betrieb einer Deponie sowie die wesentliche Änderung einer solchen Anlage oder ihres Betriebes, die der Planfeststellung nach § 31 Abs. 2 des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes bedürfen". Errichtung und Betrieb ortsfester Abfallbeseitigungsanlagen zur Lagerung oder Behandlung von Abfällen bedürfen nunmehr der Genehmigung nach § 4 BIrnSchG. UVP-ptlichtig sind danach nur die Abfallentsorgungsanlagen, die im förmlichen Verfahren nach § \0 BImSchG genehmigt werden müssen, vgl. die Aufstellung bei Erbguth/Schink, UVPG, § 3 Rdnr. 83. 9 Siehe dazu näher Knopp, NuR 1993 S. 40 I tT. 10 Der Umwe\tausschuß des BR hatte verlangt, auch die lediglich genehmigungsbedürftigen Flugplätze der UVP-Ptlicht zu unterwerfen (BR-Drucks. 335/1/88, S. 36), konnte sich damit aber im BR nicht durchsetzen (vgl. BR-Drucks. 335/88 [Beschluß)).

§ 9 Allgemeines Umweltrecht

201

LuftVG in die Durchfiihrung der UVP einbezogen wird. nicht die UVPPflichtigkeit militärischer Flugplätze. denn diese Bestimmung setzt die UVPPflicht nach § 3 voraus. Die in den UVP-RL Bw beispielhaft aufgezählten Vorhaben erschöpfen danach weitgehend den Kreis der UVP-pflichtigen Verteidigungsvorhaben. Es ist jedoch in jedem Einzelfall die Geltung des UVPG zu prüfen. So wird die Auffassung vertreten, mit der Zulassung von Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 BlmSchG könne der BMVg auch von dem Genehmigungserfordernis nach § 4 BImSchG Dispens erteilenli. Wäre das zutreffend, könnte der BMVg mit dieser Entscheidung zugleich über die UVP-Pflicht befinden. § 3 Abs. 2 UVPG ist aber erkennbar abschließend gemeint. Ausnahmen von der UVP-Pflicht sollen nur in dem dort vorgezeichneten Rahmen und Verfahren zugelassen werden. Anders als in anderen Bereichen ist der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit an der Erteilung der Ausnalunen mittelbar dadurch beteiligt, daß sein Einvernehmen zum Erlaß der UVP-RL Bw erforderlich und ihm über die Anwendung des § 3 Abs. 2 UVPG jährlich zu berichten ist. Diese Beteiligungspflichten könnten durch eine Befreiung von der UVP über die Zulassung einer Ausnahme nach § 60 Abs. I BImSchG unterlaufen werden. Nach § 4 findet das UVPG nur Anwendung, soweit andere Rechtsvorschriften die Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht näher bestimmen oder hinter den Anforderungen des UVPG zurückbleiben. Der BMVg vertritt in Nr.2 Abs. 2 der UVP-RL Bw die Auffassung, daß von der Subsidiaritätsklausel auch die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs. 2 UVPG erfaßt wird, m.a. W. auch in anderen Verfahren, in denen die Umweltverträglichkeit zu prüfen ist, dem BMVg die Befugnisse nach § 3 Abs.2 UVPG zustehen, soweit nicht in dem einschlägigen Fachgesetz eine entsprechende Regelung bestehtl2 . Für das imrnissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren sieht § I Abs. I letzter Hs. der 9. BlmSchV\3 vor, daß § 3 Abs.2 UVPG unberührt bleibt. In diesem Verfahren stehen dem BMVg daher die Befugnisse nach § 3 Abs. 2 UVPG zur Zulassung von Ausnahmen von der Durchführung der UVP zu.

11 HansmanII, in: LandmamlfRohrner, UmweItrecht I, § 60 Rdnr. \0 m. w. N. Dazu näher unten § 10 C. 12 Eine solche Regelung enthält nach Auffassung des BMVg nur § 2 Abs.2 der 14. BImSchY. Vg\. aber auch § I Abs. I letzter Hs. der 9. BlmSchV. 13 Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren) i.d.F. der Bek. vom 29.5.1992 (BGB\. I S. \001), zu\. geändert durch G. vom 9.\0.1996 (BGB\. I S. 1498) (= UlelLaubinger, BlmSchG, RvB A 9).

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Die Subsidiarität nach § 4 UVPG ist für jede Einzelnoml zu prüfen. Es kann ein nur partieller Vorrang des Fachgesetzes vor dem UVPG bestehen l4 • Die UVP-RL Bw verkennen, daß fachgesetzliche UVP-Bestimmungen, die keine Einschränkungsmöglichkeiten der UVP für die Bundeswehr vorsehen, weitergehende Anforderungen i.S.v. § 4 Satz 2 UVPG stellen. Das Fachgesetz ist zwar in solchen Fällen nicht detaillierter, durch den Verzicht auf eine Privilegierung der Bundeswehr aber strenger als das UVPG I5 . Die Anwendung des § 3 Abs. 2 UVPG scheidet danach in diesen Materien aus l6 . Das gilt auch dann, wenn solche Bestimmungen geringere Einschränkungsmöglichkeiten eröffnen als § 3 Abs. 2 UVPG. Entgegen der UVP-RL Bw ist § 3 Abs. 2 UVPG also nur dann anwendbar, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung vollständig nach den Vorschriften des UVPG durchzuführen ist oder wenn das Fachgesetz die Anwendung des § 3 Abs. 2 UVPG ausdrücklich eröffnet. Allein dieses Ergebnis entspricht auch dem Wortlaut der Norm, der ausdrücklich nur die Vorschriften "dieses Gesetzes" in Bezug nimmt.

11. Ausnahmen

Die Verfahrenssonderregelungen verfolgen vorwiegend den Zweck, militärische Geheimnisse zu schützen l7 . Daneben dienen sie dem Sabotageschutz und der Verfahrensbeschleunigung bei drohenden Gefahren für die Bundesrepublik Deutschlandl8 . Ausnahmen nach § 3 Abs.2 UVPG sollen daher vorrangig sicherstellen, daß unbefugte Dritte keine Infoffilationen erlangen können, die der militärischen Geheimhaltung unterliegen. Derartige Möglichkeiten bestehen bei der Behördenbeteiligung (§ 7), der grenzüberschreitenden Behördenbeteiligung (§ 8) und der Öffentiichkeitsbeteiligung (§ 9). Da die Ausnahmebefugnis durch das Voraussetzungsmerkmal zwingender Gründe der Verteidigung begrenzt ist, sind Ausnailmen nur hinsichtlich der geheimhaltungsbedürftigen Teile der UVP-Unterlagen zulässig. Für den behördlichen Zugang zu diesen Unterlagen reicht es aus, daß die als Verschluß14 Appold, in: Hoppe, UVPG, § 4 Rdnr. 7; Bunge, HdUVP, 0600 § 4 UVPG Rdnr. 22; Erbguth, Die Verwaltung 1991 S. 283 f1, 298 f.; Erbguth/Schink, UVPG, § 4 Rdnr. 8; Gal/as, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht III, § 4 UVPG Rdnr. 7; Peters, UVPG, § 4 Rdnr. 5; wohl auch Jarass, NuR 1991 S. 20 I fT., 203. 15 Vgl. hierzu Jarass, NuR 1991 S. 201 fT., 203. 16 Vgl. ErbguthlSchink, UVPG, § 4 Rdnr. I; Gal/as, in: LandmannlRohmer, Umweltrecht In, § 4 UVPG Rdnr. I. 17 Siehe dazu oben § 6 C. 18

Vgl. Nr. 3 UVP-RL Bw.

§ 9 Allgemeines Umweltrecht

203

sachen nach § 4 SÜG I9 eingestuften Infonnationen nur von entsprechend sicherheitsüberprüften Behördenbediensteten eingesehen und bearbeitet werden dürfen. Eine darüber hinausgehende Ausnahmezulassung ist nicht erforderlich. da die Behörden nach § 10 UVPG i.S.v. § 30 VwVfG und den entsprechenden Landesgesetzen ohnehin zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Für die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung gilt dies gemäß Art. 10 Satz 2 der UVPRichtlinie entsprechend. Ausnahmen aus Gründen der militärischen Geheimhaltung sind danach nur insoweit zulässig, als die Unterlagen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Der BMVg hat in Nr. 4 Spiegelstrich 2 der UVP-RL Bw eine solche, an § 2 Abs.2 der 14. BlmSchV orientierte Ausnahme von der Auslegungspflicht fiir zulässig erklärt. Weitergehend hat der BMVg in Nr. 4 Spiegelstrich I UVP-RL Bw die Zulassung einer Ausnaiune von der Durchfiihrung des sog. "scoping" -Verfahrens nach § 5 UVPG vorgesehen. Das kann nicht mit Geheimhaltungserfordernissen begründet werden, da die "zuständige Behörde" bei der Einreichung des Genehmigungs- oder sonstigen Entscheidungsantrages die geheimhaltungsbedürftigen Infonnationen ohnehin erhält. Motiv für eine solche Ausnalune dürfte vielmehr der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung und der Beschleunigung des Verfahrens sein. Die Durchfiihrung des scoping-Verfahrens nach § 5 UVPG ist dem Träger des Vorhabens freigestellt; er ist zu einer Unterrichtung der Behörde über das geplante Vorhaben nicht verpflichtet2o . Auch die Bundeswehr könnte daher auf eine entsprechende Mitteilung verzichten. Der Zulassung einer Ausnahme bedarf es hierfiir nicht. Die Entscheidung über den Verzicht auf das scoping-Verfahren ist durch Zweckmäßigkeitserwägungen geprägt. Dieses Verfahren dient der Strukturierung der Umweltverträglichkeitsprüfung, damit aus der Fülle der möglichen Umwelteinwirkungen die wirklich relevanten und problematischen Aspekte herausgefiltert und bei der Prüfung Schwerpunkte gesetzt werden können21 . 19 Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von SicherheitsüberplÜfungen des Bundes (SicherheitsüberplÜfungsgesetz) vom 20.4.1994 (BGBI. I S. 867). Siehe dazu auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des BWldesministeriums des Innem zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlußsachen (VS-Anweisung) vom 29.4.1994 (GMBI. S. 674).

20 Beckmann, NVwZ 1991 S. 427 ff., 428; ErbguthiSchink, UVPG, § 5 Rdnr. 7; Haneklaus, in: Hoppe, UVPG, § 5 Rdnr.4; Nisipeanu, NVwZ 1993 S. 319 ff., 321; Peters, UVPG, § 5 Rdnr. I; siehe auch Nr. 0.4.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die UmweltverträglichkeitsplÜfung (UVPVwV) vom 18.9.1995 (GMBI. S. 671) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB D 8.11. 21 Bunge, Die UmweltverträglichkeitsplÜfung im Verwaltungsverfahren, S.24 f.; Eberhardt, ZAU 5 (1992), S. 166 ff., 174, 176; ErbguthiSchink, UVPG, § 5 Rdnr. 13; Feldmann, UPR 1991 S. 127 ff., 127; Gusy, UTR 15 (1991), S. I ff., \0; Haneklaus, in:

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Auf das scoping-Verfahren kann sinnvollerweise nur dann verzichtet werden, wenn es einer derartige Strukturierung nicht bedarf. Das kann bei Vorhaben der Bundeswehr der Fall sein. Denn sämtliche wnweltrelevanten Infrastrukturmaßnahmen werden einer (internen) Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) unterzogen22 . Der dafür erstellte Leitfaden23 sieht die wnfassende Ennittlung der Umweltsituation und ihrer Veränderungen durch das Vorhaben hinsichtlich aller relevanten Umweltfunktionen24 vor, die zur Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwe1t25 , zur Ermittlung von Venninderungs-, Vermeidungs- und AusgleichsmaßnaIunen26 sowie deren Bewertuni7 und schließlich zur Auswahl der umweltverträglichsten Altemative 28 führen soll. Dabei sind insbesondere die Fachbehörden zur Erlangung einer umfassenden Informationsbasis heranzuziehen. Diese UVU kann aufgrund ihrer umfassenden Ermittlungen das scoping-Verfahren überflüssig machen, da die relevanten Umweltauswirkungen erfaßt sind. Eine strukturierte Untersuchung der Umweltverträglichkeit unter Einbeziehung der Öffentlichkeit ist auf dieser Grundlage möglich. Voraussetzung dafür ist jedoch, daß die Unterlagen der UVU nach § 6 Abs. 3 Satz I, Abs.4 Nm. 2-4 UVPG der zuständigen Behörde vorgelegt werden. Nur dann kann die UVU, die inhaltlich weitgehend der UVP entspricht, ein scoping-Verfahren überflüssig machen und damit den Verzicht auf diesen Verfahrensabschnitt rechtfertigen. Mit seiner Bestimmung in der UVP-RL Bw hat der BMVg deutlich gemacht, daß ein Verzicht auf das scoping-Verfahren nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UVPG erfolgen soll. Er hat damit durch Selbstbindung seinen gesetzlichen Handlungsspielraum eingeengt.

Hoppe, UVPG, § 5 Rdnr. 3; Jarass, NuR 1991 S. 20 1fT., 204; Nisipeanu, NVwZ 1993 S. 319 fT., 321. 22 Vgl. Nr. I Ahs. 4 UVP-RL Bw. 23 BMVg - U 11 - Az 63-10-00/2 - vom 15.3.1988, Allgemeiner Umdruck Nr. 164. 24 In Frage 2 ("Welche umweltrelevanten Aktivitäten bringt die Realisierung des Projekts mit sich?") wird ein Katalog von 12 umwe1trelevanten Aktivitäten zur Prüfung gestellt, Allg. Umdruck Nr. 164 (Fußn.23), S. F 2/1. Für eine medienübergreifende Betrachtlmg werden 8 UmweItpotentiale zusammengefaßt, die jeweils eine wesentliche Funktion für das menschliche Leben ausüben (Allg. Umdruck Nr. 164, S. F 3/1, F 3/3 fT., ausführlich zu den einzelnen Potentialen Frage 4): Bodenpotential, Biotoppotential, Wasserdargebotspotentiale Oberflächenwasser und Grundwasser, Erholungspotentiale Klima/Luft, Landschaftsbild, Ortsbild und WohnenlFreiraum. 25 Allg. Umdruck NT. 164 (Fußn. 23), Frage 5. 26 Allg. Umdruck Nr. 164 (Fußn. 23), Frage 6. 27

28

Allg. Umdruck Nr. 164 (Fußn. 23), Frage 7. Allg. Umdruck NT. 164 (Fußn. 23), Frage 8.

§ 9 Allgemeines Umwe1trecht

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Das scoping-Verfahren ist jedenfalls dann entbehrlich, wenn der BMVg zugleich Träger des Vorhabens und Genehmigungsbehörde ise 9 . Die Hinzuziehung anderer Behörden, Sachverständiger und Dritter bei der Durchführung des scoping-Verfahrens kann nicht von der Zustimmung des BMVg abhängen, wie dies Nr. 4 Spiegelstrich I Satz 2 UVP-RL Bw fordert. Die Ermächtigung des § 3 Abs. 2 UVPG reicht für eine derartige Modifikation des § 5 UVPG nicht aus, da nicht ersichtlich ist, welche Gründe der Verteidigung eine solche Maßnahme zwingend erfordern könnten. Bedeutung kann die Bestimmung der UVP-RL Bw nur dann erlangen, wenn eine Behörde der BundeswehrverwaItung Genehmigungsbehörde ist und das scoping-Verfahren dann sinnvollweise zusammen lnit der UVU - durchgeführt wird. Gegenüber Genehmigungsbehörden außerhalb der BW1deswehrverwaItung wäre es allenfalls denkbar, dem BMVg gegen die Hinzuziehung Dritter im Einzelfall ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Das ist insoweit bedenklich, als ein Widerspruch keine Ausnahme vom UVPG, sondern von einer Entscheidung der scoping-Behörde darstellen würde. Hierzu ennächtigt § 3 Abs. 2 UVPG nicht. 111. Ausschluß der UVP

Aus den Grenzen der Zulassung von Abweichungen ergibt sich zugleich, daß auf die Durchführung der UVP nur dann verzichtet werden darf, wenn das Vorhaben besonders eilbedürftig iseo. Voraussetzung für den Ausschluß der UVP ist, daß Gründe der Verteidigung einem Zuwarten bis zum Abschluß der UVP zwingend entgegenstehen, das Vorhaben also schon zuvor errichtet werden muß. Entscheidend ist allein die Zeitersparnis durch den Ausschluß der Durchführung der UVP, wobei sich die Eilbedürftigkeit auch daraus ergeben kann, daß der Zeitaufwand für die UVP und die nachfolgende Detailprüfung der Genehmigungsvoraussetzungen insgesamt zu groß wäre. In der "Normal lage" erscheint kaum eine Situation denkbar, die den Ausschluß der UVP wegen der Eilbedürftigkeit erfordert. Bedeutung dürfte diese Option nur im Einsatzfall, der nicht Spannungs- oder Verteidigungsfall i.S.v. Art. 80a Abs. I Satz I, Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG sein muß, haben.

29 30

Weber/Hellmann, NJW 1990 S. 1625 ff., 1627 Fußn. 45. Vgl. Nr. 5 UVP-RL Bw.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

IV. Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen

Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 UVPG ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen bei der Ausnahmeentscheidung zu berücksichtigen. Dieses Berücksichtigungsgebot ist nicht zu verwechseln mit der Berücksichtigungspflicht etwa des § 12 UVPG. Denn bei der Entscheidung über die Durchführung der UVP und ihres Umfangs geht es nur danun, daß die Umweltbelange in einem ausreichenden Maße in die Ennittlung, Beschreibung und Bewertung (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG) eingehen, m.a. W. die Grundlage rur die Durchführung der UVP nicht unnötig verkürzt wird. Da die Abweichungsentscheidung nach § 3 Abs. 2 UVPG die Beteiligung von Behörden und der Öffentlichkeit betrifft, muß auf andere Weise sichergestellt sein, daß die Umweltauswirkungen des Verteidigungsvorhabens umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden können. Diesem Zweck dient die Berücksichtigungsklausel des § 3 Abs. 2 Satz 2 UVPG. Danach hat der BMVg bei seiner Entscheidung sicherzustellen, daß die Belange der Umweltvorsorge, die von beteiligten Behörden und der Öffentlichkeit vorgetragen werden könnten, in die Bewertung so weit wie möglich einfließen können. Die verwaltungsinterne UVU ist hierfiir ein taugliches InstrumeneI. Berücksichtigung i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 2 UVPG verlangt also, daß sämtliche Belange der Umweltvorsorge, die wegen einer Ausnahmezulassung von der Öffentlichkeit oder von Fachbehörden nicht vorgetragen werden können, selbst ennittelt und in das Verfahren der UVP eingebracht werden. Dementsprechend fordert der BMVg in den UVP-RL Bw, daß "durch geeignete Maßnahmen eine wirksame Umweltvorsorge sicherzustellen" sei (Nr. 6). Erforderlich ist danach eine besonders sorgfältige Durchführung der internen UVU, bei der die zuständige Stelle der Bundeswehrverwaltung Vorsorgebelange, die im Rahmen einer Öffentlichkeitsbeteiligung wegen der Zulassung einer Ausnahme nicht vorgetragen werden können, selbst zu ennitteln und in die Bewertung der Umweitauswirkungen einzubringen hat. Hierauf muß sie in der Begründung ihres Berichts an den BMVg nach Nr.7 Abs. 1 Satz 2 UVPRL Bw besonders eingehen.

31

Ähnlich Bunge, HdUVP, 0600 § 3 UVPG Rdnr. 63.

§ 9 Allgemeines Umwe1trecht

207

V Verfahren, Entscheidung über eine Abweichung Das UVPG regelt nicht, wie bei der Zulassung von Abweichungen zu verfahren ist. Nähere Bestimmungen dazu enthalten die UVP-RL Bw. Die Zuständigkeitsverteilung innerhalb des BMVg ist in einem eigenen Erlaß niedergelegt32. Nr. 7 Abs. 1 der UVP-RL Bw sieht vor, daß die für das Vorhaben zuständige Wehrbereichsverwaltung "unter ausfuhrlicher Darstellung der Gründe", die ein Abweichen erfordern, "und der vorgesehenen Maßnahmen zur Umweltvorsorge" dem BMVg berichtet. Der BMVg wird also nicht von sich aus, sondern aufgnmd eines "Antrages" tätig. Hervorzuheben ist die Pflicht der Wehrbereichsverwaltung zur ausfiihrlichen Begründung. Der BMVg hat in seiner Entscheidung "insbesondere" darzulegen, aus welchen Gründen die Abweichung unter Berücksichtigung des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen gerechtfertigt ist. Die Abweichungsentscheidung ist danach ebenfalls begründungspflichtig. Bei seiner Entscheidung hat der BMVg zwischen dem "verfassungsmäßigen Verteidigungsauftrag (Art. 87a GG) und den Belangen der Öffentlichkeit im Rahmen des Umweltschutzes" abzuwägen33 . Mit dieser Wortwahl - einerseits "verfassungsmäßiger Verteidigungsauftrag", andererseits lediglich "Belange" versucht der BMVg, eine Gewichtung innerhalb seiner Abwägung vorzuzeichnen. Das entspricht aber nicht in vollem Umfang dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 UVPG. "Berücksichtigen" des Schutzes vor schädlichen Umwelteinwirkungen verlangt zwar weniger als ein "Beachten,,34. Dem Verteidigungsauftrag kann also durchaus im Einzelfall ein Vorrang zukommen. Die abwägungserheblichen Belange sind aber als gleichgewichtig einem solchen Ausgleich zuzufiihren, der zu möglichst geringfiigigen Einschränkungen fuhrt. So erfordert bei einer Ausnahme von der Auslegung von Unterlagen die Berücksichtigung der Belange der Öffentlichkeit, daß statt der geheimhaltungsbedürftigen Detailinformationen eine allgemeine Beschreibung - entsprechend den Anforderungen zum Schutz von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen35 oder vor Sabotage36 - ausgelegt wird.

32 Zuständigkeitsverteilung im Bundesministerium der Verteidigung zur Umsetzung der Richtlinie für die Durchführung von § 3 Abs. 2 des Gesetzes über die Umwe1tverträglichkeitspTÜfung (UVPG) in der Bundeswehr, Erlaß vom 31.1.1992 (VMBI. S. 132). 33 Nr. 7 Abs. 2 UVP-RL Bw, vgl. auch Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr. C 39. 34 35 36

Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr. C 39. Vgl. § \0 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG. Vgl. § 4b Abs. 3 der 9. BImSchV.

208

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Welche Rechtsnatur die Abweichungsentscheidung hat, hängt von ihren Rechtswirkungen ab. Die dem BMVg nachgeordneten Dienststellen der Bundeswehrverwaltung sind an die Entscheidung kraft der ministeriellen Fachaufsicht gebunden. Fraglich ist aber, ob eine solche Entscheidung Rechtswirkungen außerhalb der Bundeswehrverwaltung hat. Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der BMVg dem Antrag der WBV nicht entspricht und keine Abweichung zuläßt. Denn dann verfährt die für die UVP zuständige Behörde nach den allgemeinen Bestimmungen. Problematisch ist allein die AußenwirklUlg der positiven Abweichungsentscheidung. Wirkungen außerhalb der Bundesverwaltung könnte man dann verneinen, wenn "zuständige Behörde" für die Durchführung der UVP eine Bundesbehörde wäre. Zuständig ist, vorbehaltlich des § 14 UVPG, die Genehmigungsbehörde. Das könnte nach §§ 7, 9b i.Y.m. § 24 Abs. 3 AtomG37 , nach § 31 Abs.2 i.Y.m. § 58 Abs. 1 KrW-/AbfG 38 und nach § 4 i.Y.m. § 59 BlmSchG39 eine Bundesbehörde sein. Bundesgenelunigungszuständigkeiten sind aber verfassungswidrig40 . Genehmigungsbehörde ist daher inuner eine Landesbehörde. Eine positive Abweichungsentscheidung ist auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen i.S.v. § 35 Satz 1 VwVfG gerichtet. Die Landesbehörden werden von ihr nicht als Glieder der staatlichen Verwaltungsorganisation, sondern in ihrer Rechtsstellung als Organe einer lnit eigenen Rechten ausgestattete Körperschaften d.ö.R (des Landes) betroffen41 • Wie Art. 84 Abs. 4, Art. 85 Abs. 3 GG zu entnehmen ist, stehen die Länder jedenfalls bei der Ausführung von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit nach Art. 83 GG - und darum handelt es sich bei der Durchführung des UVPG in den Fällen, in denen das einschlägige Fachgesetz nach Art. 83 GG von den Ländern ausgeführt wird - dem Bund mit eigenen Rechten gegenüber. Bereits die Grundnorm für die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, Art. 30 GG, räumt den Ländern subjektive Rechte an ihren Aufgaben und Befugnissen ein 42 . Deshalb steht dem Bund lediglich eine Rechts-, aber keine Fachaufsicht zu. Einwirkungen des 37

Vgl. Nm. 2 wld 3 der Anlage zu § 3 UVPG.

38

Vgl. Nr. 4 der Anlage zu § 3 UVPG.

39 Von der Ermächtigung des § 59 BIrnSchG zur Zuständigkeitsübertragung hat die BReg. al1erdings nur eingeschränkt Gebrauch gemacht wld die Genehrnigungszuständigkeit bei den Landesbehörden belassen. 40 Siehe oben § 4 D 18 a, S. 111.

41 Laubinger, VerwArch. 77 (1986) S.421 ff., 429; älmlich Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 45: es genüge, daß ein vorn Staat verschiedener Rechtsträger betroffen sei. 42 Hoppe/Schulte, Rechtsschutz der Länder in Planfeststellungsverfahren des Bundes, S.44 ff.; Kopp, NuR 1991 S. 449 ff., 450; Laubi1/ger, VerwArch. 84 (1994) S. 291 ff., 307.

§ 9 Allgemeines Umweltrecht

209

Bundes auf das Verfahren sind daher prinzipiell geeignet, auf Rechte der LändereUnzu~rken.

Eine Ausnahme von der Pflicht zur Auslegung der Unterlagen und der Ausschluß der Durchfiihrung der UVP wirken unmittelbar auf die Rechte der Länder zur Durchfiihnmg des Verfahrens ein. Diese sind bei der Durchfiihrung des Genelunigungsverfahrens an die Vorgaben des BMVg zur Behandlung des Verfahrensteils "UmweltverträglichkeitspIiifung" gebunden. Sie dürfen die Rechtmäßigkeit der Ausnahmezulassung nicht prüfen, denn die Geltendmachung der Belange der militärischen Geheimhaltung ist allein dem BMVg übertragen. Diese Entscheidungen des BMVg stellen danach Verwaltungsakte dar43 • Gemäß § 44a VwGO sind sie aber nicht selbständig anfechtbar. Etwas anderes gilt für die Zulassung einer Ausnalune vom scoping-Verfahren. Läßt der BMVg den Verzicht auf das scoping-Verfahren nach § 5 UVPG zu, so entstehen keine Wirkungen beim Land. Denn die Durchführung dieses Verfahrens ist in das Belieben des Trägers des Vorhabens gestellt44 • Die Landesbehörde ist zur Durchfiihrung nur verpflichtet, wenn der Träger des Vorhabens die Behörde über das geplante Vorhaben unterrichtet. Mit der Zulassung eines Verzichts auf das scoping-Verfahren weist der BMVg lediglich die Wehrbereichsverwaltung als ihm unterstellte Behörde zu einer entsprechenden Verfahrensweise bei der AntragsteIlung an. Rechtswirkungen außerhalb der Bundesverwaltung äußert dies nicht, daher stellt diese Zulassung keinen Verwaltungsakt dar. Das gilt allerdings nur, wenn der BMVg die Hiuzuziehung anderer Behörden, Sachverständiger und Dritter nicht von seiner Zustimmung abhängig machen ~5. Hielte man dies dagegen für zulässig, läge eine Rechts~rkung außerhalb des Bundes und damit ein Verwaltungsakt vor: die Landesbehörde wäre zur Einholung einer derartigen Zustimmung verpflichtet.

VI. UVP und vorgelagerte Verfahren Besondere Probleme wirft die Durchführung der UVP dann auf, wenn in einem vorgelagerten Verfahren Vorentscheidungen etwa über den Standort des Vorhabens getroffen wurden. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG sind (UVP-pflichtige) Entscheidungen im Sinne des § 2 Abs. I Satz I auch die Linienbestimmungen und Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren, die für anschließende Verfahren beachtlich sind. Für die luftverkehrsrechtliche Genehmigung sieht § 15 UVPG die Prüfung der Umweltverträglichkeit entsprechend dem jewei43

44 45

Vgl. P. StelkenslV. Stelkens, in: StelkensJBonk/Sachs, VwVtD, § 35 Rdnrn. 103 f Siehe oben im Text bei Fußn. 20. Dazu oben im Text nach Fußn. 29.

14 Repkcwitz

210

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der BWldeswehr - Besonderer Teil

ligen Planungsstand vor. Fraglich ist, ob auch das Bezeichnungsverfahren nach § 1 Abs. 2, 3 LBG ein solches vorgelagertes Verfahren ist. Für einen Teil der UVP-pflichtigen Vorhaben sieht die Raumordnungsverordnung46 die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens als Soll-Vorschrift vor, wenn das Vorhaben im Einzelfall raumbedeutsam ist und überörtliche Bedeutung hat. Erst wenn ein danach erforderliches Raumordnungsverfahren durchgeruhrt worden ist, kann die Landesregierung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 LBG "unter angemessener Berücksichtigung der Erfordernisse der Raumordnung" zu dem Vorhaben Stellung nehmen47 . Damit ist rur UVP-pflichtige und in der RoV aufgeruhrte Vorhaben vor dem Erlaß der Bezeichnung die Prüfung der Umweltverträglichkeit sichergestellt. Hiervon werden allerdings nicht alle UVPpflichtigen Verteidigungsvorhaben erfaßt. Es bliebe etwa die Änderung immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen ungeprüft. Das ist nicht sachgerecht. Denn die Bezeichnung enthält als Vorgabe rur die Flächenbeschaffung eine - parzellenscharfe48 - Standortfestlegung, die eine Standortalternativenprüfung in einer nachfolgenden UVP 49 durch ihre faktische Vorprägunio zumindest erschwert51 . Darüber hinaus sind im Anhörungsverfahren nach § 1 Abs. 2 LBG gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 BWaldG die forstlichen Belange abschließend zu erörtern. In eine nachfolgende UVP können sie damit nicht mehr einbezogen werden. Gleiches gilt fiir die abschließende Erörterung der nach §§ 14, 36 BauGB zulässigen Einwendungen einer Gemeinde (§ 37 Abs. 4 Satz 1 BauGB), die zwar nur städtebauliche Gründe erfassen52, mit möglicherweise eingeschlossenen Überlegungen nach § 35 Abs. 3 BauGB aber ebenfalls wichtige Teilbereiche der UVP berühren. Da einzelne Belange abschließend erörtert werden. stellt das Bezeichnungsverfahren nach dem LBG ein vorgelagertes Verfahren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UVPG dar. Die Bezeichnung ist teilweise in nachfolgenden Verfahren beacht46 VerordnWlg zu § 6a Abs. 2 des RaumordnWlgsgesetzes (Raumordnungsverordnung - RoV) vom 13.12.1990 (BGBI. I S.2766), zul. geändert durch G. vom 18.8.1997 (BGBI. I S. 2081). 47 Ebsen, Militärische BodennutzWlg, S. 54. 48 Salis, Gestufte VerwaltWlgsverfahren im Umweltrecht, S. 50, 288; vgl. auch die Beispiele aus der Praxis bei Laubinger, VerwArch. 77 (1986) S. 421 ff.,422 f 49 Vgl. Bunge, HdUVP, 0600 § 2 UVPG Rdnrn. 20, 23; ErbguthiSchink, UVPG, § 2 Rdnr. 23; SoelllDirnberger, NVwZ 1990 S. 705 ff., 712 f Gegen eine StandortalternativenprüfWlg in der UVP Appold, in: Hoppe, UVPG, § I Rdnr. 7; Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rdnr. 44. 50 Salis, Gestufte VerwaltWlgsverfahren im Umweltrecht, S. 288. 51 Vgl. auch Wagner, DVBI. 1993 S. 583 ff., 584, 585. 52 Krautzberger, in: Battis/KrautzbergerlLöhr, BauGB, § 36 Rdnr. 6; Söjker, in: Ernst/ZinkalmlBieienberglKrautzberger, BauGB, § 36 Rdnrn. 22,23.

