Briefe, die neueste Litteratur betreffend: Teil 9/12 [[Erste Ausgabe]. Reprint 2022 ed.]
 9783112661789, 9783112661772

Table of contents :
Inhalt der Briefe des neunten Theils
Briefe, die neueste Litteratur betreffend. Neunter Theil.
Briefe, die neueste Litteratur betreffend. Zehnte Theil
Front Matter 2
Briefe, die neueste Litteramr betreffend. Eilfter Theil
Briefe, die neueste Litteratur betreffend. Zwölfter Theil

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IX ter eil. 23crlitt,vz6z. BAFrik^ricMicolm

Inhalt der Briefe des neunten Theils. Hundert und twey und vierzigster Brief.

Deurtheiluy-

der geistlichen Cantaten deS Herrn Ramler, insbesondere der Veränderungen in der Canrate der Tod Jesu. S. 4. Hundert und drey und vierzigster Brief. Anpreisung de» neuen Auflage, der Abhandlung deS Herrn Zimmermann, vom Nationalstolze. Gelegentlich wird eine schöne Steve auS einer Ode von A. t. Barschinn angeführer. S. 21. Hundert vier und vierzigster Brief. Beurtheilung der Ein-

falle und Begebenheiten deS

Herrn Professor Hommet.

S. 36. Hundert und fünf und. vierzigster Brief. Beweis aus deDionystus Leben deS Homer, daß die Alten die vollkomme­ nen tugendhafte Charaktere in ihren Gedichten nicht auS Mangel moralischer Einsichten, sondern mit Vorbedacht vermieden haben. Popens Uebersetzung einer Stelle deS Homer wird getadelt. S. $0.

Hundert sechs und vierzigster Brief. Beurtheilung der Ab­ handlung deS Herrn Lurtius vom Erhabenen, desselben

kritischen Abhandlungen und Gedichten. S. 57. Hundert sieben und vierzigster Brief. Longin wird ferner Wider Lurtius vertheidiget. Homer, Plato, Schakespear,

Werden gelegentlich gegen die Angriffe eben dieses Schrift­

stellers gerettet. S. 6$. Hundert und acht und vierzigster Brief.

Beurtheilung deS

Buch- Mer« Eruditoxum. S. gl. Hundert

Hundert und neun und vierzigster Brief. Beurtheilung der Geschichte der Jesuiten deS Herrn »probst Harenbergs. Von

der poßirlichen Schriftstellers.

und

abgeschmackten Schreibart dieses

S. 98.

Hundert und fünfzigster Brief.

Don der verdrießlichen und

lächerlichen Unordnung in diesem Werke. S. 110.

Hundert und ein und fünfzigster Brief. Anmerkungen Uber den wahren Degrif einer pragmatischen Geschichte. S. 118t Hundert und zwey und fünfzigster Brief. Vorschlag für jun­ ge Mitglieder deutscher Gesellschaften, sich in der histori­

schen Schreibart ru Üben.

Eine seltsame Stelle aus der

Ode eines Mitgliedes der Alrdorfischen deutschen Gesell, fchyft. ©.126. Hundert und drey und fünfzigster Brief.

Beurtheilung der

zu Quedlinburg gedruckten Schilderungen. S. 131. Hundertund vier und fünfzigster Brief. Von der seltsamen Belesenheit dieses elenden Schriftstellers. S. 143. Hundert und fünf und fünfzigster Brief. Gedanken, daß ebeM dieser Schriftsteller

sein Werk alS eine morali­

sche Wochenschrift betrachte. E. 149-

Nachschrift:

Lied

der Nymphe PersanretS; von zwey Briefen Gellerts und

Badeners. S. 153« Hundert und sechs und fünfzigster Brief.

Von den Verüm

derungen der neuen Auflage der Tandeleyen. S. 161. Hundert und sieben und fünfzigster Brief. Von Herrn Cur;

tius Abhandlung von Metaphern und von dessen Lehrge­

dichten. S. 177»

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend.

Neunter Theil.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend. I. Den 29. Januar. 1761.

Hundert und zwey und vierzigster Brief. d^arum wir viele so gar schlechte Schrift­ ei^ steller in Deutschland haben?— Aus allerhand Ursachen, unter denen gewiß nicht eine die geringste ist, daß ein jeder angehender Schriftsteller, so oft er nur eit) paar unrei­ fe Gedanken zu Papiere gebracht, gleich da­ mit hervorwifchct, und sie der Welt vorle­ get. Daher kommt die entsetzliche Menge von Schriften, die alle in einer Messe ge­ druckt werden, und ehe die andere kommt, schon so sehr vergessen sind, daß man sie nicht einmal den Namen nach kennet. Gleichwohl meynt der junge Autor, er sey ein rechter Mann nachdem er gedruckt wor­ den ist; die Welt hingegen, die seine erste A 2 Früch-

Früchte mit der größten Gleichgültigkeit aus­ genommen hat, bezeiget schon ein widriges Vorurcheil wider ihn, wann er mit einer neuen Arbeit hervortrit, die auch etwas mehr zu versprechen scheinet. Ich gestehe es, daß diese Art zu urtheilen nicht allzubiüig ist. Niemand wird auf einmal ganz vollkommen, jedermann mnß erst kehrlingsstücke machen, und selbst die größten Geister sind hievon gar nicht ausgenommen. Dahero scheinet es unbillig zu seyn, jemanden seine erstere unausgearbcitete Stücke zur Last zu legen. — Dennoch thut es das Publicum. Auch in Deutschland wird alle Tage noch die Anmer­ kung des Dübos bestätiget, daß es dem Ruhme eines Schriftstellers sehr zuträglich ist, wann er seine Lehrlingsstücke vor den Augen der Welt zu verberge«, und sie mit einemmale durch ein Meisterstück zu überraschen weiß. Es zeigt in der That viel Selbsterkenntniß an, wann ein Schriftsteller seine Geburten noch zu unreif befindet, als daß er sich getraurte sie der Welt -vorzulegen; und eben dieß; Selbsterkenntniß machet, daß, wann er sich hernach

hernach entschlösset öffentlich hervor zu tre­ ten, das allgemeine plaudite nie zu fehlen pflegt. Ein Schriftsteller der feinen Namen zum erstenmale bey einem Buche nennet, das von der Welt gleichgültig ist ausgenommen worden, und der auch endlich wohl selbst einsiehet, daß dieWelt nicht unrecht gehabt ha­ be, wird wegen dieses mißlungenen Versuchs gewiß mehr zittern, wenn er mit einem neu­ en Werke hervor tritt; er hat gleichsam kein gutes Gewissen, er sagt in der Vorrede: „diese und jene Arbeit von ihm sey günstig „ausgenommen worden, ob er gleich derselben „Unvollkommenheit wohl einsehe," und wa­ dergleichen captationes benevolentür mehr sind. Er sucht den Beyfall der Welt — und er­ hält ihn vielleicht nicht.

Ganz anders ist es mit einem Schriftstel­ ler, der Einsicht genug hat seine Werke bey sich selbst zur Reife kommen zu lassen, und sich das demüthigende Bekenntnis zu sparen, daß er der Welt einmal etwas schlechtes vorgelrget habe« Lr tritt auf, unbekümmert A z um

um seinen Ruhm; er darf sich nur zeigen, so rauschet ihm schon Beyfall entgegen. Baumgarten hatte nichts geschrieben, als, er seine Mecaphisik heraus gab, und die­

ses Werk wird hinreichen, seinen Ruhm auch bey den Nachkommen zu bevestigen. Wer kannte den Namen Rabener, als derselbe zuerst bey dem Worte Saryrcn erschien, und wer würde sich einige Zeit darauf nicht ge-

schamer haben, wann ihm dieser Name hat­ te unbekannt seyn sollen. Rleist gab ohne seinen Nahmen den Frühling heraus, und dennoch war sein Name sogleich in jedes Munde.

Wem sind die Namen Utz oder

Riopstock unbekannt, und haben sich diese

Dichter wohl Mühe gegeben, den Beyfall der Welt zu erschmeicheln? Eben so wenig hat es Herr Ramler ge­ than — Vor einigen Jahren', ohne die Welt durch das geringste Probestück vorzuberei-

len, zeigte er sich in seinem deutschen Bakreup,

als einem einsichtsvollen und sehr

feinen Kunstrichter. Es schien, daß ihn der Beyfall der Welt zu mehreren Unterneh­ mungen

=====

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mungen von dieser Art hätte aufmuntem

Aber, nachdem er sich einige Zeit ausgeruhet hat, so zeigt er sich mit einem-

sollen.

male in einem ganz andern Felde, nämlich in dem Felde der Dichtkunst, und zwar wieder mit Stücken, die ganz unstreitige Verdienste haben, und verbirget wieder mit der Klug­ heit, die Dübos allen Schrifstellern anräth, seine Lehrlingsstücke vor

den

Augen der

Welt. Ich habe Ihnen neulich von einer von sei­ nen Oden Nachricht gegeben.

Jetzt muß ich

Ihnen seine geistliche Cantaten * anzeigen,

die er vor ein paar Wochen hat drucken las­ sen. Es sind in diesem Bändchen drey Stü­

cke enthalten: die Hirten bey der Rrippe

zu Bethlehem; Auferstehung

der Tod Jesu und die

und

Himnrelfarth Jesu.

Sie sind allerseits von grossen Meistern componirt,in Berlinaufgeführtworden. Daszweyte

Stück besonders, nachdem es nach der Com» position des verewigten Grauns zuerst vor A 4 * Berlin, bey Dos 1760. in Otta».

sechs

s sechs Jahren, in der Domkirche mit einer un­ gewöhnlichen starken und vortreflichen Be­ gleitung von Instrumenten aufgeführet wor­ den, hat seitdem jährlich alle Einwohner die­ ser Hauptstadt erbauet und entzücket, die nicht zu allen Empfindungen musikalischer und poetischer Schönheiten verwahrloset sind. Der vorzügliche Beyfall den dieses Stück al­ lenthalben erhalten hat, scheinet auch die Ursa­ che zu seyn, warum sich Herr R. bey diesem öffentlichen Abdrucke befimders hat bemühen wollen, es noch vollkomner zu machen als es war, so, daß es jetzt an vielen Stelle« gänzlich verändert worden. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich gar nicht damit zufrieden bin, daß Herr R. diese Ver­ änderungen vorgenommen hat. Ich zweifle zwar nicht, daß er dazu einige Ursachen mag gehabt haben. Da aber dieses Gedicht zur Musik gemacht worden, so hat es ja wohlden Zweck seiner Bestimmung vollkommen er­ reichet, nachdem es von zweyen der größten Lomponisten in Deutschland, von einem Graun und Telemann, wirklich in die Musik

Musik gesetzet worden. Da ferner diese Can­ tate nicht" allein in Berlin und Hamburg, sondern auch fast in allen grossen Stabten Dentschlandes aufgeführet, und sogar mit der Graunischen Musik gedruckt worden, folglich allenthalben bekannt ist; so wäre eS wohl besser, wenn dieselbe so wäre gelassen worden wie sie war, anstatt daß nunmehr weder die Musik zum Gedichte, noch bas Gedicht zur Musik zu gebrauchen ist. Was die Veränderungen selbst betriff, so möchte ich fast zweifeln, ob dieselben zu der mehreren Vollkouunenheit des Gedichts et­ was beytragen. Ich habe an vielen Stel­ len die weggelassene Verse bedauret. An vielen Stellen habe ich die Ursachen der Ver­ änderung nicht einsehen können. Ich weist zwar wohl, daß Herr Ramler unter an­ dern eine sehr feine Empfindung in Absicht des Wohlklangs und der dahingehörigen An­ ordnungen besitzet; und es könnte vielleicht seyn, daß mir einige feine Bemerkungen entwi­ schet waren, die er in dieser Absicht über sei­ ne Gedichte gemacht hat, aber dennoch —A 5 Doch

IO

Doch ich will Sie selbst über einige Veränder­ ungen urtheilen lassen, ich weiß ohnedem daß diese Cantate von Anfang an, einen so heftigen Eindruck in Sie gemacht hat, daß Sie die Poesie beynahe auswendig wissen, und sich die Graunische Musik auch ohnfehlbar noch sehr deutlich vorstellen. Wenig­ stens erinnern Sie sich gewiß noch des ersten Recitativs, wo die Sängerin, nachdem die Gemüther der Zuhörer durch ein rührendes Chor waren vorbereitet worden, in einem klagenden Ton langsam anhebt:

Gethsemane!---- Gethsemane! Wen büren deine Mauren So bange, so verlassen trauren? Wer ist der peinlich langsam sterbende! — Empfinden Sie noch eben die Rührung, wenn Sie folgende veränderte Zeilen lesen ?

Ihr Palmen in Gethsemane Wen hört ihr so verlassen trauren Wer ist der ängstlich sterbende? —— Anfang der ersten Arie:

Du Held auf den die Köcher Des Todes ausgeleert, Du hörest de» der schwächer

Am

Am Krade Trost begehrt. Du willst, du kaust sein Schutzgott seyn.

Lautet in der Veränderung folgender massen:

Held! auf den ter Tod den Köcher AuSgeleert, Hör am Grabe den der schwächer, Trost begehrt. Gottmensch nimm dich seiner an. Merken Sie, daß die Abänderung, der Vers­

art nicht zu gedenken, dasjenige, was vor­

her eine zuversichtliche Anrede war, nunmehr in eine schmachtende Bitte verwandelt worden. Und diese.Bitte hängt, wie mich dünkt, nunmehr

weder mit dem vorigen noch mit dem nachfol­ genden vollkommen zusammen: in den vorher­ gehenden Recitativ war der TodeskampfChrijti in Gethsemane beschrieben worden.

Die

gläubige Seele ziehet in der Arie dieses auf sich, und redet den Heiland an:

„weil auf dich selbst die Köcher des Todes „ausgeleeret worden, so nimmst du dich deS

„Sterbenden an, der Trost begehret."

Dann dieser Nachdruck lieget in der An­

rede, so wie sie erst war, verborgen, dahin­ gegen

gegen man bey der Bitte, hör am Grabe, diesen Nachdruck nicht empfindet. Der zweyte Theil der Arie erkläret dieses noch ferner, denn Larinn ziehet der Singende in

eine Frage, was im ersten Theile von jedem Sterbenden, der Trost begehrt, gesagt worden, noch naher auf sich selbst. Wann ich am Rande dieses Lebens Abgründe sehe wo vergebens Mein Geist zurücke strebt; Wann ich den Richter kommen höre, Mit Wag nnd Donner, und die Sphäre Den seinem Fußtritt bebt. Wer wird alsdann mein Schlitzgott seyn?

Und antwortet sich selbst im Da Capo mit der

größten Zuversicht: Du :c Bey der Veränderung hingegen, scheinet der

zweyte Theil nicht sowohl eine Frage, sondern ein ängstliches Zweifeln zu seyn, indem keine Antwort folgt, sondern nur die Bitte: ----- hör am Grabe :c. Ich muß bey dieser Veränderung noch ein paar Anmerkungen machen, die zwar wirklich Kleinigkeiten betreffen, aber ich weiß daß sonst dem Hrn. R. auch Kleinigkeiten nicht gleichgül­

tig

tig zu seyn pflegen, er pflegt vielmehr, sonderlich wann er etwas zu verbessern sucht, auch darin äusserst genau zu seyn; und dadurch giebt er seinen Gedichten die Nettigkeit, das

Ansehen der Vollendung (fini) weswegen man sic mit einem vanderwerf vergleichen möchte. In den beyden Versen

Hör am G-ade, den der schwächer, Trost begehrt.

ist die Construction etwas verworfen und un­ deutlich. Dies sollte in Versen, die zum ©in# . gen gemacht sind, am wenigsten Etat finden. Man unterscheidet beym ersten Anhören nicht deutlich, ob am Grabe auf Held, oder auf -en der schwächer gehet. Diese beyde ver­ setzte Worte am Grabe, verursachen ausser­ dem noch eine andere Unbequemlichkeit. Der Componist kann wegen des Verstandes, dir Wörter schwacher und Trost schwerlich durch eine ausdrückliche Pause von einander tren­ nen ; wann sie nun der Sänger nacheinander

aussprechen soll, und sich nicht besonders wohl in acht nimmt, daß er das Comma in der Ans-

Aussprache deutlich unterscheidet, so wird der Zuhörer glauben er höre: Der schwachem Trost begehrt.

Das Wort Gottmensch wird zwar einem eifrigen Theologen gefallen, ich habe auch an sich selbst nichts daran auszusetzen; aber mich dünkt es ist wegen der vielen Mitlauter in ei­ nem musikalischen Gedichte nicht wohl zu lei­ den. Nehmen Sie dazu, -daß auf dieses Wort, das sich mit viertehalb Mitlautern endigt, ein einsilbigtes Wort folgt, das noch dazu auch mit einem Mittlauter anfängt, und zwey andere bey sich fuhrt. Jedermann wird leicht emfinden daß Gottrnensch nimm, nicht wohl klinget.

Ich mag es betrachten, wie ich will, so wünsche ich daß diese Arie so geblieben wäre, wie sie war. — Das erste Recitativ endigte sich sonst mit dem Ausrufe: Betrübt ist «leine Seele Vis in den Tod. — Hierzu hat Herr R. folgende Worte gezogen, die sonst im zweyten Recitativ standen: Laß

Laß Vater diese Stunde — Laß sie vorüber gehn; Nimm weg den bittern Kelch, von

meinem

Munde! Du nimmst ihn nicht— wohlan dein Wille soll

geschehn. Er hat dazu Grund gehabt; dann sie gehö­

ren zur Beschreibung des Todeskampfs Jesu, und stehen hier besser.

Nur schade daß Herr

R. uns dabey folgende

vortrefliche

Verst

entziehet.

Ach mein Immanuel! da liegt errief gebückt Im Staube, ringt de» Tod entgegen, blickt Gen Himmel,,

jammert laut.

Sie hatten doch,

meines Erachtens, sehr

leicht können beybehalten werden, nach dem Worten im ersten Recitative: Sein Herz in Arbeit stiegt aus seiner Höhle;

Sei» Schweiß

rollt

purpurrvth

die

Schläf

herab — Ach mein Immanuel, da liegt er rief gebückt Im Staube, ringt den Tod entgegen, blickt Gen Himmel, jammert laut: betrübt ist meine Seele re.

Ein

16 Ein aufmerksamer Leser würde auch alsdann dem Dichter für die ungesuchte Steigerung: Er zagt gleich dem Sünder —

Er sinkt

belastet — Er liegt tief gebückt im Stau­ be, ohnfehlbar Dank gewußt haben.

Der

kleine Uebelstand, daß bey diesem Vorschläge drey männliche Ausgänge zusammen kom­ men, von denen nur zwey reimen, wäre

wohl mit leichter Mühe zu heben. Der Beschluß folgt.

Briefe, die neueste Litteratur betreffend. II. Den s.Februar. 1761.

Beschluß des hundert und zwey und vierzigsten Briefes.

Was zitterst du Judäens Land?'

«-

Ihr

Ihr Berge warum bebt ihr s» ? Was war dir Jordan, daß dein Strom zu­ rücke floh? Der Herr der Erde steigt Empor aus ihrem Schooß, tritt auf den §e!« und zeigt Der staunenden Natur sein Leden — Des Himmels Myriaden liegen auf der Luft Rings um ihn her; und Cherub Michael silhrr nieder And rollt deS vorgeworfnen Steines Last Hinweg von seines Königs Gruft. Sein Antlitz flammt, seyn Auge glühet; Die Schaar der Römer stürzt erblaßt Auf ihre Schilde; flicht ihr Brüder! „Der Götter Rache trist uns! fliehet! WeichesFeuer! welche Einbildungskraft! —

Welch ein Vergnügen ist eS doch, wenn man Werke beurtheilet, wo die Schönheiten, die

man auf jeder Seite antrift, uns so angenehm

unterhalten, daß man Mühe hat, nach den Stel­

len wieder zurück zu kommen, bey denen et­ wa einige Anmerkungen zu machen sind.

Wie

weit anders ist es doch, wann man einem

Schilderet oder Empfindet? feine Exercitia

corrigiren muß! und doch muß man dieses öfters thun, als man jenes thun kann.

S. Hundert

Hundert und drey und vierzigster

Brief. Sie fragen, welches dann die fchweitzerifche

Schriftsteller find, die unter den Deutschen zuerst «ngefangen, die Menschen in der grossen polt# tischen Gesellschaft mit wahren philosophischen

Augen zu betrachten.

Ich glaube Ihnen die

Namen Iselin und Simmermann mehr als einmal genennek zu haben, die in diesem Fel­

de, unter uns die ersten Früchte gezogen. Die philosophische und patriotische Träume des erstern,

und der nationalstes; des

leztern, verdienen den Beyfall vollkommen,

den sie durchgehends erhalten haben. 53oniV7a# tionalstolz ist letzthin zu Zürich* eine verbesfeste Auflage herausgekommen, die von der

ersten merklich unterschieden ist. Der Verf. hat seine zerstreuete Anmerkungen in Ordnung' gebracht, und mit mehr als schriftstellerischer Derläugnung oft die witzigsten Gedanken u.id beredtesten Stellen weggelassen, die ihm mehr zu schimmern, als zu uMerrichtcn schienen. B 3

* Bey Heidegger und Compagnie. 1760. in

Der

Der Vortrag hat dadurch etwa- von seinem vorigm Feuer, und das Werkgen ziemlich von seiner vorigen Masse verlohren, allein zu seinem Vortheile. Durch die abgemessene Ordnung und Kürze, die der Vers, hinein zu bringen gewußt, ist es eines der feinsten Aus­ arbeitungen geworden, die wir im Deutschen haben. Die Schreibart M beneidenswerth,

und wäre unverbesserlich, wenn nicht an eini­ gen Stellen die Mähe allzu merklich wäre, di« sich der Verfasser gegeben, die ihm fremde hochdeutsche Mundart zu errathen. Er sucht öfters Redensarten, die nicht gesucht, sondern durch den Umgang eingesogen werden müssen,

und verfehlt dadurch nicht selten ihren wah­ ren Nachdruck. Er verläugnet seine Provincialsprache sehr glücklich; aber man merkt es,

daß ihn« diese Verläugnung sauer geworden.— Seine Beyspiele sind die ausgesuchtesten, und seine Denkungsart ist edel und philosophisch. Der. Weitläufigkeit feind, begnügt er sich das Wesentliche zu sagen, so zu sagen, daß der Leser das übrige mit Vergnügen hinzudenkt, und spottet der unermüdeten Schrifsteller, die

sich

r;

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sich mit ihren Leser nie einlassen, ohne ihm alles zu sagen, was sie nur wissen. «Die „Proseschreiber, spricht er bey Gelegenheit der

„Verachtung der Menschen gegen einander; „die Proseschreiber verachten sich untereinan„der. Manche sind auf ihre Weitläuftigkeit,

„manche auf ihren Verstand stolz.

Jene

„schreiben alles was sie wissen; diese nur was „wissens würdig ist. Jene schleppen aufKar„ren in ihren Werken zusammen, was man „von der Sündfluth an, ohne sie gewußt hat.

„Sie werden des Schleppens nicht satt, sie reis-„sen ihren Gegenstand mit den Zahnen herum, „sieleyernauf ihre Weitläuftigkeit stolz, ihr un„überwindliches Geschwatze dahin, bis ein „sanfter Schlaf den Leser überfallt, und sie

„leyern noch.

Der Verfasser eines Folianten

„scheint ihnen ein riesenmäßiger Geist,

der

„Verfasser eines Duodezbändchens ein Geck.

„Es ist in ihren Augen Unsinn, wenn man „nur von dem Wesentlichen gerührt, nicht „mehr sagt, als gesagt zu werden verdienet. „Sie heissen ungelehrtes, tandelhaftes, leichtes „und flüchtiges Zeug, was mit Wahl, mit RichB 4

„tigkeit

„tigkeit und Anmuth geschrieben ist.

Sie

„verwerfen, was sie nicht kennen, die Sorge „für

die Schreibart, und die Beredsamkeit.

„Sie verwerfen den SBi£, weil sie keinen ha­ lben.

Der gelehrte Haufe nennt die Classe,

«die Verstand hat, die Classe berRleinmei-

„ster.

Die Classe, die Verstand hat, nennt

„den Haufen ihrer Gegner die Classe der Pe­ danten, weil ein Mensch, der ohne Verstand „auf einen unnützen Quark von Gelehrsamkeit „stolz ist, ein Pedant ist. “ —

In der ersten Auflage schien Herr Zimmer­ mann blos den freyen Staate einen Stolz

auf ihre Regierungsfvrm zu erlauben, und

dieses war vermuthen;

von

einem

allein

die

Republikaner

glänzeyde

zu

Rolle,

die jezt unser nionarchischer Staat vor den Augen

der

Nachwelt

spielt,

und

die

des edlen Stolzes so würdig ist, als alles was di« Geschichte von Republiken erzehlt, hat ihn auf andere Gedanken gebracht.

Er

widmet in der zwoten Auflage dem Stolze,

der in Monarchien Platz hat, ein besonderes Hauptstück, und Sie werden leicht erkennen, welche

«eiche Monarchie hier sein einziges Beyspiel ist : „Der Stolz, der in Monarchien Platz „hat, spricht er, ist die Erhabenheit, die der „Mensch fühlt, wenn er sich durch die Person „seines Monarchen vorzüglich beglückt siehet» „— Dieselbe Nachahmungssucht, welche die ..Hofleute des Alexanders antrieb, den Kopf „gegen die Schulter zu krümmen, weil der „Kopf des Alexanders krum hieng, macht den „Geist der Unterthanen groß, wenn der Geist „des Monarchen groß ist." Der Gedanke ist glänzend, aber falsch. Bey den Hofleuten des Alexanders war es nicht Nachahmungs­ sucht, sondern Schmeicheley, daß sie einen Naturfehler ihres Monarchen nachahmten, aber die Grösse des Geistes laßt sich von kei­ nem Schmeichler annehmen. Man kann aus Niederträchtigkeit den Kopf seitwärts krümmen, aber nicht den Geist erheben. — Und warum sollen wir von der andern Seite den Fall mit der Nachahmungssucht verglei­ chen , wenn man durch ein grosses Beyspiel angefeuert, die wahre Seelengrösse kennen, lieben und selbst darnach streben lernt? Ist dieses Nachahmung, oder ist es nicht vielmehr B 5 die

die uns angebohrne kiebe zum Erhabenen, die jezt durch die Macht des Beyspiels einen neue» Trieb bekömmt? In dieser Betrachtung laßt sich mit Recht hoffen, der grosse Geist des Monarchen werde den Geist der Nation in der That veredlen und nicht bloß zur Nachah­ mungssucht reitzen. Herr Z. selbst leitet in -er Folge diese rühmliche Nacheiferung von einer ediern Quelle her. „Das Reich, spricht „er, daS in Europa seine Augen am meisten auf „seinen König heftet, wird so oft alle andre Rei„che der Erde übersteigen, als sein Röntg das „ist, was er seyn soll. Alles kömmt auf „die Person des Monarchen an. Der beste „Kenner der alten und neuen Staatsverfas„sungen hat gesagt: die Sitten des Monar„chen tragen zu der Freyheit so viel bey, als die „Gesetze; er könne aus Menschen Thiere, und „aus Thiere Menschen machen; erwerbe Un„terthanen haben, wenn er freye Seelen lie„be, er werde Sclaven haben, wenn er kleine „Seelen liebe. Die erhabensten Fähigkeiten „bleiben verborgen, wenn sie der Fürst nicht „hervor ruft.

„Eilt

„Ein Fürst der zugleich die Macht und den „Willen hat seine Unterthanen glücklich zu „machen, ein Fürst den bey seinen Leben sein

„Volk als einen Gott verehret, und bey sei„nem Tode als einen Vater beweint, theilt „seine Grösse mit seinem Volke. Die Maje-

„stät des Thrones ist ein Licht, das von dem „Monarchen auf das Volk, und von dem „Volke auf den Thron fällt. „ Hierauf folgt eine Beschreibung des Für­ sten, auf welchen die Nation stolz zu seyn Ursache hat. Diese gehet uns so nahe an, daß ich mir ein Vergnügen mache, sie ganz

abzuschreiben.

Sie schmeichelt unserer Eigen­

liebe auf die angenehmste Weise, indem sie uns berechtiget, an der Grösse eines Monar­ chen Theil zu nehmen, da andere sich begnü­ gen müssen, sie in der Ferne zu bewundern. «Der Unterthan würde den gerechtesten „Stolz empfinden, wenn der Monarch die „Tage seiner Jugend in der Einsamkeit zu».gebracht, in den Jahren der Wollust das „Unglück gekannt, und in dem Mer der Freu­ nden gelernt hätte, ein König zu seyn.

„Der

rs „Der Geist der Nation nähme einen neuen „Schwung; alle Künste bezauberten die Sin-

„ne, alle Wissenschaften reihten den Verstand, „wenn dieser König auf dem Throne, ein

„Philosoph, ein Gesetzgeber, ein Freund der „Künste, des Friedens, der Wissenschaften,

„und der Menschen wäre.--------„Der gegründeste Stolz würde die Armeen „dieses Königs ermuntern, wenn er im Krie„ge so groß als im Frieden, die Beschwer­

den der Marsche, die Unbequemlichkeiten der „Jahrszeiten, den Mangel aller Bedürfnisse

„des LebenS mit den Soldaten theilte; wenn „er mitten unter ihre Haufen träte, wenn er „in ihre Zelter gienge, mit jedem spräche, mit „den Muntern frölich, mit den Unglückli-

„chen betrübt, Del in ihre Wunden und Lin„derung in ihre Schmerzen brächte;

wenn

„er ihre Ungeduld in ihren Schwachheiten, „und ihren Heldenmuth im Tode unterstütz-

„te. Wenn er, vor dem Feinde, mit dm „Eigenschaften des größten und des klügsten „der Helden, das Künftige durch das Ver­ gangene vorhersahe, und immer bas Gegen„wärtige

2A „wärtige mit Adlersblicken überschauend den

„kurzen, den entscheidenden Augenblick ergrif# „fe; wenn er mit der Todesfahne in der Hand »vor seinen Völckern herführe, und mitten ,,in den Flammen der Schlacht, mit uner,,schütterter Gegenwart des Geistes auf ein#

„mal, Noth und Errettung bemerkte. „Die Unterthanen dieses Königs sähen, „aus unendlichen Gefahren, die Tage seiner

„Grösse nahen, wenn die gewaltigsten und „zum Streite für die Oberherrschaft der Welt „geweihten Völker wieder ihn aufstünben. „Sie sagten mit einem ihrer schönsten Gr# „nien: die unüberwindliche Standhaftigkeit, „der gesetzteste Muth, die keine Ermüdung »kennende Thätigkeit, und die weit über dte

„gemeine Schranken gehende Weisheit un„sers Beschützers sind uns Bürgen der gött-

«lichen Hülfe. Die kleinen tnacedon.schen „Haufen stürzten sich mit der Ueberzeugung „in die mächtige Heere der Feinde: Wir „sind Geschöpfe einer höhern. Ordnung, weil „die Seele unserer Armee ein Geschöpf von

„höherer Ordnung ist. „Jede

„Jede Seele würde groß, wenn der Mos ,march

»Menge

durch die Geschwindigkeit und die noch nie erhörter Thaten, von

»Freunden und Feinden bewundert, die Aus „gen aller Völker auf sich zöge; wenn er „bald durch die Natur, bald durch die Zahl,

„bald durch Helden, die er siegen gelehrt, „überwältigte, immer Hülfe in der Noth, „immer Errettung am Rande des Abgrun„des, nach jedem Verluste neue Siege er#

„stritte, und niemand ähnlich als sich selbst, „in Glück und Unglück groß, bald seine Fein­ ide, bald sein Unglück besiegte.

„Jede Seele würde groß, wenn endlich, „über den weiten Grabe der Ueberwundenen

„und der Ueberwinder der Friede zu leuchten

„anfienge; wenn über den Helden der Philos „soph, über den Racher der Menschenfreund, „wenn der Monarch über sich selbst triums „phirend,

der müden Welt

zurief; es ist

„flenug! „ — So weit Zimmermann.