§ 9 Allgemeines Umwe1trecht

211

lieh. Das gilt zwar nicht fiir die Aufstellung des Enteignungsplans nach § 31 Abs. 1 LBG. Denn hierfür ist von der Enteignungsbehörde in einer nachvollziehenden Abwägung erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Enteignung vorliegen53 . Das Bezeichnungsverfahren dient nicht unmittelbar der Zulassung des Vorhabens und wurde deshalb - entgegen dem Vorschlag des Bundesrates54 - nicht in die Anlage zu § 3 UVPG aufgenommen 55 . Wegen der abschließenden Erörterung einiger Sachbereiche wirkt die Bezeichnung aber in nachfolgenden Zulassungsverfahren weiter, so z.B. in bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, in denen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den jeweiligen Fachgesetzen geprüft wird. Gegen die Durchführung einer UVP mit Öffentlichkeitsbeteiligung bereits im Rahmen des Bezeichnungsverfahrens läßt sich nicht einwenden, daß die vorgelagerten Verfahren, in denen eine UVP durchzuführen ist, in § 15 abschließend aufgezählt sind56 . § 15 modifiziert als speziellere Bestimmung das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 9 Abs. 3 UVPG57 . Wenn § 9 Abs. 3 nur die von § 15 erfaßten Verfahren regeln sollte, wäre diese Bestimmung überflüssig. Gegen eine Pflicht zur Durchführung der UVP im Bezeichnungsverfahren könnte man weiter einwenden, daß das LBG keine UVP-Klausel enthält und die Verfahren, in denen eine UVP durchzuführen ist, durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG)58 abschließend erfaßt seien. So ging der Regierungsentwurf des UVPG wohl von einer abschließenden Regelung aus59 . Mit der Subsidiaritätsklausel des § 4 UVPG ist dies aber ebensowenig vereinbar wie mit den Ausfüh53 Salis, Gestufte VerwaltlUlgsverfahren im Umwe1trecht, S. 288; BVerwG, Urt. v. 21.3.1986 (§ 6 Fußn.48), BVerwGE 74 S. 109 ff, 112; OVG Münster, Urt. v. 15.12.1988 (§ 6 Fußn. 48), NVwZ 1989 S. 981 ff., 981. 54 Vgl. die StelllUlgnahme des BR zum Entwurf des UVPG, BT-Drucks. 11/3919, S.39. 55 Vgl. die Gegenäußerung der BReg. zu der Stellungnahme, BT-Drucks. 11/3919, S.49. 56 In diesem Sinne wohl Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2 Rdnr. 76; Erbguth/Schink, UVPG, § 2 Rdnr. 53a, § 15 Rdnr. 4; Feldmann, UPR 1991 S. 127 fT., 127 f Dagegen Peters, UVPG, § 2 Rdnr. 45. 57 Begründung der BReg. zum Entwurf des UVPG, BT-Drucks. 11/3919, S. 26. ZustinunendBunge, HdUVP, 0600 § 2 UVPG Rdnr. 112, § 9 UVPG Rdnr. 97; Wagner, in: Hoppe, UVPG, § 15 Rdnr. 31; 58 Vom 12.2.1990 (BGB!. I S. 205). Das UVPG wurde als Art. I dieses Gesetzes verkündet. 59 Vgl. Begründung der BReg., BT-Drucks. 11/3919, S. 17. 14*

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

rungen der BReg. zu § 12 des Entwurfs, wonach diese Vorschrift unmittelbar anwendbar sei, wenn eine fachgesetzliche Berücksichtigungsregelung für die Ergebnisse der UVP fehle 60 . Festzuhalten bleibt danach, daß vor dem Erlaß einer Bezeichnung von UVPpflichtigen Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muß, die hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung den Anforderungen des § 9 Abs. 3 UVPG genügt61. Das kann ein Raumordnungsverfahren sein. Wird ein solches von der Landesregierung zur Vorbereitung ihrer Stellungnahme nach § 1 Abs.2 LBG nicht durchgeführt, muß der BMVg als für den Erlaß der Bezeichnung zuständige Behörde selbst eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen.

B. Zugang zu Umweltinformationen Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) hat jeder Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, die bei einer Behörde vorhanden sind. Dieser Anspruch besteht nicht, soweit das Bekanntwerden der Information die Landesverteidigung berührt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 UIG). Da fiir die Ausführung des Gesetzes die Behörden zuständig sind, bei denen die begehrten Infonnationen vorhanden sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 UIG), kommen neben vielen anderen Behörden auch Stellen der Bundeswehr als Anspruchsverpflichtete in Betracht. Klärungsbedürftig ist außerdem die Reichweite des Anspruchsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Nr. 1. 1. Injormationsanspruch gegen Stellen der Bundeswehr Wer Anspruchsgegner des Zugangsbegehrens nach § 4 Abs. 1 Satz I UIG ist, ist dem Gesetz - systematisch unbefriedigend - nur in einer Zusammenschau mehrerer Vorschriften entnehmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. I Satz 1, § 3 Abs. 1 ist der Anspruch gegen die Stelle i.S.v. § 1 Abs. 4 VwVfG gerichtet, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen hat und bei der die begehrten Infonnationen vorhanden sind. Das gilt aber nur für die Informationen, über die Behörden verfügen (§ 2 Nr. 1 UIG). Zugang zu Informationen, die bei

60 6\

BT-Drucks. 11/3919, S. 17. In diesem SiIme wohl auch Wagller, DV81. 1993 S. 583 fT., 584.

§ 9 Allgemeines Umweltrecht

213

Privaten i.S.v. § 2 Nr. 2 UIG 62 vorhanden sind, gewährt die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde (§ 9 Abs. 1 Satz 2 UIG). Zugang zu behördlichen Informationen über die Umwelt gewähren die Behörden, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen haben. Hierfür kommen zwei Konstellationen in Betracht: -

Behörden, deren Hauptaufgabe der Umweltschutz ist, und

-

Behörden, die bei Erfüllung anderer Aufgaben auch Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen haben.

Behörden, die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben Vorschriften zum Schutz der Umwelt lediglich zu beachten haben, sind zur Informationsgewährung nicht verpflichtet (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UIG)63. Hauptaufgabe ist der Umweltschutz, wenn die Behörde primär Normen des Umweltrechts zu vollziehen hat64 . Der Kreis der verpflichteten Behörden ist nicht auf die Umweltbehörden beschränkt6s . Entsprechend Art. 2 Buchst. b der Umweltinformations-Richtlinie, der von Stellen spricht, die "Aufgaben im Bereich der Umweltpflege" wahrnehmen, ist der Umweltbehördenbegriff des UIG - gemeinschaftsrechtskonform - weit auszulegen. Er umfaßt daher auch die Behörden, die neben anderen Aufgaben kraft Rechtsvorschrift oder Anordnung vorgesetzter Stellen zur Umweltpflege verpflichtet sind66 .

62 Vgl. dazu FluckITheuer, UIG, § 2 Rdnr. 23 ff.; Scherzberg, DVBl. 1994 S. 733 ff., 736; von Schwanenjlügei, DÖV 1993 S. 95 ff., 100; einschränkend Erichsen, Umsetzung, S. 12; ders., Jura 1993 S. 180 ff., 183: nur Beliehene (die aber Behörden i.S.v. § I Abs. 4 VwVfG sind). Gegen die Einbeziehung der Beliehenen in den Anwendungsbereich des § 2 Nr. 2 Kramer, UIG, § 2 Erl. 4 (S. 17); Röger, UIG, § 2 Rdnr. 8; Schomerus, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UlG, § 2 Rdnr.28; Turiaux, UlG, §§ 2, 3 Rdnr. \05. Ausdrücklich dafür FlucklTheuer, UlG, § 2 Rdnr. 30; Moommnn, in: Landmann/Rohrner, Umweltrecht III, § 2 UlG Rdnr. 3. 63 Kritisch zu dieser Vorschrift Scherzberg, DVBl. 1994 S. 733 ff., 735, der zutreffend darauf hinweist, daß die Regelung teilweise überflüssig, teilweise gemeinschaftsrechtlich unzulässig ist. Bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung hat sie neben § 3 Abs. I Satz I UlG keine eigene Bedeutung. 64 FluckITheuer, UIG, § 3 Rdnr. 51; Schomerus, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 3 Rdnr. 12. Vgl. auch die Begründung der BReg. zum Entwurf des UIG, BTDrucks. 12/7138 S. 11. 6S SO aber Scherzberg, DVBl. 1994 S. 733 ff., 745, der dabei die notwendige gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung (vgl. ErbguthiStollmann, UPR 1994 S. 81 fT., 83), die er selbst skizziert hat (S. 735), unterschlägt. 66 So die Klarstellung des Umweltausschusses des BT, BT-Drucks. 12/7582 S. 11. Ebenso die - soweit ersichtlich - einhellige Auffassung in der Literatur: ErbguthiStollmann, UPR 1994 S. 81 ff., 83; Erichsen, NVwZ 1992 S. 409 Ir, 411; FluckITheuer, UIG, § 3 Rdnr. 85; Hegele, in: Hegele/Röger, Umweltschutz durch Umweltinformation,

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Vierter Teil: Das Umwe1tsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Der BMVg hat in der als Verwaltungsvorschrift zu qualifizierenden "Fachkonzeption Umweltschutz der Bundeswehr,,67 Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung verpflichtet, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in verstärktem Maß den Erfordernissen der Umwelt zu entsprechen (Nr. 2) und den Umweltschutz als Teil der Aufgaben aller Organisationsbereiche der Bundeswehr bezeichnet (Nr. 39). Das könnte zu der Annahme verleiten, daß sowohl die Streitkräfte als auch die Bundeswehrverwaltung Aufgaben des Umweltschutzes wahrnehmen und dementsprechend grundsätzlich zur Informationsgewähnmg verpflichtet sind68 • Damit würde die funktionale Aufgabenteilung zwischen Streitkräften und Bundeswehrverwaltung jedoch eingeebnet: Die Streitkräfte sind ausschließlich Nutzer der Umwelt und haben dabei das UmweItrecht nach den für alle geltenden Rechtsvorschriften zu beachten. Sie sind deshalb nach § 3 Abs. I Satz 2 Nr. 2 UIG keine Stelle, die Aufgaben des Umweltschutzes wahrzunehmen hat. Die Bundeswehrverwaltung hat dagegen im Rahmen ihrer in Art. 8Th GG umschriebenen Aufgaben Normen des Umweltrechts nicht lediglich zu beachten, sondern auch zu vollziehen, etwa bei der Überwachung von UmweItnutzungen oder bei der Zulassung verteidigungsspezifischer Ausnahmen69 . Nur die Bundeswehrverwaltung nimmt Aufgaben im Bereich der UmweItpflege wahr. Von ihren Dienststellen kann daher Zugang zu UmweItinformationen verlangt werden. Der Anspruch ist nach § 3 Abs. 2 UIG gerichtet auf Daten über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume7o, über Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Schutz S. 116; Kramer, UIG, § 3 Erl. 6 (S. 20); Moormann, in: LandmarmlRohmer, Umweltrecht III, § 3 UlG Rdnr. 3; Röger, in: HegeleJRöger, Umweltschutz durch Umweltinformation, S. 11; ders., UlG, § 3 Rdnr. 5; Schomerus, in: SchomeruslSchraderlWegener, UlG, § 3 Rdnr. 14; Turiaux, UlG, §§ 2, 3 Rdnr. 78; Scherzberg, UPR 1992 S. 48 fI, 50; ders., DVBI. 1994 S. 733 fI, 735; von Schwanenflügel, DVBI. 1991 S. 93 ff., 98 f.; ders., DÖV 1993 S. 95 ff., 100; Wegen er, !UR 1992 S. 211 ff.,212. 67 Vom 9.10.1990 - S IV 3 Az. 63-25-090/20. 68 Vgl. Majer, BWV 1992 S. 221 ff., 222 f., mit dem Versuch, aus dem Tatbestandsmerkmal des Unglückfalls in Art. 35 Abs.2, 3 GG einen Auftrag der Bundeswehr herzuleiten, von Dritten verursachte UmweItgefahren zu bekämpfen. 69 Vgl. Kuhnert, BWV 1996 S. 25 ff., 26, 27. 70 Danach kann etwa der Zugang zu Informationen über die Erfassung der Naturausstattung in Bundeswehr-Liegenschaften (NT. 70 der Fachkonzeption [Fußn. 67]), zu Schutzgebietskarten (NT. 3.3.1 des Berichts "Umweltschutz der Bundeswehr" des BMVg an den Verteidigungsausschuß des BT vom 10.2.1992 - S IV I - Az. 63-0505/8 -), zu den Ergebnissen der Untersuchungen über Schwermetallbelastungen auf Übungsplätzen (NT. 3.4.4 des Berichts) und der Erfassung von AltIastenverdachtsflächen (NT. 3.4.2 des Berichts) begehrt werden.

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beeinträchtigen (können)71, und über Tätigkeiten zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnalunen und Programme zum Umweltschutz. Il. Ausschluß des Zugangsanspruchs (§ 7 Abs. J Nr. J Alt. 2 UJG)

Der Zugangsanspruch ist ausgeschlossen, soweit das Bekanntwerden der Infonnationen die Landesverteidigung berührt. Mit dieser Vorschrift hat der Bund nahezu wörtlich von der in Art. 3 Abs. 2 Satz I Spiegelstrich 1 der Umweltinformations-Richtlinie eröffneten Option Gebrauch gemacht72 Der Ausschluß beruht darauf, daß die EG über keine Kompetenzen auf dem Gebiet der Verteidigung verfüge 3 und daher darauf bedacht ist, die Souveränität der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet unberührt zu lassen74 . Jede Information über den Zustand der Umwelt auf Liegenschaften der Bundeswehr, über ihre umweltbeeinträchtigenden Tätigkeiten und über Maßnahmen zum Schutz der Umweltgüter berührt in irgendeiner Weise die Landesverteidigung, weil sie Rückschlüsse auf Verteidigungsmaßnahmen der Bundeswehr zuläßt. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben lassen eine Auslegung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 UIG zu, die einen sehr weitgehenden Ausschluß des Zugangsanspruchs zur Folge hae s. Diese Auslegung ist aber nicht zwingend. Ein Rückgriff auf Art. BOt EGV, der über die nach Art. 130s EGV beschlossenen Maßnahmen hinausgehende Schutzmaßnahmen auf dem Gebiet der Umweltpolitik (Art. BOr EGV) zuläßt, ist dafür nicht erforderlich, weil die Mitgliedstaaten von den in Art. 3 Abs. 2 Umweltinfonnations-Richtlinie eröffneten Ausschlußoptionen Gebrauch ma-

71 Vgl. dazu Z.B. die Lännkataster (NT. 3.4.8 des Berichts). 72

Röger, UIG, § 7 Rdnr. 8.

Vgl. Art. ],4 Abs. I und 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) vom 7.2.1992 (BGBL II S. 1251), und dazu SchweitzeriHummer, Europarecht, Rdnm. 1821, 1860. Siehe aber Art. 17 EUV in der Fassung des Vertrages von Amsterdam (vgl. das Zustimmungsgesetz vom 8.4.1998, BGBI. II S. 386), der der Union - und nicht der EG begrenzte Verteidigungskompetenzen überträgt. 73

Erichsen, Umsetzung, S. 59. 75 Hegele, in: Hege1e/Röger, Umweltschutz durch Umweltinfonnation, S. 119; Kremer, NVwZ 1990 S. 843 f., 844; Scherzberg, DVBI. 1994 S. 733 ff., 738; Schrader, in: Schomerus/SchraderlWegener, UlG, § 7 Rdnr. 10. 74

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

ehen können, aber nicht müssen76 . Art. 3 Abs. 2 Umweltinformations-Richtlinie stellt lediglich ein Angebot an den nationalen Gesetzgeber dar77 • Ungeachtet der gemeinschafts rechtlichen Terminologie ("berühren") ist die Ausschlußklausel des § 7 Abs. I Nr. I Alt. 2 UIG zugunsten der Landesverteidigung im Kontext des deutschen Umweltrechts78 , das auch an anderer Stelle Regelungen zur militärischen Geheimhaltung kenne 9 , zu interpretieren. Die übrigen Regelungen erfassen den Zugang zu vorhabenbezogenen Informationen und sehen eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Betroffenen und den GeheimhaItungserfordernissen im Einzelfall vor. Ein vergleichbares interessenabhängiges Zugangsrecht wäre auch für den allgemeinen Zugang zu UmweItinformationen aus dem Verteidigungsbereich ein sachgerechter Ansatz gewesen80, der keinen gemeinschaftsrechtIichen Bedenken begegnet wäre. Mit dem Abschreiben der Formulierung des Gemeinschaftsrechts ist aber keine abstrakte, vorweggenommene Güterabwägung81 erfolgt82. Als Ansatzpunkte für eine differenzierte Auslegung des Zugangsausschlusses kommen die Tatbestandmerkmale "soweit" und "berührt" in Betracht. Die Begrenzung der Ausschlußtalbestände durch das Tatbestandsmerkmal "soweit" erfolgt zur Umsetzung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Umweltinformations-Richtlinie83 . Danach werden Informationen auszugsweise übermittelt, sofern es möglich ist, Infonnationen, die etwa die Landesverteidigung berühren, auszusondern. Das Merkmal "soweit" zwingt daInit die Behörden zu prüfen, in weIchem Ulnfang Informationsträger (§ 3 Abs. 2 UIG) sowohl geheimhaltungsbedürftige als auch offene Informationen enthalten, und die offenen Informatio76

77

Erichsen, Umsetzung, S. 57. Erichsen, Umsetzung, S. 56 f.; Scherzberg, UPR 1992 S. 48 fT., 53, mit dem zutref-

fenden Hinweis, daß sich aus sonstigem Gemeinschafisrecht und aus Verfassungsrecht aber Umsetzungspflichten ergeben können. 78 Abw. Kramer, UIG, § 7 Er!. 4 (S. 38), der auf die "Staatswohlklauseln" der § 99 Abs. I VwGO, § 5 Abs. 2 Nr. 2, § 84 Abs. 3 VwVfG, § 62 BBG abstellt.

79 Vg!. § 3 Abs. 2 UVPG; § 10 Abs. 11 BImSchG, § 2 Abs. 2 der 14. BImSchV; § 15 Abs. 5,6 Satz 2 ROG. 80 Engel, Akteneinsicht, S. 225. 81 Zu dem Erfordernis der Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Umweltschutzbelangen bei der Umsetzung der Richtlinie vg!. Engel, Akteneinsicht, S. 225; Erichsen, Umsetzung, S. 60; Scherzberg, UPR 1992 S. 48 fT., 53. 82 Vgl. etwa die Begründung der BReg. zum Entwurf des UmweItinformationsgesetzes, BT-Drucks. 12/7138 S. 13, die auf die Landesverteidigung überhaupt nicht eingeht. Turiaux, UIG, § 7 Rdnr. I, akzeptiert dies wegen des grundsätzlichen Übergewichts (u.a.) der Landesverteidigung gegenüber dem Umweltschutz. 83 Schrader, in: Schomerus/SchraderlWegener, UIG, § 7 Rdnr. 6; Scherzberg, DVB!. 1994 S. 733 fT., 743 f., der diese Umsetzung jedoch als nicht ausreichend ansieht.

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nen zugänglich zu machen, wenn sie von den geheimhaltungsbedürftigen getrennt werden können. Ggf. ist statt der Übermittlung oder Akteneinsicht lediglich eine Auskunft zu erteilen84 • Das Tatbestandsmerkmal "soweit" setzt damit den Umfang der Geheimhaltungspflicht voraus, zu seiner Bestimmung leistet es keinen Beitrag. Will man auf eine (einigermaßen) einheitliche Auslegung des Begriffs der Landesverteidigung nicht verzichten85 , kann eine Differenzierung nur über das Merkmal "berühren" erfolgen. Die Landesverteidigung wird - entsprechend den sonst verwendeten Bestimmungen über die Begrenzung des Informationszugangs bei einzelnen Vorhaben - nur dann durch das Bekanntwerden von UmweItinformationen "berührt", wenn Verteidigungsgriinde die Geheimhaltung zwingend erfordern86 . Das ist dann der Fall, wenn bei Bekanntwerden der Informationen das Vorhaben oder die Tätigkeiten und Maßnahmen die ihnen zugedachten Aufgaben im Ralunen der Verteidigungsplanung nicht mehr errollen können87 . So könnten etwa detaillierte Informationen über den Zustand eines bewaldeten Geländeabschnitts die Tarnung dort stationierter Waffensysteme und damit deren Einsatzfahigkeit gefahrden. Dem Anliegen der Umweitinformations-RichtIinie und des UmweItinformationsgesetzes, eine über die bestehenden Zugangsrechte hinausgehende Informationsmöglichkeit zu eröffnen, wird damit noch Rechnung getragen, weil der Zugangsanspruch weder vorhaben- noch verfahrensbezogen ist, sondern grundsätzlich alle vorhandenen Informationen erfaßt88 • Informationen über die Umwelt, die in diesem Sinn die Landesverteidigung "berühren", können sowohl bei Dienststellen der BundeswehrverwaItung als 84

BVerwG, Urt. v. 6.12.1996 -7 C 64.95 -, Buchholz 406.252 § 4 Nr. 2 S. 3.

Es erscheint immerhin denkbar, unter der Landesverteidigung i.S.v. § 7 Abs. I Nr. I Alt. 2 um nur die VerteidigungsanIagen, -maßnahmen und -tätigkeiten zu verstehen, bei denen das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung das individuelle Interesse am Zugang zu Umweltinfonnationen überwiegt. Daß dem Gesetz eine solche, eigenständige Begriffsbildung zugrundeliegt, ist jedoch nicht ersichtlich. 86 Ähnlich Schrader, in: SchomeruslSchrader/Wegener, UIG, § 7 Rdnr. 10, der aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip eine Beschränkung auf überwiegende Gründe der Landesverteidigung herleitet. Das ist nicht überzeugend, weil das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf Eingriffe, nicht auf die Versagung einer Leistung zugeschnitten ist. 85

87 Röger, UIG, § 7 Rdnr. 10; ders., NuR 1995 S. 175 ff., 182. Im Ergebnis ebenso Scherzberg, DVBI. 1994 S. 733 ff., 738. Weitergehend Moormann, in: Landmann! Rohmer, UmweItrecht III, § 7 UIG Rdnr. 17: es genügen Nachteile für die Wirksamkeit militärischer Verteidigungshandlungen. Zur "Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden" wie hier auch Wegeller, nJR 1992 S. 211 ff., 215; Erichsen, Umsetzung, S. 58 f 88 VgJ. zum Erfordernis der restriktiven Interpretation der Ausnahmetatbestände Scherzberg, DVBI. 1994 S. 733 ff., 737 f; Schrader, in: Schomerus/Schrader/Wegener, UIG, § 7 Rdnr. 4; Wegen er, nJR 1992 S. 211 fr., 212.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

auch bei Behörden außerhalb der Bundeswehr (z.B. den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörden oder den Behörden der Gewässeraufsicht) vorhanden sein. Die Regelungen des UIG gehen erkennbar davon aus, daß jede Behörde hinsichtlich der bei ihr vorhandenen UmweItinformationen selbst entscheidet, ob die genannten Belange berührt sind89 . Sie haben von Amts wegen (§ 24 VwVfG) zu ermitteln, ob der Informationszugang die Landesverteidigung berührt. Stellen der BundeswehrverwaItung werden meist über ausreichende eigene Sachkunde fiir die Beurteilung verfugen. Bei Informationen, die anderen Behörden vorliegen, ist zu differenzieren: Sind die Unterlagen, z.B. nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der 14. BImSchV, als militärische Geheimnisse gekennzeichnet, berührt ihr Bekanntwerden die Landesverteidigung; ein Antrag auf Zugang zu diesen Unterlagen ist abzulelmen90 . Bei nicht gekennzeiclmeten Informationsträgem, die die Behörde nicht als Antragsunterlagen in einem Genehmigungsverfahren zugegangen sind91 , hat die Behörde durch Einholung einer Auskunft der zuständigen Stelle der Bundeswehr nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwVfG zu ermitteln, ob sie der militärischen Geheimhaltung unterliegen. Um die Zwei-Monats-Frist fiir die Bescheidung des Zugangsantrags (§ 5 Abs. 2 Satz 1 UIG) einhalten zu können, ist eine Fristsetzung fiir die Auskunftserteilung erforderlich; notfalls hat die Behörde selbst die Geheimhaltungsbedürftigkeit zu beurteilen. Eine zögerliche Auskunfterteilung stellt ein deutliches Indiz dar, daß die Geheimhaltungsinteressen nicht sehr groß sind, also der Zugang zu den Informationen zu gewähren ist92 .

89 VgJ. auch das Beispiel der BReg. in der Begründung zum Entwurf des illG zur BeTÜluung der internationalen Beziehungen, BT-Drucks. 1217138 S. 13: Zugang zu Informationen über die Umwelt in anderen Staaten, die Z.B. im Auswärtigen Amt oder bei Stellen der Entwicklungszusanunenarbeit vorliegen. 90 Das bedeutet nicht, daß nicht Auskunft über ihren Inhalt zu erteilen ist, soweit das ohne Verletzung des Geheimnisses möglich ist; auch eine Inhaltsdarstellung ist zugänglich zu machen. 91 Bei nicht gekerulZeichneten Antragsunterlagen ist davon auszugehen., daß kein militärisches Geheimnis vorliegt. 92 Diese BeweisWÜTdigung führt mittelbar zu einer - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgJ. Engel, NVwZ 1992 S. 1l1 ff., 112) - Mitwirkungslast der Bundeswehr-Dienststellen.

§ 10 Medialer Umweltschutz Der mediale Umweltschutz widmet sich dem Schutz der "klassischen" Umweltmedien Boden, Wasser und Luft ' . Die einschlägigen Rechtsnormen sind überwiegend in den Materien des Naturschutz-, des Wasser- und des Immissionsschutzrechts, künftig auch des Bodenschutzrechts, enthalten.

A. Naturschutz Das Naturschutzrecht ist bundesrechtlich geregelt in dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetzf Dieses Gesetz wurde weitgehend auf Grund der Rahmen-Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 75 Abs. I Satz I Nr. 3 GG erlassen und löste das unter dem Reichsnaturschutzgesetz Grundgesetz als Landesrecht fortgeltende 3 (RNatSchG)4 ab. Die in § 4 Satz 3 BNatSchG aufgeführten Vorschriften sind unmittelbar geltendes (Bundes-) Recht, alle übrigen Regelungen sind Ralunenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder. Sie werden durch die Landesnaturschutz- bzw. LandespflegegesetzeS ausgefüllt.

I

Siehe oben § 2 B H.

2

Siehe oben § 2 Fußn. 16.

3

BVerfG, Beschl. v. 14.10.1958 - 2 BvO 2/57 -, BVerfGE 8 S. 186 ff, 192 fT.

Vom 26.6.1935 (RGBl. I S. 821). Baden-WUrttemberg: Gesetz zum Schutz der Natur, zur Pflege der Landschaft und über die Erholungsvorsorge in der freien Landschaft (Naturschutzgesetz - NatSchG) i.d.F. der Bek. vom 29.3.1995 (GBl. S. 386), zul. geändert durch VO vom 17.6.1997 (GBl. S. 278); Bayern: Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur (Bayerisches Naturschutzgesetz - BayNatSchG) i.d.F. der Bek. vom 10.10.1982 (GVBl. S. 874), zul. geändert durch G. vom 9.5.1998 (GVBl. S. 242); Berlin: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin (Berliner Naturschutzgesetz - NatSchGBln) vom 30.1.1979 (GVOBl. S. 183), zul. geändert durch G. vom 4.7.1997 (GVBl. S. 376); 4

5

Brandenburg: Gesetz über den Naturschutz und die Landschaftspflege im Land Brandenburg (Brandenburgisches Naturschutzgesetz - BbgNatSchG) vom 25.6.1992 (GVBI. I S. 208), zul. geändert durch G. vom 18.12.1997 (GVBI. I S. 124);

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Die für die Bundeswehr bedeutsamen Sondervorschriften der §§ 9 und 38 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gelten gemäß § 4 Satz 3 BNatSchG unmittelbar6 . Sie begrunden materielle (§ 38 Nr. 1) und verfahrensrechtliche (§ 9) Abweichungen? von den allgemeinen naturschutzrechtlichen Vorschriften, im Schwerpunkt Bremen: Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bremisches Naturschutzgesetz - BremNatSchG) vom 17.9.1979 (GBI. S. 345), zul. geändert durch Bek. vom 22.9.1988 (GBI. S. 223). Hamburg: Hamburgisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Hamburgisches Naturschutzgesetz - HmbNatSchG) vom 2.7.1981 (GVB!. S. 167), zu!. geändert durch G. vom 4.11.1997 (GVB!. S. 489); Hessen: Hessisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Hessisches Naturschutzgesetz - HENatG) i.d.F. der Bek. vom 16.4.1996 (GVBl. I S. 145), zul. geändert durch G. vom 18.12.1997 (GVBI. I S. 429); Mecklenburg-Vorpommem: Erstes Gesetz zum Naturschutz im Land MecklenburgVorpommern vom 10.1.l992 (GVOB!. S. 3), zu!. geändert durch G. vom 25.9.1997 (GVOB!. S. 502); Niedersachsen: Niedersächsisches Naturschutzgesetz i.d.F. der Bek. vom 11.4.1994 (GVB!. S. 156, ber. S. 267), zu!. geändert durch G. vom 11.2.1998 (GVBI. S. 86); Nordrhein-Westfalen: Gesetz zur Sicherung des Naturhaushalts und zur Entwicklung der Landschaft (Landschaftsgesetz - LG) i.d.F. der Bek. vom 15.8.1994 (GV. NW. S.71O); Rheinland-PJalz: Landespflegegesetz (LPflG) i.d.F. der Bek. vom 5.2.1979 (GVB!. S. 37), zul. geändert durch G. vom 14.6.1994 (GVB!. S. 280); Saarland: Gesetz über den Schutz der Natur und die Pflege der Landschaft (Saarländisches Naturschutzgesetz - SNG) i.d.F. der Bek. vom 19.3.1993 (Amtsbl. S. 346, ber. S. 482), zul. geändert durch G. vom 5.2.1997 (Amtsbl. S. 258); Sachsen: Sächsisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Sächsisches Naturschutzgesetz - SächsNatSchG) i.d.F. der Bek. vom 11.10.1994 (GVBl. S. 1601, ber. 1995 S. 106); Sachsen-Anhalt: Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (NatSchG LSA) vom 11.2.1992 (GVBl. S. 108), zul. geändert durch G. vom 21.1.1998 (GVBI. S. 28); Schleswig-Holstein: Gesetz zum Schutz der Natur (Landesnaturschutzgesetz) i.d.F. des G. vom 16.6.1993 (GVOBl. S. 215); Tharingen: Vorläufiges Thüringer Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Vorläufiges Thüringer Naturschutzgesetz - VorlThÜfNatG) vom 28.1.1993 (GVBl. S. 57), zul. geändert durch G. vom 19.12.1997 (GVB!. S. 546). 6 Die DDR hatte durch Nr. 1 der Anlage I zu Art. 6 Umweltrahrnengesetz (URG) vom 29.6.1990 (GBI. DDR I S. 649) § 38 BNatSchG nicht übernommen. Diese Vorschrift gilt gemäß Art. 8 i.V.m. Anl. I Kap. XII Sachgeb. F Abschn. ill des Einigungsvertrages (BGBI. 1990 S. 889) in den neuen Bundesländern seit dem 3.10.1990 mit einer Maßgabe. Zur Problematik der für Verteidigungszwecke genutzten Liegenschaften in der damaligen DDR insbesondere in der Zeit vom 1.7. bis zum 2.10.1990 vgl. Repkewitz, VerwArch. 82 (1991) S. 388 fT., 407 f. 7 Salzwedel, NuR 1984 S. 165 fT., 165, sieht diese Regelung lediglich als Zuständigkeitsvorschrift an. Dazu näher unten § 10 A ill.

n

§ 10 Medialer Umweltschutz

221

hinsichtlich der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung des § 8 BNatSchG i. Y.m. den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen8 , aber auch von den Vorschriften über geschützte Landschaftsbestandteile und den Artenschutz.

1. Reichsnaturschutzgesetz Bereits das Reichsnaturschutzgesetz sah - als Vorläufervorschrift des § 38 BNatSchG - in seinem § 6 folgende Regelung vor: ,,Durch den Naturschutz dürfen Flächen, die ausschließlich oder vorwiegend Zwecken der Wehrmacht, der wichtigen öfTentlichen Verkehrsstraßen, der See- und BinnenschifTahrt oder lebenswichtiger Wirtschaftsbetriebe dienen, in ihrer Benutzung nicht beeinträchtigt werden."

Diese Bestimmung setzte voraus, daß für die privilegierten Flächen grundsätzlich die materiellen Bestimmungen des RNatSchG galten. Unter der Geltung des Grundgesetzes wurde die Vorschrift als räumliche Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des Naturschutzes zugunsten bestimmter Allgemeininteressen verstanden9 . Die betreffende Fläche mußte vor Inkrafttreten von Schutzmaßnahmen zumindest vorwiegend einem privilegierten Zweck dienen lO . Die Privilegierung von Flächen der "Wehrmacht" sollte unter dem Grundgesetz der Bundeswehr und den Stationierungsstreitkräften zugutekommenlI.

11. Materielle Abweichungen Die Bundeswehr ist an die materiellen Bestimmungen des Naturschutzrechts gebunden, und zwar sowohl an das allgemeine (§§ 8 ff. BNatSchG) als auch an das besondere (§§ 12 ff. BNatSchG) Naturschutzrecht und an die Vorschriften 8 §§ 10 fT. NatSchG BW; Art. 6 fT. BayNatSchG; §§ 14 fT. NatSchG Bin; §§ 10 fT. BbgNatSchG; §§ 11 fT. BremNatSchG; §§ 9 fT. HmbNatSchG; §§ 5 fT. HENatG; § 1 NatSchG Me-Vo; §§ 7 fT. NatSchG Nds; §§ 4 fT. LG NW; §§ 4 fT. LPflG Rh-Pf; §§ 10 fT. SNG; §§ 10 fT. SächsNatSchG; §§ 8 fT. NatSchG LSA; §§ 7 fT. LNatSchG Schl-H; §§ 6 fT. VorlThürNatG.

Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, § 6 RNatSchG Anm. I. Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, § 6 RNatSchG Anm. 1 m. w. N. Vgl. dazu auch VGH MOnehen, Urt. v. 12.11.1964 - 108 Vl62 -, BayVBI. 1966 S. 25 ff., 26 f 11 Lorz, Naturschutz-, Tierschutz- und Jagdrecht, § 6 RNatSchG Anm. 2. 9

10

222

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

über den Artenschutz (§§ 20 ff. BNatSchG). Das ist im Gegenschluß dem § 38 BNatSchG zu entnehmen, da die Privilegierung von Altnutzungen die grundsätzliche Geltung der materiellen Normen voraussetd 2. Für die Intensität der Bindung sind zwei Gruppen von Flächen zu unterscheiden: -

Altnutzungen13 , d.h. die Nutzungen von Flächen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes Verteidigungszwecken dienten und für die § 38 BNatSchG materielle Privilegierungen vorsieht, und

-

Neunutzungen, d.h. die Nutzungen von Flächen, die erst nach dem Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes für Verteidigungszwecke in Anspruch genommen wurden oder werden.

1. Altnutzungen (§ 38 BNatSchG) Für die Feststellung, wann das BNatSchG in Kraft getreten ist, muß zwischen den westlichen und den östlichen Bundesländern unterschieden werden. In den westlichen Bundesländern trat das BNatSchG nach seinem § 40 am 24. Dezember 1976 in Kraft14. In den östlichen Bundesländern wurde § 38 BNatSchG durch den Einigungsvertrag in Kraft gesetzt mit der Maßgabe, daß als Tag des Inkrafttretens der 1. Juli 1990 giltl5 . Dienten Flächen bereits vor diesen Terminen ausschließlich oder überwiegend Zwecken der Landesverteidigung, dürfen sie durch Naturschutz und Landschaftspflege nicht in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung beeinträchtigt werden. Eine Fläche dient dann Zwecken der Landesverteidigung, wenn sie für diese Zwecke tatsächlich genutzt wird l6 . Damit sind Flächen, die der BMVg "auf Vorrat" hielt, um sie später einer solchen Nutzung zuzuführen, ausgeklammert. Es kommt nicht darauf an, ob die Nutzung für die Landesverteidi12 BVerwG, Urt. v. 21.3.1986 (§ 6 Fußn. 48), BVerwGE 74 S. 109 fT., 111; DelbrUck, Umweltpflichtigkeit, S. 55; Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schrnidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 4; Lang, NuR 1981 S. 158 ff., 158; Lorz, Naturschutzrecht, § 38 BNatSchG Anm. 2 a; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 5; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 fT., 173. 13 Begriff nach Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 2. 14 Das BNatSchG wurde am 23.12.1976 in BGBI. I S. 3574 verkündet. Vgl. auch Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahio/Schrnidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr.8; Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. 2; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 20. 15 Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahio/Schrnidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 8; Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. 2; näher dazu Repkewitz, VerwArch. 82 (1991) S. 388 ff., 407 f 16 Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 21; Nr. 2 Buchst. ader Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79).

§ 10 Medialer Umweltschutz

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gung zwingend erforderlich ist. Privilegiert ist jede Verteidigungsnutzung. Eine qualitativ untergeordnete Mitnutzung17 der Fläche fiir andere Zwecke (z.B. die Öffnung der Wege auf einem Standortübungsplatz für Spaziergänger) steht der Privilegierung nicht entgegen. Erforderlich ist allerdings, daß die Fläche nicht nur vorübergehend für Verteidigungszwecke in Anspruch genommen wurde, etwa aufgrund des Schutzbereich- oder des Landbeschaffungsgesetzes. Eine - auch regelmäßige - Inanspruchnahme nach § 68 Abs. 1 BLG im Rahmen von Manövern und sonstigen Übungen genügt dem nicht. Darüber hinausgehend sind auch die Flächen privilegiert, die am Tag des 10krafttretens des BNatSchG in einem verbindlichen Plan für Verteidigungszwecke ausgewiesen waren. Von Plänen zu unterscheiden sind die Zulassungsentscheidungen für konkrete Vorhaben in der Fonn des Verwaltungsaktes l8 . Sie bedurften keiner Privilegierung, da ihre Bestandskraft einen weitgehenden Schutz gegenüber Rechtsänderungen bietet und Nutzungsbeeinträchtigungen durch Naturschutz und Landschaftspflege daher ausscheiden. Pläne sind dagegen keiner Bestandskraft zugunsten eines konkreten Vorhabens fähig, d.h. sie enthalten nicht die abschließende Zulassungsentscheidung. Erforderlich ist eine verbindliche Planung für die betreffende Fläche. Das ist dann der Fall, wenn dem Plan in einer Rechtsvorschrift ausdrücklich Verbindlichkeit zuerkannt wird, wenn sich eine solche aus Anpassungs- oder Umsetzungspflichten ergibt oder wenn der Plan wegen seiner Rechtsfonn in Allgemeinverbindlichkeit oder in Bestandskraft erwachsen ist. Dagegen muß der Plan nicht notwendig naturschutzrechtliche Regelungen enthaltenl9 • Mit einer solchen Auslegung würde der Wortlaut des Gesetzes überdehnt. Auch die Entstehungsgeschichte des § 38 BNatSchG und der daraus erkennbare Zweck der Vorschrift erfordern keine derartige Erweiterung. Mit der Privilegierung von verbindlich geplanten Verteidigungsvorhaben entsprach der Gesetzgeber der Stellungnalune der BReg. zu dem Bundesrats-Entwurf eines Bundesnatur-

17 Von einer qualitativ untergeordneten Mitnutzung läßt sich dann sprechen, wenn sie gegenüber der Verteidigungsnutzung von geringerer naturschutzrechtlicher Relevanz ist. Dagegen will Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 18, auf den Schwerpunkt der Nutzungszwecke abstellen; ähnlich wohl auch Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 23. Damit würde jedoch die naturschutzrechtliche Bedeutung unberücksichtigt bleiben. 18 Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. 4; dagegen Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlol Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 19; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 22. 19 AA Lang, NuR 1981 S. 158 ff., 158: Pläne i.S.v. § 38 BNatSchG seien nur solche, die nach dem Naturschutzrecht erforderliche Genehmigungen oder Befreiungen enthielten.

224

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

schutzgesetzes2o . Zur Begründung wies die BReg. darauf hin, daß es "in diesen Fällen" unzweckmäßig erscheine, bereits abgeschlossene Verfahren wieder aufzurollen. Zweck dieser Regelung war damit, abgeschlossene, aber bis zum Stichtag des Inkrafttretens noch nicht realisierte Verteidigungsplanungen in gleicher Weise wie vorhandene Verteidigungsnutzungen zu privilegieren. Außerdem kOlUlten vor dem Inkrafttreten des BNatSchG keine Pläne vorhanden sein, die die Anforderungen dieses Gesetzes an den Naturschutz ausgestalten. Verbindliche Pläne im SiIUle des § 38 BNatSchG sind danach raumordnerische Pläne, soweit das Landesrecht ihnen Verbindlichkeit zuerkeIUle 1, FlächeIUlutzungspläne, da öffentliche Planungsträger und damit auch die Bundeswehr ihre Fachplanungen nach § 7 BauGB an den Flächennutzungsplan anzupassen haben, und Bebauungspläne, die nach § 10 Abs. 1 BauGB als Satzung erlassen werden22 . Die Bezeichnung nach § lAbs. 3 LBG ist ebenfalls ein solcher Plan23 , obwohl sie als Verwaltungsakt ergeht24 und deshalb in Bestandskraft erwachsen kann. DeIUl sie läßt das Vorhaben nicht abschließend zu. Gleiches gilt für die Anordnung eines Schutzbereichs nach § 2 SchBerG25 , die ebenfalls als Verwaltungsakt ergeht26, und für die Genelunigung eines militärischen Flugplatzes nach § 6 LuftVG 27 . Die Bezeichnung, die Schutzbereich-

20

BT-Drucks. 7/3879, S. 42 f.

Nr. 2 Buchst. b Spiegelstrich 4 der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79). In Rh-Pf: Landesentwicklungsprogramm, § lI Abs. I Satz 5 LPIG, und Regionale Rawnordnungspläne, § 13 Abs. 3 Satz 3 LPIG. Weitere Nachweise zum Landesrecht bei Krebs, in: Schrnidt-Aßmann, BesVerwR, Rdnm. 60 (S. 339 f.), 65 f. (S. 342 f.), 71 (S. 344 f). 22 VGH Kassel, Besch!. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S. 31 fT., 33; Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schrnidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 19. 21

23 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 122 Fußn. 272; Nr. 2 Buchst. b Spiegelstrich I der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79). AA Simon, BayBauO, Art. 93 Rdnr. 30f; Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr.4; Lang, NuR 1981 S. 158 fT., 159, da die Bezeichnung keine Außen wirkung habe. 24 Laubinger, VerwAreh. 77 (1986) S. 421 fT., 429, 434 m. w. N. Aus der Rspr., die einen Verwaltungsakt nur im Verhältnis zur Gemeinde annimmt, zuletzt BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 15.93 -, Buchholz 406.33 § I Nr. 7 S. 5. 25 Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr.22; Nr. 2 Buchst. b Spiegelstrich 2 der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79). AA Lang, NuR 1981 S. 158 fT., 159; Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. 4. 26 BVerwG, Urt. v. 7.9.1984 - 4 C 16.81 -, BVerwGE 70 S. 77 fT., 78; VGH MrulIlheim, Urt. v. 15.1l.l988 -10 S 751/88 -, NVwZ 1989 S. 978 fT., 979 ..

27 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 122 Fußn. 272. A.A. BVerwG, Urt. v. 5.12.1986-4 C 13.85 -, BVerwGE 75 S. 214 fI, 257, das auf die fehlende verbindliche Außenwirkung abstellt.

§ 10 Medialer Umweltschutz

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anordnung und die Flugplatzgenehmigung betreffen zwar als Verwaltungsakte Einzelvorhaben, regeln aber nicht abschließend dessen Zulässigkeie8 . "Altgenutzte" Flächen dürfen durch Naturschutz und Landschaftspflege nicht in ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung beeinträchtigt werden. Mit dieser gesetzlichen Fonnulierung ist klargestellt, daß diese Flächen nicht generell von der Geltung des Naturschutzrechts ausgenommen sind29 . Dessen Bestimmungen sind zu beachten, solange dadurch die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigt wird30 . VerfahrensrechtIiche Anforderungen können die Nutzung nicht beeinträchtigen, auf Art und Umfang der Verteidigungsnutzung wirken nur die materiellen naturschutzrechtlichen Anforderungen ein3l . Daher hindert § 38 BNatSchG die Länder nicht, altgenutzte Flächen unter besonderen Naturschutz32 zu stellen33 . Lediglich das (materielle) Ergebnis solcher GenehmigungsvorbehaIte oder Verbote, die fiir nicht privilegierte (Mit-)Nutzungen ihre Bedeutung behalten34 , darf die bestimmungsgemäße Nutzung nicht beeinträchtigen. Für die Altnutzung ist eine Befreiung nach § 31 BNatSchG oder den landesrechtIichen Bestimmungen zu gewähren35 . Das Befreiungsennessen wird durch § 38 BNatSchG reduziert und verdichtet sich im Einzelfall zu einem Befreiungsanspruch der Bundesweh?6. Der Einwand, ausweislieh der Gesetzesmaterialien sollte den privilegierten Altnutzungen Bestandsschutz gewährt und sie nicht der Entscheidungskompetenz der Naturschutzbehörden überantwortet werden37 , überzeugt nicht. § 38 28

So fiir die Flugplatzgenehmigung auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 119 f

VGH Kassel, Besch!. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S. 31 tT., 33; Meßerschmidt, BNatSchG, § 311 Rdnr. 2. 30 Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahio/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 20; Nr. 12 Abs. 1 der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79). Unklar Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 122. 31 Gassner, in: GassnerlBendomir-Kah!o/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 9; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 29. 32 Vgl. §§ 12 ff. BNatSchG und die diese Normen ausfüllenden Vorschriften des Landesrechts. 33 Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 24; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 172. Zweifelnd OVG Lüneburg, Besch!. v. 22.12.1986 - 2 OVG B 144/86 -, ZfW 1987 S. 186 ff., 187. AA Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. I. 34 Lorz, Naturschutzrecht, § 38 BNatSchG Anm. I; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 24; wohl auch Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahio/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 20. 35 Simon, BayBauO, Art. 93 Rdnr. 30f; a.A. Ebsell, Militärische BodeIUlutzung, S.122. 36 Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 173. 37 Ebsen, Militärische BodeIUlutzung, S. 122, unter Hinweis auf den Ausschußbericht in BI-Drucks. 7/5251, S. 15. 29

15 Repkewitz

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

BNatSchG privilegiert nach seinem Wortlaut die Altnutzungen nur bis zur Grenze der bestimmungsgemäßen Nutzung38 • Dem Naturschutz ist dann zu entsprechen, wenn die Nutzung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Es ist nicht einzusehen und mit Art. 3 Abs. 1 GG kawn vereinbar, wenn die Privilegierung über das notwendige Mindestmaß hinaus ausgedehnt wird und dadurch gewissennaßen "naturschutzfreie Zonen" entstehen. Den ersten Zugriff auf naturschutzrechtliche Belange behält nur mit der hier vertretenen Auffassung die fachlich kompetente Naturschutzbehörde. Verstünde man § 38 BNatSchG als umfassenden Dispens, stünde dieser erste Zugriff der Bundeswehr zu, was wegen der von ihr vorrangig zu vertretenden Verteidigungsbelange nahezu zwangsläufig zu einer vom Gesetz als nicht sachgerecht angesehenen Zurücksetzung des Naturschutzes führen würde. Die Altnutzung wird beeinträchtigt, wenn sie nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden kann39 . Höhere Kosten oder aufwendigere Verfahren stehen nur dann einer sinnvollen Nutzung entgegen, wenn sie völlig außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg stehen. Dabei ist die Betrachtung auf die primäre Nutzung bezogen. Eine Beeinträchtigung wird man nicht schon darin erblicken können, daß ein Eingriff in Natur und Landschaft durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die ihrerseits die Altnutzung unbeeinflußt lassen, ausgeglichen werden kann und muß 40 • Altnutzungen genießen in dem Sinn "Bestandsschutz", daß die bisherige Nutzung, wie sie aufgrund einer wirksamen Zulassung oder verbindlicher planerischer Festlegungen am Stichtag betrieben wurde oder ausgewiesen war, auch weiterhin ausgeübt werden darf'l. Der Bestandsschutz erfaßt nicht die Verteidigungsnutzung schlechthin, sondern die konkrete Nutzung z.B. als militärischer Flugplatz oder als Schießanlage. Veränderungen der Nutzung nehmen nur dann an der Privilegierung teil, wenn sie sich auf ihre Modalitäten beschränken und nicht ihren Zweck und ihre räumliche Ausdehnung betreffen 42 • Verschlechterungen der Situation von Natur und Landschaft sind ein Zeichen für eine Änderung, die über den privilegierten Bestand hinausreicht43 • VGH Kassel, Beschl. v. 9.9.1985 (§ 6 Fußn. 54), NuR 1986 S. 31 fT., 33. Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr. 5. 40 VG Hannover, Urt. v. 18.5.1994 - II A 1125/92 -, NuR 1995 S. 102 f., 103; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr. 24. 41 BVerwG, Beschl. v. 30.10.1992 -4 A 4.92 -, Buchholz 406.401 § 8 Nr. 13 S. 33. 42 Ebsen, Militärische Bodelillutzung, S. 124; Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlol Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr.6; Louis, BNatSchG, § 38 Rdnr.2; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr.26; tendenziell auch BVerwG, Beschl. v. 30.10.1992 (Fußn. 41), Buchholz 406.401 § 8 Nr. 13 S. 34. 43 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 130; Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlol Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 6. 38 39

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Eine Nutzungsänderung, die die Nutzungsart oder ihre rämnliche Ausdehnung betrifft, ist auch dann nicht privilegiert, wenn sie im Ergebnis zu verringerten Auswirkungen fiir Natur und Landschaft fUhrt, weil sie den geschützten Bestand verändert. 2. Neue Nutzungen Werden Flächen nach den genannten Stichtagen für Verteidigungszwecke in Anspruch genommen, ist die Bundeswehr in vollem Umfang an das Naturschutzrecht gebunden44 . Stellt die Inanspruchnahme einen Eingriff in Natur und Landschaft dar, der zu unvermeidbaren oder nicht ausgleichbaren Beeinträchtigungen führt, kann er nach den § 8 Abs. 3 BNatSchG entsprechenden Landesvorschriften nur zugelassen werden, wenn bei Abwägung aller Anforderungen an Natur und Landschaft die Verteidigungsbelange gegenüber den Naturschutzbelangen vorrangig sind. In der Abwägung sind die Belange des Naturschutzes und die der Verteidigung gleichrangig, d.h. die Landesverteidigung hat keinen grundsätzlichen Vorrang gegenüber anderen öffentlichen Belangen45 . Bundesbelange - und damit auch solche der Landesverteidigung sind dann gegenüber dem Naturschutz nachrangig, wenn die geplante Maßnahme für das ordnungsgemäße Funktionieren der Streitkräfte nicht erforderlich ist, Z.B. weil andere Handlungsalternativen bestehen46 . Die Verteidigungsbelange können nur dann im Einzelfall überwiegen, wenn die konkrete Verteidigungsnutzung anderweitig nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu verwirklichen wäre47 . Das hängt aber auch von der Bedeutung der Naturschutzbelange ab, die in jedem Einzelfall ermittelt und abgewogen werden müssen48 • Ein beim Inkrafttreten des BNatSchG noch nicht vorhandenes militärisches Vorhaben kann danach an Belangen des Naturschutzes scheitern49 . Ist ein Eingriff in Natur und Landschaft nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung unzulässig, kann die Bundeswehr die geplante Maßnahme nur

44 Lang, NuR 1981 S. 158 tI, 159; Meßerschmidt, BNatSchG, § 38 Rdnr.5; BVerwG, Urt. v. 21.3.1986 (§ 6 Fußn. 48), BVerwGE 74 S. 109 ff., 111. Einschränkend Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 38 Rdnr. 4.

Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 170; a.A. wohl Zeidler, NuL 1984 S. 244 ff., 246. 46 Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 171. 47 Nr. 14 der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79). 48 Der BMVg weist in Nr. 12 Abs. 2 der Wald- und Naturschutzrichtlinien (§ 8 Fußn. 79) zutreffend darauf hin, daß keine abstrakte, sondern eine konkrete (Einzelfall) Abwägung vorzunehmen ist. 49 BVerwG, Urt. v. 21.3.1986 (§ 6 Fußn. 48), BVerwGE 74 S. 109 ff., 111. 45

IS*

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dann realisieren, wenn ihr aufgrund des § 31 BNatSchG oder der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften eine Befreiung erteilt wird. IIl. Verfahren bei Eingriffen in Natur und Landschaft (§ 9 BNatSchG)

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, denen Entscheidungen von Bundesbehörden vorausgehen oder die von Bundesbehörden durchgeführt werden, ist, wenn von der Stellungnahme der zuständigen Naturschutzbehörde abgewichen werden soll, über die Abweichung von der fachlich zuständigen Bundesbehörde nach § 9 BNatSchG im Benehmen mit der obersten Landesnaturschutzbehörde zu entscheiden. Diese Vorschrift wendet sich zwar nicht ausschließlich, aber auch an die Bundeswehr. Sie ist kein bundeswehrspezifisches Sonderrecht, sondern hat einen weitergehenden personellen Geltungsbereich50 • Da die Bundeswehr für militärische Maßnahmen und Vorhaben aber in besonderem Umfang auf die Inanspruchnahme von Flächen angewiesen ist und sie dadurch in erheblichem Maße in Natur und Landschaft eingreifen kann, soll hier auf § 9 BNatSchG näher eingegangen werden. Über die Zulässigkeit eines Eingriffs in Natur und Landschaft und die erforderlichen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen entscheidet in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht die Naturschutzbehörde, sondern die Behörde, die für die Zulassung des den Eingriff bewirkenden Vorhabens nach anderen Rechtsvorschriften zuständig ist (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG und die entsprechenden Landesvorschriften). Das dient der Verfahrensvereinfachunil . Naturschutzrechtlicher Sachverstandes wird in dieses Verfahren durch die frühzeitige Beteiligung der Naturschutzbehörden nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG eingebunden. Die abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit des Eingriffs ergeht nach den § 8 Abs. 5 BNatSchG entsprechenden landesgesetzlichen Normen im Benehmen mit der zuständigen Naturschutzbehörde. Obliegt die Entscheidung über den Eingriff einer Bundesbehörde oder führt eine Bundesbehörde einen zulassungsfreien Eingriff durch, verlangt § 9 BNatSchG einen zusätzlichen Verfahrensschritt52 : Bei einer Abweichung von der Stellungnahme der i.d.R. zuständigen unteren Naturschutzbehörde muß auch die oberste Naturschutzbehörde des Landes beteiligt werden. § 9 ist nicht bloße Zuständigkeits-53 , 50

Vgl. oben § 2.

BenderlSparwasseriEngel, Umweltrecht, Rdnr. 31123; Breuer, NuR 1980 S. 89 fT., 100; Gaentzsch, NuR 1986 S. 89 fT., 90. 52 Breuer, NuR 1980 S. 89 fT., 100; KUllz, vr 1985 S. 337 fT., 340; Lang, NuR 1981 S. 158 fT., 159; Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr. 2; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 fT., 172; Schroeter, DVBL 1979 S. 14 fT., 20. 53 So aber Salzwedel, NuR 1984 S. 165 fT., 165; wohl auch Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 64 f. 51

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sondern vor allem Verfahrensvorschrift, da sie das Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden im Konfliktfall regelt54 . Die zweifache Herstellung des Benelunens mit Naturschutzbehörden wäre ohne die Begründung der Zuständigkeit der obersten Landesbehörde eine sinnlose Verfahrensverzögerung. Über die Ergänzung des Beteiligungsverfahrens nach den § 8 Abs. 5 BNatSchG entsprechenden Landesvorschriften hinaus hat § 9 keine Bedeutun~5. Das gilt vor allem rur die fliihzeitige Beteiligung der Naturschutzbehörden nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG56, bei der § 9 BNatSchG nicht anwendbar ist. Denn es ist strikt zu trennen zwischen dieser planungsbegleitenden Beteiligung, die eine kontinuierliche Berücksichtigung des Naturschutzes bereits in der Vorbereitungsphase eines Eingriffs geWährleisten soll, und der abschließenden Beteiligung i.S.v. § 8 Abs. 5 BNatSchG, bei der das Ergebnis der Planungsbegleitung, in das dann auch eine Vielzahl anderer Belange eingeflossen ist, begutachtet wird57 . In der Vorbereitungsphase ist oftmals noch nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Vorstellungen der Naturschutzbehörde verwirklicht werden können. Eine fliihzeitige Einschaltung der obersten Naturschutzbehörde würde das Planungsverfahren unnötig verzögern. Mit dem Begriff der Entscheidung knüpft § 9 an die in § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG aufgezählten behördlichen Entscheidungen an58 . Denn nur in diesen Fällen kann es überhaupt zu einer Abweichung von der Stellungnahme der Naturschutzbehörde kOlmnen. Bei vorgelagerten Verfahren, die keine abschließende Zulassung eines Vorhabens zum Gegenstand haben, muß nach deren Regelungsgehalt differenziert werden. Nach § 9 BNatSchG ist nur dann

54 Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. I~ Kunz, vr 1985 S. 337 ff., 340~ Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr. I~ BVerwG, Urt. v. 29.4.1993 (§ 4 Fußn. 221), BVerwGE 92 S. 258 ff., 261. 55 Kunz, vr 1985 S. 337 ff., 340~ Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 172~ BVerwG, Urt. v. 29.4.1993 (§ 4 Fußn. 221), BVerwGE 92 S. 258 ff., 262. 56 AA BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 (§ 4 Fußn. 221), BVerwGE 82 S. 17 fI, 24: § 9 regele die Beteiligung der Lalldesbehörden gegenüber § 3 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG gesondert und abschließend. 57 AA Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, Rdnr. 323: § 8 Abs. 5 wiederhole lediglich die allgemeine Beteiligungspflicht § 3 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG für die Eingriflsregelwlg. Dabei wird übersehen, daß andere nach dem Naturschutzrecht erforderliche Entscheidungen von den Naturschutzbehörden getroffen werden. In die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Eingriffs wird deren Sachverstand nur dann in vergleichbarem Umfang eingebunden, weml sie abschließend, d.h. bei Vorlage eines Entscheidungsentwurfs, erneut beteiligt werden. 58 Schroeter, DVBI. 1979 S. 14 ff., 20.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

zu verfahren, wenn die Vorentscheidung zumindest auch den Naturschutz be-

trim und Bindungswirkung für die abschließende Entscheidung hae 9 .

Danach ist die Zulassung von Ausnahmen z.B. nach § 60 Abs. I Satz I BlmSchG keine Entscheidung im Sinne des § 9, da nur von fachgesetzlichen Anforderungen Dispens erteilt werden darf. Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Naturschutzrecht bleibt der Prüfung in einem abschließenden Verfahren vorbehalten. Die Genehmigung nach § 3 Abs. I SchBerG, für deren Erteilung nach § 9 Abs. 2 SchBerG die Schutzbereichbehörden60 zuständig sind, gehört ebenfalls nicht zu den von § 9 BNatSchG erfaßten Entscheidungen. Diese Genelunigungspflicht sichert den bisherigen Zustand der durch die Schutzbereichanordnung festgelegten Umgebung von Verteidigungsanlagen gegen Veränderungen61 • Die Genelunigung bescheinigt dem Vorhaben lediglich, daß es die Erreichung der Zwecke des Schutzbereichs nicht beeinträchtigt (§ 3 Abs. I Satz 2 SchBerG). Über die Zulässigkeit des Vorhabens nach anderen Rechtsvorschriften trim sie keine Aussage62 . Die Genelunigung nach § 3 Abs. 1 SchBerG ist damit lediglich ein Negativattest; Entscheidungsmaßstab ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 SchBerG ausschließlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der Einsatzfähigkeit der Verteidigungsanlage, so daß für die Berücksichtigung der Erfordernisse von Naturschutz und Landschaftspflege durch die Fachbehörden im Rahmen nachfolgender Entscheidungen ausreichend Raum besteht. Deren Entscheidung wird nicht durch die bundesbehördliche Genehmigung präjudiziert. Für fachgesetzlich nicht genehmigungsbedürftige Eingriffe haben einige Bundesländer aufgrund des § 8 Abs. 9 BNatSchG63 ein eigenständiges naturschutzrechtliches Genelunigungsverfahren eingeführt64 . Die Landesbehörden 59 Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. 6; Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr.2; Sehroeter, DVBI. 1979 S. 14 ff., 20; weitergehend Ronellenjitseh, NuR 1986 S. 284 ff., 289: es genüge jede fachliche Zuständigkeit einer Bundesbehörde, Ingerenzbefugnisse reichten aus, um das Verfahren nach § 9 BNatSchG auszulösen. Das triffi aber nur dann zu, wenn die Ingerenzbefugnisse im konkreten Einzelfall dazu eingesetzt werden sollen, die abschließende Entscheidung hinsichtlich des Naturschutzes festzulegen (enger Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr.2: Weisungen sind keine Entscheidungen). 60 Das sind nach § 9 Abs. 3 Satz I die Wehrbereichsverwaltungen, also Bundesbehörden. 61 BauehlSehmidt, § 3 SchBerG Amn. 2; von Schalburg, § 3 SchBerG Anm. 2. 62 BauehlSchmidt, § 3 SchBerG Amn. 3, 10; von Sehalburg, § 3 SchBerG Anm. 4. 63 Czybulka, VBIBW 1991 S.85 ff., 86; Kloepfer, Umweltrecht, § II Rdnr.38 (S.722). 64 § 17 Abs. 3 BbgNatSchG; § 6 Abs. I Satz I HENatG; § lAbs. 2 Satz 2 NatSchG Me-Vo; § 6 Abs. 4 Satz I LG NW; § 6 Abs. I Satz 2 LPflG Rh-Pf; § 12 Abs. 3 Satz I SNG; § 10 Abs. I, 3 NatSchG LSA; § 7a Abs. I LNatSchG Schl-H; § 7 Abs. I

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sind von dieser Genehmigungspflicht überwiegend freigestellt65 , statt dessen sind die Bestimmungen über die Venneidungs- und Ausgleichspflicht sowie die Durchführung von Ersatzmaßnahmen entsprechend anzuwenden66 . Bundesbehörden unterliegen nicht der naturschutzrechtIichen Genehmigungspflicht. Das ergibt sich aus der rahmenrechtlichen Vorschrift des § 8 Abs. 6 BNatSchG, die den Rahmen fiir die verfahrens mäßige Bindung von Behörden absteckt67 . Für Eingriffe von Behörden darf das Landesrecht keine über § 8 Abs. 6 BNatSchG hinausgehenden Verfahrensanforderungen stellen68 . Das schließt ein landesrechtIiches Genehmigungsverfahren für bundesbehördliche Eingriffe aus69 . Über die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs entscheidet die Bundesbehörde unter Beachtung des jeweils einschlägigen Landesrechts selbseo. Da vor der Durchführung von fachgesetzlich nicht genehmigungsbedürftigen Eingriffen nach § 8 Abs.6 i.Y.m. Abs. 5 BNatSchG ebenfalls das Benehmen mit der Naturschutzbehörde herzustellen ist, ist auch bei solchen Eingriffen ggf. nach § 9 BNatSchG die oberste Naturschutzbehörde zu beteiligen7). Nach § 9 BNatSchG ist also nur dann zu verfahren, wenn entweder -

dem Eingriff eine Entscheidung des Bundes vorausgeht, die zumindest auch den Naturschutz betriID und das Vorhaben abschließend zuläßt oder fiir diese Entscheidung Bindungswirkung hat, oder

-

wenn der Eingriff von einer Bundesbehörde durchgeführt wird und keiner fachgesetzlichen Entscheidung i.S.v. § 8 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG bedarf.

VorlThürNatG; auf enumerativ aufgezählte Eingriffe ist die naturschutzrechtliche Genehmigung beschränkt in Baden-Württemberg, § 13 Abs. 1 Satz NatSchG BW, und in Niedersachsen, § 17 NatSchG Nds. 65 § 6 Abs. II HENatG; § lAbs. 4 NatSchG Me-Vo i.Y.m. § 8 Abs. 6 BNatSchG; § 6 Abs. 3, 4 LG NW; § 6 Abs.4 Satz I LPflG Rh-Pf; § 13 SNG. Keine Freistellung

besteht in Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Hoistein und Thüringen. 66 Art. 6a Abs. 6 BayNatSchG; § 14 BremNatSchG; § 12 HmbNatSchG; § 6 Abs. 11 HENatG; § 15 Satz 2 NatSchG Nds; § 6 Abs. 3 LG NW; § 6 Abs. 4 Satz 1 LPflG Rh-Pf; § 13 SNG. 67 Lorz, Naturschutzrecht, § 8 BNatSchG Anm. 8. 68 Ronellenfitsch, VerwArch. 77 (1986) S. 177 ff., 181; im Ergebnis ebenso Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 132. 69 AA Lang, NuR 1981 S. 158 ff., 159, mit dem unzutreffenden Umkehrschluß von der materiellen Freistellungsklausel des § 38 BNatSchG auf die Anwendbarkeit auch der Verfahrensvorschriften auf die nicht freigestellten Flächen.

70 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 132. Zu der dabei auftretenden Frage nach der Ausftlhrung von Landesrecht durch Bundesbehörden siehe oben § 4 D 11. 71 Ebsen, Militärische Bodelillutzung, S. 132 f.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Teilweise wird die Auffassung vertreten, auf die Beteiligung der Naturschutzbehörde könne verzichtet werden, wenn militärische Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik eine strikte Geheimhaltung erforderten. Zwar sei diese Ausnahmelage im BNatSchG nicht ausdrücklich angesprochen. Zwingende Geheimhaltungsinteressen bedürften jedoch keiner ausdrücklichen Regelung, sie seien von Grundgesetzes wegen "self executing": verfahrensrechtliche Beteiligungspflichten entfielen, das Gebot der Rücksichtnahme auf materielle Schutzbelange von Natur und Landschaft gelte nur in dem militärisch hinnehmbaren Maß. Über das Ausmaß der naturschutzrechtlichen Auflagen entscheide die Bundesbehörde selbst und außerhalb eines förmlichen Verfahrens72 . Das entspricht nicht der Gesetzeslage73 . Wäre diese Auffassung zutreffend, wären die Verfahrensvorschriften, die den BMVg zu einer Einschränkung etwa der Öffentlichkeitsbeteiligung ermächtigen74 , überflüssig. Diesen Vorschriften ist vielmehr im Gegenschluß zu entnehmen, daß auch Geheimhaltungsinteressen nur dann zu einer verfahrensrechtlichen Sonderstellung der Bundeswehr führen, wenn dies im Gesetz ausdrücklich normiert ist. Im Naturschutzrecht gibt es solche Bestimmungen nicht. § 9 BNatSchG verlangt, wie auch § 8 Abs. 5, die Herstellung des Benehmens. Darunter ist die gutachterliehe Anhörung der Naturschutzbehörde zu verstehen, mit der ihr die Gelegenheit gegeben wird, ihre Belange geltend zu machen75 ; es ist eine Verständigung anzustreben, allerdings bleibt die Nichtberucksichtigung der Stellungnalune zulässig76 . Die Beteiligung der obersten Naturschutzbehörde ist nur erforderlich, wenn die Bundesbehörde von der Stellungnahme der regulär zuständigen Naturschutzbehörde abweichen will. § 9 BNatSchG statuiert selbst keine Abweichungsbefugnis, sondern setzt sie voraus. Da das Naturschutzrecht aber außerhalb des Anwendungsbereich des § 38 BNatSchG keine materielle Ausnalunevorschrift zugunsten der Bundeswehr kennt, muß auch eine i.S.v. § 9 abweichende Entscheidung das materielle Recht einhalten77 . Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, daß die Bundesbehörde aus sachlichen Gründen von der 72 Salzwedel, NuR 1984 S. 165 Ir., 171. Im Ergebnis wohl ebenso Gebhardt, DÖV 1986 S. 545 Ir., 551. 73 Dagegen Lotz, Naturschutzrecht, § 9 BNatSchG Arun. 3: § 9 begründe in keinem Fall eine Freistellung von der Beteiligung der Naturschutzbehörden. 74 Vgl. § 15 Abs. 5, 6 Satz 2 ROG, § 10 Abs. II BImSehG, § 2 Abs. 2 Satz 2 der 14. BImSchV, § 3 Abs. 2 Satz I UVPG. 75 Badura, in: Erichsen, AllgVerwR, § 37 Rdnr. 29; Gassner, in: GassnerlBendomirKahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. 9; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 Ir., 172. 76 WoljJ, Verwaltungsrecht II, § 77 V d 2 (S. 91); Hoppe/Beckmanll, Umweitrecht, § 18 Rdnr. 65 (S. 309). 77 Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr. 3.