Litt«

Eine Dichterinn, die den Sieg des Rö­

ntge bey Torgau * besungen, prophezeiet uns diesen glücklichen Tag in folgenden schö­

nen Strophen;

Schutzengel, die als Er gewönne», Unsichtbar um Ihn her geschwebt, Frolockten laut, daselbst, wo über tausend Sonnen Die Gottheit ihren Stuhl erhebt; Sie warfen sich auf- Antlitz nieder. Und seine Stimme hieß sie gehn, Um künftig mit bedeckender. Gefieder. Noch meinem König beyzustehn. Sie lagen noch und baten Friede Don den, der aus dem Stuhle saß, Erhörung redete herab in einem L;ede Zu heilig fiir das Sylbenmaaß, Sanft thünten in die goldne Harfe» Accente der Erbarmung ein, Und Väter, die zum Thron die Crone» warfen, Dernahmen, bald soll» Friede se^n. Der

• Den Sieg des Königs bey Torgau, beschrieb An, na Louise Larschin, gebohrne Dürbachin. Glogau 1760.

31

B

Der Weltweisveit und Freundschaft heilig Sind meine- Helden Lage dann. Kommt frohe Stunden, kommt, seyd ««gewöhn» lich eilig! Euch Uchelt Er von fernher an; Dann rieht der Schlachten, die entscheide». Der Philosoph von Sair--Souci Die Flure vor, wo sichre Heerde« weide». Und wie Hora», so singt Er sie.

Der Beschluß folgt.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend. III. Den 12. Februar. 1761.

Beschluß des hundert und drey und

vierzigsten Briefes. HV>as dünkt Ihnen von vorerwehnten Zeilen? Sie werden vermuthlich Lust bekom­ men, das Gedicht ganz zu lesen, auS wel­ chen sie genommen sind? Alle Strophen sind zwar nicht von gleicher Starke, allein aus einigen leuchtet eine männliche, und fast etwas wilde Imagination Herfür, die ganz untrüglich ein ungemeines Genie ver­ rath. Wenn die Dichterin, wie man sagt, bisher in einem Stande gelebt, da sie weder Erziehung, noch Unterricht, weder Anleitung, noch Aufmunterung geniessen können; so sind ihr die Fehler desto leichter zu verzeihen, und die Züge des Genies gereichen ihr zu desto grössere Ehre. Urtheilen Sie aus fol­ genden Stellen!

neunter Theil.

(?

O Mu-

0 Muse! die mit kühnen Fluge BiS ins Gewühl der Feldschlacht dringt, Dem Held zum Streite folgt, und seines Heeres Zuge Nachspäht, und grosse Thaten fingt. Trag meine Phantasie auf Flügel» Hin, wo die Elb ans Ufer trat, Zu sehen, wie auf nachbarlichen Hügel» Mein König grosse Dinge that.

Daun hielt an Zuversicht gelehnr Den Degen in der Hand, und sah Sein unabsehnlich Heer am Strom weit ausge­ dehnt, Stoltz auf sein Lager stand er da Und zählte seiner Wagen Menge, Gemacht um Feuer au-zuspeyn, Schon dacht er sich gerühmt durch SiegS-Gtsänge, Schon sah er Wien lusttaumelnd seyn.

Hohnlächlend von Berlin gekommen, Vereinte sich mit ihm Lascv. — Und vom gerechten Zorn des Helden eingenommen. Drang itzt der König gegen sie; So

So fffirit ein Adler auf die Schlange, Die sicher zwischen Kelsen liegt, Schlau aus der Hut, entwischte sie ihm lange, Er überrascht die List, und siegt. —— Der ALnig winkt, die Reuter falte« Ernsthaft die Stirne«, und ihr Arm Wird ihre» Feinde» ichwehr. Geschwungne SH del spalten Den Kops, und vom Gehirn noch «arm Zerfleischt da- Schwerdt die Eingeweide.

Welches Gemälde! Sagen Sie mir doch, ob es wahr ist, daß die Reuter die Stirne« falten, wenn sie einhauen! Der Zug ist er­ haben, und so viel ich weis, noch unge­ braucht. Ich begreife nicht, wie ein unkrie­ gerisches Frauenzimmer auf diese Bemerkun­ hat zuerst kommen können! r.

E 8

Hundert

Z6

--------------------

Hundert und vier und vierzigster Brief. ^ie Einfalle und Begebenheiten die Mit W

ner grotesken Vignette sezieret, ohne Benen­ nung des Orts heraus gekommen, sind ein anmuthiges Allerley von lustigen und ernst­ haften, satyrischen, kritischen und philosophi­ schen Gedanken, in deren Gesellschaft sich auch manche Pöstchen und Wortspiele einschlei­ chen. Der Vers, will sich folgende Grab­

schrift setzen lassen:

Ci git H . . . jureconfulte malgre lui, und strgt am Ende des Bächelchens:

„Ich

„baue einen Garten, wo keine Blumen wach„sen. Die silbernen Bache, für den Nar„cissus gefährlich, deren sanftes Murmeln die Dichter verstehen, stiessen weit, ach leider! „weir davon. Kein Schäfer besucht diese Ge­

igend, und Philomele kennet ste nicht. Ein „Feld mit traurigen Dornen ist mir zum Erb„theil geworden. In diesem fitze ich einsam „die ganze Lebenszeit und löse Knoten auf, »welche Verschlagenheit künstlich geknüpft hat.

„Berge-

—————

37

„Vergebet mir also, ihr Richter des guten

„Geschmackes! wenn meine Schreibart her„be, und je zuweilen nach Acten schmeckt.'« Unter den lustigen Einfällen haben mir fol­

gende vorzüglich gefallen: „Als ich Doclor „wurde, erzehlt der V., hatte ich mit einem „Kaufmanne Bekanntschaft, der scherzhaft zu „mir sagte, ich würde ihm doch auch eine „Disputation überbringen. Das that ich. „Als er die vielen Allegara sahe, fragte er, „was die ** und ft nebst beygeschriebenen „Namen verschiedenerSchriftsteller bedeutete? „Es sind Tratten, sagete ich, denn weil ich „einige Satze vor wahr annehme, daran „vielleicht der Leser zweifelt; so solte ich sel„bige beweisen; aber der Kürze halber thue

„ich Anweisung, und nenne diejenigen, wo „er disfalls seine Zahlung erhalten kann. „Wenn man aber falsch allegiret, kommen „sie mit Protest zurücke, und als ein Kauf„mann wissen sie, waS disfalls der Traßirer „zu gewarten hat. — „Andreas Rüdiger, welchen man einige

„Zeit lang den Leipziger Philosophen genennet,

C z

hatte

38

1 11

.

»hatte gefunden, daß aus feinen Namen An« „dras Ruidigerus durch Versetzung der Buch« »staben araie rus dei dignus heraus gebracht »wurde. Es ist das allerreinste Anagramm«. »Dieser Weltweise lernere anfänglich die Got# »tesgelarheit, und war in Halle bey Lhri»stian Thomasen wohl gelitten, dessen Sin# »der er unterrichtete. Es suchte ihn aber »Thomasius von der Gottesgelarheit abzu# »bringen, und sagte, daß er sich besser zur »Arzeneykunst schickte. Rüdiger antwortete, »er verführe selbst bey sich mehr Neigung »ein Arzt zu werden, trüge aber Bedenken, »solches zu thun, weil er zur Theologie einen »göttlkchen Beruf in seinem Namen führe; »denn er sey «rare rus dei dignus. Narrens# »passen, sagete Tlomasius, das ist eben »der göttliche Ferns ein Arzt zu werden, denn »dei rus heißt der Gottesacker." Herr H. wagt auch manche kleine Strei# fereyen in daS Gebiethe der Metaphysik vermuthlich mehr in Absicht die Einwohner zu erschrecken, als zu bekriegen. Die Me­

taphysiker find ein schwehrfälliger Trupp, der

der von dem leichten Geschwader des Witze­ überfällen und beunruhiget, aber nicht verdrungen werden kann. Ich weis nicht zn welcher Partey ich mich zehlen soll; allem

Sie mögen urtheilen! K. 14. will Herr H. der Vernunft ihre so lange behauptete Oberherrschaft streitig ma­ chen. „Ein Vorurtheil ist, spricht er, wel­

sches kein Weltweiser auszuwurzeln vermag, „nehmlich, daß der Mensch glaubt, es sey „nichts vortreflichers, als Vernunft zu ha­ schen. Man verstehe mich recht. Die Ver„nunft ist unser schönstes und herrlichstes „Kleinod, das gebe ich zu.

Menschen kön-

„nen sich nichts göttlichers vorstellen, das ist

„vollkommen richtig. Aber ich behaupte mei„nen Satz folgendermassen: die Vernunft,

„sage ich, ist das höchste Kleinod des Men«schen, aber sie ist nicht das höchste Kleinod „überhaupt. Es giebt vielleicht in der

„Unendlichkeit der Dinge und in andern Wel­ lten höhere Wesen, für welche die Vernunft „ein gar zu geringer Vorzug wäre."

viel­

leicht, spricht der Widersacher der Vernunft, und ihre Sachwalter antworten; unmögC 4 lich.

lich. Man verstehe uns recht. Wir begrei­ fen unter dem Worte. Vernunft, sowohl vernünftig denken, als vernünftig han­ deln; dasjenige, was bey Gott im aller­ höchsten Grade, Allwissenheit und Schöps

fungskraft genennt wird. Nun lasset euere Wesen in andere Welten seyn, was sie wol­ len; so muß ihr vermeinter Vorzug, der mehr als die Vernunft gelten soll, in einem innern Vermögen bestehen, das ihnen zu­

kömmt.

Dieses Vermögen muß,

als ein

wahrer Vorzug, eine Vollkommenheit seyn,

und auch vollkommene Folgen haben.

Ich

nenne sie Folgen, und nicht Wirkungen, aus einer vielleicht unnöthigen Vorsichtigkeit, weil

die Vorstellungen Gottes nicht Wirkungen, sondern Folgen seiner allerhöchsten Vernunft genennt werden können. Doch da von end­ lichen Wesen die Rede ist, kann ich immer sagen, ein jedes Vermögen, das ihnen zu­ kömmt, muß, wenn es vollkommen seyn

soll, vollkommene Wirkungen hervor bringen. Diese Wirkungen sind entweder Gedanken oder Handlungen;

und als

vollkommene Wirkun-

la-ji »■!!—.

4i

Wirkungen, entweder vollkommene Gedan­

ken oder vollkommene Handlungen; oder giebt es noch ein drittes? Unmöglich! denn

es sind entweder innerliche oder äusserliche Wirkungen; die innerlichen, sind Gedanken, die äusserlichen, Handlungen. Wie weit sind wir nun? — Der übervernünftige Vor­

zug des Herrn H. kann nichts anders seyn, als etwa ein Vermögen vollkommen zu den­ ke.», oder vollkommen zu handeln. Was meynen Sie? Sollte Herr H. nicht erlau­ ben, dafür zu setzen, vernünftig zu denken, oder vernünftig zu handeln? Ich sollte

nicht zweifeln;

denn vernünftig denken und

handeln, heißt nichts anders, als nach der Regel der Vollkommenheit denken und han­

deln. Aber wie stehet es nun um das vorige vielleicht? kan nmn wohl noch zweifeln, ob es einen höhcrernVorziig gebe, als das Vernrögen

vollkommen zu denken, oder vollkommen zu handel», Realitäten sich vorzustellen, oder ausser sich wirklich werden zu lassen? — Die

Vernunft entscheidet also den Fall zu ihrem Vortheile. Es kann seyn, daß sie in ihrer

C 5

eigenen

eigenen Sache parteyisch ist; allein so gehets, wenn man mit einem Gegner zu thun hat, den man zuletzt für seinen Richter erkennen muß. §. 49.

Heißt es „ kann man wohl bey

„sich in der Stille etwas ohne Worte den„ken? Doctor Löscher hat behauptet, daß „dem ersten Menschen Wörter anerschaffen „wären, und es gehe ganz und gar nicht „an, daß, ohne sich an Worte zu halten, „etwas gedacht werden könne. Meistentheils

„freylich denken wir auch vor uns stillschwei-

„gend mit Worte, das machet, weil wir von „Jugend auf durch beständiges Reden und

„Schreiben mit ihnen allzugemein werden. „Allein es ereignen sich demohnerachtet häu, fige Gedanken der Seele, ohne daß ihnen

„die Einbildungskraft ein Zeichen oder Wort „vormalet. Die Menschen haben gedacht, „ehe die Sprachen erfunden worden, und ein „Taubgebohrner urtheilet, schließt, und hat „so gar von Tugenden und Lastern, deren .Namen er niemals gehört, gute Begriffe.

Sollten wohl die Engel, weil ihnen die

Zunge

. .................

4?

„Zunge fehlet, ohne Gedanken seyn?., Es ereignen sich häufige Gedanken der Seele, sagt Hr. H. ohne daß die Einbildungskraft «in Zeichen, oder Wort vormahlet? Ich ge­ stehe es, baß meine Seele sich vergeben­ bemühet, es so weit zu bringen. Ohne Zeichen oder Worte kann sie kaum die ersieh Elemente der Gedanken, die Absonderungen gehörig fasse. Ich bin nicht einmal im Stande die rosenrothe Farbe zu denken, ohne mir die Rose oder sonst einen so gefärbten Gegenstand, mit vorzustellen, wenn ich die Sache selbst und nicht die Worte, oder Zei­ chen derselben denken will. Was die Men­ schen gethan, ehe die Sprache erfunden wor­ den, weis ich nicht, aber das weis ich, daß ein Taubgebohrner seine Begriffe zwar nicht mit articulirten Tönen, abe.' doch mit andern Zeichen verbindet, und daß er ohne dieses Hülfsmittel nimmermehr Begriffe von Tu­ genden oder Lastern bekommen würde. Die Engel beweisen noch weniger, denn erstlich weis ja Herr i$. nicht, ob sie nicht auch ihre Zeichen haben, die ihnen Hülfsmittel der Ge­ danken

danken find; und zudem, wer hat denn ge­

sagt, daß es schlechterdings unmöglich sey, ohne Zeichen oder Worte zu denken?

Noch einen Einfall muß ich Ihnen anfüh­ ren, den Herr H. vielleicht zum Spaß, mei­ ne ganze -Logik nennet.

56. Alle Be-

„tveife laufen da hinaus, daß zwey Dinge, „von welchen die Rede ist, einander in gewis„sen Stücken ähnlich find. Denn was die „Dernunftlehre einen Schluß nennet , was ist

»chiefes anders, als daß gewiesen wird, es komme Subjectum mit dem Pradicato über„ein, deswegen,

weil beyde- einem dritten

„gleichen. Wenn aber zwey Dinge einem „dritten ähnlich sind, so sind sie einander selbst

„ähnlich ; als, ich soll beweisen, daß die Tu„gend schön sey; Dieses muß durch einen

„Schluß heraus gebracht werden. Ich »nutz „das dritte suchen, welchen sowohl die Tu­ gend als die Schönheit gleichet; habe ich „dieses gefunden, so kann ich sagen, daß auch

„beyde einander ähnlich sind. Wolan! ich „will diesen Beweis antreten. Schön nen„net man dasjenige, so den Leuten gefallt. „Tugend

j,Tugend aber ist, wenn jemand seinen Vor„theil dem Vortheile anderer nachsetzet. Die„ses nun gefallt den Menschen, und wird von „ihnen geliebet. Also ist die Tug nd schön, „denn sie kömmt mit den Begriffen derSckön„heit darinnen überein, daß sie beyde gefal­ zten, und gelobt werden." Da haben Sie die Logik unvergleichlich ins Feine getrieben! Begreifen Sie, was Herr j3ei, tr^Zrw irlfyiTtt/ Xe%«» A’g«r«f J» T»%ira ftiv^fcifKf in ox/ Anygn.

Das ist: „Aber der wackere Kriegsmann verändert „die Farbe nicht, nnd zittert nicht sehr, „sobald er sich einmal im Hinterhalt stellet. „Nun wünscht er nur baldigst im hitzigen „Treffen handgemein zu werden." Zweifeln Sie daran daß Homer eingesehen, der brave Kriegsmann würde bewunderns­ würdiger seyn, wen»« er gar nicht zitterte.— Und gleichwohl hat er mit Vorsitz vermie­ den ihn über die Menschlichkeit zu erheben. Er läßt ihm noch einen schwachen Rest von den Empfindungen, die den Menschen bey Herannahung des entscheidenden Augenblickes so natürlich sind, und sagt mit weiser Be­ scheidenheit: „Er zittert nicht sehr, sobald er „sich einmal im Hinterhalt stellt." — Pope, der grosse Pope hat dieses >«,» und dieses nicht bemerckt oder nicht gebilLget, und daher die Standhaftigkeit des bra­ ven Mannes bewundernswürdiger abzubilden gesucht.

gesucht. Urtheilen Sie selbst, ob feine über­ triebene BeschreibungMe bessereWirkung thut! Noe so the brave---- still dauntkfs, still the fame, Unchang’d bis colour, and umnov’d bis frame ; Compos’d bis tought, determin’d is bis cye» And fix’d bis foul, to conquer or to die; If ought disturb the tenour of bis breast, Tis but the wish to strike before the lest.

Das ist: „So ntachts der Wackere nicht.— Stets „unerschrocken und immer sich selbst gleich, „mit unveränderter Farbe, der Leib nner„schättert, die Gedanken nicht verwirrt, „mit entschlossenen Blicken und standhafter „Seele stehet er da, zu siegen oder zu ster„ben. Wenn noch etwas sein Gemüth be„unruhiget; so ist es der Eifer im Gefechte „der Vördersie zu seyn." Das Gemälde ist prächtiger und moralisch er­ habener als Homers, aber vollkommen in dem Geschmacke der Neuern, die des guten nie zu viel thun zu können glauben. Wie weit ist dieses von der edlen Einfalt des «5o# rnere entfernt! — Ich könte Ihnen aus der Ueberfttzung des Pope, der den Homer D 4 so

so glücklich modernisirt hat, viele derglei­ chen Beyspiele anfähren, in welchem der Un­ terschied des Antiken - und Modernen Ge­ schmacks so deutlich zu sehen ist. Pope giebt jedem grossen Zuge des Homers die aller­ feinste Ausbildung, und jede Neigung zum Guten verwandelt er in eine heroische Tu­ gend. Corner vermeidet mit aller mögli­ chen Sorgfalt das sittliche Ideal, und Pope sucht es ihm bey jeder Gelegenheit unterzu­ schieben. Will man auch diesen nicht tadeln; so muß man doch wenigstens jenem die Ge­ rechtigkeit wiederfahren lassen, daß ihm die vollkommenen Charaktere der Neueren nicht unbekannt gewesen, und daß er sie vielmehr mit guten Bedachte zu vermeiden gesucht hat. D.

Hundert

Hundert und sechs und vierhigster Brief. Aber wie? Fragen Sie, an einem andern Orte; Sind denn die höchsten Lugenden nicht'

erhabener, als die mittelmäßigen? O ja! Je­ doch nur moralisch, nicht poetisch erhabener. So wie die Dichtkunst ihre besondere Güte

hat, die weder mit der physikalischen, noch mit der moralischen Güte allezeit übereintrift;

so hat sie auch ihre besondere Erhabenheit. In der Sittenlehre ist die Fertigkeit den aller­

heftigsten Begierden und Leidenschaften aus löblichen Bewegungsgründen zu widerstehen, eine erhabene Lugend, so wie die Fertigkeit trotz der löblichsten Bewegungsgründe, der

mindesten zugeben, kriechende Dichtkunst

dawiderstrcitenden Begierde nachdas niedrigste Laster ist, und eine

Denkungsart verrath.

In der

aber ist diejenige Nachahmung oder

Erdichtung die erhabenste, welche die meh-

resten Seelenkrafte am sinnlichsten und an­

genehmsten beschäftigen;

D 5

Herr

Hr. Currius, der Ihnen durch seine Ueber-

setzung der aristotelischen Dichtkunst bekauk seyn wird, hat im vorigen Jahre eine Samm­ lung von kritischen Abhandlungen und Ge­

dichten * drücken lassen.

In der Abhand­

lung vom Erhabenen in der Dichtkunst spricht er, „wir nennen dasjenige Erhaben, „was die gewöhnlichen Begriffe über-

steigt, und das menschliche Gemüth „mir Bewunderung erfüllet.,, Diese Erklärung passet auf das Erhabene über­ haupt, allein das Erhabene in der Dicht­ kunst erfordert eine nähere Einschränkung, die dem Wesen der

Dichtkunst gemäß

ist;

denn wenn wir z. B. im gemeinen Leben

einen Menschen bewundern, der aus löbli­

heftigsten Leidenschaften besiegt; so geschiehet dieses doch keineswegeS

chen Absichten die

in der Nachahmung, indem es nichts Be­ wundernswürdiges ist, einen solchen Cha­ rakter zu erdichten. In der Dichtkunst ist Gegenstand Erhaben, welcher fähig ist, durch die vollkommenste sinn­ derjenige

liche • Hannover, 'verlegt« Johann Christoph Richter.

liehe Rede das Gemüth mir Bewunderung zn er fällen. — Die Charaktere werden in der Poesie nicht durch sittliche, sondern durch poetische Vollkommenheiten erhaben und bewundernswürdig, und daher kann der sittlich abscheulichste Cha­ rakter in der Dichtkunst vollkommen erhaben seyn. Die vornehmsten Merkmale des Erhabe­ nen in der Dichtkunst sind also diese; i) Es muß Bewunderung erregen, 2) höchst sinn­ lich, und 3) vollkommen ausgedruckt seyn, die Bewunderung verursacht Nachdrucken, fesselt die Aufmerksamkeit und macht, daß wir das Bewunderte nicht leicht vergessen. Der Charakter der Sinnlichkeit mc.d)t, daß es leicht und faßlich ist, und von jedermann der gesunde Vernunft hat, begriffen werden kann; durch das dritte Merkmal aber, wel­ ches die Vollkommenheit des Ausdrucks war, erlangt das Erhabene die Beschaffenheit, daß es schwehrlich, oder vielmehr unmöglich bes­ ser gegeben werden kann. — Dieses find die

die Kennzeichen, die Longin vom Erhabe­

nen in der Dichtkunst angiebt.

„Dasjenige

„ist in der That erhaben, spricht er in der

„siebenten Abtheilung seiner Schrift vom »Erhabenen, welches viel Nachdrucken

„verursachet, welches man schwehrlich „oder vielmehr unmöglich besser geben „kann, welches saft im Gedächtnisse bleibt, „und nicht so bald vergessen wird.

Ueber-

,,Haupt, setzt Longin hinzu, ist dasjenige

„wahrhaftig schon und erhaben, was alle„mahl und allen Menschen gefallt. Denn „wenn Leuten von verschiedenen Wissenschaf„ten, Lebensart, Neigungen, Alterund Ein„sicht, dieselbe Sache zugleich gefallt; so ist „die Vermischung und Zusammenstimmung

„so vieler Verschiedenheiten ein grosser und „ungezweifelrer Beweis von der Gegenwart «deö Wunderbaren oder Erhabenen.» Hr. Lurtius macht wider diese richtige

Anmerkungen folgende Einwürfe.

,,i) Sollte alles dasjenige erhaben seyn, „welches viel Nachdenken verursachet, so «würde

>

......... .

„würde der größte

>

»IH

61

Theil der geometrischen,

„algebraischen u. s. w. Satze erhaben seyn. „ 2) Ein Trink- oder Gassenlied, eine rei„tzende verliebte Ode, bleibt eben so lange „und langer noch im Gedächtnisse, als die „vollkommenste Muster des erhabenen. „3) Die Verschiedenheit des einem jeden „Volcke eigenthümlichen Nationalcharakters,

„des Climats, der Religion, und Erziehung, „tausend andere Umstände, machen fast »n„möglich, daß viele Sachen allen Menschen, „zu allen Zeiten, und unter allen Umstanden, „erhaben scheinen können. Daß Schriften

„vielen

und verschiedenen

Leuten

gefallen,

„ist kein Beweis des Erhabenen, sonst muß-

„ten MoUerens Lustspiele,

und des Abt

„Coyer Satyren, oder moralische Kleinig,,feiten im höchsten Grade erhaben seyn.,, Was sagen Sie zu diesen Einwürfen? Ist

es nicht lächerlich: Longin sagt, was alle diese Merkmale besitzet, ist erhaben, und Hr.

Curti«6 glaubt ihn widerlegt zu haben, wenn er beweiset, daß dasjenige nicht erha­ ben sey, welches nur eine von diesen Eigen­

schaften

schäften besitzet. Herr L. hat Recht, aber wahrhaftig -Longin auch, die Lehrsätzeder Matheinatick, Gassenlieder und verliebte Ode» sind nicht erhaben. Was aber so viel nachzudenken giebt, als ein mathematischer Lehrsatz, und dennoch so leicht zu fassen ist, und eben so lange im Gedächtnisse bleibt, als ein Gasscnlied, oder eine verliebte Ode; was über diesen Eigenschaften noch, wie Lomgiil hinzusetzt, schwerlich, oder wohl gar un­ möglich besser gegeben werden kann; das ist in der That erhaben, und dieses wird vermutblich Hr. ,schweig gebracht würde. O du Stadt der „Helden! sey stolz auf das Vermächtnis die# „ses dich liebenden Prinzen. Sich selbst, fei# „ne Gebeine schenkt er seinem Vaterlande zum „Andenken der stärksten Liebe, die er zu dem# ,,selben jederzeit getragen. Damit dieSamm# „lung seiner Helden nicht zerrissen werde, P 2 „damit

224

......... -

,

«damit du durch seine Asche beweisen könn­ test, auch dieser, der vor die gerechte Sache »und die Freyheit Deutschlandes gestorben, , gehöre dir zu; darum verordnet' dieser „würdige Welphe, seine Gebeine nach Braun,,schweig zu bringen» Sein hohes Haus soll „sehen, wie bemüht er gewesen, das Blut „zu beweisen, das in seinen Adern gewallet; „wie würdig er sey, daß er zu der Reyhe „seiner Herren Brüder gehöre. Sein zer«schmettert Haupt ist mit einer Krone der »Ehre umlaubt. In diesem Anputz will er »sich noch den ©einigen zeigen, und dieser „soll der stumme Zeuge seyn, wie gerecht „ihre Klagen sind. Endlich wußte er auch, „baß er noch seine Frau Mutter Durchlaucht „am Leben hatte-------- Ob also gleich un„sers Prinzen Leben der Freyheit gewidmet, „und auch davor aufgeopfert war: so gehör„te doch der entseelte Leichnam nach Braun­ schweig, um der Frau Mutter Durchlaucht ^zu beweisen, wie ruhmvoll, wie angenehm „es sey, vor das Vaterland sein Blut ver­ spritzen." Hierauf folgt nun die Beschrei­ bung



>

L2s

bung des Leichenzuges. Ich wollte wol wet­ ten, daß sich Herr Pauli auf diese ganze Stelle recht viel zu gute thut, und sie wol gar für schön halt. Der. einzelnen Ausdrü­ cke und Wendungen jezt nicht zu gedenken, die kaum in einem schlechten Lebenslauf er­ träglich sind; so halten Sie dieselbe einmal gegen die Stelle, womit Tacitus das Leben des Agricola beschließt. Setzen Sie erst voraus, daß Tacirus ein Schwiegersohn des Agricola gewesen, daß er vermuthen konnte, einen so würdigen Vater durch ge­ heime abscheuliche Künste verlohren zu ha­ ben, daß folglich sein Schmerz und der Aus­ bruch desselben natürlich gewesen: so wird sich ohngefehr daraus eine Regel für der­ gleichen pathetische Stellen, im historischen Styl, folger» lassen. Aber wie verschiede» sind die Bilder, die sich T acirus und pault durch ihre Affekten schaffen! Der eine sieht nichts als ein Erbbegräbnis: der andere be­ trachtet das Vermächtnis eines Geistes, der unter den schlimmsten Regierungen mit stand­ haften Muthe das Gute gewirkt hat. Jener P Z findet

226

..

i

findet darinn, bey seinen Vatern zu schlafen, ich weis nicht was grosses und rührendes: dieser sucht die Stütze der erlangten Ehre in den» Kolosse des Nachrnhins. Quidquid ex Agncola amavimus, quidquid mirati sumus, manet, manfurumque est in animis hominum, in seternitate temporum, fama rerum. Jener

verlaßt sich auf die Gruft, die von seinem Helden zeugen werbe; dieser auf das Leben, daß er von ihm geschrieben hat. Agricola pofteritati narratus & traditus superftes erit.

Freylich kann p. seinen Lebensbeschreibun­ gen diesen Erfolg nicht versprechen. Ein ganzes Zeitalter würde sich dagegen aufleh­ ne«. Wehe dem, dessen Ruhm nicht ohne­ hin genug gesichert wäre! Ich habe mit FlciS einige der größten Leute genolumen, die in diesen Lebensbe­ schreibungen vorkommen, um Ihnen dieArmftligkeit zu zeigen, die bey Hrn. p. allenthal­ ben herrscht, und die ihn zwingt zu solchen elenden Ausfüllungen seine Zuflucht zu neh­ men. Nirgends ist einer von seiner Helden »o« dem andern genauunterschieden; nirgends leuchtet

11«

$27

I

leuchtet das Besondere, was sie gethan haben, hervor. Er mag grosse oder kleine Umstande vow dencnselben erzählen wollen — Allenthalben widersteht ihm sei« Kopf; das grosse wird klein, und das kleine wird lächerlich.. Z.E. in Reiths Leben sucht er einen kleinen Neben­ zug anzubringen Th. 4« p. so. „Selbstder „Oesterreichische oberste Feldherr Broun „hatte vor ihn ausnehlnende Achtung. „Solche bewies er auch dadurch, daß er „ihn in diesen Winterlagern mit dem vor»treflichen Ungarischen Wein beschenkte. — Was nun Herr Pauli? Wir tadeln nicht, daß sie einen kleinen Umstand anfähren. Nepos, neben den Sie sonst niemals solle« zu stehen kommen, hat etwas ähnliches in dem Leben des Agesilaus vorgebracht; aber um alles kurz zu sagen als flcpos und nicht als Pauli. „ Hujus de adventu fama cum ad reglos esset perlata: celeriter munera eo cujuscunque generis simt allata. His quzrentibus Agefilaum vix fides facta ess, unum esse ex his qui tum accubabant. Qui cum

P 4

regie

legis Verdis, quae attulerant, dediflent: ille praeter vitulina & hujusmodi genera opfonii, quae praesens tempus defiderabat, nihil accepit; unguenta, coronas, secundamque menfam servis düpertiit, cetera referri juslit. Sie tttet*

km doch wohl, was für einen Vortheil Nepos aus diesem sonst unerheblichen Umstand ziehet: es wird ein Zug in den Karakter sei­ nes Helden; bey ihnen, mein Herr aber, ist «6 eben so viel, als ob sie ein Glas Ungari­ schen Weins neben das Portrait mahlten. Ich würde nicht ein Wort von den Karak­ teren sagen, die Herr p. am Ende jeder Lebensbeschreibung zu schildern für gut befun­ den hat, und die gröstentheils unter der Kri­ tik sind, wenn er nicht in der Vorrede zum zweyten Theil unter andern Vorzügen seiner Schrift, die ihr den Beyfall erworben haben, seine Schilderungen der Karaktere setzte. Lassen Sie mich nichts davon erwähnen, daß es um alle Schilderungen der Karaktere, in Le­ bensbeschreibungen sowol, als Geschichten, immer sehr zweydeutig aussieht, wenn man nicht annehmen kann, daß der Verfasser seinen

..............

129

feinen Helden entweder ganz genau gekannt, oder Geschicklichkeit genug besessen habe, aus den Handlungen den Karakter abzusondern. Ueberzeugt von dm meisten, daß sie uns ihre idealischen Wesen mahlen, lassen wir uns durch die Geschicklichkeit und durch dir Feinheit ihres Pinsels schadlos halten. Herr Pauli aber hat sicher nicht alle diese Generale genau gekannt; er kann uns also für die Ähnlichkeit seiner Porträte nicht stehen, und die Ausführung — Wann Sie küss haben, selbst davon zu urtheilen, so lesen Sie das Buch; ich müßte sonst ins Unenbliche abschreiben.