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Stellungnahme der Naturschutzbehörde abweichen wilf 8 . Hält die Bundeswehr ein Abweichen nicht nur von der Stellungnalune der Naturschutzbehörde, sondern von dem materiellen Naturschutzrecht für notwendig, ist die Herstellung des Benehmens mit der obersten Landesbehörde nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es dann einer Befreiung nach § 31 BNatSchG79 . In Betracht kommt wohl allein der Befreiungstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 280.

§ 9 schließt weitergehende Formen der Beteiligung der obersten Landesbehörde nicht aus. Deren Zustimmung oder Einvernehmen kann allerdings nur bundesgesetzlieh verlangt werden. Das Verfahren bei Abweichungen von der Stellungnahme der Naturschutzbehörde ist bundesrechtlich geregelt und damit der Regelungskompetenz der Länder entzogen81 • Derartige Beteiligungserfordernisse sind für den Bereich der Bundeswehr jedoch nicht ersichtlich82 . Das gilt auch für die Beteiligung der Landesregierung vor dem Erlaß einer Bezeichnung nach § 1 Abs.2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 LBG83 • Nach diesen Bestimmungen ist die Landesregierung vor Erlaß der Bezeichnung zu hören; vor einer Abweichung von dieser Stellungnahme ist sie lediglich zu unterrichten. Für die Abweichung ist damit keine Anhörung vorgeschrieben, § 1 Abs. 3 Satz 2 LBG bleibt hinter den Anforderungen des § 9 BNatSchG zUlÜck und sieht daher keine weitergehende Beteiligung vor84 . Deshalb verlangt Nr. 3 Buchst. ader Wald- und Naturschutzrichtlinien85 , daß der BMVg bei Abweichungen von der Stellungnahme der Landesregierung das Benehmen mit der obersten Landesnaturschutzbehörde herstellt86 .

78 Breuer, NuR 1980 S. 89 ff., 100; Schroeter, DVBI. 1979 S. 14 ff., 20; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 172. 79 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S.81, 133; Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 173; Lang, NuR 1981 S. 158 ff., 159, der § 31 als weitergehende Fonn der Beteiligung ansieht. 80 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 81. 81 BVerwG, Urt. v. 14.4.1989 (§ 4 Fußn. 221), BVerwGE 82 S. 17 ff., 20; Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. \0; Louis, BNatSchG, § 9 Rdnr. I; vgl. auch Breuer, NuR 1980 S. 89 ff., 100, zu § 8 Abs. 2 satz 2, Abs. 5 BNatSchG. 82 Außerhalb der Bundeswehr vgl. § 14 Abs. 3 Bundeswasserstraßengesetz i.d.F. der Bek. vom 23.8.1990 (BGBI. I S. 1818); zul. geändert durch G. vom 17.12.1997 (BGB!. I S. 3108), und dazu Gassner, in: GassnerlBendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 9 Rdnr. IO;Salzwedel, NuR 1984 S. 165 ff., 172. 83 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 55 Fußn. 28. 84 Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 55 Fußn. 28. 85 Siehe oben § 8 Fußn. 79. 86 § 9 BNatSchG wird dort allerdings nicht ausdrücklich genaJUlt.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Allerdings sollen § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 LBG gegenüber § 8 Abs. 6 i. V. mit Abs. 5, § 9 BNatSchG wenn auch nicht die weitergehenden, so doch die spezielleren Vorschriften sein87 . Das sei § 33 BNatSchG zu entnehmen, der die Beteiligung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 LBG um die Belange des Naturschutzes ergänzt habe. Für die Herstellung des Benehmens mit der obersten Naturschutzbehörde sei kein Raum mehr, da sie bereits im Rahmen der Stellungnahme der Landesregienmg beteiligt war88 . Diese Auffassung überzeugt nur teilweise. Erforderlich ist eine Differenzienmg nach der Beteiligung der Naturschutzbehörden einerseits und dem erforderlichen Verfahren bei einer Abweichung von deren Stellungnalune andererseits. Für die Behördenbeteiligung ist § 1 Abs. 2 Satz 1 LBG die gegenüber § 8 Abs.6 i.V.m. Abs. 5 BNatSchG speziellere Regelung. Mit der Stellungnahme erhält der BMVg eine zusammengefaßte Äußenmg zu allen von Landesbehörden vertretenen Belangen. Dazu gehört, wie § 33 BNatSchG durch die Ändenmg des § 1 Abs. 2 Satz 1 LBG klargestellt hat, auch der Naturschutz. Für eine weitere Beteiligung einer Naturschutzbehörde bleibt kein Raum. Für das Verhältnis des § 9 BNatSchG zu § 1 Abs. 3 Satz 2 LBG gilt jedoch etwas anderes. § 9 BNatSchG war zwischen Bund und Ländern heftig umstritten89 . Es hätte daher nahegelegen, das Verhältnis zwischen Naturschutz- und Landbeschaffungsrecht ausdrücklich zu regeln, wie dies z.B. in § 45 Abs. 2 Satz 3 BWaldG geschehen ist90 . Offensichtlich hielt jedoch der Gesetzgeber die Konkurrenzregel des § 9 BNatSchG für ausreichend. Da das LBG, wie gezeigt, hinter den Anfordenmgen des § 9 BNatSchG zurückbleibt, enthält es insoweit keine spezielleren Vorschriften. Die Rechtsnatur der Abweichungsentscheidung hängt davon ab, in welchem Verfahren sie getroffen wird. Geht dem Eingriff eine Entscheidung einer Bundesbehörde voraus (§ 9 Alt. 1 BNatSchG), wird mit ihr - nach Herstellung des Benehmens mit der obersten Landesbehörde - zugleich über die Abweichung entschieden. Dagegen ergeht bei einem nicht fachgesetzlich genehmigungsbedürftigen Eingriff einer Bundesbehörde (§ 9 Alt. 2 BNatSchG) eine eigenständige Abweichungsentscheidung, in der über die Zulässigkeit des Eingriffs sowie über die erforderlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine abschließende ReEbsen, Militärische Bodennutzung, S. 55. Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 56. 89 § 9 BNatSchG war einer der Gründe fur die Anrufung des Vennittlungsausschusses durch den Bundesrat, vgl. BT-Drucks. 7/5498, S. 2. 90 Lang, NuR 1981 S. 158 tT., 159. 87 88

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gelung getroffen wird. Sie ist Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Satz I VwVfG 91 • Mit der Entscheidung werden unmittelbar Rechte und Pflichten des Trägers des Vorhabens begJiindet. Diesen Rechten und Pflichten korrespondieren Durchsetzungsbefugnisse und Duldungspflichten des Landes, das die Einhaltung der festgelegten Pflichten zu überwachen hat. Auch gegenüber dem Land wird geregelt, was auf dem Gebiet des Naturschutzes rechtens ist. Insoweit hat die Abweichungsentscheidung unmittelbare Rechtswirkungen außerhalb der Bundesverwaltung.

B. Gewässerschutz Regelungen zum Schutz der Gewässer enthalten insbesondere das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes und die Wassergesetze der Ländern. 91 Für die Letztentscheidungsregelung des § 37 Abs. 2 Satz 3 BauGB ebenso P. Stelkens/U. Stelkens, in: StelkenslBonk/Sachs, VwVtG, § 35 Rdnr. 88. 92 Baden-Warttemberg: Wassergesetz für Baden-Württemberg i.d.F. der Bek. vom l. 7.1988 (GBI. S. 269), zul. geändert durch G. vom 17.12.1997 (GBI. S. 557);

Bayern: Bayerisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 19.7.1994 (GVB\. S. 823), zul. geändert durch G. vom 26.7.1997 (GVB\. S. 311,349); Berlin: Berliner Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 3.3.1989 (GVBI. S. 606), zul. geändert durch G. vom 26.10.1995 (GVBI. S. 695); Brandenburg: Brandenburgisches Wassergesetz vom 13.7.1994 (GVB\. I S. 302, ber. 1997 I S. 62), zul. geändert durch G. vom 22.12.1997 (GVBI. I S. 168); Bremen: Bremisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 26.2.1991 (GB\. S. 65, ber. S. 158), zul. geändert durch G. vom 2.11.1993 (GBI. S. 351); Hamburg: Hamburgisches Wassergesetz vom 20.6.1960 (GVBI. S. 335), zul. geändert durch G. vom 26.4.1997 (GVBI. S. 97); Hessen: Hessisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 22.1.1990 (GVB\. I S. 114), zu\. geändert durch G. vom 15.7.1997 (GVBI. I S. 232); Mecklenburg-Vorpommern: Wassergesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 30.11.1992 (GVOBl. S. 669), geändert durch G. vom 2.3.1993 (GVOBl. S. 178); Niedersachsen: Niedersächsisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom. 25.3.1998 (GVBI. S. 347); Nordrhein-Westfalen: Wassergesetz flir das Land Nordrhein-Westfalen i.d.F. der Bek. vom 25.6.1995 (Gy. NW. S. 926); Rheinland-Pfalz: Wassergesetz für das Land Rheinland-Pfalz i.d.F. der Bek. vom 14.12.1990 (GVB\. 1991 S. 11), zul. geändert durch G. vom 5.4.1995 (GVB\. S. 69); Saarland: Saarländisches Wassergesetz i.d.F. der Bek. vom 3.3.1998 (Amtsb\. S. 306); Sachsen: Sächsisches Wassergesetz vom 23.2.1993 (GVBI. S. 201), geändert durch G. vom 4.7.1994 (GVBI. S. 1261);

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Sonderregelungen für die Bundeswehr bestehen hinsichtlich der Erlaubnispflicht für die Benutzung von Gewässern (§ 17a WHG) und in der Ermächtigung zur Zuständigkeitsänderung bei der Überwachung von Gewässerbenutzungen (§ 21 Abs. 4 WHG).

1. Materielle Anforderungen Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verwirklicht die Bundeswehr eine Vielzahl wasserrechtlicher Tatbestände. Neben der Benutzung von Gewässern und der Abwasserbeseitigung sind vor allem die Errichtung und der Betrieb von Rohrleitungsanlagen zur Beförderung von wassergefährdenden Stoffen (§ 19a WHG) und von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (§ 199 WHG) sowie der Gewässerausbau (§ 31 WHG) zu nennen. Die Bundeswehr ist in vollem Umfang zur Einhaltung der jeweils einschlägigen materiellen Bestimmungen des Bundes- wie des Landesrechts verpflichtet. Materielle Sonderregelungen gibt es nicht. Für die Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (§ 199 WHG) könnte das bezweifelt werden, weil die Anforderungen des § 199 Abs. I Satz I WHG neben Anlagen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft nur solche im Bereich öffentlicher Einrichtungen erfassen. Hierzu gehören jedoch auch Anlagen der Bundeswehr. Der Begriff der öffentlichen Einrichtungen wird durch das Kommunairecht und das Recht der öffentlichen Sachen geprägt93. Öffentliche Einrichtungen in diesem Sinne dienen der Daseinsvorsorge94 und sind von den (Gemeinde-, Kreis-)Einwohnern nutzba?5. In § 199 geht es nicht um die Daseinsvorsorge für die Bürger, sondern um den Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen. Die kommunal- und sachemechtliche Begriffsbildung ist zur Abgrenzung nicht geeignet96 , da das Risiko von Gewässerverunreinigungen vom Zweck des Betriebs ebenso unabhängig ist wie von der Benutzbarkeit

Sachsen-Anhalt: Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt i.d.F. der Bek. vom 21.4.1998 (GVB!. S. 186); Schieswig-Hoistein: Wassergesetz des Landes Schieswig-Hoistein i.d.F. der Bek. vom 7.2.1992 (GVOB!. S. 81), zu!. geändert durch G. vom 23.1.1998 (GVOBl. S. 37); Thuringen: Thüringer Wassergesetz vom 10.5.1994 (GVB!. S.447), zu!. geändert durch G. vom 19.12.1995 (GVBI. S. 413). 93 Vgl. dazu Erichsen, Jura 1986 S. 148 tT. 94 Erichsen, Jura 1986 S. 148 tT., 148, 149. 95 Erichsen, Jura 1986 S. 148 tT., 152. 96 AA wohl Holtmeier, Ztw 1988 S. 210 tT., 216; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 20 LWG/§§ 19a-191 WHG Rdnr. 26 (der auf die Daseinsvorsorge abstellt).

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durch die Bürgern. Entscheidend ist allein, daß Betreiber der Anlage ein Träger öffentlicher Gewalt ist, unabhängig davon, ob dieser beim Betrieb der Anlage hoheitlich oder fiskalisch tätig wird98 . Anlagen der Bundeswehr sind danach bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Anlagen "im Bereich öffentlicher Einrichtungen" i.S.v. § 199 Abs. I Satz I WHG 99 . Die Unterscheidung zwischen gewerblicher Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen hat in den gewerberechtlichen Bestimmungen über die Lagerung, Abfüllung und Beförderung brennbarer Flüssigkeiten lOO ihre Bedeutung 101 . Damit kann die Bundeswehr auch die in § 19i Abs. 1 WHG zugelassene Privilegierung bestimmter öffentlicher Einrichtungen in Anspruch nehmen. Sie muß die dort aufgezählten Arbeiten nicht einem Fachbetrieb (§ 191 WHG) übertragen, sondern kann sie selbst durchführen, wenn die betreffende Dienststelle einer der Kontrolle der Fachbetriebe vergleichbaren Überwachung wlterliegtl02. Die personellen und gerätetechnischen Anforderungen, die § 191 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG an Fachbetriebe stellt, müssen die Dienststellen der Bundeswehr dagegen - nach dem eindeutigen Wortlaut des § 19i Abs. 1 - nicht erfüllen103. Diese Privilegierung ist als schwer erklärbar kritisiert worden 104. Große Bedeutung dürfte ihr nicht zukommen, denn die Träger öffentlicher Verwaltung sind bereits aufgrund dienstrechtlicher Bestimmungen zur Auswahl von sachkundigem Personal verpflichtet, so daß Defizite insoweit nicht zu erwarten sind105 .

Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 199 Rdnr. 62e. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 199 Rdnr. 62e. 99 Czychowski, WHG, § 199 Rdnr. I, § 19i Rdnr. 5. 100 Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (§ 2 Fußn. 141). JOI Vgl. Breuer, Wasserreeht, Rdnr.503; Czychowski, WHG, Vorbem. vor § 19a§ 19f Rdnrn. 3, 6; Salzwedel, in: ders., Grundzüge, S. 569 tT., 615; Sieder/Zeitler/ Dahme/Knopp, WHG, § 199 Rdnr. 23. 102 Czychowski, WHG, § 19i Rdnr.5; Sieder/ZeitleriDahme/Knopp, WHG, § 19i Rdnr.3e. 103 Czychowski, WHG, § 19i Rdnr.6; Kibeie, VBIBW 1986 S.441 tT., 449. A.A. Holtmeier, ZfW 1988 S. 210 tT., 219. 104 Kibeie, VBIBW 1986 S. 441 tT.,449. 105 Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 19i Rdnr. 3b. 97

98

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Jl. Verfahrensrechtliche Sonderregelungen für Gewässerbenutzungen (§ 17a WHG)

§ 17a wurde durch das Vierte Gesetz zur Änderung des WasserhaushaItsgesetzes J06 eingefiigt. Der Gesetzgeber entsprach damit einer Forderung der Praxis, die mit der rechtlichen Behandlung der Gewässerbenutzungen bei Übungen und Erprobungen erhebliche Probleme hatte lO7 •

Die Vorschrift bewirkt eine verfahrensrechtliche Erleichterung bei der Durchfiihrung von Übungen und Erprobungen I 08. Sie dient mit dem Verzicht auf ein sonst erforderliches Erlaubnisverfahren der VerwaltungsvereinfachungJ09 . § 17a ist unmittelbar geltendes Reche 10. Die privilegierte Gewässerbenutzung bedarf nach § 17a Satz 2 lediglich einer Anzeige an die zuständige Wasserbehörde, die damit in die Lage versetzt wird, die wasserwirtschaftliehe Unbedenklichkeit des Vorhabens zu prüfen lll und die Benutzung zu überwachen ll2 . Die Anzeige muß so rechtzeitig vorliegen und die beabsichtigte Gewässerbenutzung nach Art, Umfang und Zweck so detailliert beschreiben ll3 , daß die Wasserbehörde die notwendigen Prüfungen vor der Benutzung vornehmen kann114 . Allein eine Übungsanmeldung nach § 69 BLG genügt dem

106

Vom 26.4.1976 (BGBl. I S. 1109).

Ausführlich dazu Weich, ZfW 1971 S. 27 ff., 31 f Riegel, NJW 1976 S. 783 tT., 785. 109 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 179; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr. 1; Roth, in: LersnerlBerendes, HDW, § 17a WHG Anm. 2. Weich, ZfW 1971 S. 27 ff., 32, weist zutreffend auf die Schwierigkeiten hin, ein Erlaubnisverfahren rur die nunmehr von § 17a erfaßten Benutzungen durchzuftlhren. 110 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. I; Riegel, NJW 1976 S. 783 ff., 786. AA wohl die Landesgesetzgeber in Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, denn § 20 LWG Brem, § 21 LWG Nds und § 22 LWG LSA enthalten dem § 17a WHG entsprechende Regelungen. § 21 Abs. 1 LWG Nds und § 22 Abs. I LWG LSA lassen über § 17a WHG hinausgehend sämtliche Gewässerbenutzungen von geringer Dauer fur die in § 17a WHG genannten Zwecke zulassungsfrei. 111 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 184; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 16; RotII, in: LersnerlBerendes, HDW, § 17a WHG Anm. 2; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17aRdnr. 27. 112 Himmel, LWG Rh-PflWHG, § 17a WHG Rdnr. 9. 107

108

113 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 184; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 16; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr.9; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr.28. 114 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 16; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr. 9; Sieder/ZeitlerlDahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr. 27.

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nicht1l5 , denn diese Anmeldung ist - anders als die Anzeige nach § 17a Satz 2 WHG - keine zwingende Voraussetzung fiir die Durchfiihrung der Übung l16 . Nach § 17a Satz 1 Nr. 1 sind Benutzungen bei Übungen und Erprobungen für Zwecke der Verteidigung privilegiert. Übungen sind plan- und schulmäßige Veranstaltungen, die dazu dienen, bestimmte Kenntnisse und Fähigkeiten oder ein bestimmtes Zusammenwirken von Menschen zu erlernen, zu vertiefen oder zu verbessern; Erprobungen sind Prüfungen der Eignung technischer Anlagen und Einrichtungen für einen bestimmten Zweck 117.

§ 17a Satz 1 erfaßt erlaubnispflichtige Gewässerbenutzungen aller Gewässer i.S.v. § 1 Abs. 1 WHG I18 . Benutzungen, die nach §§ 23, 24, 32a und 33 WHG keiner Erlaubnis bedürfen, unterfallen nicht dem § 17a Satz 1 WHG 119 • Gleiches gilt für Vorgänge, die keinen Benutzungstatbestand des § 3 WHG erfüllen. Mit dem "Entnehmen von Wasser aus einem Gewässer" knüpft § 17a Satz 1 Buchst. a an die Benutzungstatbestände des § 3 Abs. I Nm. 1 und 6 an l2o. Die Entnahme aus einem Küstengewässer ist keine Benutzung. Das "Wiedereinleiten des Wassers in ein Gewässer" betrifft die Benutzungstatbestände des § 3 Abs. 1 Nm. 4, 4a und 5121 , denn ein Stoff i.S. dieser Vorschriften ist auch das zuvor entnommene Wasser l22 •

115 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 184; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 16; anders wohl Roth, in: LersnerlBerendes, HDW, § 17a WHG Anm. 6; SiederlZeitlerlDahmelKnopp, § 17a WHG Rdnr. 26. Die Bundesregierung hatte auf eine Anzeigepflicht überhaupt

verzichten wollen, weil sie neben der Übungsaruneldung entbehrlich sei (BT-Drucks. 7/888, S. 17), stieß damit jedoch auf den Widerstand des Bundesrates, der die Übungsanmeldung als für die notwendigen Prüfungen der Wasserbehörden unzureichend erachtete (BT-Drucks. 7/888, S. 24), und konnte auch den Bundestag nicht überzeugen (Bericht und Antrag des Innenausschusses, BT-Drucks. 7/4546, S. 6, 14). 116 Vg!. Butz, Bundesleistungsgesetz, S. 116 (Er!. zu § 69 BLG). 117 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr.3; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr. 4; Roth, in: LersnerlBerendes, HDW, § 17a WHG Anm. 2; SiederlZeitlerl DahmelKnopp, § 17a WHG Rdnr. 7. 118 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr I; Himmel, LWG Rh-PflWHG, § 17a WHG Rdnr. 2; SiederlZeitlerlDahmelKnopp, § 17a WHG Rdnrn. 3,6. 119 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. I; Himmel, LWG Rh-PflWHG, § 17a WHG Rdnr. I; SiederlZeitlerlDahmelKnopp, § 17a WHG Rdnr. 4. 120 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 180; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 8; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr.6; SiederlZeitleriDahmelKnopp, § 17a WHG Rdnr. 16. 121 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 180; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 9; SiederlZeitleri DahmelKnopp, § 17a WHG Rdnr. 18. 122 BVerwG, Besch!. v. 21.8.1986 - 4 B 110.86 -, Buchholz 445.4 § 8 Nr. 10; Czychowski, WHG, § 3 Rdnr. 36.

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Umstritten ist, ob das entnommene Wasser wieder eingeleitet werden muß 123 . Dafür kann man sich auf den Wortlaut berufen, da sich das Wiedereinleiten "des" Wassers auf das zuvor entnonunene Wasser bezieht. Zwingend ist das jedoch nicht, da nicht in das Gewässer, aus dem zuvor entnommen wurde, sondern in "ein" Gewässer wieder eingeleitet werden muß. Die Benutzungen nach § 17a Satz 1 Buchst. a sind nicht deshalb erlaubnisfrei, weil das Wasser lediglich - z.B. durch eine Trinkwasserautbereitungsanlage der Bundeswehr - umgeleitet und dem gleichen Gewässer wieder zugeführt wird. Bei einer Vielzahl der von § 17a erfaßten Übungen, wie etwa bei Lösch- oder Dekontaminationsübungen, wird das entnommene Wasser verbraucht l24 . Dem Zweck des § 17a wird nur eine Auslegung gerecht, die die Gewässerbenutzungen durch das Entnehmen und durch das Wiedereinleiten trennt. Erlaubnisfrei ist - unter den weiteren Voraussetzungen des § 17a Satz I - zum einen das vorübergehende Entnehmen. Entsprechend der Bedeutung des Wortes "vorübergehend" in Buchst. b muß es sich um einen lediglich kurze Zeit andauernden Entnahrnevorgang handeln. Was mit dem entnommenen Wasser geschieht, ob es verbraucht oder wieder eingeleitet wird, spielt hierfür keine RoHe 125 . Erlaubnisfrei ist außerdem das Wiedereinleiten, wenn es sich um das entnommene oder um in seinen physikalischen Eigenschaften gleichwertiges Wasser126 gleicher Menge handelt. Diese Benutzungen sind nur bei Verwendung beweglicher, d.h. nicht ortsfester Anlagen127 erlaubnisfrei. § 17a Satz 1 Buchst. b betrifft die Benutzungstatbestände des § 3 Abs. 1 Nm. 4 und 4a 128, nicht aber diejenigen der Nr. 5, die das Einleiten, nicht aber das Einbringen zum Gegenstand haben. Das Einbringen darf nur vorübergehend, d.h. von kurzer zeitlicher Dauer129 sein. Damit sind solche Vorgänge ausgeschlossen, die zu einer untrennbaren Vermischung des Stoffs mit dem

So wohl Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 17a WHG Rdnm. 17, 18. Breuer, Wasserrecht, Rdnr.181; Sieder/ZeitleriDahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr.17. 125 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 181; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr.8; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a Rdnr. 6. 126 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr.9; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr.6. 127 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 180; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 10; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr.6; Sieder/ZeitleriDahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr. 19. 128 Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 11; Sieder/ZeitleriDahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr.20. 129 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 181; Czychowski, WHG, § 17a Rdnrn. 8, 11; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a Rdnr. 7; SiederiZeitler/Dahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr. 21. 123

124

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Wasser führen 130• Mit der Bestimmung des § 17a Satz I Buchst. b sollten z.B. Übungen mit mechanischen Ölsperren131 erlaubnisfrei gestellt werden. Als Beispiele für das vorübergehende Einbringen fester Stoffe hatte die Bundesregierung "das Herstellen von Behelfsbrücken und anderen Flußüberquerungen bei Pionierübungen oder das Einbringen von Rampen, Bojen und anderen festen Stoffen beim Üben des Materialumschlags zwischen Schiffen und dem Ufer oder der Küste" genannt132 . Ob es sich bei derartigen Anlagen und Geräten aber um Stoffe handelt, ist umstritten. Dieser Begriff dürfe nicht so weit verstanden werden, daß darunter jede Materie von nennenswertem Umfang ohne Rücksicht auf den allgemeinen Sprachgebrauch falle, der Gegenstände aus verschiedenen Stoffen mit eigenen Begriffen bezeichne (z.B. Boote, Bojen oder Brückenpfeiler)133. Indessen kommt es nicht auf einen engen, am allgemeinen Sprachgebrauch orientierten Stoff-Begriff an. Auch ein weiter Begriff, der Stoffgesamtheiten mit eigener Bezeichnung umfaßt, genügt der Zielsetzung des WHG 134 • Mit diesem Begriff werden nur die nichtstofflichen Einwirkungen auf das Wasser, wie Bestrahlung oder Erwärmung, ausgegrenzt. Wasserwirtschaftlich entscheidend ist das Merkmal des Einbringens. Bei den von der Bundesregierung genannten Beispielen fehlt es am Einbringen in ein Gewässer. Bei der Auslegung dieses Begriffs darf der Regelungsgegenstand des WHG - die Wasserwirtschaft - nicht aus dem Blick geraten. Die wasserwirtschaftlichen Funktionen, denen sich das WHG widmet, betreffen die Menge und Beschaffenheit des Wassers135 . Davon ist die Verkehrsfunktion des Wassers zu unterscheiden, die im Bundeswasserstraßengesetz und in einigen Vorschriften der Landeswassergesetze ihre Regelung gefunden hat. Von einem Einbringen kann nur dann gesprochen werden, wenn ein Vorgang Einfluß auf die Menge bzw. die Beschaffenheit des Wassers hat, nicht aber, wenn lediglich die Transportfunktion in Anspruch genommen wird136• Letzteres ist jedoch bei \30 \31

132

Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 17a WHG Rdnr. 7 Vgl. Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 182; Weich, ZfW 1971 S. 27 ff., 31. BI-Drucks. 7/888, S. 17.

133 VGH Mannheim, Urt. v. 20.10.1972 - 11 260/68 -, ZfW 1972 S. 245 ff., 248; Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 116; Czychowski, WHG, § 3 Rdnr. 26. 134 Sieder/ZeitleriDahme/Knopp, § 3 WHG Rdnr. 8. m HoppelBeckmann, Umweltrecht, § 20 Rdnr. 7 (S. 336); Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rdnr. 2 (S. 820); Peine, in: AchterberglPüttner I, Kap. 2/5 Rdnr. 792 (S. 575); BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 - 2 BvF 2/60, 1,2, 3/61 -, BVerfGE 15 S. I ff., 14 f. \36 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 116; Czychowski, WHG, § 3 Rdnr.28; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 3 WHG Rdnr. 8; VGH Mannheim, Urt. v. 20.10.1972 (§ 10 Fußn. 133), ZfW 1972 S. 245 ff., 248 f; Urt. v. 15.6.1977 - VII 2475/76 -, ZfW 1978 S. 298 ff., 299 f. 16 Repkewi lZ

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den genannten PionielÜbungen ebenso der Fall wie etwa beim Auslegen von Bojen 137: Erforderlich und beabsichtigt ist nur, daß die Anlagen oder Einrichtungen auf dem Wasser schwimmen. Einwirkungen auf die Wassermenge und -qualität gehen allein von diesem Vorgang nicht aus. Hierbei handelt es sich jedoch um Anlagen in Gewässem l38 , die in unterschiedlichem Umfang nach Landeswasserrecht genehmigungspflichtig sind l39 . Entsprechend der Zielsetzung des § 17a Satz 1 WHG sind diese Vorhaben bei Übungen und Erprobungen insgesamt zulassungsfrei gestellt, d.h. sie bedürfen auch keiner landesrechtlichen Anlagengenehmigung l40. Bei der Inanspruchnahme von Bundeswasserstraßen ist jedoch eine strom- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung des zuständigen Wasser- und Schiffahrtsamtes nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WaStrG einzuholen l41 . Anders als die PionieTÜbungen ist das Durchqueren oberirdischer Gewässern mit Landfahrzeugen (z.B. das Durchwaten eines Gewässers mit einem Panzer) als Einbringen eines Stoffes anzusehen, da die an dem Fahrzeug anhaftenden Verunreinigungen Auswirkungen auf die Qualität des Wassers haben können. Weitere Voraussetzungen für die Erlaubnisfreiheit ist nach § 17a Satz 1 letzter Halbsatz die wasserwirtschaftliehe Unbedenklichkeit der Gewässerbenut-

J37 Czychowski, WHG, § 3 Rdnr. 29; Peine, in: Achterberg/Püttner I, Kap. 2/5 Rdnr. 851 (S. 596); Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 3 WHG Rdnr. 18. 138 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 182; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 11; SiederiZeitler/Dahme/Knopp, § 3 WHG Rdnr. 18, § 17a Rdnr. 22. 139 § 76 Abs. 1 Satz 1 LWG B-W: Bauten oder sonstige wasserwirtschaftlich oder wasserverkehrlich bedeutsame Anlagen; Art. 59 Abs. 1 Satz 1 LWG Bay: Anlagen, die nicht der Benutzung, der Unterhaltung oder dem Ausbau dienen; § 93 Abs. 1 Satz 1 LWG LSA bauliche Anlagen, Aufschüttungen und Abgrabungen; § 82 Abs. I Satz 1 LWG Me-Va, § 91 Abs. 1 Satz 1 LWG Nds, § 79 Abs. 1 Satz 1 LWG Thür: bauliche Anlagen. Keine derartigen Einschränkungen enthalten § 62 Abs. 2 Satz I LWG Ber!, § 87 Abs. 1 Satz I LWG Brbg, § 90 Abs. 1 Satz 1 LWG Brem, § 15 Satz 2 LWG Harnb, § 99 Abs. I Satz 1 LWG NRW, § 76 Abs. 1 Satz 1 LWG Rh-Pf, § 78 Abs. 1 Satz 1 LWG SaarI, § 91 Abs. I LWG Sachs und § 56 Abs. I Satz I LWG Schl-H. Rechtskonstruktiv abweichend § 70 Abs. 2 LWG Hess: Verbot baulicher Anlagen mit Erlaubnisvorbehalt. 140 Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 182; Czychowski, WHG, § 17a Rdnr. 11; Sieder/ Zeitler/Dahme/Knopp, § 17a WHG Rdnr. 22. Ausdrücklich § 78 Abs. I Satz 3 LWG Saarl: Anlagen des Bundes bedürfen bei fachkundiger Leitung der Ausführung keiner Genehmigung, sie werden im Einvernehmen mit der obersten Wasserbehörde errichtet. 141 Nach dieser Vorschrift bedürfen einer strom- und schiffahrtspolizeilichen Genehmigung die Errichtung, Veränderung und der Betrieb von Anlagen in, über oder unter Bundeswasserstraßen oder an ihrem Ufer, weml durch die beabsichtigte Maßnahme eine Beeinträchtigung des für die Schiffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist.

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zWlg142 . Ist sie nicht gegeben, ist die EinholWlg einer Erlaubnis fiir die Übung oder Erprobung erforderlich, damit durch BenutzWlgsbedingWlgen Wld Auflagen (§ 4 WHG) Wld ggf. durch nachträgliche Anordnungen (§ 5 WHG) die wasserwirtschaftliehe Verträglichkeit der GewässerbenutzWlg gewährleistet werden kann. Dabei Wlterliegt die Bundeswehr den allgemein geltenden materiellen Anforderungen.