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5

Hlmdett

2Zc»

....... ——-- ■■

Hundert und drey und sechzigster Brief. Allerdings kann sich der Diographe in mo­ ralische Betrachtungen, und häufiger als der

Geschichtschreiber, einlassen, wenn es nur An­ merkungen werden, die nicht jedem Leser in dem Augenblicke selbst einfallen. Oder auch, Venn wir viel zugeben; gesetzt, daß sie sonst gewöhnlich und bekannt genug sind, wenn

er sie alsdann nur kurz anzubringen weis» Das politische Feld, ich wage es zu sagen, ist für ihn schon mehr eingeschränkt, weil Nicht, wie aus der Geschichte, ein ganzer Staat

sich von ihm Lehren holt, sondern nur ein­ zelne Personen für ihr eigenes Leben Regeln

fammlen. Wenn Sie aber auch aus des Herrn p. Lebensbeschreibungen, ausser den Nachrichten von den Leichenzügen, noch die politischen und

moralischen Betrachtungen vegnehmen wollten: der arme Mann! wie würden seine 6 oder 7 Theile in einander

fahren!

Darauf machen Sie sich nur ge­

faßt, daß, wenn er anfangt,

sich in die Moral

.

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2Zk

Moral einzulasse», alles gleichsam vom Him­ mel fällt, aber auch so lange von ihm auf der Erde herumgefchlept wird, bis jeder Le­ ser, nur er nicht, die Gedult darüber ver-

liehret. Wehe mir! ich habe sie gelesen, und muß sie nochmals lesen, weil ich doch ohne einige abzuschreiben nicht los komme.

In dem Leben Winterfelds. (5ter Theil p. 169.) fangt er an: »Der Herr Obriste „von Winterfeld hat aber die Gnade fei* „neS Königes nicht allein durch Kriegesver-

„richtungen, sondern auch durch Staatsan-„gelegenheiten verdienet. Sowol im vori„gen als diesem Jahre hat ihn der Monarch „nach Rußland abgeschickt, um daselbst die „Entwürfe des österreichischen Hauses, die

«Preussen den Russen auf den Hals zu brinDer Erfolg des ,,Krieges und der Staatsunterhandlung un„terscheiden sich wie der Donner und das „Erdbeben. Ein Gewitter tödtet Menschen

„gen, zu hintertreiben.

„und Vieh, zerschmettert die vestesten Kör„per, dringt bis m die tiefsten Gewölber,

„und

2z2

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„und sein Brand legt öfters die besten Ge» „bäude in die Asche. Jedoch, alle diese er» „folgten Zufälle kann man mehrentheils ,,voraus schliessen. Nach und nach thürmet „sich das finstere Gewölle zusammen, man „höret von weitem den Donner daher rol„len, und diese Vorhersehung, nebst der „Vorstellung dessen, was der Donner aus» „zurichten vermag, macht das vorherge» „hende Schröcken oft starker, als nöthig „gewesen, wenn man voraus gesehen hät„te, daß das Gewitter fürchterlicher ge» „schienen, als es sich gezeiget. Die „Naturlehrer haben uns die Ursachen und „besondern Theile des krachenden Don» „ners, des zündenden Blitzes, erwie» „fcn, und wir können daraus auf die „Möglichkeit des fürchterlichen Erfolgs „eines Gewitters schliessen. Der Krieg „ist eben so fürchterlich, er kann eben so „schröllich werden, .der niemals kommt ec „unvermuthet. Heere machen erst grosse An» «stalten, ehe sie ins Feld rüken; und so üble »F-igrn

»Folgen der Krieg auch hat, so ist er in der „Entfernung doch noch fürchterlicher als in ,,dec Nahe selbst. Die Kriegführenden Mach­

ete sind auch gewohnt, die Ursachen welche „ihnen die Waffen in die Hande gegeben, »der Welt in öffentlichen Schriften kund zu

„machen. Ein Erdbeben hat eben diese fücchr „terlichcn Erfolge. Es macht, daß unter „uns der Boden bebet, über uns die veste„sten Gebäude wanken, einstürzen und un„ter ihren Schutt alles vergraben.

Die Er­

iche thut sich auf und verschlingt das was „darüber steht. Berge und Inseln und ganze »Gegenden versinken, und andere kommen

„zum Vorschein, das Trokene wird unter „Wasser gesezt, wenn anderwärts das Was„ser sich verschleicht, und trokner Boden zum „Vorschein stommt. Der Erfolg des Erdbe„bens kann also noch fürchterlicher, als der

„Erfolg des Donners seyn. Jenes kommt „unvermuthet, und wenn gleich ein Sturm, „ein Drause,n vorhergehet; so erfolgt doch „die Erschütterung so geschwind darauf, d«H

„selten

2Z4

=====

„selten Mch Zeit dazwischen übrig ist, sich „mit der Flucht zu retten. Bis jezo haben „sich die Naturkundige über die Ursachen der „Erderschütterung nicht vergleichen können.

„Man kennet sie blos aus ihren Wirkungen, „ohne ihre Ursachen einzusehen. Staats„veränderungen sind oft erheblicher und färch„terlicher wenn sie blos durch heimliche Hand-

„lungen bewirkt werden, als wenn sie eine „Folge des Krieges sind.

Wenn der Sol--

,,dat mit klingendem Spiele «nd fliegender

,,Fahne, unter dem Wiehern der Rosse mit

„drohender Mine das seinige thut: so ist ein „einziger geschikter Staatsmann mit heiterer „freundlicherer Mine in aller Stille oft mehr „auszurichten im Stande, als die grösten und „fürchterlichsten Heere thun können. Der „Erfolg seiner Bemühungen erscheinet, ohne

„vorher gesehen zu seyn und bey den wenig# „sten Staats Veränderungen, die von der „Staatskunst herrähren, wird die Welt von

„den eigentlichen wahren Ursachen und Trieb­ federn belehrt. Ein Kriegesheld hat grosse „Eigen-

„Eigenschaften nöthig, aber ein Staatsmann -.braucht eben so grosse Eigenschaften, die „sich auf andere Art beweisen." Nun war« ich endlich am Ende, aber wahrhaftig ich bin ausser Stande ein Wort dazu zu sagen. Wenn mir ein Schüler dieses Chrie über Blitz und Don» ner vorlegte; so würde ich ihn stillschweigend ansehen und seine Arbeit aus der Hand legen» Nichts destoweniaer will ich, weilvielleicht Hr, p.von dieser Seite sich am liebsten zeigt, noch rin paar Proben hersetzen. Schlagen sie in eben diesem 5 Th. Driesens keben auf S. 41. „Er hatte sich vorgesetzt, die Gottesgelahrt„heit zum Hauptvorwurf seiner akademi„schen Beschäftigungen zu machen. ES ist „in der That heutiges Tages was seltenes, „wenn sich in unsern Evangelischeu Kirchen „Personen vom Stande den Weinberg des „Herrn zu bauen widmen, da doch so wol „bey ältern Völkern, als auch noch heuti„ges Tages in der römischen Kirche das „ehrwür-

Lz6

f—«■

„ ,,,

.*

„ehrwürdige Amt eines Gottesbieners Mit

,,vornehmer, als das vornehmste Hof„oder Lanbesamt gehalten wird. Zu alten „Zeiten gehörte es zu dem Segen der „Erstgeburt, nicht nur der Oberste im ,,Reich, sondern auch der Oberste im Op-„fer zu seyn. Ruben verlohr solchen, WH„gen seiner Missethat, u. f. w. Die Fortsetzung folgt.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend.

Den 28. May.

XVI.

1761.

Beschluß des hundert und drey und sechszigsten Briefes. Qfefmlidje Stellen finden größten Menge.

Sie — in der

Z. E. Th. 6. p. 99. ist

eine Abhandlung von der väterlichen Gewalt.

In eben diesem Theile p. 8. und 9. wird der D. erbaulich.

Auf bet 63 S. wird der Vor­

zug der starken und grossen Körper rührend dargethan.

Im 4km Theile, in Reichs Le­

ben steht unter vielen weisen Anmerkungen,

die gedehnt und immer nur halbrecht vor­

getragen sind, eine Stelle, die ich noch her­

setzen muß.

Sie sollen

Diese Stelle allein —

gleich sehen.

Doch

Reith war in

Spanischen Diensten und konnte,

wie eS

fd)ien, sein Glück nicht höher treiben, ohne fein öffentliches Glaubensbekänntnis zu änZehnter The».

Q

dem.

2Z8

gu.l......K

der». - Man gab ihm dieses selbst am Hofe

dnrch den königl. Beichtvater zu erkennen. „Dieser (nun redet Herr P.) kleidete solches

„so ein: Se. Cathol. Majestar wünschten utt# „gemein, baß der Herr Obriste es ihnen ,»möglich machen möchte demselben die Ach„ttlng, die Sie für ihn hatten, zeigen zu kön„tien.“ Jeder andrer Schriftsteller hätte der

Einsicht seiner Leser die Auslegung dieser Worte überlassen. Aber wir sind nichts in

den Augen eines P.— die Möglichkeit dieses, ohne seine Umschreibung, recht einzusehen.' Er setzt sie allso gütigst hinzu, und fahrt fort:

„Der

Hof gestand,

er habe Achtung für

„ihn. Ein Lobspruch der seine bisherigen „Verdienste und Aufführung in Spanien voll«

„kommen zu verstehen giebt. Der Hof ge„stcht, er erkenne, wie würdig er sey, daß „man durch fernere Beförderung seinen Ver-

„diensten Gerechtigkeit

wiederfahren

lasse,

„daß man diese Achtung werkthatig beweise. „Der Hof bezeigte, wie er auch den Willen „habe, solches zu thun, er wünsche es unge-

„mein, es thun zu können.

Aber es sey dem

„Hofe

""

..................................

„Hofe nicht möglich.

2-Z9

Und warum nicht?

„Er verdiente es zwar; bey diesem allem „war es dem Regenten nicht möglich. Er „wollte gern, aber es war ihm nicht möglich. „Beweißt dieses nicht, daß in den papisti„schen Neichen ein Staat in dem andern

„sey, so weis ich nicht, was wol erwiesen „werden könne, u. f. ro.“ Blättern sie dazu

noch des General Mayers Leben im gten Theil p. 146.147. 156. durch: so — Sie werden allenthalben den Hrn. p. antreffen.

Hundert und vier und sechszigster

Brief. Nirgends ist Herr Pauli unausstehlicher, als wenn er sich einen Eingrif in das grosse Feld der Geschichte erlaubt; die Rechte des Königs verrheydigt, und verlohrne Schlack)-

ten nicht veriohren geben will, plurarch und VIepoe haben sich in dem Leben ihrer Helden begnügt zu sogen: „In dcm bürger­

lichen Kriege, im peloponesischen Kriege, er­ hielt er die Stell« eines Feldherrn, schlug er Q 2

sich

fich zu dieser Parthey:"

ohne die Ursache»

dieser Kriege zu erzählen, besonders wenn ihre Helden nicht Hauptpersonen darinn wa­ ren. In den Schlesischen Kriegen ist gewis keiner unserer Generale die Hauptperson, und diese Ursachen können also nirgends, als in dem Leben des Königes angegeben wer­

den. Dieses Leben aber macht einen wich­ tigen Theil der grossen Geschichte unserer Zeiten aus. Der Antipode hingegen von plurarch und VIepos erzählt bey jedem Le­

ben eines Generals die Veranlassung des Krieges, wozu noch der Beweis für die Recht­ mäßigkeit kommt, und wird dadurch, wie Sie leicht denken können, mehr als eckelhaft. Ich

kann weder Zeit noch Papier genug verschwen­ den, um Ihnen Proben seines Vortrags auch in diesem Stücke zu geben; merken Sie sich

nur so viel, daß er allemal weit ausholt und die gehörigen Sck)ülervariationen anbringt.

Ein Beyspiel von seinen Rettungen verlohrner Schlachten muß ich Ihnen doch ge­ ben, weil es verschiedenes auf einmal beweißk. In dem Leben des Fürsten Moriz zu An­ halt

halt kommt er auf die Schlacht bey Col­

lin.

Wenn er kurz

davon gesagt hätte:

„Dis ist die erste Schlacht, welche die Preus-

,-sen gegen die Oesterreicher verlohren haben;"

so würde diese Anmerkung erhaben und bey­ nahe noch

zu prächtig für den historischen Aber er, Herr p. —

Styl gewesen seyn.

sich unter die Würde des Geschichtschreiber­ erniedrigend, sucht Einwendungen zu machen,

die nichts bedeuten, -und für die ihm nie# maftd Dank weis.

6 Th. p. 43. „Der Feind

daß er

hier zum erstenmal gegen

„rühmt,

„Preussen den Platz erhalten.

Aber war bie-

„ser Platz nicht eine unersteigliche Anhöhe, „die fast ohne Wunder nicht einzunehmen? „Sein Sieg war ein abgeschlagener Sturm, „der mehr seiner Stellung als seinem Wider-

stände zuzuschreiben war. ,-fische Fußvolck hier

Hat das Preusi-

nicht so viel gethan,

»als jemals nur von einem Haufen Fuß„volks zu fordern ist?

Der meiste Theil

„vom linken Flügel der Preußischen Reute„rey, brachte den ganzen feindlichen rechten

„Flügel zum Weichen.

Man blieb, bis ti

ß 3

„finster

242

j

i >'

■■—in.

„finster wurde, ruhig auf dem Schlachtfeld«

„stehen. Die Reuterey schloß sich endlich „an den noch vorhandenen Ueberrest des „Fußvolcks, der auf dem Wahlplatz gesanr-

„melt wurde. Zogen sich nicht die Preus„fett mit Ordnung, auf erhaltenen Befehl, „zurück? Har sie der Feind zu verfolgen

„sich getrauet?" u. f. w. Es ist mir nie­ mals möglich, ganz abznfchreiben, weil ich

mittleidig gegen sie und mich zugleich bin. Eines kann ich noch mit zweyen Worten sagen, daß nehmlich in der Stelle, * wo er den Rrihm der Preussen am Tage bey Ku­ nersdorf vertheydigt, die Ausdrücke: die Gebürge ersteigen, die Gebürge verlassen,

sehr ofte vorkommen. Herr p. redet nehm­ lich von den Kunnersdorfischen Anhöhen. Denkt er denn, daß die Thaten unsrer bra­ ven Manner, solcher Schulhyperbeln bedür­ fen?

Erlauben Sie mir noch ein paar Sei­

ten, und ich schliesse.

Von • S. da« Leben de» Ventrale von Iyenblitz.

245

Von dem Styl unsers Vers, haben Sie schon manche Proben gesehen, die ich leyder habe anführen müssen. Und sie sind gewis nicht gesucht, dieft Proben. Eine Anmer­ kung aber dabey ist doch noch zu machen, daß nehmlich der falsche Geschmack gleich­ sam alle Adern durchschleicht, und sogar bis auf die Vorstellung der gemeinsten Gedan­ ken seinen Einfluß hak. Herr Pauli wist z. E. im 3 reit Theil p. 57. sagen, daß ein ganzes sächsisches Regiment zu Grunde ge­ richtet worden sey, und giebt es auf seine Art folgendergestallt: „Der Graf von Ro„thenburg hatte an der Spitze des Regi„ments Prinz von Preussen gefochten.. Es „fiel auf das Schönbergische Regiment Sach„sen, und die Vernichtung desselben stand „mit der Tapferkeit derer, die es an,.griffen, im gehörigen Verhältnis."

Ist dis nicht ohngefehr die Gottschedische Wendung: „Unser Freyherr von Wolf durf„te sich nicht schämen, daß seine Mutter „Anna eine gebohrne Gillerin gewesen."

2 s

Co

»44

=====55*

So find nun die Lebensbeschreibungen be­ schaffen, we che wir den Herrn P. Pauli zu verdanken haben, und mit deren Fort­ setzung er uns noch drohet. Die Wahrheit der Nachrichten kann ich nicht untersuchen. Wenn man sich auf diese verlassen kann; so hat wenigstens dieses Buch den Nutzen einer Chronick, von der ebenfalls die Ein­ kleidung nichts taugt. Nehmen Sie aber einmal eine solche Schrift und halten Sie dieselbe gegen die Lobssrüche, mit denen so viele den ausgebreitetrn guten Geschmack in Deutschland complimentiren. Doch wir wis­ sen es lange, was wir davon denken sollen. Lrben Sie wohl. B.