IIJ. Abweichende Zuständigkeitenfor die Überwachung von Gewässerbenutzungen (§ 21 Abs. 4 WHG)

§ 21 Abs. 4 wurde ebenfalls durch das Vierte Änderungsgesetz zum Wasserhaushaltsgesetz eingefiigt. Diese Vorschrift ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung die Überwachungszuständigkeit von Stellen im Geschäftsbereich des BMVg zu begliinden. Von dieser ErmächtigWlg hat sie bisher keinen Gebrauch gemacht. Grundsätzliche verfassWlgsrechtliche Bedenken gegen die ÜbertragWlg von Überwachungszuständigkeiten bei VerteidigWlgseinrichtungen auf Bundesbehörden bestehen nicht. Eine solche Bundeszuständigkeit zur Spezialregelung steht in einem überwiegenden Sachzusammenhang mit der Ausfiihrung von VerteidigWlgsgesetzen (Art. 87b Abs. 2 Satz I GG)143. Bedenken gegen § 21 Abs. 4 WHG könnten allenfalls daraus resultieren, daß die ErmächtigWlg seit über 17 Jahren Wlgenutzt geblieben ist. Ein dringendes Bedürfnis fiir die EigenüberwachWlg von Anlagen Wld Einrichtungen, die der LandesverteidigWlg dienen, besteht offenbar nicht l44 . Bei der (Bundes-)Zuständigkeit zur SpezialregelWlg kommt es hierauf jedoch nicht an.

142 Dazu näher Breuer, Wasserrecht, Rdnr. 183; Czychowski, WHG, § 17a Rdnrn. 12 tT.; SiederIZeitler/Dahme/Knopp, § 17a WHG Rdnrn. 23 tT. 143 Ausfllhrlich oben § 4 D I 8 b, S. 113. Nach der Auffassung von Kuckuk, DÖV 1978 S. 354 ff., 357, ist der Bund von der Regelung des Verwaltungsverfahrens und damit auch der Behördenzuständigkeit für die Sachgebiete des Art. 75 GG grundsätzlich ausgeschlossen. Dem entspricht - entgegen der Darstellung von Kuckuk, a.a.O. S. 357 f - die Gesetzgebungspraxis nicht, wie eine Reihe wasser- und naturschutzrechtlicher Verfahrensbestimmungen zeigt. Diese Praxis ist verfassungsrechtlich solange unbedenklich, wie den Ländern ein substantieller Spielraum zur Ausfüllung des Rahmengesetzes verbleibt. Dieser Spielraum muß nicht für jeden Regelungsgegenstand (materielle Bestimmungen, Verfahren) bestehen. Enthält ein Rahmengesetz zulässigerweise eine unmittelbar geltende Regelung, die ftir sich vollzugsfahig ist, ist kein Grund ersichtlich, der den Bund hindern könnte, unter den allgemeinen Voraussetzungen die Ausführung dieser Vorschrift durch Bundesbehörden zuzulassen. 144 Vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 21 WHG Rdnr. 6. 16*

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§ 21 Abs.4 WHG ermächtigt die Bundesregierung, die "behördliche Überwachung im Sinne dieser Vorschrift", d.h. die Überwachung i.S.v. § 21 Abs. 13, zu übertragen. Ob das jedoch überhaupt zulässig ist, erscheint fraglich. Nach einer verbreiteten Auffassung ist § 21 auch nach den umfangreichen Änderungen durch das Vierte Änderungsgesetz zum Wasserhaushaltsgesetz 145 eine Rahmenregelung geblieben l46 . Denn die Vorschrift enthalte nichts darüber, wie die Überwachung durchzuführen sei und wie auf Gesetzesverstöße reagiert werden könne l47 . Für Abs. 4 trifft das nicht zu, er gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut unmittelbarl48 . Konsequenz der Einordnung des § 21 als Rahmenvorschrift wäre, daß die behördliche Überwachung von Gewässerbenutzungen nicht in § 21 Abs. 1-3, sondern im Verhältnis zum Vorhaben träger im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben allein in den einschlägigen Vorschriften der Landeswassergesetze geregelt wäre. Die Verordnungsermächtigung des Abs.4 würde den verfassungsrechtlichen Rahmen sprengen, wonach die Ausfüllung einer Rahmenvorschrift allein den Ländern obliegtl49, denn die Festlegung der Behördenzuständigkeit gehört zu der Ausfüllung des Rahmens. Eine entsprechende Verordnung würde den Bund zur Ausführung der landesrechtlichen Überwachungsvorschriften ennächtigen l50 . Rahmenrechtliche Bestimmungen gelten nicht zugleich unmittelbar gegenüber dem Bund, soweit dieser betroffen ist. Die Gründe, die dafür angeführt werden, daß § 21 Abs. 1-3 WHG Rahmenvorschriften enthält, überzeugen nicht. Wie auf Gesetzesverstöße, die bei der Überwachung festgestellt werden, zu reagieren ist, ist im Umweltrecht üblicherweise nicht in den Überwachungsvorschriften, sondern separat geregelt. Als Beispiel sei hier nur auf die Überwachung nach § 52 BlmSchG verwiesen, eine Vorschrift, die dem § 21 WHG (mit) als Vorbild gedient haben dürfte l51 und ebenfalls keine Überwachungskonsequenzen normiert. Die Befugnisse, mit 145 Dazu detailliert Keune, DVBI. 1977 S. 916 IT., 916 f. 146 Breuer, Wasserrecht, Rdnr.537; Czychowski, WHG, § 21 Rdnr.3; wohl auch Peine, in: AchterberglPüttner I, Kap. 2/5 Rdnr.980 (S.626). Unklar SiederiZeitler/Dahme/Knopp, § 21 WHG Rdnr. 3. 147 Czychowski, WHG, § 21 Rdnr.3; SiederiZeitler/Dahme/Knopp, § 21 WHG Rdnr.3. 148 Zu der Frage, ob in einem Rahmengesetz überhaupt Verordnungs-Ermächtigungen an die Bundesregienmg zulässig sind, Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 75 Rdnr. 31. 149 Maunz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 75 Rdnr. 31; Kuckuk, DÖV 1978 S. 354 tT., 356. 150 Zur Frage der Ausführung von Landesrecht durch den Bund oben § 4 D II. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre das kein Hindernis für die Annahme eines rahmenrechtlichen Charakters des § 21 Abs. 1-3 WHG, denn diese Vollzugsform ist nicht grundsätzlich unzulässig. 151 Czychowski, WHG, § 21 Rdnr.4.

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denen die zuständigen Behörden auf festgestellte Rechtsverstöße reagieren können, sind in den §§ 17, 20, 21 für genehmigungsbedürftige und in den §§ 24, 25 BImSchG für nicht genehmigungsbeürftige Anlagen festgelegt. Das Fehlen einer Regelung der Überwachungskonsequenzen allein macht § 21 Abs. 1-3 WHG nicht zu einer Rahmenregelung. Die Durchführung der Überwachung ist in § 21 Abs. 1-3 WHG in einem dem § 52 BImSchG vergleichbaren Konkretisierungsgrad geregelt. Das kann als Ermächtigung an die Überwachungsbehörde aufgefaßt werden, die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Überwachungsmaßnahrnen zu ergreifen j52 . Die Ausfüllungsvorschriften der Länder für die Gewässeraufsicht begnügen sich zum Teil J53 mit Genemiklauseln nicht nur rur die Überwachungsbefugnisse, sondern auch rur die Befugnisse zur Beseitigung festgestellter Gefahren, und sind damit noch unbestimmter als § 21 WHG. Allein aus den vergleichbaren Bestimmungen des § 52 BImSchG kann aber noch nicht geschlossen werden, § 21 WHG sei unmittelbar geltendes Recht ls4 . Denn diese Norm beruht auf einer anderen Gesetzgebungskompetenz. Vorschriften, die aufgrund des Art. 75 GG erlassen wurden, tragen die (durch Auslegung widerlegbare) Vermutung in sich, nur Rahrnenrecht zu sein. § 21 WHG regelt zwar nur einen Ausschnitt der Gewässerüberwachung und beläßt den Ländern einen erheblichen Ausfüllungsspielmum J55 . Dessen Regelungen sind so konkret, daß sie ohne landesgesetzliche Ausrullung vollzogen werden können. Das spricht ebenso für die unmittelbare Geltung der § 21 Abs. 1-3 wie die ansonsten verfassungsrechtlich bedenkliche Bestimmung des § 21 Abs. 4. Der Bundesgesetzgeber wollte ersichtlich eine unmittelbar und einheitlich geltende Regelung fiir die Überwachung von Gewässerbenutzungen schaffen. Hierfür bestand ein Bedürfnis i.S.v. Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 a.F. GG bzw. die Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 n.F. GG, denn Gewässer machen nicht an Ländergrenzen halt und verlangen eine bundeseinheitliche Durchfiihrung der Überwachung.

152 Keune, DVBI. 1977 S. 916 ff., 918 f., der daraus unmittelbar die Konsequenz zieht, § 21 enthalte vollgesetzliche Tatbestände, a.a.O., S. 92l. 153 Vgl. z.B. § 93 Abs. 3 LWG Rh-Pf. 154 So aber Keune, DVBI. 1977 S. 916 ff., 92l. 155 Unzutreffend Keune, DVBI. 1977 S. 916 ff., 921, der § 21 WHG als abschließende Regelung der Überwachung der Gewässerbenutzung ansieht. Zumindest eine Regelung über die Kosten der Überwachung fehlt. Daß es sich um beredtes, eine landesrechtliche Ergänzung ausschließendes Schweigen handeln soll, kann angesichts etwa des § 52 Abs. 4 BImSchG nicht angenommen werden.

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Die meisten Landeswassergesetze 156 gehen von der unmittelbaren Geltung des § 21 WHG aus: Auf eine dem § 21 WHG entsprechende Ausgestaltung der Pflichten zur Duldung der Überwachung und zur Mitwirkung hieran wird verzichtet157 , § 21 bleibe durch eine nähere Ausgestaltung der Überwachung unberührt158, bei der Überwachung außerhalb einer Gewässerbenutzung gelte § 21 WHG entsprechend159 • Da § 21 Abs. 1-3 WHG unmittelbar geltendes Bundesrecht sind160, kann deren Ausfiihrung einer Bundesbehörde in einer Verordnung nach § 21 Abs. 4 übertragen werden. Die Überwachung nach § 21 Abs. 1-3 WHG erlaubt es nicht, mit repressiven Maßnahmen auf festgestellte Verstöße zu reagieren 161 . Die Übertragung solcher Zuständigkeiten (Überwachungskonsequenzen) auf Bundesbehörden wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin nicht zulässig162• Der behördlichen Überwachung unterliegen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WHG die Anlagen, Einrichtungen und Vorgänge, die tUr die Gewässerbenutzung von 156 Nicht § 63 LWG LSA, der eine ganz ausfllhrliche Regelung der Gewässerilberwachung einschließlich der in § 21 WHG geregelten Gegenstände enthält. 157 § 82 Abs. I LWG B-W; Art. 68 Abs. 1 Satz I LWG Bay, § 93 Abs. 4 LWG RhPf; § 83 Abs. 1 LWG Saarl, § 83 Abs. I Satz 2 LWG Schl-H. Abweichend §§ 67a, 68 LWG Ber!, §§ 104, 105 LWG Brbg, § 63 Brern, §§ 16a, 64, 65 Abs. I LWG Hamb, § 75 LWG Hess, § 91 LWG Me-Vo, § 61 LWG Nds, §§ 116, 117 LWG NRW, § 95 LWG Sachs und §§ 84, 85 LWG Thür, die in unterschiedlichem Konkretisierungsgrad Duldungs- und Mitwirkungspflichten der Überwachungsunterworfenen festlegen, dabei aber z.T. die in § 21 Abs. 1-3 WHG getroffenen Regelungen voraussetzen. 158 § 91 Abs. I Satz 3 LWG Me-Vo; § 95 Abs. I Satz 2 LWG Sachs; § 85 Abs. I Satz 3 LWG ThÜT. 159 § 82 Abs. 3 LWG B-W, Art. 68 Abs. 4 LWG Bay, § 68 Abs. 6 LWG Berl, § 105 Abs. 1 Satz I LWG Brbg, § 93 Abs. 4 Satz I LWG Rh-Pf, § 84 Abs. 2 LWG Saarl, § 83 Abs. 3 LWG Schl-H. 160 Himmel, LWG Rh-PflWHG, § 93 LWG/§ 21 WHG Rdnr. 90; Keune, DVBI. 1977 S. 916 ff., 921; wohl auch Sautter, NVwZ 1988 S. 487 ff., 488. Für § 21 Abs. 3 ebenso Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, § 21 WHG Rdnr. 39. 161 A.A. Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 189: Die Zuständigkeit für die Überwachung umfasse auch die Zuständigkeit für Maßnahmen der Gefahrenabwehr. Da sich die Befugnisse zur Gefahrenabwehr aber nur aus Landesrecht ergeben, müßte die Bundeswehrverwaltung dieses auch ausführen. Hier wäre also eine Ermächtigung geschaffen worden, die dem Bund die Übertragung des Vollzugs von Landesrecht auf Bundesbehörden gestattet. - Hiervon streng zu unterscheiden ist der Fall, daß die Bundeswehr als Benutzer eines Gewässers Konsequenzen aus einer Eigenüberwachung zieht und so eine Gefahr für das Gewässer beseitigt. In Rechte Dritter (z.8. durch Betreten von Grundstücken) darf sie dabei allerdings nicht eingreifen. 162 Dazu ausführlich oben § 4 D 18 b, S. 114.

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Bedeutung sind. Nach § 21 Abs. 2 unterliegen auch die Errichtung und der Betrieb einer Rohrleitungsanlage nach § 19a und alle mit Anlagen nach § 199 Abs. 1 und 2 zusammenhängenden Vorgänge der Überwachung. Auf Dienststellen im Bereich des BMVg ist nur die Überwachung "bei Anlagen und Einrichtungen" übertragbar. Wären damit die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 für die Gewässerbenutzung bedeutsamen Anlagen und Einrichtungen gemeint, würde die Überwachung der für die Gewässerbenutzung bedeutsamen Vorgänge in jedem Fall bei den Landeswasserbehörden verbleiben müssen. Eine solche Zersplitterung der Überwachung dürfte von § 21 Abs. 4 schwerlich beabsichtigt sein. Dem könnte man entgehen, indem unter den Vorgängen i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 nur solche verstanden werden, die in Anlagen und Einrichtungen für die Gewässerbenutzung vonstatten gehen l63 . Damit wäre dieses Tatbestandsmerkmal jedoch überflüssig. Eine solche Auslegung ließe zudem außer Acht, daß § 21 Abs. 1 Satz 1 gerade auch das Ziel verfolgt, eine wasserrechtliche Überwachung - insbesondere bei der Einleitung von Abwässern - erst zu ermöglichen. Da in Wasseranalysen nur Stoffe gefunden werden können, nach denen gesucht wird, bedarf es der Kenntnis von Produktionsverfahren und dem Stoffeinsatz, also betrieblicher Vorgänge vor dem Entstehen von Abwasser, zur sinnvollen und effektiven Durchführung der Überwachung l64 . "Vorgänge" sind, soll die Überwachung der Anlagen zur Gewässerbenutzung nicht tatsächlich unmöglich gemacht werden, auch solche, die außerhalb derartiger Anlagen und Einrichtungen stattfindenl65 . Eine Zersplitterung zwischen den nach § 21 Abs. 4 übertragbaren und den bei den Landesbehörden verbleibenden Überwachungszuständigkeiten scheidet jedoch aus einem anderen Grund aus. Die Anlagen und Einrichtungen, von denen Absatz 4 handelt, müssen nicht notwendig für die Gewässerbenutzung bedeutsam, also solche i.S.v. Absatz I Satz I sein. Darauf weist der Wortlaut der Vorschrift hin, der nicht von der Überwachung "von Anlagen", sondern "bei Anlagen" spricht. Das entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. Die Ermächtigung zur Übertragung der Überwachungszuständigkeit wurde aus Gründen der Geheimhaltung eingeführt l66 . Geheimhaltungsbedürftig können jedoch nicht nur Anlagen und Einrichtungen zur Gewässerbenutzung, sondern auch solche Anlagen sein, die wegen der in ihnen anfallenden Stoffe - verSoKeune,DVBI. 1977S. 916fT.,918f. Czychowski, WHG, § 21 Rdnr. 12; Peine, in: AchterbergIPüttner I, Kap. 2/5 Rdnr. 978 (S. 626); Sautter, NVwZ 1988 S. 487 Ir, 489. 165 Czychowski, WHG, § 21 Rdnr. 12; Himmel, LWG Rh-PfIWHG, § 93 LWG/§ 21 WHG Rdnr. 93; Sautter, NVwZ 1988 S. 487 tr, 488 f.; Sieder/ZeitlerlDahme/Knopp, § 21 WHG Rdnr. 13a. 166 BT-Drucks. 7/888, S. 18. 163 164

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gleichbar den gewerblichen Produktionsanlagen - in die Überwachung einer Anlage zur Gewässerbenutzung, z.B. einer Kläranlage, unter dem Tatbestandsmerkmal der "Vorgänge" einbezogen werden. Die Bundesregierung wird durch § 21 Abs. 4 WHG also ermächtigt, die Überwachungszuständigkeit für alle Anlagen und Einrichtungen, die der Landesverteidigung dienen, hinsichtlich ihrer Bedeutungfür die Gewässerbenutzung auf Stellen im Geschäftsbereich des BMVg zu übertragen. Die Überwachung von wasserwirtschaftlich relevanten Tatbeständen außerhalb von Gewässerbenutzungen, wie z.B. von Anlagen in Gewässern, wird von § 21 Abs. 1-3 WHG nicht erfaßt, sondern richtet sich allein nach Landesrecht und kann deshalb nicht auf Bundesbehörden übertragen werden. Wie sich aus der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Überwachungszuständigkeiten ergibt, kommt nur die Übertragung an die Bundeswehrverwaltung in Betracht. Die Überwachung erfordert die sachliche und personelle Unabhängigkeit von der zu überwachenden Stelle. Dies ist weder bei den gewässerbenutzenden Streitkräften selbst noch bei der Truppenverwaltung, die als Teil der Bundeswehrverwaltung organisatorisch in die Streitkräfte eingebunden ist l67 , sichergestellt. Auch bei der übrigen Bundeswehrverwaltung sind Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Die Eigenüberwachung darf aber qualitativ nicht hinter der Überwachung durch die zuständigen Landesbehörden zurückbleiben. Daher dient die derzeitige Rechtslage, also die vollständige Überwachung der Gewässerbenutzungen der Bundeswehr durch die Landeswasserbehörden, den wasserwirtschaftlichen Belangen am besten. Den militärischen Sicherheitsanforderungen kann dadurch Rechnung getragen werden, daß nur Bedienstete mit einer entsprechenden Geheimhaltungsverpflichtung die Überwachung von Anlagen und Einrichtungen der Bundeswehr durchführen l68 . Erfahrung und gerätetechnische Ausstattung dieser Behörden sowie ihre Unabhängigkeit von der Bundeswehr sprechen dafür, die Verordnungsermächtigung auch in Zukunft ungenutzt zu lassen.

c. Immissionsschutz Gegenstand des Immissionsschutzrechts ist der Schutz des Umweltmediums Luft. Er wird durch eine Vielzahl gesetzlicher Bestimmungen verwirklicht l69 , in deren Mittelpunkt das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die auf seiner 167

Dazu oben § 4 B I I.

Weitergehend Ebsen, Militärische Bodennutzung, S. 189, der die Pflicht zur Duldung von Überwachungsmaßnahmen durch die Erfordemisse der militärischen Geheimhaltung beschränkt sieht. 169 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 24 Rdnr. 9 (S. 397). 168

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Grundlage erlassenen Rechtsverordnwlgen des Bundes und der Länder stehen. Daneben befassen sich zwei Gesetze mit dem Schutz gegenüber einzelnen Immissionsquellen. Das Fluglärmgesetz dient dem Schutz der Allgemeinheit vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen (§ I Satz I FluglärmG). Der Lärmschutz erfolgt durch die Festsetzung von Lärmschutzbereichen, d.h. durch Maßnahmen des passiven Lännschutzesl70 . Dem Immissionsschutz dienen daIiiber hinaus auch Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes durch die Ausgestaltung von flugplätzen, durch Anforderungen an das Fluggerät und die Regelung des Luftverkehrs. Regelungen des aktiven Fluglärmschutzes enthält das LuftVG I71 • Das Geflecht von Sonderregelungen des aktiven und des passiven Fluglärmschutzes im Bereich der Bundeswehr wird im Rahmen des integrierten Umweltschutzes zuSaDlmenhängend dargestellt l72 • Das Benzinbleigesetz nimmt die Einfuhr von Ottokraftstoffen für Verteidigungszwecke von seinem Anwendungsbereich aus. § 8 BzBIG wirft keine bedeutenden rechtlichen Probleme auf. Die folgende Darstellung des Immissionsschutzrechts beschränkt sich daher auf die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen.

1. Materielle Anforderungen Die materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen gelten, wie sich Art. 20 Abs. 3 GG entnehmen läßt und was durch die Ausnahmevorschriften bestätigt wird, auch für die Bundeswehr. Neben den allgemein geltenden Normen bestimmen die Sondemormen für die Bundeswehr die materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen. Nach der Art der Emissionsquelle sind vier Regelungen zu unterscheiden: Für ortsfeste Anlagen (§ 3 Abs. 5 Nm. 1, 3 BImSchG) kann der BMVg nach § 60 Abs. 1 BlmSchG Ausnahmen ausdIiicklich zuzulassen. Ortsveränderliche Anlagen (§ 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG) dürfen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 BlmSchG kraft Gesetzes von den Vorschriften des BImSchG abweichen. Von den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen der §§ 47 ff. StVZO an Kraftfahrzeuge ist die Bundeswehr unter den Voraussetzungen des § 70 Abs. 4 Satz 1 StVZO befreit. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr stellen die Smog-Verordnungen 170 Luckow, DVBI. 1981 S. 1133 IT., 1137; Soell, in: LandmarmlRohmer, Umweltrecht III, § 2 FluglännG Rdnr. I; Soell, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 329 ff., 348 ff.

171 Vgl. Luckow, DVBI. 1981 S. 1133 ff., 1134 ff.; Soell, in: Salzwedel, Grundzüge, S. 329 ff., 339 ff. 172 Siehe unten § 13 A.

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der Länder die Fahrzeuge der Bundeswehr von dem Verbot des Kraftfahrzeugverkehrs bei austauscharmen Wetterlagen frei. Fahrzeuge, für die Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch genorrunen werden können, sind vom Verkehrsverbot bei erhöhten Ozonkonzentrationen gemäß § 40d Abs. 3 BlmSchG ausgenorrunen. Zu den Anforderungen an Flugzeuge und den Luftverkehr im Spannungsfeld von § 38 Abs. 1 BlmSchG, § llc LuftV0 173 und § 30 Abs. 1 Satz 1 LuftVG siehe unten § 13 AL Für ortsfeste Emissionsquellen ist eine ausdrückliche Ausnahmezulassung vorgesehen, während ortsveränderliche Emissionsquellen und emittierendes Verhalten kraft Gesetzes von der Einhaltung der Anforderungen befreit sind (Abweichungsbefugnis). Für die stoffbezogenen Regelungen der §§ 34-37 BlmSchG und den hierauf gestützten Rechtsverordnungen174 gibt es keine bundeswehrspezifischen Sonderregelungen. Gleiches gilt fiir die Bestirrunungen der §§ 38, 39 BlmSchG über die Beschaffenheit und den Betrieb von Fahrzeugen175 . 1. Zulassung von Ausnahmen (§ 60 Abs. I BlmSchG) Nach seinem Wortlaut läßt § 60 Abs. I Ausnahmen von sämtlichen Vorschriften des BlmSchG und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen zu176 . Einschränkungen ergeben sich aus § 10 Abs. 11 und § 59 BlmSchG, die fiir eine abweichende Gestaltung des Genehmigungsverfahrens und für Änderungen der Zuständigkeitsverteilung eine Rechtsverordnung erfordern und deshalb als speziellere Regelungen einer Ausnahmezulassung vorgehen 177 • § 60 Abs. 1 BlmSchG gestattet daher Ausnallmen von allen Vorschriften des 173 Luftverkehrs-Ordnung i.d.F. der Bek. vom 14.11.1969 (BGBI. I S. 2117), zul. geändert durch va vom 5.3.1998 (BGBI. I S. 461). 174 Vgl. die Zusammenstellung bei Jarass, BImSchG, § 34 Rdnr. 15.

175 Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 10. Dagegen hält Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil II Rdnr. 405 (S. 183), das zumindest fllr die Zuständigkeitsvorschriften für einen offensichtlichen Gesetzesfehler, der durch korrigierende Auslegung zugunsten der Anwendbarkeit des § 59 BImSchG zu beseitigen ist. Der vermeintliche Gesetzesfehler besteht in Wahrheit nicht: fur die Kraftfahrzeuge findet die Überwachung nach § 68 Abs. 3 stVza durch Dienststellen der Bundeswehr statt, gleiches gilt rur Flugzeuge aufgrund des § 30 Abs. 2 Satz I LuftVG. Die Überwachung nach § 52 BImSchG spielt fiir diese Fahrzeuge in der Praxis keine Rolle. 176 So GallasiEisenbarlh, UPR 1986 S. 417 ff., 419 f. Fußn. 32, für die Zeit zwischen dem Inkrafttreten des BImSchG und dem Inkrafttreten der 14. BImSchV. 177 Bentmann, Immissionsschutzrecht wld militärische Anlagen, S. 77; Delbrück, UmweJtpfIichtigkeit, S. 43; GallaslEisenbarlh, UPR 1986 S. 417 ff., 419 mit Fußn. 32; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 60 Anrn. 2.

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BlmSchG, soweit es sich nicht lUD Zuständigkeitsregelungen oder die Regelungen zur Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens handelt178 . Da die Ausnahmen "fiir" ortsfeste Anlagen zugelassen werden sollen, sind aus dem Kreis der möglichen Vorschriften diejenigen als nicht ausnalunefahig auszuscheiden, die nicht "fiir" eine Anlage gelten, sondern sich dem gebietsbezogenen Immissionsschutz widmen (§§ 44-47a, 50 BImSchG). Als Gegenstand einer Ausnahme kommen daher nur die Betreiberpflichten in Betracht. Es sind zwei Arten von Betreiberpflichten zu unterscheiden: Primärpflichten und Sekundärpflichten. Primärpjlichten sind solche, die unmittelbare Auswirkungen auf die von der Anlage ausgehenden Emissionen und die von i1men verursachten Immissionen haben l79 . Solche Primärpflichten, von denen der BMVg aufgrund des § 60 Abs. I Ausnalunen zulassen kann, sind vor allem die in §§ 5, 22 BImSchGI80 und den zu ihrer Konkretisierung aufgrund der § 7 Abs. 1 Nm. 1 und 2, Abs. 4, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nm. 1 und 2 BlmSchG erlassenen Vorschriften 181 niedergelegten Grundpflichten. Primärpflichten ergeben sich des weiteren aus Rechtsverordnungen nach § 48a Abs. 1 Satz 1 BlmSchG, soweit sie Emissions- oder Immissionswerte festiegen l82 , aus auf § 49 Abs. 1

178 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 17; Jarass, BImSehG, § 60 Rdnr. 5; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 7. Mißverständlich Schröders, BWV 1997 S. 204 tT., 221 tT., 206, der nur Abweichwlgen von Vorschriften über die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens vom Anwendungsbereich des § 60 ausnimmt. 179 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 80. 180 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 84; Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 42; Engelhardt/Schlicht, BImSehG, § 60 Rdnr. 3; Führ, in: GKBImSehG, § 60 Rdnr. 18; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 tT., 420; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 7; Steinberg, Nachbarrecht der ötTentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5; OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§ 5 Fußn. 101), Ule/Laubinger, BImSchGRspr. § 60 Nr. 2 S. 3 (; Beschl. v. 2.3.1989 (§ 3 Fußn. 11), Ule/Laubinger, BImSchGRspr. § 60 Nr. 3 S.6; BVerwG, Urt. v. 23.5.1991 - 7 C 19.90 -, Ule/Laubinger, BlmSchG-Rspr. § 60 Nr. 5 S. 6. 181 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 18; Gallas/Eisenbarth, UPR 1986 S. 417 tT., 422; Hansmann, in: Landmann/Roluner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10; Laubinger, in: U1e/Laubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 12. 182 § I der Zweiundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte - 22. BImSch V) vom 26.10.1993 (BGB\. I S.1819), geändert durch VO vom 27.5.1994 (BGBI. I S.1095) [= Ule/Laubinger, BImSehG, RvB A 22]. Die gleichfalls auf § 48a Abs. I beruhende Verordnung zur Begrenzung von Emissionen aus der Titandioxid-Industrie (25. BhnSchV) vom 8.11.1996 (BGBI. I S. 1722) [= Ule/Laubinger, BImSehG, RvB A 25] dürfte im Bereich der Bundeswehr mangels entsprechender Anlagen keine RoUe spielen.

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Nm. 2, 3 und 4 BImSchG gestützten Rechtsverordnungen der Länder183 sowie aus den aufgrund des § 49 Abs. 2 erlassenen Smog-Verordnungen der Länderl84 . Aufgrund des § 48 Nm. I und 2 BImSchG erlassene Verwaltungsvorschriften statuieren keine Primärpflichten l85 , da sie die Grundpflichten nach §§ 5, 22 lediglich behärdenintern konkretisieren. Der BMVg kann daher nicht von der Beachtung einer solchen Verwaltungsvorschrift, z.B. der TA Luft, freistellen, er kann aber deren Immissions- oder Emissionswerte zum Ausgangspunkt einer Ausnahme machen und z.B. eine Emissionswertüberschreitung zulassenl86 .

§ 6 BImSchG verweist auf anderweitig begründete Pflichten. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 genannten Pflichten werden durch die Einbeziehung in die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsentscheidungen keine Pflichten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, so daß von ihnen nur aufgrund einer anderweitigen Ermächtigung, nicht aber nach § 60 Abs. 1 BImSchG Dispens erteilt werden kann187 . Neben den Primärpflichten sehen das BImSchG und die auf dieses Gesetz gestützten Verordnungen Betreiberpflichten vor, die nicht auf die Emissionen und Immissionen einwirken, sondern der Feststellung dienen, welche Emissionen und Immissionen verursacht und ob die Primärpflichten eingehalten werden. Ob auch von diesen Sekundärpjlichten 188 aufgrund des § 60 Abs. 1 Ausnahmen zugelassen werden können, ist umstritten. Bei den Sekundärpflichten ist zu unterscheiden zwischen 1. Pflichten zur Eigenüberwachung durch den Betreiber und 2. Pflichten, die dazu dienen, die behördliche Überwachung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

183 Verordnung über den Schwefe1gehalt von Braunkohle für Heizzwecke im Land Berlin vom 15.1.1981 (GVBI. S. 217) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvL Ber12J. 184 GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 Ir, 422; Hansmann, in: LandmannlRoluner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 6. 185 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 6; a.A. GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 422. 186 Vgl. den Erlaß des BMVg vom 10.5.1978, zit. bei Engelhardt, BImSchG, § 60 Rdnr.6. 187 Bentmann, Inunissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 88 f; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 15; Hansmann, in: LandmannIRoluner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 9; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5. 188 Terminologie nach Bentmann, Inunissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 80 f, 91 f

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Zur ersten Gruppe gehört die Pflicht zur Bestellung eines Immissionsschutzbeauftragten nach § 53 Abs. 1 i.Y.m. § lAbs. 1 der 5. BlmSchyl89 und eines Störfallbeauftragten nach § 58a Abs. 1 i.Y.m. § 1 Abs.2 der 5. BlmSchY. Bestellungspflichtig sind auch Hoheitsträger, wenn sie genehmigungsbedürftige, im Anhang I der 5. BImSchY bzw. in § 1 Abs. 2 der 12. BlmSchyl90 (vgl. § 1 Abs. 2 der 5. BImSchV) genannte Anlagen betreibenl91 . Für die immissionsschutzrechtlichen Betriebsbeauftragten gibt es - anders als für Gewässerschutzbeauftragten, für die § 21g WHG Sonderregelungen zugunsten einzelner Hoheitsträgerl92 ermöglicht - keine ausdrücklichen Sondervorschriften. Die Zulassung einer Ausnahme von der Bestellungspflicht berührt weder das Genehmigungsverfahren noch die behördlichen Feststellungen, ob die Primärpflichten eingehalten werden, denn die Betriebsbeauftragten sind ausschließlich Hilfsorgane des Betreibers, nicht aber der Überwachungsbehörden '93 . Dementsprechend kann der BMVg aufgrund des § 60 Abs. 1 für Yerteidigungsanlagen von den Pflichten nach § 53 Abs. 1, § 58a Abs. 1 BImSchG Dispens erteilenl94 . Sekundärpflichten, die die behördliche Überwachung ermöglichen oder erleichtern sollen, sind -

die Genehmigungs- (§§ 4, 16 Abs. 1 BImSchG) und die Anzeigepflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 2 Satz 1, § 67a Abs. 1 Satz 1 BImSchG),

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die Ermittlungspflichten, z.B. nach §§ 26, 28, 29, 29a, § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs.2 Satz 1 der 2. BlmSchy195, § 25 der 13. BlmSchyl96, § 6 der 20. BlmSchyl97, § 5 der 21. BImSchy'98,

189 VerordnWlg über Immissionsschutz- Wld Störfallbeauftragte vom 30.7.1993 (BGBI. I S. 1433) [= U/e/Laubinger, BImSehG, RvB A 5]. 190 StörfallverordnWlg i.d.F. der Bek. vom 20.9.1991 (BGBl. I S. 1891), zul. geändert durch VO vom 20.4.1998 (BGBI. I S. 723) [= U/e/Laubinger, BImSehG, RvB A 12]. 191 Vgl. Jarass, BImSehG, § 53 Rdnr. 12. 192 Vgl. zu der Frage, ob die BWldesrepublik Deutschland zu dem Kreis der nach § 21g WHG privilegierten Körperschaften gehört, VG Stade, Beschl. v. 10.7.1990 - 3 B 14/90 -, in: Feldhaus-ES, WHG § 21c - I, S. 7 f. 193 Bentmann, Immissionsschutzrecht Wld militärische Anlagen, S. 93 f.; Brandt, in: GK-BImSchG, Vor §§ 53-58d Rdnr. 25; Jarass, BImSehG, § 53 Rdnr. 3 m. w. N.; § 58a Rdnr. 2. 194 Bentmann, Immissionsschutzrecht Wld militärische Anlagen, S. 94; GaliasiEisenbarth, UPR 1986 S.417 ff., 422; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10. 195 VerordnWlg zur Emissionsbegrenzung von leichtflüchtigen Halogenkohlenwasserstoffen vom 10.12.1990 (BGBI. I S. 2694), geändert durch VO vom 5.6.1991 (BGBl. I S. 1218) [= UlelLaubinger, BImSehG, RvB A 2]. 196 VerordnWlg über Großfeuerungsanlagen vom 22.6.1983 (BGBL I S. 719) [= ille/ Laubinger, BImSehG, RvB A 13].

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die Mitteilungspflichten z.B. nach §§ 16, 27 BlmSchG i.Y.m. der 11. BlmSchyl99 , § 29a Abs.4, §§ 31, 52a Abs.2 BlmSchG20o , § 11 der 12. BlmSchY, § 27 Abs. 1 der 13. BlmSchY, § 7 Abs. 1 der 20. BlmSchy20I , § 6 Abs. 1 der 21. BlmSch Y sowie

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die Pflicht zur Duldung behördlicher Überwachungsmaßnahmen nach § 52 BImSehG.

In der Literatur wird die Ansicht vertreten, daß der BMYg Ausnahmen von der Pflicht zur Durchführung eines Genehmigungsverfahrens und von der Anzeigepflicht zulassen kann, weil es sich dabei mn über den Regelungsgegenstand des § 10 Abs. 11 hinausgehende Betreiberpflichten handele202 . Das überzeugt nicht. Zwar erfaßt § 10 Abs. 11 nicht urunittelbar die Genehrnigungsbedürftigkeit. Diese Regelung verdeutlicht aber, daß der Gesetzgeber nur fur die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens, nicht aber fur die Genehmigungsbedürftigkeit selbst ein Bedürfnis fur eine Sonderregelung zugunsten der Bun-

197 Verordnung zur Begrenzung der KohlenwasserstotTemissionen beim Umfüllen und Lagern von OttokraftstotTen vom 7.10.1992 (BGB!. I S. 1727). Siehe dazu Nr. 5 Abs. 2 der Bestimmungen zur DurchfUhrung der Verordnung zur Begrenzung der KohlenwasserstotTemissionen beim Umfüllen und Lagern von OttokraftstotTen in der Bundeswehr (DBBw 20. BImSchV) - Erstfassung - vom 9.9.1993 (VMBI. S. 229). Seit dem 4.6.1998 siehe die Verordnung zur Begrenzung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen beim UmfUllen und Lagern von OttokraftstotTen - 20. BImSchV vom 27.5.1998 (BGBL I S. 1174) [= UlelLaubinger, BImSchG, RvB A 20), zu Errnittlungspflichten insbes. § 8 Abs 3. 198 Verordnung zur Begrenzung der KohlenwasserstotTemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen vom 7.10.1992 (BGBI. I S. 1730) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB A 21]. Siehe dazu Nr. 3 der Bestimmungen zur Durchführung der Verordnung zur Begrenzung der KohlenwasserstotTemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen in der Bundeswehr (DBBw 21. BImSchV) - Erstfassung - vom 20.5.1993 (VMBI. S.191). 199 Emissionserklärungsverordnung vom 12.12.1991 (BGB!. I S.2213), geändert durch VO vom 26.10.1993 (BGBL I S. 1782, ber. S. 2049) [= UleiLaubinger, BImSchG, RvB All]. 200 Diese Mitteilungspflicht gilt nicht nur rur die in § 52a AM. I genannten, sondern fUr alle Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, FlucklLaubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 52a Rdnm. B 9, D 2; Hansmann, in: LandmalUllRohmer, Umweltrecht I, § 52a Rdnr. 7; Jarass, BImSchG, § 52a Rdnr. 7; Lechelt, in: GK-BImSchG, § 52a Rdnr.18. 201 Seit dem 4.6.1998: § 8 Abs. I der 20. BImSch V vom 27.5.1998. 202 Delbrnck, Umweltpflichtigkeit, S.43; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 tT., 420; Hansmann, in: LandmannlRohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10; Stein berg, Nachbarrecht der ötTentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5; otTengelassen von Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 5.

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deswehr gesehen hat203 . Mit der Zulassung von Ausnahmen für Anlagenarten könnte der BMVg die von ihm selbst aufgrund des § 10 Abs. II zu treffende abstrakt-generelle Regelung der Verfahrensgestaltung zumindest unterlaufen, bei extensiver Anwendung praktisch obsolet werden lassen. Der Dispens von der Durchführung eines Genehmigungs- oder Anzeigeverfahrens würde außerdem zu einer Verlagerung der Zuständigkeit führen. Denn die Bundeswehr müßte die Einhaltung der Primärpflichten, soweit nicht zugleich hiervon Dispens erteilt wird, selbst prüfen. Diese Prüfung müßte den gleichen Umfang aufweisen wie die Prüfung durch die Genehmigungsbehörde; in der Sache würde sich die Bundeswehr damit selbst das Vorhaben genehmigen. Zuständigkeiten können jedoch nur aufgrund des § 59 übertragen werden. Ein solcher Dispens würde jedoch zugleich die Möglichkeiten erweitern, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für militärische Vorhaben auszuschließen, was mit § 3 Abs. 2 UVPG unvereinbar ist204 . Aufgrund des § 60 Abs. 1 kann der BMVg daher keine Ausnahmen von der Genehrnigungs- (§§ 4, 16 Abs. 1 BImSehG) und der Anzeigepflicht (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 67 Abs. 2 Satz 1, § 67a Abs. I Satz 1 BImSehG) zulassen205 • Mit der Zulassung einer Ausnahme von Ermittlungspflichten könnte der BMVg die (landes-)behördliche Überwachung unmöglich machen. Denn die Überwachungsbehörde müßte, wenn der Betreiber keine Ermittlungen vornehmen muß, die erforderlichen Ermittlungen selbst anstellen. Dazu ist sie jedoch oftmals gar nicht in der Lage, z.B. bei den Aufzeichnungspflichten nach § II Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der 2. BlmSchY. Die Ausnahme von einer Ermittlungspflicht würde in der Sache daher zur - nur aufgrund des § 59 BlmSchG zulässigen - Übertragung der Überwachungszuständigkeit führen. Daher mußte auch § 17 Abs. 1 Satz 1 der 1. BlmSch V auf § 59 gestützt werden206 • Konsequenterweise überträgt § 1 Abs. I der 14. BlmSchV dem BMVg die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit den Ermittlungspflichten nach §§ 26, 28, 29 BlmSchG (nicht aber diejenigen nach § 29a). 203 Bentmal/n, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 43; Führ, in: GKBImSchG, § 60 Rdnr. 19. Delbrück, UmweItpflichtigkeit, S. 44, zieht daraus die Konsequenz, daß ein Verzicht auf das GeneIunigungsverfahren nicht aus zwingenden Gründen der Verteidigung erforderlich ist.

204

Siehe dazu bereits oben im Text bei § 9 Fußn. 11.

205 Im Ergebnis ebenso Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 85 ff.; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Reim. 19; Laubil/ger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 7; wohl auch Jarass, BImSchG, § 60 Rdm. 5. 206 Jarass, BImSchG, § 59 Reim. 5; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 59 Rdm. C 29; Val/eI/dar, in: Fe\dhaus, Bundesümnissionsschutzrecht, § 59 Amn. 5; a.A. Hansmal/I/, in: LandmannIRohmer, UmweItrecht I, § 59 Rdnr. 10. Dazu näher unten § 10 C III 2.

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Ausnahmen von den Mitteilungspflichten würden ebenfalls die landesbehördliche Überwachung unmöglich machen und deshalb eine Zuständigkeitsregelung darstellen. Sie können nur aufgrund des § 59 BlmSchG zugelassen werden207 • § 1 Abs. I der 14. BlmSchV überträgt daher dem BMVg die Zuständigkeit, die Vorlage von Ermittlungsergebnissen zu verlangen (§ 31 BlmSchG). Gleiches gilt für die Pflichten zur Duldung behördlicher Überwachungsmaßnahmen. Würde von diesen Pflichten Dispens erteilt, könnte die Überwachungsbehörde nur dann die erforderlichen Maßnahmen vornehmen, wenn der Betreiber freiwillig zu deren Duldung bereit ist. Ausnahmen würden sich, da der Betreiber selbst die Einhaltung der Primärpflichten überwachen müßte, als Zuständigkeitsverlagerungen darstellen und können nur aufgrund des § 59 durch Rechtsverordnung angeordnet werden208 . Von den Sekundärpflichten, die die behördliche Überwachung ermöglichen oder erleichtern sollen, können danach Ausnalunen nach § 60 Abs. 1 nicht zugelassen werden209 • Die Mitteilungspflichten gegenüber den allgemein zuständigen Landesbehörden außerhalb eines Genehrnigungsverfahrens können nicht analog § 2 Abs. 2 der 14. BlmSchV eingeschränkt werden2lO . Einer solchen Analogie steht die auf das Genehmigungsverfahren begrenzte Verordnungsermächtigung des § 10 Abs. 11, auf der § 2 der 14. BlmSchV allein beruhe I I , entgegen. Es fehlt außerdem bereits an einer Regelungslücke, da die Vorschriften der § 10 Abs. 11, §§ 59, 60 abschließende Sonderregelungen für die Bundeswehr enthalten.

A.A. GallaslEisenbanh, UPR 1986 S. 417 fT., 422. Jarass, BlmSchG, § 59 Rdnr. 5, § 60 Rdnr. 5; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 7; abw. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10: Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 kämen allenfalls in Sonderfiillen in Betracht. Wann ein solcher Sonderfall vorliegen soll, wird jedoch nicht gesagt. Ähnlich Führ, in: GK-BlmSchG, § 60 Rdnr. 18: Da im allgemeinen nur eine teilweise Befreiung von materiellen Erfordernissen in Frage komme, bleibe es Aufgabe der zuständigen Behörden, die Beachtung der gesetzten GrellZen sicherzustellen. Eine vollständige Befreiung von der Pflicht, Überwachungsmaßnahmen zu dulden, sei damit nicht möglich. Diese Argumentation übersieht die faktische Zuständigkeitsübertragung. 209 Bentmann, lmmissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 91; Jarass, BImSehG, § 60 Rdnr. 5; Laubinger, in: U1e/Laubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr. C 7; a.A. Führ, in: GK-BlmSchG, § 60 Rdnr. 18; GallaslEisenbarlh, UPR 1986 S. 417 fT., 422; Hansmann, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 10 (wie hier jedoch hinsichtlich der Duldungspflichten aus § 52). 210 So aber Benlmann, lmmissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 92. 211 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSehG, RvB A 14.0 Rdnr. A 1; Hal/smantl, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht 11, Vorbem. zur 14. BlmSchV Rdnr. 8. 207

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§ 60 Abs. 1 gestattet lediglich Ausnahmen von materiellen Betreiberpflichten2l2 , zu denen die Primärpflichten und die Sekundärpflichten zur Eigenüberwachung durch den Betreiber gehören. Ausnahmen dürfen nur zugelassen werden, soweit zwingende Gründe der Verteidiguni J3 dies erfordern. Diese Befugnis soll einer in der Literatul l4 vertretenen Ansicht zufolge nicht für Vorschriften gelten, die dem Schutz vor Gefahren dienen. Die mit dem Dispens verbundene Duldungspflicht der Nachbarn stelle einen Grundrechtseingriff dar, fiir den es einer ausdrücklichen, dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG genügenden Bestimmung bedürfe. Ausnahmen kämen daher nur von den Regelungen zum Schutz vor erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen in Betracht. Diese pauschale Einschränkung der Ausnahmebefugnis ist jedoch problematisch. Denn sie unterstellt, daß Ausnahmen von Vorschriften zum Schutz vor Gefahren immer Nachbarn treffen. Das ist jedoch keineswegs der Fall. So führt auch die zugelassene Überschreitung eines in Nr. 2.5.1 der TA Luft zum Schutz von Gesundheitsgefahren festgelegten Immissionswertes dann nicht zu einem Grundrechtseingriff, wenn die Anlage in einem unbewohnten Gebiet errichtet und betrieben wird. Gegen die Zulassung von Ausnalunen bestehen auch dann keine grundsätzlichen Bedenken, wenn sie Eingriffe in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zur Folge haben2l5 . Von den Anforderungen des § 5

212 OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§ 5 Fußn. 101), Ule/Laubinger, BImSchGRspr. § 60 Nr. 2 S. 2 f.; Bentmann, Imrnissionsschutzrecht Wld militärische Anlagen, S. 80; Delbrack, Umweltpflichtigkeit, S. 42; Engelharnt/Schlicht, BImSehG, § 60 Rdnr. I; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 60 Anm. 2; Führ, in: GKBImSehG, § 60 Rdnr. 18; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 422; Laubinger, in: UielLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C. 7; im Ergebnis ebenso Jarass, BImSehG, § 60 Rdnr. 5 (Abs. I erlaubt Ausnahmen von allen vom Anlagenbetreiber zu beachtenden Anforderungen des BImSehG, soweit es nicht um die Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens geht). Widersprüchlich Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI, der einerseits (Rdnr. 2) den AnwendWlgsbereich des § 60 auf materielle Anforderungen beschränkt, wenig später (Rdnr. 5) dann aber eine Befreiung von materiellen Wld formellen Anforderungen zuläßt. 213 Dazu oben § 8 B. 214 Bentmann, Imrnissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 74 f.; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 26; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 5; tendenziell zustimmend BVerfG, Besch\. vom 29.10.1987 (§ 5 Fußn. 103), BVerfGE 77 S. 170 ff., 226; BVerwG, Urt. vom 23.5.1991 (Fußn. 180), Ule/Laubinger, BlmSchG-Rspr. § 60 Nr. 5 S. 4,6. 215 Siehe oben § 5 D I. 17 RcpkcwilZ

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Abs. 1 Nr. 1 BImSchG darf der BMVg daher - nur durch die allgemeinen Voraussetzungen eingeschränkt - Dispens erteilen216 . Die Ausnahme darf jedoch nur so weit gehen, wie dies aus Verteidigungsgründen zwingend erforderlich ist. Damit wird eine konkrete Abwägung in jedem Einzelfall zwischen den GlÜßden der Verteidigung und den Grundrechten betroffener Nachbarn gefordert. Hierbei ist auch die sog. "Nulloption" zu prüfen, d.h. der BMVg muß untersuchen, ob die konkrete Anlage für die Erfüllung der Verteidigungsaufgabe zwingend erforderlich ist oder ob nicht die entgegenstehenden Belange einen Verzicht auf die Anlage gebieten.

§ 60 Abs. 1 Satz 1 ist als Ermächtigung zum Eingriff in Grundrechte Dritter hinreichend bestimmt, da mit der Zulassung von Ausnahmen von nachbarschützenden Normen notwendig zugleich die Duldungspflicht der Nachbarn bestimmt wird217 • Eine Abgrenzung zwischen Gefahrenschutz und dem Schutz vor erheblichen Nachteilen oder Belästigungen ist nicht eindeutig durchzuführen, vielmehr sind die Grenzen zwischen Schaden, Nachteil und Belästigung fließend218 . Ob Anforderung dem Schutz vor Gefahren oder dem Schutz vor Nachteilen oder Belästigungen dienen, ist häufig ein quantitatives Problem, dessen Beurteilung sich mit fortschreitendem naturwissenschaftlichem Kenntnisstand ändern kann. Der BMVg kann also auch von Anforderungen zum Schutz vor Gefahren Dispens erteilen. In der Praxis wird das kaum einmal in Betracht kommen219 . Denn die Ausnahme dürfte nur dann zugelassen werden, wenn das konkrete Vorhaben in seiner Ausgestaltung für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland militärisch unabweisbar wäre. Die Ausnahmebefugnis hat europarechtliche Grenzen. Ausnahmen dürfen dann nicht zugelassen werden, wenn der damit geschaffene Rechtszustand europarechtlichen Normen nicht entspricht. Denn eine Ausnahmebefugnis, die zu Abweichungen von Richtlinien oder Verordnungen der EG ermächtigt, die in diesen nicht vorgesehen sind, würde die korrekte Umsetzung in nationales Recht beeinträchtigen bzw. den Geltungsvorrang der unmittelbar wirkenden Verordnungen mißachten. Für die Zulasslmg von Ausnahmen von den materiellen Anforderungen an ortsfeste Anlagen bestehen solche europarechtlichen 216 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 10.1 I.l986 (§ 5 Fußn. 101), Ule/Laubinger, BImSehGRspr. § 60 Nr. 2 S. 3 f; Beseh\. v. 2.3.1989 (§ 3 Fußn. 11), Ule/Laubinger, BImSehGRspr. § 60 Nr. 3 S. 6; Laubillger, in: U1e/Laubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 39. 217 AA Steinberg, Naehbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 6. 218 Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionssehutzrecht, § 3 Arnn. 8; Koch, in: GKBImSchG, § 3 Rdnr. 40; Murswiek, HdUR I Sp. 221. 219 Naeh der Mitteilung von KuJlllert, BWV 1996 S. 25 ff., 27, spielen Ausnahmen ohnehin eine zahlenmäßig wlbedeutende Rolle.

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Grenzen nicht. Die Richtlinien 82/501/EWG (Seveso-Richtlinie)220 und 84/360/EWG221 , die hier besondere Bedeutung haben könnten, gelten nicht für militärische Anlagen222 bzw. für Anlagen, die Zwecken der Landesverteidigung dienen223 .

§ 60 Abs. I Satz 2 BlmSchG verpflichtet den BMVg, bei der Zulassung von Ausnahmen den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen. "Berücksichtigen" verlangt weniger als "Beachten"224. § 60 Abs. I Satz 2 erlaubt dem BMVg daher zuzulassen, daß Verteidigungsanlagen schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen, da anderenfalls keine Ausnalune möglich wäre. Die Zulassung einer Ausnahme beruht auf einer Abwägung zwischen Gründen der Verteidigung und den Belangen des Immissionsschutzes. Die Berücksichtigungspflicht formuliert hierfür nicht lediglich einen abwägungserheblichen Belan~25, denn dann wäre sie überflüssig. Da eine Ausnalune nur zugelassen werden darf, soweit sie erforderlich ist, diente § 60 Abs. 1 Satz 2 nur der Formulierung des den Gründen der Verteidigung entgegenstehenden Belangs, der sich aber bereits aus § 60 Abs. 1 Satz 1 ergibt. Die Berücksichtigungspflicht geht darüber hinaus. Mit der erneuten Benennung hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, daß dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen besonderes Gewicht zukommt226 . Eine Ausnalune kann nur dann zugelassen werden, wenn die von ihr verursachte zusätzliche Umweltbelastung so weit wie möglich vermindert wird. Daher muß der Zulassung eindeutig zu entnehmen sein, von welchem Anforderungen Dispens erteilt wird 220 Richtlinie des Rates über die Gefahren schwerer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten vom 24.6. I 982 (ABI. EG Nr. L 230 S. I, ber. Nr. L 289 S. 35), zu!. geändert durch Richtlinie vom 23.12. 199 I (ABI. EG Nr. L 377 S. 48) [= UlelLaubinger, BImSchG, RvB E 8). Diese Richtlirue tritt mit Wirkung vom 3.2. 1999 außer Kraft und wird durch die Richtlinie 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen vom 9.12.1996 (ABI. EG 1997 Nr. L 10 S. 13) [= UlelLaubinger, BImSchG, RvB E 40) ersetzt werden. 221 Richtlinie des Rates zur Bekämpfung von Luftverunreinigungen durch Industrieanlagen vom 28.6.1984 (ABI. EG Nr. L 188 S. 20), geändert durch Richtlinie vom 23.12.1991 (ABI. EG Nr. L 377 S 48) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB E 10). 222 Art. 2 Nr. 1 der Seveso-Richtlinie; älUllich Art. 4 Buchst. a der Richtlinie 96/82/EG: die Richtlinie gilt nicht flir militärische Einrichtungen, Anlagen wld Lager.

Art. 15 der Richtlinie 841360/EWG. 224 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 39; Führ, in: GKBImSchG, § 60 Rdnr. 24. 225 So aber OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§5 Fußn.lOl), Ule/Laubinger, BImSchG-Rspr. § 60 Nr. 2 S. 8. 226 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 24. 223

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und welchen Anforderungen die Anlage statt dessen genügen muß (z.B. Zulassung der Überschreitung eines bestimmten Emissionswertes um 10 % oder Angabe des von der militärischen Anlage einzuhaltenden Grenzwertes). Außerdem kommen Nebenbestimmungen zur Ausnahmezulassung in Betracht227 , etwa in der Form zeitlicher Einschränkungen des Anlagenbetriebs. Der BMVg muß aber auch die Festlegung geeigneter Ausgleichs- oder Ersatzmaßnalunen in Erwägung ziehen, wie z.B. Maßnalunen des passiven Schallschutzes oder Entschädigungen fiir Wertminderungen228 . Die Berucksichtigungspflicht macht die Zulassung einer Ausnalune nicht zu einer Planungsentscheidung229 , denn sie fiihrt nicht zu einem mehrdimensionalen Abwägungsvorgang. § 60 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG verstärkt lediglich das Gewicht der in die Ermessensentscheidung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 einzustellenden Umweltbelange230 . Ob das allerdings ausreicht, um der Berücksichtigungspflicht drittschützenden Charakter zuzuerkennen231 , ist zweifelhaft. Denn sie erhöht lediglich das Gewicht bestehender immissionsschutzrechtlicher Belange, ohne eine eigenständige Rechtsposition Dritter zu begrunden232 . Drittschutz besteht daher nur dann, wenn eine Ausnalune von einer drittschützenden Pflicht zugelassen wird. Noch nicht abschließend geklärt ist die Rechtsnatur der Zulassung einer Ausnahme. Sie enthält, da sie den Anlagenbetreiber von der Pflicht zur Einhaltung bestimmter materieller Anforderungen freistellt, eine Regelung i.S.v. § 35 Satz I VwVfG 233 • Die Ausnalunezulassung ist auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet, denn sie wirkt unmittelbar auf Rechte und Pflichten anderer Personen als des Bundes ein234 . Zwar ist der Adressat eine Dienststelle des Bundes. Die

227 OVG Münster, Besch!. v. 2.3.1989 (§ 3 Fußn. 11), Ule/Laubinger, BlmSchGRspr. § 60 Nr. 3 S. 7; Führ, in: GK-BlmSchG, § 60 Rdnr. 25; Hansmann, in: LandmannlRohrner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr. 7; Jarass, BlmSchG, § 60 Rdnr. 6a; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. 39. 228 VgJ. Führ, in: GK-BlmSchG, § 60 Rdnr. 25; Jarass, BlmSchG, § 60 Rdnr. 6; BVerwG, Urt. v. 23.5.1991 (Fußn. \80), Ule/Laubinger, BlmSchG-Rspr. § 60 Nr. 5 S.7. 229 So aber Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 100. 230

Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap. VI Rdnr. 6.

231 So wohl Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, VI Rdnr. 6. 232

Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 105 f.

233 Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 60 Rdnr. C 42; OVG Münster, Urt. v.

\0.\1.l986 (§ 5 Fußn. 10 \), Ule/Laubinger, BlmSchG-Rspr. § 60 Nr. 2 S. 2 f. 234 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 28. AA Stich/Porger, Immissionsschutzrecht, § 60 Er!. 6: Unmittelbare Außenwirkung bestehe nicht, weil der BMVg eine AusnaJune nur zulassen, nicht aber selbst treffen könne.

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Befreiung von nachbarschützenden Anforderungen begründet aber zugleich eine entsprechende Duldungspflicht der Nachbarn235 • Auch die Befreiung von Anforderungen, die lediglich dem Interesse der Allgemeinheit dienen, berührt Rechte Dritter, nämlich diejenigen der Länder. Die Ausnahme verwehrt es den zuständigen Landesbehörden, die Einhaltung dieser Anforderungen z.B. durch den Erlaß nachträglicher Anordnungen durchzusetzen. Unmittelbare Rechtswirkungen für das Land enthält die Ausnahmezulassung dann, wenn sie auf den Normvollzug einwirkt. Die Qualifizierung der Ausnahmezulassung als Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Satz I VwVfG setzt schließlich die Regelung eines Einzelfalls voraus. Dieses Tatbestandsmerkmal, das der Abgrenzung des Verwaltungsakts von der Rechtsnorm dient, setzt, wie den unterschiedlichen Verfaluens- und Publikationserfordernissen zu entnehmen ist, bei dem Adressatenkreis an236 : Ist der Adressatenkreis geschlossen, liegt ein VA vor, ist hingegen offen, an wen sie die Regelung richtet oder später richten wird, handelt es sich um eine Rechtsnorm237 • Die Zulassung einer Ausnahme ist immer an die Bundeswehr38 gerichtet. Das ist unabhängig davon, ob die Ausnahme für eine konkrete Anlage oder für eine bestimmte Anlagenart zugelassen wird239 • Die Zulassung einer Gleiches gilt für eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BlmSchG, die entgegen der Ansicht von Schröders (BWV 1997 S. 204 ff., 221 ff., 225) Außen wirkung hat, weil sie für die Nachbarn festlegt, was Rechtens ist, und deshalb Verwaltungsakt ist. m Laubinger, in: UleJLaubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr. C 43; OVG Münster, Urt. v. 10.11.1986 (§ 5 Fußn. 10 I), UlelLaubinger, BlmSchG-Rspr. § 60 Nr. 2 S. 3. 236 Abweichend Erichsen, in: ders., AllgVerwR, § 12 Rdnr. 42 (S. 266): Abzustellen ist auf die Zahl der personalen Adressaten und die Zahl der geregelten Lebenssachverhalte. Für die hier interessierenden Regelungen ergeben sich daraus keine anderen Ergebnisse. 237 UlelLaubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 48 Rdnr. 14 (S. 483 f.); Laubinger, in: UlelLaubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr. C 45; ders., VerwAreh. 78 (1987) S. 345 ff., 355 Fußn. 165. 238 Oder an eine juristische Person des Privatrechts, die für die Bundeswehr bestimmte Anlagen betreibt, wie etwa die Fernleitungsbetriebsgesellschaft (dazu oben im Text bei § 2 Fußn. 50) für die Mineralölfernleitungen des NATO-Pipelinenetzes. 239 Delbrück, Umweltpflichtigkeit, S. 44; Feldhaus, in: ders., Bundesirrunissionsschutzrecht, § 60 Anm. 3; GallaslEisenbarth. UPR 1986 S. 411 tf., 419; Jmuss, BImSchG, § 60 Rdnr. 2; Steinberg, Nachbarrecht der öffentlichen Anlagen, Kap, VI Rdnr.6, Abw. Laubinger, in: UleJLaubinger, BlmSchG, § 60 Rdnr, C 45: Für eine Anlagenart, bei der die Anzahl der betrofrenen Anlagen noch nicht feststehe, sei eine VO erforderlich; Engelhardt, BlmSchG, § 60 Rdnr. 3: Ausnahmen für eine Anlagenart ergehen immer als VO; anders nunmehr EngelhardtJSchlicht, BImSchG, § 60 Rdnr, 3a: Allgemeinverfügung; Hansmalln, in: LandmarmlRoluner, Umweltrecht I, § 60 Rdnr, 20: Ausnahmen ftlr Anlagenarten seien Allgemeinverfügungen i.S.v. § 35 Satz 2 VwVfG; Führ, in: GK-BlmSchG, § 60 Rdnr. 29: Ausnalune als Allgemeinverfugung bei Regelung für einen klar defmierten Kreis von Einzelfallen; Bentman", lrrunissions-

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Ausnalune ist daher immer ein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Satz I VwVfG. Dafiir spielt es auch keine Rolle, ob bei der Ausnahme für eine Anlagenart der Kreis der betroffenen Anlagen geschlossen ist, die Ausnahme also für unbestimmt viele Sachverhalte gilt: Auch individuell-abstrakte Regelungen sind Verwaltungsakte, weil sie sich nur an einen Adressaten richten240 . Ob sich die Regelung bei künftigen Ereignissen verwirklichen wird, ist für die Frage der Einzelfallregelung irrelevant, wie auch das klassische Beispiel der Verpflichtung zur Straßenreinigung "nach jeder Verunreinigung" zeigt. Für ihren Erlaß gelten - da das Bundes-Imrnissionsschutzgesetz insoweit keine Regelungen enthält - die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften241 . Zur Einleitung des Ausnahmezulassungsverfahrens bedarf es eines Antrags, der BMVg wird nicht von sich aus tätii 42 . Wird die Ausnahmezulassung bei der Errichtung oder Änderung einer Anlage erforderlich, so ist die das Vorhaben durchführende Stelle243 antragsberechtigt244. Ändern sich die materiellen Anforderungen an eine bestehende nicht genehmigungsbedürftige Anlage, ist eine evtl. erforderlich werdende Ausnahme vom Anlagenbetreiber, d.h. der Dienststelle, deren Personal die Anlage bedient und nutzt245 , zu beantragen. Anträge auf Zulassung einer Ausnahme sind ausführlich zu begründen und über die WehrbereichsverwaItung, der der BMVg die in § 1 der schutzrecht und militärische Anlagen, S. 103 f.: Die Zulassung einer Ausnahme für eine Anlagenart sei Allgemeinverfügung, da die Zahl der Adressaten im Zeitpunkt des Erlasses offen und unbestimmt sei, die von der Regelung Betroffenen sich jedoch durch ihre Beziehung zum geregelten Sachverhalt definieren ließen. 240 Erichsen, in: ders., AllgVerwR, § 12 Rdnr. 45 (S. 267); Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 14 Rdnr. 6 (S. 248). Auf das von Erichsen eingeführte ergänzende Merkmal der Zahl der geordneten Lebenssachverhalte kommt es damit - auch nach seiner Auffassung - nicht an. Mehrere Lebenssachverhalte können in einern Bescheid als Sarnrnelverftlgung zusarnrnengefaßt werden, ohne daß sich an der Qualität als Verwaltungsakt etwas ändert. 241 Laubinger, in: Ule/Laubinger, BIrnSchG, § 60 Rdnr. C 49; Führ, in: GKBImSchG, § 60 Rdnr. 31. 242 Vgl. auch Nr. III 2, 3 der Bestimmungen zur Durchführung besonderer Verwaltungsverfahren bei Anlagen der Bundeswehr, der NATO und der Streitkräfte der Entsendestaaten - BMVg S 14 - Az.: 68-01-01110 - vorn 10.5.1982. 243 Das Bundesamt flir Bauwesen und Raumordnung (bis 31.12.1997 die Bundesbaudirektion), die Finanzbauverwaltung des Landes oder die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung. 244 Vgl. NT. III 2 der Bestinuuungen vorn 10.5.1982 (Fußn. 242). 245 Betroffene Dienststelle i.S.v. NT. 3 der Bestimmungen des Bundesministers der Verteidigung zur "Vierzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Irnmissionsschutzgesetzes (Verordnung über Anlagen der Landesverteidigung - 14. BIrnSchV)" vorn 9. April 1986 (BGBI. I S. 380) vorn 12.1.1987 - S 14 Az.: 63-10-06/14 -, abgedruckt bei Ule/Laubinger, BIrnSchG, RvB A 14.1.

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14. BImSchV genannten Zuständigkeiten weitgehend übertragen hat246, dem BMVg vorzulegen247 • An Umfang lUld Inhalt der BegründlUlg wird man die gleichen AnfordeflUlgen zu stellen haben, denen ein Antrag auf ZulasslUlg von AbweichlUlgen vom UVP-Gesetz248 genügen muß. Sofern die ZulasslUlg von Ausnahmen von nachbarschützenden Vorschriften (z.B. von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSehG) beantragt wird, hat der BMVg die potentiell betroffenen Nachbarn zu benachrichtigen lUld nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auf ihren Antrag als Beteiligte zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Sie sind nach der HinzuziehlUlg gemäß § 28 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG anzuhören249 • Dies obliegt nicht der antragstellenden Behörde oder der Wehrbereichsverwaltung, da das Verwaltungsverfahren zur Zulassung einer Ausnahme erst mit dem Eingang des Antrags beim BMVg in Gang gesetzt wird. Da die AusnahmezulasSlUlg in keinem Fall als Allgemeinverfügung, sondern inuner als Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Satz I VwVfG ergeht, kann von der AnhÖflUlg nicht nach § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abgesehen werden250 . Sie unterbleibt jedoch gemäß § 28 Abs. 3 VwVfG, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegenstehe51 • Hierfür konunen nur solche Belange des militärischen Geheimnis- lUld des Sabotageschutzes in Betracht252 , die auch eine Einschränkung der Öffentlichkeitsbeteiligung in einem Genehmigungsverfahren nach § 2 Abs. 2 der 14. BImSchy253 rechtfertigen würden. Die AnhöflUlg ist nach § 28 Abs. 3 VwVfG aber nur insoweit ausgeschlossen, wie das entgegenstehende öffentliche Interesse dies verlangt. Im Regelfall wird das nur für Teile des Verfahrensgegenstandes der Fall sein254 , fiir die übrigen Teile ist die AnhÖflUlg im Rahmen von § 28 Abs. I lUld 2 YwVfG durchzuführen.