Hundert



"■■■

245

Hundert und fünf und sechszigfier

Brief. Mationen die aus politischen Ursachen ge»

neigt seyn, einander zu hassen, scheinen sek« ten geneigt zu seyn, sich um die gegenseitigen Vorzüge zu bekümmern, und da die Unwis­ senheit die Mutter des Stolzes ist, so wird die Nation, die sich am wenigsten um die Vorzü­ ge der andern bekümmert, die andere eben deswegen mit stolzer Verachtung behandeln. Wenigstens war diS noch vor gar kurzer Zeit der Fall zwischen Frankreich und Deutsch­ land. Der natürliche Leichtsinn der Franzoftn trug vielleicht auch eben soviel bey, daß sie, um alles was Deutschland vorzüglich macht, unbekümmert, uns für halbe Barbaren hielten. Da ihnen endlich viele Proben der deutschen Ge­ lehrsamkeit alzustark in die Augen leuchteten; so glaubten sie, Deutschland den Ruhm derGelehrfamkeit lassen, und hingegen den einem Fran­ zosen weit wichtigern Ruhm des Witzes absi>rechen zu dürfen. »Frostige SpitzfünQs »digkeit!

246

SSSSESESS

„digkeit!

sagt ein neuerer Schriftsteller, *

„um die Ehre eines Volkes zu vermindern,

„welches man aus Gewohnheit zu verach­

ten pflegte.

Wie will man den Witz von

„der Gelehrsamkeit sondern, da man sich des „einen wie eines Werkzeuges bedienen muß,

„um das andere zu erlangen." . Dieser Schriftsteller unternimmt, die Ge­ lehrsamkeit der Schweizer gegen die Fran­ zosen zu vertheidigen. Man weiß, daß bey dem französischen Pöbel die Wörter Schwei­ zer und Dumkopf, beynahe einerley.

Und

eben dieser Pöbel, der sich vielleicht durch

alle Stände vom Lohnkutscher bis zum Herzoge erstrecken kann, hält sich überzeugt, daß ein

Schweizer schwerlich mehr zu thun fähig ist, alS

feinen steinichteu Boden zu umackern, oder wann es hoch kommt sein Leben, zum Dienste Frankreichs, zu verkaufen. Nun können dergleichen ungegründete Norm-theile durch nichts besser, als durch eine

kurze

• S- v. Balrhasar Sendschreiben an einem Fran»vsen, enthaltend einen flüchtigen Entwurf des gelehrten Schweitzerlandes. Basel 1761. in s.

kurze Vorstellung dessen was die Schweizer, in allen Theilen der Gelehrsamkeit geleistet

haben, widerleget werden.

Der Herr Vers,

hatte noch mehr thun können,

die Verdien«

sie rinjelner aber und durch ihre Verdienste unsterblicher schweizerischer Gelehrten, wür­

den für d«e Fähigkeit und den Ruhm der gan­

zen Nation

gleichsam starker gesprochen ha­

ben, wann sich der Herr Vers darauf hätte «inlassen wollen.

Sollte nicht der Herr V.

mehr zum Vortheil seiner Nation bewiesen haben, wenn er die Verdienste eines BernoulU und Euler,

um die Mathematik;

eines Hallers um die Arznei-gelehrsamkeit; eitles Bodmers und Breitingers Kritik;

eines Hedlingers, Arey,

um die Thurn«

eifere und Merians um die schönen Künste, etwas mehr erhoben hätte, als da er bloß ihre

Namen vermenget mit den Namen mittel­ mäßiger, obgleich nicht unverdienten Män­

ner, hererzählet hat.'

Doch ich weiß, daß die schweizerische Na­

tion wieder Sie keine Vertheidigung bedarf;

also darf ich weiter nichts thun, qls Ihne«

di«

248

............... ......

............

die vornehmsten Züge aus des Herrn D.

mählde vorlegen.

Sie werden Ihnen zum

Theil nicht unbekannt seyn, aber Sie werden Ihnen Vergnügen machen. .Nach einigen Anmerkungen von der Ge­ lehrsamkeit der alten Helvetier, kommt der

Vers, auf den neuen Glanz, in welchem die Gelehrsamkeit in Anfänge des sechszehnten

Jahrhunderts allenthalben und auch in der Schweiz, zu glänzen anfieng. Der Herr V. gestehet, daß die Reformation dazu Gelegen­ heit gegeben habe. Die Ehre des ersten Gebrauchs der Buch­ druckerey gehöret, nach des Herrn V. Mey­ nung, nicht der Stadt Basel, wo man vor

dem Jahre 1474 nicht gedruckt hat, sondern dem Flecken Münster im Ergeu, kucerner

Gebieths.

Daselbst ließ ein Chorherr, Na­

mens Helyas Helie von Lauffen, zuerst

im Jahr 1470 em biblisches Wörterbuch un­ Eben

ter dem Titel: Mamotrefhie, brutfen.

derselbe ließ auch zwey Jahr darauf das be­

kannte tpeftaculum vjtae humanae drucken. Im Jahre 1475 war ein Buchdrucker in der Stadt

Burg«

i .........

24-

Burgdorf, Berner Gebiets. Im Jahr 148 t ward in der Grafschaft Grniere, und in Surfte, einem Lucernifchen Städtgen, im Jahr 1500 gedruckt. Der Herr V. bemerket als etwas besonders, daß die Buchdruckerey in der Schweiß, eher in den kleinen Städten, als in den Hauptstädten, geblübet habe. Deyn tu Zärch hat man erst 1508, und in andern Städten noch später zu drucken angefangen, ausser in Genf, als woselbst bereits 1478 eine Druckerey war. Der Herr V. vergißt nicht bey dieser Gelegenheit die Namen der vielen gelehrten Buchdrucker, welche die Schweiß hervorgebracht hat, anjuführen. Nun kommt der Herr D. auf die Schulen und Universitäten; die zu St. (fallen und Zürich, sind die ältesten; die zu Basel und seit der Reformation die zu Bern, die be­ rühmtesten. Es fehlt auch der Schweiß nicht an ge­ lehrten Gesellschaften, worunter die Helve­ tische zu Basel- welcher man die Acta Phyfico - Mathematico - Anatomico-Medica zu ban­ ken hat, wohl die wichtigste ist» Bey

2$O

II' .................................

II

Bey den klösterlichen und öffentlichen Bili« liothecken, ist der Herr Verf. etwas ausführ« kicher. Die zu St. Gallen hat der Herr Abt Gosberr im Jahre 816 gestiftet; wenn

nicht Kriege und Feuersbrünste einen grossen Theil davon verzehret hätten, so würde sie, besonders wegen der grossen Anzahl von Handschriften, unter die berühmtesten zu

rechnen seyn.

Man hat dieser Bibliotheck

die Werke des Ammianus Marcellinus,

des Asconius Pedanus,

Flaccus,

des Valerius

und des Cicero de finibus & le­

gibus. zu verdanken, poggius entdeckte Liese kostbaren Ueberbleibsrl daselbst, als er der Kostnitzischen Kirchenversammlung beywohnte. Id) übergehe verschiedene nicht so berühmte klösterliche Bibliothecken, und kom­ me mit den Herrn Verf. zu den öffentlichen Büchersalen. Zürich hat zwey, die Universi-

täsbiliothek wird Carolina genannt: sie ist mit den Büchern Bullingers, Pelikans,

und Zwingels vermehret worden, und be­ sitzt viele kostbare Manuskripte. Die andere Bibliothek ist in der sogenannten Wasserkirche.

Ueber

25k lk6tr derselben ist ein grosser Saal worauf viele Naturalien und Antiquitäten aufbewah­

ret werden.

Die öffentliche Bächersamnzlung zu Bern, übertrift, sagt der Herr Derf., alle andere in der Schweitz, sowohl wegen ihrer Schön­ heit, alö auch wegen der grossen Anzahl von Manuscripten, von welchen über 1200 vor­ handen sind. Sie ist besonders durch des berühmten Bongare Dibliotheck bereichert worden, und durch die kostbare Sammlung hebräischer Handschriften, welche sie den

Samuel Horrinus zu verdanken hat. Die von Basel, sagt der Herr Verfasser, verdienet unter den öffentlichen Bibliothecken den andern Rang. Sie wird auf eben den Saale aufbehalten, in welchem ehemals das Concilium gehalten worden. Im Jahr 1661 ist sie mit den kostbaren Bibliothecken des Erasmi, Amerbachs und Vporins, imgleichen mit einer grossen Anzahl mor­ genländischer Handschriften, die manBuxrorfs Erben abkauftt, vermehrt worden.

Die

Die Kirchenväter, so zu der Zeit des Eon-

cilii in dieser Stadt

an der Pest

stürben,

sollen ihre mitgebrachtev Manuskripten hier

gelassen haben,

und daher soll

der grosse

Schatz von Manuscripten kommen, der bey dieser Bibliotheck befindlich ist.

Neben dem

Büchersaale ;st die Naturalien- und Kunst­

kammer befindlich, auf welchen auch ver­

schiedene Gemählde, von Holbein, hen sind.

Der Beschluß folgt.

zu se­

Briefe, die neueste Litteratur betreffend. XVIL

Den 4. Iunii.

1761.

Beschluß deS hundert und fünf und sechszigsten Briefes. !^er Herr Derf. redet noch von einigen

Bibliothecken, nnd auch von Kunst- und an­ dern Kabinettern, Run kommt er auf die Gelehrten selbst, die er nach allen Theilen der Wissenschaften nahmhaft machet. Hier ist es, wie ich schon gedacht habe, wo er, sonderlich über berühmte Manner, am weitlauftigsten hätte seyn sollen. Es ist wahr, Universitäten und Bibliotheken können be­ weisen, daß in einem Lande die Wissenschaf­ ten nicht ganj fremde sind. Sie sind Be­ weise von brr Vorsorge der Obrigkeit und anderer vermögender Leute; aber sie beweise« ganz und gar nicht, daß sich «in Land in den Wissenschaften besonders hrrvorgethan Zehnter Theil, 8t habe.

habe. Selbst der Herr V. verräth dieses in seiner eigenen Erzählung: Er findet in den Cantons Lucern und Ct. Gallen eben so viel Schulen und Bibliothecken, als in den Cantons Basel, Bern und Zürich; aber woher sind ein BernouiUi, Euler, Hal­ ber und Gultzer gebürtig? Die Namen der gelehrten Schweitzer, die der Herr V. anführet, kann ich Ihnen ohnmöglich alle hersetzen. Die Namen, die wissenswärdig sind, sind F nen bereits be­ kannt, die übrigen verlangt n Sie vielleicht nicht zu wissen, weil Ihnen diejenigen, wel­ che diese Namen gefähret haben, ganz un­ bekannt seyn. Was würden sie z. E. sagen, wenn ich Ihnen unter den Schweitzerifchen Dichtern neben einem Bodmer, Geßner und Faller, auch einem Peter Busiiius, Gabriel Gerber, 3« Hulde, Grobinus, 3od Molitor, Ioh. ReUicau u d. gl. anführte. Wann ich Ihnen aus des Hrn. D. Buche vorläse: Beat Amryn, Joseph Binner, BernardBaldinger, Lorenz So* rer, Ish.Aeer, Ioh. Geiler, perer Hug, Gerald

Gerald Jost, Heinr. Lamparter, Franz Pfiffer u. s. w. wahrhaftig, Sie würde« eher glauben, Sie hörten die Musterrolle

einer Compagnie Soldaten abrufen, als daß Sie diese Namen, für Namen von Gelehrten halten sotten, die der Herr Derf. für be­

rühmt angiebt. S.

Hundert und sechsund sechszigster Brief. 9ßifltn Sie denn nicht, daß wir unS vor­

genommen, Sie blos von der deurscheir Litteratur zu unterhalten? Die Auslände sche war für unsern Plan zu weitlauftig, und da wir nicht genug davon sagen konn­

ten; so war unsere Abrede, lieber gar nichts davon zu sagen. Diese Abrede ist Ihne» nicht unbekannt, und Sie fordern gleich­ wohl eine Nachricht von der neuen He­ loise * des Herrn Roußeau? Gut! da

Sie es verlangen; so soll für diesesmal eine Ausnahme geschehen. R 2

Daß

• Julie, ou la nouvelle Heloise, I. Amsttri. 176X.

25 6

i.

____ 1 1

..

Daß ich diese- Werk gelesen habe, sott# ten Sie mit Recht voraussetzen. Einen philosophischen Roman, eine zweyte Heloise, davon Rousseau der Vers, oder doch we# nigstens der Herausgeber ist; ein Werk, das in Paris Aufsehen niacht, das man fich in Deutschland aus den Handen reißt, und wovon Ulan allhier in allen Gesellschaften spricht; konnte ich dieses wohl ungelesen lassen? Sie wissen, mit welcher Begierde ich sonst zuzugreifen pflege, so bald ich nur -en Namen des Genfer Bürger auf der Stirne eines kleinen Aufsatzes glanzen sehe. Aber hätte.Roußeau lieber philosophische Aufsätze, als eine Roman geschrieben! Sie können nicht glauben, wie sehr ich mich in meiner Erwartung betrogen fand. Es hat tpir nicht wenig Ueberwindung gekostet, alle ftchs Bücher dieses Romans, mit ununter­ brochener Aufmerksamkeit durch zu lesen. Man trauet fich Anfangs selber nicht. Sei­ ner eigenen Empfindung zum Trotze, zwingt man fich, gewisse Dinge schön zu finden, die ein allgemeiner Beyfall dafür erkannt hat.

--------------

257

hat. Durch das Ansthen des Verfassers und des Publikums getäuscht, liest man, ermüdet die Gedult, und macht sich noch immer Hofaungen, bis man endlich am Rande ist, und sich betrogen steht. — Sie finden zwar in dieser Sammlung hier und da »ortrefliche Briefe, die eines Roußeau wür­

dig sind. Aber was sind es auch für Brie­ fe? Solche, in welchen Roußeau, alWeltweifer, einzelne Materien abhandelt. Ueber daS Lesen der Bücher, über den

Zweykampf,

über den Selbstmord, Über

die Musik, über die Erziehung, über die

Vergnügungen eines arbeitsamen Land­ lebens. Sie wissen, was man sich von einem Roußeau über diese Materie ver­ sprechen kann! Wo es auf Beredsamkeit und Gründe ankömmt, da hat sich dieser

Weltweise schon als Meister gezeiget.

Allein wie selten hat der Romanendichter Gelegen­ heit, diese Talente anzubringen, und wie we­ nig ist der Schriftsteller, der diese Talente allein, obgleich im höchsten Grade besitzet,

zum

Romanenschreibea

R

3

aufgelegt!

Eine

frucht-

2s8

BBB9SSB

fruchtbare

und unerschöpfliche Dichtungs­

kraft; Kenntnis des menschlichen Herzens,

die sich nicht sowohl bey allgemeinen mora­ lischen Betrachtungen verweilet, als in das Eigenthümliche eines jeden Charakters ein­ dringt; die grosse Gabe zu erzehlen, und die noch grössere zu Dialogiren; die achte

Sprache der Leidenschaften, die in dem Her­ zen des Lesers ein sympathetisches Feuer an­ zündet, und nicht eher schwärmet, als bis

die Einbildlingskrafr des Lesers vorbereitet ist, mit zu schwärmen. Dieses find die Ei­ genschaften, die man an einem Richardson bewundert, in dem Werke des Roußean aber vergebens suchen wird. Seine Dich-

tungskraft hat er in diesem Werke in keine grosse Unkosten gesetzt; seine Kenntnis des menschlichen Herzens ist mehr speculativisch, als pragmatisch;

die Erzählungen sind sich

ungleich, bald schleppend, bald in vollem Galoppe; die Gabe zu >dialogüen, möchte

man ihm fast ganz absprechen,

und seine

Leidenschaften überjagen die Einbildungskraft

des Lesers.

Sie sind schon in den Wolken,

ehe

................ —

259

ehe der Leser noch die geringste Lust derspühret, fich mit ihnen zu versteigen. Am Ende der Sammlung hat der Vers, oder wie er sich lieber nennen will, der Herausgeber der Briefe, eine Vorrede nach­ gesetzt, die er Preface de la nouvelle Heloife, »u entretien für les Romans, entre l’editeur & un komme de lettres, betitelt. Hier schei­

net er die Fehler seines Werks offenherzig genug anzuzeigen, und mit der ihm gewöhnlichen Scharfsinnigkeit, von sich abzulehnen. Was er von der guten Absicht eines Ro, Manenschreibers, und von der Lauterkeit der Moral sagt, die in feinen Briefen gepredigt wird, daß lasse ich dahingestellt seyn. Aber die magem Erfindungen und der unnatür­ liche Vortrag lassen sich durch keine gute Ab­ sichten entschuldigen. Ist es eine wahre Geschichte, und haben die einsiedlerische»* Schweitzer würklich so geschrieben, als sie der Sammler ihrer Briefe schreiben laßt; so ist er ausser Schuld, der Leser aber nichts destoweniger befugt, sein Mißfallen zu erken­ nen zu geben......................................... R.

R 4

Hun-

Hundert und sieben und sechszigster Brief.

Sie stob nicht gewohnt, mit einem allge­ meinen Urtheile zufrieden zu seyn, und ich nicht, es dabey bewenden zu lassen. Hier sind die Gründe, die mein vermessenes Ur­ theil über die Heloise des Herrn Roußeau veranlasset haben! — Was Vie Erfindung detrift? Urtheilen Sie selbst, ob folgender Plan eine sonderliche Fruchtbarkeit verräth! — Julie von Lrange und ihre Muhme Clare, zwo liebenswürdige Fräulein, wer­ den von einen jungen Menschen, der unter den Namen St. preup vorkömmt, in den Wissenschaften unterrichtet. Der Vater der Julie ist abwesend, und ihre allzugütige Mutter verkrallet die beyde Schülerinnen einen jungen wohlgel ildeten Weltweiftn, ohne von dieser gefährlichen Vertraulichkeit das geringste zu befürchten. Clare ist ein flüch­ tiges Mädchen, das zum Verlieben nicht ge­ macht ist. Sie verehret ihren Lehrmeister, ohne ihn zu lieben, und kennet keine andere Nei-

Neigung, als Freundschaft für ihre Julie. In der Folge heyrathet sie einen gewissen »ott Orbe, ohne Neigung; in dem Ehe­ stände liebt sie ihn ohne Zärtlichkeit, und nach seinem Tode beweint sie ihm auS Pflicht. Kurz.' die Eindrücke berühren nur die Oberfläche ihrer Seele, und sie ist zu leichtsinttig, jemals eine grosse Thorheit zu begehen. Julie aber ist von einem weit fühlbarer» Wesen. Die zärtlichen Neigun­ gen treibett in ihre Seele so tiefe Wurzeln, daß sie sich ihrem Wesen gleichsam einver­ leiben, und über alle ihre Fähigkeiten aus­ breiten. Ihr Lehrmeister ist so zärlich als pe, aber weit ungestümer in seinen Ge­ müthsbewegungen. Solche empfindungs­ reiche Seelen sind zu allem, was groß und erhaben ist, aber auch zu grossen verliebten Thorheiten aufgelegt. Sie begehen würklich eben nicht die kleinsten, und wenn ich Fräulein Julie nicht schmeicheln soll; so »erfährt sie mehr, als sie verführt wird. Die beyden Verliebten reden mit Entzückung von der Tugend, indem sie sich am meisten R 5 von

262

■■"■■■■in i~

von ihr entfernen, und predigen in allen ih­ ren Thorheiten nichts als Weisheit. Der Baron von Etange, ein Mann von alten Adel und stolz auf seinem Pergamente, kömmt

nach Hause, und will sein Fräulein von kei­ nem geringen Bürger, ohne Entgeld unter­

Die Mutter merkt eublich die geheime Vertraulichkeit ihrer Tochter richten lassen. —

mit ihrem Lehrmeister, und da sie weis, daß der Baron unbeweglich seyn wird; so ver­

zehret sie sich in ihren eigenen Kummer und stirbt. Der Vater, der nicht lange hernach gleichfalls hinter das Geheimnis kömmt, nöthiget seine Tochter einen Herrn von wolmar zu heyrathen, der ihm in den letzten Feldzuge sein Leben gerettet hat. St. preux erfährt es, geräkh in Verzweifelung und

will sich entleiben; doch ist er vorsichtig genug, seinem Freunde Sir Eduard Bomston, der gleichsam von den Wolken herun­

ter gefallen ist, um ein Freund des San« preup zu werden, diesen verzweifelten Ent­ schluß zu melden, und seine Meynung darü­

ber zu verlangen.

Diese Briefe und die Ant­ wort

26Z wort des Sir Eduards, find die vorteflichsten in der ganzen Sammlung. Es ist wahr, fie hängen mit dem Reste der Ge­ schichte nicht zusammen, und St. Preup scheint sich nur ermorden zu wollen, um den Sir Eduard Gelegenheit zu geben, dm Selbstmord so unnachahmlich zu bestreiten; denn in dem nächsten Briefe darauf, ist ab­ les wieder vergessen. Indessen find die Brie­ fe an und für sich voll von der erschüttern­ den Beredsamkeit, die wir an dem Genfer Bürger gewohnt sind, und der nichts, die ver­ stockteste Verzweiflung selbst, nicht widerstehen kann. „Bedenke es wohl, Jüngling.' spricht „Bomston unter andern; was sind zehn, „zwanzig, dreyßig Jahre für ein unsterbli„ches Wesen? Schmerz und Vergnügen „vergehen wie ein Schatten; das Leben ver>,fließt in einem Augenblicke; an und für „ftd; ist es nichts, sein Werth hängt von „dem Gebrauche ab, den man davon macht. „Das Gute, das man gestiftet hat, verge„het nicht, und mache, daß das Leben et„was wird — — Hast du im Innersten »deine-

2Ö4



-J .................

„deines Herzens noch die kleinste Empfin„düng von Tugend; so komm und last dich „unterrichten, wie man das Leben lieben „kann. So oft dir die wilde Lust ankömmt, „es zu verlassen, sprich zu dir selbst? Noch „eine gute Handlung will ich vor mei, „nein Tode ausüben. Sodann gehe hin/ „suche einen Dürftigen, der Hülfe; eine» „Unglücklichen, der Trost; einen Bedräng„ten, der Vertheidigung bedarf. Führe mir „die Unglücklichen zu, die zu schüchtern sind, „mich anzusprechen. Nim meine Börse und „meinen Credit. Nim hin und mache glück„lich, so bin ich desto reicher. Kanu dich „diese Betrachtung heute zurück halten; fb „wird sie dich auch morgen, übermorgen, „si> lange du leben kannst, zurück halten. „Kann sie aber das nicht; so stirb, du bist „nichts mehr, als ein Bösewicht. —" Ich komme zur Geschichte zurück, wol« mar ist ein tugendhafter heiterer Mann, der gut denkt, und wenig empfindet. Ex ist bey Jahren, hat sich eine grosse Kennt­ nis des menschlichen Herzens erworben, ist ein

26; ein Menschenfreund aus Grundsätzen, nicht

aus Empfindung, und liebt eine stille und arbeitsame Lebensart. Das Seltsamste in feinem Charakter ist, baß er das Unglück

hat, von dem Daseyn eines höchsten Wesens nicht überzeugt zu seyn. Er begreifet sehr wohl, daß dieses em Unglück für ihm sey; allein die Ueberzeugung hängt nicht von dem

Willen ab.

Dieser einzige Umstand quälet Julien. Im übrigen ist sie glücklich, findet Geschmack an der stillen Landwirthschaft, versorgt ihre ländlichen Geschäfte mit der größten Orb, nung und Gemächlichkeit, und wird aus ei­ nem schwachen Mädchen, die lügenhafteste

Frau von der Welt. Gr. Preup ist bey ihnen auf dem Lande, und der Anblick ih­

res ruhigen Lebens und fleißigen Wirth­ schafts WesenS besänftiget seine Gemüths­ bewegungen, und heilet ihn von der hefti­ gen Leidenschaft, die ihn verzehret hatte. Er thut eine Reise nach Italien, um allda einen Liebeshandel des Lord Eduard Bomsts»



266 fion zu schlichten.

Unterdessen stirbt Julie,

und die Geschichte hat ein Ende. Sie sehen, daß in dieser Anlage keine aus­ serordentliche Situationen Platz finden, und Roußeau selbst macht keinen Anspruch auf Situationen.

Nehmen Sie diesen geringen

Dorrath von Begebenheiten, dehnen Cie ihn aus, so weit Sie können, und füllen Sie die kucken mit langen moralischen Predig­ ten, und verliebten Spitzfündigkeiten aus;

so haben Sie ohngefahr die Geschichte der

neuen «gdoife, die Briefe ausgenommen,

in welchen Roußeau besondere Materien, nach seiner Art abhandelt, und die, wie

ich ihnen schon gemeldet, vortreflich sind. Und nunmehr sind Sie einigermassen im Stande auch von dein Charakter«, zu urthei­ len. Was ist der sogenannte Sr. preup? Er soll der Adelard in der Geschichte seyn, und sie nennen ihn alle den Weltweisen. Den Welrweisen!. Ich möchte wissen, was

der junge Mensch in der ganzen Geschichte

spricht oder thut, dadurch er diesen Namen verdienet? In meinen Augen ist er der al­ bernste

267

bernste Mensch von der Welt, der iit allge­ meinen Ausrufungen Vernunft und Weis­ heit bis in den Himmel erhebt, und nicht den geringsten Funken davon besitzet. In seiner Liebe ist er abentheuerlich, schwülstig, ausgelassen, und in seinem übrigen Thun

und Lassen

finden Sie nicht die geringste

Er setzt das stol­ zeste Zuvertraucn in seine Vernunft, und ist dennoch nicht entschlossen genug den kleinsten Schritt zu thun, ohne von seiner Schüle­ Spur von Ueberzeugung.

rinn, oder von seinem Freunde, an der Hand geführt zu werden. Er trinkt sich einst einen Rausch. Julie macht ihm Vor­ würfe, und er verfchwöhrt sich den Wein.

Sie billiget auch diese Ueberrilung nicht, und

er trinkt wieder, aber nicht mehr als ihm die beyden Schülerinnen reichen wollen,

weil er sich selbst nicht zutrauet, Maaß hal­ ten zu können. Und so kindisch unschlüßig ist er in seinem ganzen Wesen. Soll das Bey­ spiel des Sr. preux den Stolz der Welweisen demüthigen? O, er müßte ihnen ähnlicher seyn, wenn sie sich seiner schämen sollen.

Lord

268

=====

Lord Eduard Bomston ist ein Englän­ der, das zeiget sein Name an.

Charakter?

für englisch halten;

jedermann

gewiß in London nicht.

richtigkeit ,

Aber sein

In Parts wird ihn vielleicht

übermäßiger

aber ganz

Großmuth, Auf­ Stolz

auf

ihr

Vaterland, und etwas ranheS und trocke­

nes im Aeusserlichen;

dieses sind die Züge,

die man der englichen Nation überhaupt zu­

schreibt.

Machen sie aber den Engländer

insbesondere aus?

Gewiß

nicht!

Jeder

Engländer hat, wie Muralt sehr wohl be­ merkt, etwas vorzüglich Eigenthümliches, das ihm nicht nur von allen Menschen, die aus­

ser der Insel wohnen, sondern auch von al­ len andern

Engländern unterscheidet;

und

dieses Unterscheidungszeichen macht erst den einzelnen Engländer aus.

Der Beschluß folgt.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend.

XVIII.

Den u. Junii.

1761.

Beschluß des hundert und sieben und sechszigsten Briefes. gftXan muß die Engländer in England siu♦vt feiten, um diese eigensinnige Leute zu fassen und gehörig nachahmen

Ich glaube,

zu können.

daß sich auf diesem besondern

Unterscheidungszeichen diejenige Art von Witz ober Scharfsinnigkeit gründet, die von den Engländern Humor genennt wird, und sich so schwer erklären laßt. Jeder Einfall, jede Handlung, die aus diesem individuellen Zu­ ge eines Karakters fließt, scheinet sonder­ bar, aber sie wirft ein Vortheilhaftes Licht auf den Karakter desjenigen, den sie zuge­ schrieben wird; sie giebt uns diesen Menschen

in individuo zu erkennen, und dieses sind, wo ich nicht irre, die Eigenschaften des Zehnter Theil.

S

Humors.

270

. I"

Humors. —



Doch

N

I

I

ich verliere

mich itt

Betrachtungen! — In dem Karakter des Eduards finde ich

nichts, als das Allgemeine,

das man mit

den Namen eines tugendhaften Engländers

zugleich zn denken

gewohnt ist;

und auch

dieses Allgemeine hat sich der Verf. nicht

mit dem besten Vortheil bedienet •> denn überhaupt ist Eduard eine episodische

Person in dieser Geschichte, von der man sich weit mehr verspricht, als sie in der That

zu bedeuten hat. Der Karakter des wolmars ist vortreflich und machet dem Herrn Rousseau Ehre.

Die Erfindung, durch den Umgang mit ei­ nem ruhigen, etwas kaltsinnigen, aber äusserst tugendhaften Manne, die ungestümen kei-

denschaften zweyer Verliebten zu besänftigen, diese Erfindung sage ich, gehört dem Herrn Rousseau ganz eigen, und ist seiner wür­ dig. Wie das Getöse jenes aufrührerischen Pöbels sich Anfangs in ein leises Murmeln und dann in einer tiefen Stille verlohr, so bald der ehrwürdige Greis seinen. Mundauf­ that ;

that; eben so verliehret sich das wilde Brau­

sen der Leidenschaft erst in dem Herzen der Julie, und sodann auch in dem Herzendes Sr. Preux, durch das Beyspiel einer so ge­ lassenen und ruhigen Gemüthsbeschassenheit,

Die Beschreibung, die Gr. preup von den Leben der beyden Ehe­ leute macht, ist überaus rechend. Nur schade! daß er öfters zu sehr ins Kleine verfallt, und durch die Weitläufigkeit etwas

wie deswolmars.

ermüdet. Julie ist eigentlich der Philosoph in die­ ser Geschichte. Sie philosophirt unaufhör­ lich, nicht wie eine Schülerinn des ©anet

Preup, sondern wie ein Roußeau, mit dem­ selben Feuer, und mit derselben Einsicht. So oft sie den St. Preup ihren Lehrmei­

ster nennet, so schien mir es immer, wollte sie seiner spotten.

als

In der That ist

sie ihm an Vernunft, Wissenschaft und Weis­ heit weit überlegen, und sie kann von ihm nichts anders gelernt haben, als etwa die Anfangsgründe der Liebe. — Im übrigen spielt sie in dieser Geschichte eine zweyfache S 2

Rolle.

27*

■'

"

Rolle. Sie ist Anfangs ein schwaches, und sogar etwas verführerisches Mädchen, und wird zulezt ein Frauenzimmer, das als ein Muster der Tugend, die man jemals erdich­ tet hat, weit übertrift. Herr R. erklärt sich in feiner Unterredung mit einem Homme de lernet, öffentlich wider die allzuvollkommenen Muster, und glaubt, daß sie zwar für Bewunderung, aber nicht sehr zur Nach­ ahmung reitzen. Ich mag jetzt nicht unter­ suchen, wie weit der Karakter der Julie mit diesem Urtheile übereinstimmt. Sie hat Schwachheiten begangen, allein sie ist desto vollkommener; sie war weniger, und wird mehr als ein tugendhaftes Frauenzimmer; sie wird ein Engel. Es kann seyn, daß die Erinnerung ihrer vorigen Fehler sie noch immer in unsern Augen etwas heruntersetzet, und auf die Stufe zurückfähret, die für die Nachahmung nicht zu hoch ist. — Die übrigen Karaktere sind von keiner sonder­ lichen Erheblichkeit. Was soll ich aber zu der Affektenfprache -es Herrn Rsußeau sagen? Sie wird von allen

eilen Seiten mit der größten Lobeserhebun­ gen ausgenommen; man nennet sie erha­ ben, begeistert, göttlich — Und ich, zu meiner Schande muß ich es gestehen, ich finde sie spitzfündig, affektirt und voller Schwulst. Herr 2L der zum Entzücken schön schreibt, so oft er die Sprache der be­ geisterten Vernunft zu reden hat, scheinet über die Natur der Leidenschaften raisonirt, sie selbst aber niemals gefühlt zu haben, daher es ihm denn so fchwehr wird, ihre achte Sprache zu reden. Er will sich durch Ausrufungen und Hyperbolen in einen Zu­ stand von Empfindungen zwingen, die ihm durch die Erfahrung nicht bekannt genug sind, und dieser Versuch muß allemal mislingen. Wer eine Empfindung nicht kennet, der trift schwerlich von ungefähr die rechte Ca»te des Herzens, die dieser Empfindung zusagt. Durch Ausrufungen und Hyper­ bolen wird man heftig und ausgelassen, aber nicht herzrührend. Und ich muß gestehen, daß mein Herz bey allen verliebten Klagen des Sr. Preux eiskalt geblieben ist. Ich konnte S 3 fie

sie sogar ohne Widerwillen nicht lesen; denn

was auf Empfindung Anspruch macht, muß

entweder Empfindungen erregen, oder es wird abgeschmackt. Ich kann Sie hiervon durch kein Bey­ spiel überzeugen. Sie müssen nicht einzelne Stellen, sondern ganze Briefe lesen, um hievon richtig urtheilen zu können. Lesen die Briefe deS verliebten Weltweisen, und sagen Sie mir, ob Ihnen der Jüngling nicht mehr geschraubten Witz

Sie also z. B.

und wilde Einbildungskraft, als eine wahre Leidenschaft zu verrathen scheinet? — Sie können auch der Julie verliebte Briefe hin­ zuthun. Sie sind leidlicher, als des Jüng­

lings feine, aber immer noch unnatürlich genug.