246 247

248

Vgl. Nr. 4.1 der Bestimmungen zur 14. BImSchV (Fußn. 245). Nr. III 3 der Bestimmungen vom 10.5.1982 (Fußn. 242). Siehe oben § 9 A V.

249 Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 31; Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 7; Laubinger, in: Ule!Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnf. C 49. 250 A.A. Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. C 49; Führ, in: GKBlmSchG, § 60 Rdnr. 31 mit Fußn. 44. 251 Zur Problematik dieser Bestimmwlg näher Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 24 Rdnr. 16 (S. 240 f.). 252 Vgl. Kopp, VwVfG, § 28 Rdnr. 57. 253 Dazu unten § 10 C 11. 254 Kopp, VwVfG, § 28 Rdnr. 58.

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2. Abweichungsbefugnis Befugnisse zur Abweichung von materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen bestehen für ortsveränderliche Anlagen i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSehG, für Kraftfahrzeuge und für die Teilnahme von Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr.

a) Bei ortsveränderlichen Anlagen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 BJmSchG) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG darf die Bundeswehr bei ortsveränderlichen Anlagen (§ 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSehG), die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung in ihrem Bereich bestimmt sind, von den Vorschriften des BlmSchG und der auf das BlmSchG gestützten Verordnungen des Bundes und der Länder abweichen, soweit dies zur Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben zwingend erforderlich ist. Abweichungen sind von den gleichen Vorschriften möglich, von denen für ortsfeste Anlagen Ausnahmen zugelassen werden können255 . Das sind nach der hier vertretenen Auffassung lediglich die materiellen Primärpflichten und die Sekundärpflichten zur Eigenüberwachung. Ein Abweichen ist nicht für alle ortsbeweglichen Anlagen der Bundeswehr zulässig. Privilegiert sind nur solche Anlagen, die ihrer Bauart nach ausschließlich zur Verwendung in ihrem Bereich bestimmt sind. Die Anlage muß speziell für die Verwendung durch die Bundeswehr konstruiert und gebaut sein und sich deutlich von zivilen Anlagen unterscheiden256 . Die Nutzung der Bauart auch durch Streitkräfte anderer Staaten oder im Rahmen von NATO-Standardisierungen steht der Privilegierung nicht entgegen257 . Gleiches gilt, wenn sich später herausstellt, daß die Anlage auch für zivile Zwecke, etwa des Katastrophenschutzes, verwendbar ise 58 . Bei einer zivilen Nutzung der für die Bundeswehr konstruierten Anlagen sind jedoch die nonnalen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen einzuhalten, da die Privilegierung nach § 60 255 Bentmann, Inunissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 112; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 42; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S. 417 fT., 420; Hansmann, in: LandmannJRohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdm. 26; Jarass, BlmSchG, § 60 Rdnr. 12; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdm. D 11. 256 Bentmann, Inunissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 110; Feldhaus, in: ders., Bundesimmissionsschutzrecht, § 60 Anm. 4; Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr.41; GallasiEisenbarth, UPR 1986 S.417 fT., 420; Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdm. 24; Jarass, BImSchG, § 60 Rdm. 11; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdm. D 4. 257 Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdm. D 4; Hansmann, in: LandmannJRohmer, Umweltrecht I, § 60 Rdm. 24. 258 Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdm. D 4.

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Abs. 2 Satz 1 BImSchG ausschließlich für die Bundeswehr als Betreiber der Anlage gilt. Läßt sich die Anlage aber so umrüsten, daß sie bei der zivilen Nutzung dem BlmSchG entspricht, ist die Abweichung durch die Bundeswehr nicht zwingend erforderlich. Zu den von § 60 Abs. 2 Satz 1 BImSchG erfaßten Anlagen gehören insbesondere Waffen und Pioniergeräte259 . Die tatbestandliehe Beschreibung der privilegierten Anlagen verdeutlicht, daß § 60 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine einer Bauartzulassung aufgrund des § 33 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG vergleichbare "Bauartprivilegierung" vorsieht. Gegenstand der Bauartprivilegierung sind Anforderungen an die Beschaffenheit und den Betrieb der Anlage, die weitgehend bereits bei der Konstruktion und Herstellung zu berücksichtigen sind. In einer Verordnung nach § 33 Abs. 1 Nr. I dürften solche Privilegierungen nicht vorgesehen werden, da die Bauartzulassung nur zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen eingeführt werden darf60. Die Abweichungsbefugnis des § 60 Abs. 2 Satz 1 sieht eine Bauartzulassung vor, damit die Bundeswehr ihre Aufgaben erfüllen kann. Es ist daher nicht recht einzusehen, warum sie nicht von einer ausdrücklichen Entscheidung des BMVg abhängig gemacht wurde261 • Die Befugnis zur Abweichung besteht jedoch kraft Gesetzes. Da sie vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängt, bedarf es einer Entscheidung über deren Vorliegen. Eine solche Entscheidung ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls262 . Ihre Regelung liegt in der Feststellung, daß die Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Privilegierung gegeben sind. Diese Feststellung ist auch auf unmittelbare Außenwirkung gerichtet: Zwar gibt es bei ortsveränderlichen Anlagen üblicherweise keine echten Nachbarn, denen notwendig eine Duldungspflicht auferlegt werden könnte263 ; allerdings wird - wie auch bei der Zulassung einer Ausnahme gegenüber der zuständigen Landesbehörde der Umfang der inunissionsschutzrechtlichen Pflichten und damit korrespondierend eine Einschränkung der behördlichen Eingriffsbefugnisse z.B. nach §§ 17, 24 BlmSchG festgestellt. Die Entscheidung, daß die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Satz 1 BImSchG vorliegen, stellt danach immer einen feststellenden Verwaltungsakt i.S.v. § 35 Feldhaus, in: ders., BWldesimmissionsschutzrecht, § 60 Aruu. 4. Jarass, BimSchG, § 33 Rdnr. 16. 261 Vgl. auch EngelhardtiSchlicht, BimSchG, § 60 Rdnr.7, der Regelungen des BMVg durch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift für geboten erachtet. Ähnlich Führ, in: GK-BimSchG, § 60 Rdnr. 43. 262 Laubinger, in: UIe!Laubinger, BimSchG, § 60 Rdnr. D 22. 259 260

263 Laubinger, in: Ule!Laubinger, BimSchG, § 60 Rdnr. D 22; Führ, in: GKBImSchG, § 60 Rdnr. 47.

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Satz 1 VwVfG dar 64 . Für diese Feststellung ist die Stelle der Bundeswehr zuständig, die die Anlage errichtet, anschafft oder betreibt265 • Europarechtliche Grenzen der Abweichwlgsbefugnis gibt es nicht, weil die einschlägigen Richtlinien militärische Maschinen von ihrem Anwendungsbereich ausschließen266 und die deutschen Umsetzungsnonnen nicht über den begrenzten Anwendungsbereich hinausgehen267 . § 60 Abs. 2 enthält keine dem § 60 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Vorschrift. Es ist kein Grund dafiir ersichtlich, daß bei ortsveränderlichen Anlagen dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen eine geringere Bedeutung zukommen soll als bei ortsfesten Anlagen268 . Der Innenausschuß des Bundestages, auf den die geltende Fassung des § 60 Abs. 2 zurückgeht269 , hat sich dazu nicht geäußert. Zwar könnte versucht werden, die unterschiedlichen Entscheidungsstrukturen als Feststellung (Abs. 2) bzw. als Begründung (Abs. 1) der Privilegierung fiir die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung der Umweltgesichtspunkte heranzuziehen. Zwingend ist das jedoch nicht. Die besseren Gründe sprechen fiir die Annalune, daß eine Bezugnalune auf § 60 Abs. 1 Satz 2 lediglich vergessen wurde. Denn der Regierungsentwurf sah eine einheitliche Ausnahrneregelung für ortsfeste und ortsveränderliche Anlagen vor, die eine Berücksichtigungsklausel enthielt. Die Entscheidungsstrukturen weichen nicht wesentlich voneinander ab. Sowohl bei der konstitutiven Ausnahmezulassung wie bei der deklaratorischen Abweichungsentscheidung ist eine Abwägung zwischen den Verteidigungs- und den Umweltbelangen notwendig. Man mag dies als Geltungsbeschränkung des Gesetzes auffassen270 . 264

AA Engelhardt/Schlicht, BImSchG, § 60 Rdnr. 7.

Führ, in: GK-BImSchG, § 60 Rdnr. 46; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. D 21. 266 Siehe z.B. Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Baugeräte und Baumaschinen: Gemeinsame Bestinunungen (84/532/EWG) vom 17.9.1984 (ABI. EG Nr. L 300 S. 111), geändert durch Richtlinie vom 21.12.1988 (ABI. EG Nr. L 382 S. 42) [= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB E 11): Sie gilt nach ihrem Art. 1 Abs. 1 nur für Geräte und Maschinen, die zu Arbeiten auf Baustellen des Baugewerbes dienen. 267 Vgl. die Fünfzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Inunissionsschutzgesetzes (Baumaschinenlärm-Verordnung - 15. BImSchV) vom 10.11.1986 (BGBI. I S. 1729), zul. geändert durch VO vom 14.3.1996 (BGBI. I S. 513) [= Ule/ Laubinger, BImSchG, RvB AIS). Sie greift mit ihrem § 1 Abs. 1 die Ge1twlgsbereichsbestinunung der Richtlinie 84/532/EWG auf, d.h. sie gilt nicht für militärische Maschinen wie z.B. schweres Piollier- oder Räwngerät. Vgl. dazu auch UlelLaubinger, BImSchG, RvB A 15.0 Rdnr. BI. 268 Vgl. Laubinger, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 60 Rdnr. D 17. 269 Siehe dazu Ule/Laubillger, BlmSchG, § 60 Rdnr. A 5. 270 Jarass, BImSchG, § 60 Rdnr. 9. 265

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Die engen Voraussetzungen für die Abweichung lassen keine andere Vorgehensweise bei der Entscheidung zu, als dies bei der konstitutiven Ausnahmezulassung der Fall ist. Daß die Bezugnalune auf § 60 Abs. 1 Satz 2 fehlt, beruht daher nicht auf einer bewußten gesetzgeberischen Entscheidung. Dieser Umstand ist auch nicht durch Sachgesetzlichkeiten begriindbar. Die Lücke ist im Wege der Analogie zu schließen. Bei der Ennessensentscheidung, ob die Bundeswehr von der durch § 60 Abs. 2 Satz 1 eingeräumten Befugnis Gebrauch macht ("darf'), ist daher in entsprechender Anwendung des § 60 Abs. 1 Satz 2 BImSchG der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu berücksichtigen271 • b) Bei Kraftfahrzeugen (§ 70 Abs. 4 Satz J StVZO)

Materielle immissionsschutzrechtliche Anforderungen an die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen enthalten die u.a. aufgrund des § 38 Abs. 2 BImSchG erlassenen272 §§ 47 ff. StVZO. Die Bundeswehr ist nach § 70 Abs.4 Satz 1 StVZO von diesen Vorschriften befreit, "soweit dies zur Erfiillung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dringend geboten ist". Für die Anforderungen an das Abgasverhalten und die Lärmentwicklung verweist die StVZO auf Richtlinien der EG. Diese Richtlinien verbieten es den Mitgliedstaaten lediglich, die Betriebserlaubnis rur ein Kraftfahrzeug zu versagen, wenn die festgelegten Grenzwerte eingehalten werden. Sie verlangen nicht, den Betrieb solcher Kraftfahrzeuge zu verhindern, die die Grenzwerte überschreiten, und stehen damit einer Freistellung der Bundeswehr nicht entgegen. Die Befreiung von den §§ 47 ff. StVZO kommt rur alle Fahrzeuge der Bundeswehr in Betracht273 • Voraussetzung ist, daß die Aufgabe der Bundeswehr nicht erfiillt werden kann, wenn die §§ 47 ff. beachtet würden274 . Das ist nur dann der Fall, wenn die Einhaltung der Abgas- und Lännwerte wegen der besonderen Anforderungen der Landesverteidigung technisch nicht möglich ist. Allein ein finanzieller Mehraufwand rechtfertigt keine Befreiung. Da bei der Inanspruchnahme des § 70 Abs. 4 Satz I StVZO die öffentliche Sicherheit und 271 Fahr, in: GK-BlrnSchG, § 60 Rdnr. 44; Hansmann, in: LandmannIRohrner, Umweltrecht 1, § 60 Rdnr. 27; Laubinger, in: UleJLaubinger, BlrnSchG, § 60 Rdnr. D 17. 212 Vgl. Jarass, BlrnSchG, § 38 Rdnr. 24; Schulze-Fielitz, in: GK-BlrnSchG, § 38 Rdnr.20. 273 Berr, in: RüthlBerrfBerz, § 70 StVZO Rdnr. 12. 274

Berr, in: RüthlBerrfBerz, § 70 StVZO Rdnr. 10.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Ordnung gebührend zu berücksichtigen ist, müssen die Abgas- und Lännemissionen auf das technisch mögliche Mindestmaß reduziert werden. c) Bei der Teilnahme am Straßenverkehr

§ 35 Abs. I StVO stellt die Bundeswehr von der Beachtung der Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung frei, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist. Einige Bestimmungen dieser Verordnung zielen zwar auch auf eine Emissionsbegrenzung275 , sie dienen aber nicht ausschließlich dem Immissionsschutz, sondern verfolgen vorrangig Ziele der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Daher sollen sie hier nicht weiter erörtert werden.

Die Teilnahme am Straßenverkehr regeln unter dem Gesichtspunkt des medialen Umweltschutzes die auf § 40 Abs. I BlmSchG gestützten Bestinunungen der Smog-Verordnungen der Länder. In diesen Verordnungen werden aufgrund des § 49 Abs. 2 Satz I BImSchG Smog-Gebiete festgesetzt. Aufgrund des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG erklären die Smog-Verordnungen Teile der SmogGebiete zu Sperrgebieten. In ihnen ist die Benutzung von Kraftfahrzeugen während der Smog-Alannstufen I und 2 verboten. Dieses Verkehrsverbot gilt für Kraftfahrzeuge der Bundeswehr jedoch nicht uneingeschränkt. Die Smog-Verordnungen in Nordrhein-Westfalen276 , Saarland277 , Sachsen278 , Sachsen-Anhalt279 und Thüringen280 nehmen Dienstkraftfahrzeuge der Bundeswehr dann von dem Verkehrsverbot aus, wenn sie sich im dienstlichen Einsatz befinden und "die Fahrten zur Aufgabenerfüllung erforderlich und unaufschiebbar sind". Mit der Aufgabenerfüllung kann nur die Aufgabe der Einheit oder Dienststelle gemeint sein, die das Kraftfahrzeug benutzt, denn die Entscheidung über die Durchführung der Fahrt wird auf einer Verwaltungsebene getroffen, die die Erforderlichkeit der Fahrt für die Aufgabenerfüllung der Streitkräfte insgesamt aus tatsächlichen Gründen nicht beurteilen kann. Unaufschiebbar ist die Fahrt dann, wenn die Aufgabe der Einheit oder Dienststelle nur dadurch erfüllt werden kann, daß der mit der Fahrt erstrebte Erfolg vor dem voraussichtlichen Ende der austauschannen Wetterlage herbeigeführt werden

275

Vgl. die Beispiele bei Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rdnm. 159 fT. (S. 987 fT.).

276

§ 9 Abs. I Nr. 5 SmogVO. § 8 Abs. I Nr. 5 SmogVO. § 11 Abs. I Nr. 5 SmogVO. § 9 Abs. I Buchst. e SmogVO. § 8 Abs. I Nr. 5 SmogVO.

277

278 279 280

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269

muß28 1 • Daher ist inuner eine Prognose zu stellen, wie lange der Smog-Alann voraussichtlich noch andauern wird. Die Freistellung von dem Verkehrsverbot hat der BMVg in seinem SmogErlaß 282 erfreulicherweise zeitlich und räumlich eingeschränkt. Bereits während der Vorwarnstufe, also im Vorfeld einer Verkehrsbeschränkung, und über die Sperrgebiete hinaus innerhalb des gesamten Smog-Gebietes ist der Kraftfahrzeugverkehr einzuschränken, sofern die Fahrten nicht zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten sind283 . Während der Alarmstufen I und 2 sind Fahrschul- und Übungsfahrten in den Sperrbezirken untersagt284. Lediglich die Smog-Verordnung des Landes Sachsen-Anhalt verlangt in ihrem § 9 Abs. 1 Buchst. e fiir die Inanspruchnahme der Freistellung von dem Verkehrsverbot, daß ein schriftlicher Fahrtauftrag bescheinigt, daß die Fahrt zur Aufgabenerfüllung erforderlich und unaufschiebbar ist. Auch in den übrigen Bundesländern wird man jedoch die Freistellung davon abhängig machen müssen, daß die Bundeswehr die Voraussetzungen der Freistellung nachweist. Der Smog-Erlaß schreibt vor, daß die Freistellung von dem Verkehrsverbot nur in Anspruch genommen werden darf, wenn für die Dienstfahrt über den allgemein erforderlichen Fahrbefehl hinaus eine besondere Genelunigung des Bataillonskommandeurs oder des Wehrbereichskommandos vorliegt285. Der Smog-Erlaß gibt keine Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen die Genelunigung durch die übergeordnete Stelle erteilt wird. Über den Antrag wird daher nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Schon die Pflicht, eine solche Genelunigung mit dem damit verbundenen Begründungsaufwand einholen zu müssen, dürfte eine deutliche Reduzierung der Kraftfahrzeugbenutzung bewirken. Eine solche Genelunigung hat insbesondere bundeswehrinterne Bedeutung. Sie bindet die fiir die Überwachung des Verkehrsverbotes zuständigen Behörden nicht. Allerdings ist sie ein wichtiges Hilfsmittel für den Nachweis, daß die Freistellungsvoraussetzungen vorliegen. Eine den Smog-Verordnungen vergleichbare Regelung enthält § 40d Abs. 3 Satz I BImSchG für die Behandlung von Fahrzeugen der Bundeswehr bei Verkehrsverboten bei erhöhten Ozonkonzentrationen (sog. Sommersmog). Von 281 Abw. OVG Saarlouis, Beschl. vom 23.9.1991 - 8 N 3/91 -, Ule/Laubinger, BImSchG-Rspr. § 40 Nr. 6 S. 4: Unaufschiebbar ist eine Fahrt dann, wenn sie nicht einmal einen kurzen Aufschub duldet.

282 Beschränkung des Kraftfahrzeugverkehrs der Bundeswehr in Smog-Gebieten bei austauscharmen Wetterlagen (Smog), Erlaß vom 23.1.1986 (VMBI. S. 73). 283 Nr. 5 Buchst. a des Smog-Erlasses (Fußu. 282). 284 Nr. 5 Buchst. b des Smog-Erlasses (Fußn. 282). 285 Nr. 5 Buchst. b des Smog-Erlasses (Fußn. 282).

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Vierter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

dem Verkehrsverbot sind Fahrzeuge ausgenommen. für die Sonderrechte nach § 35 StVO beansprucht werden können. Gegenüber dieser Sonderregelung vorrangig ist § 40c Abs. 1 BImSehG: Das Verkehrsverbot gilt nicht für Kraftfahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß. Diese Privilegierung steht der Bundeswehr wie jedem anderen ZU286 . Die hiervon betroffenen Fahrzeuge sind mit einer amtlichen Plakette zu versehen, die von Dienststellen der Bundeswehr ausgegeben wird287 . Fahrzeuge, die nicht unter diese Regelung fallen, sind nach § 40d Abs. 3 privilegiert. Diese Bestimmung nimmt die Privilegierungsvoraussetzungen des § 35 StVO in ihren Tatbestand auf, d.h. die Bundeswehr ist von dem Verkehrsverbot befreit, wenn die jeweilige Fahrt zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist288 . In seinem Ozon-Erlaß betont der BMVg, daß die straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis nach § 35 Abs. 2 StVO für eine übermäßige Straßeninanspruchnahme auch bei der Inanspruchnahme der Sonderrechte notwendig ise89 . Das hat mit der immissionsschutzrechtlichen Regelung des § 40d Abs. 3 BImSchG allerdings nichts zu tun, denn diese Erlaubnis hat keinen für die Ozonkonzentrationen relevanten Prüfungs- und Entscheidungsgegenstand. Die Privilegierungsvoraussetzungen, über deren Vorliegen der Bataillonskommandeur entscheidet290 , verlangen eine Abwägung zwischen den Verteidigungs- und den Immissionsschutzbelangen. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Fahrt mit einem Kraftfahrzeug mit geringem Schadstoffausstoß durchgeführt 286 Schröders, BWV 1996 S. 202 ff., 208; Absclmitt 2 Abs. 2 des Erlasses ,,Kraftfahrzeugverkehr der BWldeswehr auf öffentlichen Straßen bei erhöhten Ozonkonzentrationen - ErstfassWlg" vom 29.2.1996 (VMBI. S. 202), geändert durch Erlaß vom 30.9.1997 (VMBI. S. 339). 287 Vgl. die DurchfilhrungsbestinunWlgen der Zentralen Militärkraftfahrtstelle der Bundeswehr zum Ozon-Erlaß (Fußn. 286), die dem Ozon-Erlaß als Anlage beigefügt ist. Gegen diese Zuständigkeit bestehen keine Bedenken. Das Landesrecht weist die Ausgabe der Plaketten nach § 40c Abs. 2 Satz 2 BImSchG u.a. den Zulass\D1gsstellen zu. Deren Aufgabe obliegt im Dienstbereich der BWldeswehr gemäß § 68 Abs. 3 StVZO deren Stellen. Einer ausdrücklichen Ennächtigung der Bundeswehr-Dienststellen zur Plakettenausgabe, wie sie in Nr. 3.2 des nordrhein-westfälischen Gern. Er\. zur Durchfilhrung der §§ 40a bis e des BWldes-Immissionsschutzgesetzes (BImSehG) - Verkehrsverbote bei erhöhten Ozonkonzentrationen - vom 5.7.1996 (MB\. NW. S. 1163) [= Viel Laubinger, BImSchG, RvL NRW 77] vorgesehen ist, bedarf es daher nicht. 288 Absclmitt 4 Abs. I des Ozon-Erlasses (Fußn. 286); Schröders, BWV 1996 S. 202 ff.,207. 289 Absclmitt 4 Abs. 2 des Ozon-Erlasses (Fußn. 286); ebenso Schröders, BWV 1996 S. 202 ff., 207. 290 Absclmitt 5 Abs. I des Ozon-Erlasses (Fußn. 286). Die Feststellung, daß die Privilegierungsvoraussetzungen vorliegen, bedarf nach Absclmitt 5 Abs. 2 des OzonErlasses der Schriftfonn.

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werden kann291 oder ob eine Verschiebung bis zum Ablauf des Verkehrsverbotes möglich ist. Sofern das bejaht werden kaIlI\ liegen die Voraussetzungen für die Privlegierung nicht vor. Entsprechende Regelungen gelten für zivile Kraftfahrzeuge, die im Auftrag der Bundeswehr benutzt werden292 . Il. Immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren (§ J0 Abs. JJ BImSehG) Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, sind genehmigungsbedürftig, wenn sie im Anhang der 4. BImSchV aufgefiihrt sind und nicht zu den in § 4 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, § 1 Abs. 1 Satz 2 der 4. BImSchV genannten Anlagen gehören293 • Diese Einschränkung beruht darauf, daß das Bundes-Immissionsschutzgesetz hinsichtlich der Anlagen, die nur andere schädliche Umwelteinwirkungen als Luftverunreinigungen und Geräusche hervorrufen können, aufgrund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG erlassen wurde294 . Das Recht der Wirtschaft erfaßt sämtliche Auswirkungen der Anlagen der Wirtschaft. Es hätte dem Bund freigestanden, diese Anlagen der Bundeswehr aufgrund des Art. 73 Nr. 1 Alt. 2 GG dem Genehmigungserfordernis zu unterwerfen. Denn ebenso wie im Fall des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG ist auch bei Verteidigungsanlagen der Anlagenzweck so eng mit den Umweltauswirkungen der Anlage verknüpft, daß sie auf der gleichen Kompetenzgrundlage gesetzlich geregelt werden können. Von der Genehmigungsbedürftigkeit kann der BMVg keine Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 BlmSchG zu1assen295 • § 10 Abs. 11 BlmSchG ermächtigt den BMVg, im Einvernehmen mit dem BMU das Genehmigungsverfahren fiir Anlagen, die der Landesverteidigung dienen, abweichend von dem regulären Genehmigungsverfahren zu regeln. Damit sollte insbesondere ein aus Geheimhaltungsgründen gebotenes Absehen von der öffentlichen Bekanntmachung ermöglicht werden296 . Den Rahmen fiir 291

Vgl. Abschnitt 5 Abs. 2 des Ozon-Erlasses (Fußn. 286).

§ 40d Abs. 3 Satz 2 letzter Halbsatz BlmSchG; Abschnitt 6 des Ozon-Erlasses (Fußn. 286); Schröders, BWV 1996 S. 202 ff., 207. 293 Roßnagel, in: GK-BlmSchG, § 10 Rdnr. 97. 294 Jarass, BlmSchG, Ein\. Rdnr. 28; Ule, in: UlelLaubinger, BlmSchG, Einleitung Rdnrn. 4, 5. 295 Siehe oben im Text bei Fußn. 205. 292

296 Begründung der BReg., BT-Drucks. 71179, S. 34 (= Ule/Laubinger, BlmSchG, § 10 Rdnr. A 4).

272

Vierter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

eine abweichende Verfahrensgestaltung steckt diese Vorschrift nicht ausdIiicklich ab, so daß die Vereinbarkeit des § 10 Abs. II 1nit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zweifelhaft ise97 • Grenzen einer abweichenden Verfahrensgestaltung und damit der Verordnungsermächtigung ergeben sich jedoch aus dem Geheimhaltungszweck 298 , der in der Entstehungsgeschichte der Nonn eindeutig belegbar ist, und aus den verfassungsrechtlichen Grenzen unterschiedlicher Verfahrensgestaltung für die Genehmigung ziviler und militärischer Anlagen299 . Daher ist § 10 Abs. 11 BlmSchG noch mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar 0o . Von der Ennächtigung des § 10 Abs. II hat der BMVg erst 1986 mit dem Erlaß der 14. BlmSchV Gebrauch gemacheO I . Auf dieser Ennächtigung beruhen § 2 und § 3 der 14. BlmSchV, soweit er das Inkrafttreten des § 2 regelt302 . Die Ennächtigung des § 10 Abs. 11 BlmSchG bezieht sich auf die Regelung des "Genehmigungsverfahrens". Ein Genehmigungsverfahren wird vor dem Erlaß der Errichtungs- und Betriebsgenehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG, einer Teilgenehmigung nach § 8 BlmSchG und einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BlmSchG durchgefiihrt. Dies ist unabhängig von der Ausgestaltung als förmliches oder vereinfachtes (§ 19 BlmSchG) Verfahren. Diese Verfahren darf der BMVg durch Rechtsverordnung nach § 10 Abs. 11 abweichend von den § 10 Abs. 1 bis 9 regeln303 • Für das Verfahren zum Erlaß eines Vorbescheides nach § 9 BlmSchG gemäßt § 10 Abs. 9 gelten die Vorschriften über das Genehmigungsverfahren entsprechend. Die Verordnungsermächtigung des § 10 Abs. 11 erfaßt ausdIiicklich auch dieses Verfahren. Das Genehmigungsverfahren endet mit der Erteilung oder Versagung der Genehmigung, mit der Rücknahme des Antrags oder mit der Einstellung des Verfahrens304 . Ein nachfolgendes Widerspruchsverfahren ist nicht Bestandteil 297 Vgl. bereits die Bedenken des Bundesrates zu dem insoweit identischen § 9 Abs. 7 des RegE zum BhnSchG, BT-Drucks. 7/1 79, S. 53 (= Ule/Laubinger, BhnSchG, § 10 Rdnr. A 9). Siehe auch Raßnagel, in: GK-BhnSchG, § 10 Rdnr. 105. 298 Jarass, BhnSchG, § 10 Rdnr.4; Raß1lagel, in: GK-BImSchG, § 10 Rdnr. 106; Starost, in: UJelLaubinger, BImSchG, § 10 Rdnr. L 6. 299 Siehe oben § 6 D. 300 Starost, in: UJelLaubinger, BhnSchG, § 10 Rdnr. L 6; Raßnagel, in: GKBImSchG, § 10 Rdnr. 107 (nur in verfassungskonformer Auslegung). 301 Zur Entstehungsgeschichte Hansmann, in: LandmrumIRohmer, Umweltrecht 11, Vorbem. zur 14. BhnSchV Rdnm.2, 3; Ule/Laubinger, BImSchG, RvB A 14.0 Rdnm. A 3 f.

302 Ule/Laubinger, BhnSchG, RvB A 14.0 Rdnr. A I; Hansman1l, in: Landmann! Rohmer, UmweItrecht 11, Vorbem. zur 14. BImSchV Rdnr. 8; Jarass, BImSchG, § 10 Rdnr.4. 303

304

Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 48. Vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 20 Rdnr. 7 (S. 220 f) m. w. N.

§ 10 Medialer Umweltschutz

273

des Genehmigungsverfahrens305 , sondern ein selbständiges Verwaltungsverfahren. Daher, und weil § 10 Abs. 1 bis 9 hierfiir keine Regelungen enthalten, darf der BMVg das Widerspruchsverfahren nicht aufgrund des § 10 Abs. 11 abweichend regeln306 . Nach seinem Wortlaut erfaßt § 10 Abs. 11 nicht die Anzeigeverfahren nach § 67 Abs. 2, § 67a Abs. 1 BImSchG, da in diesen Fällen keine Genehmigung eingeholt werden muß. Die Anzeige hat zwar die Funktion, der zuständigen Behörde die Pliifung zu ermöglichen, ob die bisher nicht genehmigungsbedürftige Anlage in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht errichtet wurde und betrieben wird307 . Daher muß die Anzeige die gleichen Angaben enthalten wie ein Genehmigungsantrat08 , ihr sind in gleichem Umfang Unterlagen beizufiigen309 . Die übereinstimmenden Funktionen rechtfertigen es jedoch nicht, die Anzeigeverfahren als "Genehmigungsverfahren" i.S.v. § 10 Abs. 11 anzusehen31O . § 10 Abs. 1 bis 8 regeln unmittelbar nur das Genehmigungsverfahren. Das Anzeigeverfahren ließe sich nur mittels einer Analogie in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 11 einbeziehen. Der Erweiterung von Verordnungsermächtigungen durch Analogie steht jedoch Art. 80 Abs. 1 GG entgegen3!!. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muß das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung bestimmen. Zweck und Ausmaß der Ermächtigung können bei einer analogen Anwendung unverändert bleiben, nicht aber ihr Inhalt. Da die Analogie im Austausch mindestens eines Tatbestandsmerkmals besteht, würde notwendig der Inhalt der Ermächtigung verändert. Mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG wäre das unvereinbar. Gegen die Ausdehnung der Ermächtigung des § 10 Abs. 11 auf das Anzeigeverfahren spricht außerdem, daß die entsprechende Anwendung der Vor305 Vgl. LaubingerlRepkewitz, VerwArch. 85 (1994) S. 88 fT., 117; a.A. BVerwG, Urt. v. 18.4.1986 - 8 C 81.83 -, Buchholz 316 § 3 NT. 2 S. 3; Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 52. 306 AA Bentmann, Immissionsschutzrecht wld militärische Anlagen, S. 52. 307 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 49; Führ, in: GKBImSchG, § 67 Rdnr. 38; Jarass, BImSchG, § 67 Rdnr. 18; Laubitlger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 67a Rdnr. C 2. 308 Führ, in: GK-BImSchG, § 67 Rdnr. 75; Laubinger, in: UlefLaubinger, BImSchG, § 67a Rdnr. C 12; Repkewitz, LKV 1992 S. 6 tT., 7.

309 Führ, in: GK-BImSchG, § 67a Rdnr. 17; Jm'ass, BImSchG, § 67 Rdnr. 18; Laubinger. in: UleILaubinger, BImSchG, § 67a Rdnr. C 14; Repkewitz, LKV 1992 S. 6 tT., 7; AA zur Anzeige nach § 67a Abs. I BImSchG Hansmann, in: LandmannlRohmer, Umweltrecht I, § 67a Rdnr. 2; Müggenborg, NVwZ 1991 S. 735 tT., 742. 310 So aber Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 50 f 3!! Ebenso Schenke, WiVerw. 1993 S. 145 fr., 150 (Rdnr. 13), zur analogen Anwendung der Verordnungsermächtigung des § 40 Abs. I Satz I BImSchG.

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

schriften über das Genehmigungsverfahren im Vorbescheidsverfahren ausdrücklich einbezogen wurde. § 10 Abs. 11 BlmSchG und § 2 der 14. BlmSchV gelten daher nicht für die Anzeigeverfahren.

§ 10 Abs. 11 BlmSchG ermächtigt den BMVg, das Genehmigungsverfahren an die militärischen Erfordernisse anzupassen. Er kann daher nicht nur Verfahrenserleichterungen einräumen, sondern auch zusätzliche Pflichten begriinden312 • Für die Prüfung, ob eine Verteidigungsanlage genehmigungsfähig ist, reicht es nicht aus, die in § 10 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG, § 4 Abs. 1 Satz 2 der 9. BlmSchV genannten Unterlagen vorzulegen und darin die in §§ 4a-4e der 9. BImSchV geforderten Angaben zu machen. Denn die Genehmigungsfähigkeit kann auch davon abhängen, ob der BMVg für die zur Genehmigung gestellte Anlage Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 BlmSchG zugelassen hat. Der BMVg hat die ihm nachgeordneten Stellen angewiesen, mit den obersten Landesimmissionsschutzbehörden Formen des Informationsaustausches abzusprechen3l3 . Dadurch ist aber nicht gewährleistet, daß die Genehmigungsbebörde über die ggf. abweichenden Genehmigungsvoraussetzungen für die Verteidigungsanlage informiert ist. Um das sicherzustellen314 , verlangt § 2 Abs. 1 der 14. BlmSchV, daß in dem Genehlnigungsantrag Art und UInfang der zugelassenen oder geforderten Ausnahmen bezeichnet werden. Diese Vorschrift dient nur der KlarsteIlung und ist für eine Vorlagepflicht nicht konstitutiv. Auch ohne die ausdrückliche Regelung hätte der Träger des Vorhabens der Genehmigungsbebörde die geforderten und zugelassenen Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG anzugeben, da § 10 Abs. I Satz 2 BImSchG die Beifügung der "zur Prüfung nach § 6 erforderlichen" Unterlagen verlangt und der Katalog der Antragsunterlagen nach §§ 4-4e der 9. BlmSchV, wie deren § 4 Abs. I Satz 2 belegt, nicht abschließend ist. Die Genehmigungsbehörde hat zu prüfen, ob das beantragte Verteidigungsvorhaben den durch die Ausnahmen näher bezeichneten materiellen Anforderungen entspricht. Daher reicht es nicht aus, daß der Träger des Vorhabens die Ausnahme lediglich mitteilt. Er hat zur vollständigen Information der Genehmigungsbehörde vielmehr eine Ausfertigung der Ausnahme vorzulegen. "Gefordert" hat der Träger des Vorhabens eine Ausnahme nur dann, wenn er einen entsprechenden Ausnahmeantrag gestellt hat. Dieser Antrag ist dem Genelunigungsantrag nach § 2 Abs. I der 14. BlmSchV beizufügen. Die GeneluniHansmann, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht H, 14. BImSchV, § 2 Rdnr. 3. Nr. 7 der Bestinunungen zur 14. BImSchV (Fußn. 245). 314 GallasiEisenbarth, UPR 1986 S.417 IT., 420; vgl. auch die Begründung der BReg. zu dem Entwurf der 14. BImSchV, BR-Drucks. 414/86, S. 5 = BR-Drucks. 34/86, S. 6 (= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB A 14.0 Rdnr. 820). 312

313

§ 10 Medialer Umweltschutz

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gungsbehörde muß, sofern das Vorhaben nicht bereits ohne die Ausnahme genehmigungsfahig oder aber aus anderen Gründen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSehG) genehmigungsunfahig ist, die Entscheidung des BMVg über den Ausnahmeantrag abwarten. Der Träger des Vorhabens hat die Ausnahmezulassung oder die Ablehnung unverzüglich zu dem Genehmigungsantrag nachzureichen. Die Genehmigungsbehörde kann eine Entscheidung des BMVg über den Ausnahmeantrag nicht durch Fristsetzung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 BImSehG, § 7 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV erzwingen. Bei deren Ausbleiben kann sie nicht den Genehmigungsantrag nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchV ablehnen. Diese Regelung ist zwar ausweislieh der Begründung des Regierungsentwurfs 315 zumindest auch im Interesse der Genehmigungsbehörden an der zügigen Abwicklung des Genehmigungsverfahrens geschaffen worden. Der Behörde ist die erforderliche Fristsetzungjedoch nicht möglich. Denn die Entscheidung über den Ausnahmeantrag liegt - anders als die Erstellung fehlender Unterlagen durch einen privaten Antragsteller - nicht im Verantwortungsbereich des Antragstellers einer Verteidigungsanlage. Das Bauwesen, zu dem die Errichtung einer Verteidigungsanlage gehört, ist nicht nach Art. 87b Abs. 1 Satz 2 GG der Bundesweluverwaltung übertragen worden; die Errichtung von Anlagen für die Bundeswehr obliegt auch nicht der dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Diese Baumaßnahmen werden vielmehr nach § 8 Abs.7 Satz 1 des Finanzverwaltungsgesetzes316 im Einzelfall durch Verwaltungsvereinbarung der Bauabteilung der Oberfinanzdirektion übertragen317 • Sie muß darin nach § 8 Abs. 7 Satz 2 FVG den fachlichen Anordnungen des BMVg unterstellt werden und nimmt keine eigenen, sondern Aufgaben des Bundes wahr. Daher kann sie keine Entscheidung des BMVg über den Ausnahmeantrag erzwingen. Die Genehmigungsbehörde kann das Verfahren nicht vor der Entscheidung des BMVg über den Ausnahmeantrag durch den Erlaß einer nach § 12 Abs. 1 BImSchG aufschiebend bedingten Genehmigung abschließen. Eine Bedingung ist nur zulässig, um die Erfüllung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen sicherzustellen. Ist die Zulassung einer Ausnahme beantragt, stehen jedoch die Genehmigungsvoraussetzungen noch nicht fest. Das ist nicht die Situation, die mit Nebenbestimmungen bewältigt werden soll: Nebenbestimmungen dienen der Beseitigung einer Ungewißheit über die Erfüllung, nicht über den Inhalt der Genehtnigungsvoraussetzungen. Dieser BR-Drucks. 494/91, S. 80 (= Ule/Laubinger, BlmSchG, RvB A 9.0 Rdnr. B 296). Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG) i.d.F. der Bek. vom 30.8.1971 (BGB\. I S. 1426), zu\. geändert durch G. vom 4.5.1998 (BGBI. I S. 845). 317 Vgl. von Hesler, BayVB\. 1984 S. 161 tT., 161; Simoll, BayBauO, Art. 93 Rdnr.30. 315 316

18*

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Vierter Teil: Das Umwe1tsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Ungewißheit kann nur mit der Aussetzung der Genelunigungsentscheidung begegnet werden. Es ist der Genehmigungsbehörde aber auch versagt, die Erteilung einer Genehmigung abzulehnen, weil nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnalune nicht vorliegen. Die Ausnahme wird vom BMVg immer durch Verwaltungsakt zugelassen. Sie ist nach § 43 Abs.2 VwVfG bis zu ihrer Aufhebung wirksam und bindet daher die Genehmigungsbehörde. Einer Anzeige nach § 67 Abs. 2, § 67a Abs. 1 BImSchG sind ebenfalls Angaben über Art und Umfang einer beantragten oder zugelassenen Ausnahme beizufiigen. Das ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 der 14. BImSchV, sondern unmittelbar aus § 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, weil diese Angaben zur Prüfung der materiellen Legalität der Anlage erforderlich sind. Die dem Genehmigungsantrag beizufügenden Unterlagen können Informationen enthalten, die der militärischen Geheimhaltung unterliegen. Zum Schutz militärischer Geheimnisse sieht § 2 Abs. 2 Satz 1 der 14. BImSchV deren Kennzeichnung und getrennte Vorlage vor. Diese Vorschrift entspricht der Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 BImSchG über die Behandlung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen318 • Sie war erforderlich, weil § 10 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nur im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb stehende Tatsachen, die nach dem Willen des Unternehmers geheimzuhalten und Gegenstand eines berechtigten wirtschaftlichen Geheimhaltungsinteresses sind319, erfaße 20 . Welche Unterlagen der Geheimhaltung unterliegen, richtet sich ebenso wie bei Geschäfts- und BetriebsgeheiInnissen nach dem Willen des Trägers des Vorhabens und erfordert eine Abwägung, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vorliegt. Für den Bund als Träger eines militärischen Vorhabens werden Art und Umfang der Geheimhaltung durch § 4 SÜG und die Verschlußsachenanweisuni21 bestimmt322 . Ob die gekennzeichneten Unterlagen zutreffend als Verschlußsache eingestuft wurden, unterliegt allerdings der Überprüfung durch die Genehmigungsbehörde, da die 14. BlmSchV keine von § 10 Jarass, BImSchG, § 10 Rdnr. 29. 319 Vgl. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 10 Rdnr.254; Storost, in: U1e/Laubinger, BImSchG, § 10 Rdnr. C 34. Nicht auf den Willen des Antragstellers abstellend Jarass, BImSchG, § 10 Rdnr. 28. 320 GallaslEisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 421 mit Fußn. 38; Storost, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 10 Rdnr. L 8. 321 Siehe oben § 9 Fußn. 19. 321 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 44; Gallasl Eisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 421; 318

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Abs.3 Satz 2 BImSehG, § 10 Abs. 3 der 9. BlmSchV abweichende Gestaltung des Genehmigungsverfahrens vorsieht. Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BlmSchG ist eine Inhaltsdarstellung der geheimhaltungsbedülftigen Unterlagen vorzulegen, die an deren Stelle ausgelegt wird. Die Inhaltsdarstellung muß Dritten so weit wie möglich eine Beurteilung erlauben, ob und in welchem Umfang sie von Auswirkungen des Vorhabens betroffen werden können323 . Für die Anzeigeverfahren spielt dies keine Rolle, da dort keine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet. Die Kennzeichnung kann aber fiir den Zugang zu Umweltinformationen324 relevant sein, weil die verpflichtete Behörde über die fiir die Entscheidung über Gewährung oder Versagung des Zugangs notwendigen Informationen verfugt. Über die den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen entsprechende Regelung hinaus soll die Genehmigungsbehörde nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der 14. BlmSchV auf die Vorlage von Unterlagen verzichten, wenn dies zur Wahrung des militärischen Geheimnisses zwingend erforderlich ist. Unterlagen, die nach der Verschlußsachenanweisung als geheimhaltungsbedülftig eingestuft sind, dürfen nach § 2 Abs. 1 SÜG nur Behördenbediensteten zur Kenntnis gelangen, die einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden. Der Verzicht auf die Vorlage von Antragsunterlagen ist nur dann zwingend erforderlich. wenn die Genehmigungsbehörde die Unterlagen nicht ohne Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften zur Kenntnis nehmen könnte, weil sie nicht über der Einstufung der Unterlagen325 entsprechend sicherheitsüberprüfte und fachkundige Bedienstete verfugt. Insbesondere bei hohen Einstufungen (z.B. als streng geheim), fiir die die Mitarbeiter der Immissionsschutzbehörden üblicherweise nicht der erforderlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, ist der Träger des Vorhabens nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der 14. BlmSchV berechtigt diese Unterlagen zunächst zurückzuhalten. Er hat bei der Genehmigungsbehörde den Verzicht auf die Vorlage dieser Unterlagen zu beantragen und dabei, soweit der Geheimnisschutz dies zuläßt, darzulegen, aus welchen Gründen diese Unterlagen welcher Geheimhaltungsstufe unterliegen. Die Genehmigungsbehörde "soll" diesem Antrag entsprechen, darf ihn also nur in Ausnahmefallen zurückweisen und auf der Vorlage der Unterlagen bestehen, etwa wenn die Begründung des Antragstellers unschlüssig ist oder eine unzutreffende Geheimhaltungseinstufung erkennen läßt. Verzichtet die Genehmigungsbehörde auf die Vorlage von Unterlagen, hat der Antragsteller nach § 2 Abs. 2 Satz 2 letzter Hs. der 14. BImSchV, der die

324

Vgl. Starost, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 10 Rdnr. C 33. Dazu oben § 9 B.

325

Vgl. § 7 Abs. I, §§ 8-10 SÜG.

323

278

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

entsprechende Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BImSchG anordnet, eine Inhaltsdarstellung dieser Unterlagen vorzulegen. Der Verzicht ist nur zulässig, wenn die Genehmigungsbehörde aufgrund der übrigen Unterlagen und der Inhaltsdarstellung eine sachgerechte Entscheidung über das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 BImSchG treffen kann326 • In Einzelfällen wird der BMVg durch die Zulassung von Ausnahmen nach § 60 Abs. 1 Satz 1 eine sachgerechte Beurteilung durch die Genehmigungsbehörde sicherstellen können. Dabei ist aber zu beachten, daß die Ausnahme von quantitativen Anforderungen (z.B. den Immissionswerten nach Nm. 2.5.1 und 2.5.2 der TA Luft) nach § 60 Abs. I Satz 2 andere, weniger strenge Grenzwerte festlegen muß327 , das Problem der Prüfung, ob Grenzwerte eingehalten werden, also lediglich auf ein anderes quantitatives Niveau verlagert wird. Auf die Vorlage der Unterlagen, die für eine sachgerechte Entscheidung über den Genehmigungsantrag unabdingbar sind, deren Inhalt nicht in der Darstellung nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BImSchG in ausreichendem Umfang wiedergegeben und deren Kenntnis auch nicht durch die Zulassung einer Ausnahme entbehrlich gemacht werden kann, darf die Genehmigungsbehörde nicht verzichten. Legt der Antragsteller diese Unterlagen trotz der Ablehnung des Verzichts nicht vor, soll die Genehmigungsbehörde den Antrag nach § 20 Abs. 2 Satz 2 der 9. BImSchVablehnen328 . Das ist sachgerecht, weil die Erfordernisse der militärischen Geheimhaltung den Bund nicht von der Einhaltung des geltenden Rechts freistellen können. Eine eingeschränkte Auslegung der Antragsunterlagen im Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung - sei es aufgrund einer Kennzeichnung und getrennten Vorlage nach § 2 Abs. 2 Satz I, sei es aufgrund eines Verzichts auf die Vorlage nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der 14. BImSchV - kann die materiellrechtliche Präklusion von Einwendungen nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BImSchG wie auch den Ausschluß privatrechtlicher Abwehransprüche nach § 14 BImSchG einschränken329 . Diese Vorschriften setzen voraus, daß die ausgelegten Unterlagen Dritten eine umfassende Prüfung ermöglichen, ob und in welchem Umfang sie von den Auswirkungen der beantragten Anlage betroffen sein können. Ist eine solche Beurteilung nicht möglich, können keine substan-

327

GallaslEisenbarth, UPR 1986 S. 417 IT., 421. Siehe oben im Text vor Fußn. 227.

328

Hansmann, in: LandmmmIRohmer, Umweltrecht II, 14. BImSchV, § 2 Rdnr. 4.

326

Begründung der BReg., BR-Drucks. 484/84, S. 6 (= Ule/Laubinger, BImSehG, RvB A 14.0 Rdnr. B 31)~ Benlmanll, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 45~ GallasiEisenbarlh, URP 1986 S. 417 fT., 422~ vgl. auch Roßnagel, in: GKBImSchG, § \0 Rdnr. 263~ Storost, in: Ule!Laubinger, BImSchG, § \0 Rdnr. D 60. 329

§ 10 Medialer Umweltschutz

279

tiierten Einwendungen gegen das Vorhaben vorgebracht werden. Damit fehlt die Rechtfertigung der Präklusion330 . IIf. Zuständigkeiten (§ 59 BfmSchG) § 59 ermächtigt die Bundesregierung, die Zuständigkeit fiir den Vollzug des BImSchG und der auf das BlmSchG gestützten Rechtsverordnungen bei AnJagen, die der Landesverteidigung dienen, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Bundesbehörden zu übertragen. Von dieser Ermächtigung hat sie mit dem Erlaß der 14. BlmSch V und des § 17 Abs. I Satz I der 1. BImSchV Gebrauch gemacht. Entgegen der offenen Formulierung ("Bundesbehörden"), die aus der Einbeziehung von AnJagen des Bundesgrenzschutzes in den Regierungsentwurf zum BlmSchG331 resultiert, dürfen wegen der Ressortverantwortlichkeit fiir VerteidigungsanIagen (Art. 65 Satz 2 GG) nur Zuständigkeiten von Behörden im Geschäftsbereich des BMVg begriindet werden.

§ 59 ermöglicht eine von Art. 83 GG abweichende Ausfiihrung des BlmSchG durch Bundesbehörden. Die dafiir erforderliche grundgesetzliche Anordnung oder Zulassung besteht nur fiir einige Zuständigkeiten. Vor der Verfassung Bestand haben nur die Bundes-Überwachungszuständigkeiten kraft ihres Sachzusammenhangs mit der Ausfiihrung von Verteidigungsgesetzen und die Bundeszuständigkeiten zur Bestellung von Sachverständigen, die Aufgaben wahrnehmen, fiir eine eine Bundeszuständigkeit bestehe32 . Die Verordnungsermächtigung des § 59 ist verfassungskonform dahin einschränkend auszulegen, daß Behörden im Geschäftsbereich des BMVg nur Zuständigkeiten fiir die behördliche Überwachung und fiir die Bestellung von Sachverständigen zur Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben übertragen werden dürfen333 . Neben Rechtsverordnungen des Bundes werden auch solche der Länder auf das BImSchG gestützt (vgl. § 23 Abs. 2, § 40 Abs. I Satz 1, § 49 BImSchG). 330 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 46; Storost, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 14 Rdnr. B 2. 331 BT-Drucks. 7/179, S. 14 (= Ule/Laubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. A 2). 332 Siehe oben § 4 D I 8 bund § 4 D I 9. 333 Weitergehend Bentmann, hnmissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 67 f., aufgrund seiner Armahme, Landesbehörden dürften keine Überwachungskonsequenzen gegenüber dem Bund anordnen: § 59 erfasse nicht die Genehmigungserteilung und die sonstigen VollzugsaufgabeIl, die keinerlei Auswirkungen auf den hoheitlichen Tätigkeitsbereich der Landesverteidigung haben. Abweichend Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSchG, § 59 Rdnr. C 16; Führ, in: GK-BImSchG, § 59 Rdnr. 21, die die Ermächtigung verfassungskonform auf die Aufgaben beschränken wollen, für die eine Bundeskompetenz aus Geheimhaltungsgründen unabweisbar notwendig ist.

280

Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

Der Vollzug von Landesrecht durch Bundesbehörden ist nicht schlechthin ausgeschlossen 334 , so daß auch die Übertragung von Zuständigkeiten zur Ausführung einzelner Vorschriften Z.B. der SmogVO'en der Länder auf Bundesbehörden grundsätzlich zulässig wäre. Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des § 59 keinen Gebrauch gemacht hat, obliegt der Vollzug des BlmSchG und der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen den regulär zuständigen Landesbehörden. Gleiches gilt für die Wahrnehmung solcher Verwaltungsaufgaben, die nach den Vorschriften des Grundgesetzes nicht auf Bundesbehörden übertragen werden darf.

1. Zuständigkeiten nach § I der 14. BlmSchV § 1 Abs. 1 der 14. BlmSchV überträgt dem BMVg die Zuständigkeiten

-

zum Erlaß nachträglicher Anordnungen nach § 17, zur Untersagung, Stillegung und Anordnung der Beseitigung genehrnigungsbedürftiger Anlagen nach § 20, zum Widerruf der Genelunigung nach § 21 sowie zum Erlaß von Anordnungen im Einzelfall nach § 24 und der Betriebsuntersagung nach § 25 bei nicht genehrnigungsbedürftigen Anlagen;

-

zur Bekanntgabe von Meßstellen nach § 26;

-

zur Anordnung von Messungen nach §§ 26, 28 und 29 und zum Verlangen und der Entgegennalune von Mitteilungen über deren Ergebnisse nach § 31;

-

zur Überwachung der Durchführung des BlmSchG und der auf das BImSchG gestützten Rechtsverordnungen (§ 52) sowie für behördliche Überwachungsmaßnahmen nach den auf das BlmSchG gestützten Rechtsverordnungen und

-

zur Anordnung der Bestellung eines Imrnissionsschutzbeauftragten (§ 53 Abs. 2) und zur Entgegennahme von Anzeigen zu dessen Bestellung (§ 55 Abs. 1 Satz 2).

Die Aufgaben der ersten Gruppe umfassen die hier sog. Überwachungskonsequenzen335 . Diese Zuständigkeiten durften nicht auf Bundesbehörden übertragen werden, weil das Grundgesetz die Ausführung derartiger Vorschriften durch Bundesbehörden nicht zuläßt. Nach der hier vertretenen verfassungskonformen Einschränkung der Verordnungsennächtigung des § 59 BlmSchG ist § 1 Abs. 1 der 14. BlmSchV insoweit rechtswidrig und nichtig, weil er olme 334

335

Siehe oben § 4 D 11. Siehe oben § 4 A I 2 b.

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281

die nach Art. 80 Abs. I Satz 1 GG erforderliche gesetzliche Ermächtigung erlassen wurde. Die Anordnung von Messungen nach §§ 26, 28 und 29 sowie die Anforderung und Entgegennahme von Mitteilungen über die Meßergebnisse nach § 31 dienen der Feststellung, ob die materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Sie stellen daher, ebenso wie Maßnahmen nach § 52 BImSehG, Überwachungsmaßnahmen dar, die der Bundesverwaltung übertragen werden dürfen. Aufgabe der nach § 26 bekanntgegebenen Meßstellen ist die Durchführung dieser Überwachungsmaßnahmen, auch die Bekanntgabe wurde in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz Bundesbehörden übertragen. Ebenso wie die Anordnung von Messungen dient auch die Bestellung eines Imrnissionsschutzbeauftragten der Sicherung des materiell rechtmäßigen Betriebs336 und gehört damit zu den der Bundesverwaltung übertragbaren Überwachungsmaßnahrnen. Aufgrund dieser Zuständigkeiten ist der BMVg nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b OWiG auch rur die Verfolgung und Ahndung der entsprechenden Ordnungswidrigkeiten nach § 62 BlmSchG zuständii 37 . Von der durch § 59 eröffneten Möglichkeit, die Zuständigkeit fiir die Anordnung sicherheitstechnischer Prüfungen (§ 29a) und die Zuständigkeiten im Zusammenhang mit der Bestellung eines Störfall-Beauftragten (§§ 58a ff.) auf Bundesbehörden zu übertragen, hat die Bundesregierung bisher keinen Gebrauch gemache 38 •

§ 1 Abs. 1 der 14. BImSchV trifft keine abschließende Regelung, welcher Verwaltungsebene die Zuständigkeiten übertragen werden, sondern ermächtigt den BMVg ausdrücklich zu einer Delegation. Hiervon hat er in Nr. 4.1 der Bestimmungen zur 14. BlmSchV339 Gebrauch gemacht und die Zuständigkeiten weitgehend auf die Wehrbereichsverwaltungen übertragen. Die Bekanntgabe

336 Brandt, in: GK-BlrnSchG, Vor §§ 53-58d Rdnr.21; Jarass, BlrnSchG, § 53 Rdnr. I. 337 Vgl. auch Nr.4.2 der Bestinunungen zur 14. BlrnSchV (Fußn.245); Gallasl Eisenbarth, UPR 1986 S. 417 ff., 423; Laubinger, in: Ule/Laubinger, BlrnSchG, § 59 Rdnr. C 28; Schröders, BWV 1997 S. 204 ff., 221 ff.,224. 338 Abw. Jamss, BlrnSchG, § 59 Rdnr. 6: Die Übertragung der Zuständigkeiten nach § 55 Abs. I Satz 2 gelte auch für den Störfall-Beauftragten. Das entspricht jedenfalls nicht der Praxis der Länder, die die Zuständigkeit für die Entgegennahme der Anzeige über die Bestellung des Störfall-Beauftragten eigenständig festlegen. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus § 58c Abs. 1 i.Y.m. § 55 Abs. 1 Satz 2 BlrnSchG. 339 Siehe oben Fußn. 245.

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Vierter Teil: Das UmweItsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

von Meßstellen340 sowie den Erlaß von Überwachungskonsequenzen bei Anlagen, die aufgrund von Standardplanungen oder als eingefiihrtes Wehnnaterial errichtet und betrieben werden, hat sich der BMVg vorbehalten.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 der 14. BlmScllV macht die Bundeszuständigkeiten kumulativ341 davon abhängig, daß die Anlagen der Landesverteidigung dienen und sich in einem militärischen Sicherheitsbereich befinden. Damit wird der Rahmen des § 59 BlmSchG insoweit nicht ausgeschöpft, als die Zuständigkeiten fiir Verteidigungsanlagen dann nicht auf Bundesbehörden übertragen werden, wenn sich sich außerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs befinden342 . Aber nicht alle Anlagen, die sich innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs befinden, sind Anlagen, die der Landesverteidigung dienen343 • Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Es dürfen nach § 2 Abs. 2 Satz I UZwGBw nur militärische Bereiche, d.h. Anlagen und Einrichtungen der Bundeswehr (§ 2 Abs. I UZwGBw) zu militärischen Sicherheitsbereichen erklärt werden344 . Anlagen und Einrichtungen der Bundeswehr sind solche, die der hoheitlichen Wallfl1elunung der Aufgabe der Landesverteidigung "im weitesten Sinne" dienen345 . Entscheidend ist, daß die Anlage oder Einrichtung der Bundeswehr zur WallfI1elunung ihrer Aufgaben dauerhaft zur Verfiigung stehe 46 . Ob ein lnilitärischer Bereich zu einem militärischen Sicherheitsbereich erklärt wird, steht im pflichtgemäßen Ermessen der

340 Nr. 5.3.2 der BestimmlUlgen zur 14. BImSchV (Fußn.245); vgl. auch die Bekanntgabe von LärmmeßsteHen in dem Erlaß des BMVg ,,Einrichtung von Lärrn-MeßsteHen" - Erstfassung - vom 17.12.1991 (VMBI. 1992 S. 129).

341 Das wird von SchrlJders (BWV 1997 S. 204 ff., 221 ff., 224) zu Recht sehr deutlich herausgesteHt.

342 Bentmann, Imrnissionsschutzrecht lUld militärische Anlagen, S. 70; Schröders, BWV 1997 S. 204 ff., 221 ff., 226, nach dessen Ansicht sich diese RegeIlUlg nicht bewährt hat. 343 Bentmann, Imrnissionsschutzrecht lUld militärische Anlagen, S. 71; Führ, in: GKBImSchG, § 59 Rdnrn. 96,99; a.A. GallasiEisenbarlh, UPR 1986 S. 417 ff., 423; Nr. 3 Spiegel strich 2 der BestimmlUlgen zur 14. BImSchV (Fußn.245): Im ZweifelsfaH sei davon auszugehen, daß Anlagen, die in militärischen Sicherheitsbereichen liegen, lUlter die Bestimmungen der 14. BImSchV faHen.

344 Wegen ihres vorübergehenden Charakters wird die Sperrung sonstiger örtlichkeiten nach § 2 Abs. 2 Satz 2 UZwGBw von der ZuständigkeitsregeIlUlg des § I Abs. I der 14. BImSchV nicht erfaßt, vgl. HansmalllI, in: LandmannIRohmer, Umweltrecht 11, 14. BImSchV, § I Rdnr. 5. 345 GroßmanII, BlUldeswehrsicherheitsrecht, Teil III § 2 Rdnm. 23, 29 (S. 239 f., 241 0; JessIMalln, UZwGBw, § 2 Rdnm. 4, 8; ReilldllRoth, § 2 Ännl. I (S. 32 f.). 346 Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil III § 2 Rdnr. 23 (S. 240); Jessl Mann, UZwGBw, § 2 Rdnr. 4.

§ 10 Medialer Umweltschutz

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zuständigen Stelle347 , die damit auch andere als militärische Zweck, z.B. Sicherheitsbelange, verfolgen darf48. Diese Erklärung wird weithin als Ausdruck des Hausrechts der Bundeswehr innerhalb der ihr zur Verfiigung stehenden Anlagen und Einrichtungen interpretiert349 . Verteidigungsanlagen sind nicht alle Anlagen der Bundeswehr, sondern nur solche, die objektiv geeignet sind, Verteidigungszwecke zu verfolgen, d.h. für nach Art. 87a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Alt. 1 GG zulässige Einsätze tauglich sind, durch den Verteidigungszweck erkennbar geprägt und tatsächlich hierfiir genutzt werden. Das sind engere Tatbestandsvoraussetzungen als diejenigen rur die Erklärung eines militärischen Bereichs zum militärischen Sicherheitsbereich, weil sie nur einen Ausschnitt der Aufgaben der Bundeswehr erfassen. Wer dies übergeht, gesteht den Dienststellen der Bundeswehr zu, den Anwendungsbereich der immissionsschutzrechtlichen Sonderzuständigkeiten festzulegen. § 1 Abs. 1 der 14. BlmSchV hat dies mit der Angabe zweier Tatbestandsmerkmale nicht vorgesehen350 . Für Anlagen innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs, die nicht i.S.v.

§ 59 BImSchG, § 1 Abs. 1 der 14. BImSchV der Landesverteidigung dienen

(wie z.B. Kantinen), gelten daher die normalen Zuständigkeitsregelungen351 .

Die Zuständigkeit der WehrbereichsverwaItungen bzw. des BMVg erstreckt sich auf alle Anlagen, die der Landesverteidigung dienen und die sich innerhalb militärischer Sicherheitsbereiche befinden. Außerhalb der militärischen Sicherheitsbereiche werden nur ortsveränderliche Anlagen (§ 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG) von der Zuständigkeit der Bundesbehörden erfaßt, soweit sie zu Übungen und Manövern eingesetzt werden (§ 1 Abs. I NT. 2 der 14. BlmSchV). Sowohl der Fonnulierung als auch dem Zweck der Regelung, unpraktikable Zuständigkeitsänderungen zu venneiden352 , ist zu entnehmen, daß damit nur solche ortsveränderlichen Anlagen gemeint sind, die sich üblicherweise innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs befinden und nur vorüber-

Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil III § 2 Rdnrn. 34 f. (S. 244). Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil III § 2 Rdnr. 35 (S. 244). 349 Großmann, Bundeswehrsicherheitsrecht, Teil III § 2 Rdnr. 33 (S. 243); Reinen, Fe1djägerdienst, S. 22; JessIMann, UZwGBw, § 2 Rdnr. 19; Oldiges, in: Achterberg/ Püttner II, Kap. 7/4 Rdnr. 1197 (S. 751); ReindVRoth, § 2 Anm. 6 (S. 35). 350 Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 71 f; Ransmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht 11, 14. BImSchV, § I Rdnr. 5. 351 Bentmann, Immissionsschutzrecht Wld militärische Anlagen, S. 72. 352 Begründung der BReg., BR-Drucks. 414/84, S. 4 f. (= Ule/Laubinger, BImSchG, RvB A 14.0, Rdnr. B 3). 347

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Vierter Teil: Das Umweltsonderrecht der Bundeswehr - Besonderer Teil

gehend zu Übungen oder Manövern außerhalb dieser Bereiche eingesetzt werden353 . Die Landesbehörden sind danach zuständig für Überwachungsmaßnahmen bei -

sämtlichen Anlagen der Bundeswehr, die nicht der Landesverteidigung dienen, unabhängig davon, ob sie sich innerhalb oder außerhalb eines militärischen Sicherheitsbereichs befinden,

-

ortsfesten Anlagen, die der Landesverteidigung dienen und die sich nicht innerhalb eines militärischen Sicherheitsbereich befinden, und

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ortsveränderlichen Anlagen, die der Landesverteidigung dienen und sich üblicherweise außerhalb militärischer Sicherheitsbereiche befinden, und zwar entsprechend der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr.2 der 14. BlmSchV auch dann, wenn sie vorübergehend innerhalb eines solchen eingesetzt werden. 2. Eigenüberwachung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 der 1. BlmSchV

§ 17 Abs. 1 Satz 1 der 1. BlmSch V überträgt die Aufgaben des Bezirksschornsteinfegermeisters bei Anlagen der Bundeswehr, soweit der Vollzug des BlmSchG und der auf das BlmSchG gestützten Verordnungen nach § 1 der 14. BlmSchV Bundesbehörden obliegt, den zuständigen Stellen der Bundeswehr. Diese Vorschrift, die auf eine vom BMVg nach § 60 Abs. 1 BImSchG zugelassene Ausnahme und auf § 10 Abs. 1 Nr.2 der 1. BlmSchV vom 24.7.1985354 zurückgeht355 , wurde aufgrund der Ennächtigung des § 59 BlmSchG erlassen356 .

Die Aufgaben des Bezirksschornsteinfegerrneisters nach den §§ 14-16 der 1. BImSchV bestehen in Messungen, ob die nicht genehmigungsbedürftigen Feuerungsanlagen (§ 1 Abs. 1 der 1. BlmSchV) den Anforderungen nach § 6 Abs. 1, §§ 8-11 der 1. BlmSchV entsprechen. Diese Messungen finden nach der Errichtung oder wesentlichen Änderung der Anlage (§ 14 Abs. 1) und Fuhr, in: GK-BhnSchG, § 59 Rdnr. 96. BGB!. I S. 1586. 355 Dazu Hansmann, in: LandmannlRoluner, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 10; Laubinger, in: UlelLaubinger, BImSehG, § 59 Rdnr. C 29. 356 Engelhardt, BImSehG, § 59 Rdnr. 1; Jarass, BImSehG, § 59 Rdnr. 5; Laubinger, in: UlelLaubinger, BhnSchG, § 59 Rdnr. C 29; Vallendar, in: Feldbaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 59 Arun. 5 (S. 6); a.A. Bentmann, Immissionsschutzrecht und militärische Anlagen, S. 57 f.; Hansmann, in: LandmannlRoluner, Umweltrecht I, § 59 Rdnr. 10. Unklar nunmehr EngelhardtiSchlicht, BhnSchG, § 59 Rdnr. I. 353

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jährlich wiederkehrend (§ 15 Abs. I Satz I) statt. Damit obliegen dem Bezirksschornsteinfegermeister Überwachungsaufgaben, für die keine Ausnahme nach § 60 Abs. I BlmSchG zugelassen werden kann. Die Übertragung dieser Aufgaben auf Stellen der Bundeswehr ist eine Verlagerung der Zuständigkeit, die nur durch eine Verordnung nach § 59 BlmSchG vorgenommen werden

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