R.

Hundert

Hundert und acht und sechszigster Brief. Die Frage hatte ich nicht erwartet.

Ob

ich mit der Sprache der Zärtlichkeit so ver­ traut bin, daß ich alle Farben kenne, die sie in der Natur bey der unendlichen Man­ nigfaltigkeit der Karakrer anzunehmen fähig ist? Nein! So theuer möchte ich die Be­ fugnis zum Kunstrichter nicht erkaufen. Doch diese Ausflucht rettet nicht. In der Natur kann vieles seyn, das in der Nach­ ahmung unnatürlich ist. Ehe die Natur den Virtuosen zur Richtschnur dienen kann, muß sie sich erst selbst den Regeln der äst­ hetischen Wahrscheinlichkeit unterwerfen. Las­ sen Sie uns also sehen, in wie weit Ihre Gründe, die Sie zur Vertheidigung des Rousseau vorbringen, die Wahrscheinlich­ keit retten! Ich raume Ihnen die allgemeine Grund­ sätze ein, daß die Leidenschaften die Natur des Bodens annehmen, aus welchen sie hervorwachsen, und nach det verschiedene« S 4 Beschaf-

276

«■

■ -N ■-■III

Beschaffenheit der Karaktere ihre Farben ver­ ändern ; daß dieselbe Gemüthsbewegung die­

sen niedergeschlagen, jenen geschwätzig; die­ sen sanft, jenen ungestüm machen kann; daß auch die Grundsätze, die ein Mensch einge­ sogen, in der Natur seiner Gemüthsbewe-

gnngen vieles verändern. Ein junger Mensch, wie der Sr. Preup in der neuen Heloise, der mit einer platonischen Sitten­ lehre groß geworden, der mehr gelesen, als sich umgesehen, und seine vorgefaßten Schul­

begriffe durch den Umgang noch nicht ge­ mildert hat, ist gleichsam ein Mensch aus einer andern Welt. Seine hochtrabende Gesinnungen mischen sich in alle seine Emp­ findungen mit ein. Was er fühlet, fühlet er mit Entzücken. Was er liebt, ist in seinen Augen göttlich, und über der Spähre der

gemeinen Natur

hinweg.

Er schwärmet

mit «nein Anscheine der Vernunft, und weis feinen Grillen selbst einen Firnis von Erha­

benheit anjustreichen, der sie in seinen Au­ gen der göttlichen Eingebung gleich macht. Er wird also von seiner Leidenschaft mit

einer

=-—=—=-=

277

einer Begeisterung reden, die der Schwär» merey nahe kömmt. Alle seine Ausbrückungen werden einen Schwung annehmen, der sie über die gemeine Denkungsart hinweg setzet. Allein seine Begeisterung ist ansteckend, sie reißt die Einbildungskraft des geringsten Lesers mit sich fort, und erhebt sie auf den Ge­ sichtspunkt, von welchem er selbst den Gegen­ stand seiner Leidenschaft zu betrachten ge­ wohnt ist. — Es kömmt also bloß darauf an. Ist die verliebte Sprache des San« Preup von dieser Beschaffenheit; so habe ich mit Unrecht getadelt. Allein nunmehr haben Sie mich in die Nothwendigkeit gesetzt, Exempel anzuführen» Gut! Ich werde nicht lange wählen. Hier sind einige! — Der Weltweise giebt der Iulie in einem Sendschreiben die Flammen zu erkennen, die ihn heimlich verzehren, und die Verzweifelung, in welche sie ihn zu stür­ zen drohen. Sie thut einigen Widerstand. Endlich entdeckt sie ihm in dem vierten Briefe, daß sie seit langer Zeit ein gleiches Feuer in ihre Brust nähre, und der WeltS s weise

„ Machte des Himmels! den Schmerz, „verleihet mir nun eine für die Glückseligweise antwortet:

„Ich

hatte eine Seele für

„keit. Liebe! Leben der Seele! komm, un­ terstütze die meinige, die bereit ist in Ohn„macht zu sinken. Unaussprechlicher Reitz „der Tugend! Unüberwindliche Kraft der

„Stimme des Geliebten!

Glück, Vergnä-

„gen, Entzückungen, wie tief dringen euere

„Pfeile! Wer kann ihren Angrif erdulden? „O! wie kann ich den Strom von Ent­ zückungen aushalten, der mein Herz über# „schwemmet! Wie soll ich für die quälende „Besorgnisse einer furchtsamen Geliebten büs„sen! Julie— nein! meine Julie auf den „Knien! meine Julie vergießt Thränen! —

„Erlaube, erlaube, das ich das unerwar­ tete Glück, geliebt zu seyn, recht koste —

„geliebt zu seyn, von ihr — Thron der „ganzen Welt, wie tieferblick ich dich unter „mir! Ich will ihn tausendmal überlesen,

„den anbetenswürdigen Brief,

in welchen

„deine Liebe und deine Empfindungen mit „feurigen Buchstaben ausgezeichnet sind. —“

Sind

---------------------

27-

Sind nun dieses Empfindungen? frage ich. Nach allen Grundsätzen einer platoni­ schen Liebe! ist dieses eine Sprache des ächten Affekts? oder sind es nicht vielmehr fro­ stige Ausruffungen eines Menschen, der sich eine Zärtlichkeit erzwingen will, die ihm die Natur versaget hat.— Doch weiter! Irr dem zehnten Briefe spricht er: „Alles was sie mir von der Glückseeligkeit „unsers gegenwärtigen Zustandes sagen, ist „nicht zu laugnen. Ich fühle es, daß wir „glücklich seyn sollten, und ich bin es dennoch „nicht. Die Weisheit mag immer durch „ihren Mund reden, die Stimme der Natur „redet lauter. Wie kann man ihr widerste„hen, wenn sie sich mit der Stimme des Her­ zens vereiniget? Ausstr ihnen sehe ich nichts „auf dieser irrdifchen Wohnung, das meine „Seele und meine Sinnen zu beschäftigen „würdig wäre; nein, ohne sie achte ich die ».ganze Natur nicht; aber ihr Reich ist in „ihren Augen, und nur da ist sie unäberwind„lich — (welche kindische Spitzfündigkeiten!) „Was für unaussprechliche Widersprüche lie-

»,gen

s8o „gen in den Empfindungen, die fie mir ein„flössen! Ich bin zu gleicher Zeit unterwürfig „und verwegen, ungestüm, und zurückhal­ Ich kann die Augen nicht zu ihnen „erheben, ohne einen innerlichen Kampf zu „empfinden. Ihre Blicke, ihre Stimme sen#

tend,

„den in mein Herz, mit der Liebe zugleich, die

„rührende Annehmlichkeit der Unschuld, einen „göttlichen Reitz, den man ohne Bedauren „nicht auslöschen kann. Wenn ich mich noch „zu wünschen unterstehe; so geschiehet es nie# „mals anders, als in

ihrer Abwesenheit.

„Meine Begierden, die sich zu ihnen nicht „hinwagen, wenden sich indessen zu ihrem „Bilde und an ihm rache ich mich für die „Hochachtung, die ich ihnen zu bezeigen genö#

„thiget bin. „Indessen verschmachte ich, und verzehre

„mich. Das Feuer fließt durch meine Adern; „nichts kann es auslöschen, oder mildern; „ich fache es nur mehr än, indem ich es zwin„gen will.

Ich sollte glücklich seyn, ich bin

„es auch, das gestehe ich. Ich beklage mich „keinesweges über mein Schicksal; so wie rS

»'st/

28 r „ist, möchte ich mit allen Königen der Erde „nicht tauschen. Indessen quahlt mich ein „würckliches Uebel, und ich suche umsonst ihm »zu entkommen; ich möchte nichtgern sterben, „und dennoch sterbe ich. Ich möchte für sie „leben, und sie geben mir den Tod.»

Mit gefällt Ihnen diese Stelle? Nicht wahr? Kaum mittelmäßig. Stellen Sie sich aber vor, daß der junge Mensch eine Menge von verliebten Briefen in diesem Tone fort# leyert, daß die Geschichte öfters in einem ganzen Buche nicht von der Stelle kömmt, und man nichts anders, als dergleichen gekünstelte Empfindungen, geschraubte Gedan# cken, und zärtliche Antithesen zu lesen hat. Stellen Sie sich dieses alles vor, denn ich müßte alles abschreiben, wenn ich es Ihnen beweisen wollte, und nun sagen Sie mir, ob der geduldigste Leser nicht endlich über einen solchen Vortrag ermüden, und das Buch mehr als einmal aus den Händen werfen muß? Ich

Ich muß noch eine

Stelle ausschreiben.

Den Anfang des vierzehnten Briefes:

»Was hast du gethan? Ach! was hast du »gethan, meine Julie? Du wolltest mich beloh,,nen, und du hast mich hingerichtet. Ich bitt „trunken, oder vielmehr rasend. Meine Sin„nen sind ausser sich, alle meine Fähigkeiten „hat der tödtlicheKuß in Verwirrung gebracht.

„Du wolltest meine Schmerzen lindern? „Grausame, du hast sie nur heftiger gemacht. „Gift habe ich auf deinen kippen gesammlet. „Es gahret, es entzündet mein 'Blut, es

„tödtet mich, und dein Mittleiden bringt mich

„um. „O unsterbliches Andenken jenes Augen„blicks der Verblendung,

der Raserey und

„der Bezauberung, niemals, niemals wirst „du in meiner Seele verlöschen, und so lange „die Reitzungen der Julie in berselben einge-

so lange mein bewegtes Herz „mir noch Empfindungen und Seufzer darrei„pragt sind,

„chet, wirst du die Strafe und das Glück

„meines Lebens ausmachen." sen

heftigen

Brief

mit

Er schließt die­

einer

Antithese,

O In-

„O IttUe !

ich kann in dem Anstande nicht

„länger leben, in welchem ich niich befinde. »Ich fühle es, daß ich sterben muß zu deinen „Hüsten —

oder in deinen Armen." —

Er bekömmt in

einer Entfernung einen

Brief von der Julie, und antwortet; „WaS „habe ich ausgestanden, indem ich ihn bekam, „den so feurig gewünschten Brief! Ich erwar-

„tete den Postrcuter im Posthause. Kaum „wird das Paket eröfnet, so nenne ich meinen „Namen, werde ungestüm; man saqr mir, es „sey ein Brief da; ein Schauer überfallt mich; „ich fodere ihn, getrieben von einer tödcnden

„Ungeduld; ich bekomme ihn endlich.

Julie,

„ich erblicke die Zuge deiner angebeteten Hand. „Meine zittert indem ich sie ausstrecke den

„kostbaren Schatz anzunehmen.

Ich hatte

„die geheiligten Buchstaben gern tausendmal „geküßt. O wie vorsichtig ist eine furchtsame

,,Liebe! Ich getraue mich nicht vor so viel Zeu„gen, den Brief an den Mund zu bringen, ,,oder zu eröfnrn. Ich entwische schleunig.

Die

„Die Knie zittern unter mir.

Meine zuneh,

„mende innerliche Bewegung laßt mich kaum „auf den Weg achtung geben. Bey dem „ersten Umwege öfne ich den Brief — „ Dem

Himmel sey Dank!

Was glauben Sie, daß

nun endlich in diesem Briefe gestanden? Die

Wiederholung dessen, was St. preux so oft von feiner Geliebten gehört, und der Leser schon mehr als zu oft hat lesen müssen. Ich glaube, daß alle diese Unruhen in der Natur

möglich sind. Wer wird aber alles beschrei­ ben, was in der Natur möglich ist? Der Beschluß folgt.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend.

XIX. Den 18. Junii.

iy6r.

Beschluß des hundert und acht und sechszigsten Briefes. /Endlich wird Sc. preup ganz abentheuerlich. In der strengsten Jahreszeit halt er sich auf freyen Felde zwischen ungeheu­ ren Cicbürgen auf. Er kann allda von ei­ nem Hügel, vermittelst eines Teleskops, die Stadt entdecken, wo Julie wohnet, und hier bringt er, wie er feiner Julie schreibt, den ganzen Tag zu, die beglückte tTTau# reu zu betrachten, die die Eluelle feines Lebens einschUcssen. „Ich schütze mich «für die ausserordentliche Kalte, schreibt er „ferner, durch Laufen, und durch trockene „Blatter und Reiser, die ich anzünde; der „wilde Ort gefallt mir so sehr, daß ich mir „Papier und Dinte hergetragen habe, und „hier schreibe ich auf einem Felsenstücke. — Zehnter Theil. T „O Ju-

2Z6

I

■!!!!—■I— II II ■ I

„O Julie, Julie! fährt er fort: Wir „sollen also nicht vereiniget seyn? Unsere „Tage sollen nicht zusammen hinfliessen? „Wir sollten auf ewig getrennet seyn können? „Nein! niemals stelle sich dieser entsetzliche „Begrif meinem Geiste vor. Er verändert „in einem Augenblicke meine erweichte Zärt„lichkeit in Raserey. Die Wuth treibt mich „von Hole zu Höle. Wider meinen Willen „entfahren mir laute Seufzer und Wehkla„gen. Ich brülle, wie ein aufgebrachter „Löwe. Ich bin zu allem aufgelegt, nur „nicht dir zu entsagen. Nichts, nichts in „der Welt weigere ich mich zu thun, um „dich zu besitzen, oder zu sterben." Er be­ schließt diesen wilden Brief auf eine eben so seltsame Weise: »Ich habe ihnen nur noch ein Wort zu sagen, spricht er. O „Julie! Sie wissen den uralten Gebrauch „des Leucadischen Felsen, der letzten In„flucht unglücklicher Liebhaber. Dieser Ort „gleichet ihm in vielen Stücken. Der Fel„sen ist steil, das Wasser tief, und ich bin „in Verzweifelung." Für einen Menschen, der

...........

28?

der so herzhaft drohet, möchte ich wohl schwören, daß er lieber durchs Teleskop gucken, als sich ins Wasser stürzen wird. Hatten Eie sich wohl zu einem Roußeau versehen, daß er zu solchen abgenutzten romanenhafte Touren seine Zuflucht nehmen wird? Finden Sie mir ein solches Aben­ theuer in allen Romanen des Richardsons; so will ich die Julie eine Schwester der Pamela nennen. Dieser Engländer soll in einem Schreiben an einem seiner Freunde in Deutschland zu erkennen gegeben ha­ ben, es wäre ihm unmöglich, die Julie deHerrn Roußeau zu lesen. Ich glaube es, und mich dünkt, es wäre ihm noch weit unmöglicher gewesen, sie zu schreiben. Ich habe bereits mehr als einmal gesagt, und muß es nochmals wiederholen, daß die besondere Materien, die Herr Roußeau in diesem Romane abhandelt, vortreflich aus­ geführt sind. Nur der Roman, dünkt mich, ist seiner unwürdig; und verdient den Beps fall nicht, den er erhalten hat. R. L a Hunder

Hundert und neun und sechszigster Brief. jfjerr Xousseau hat wohl eingesehen, daß

die Schreibart seiner Verliebten zu tadeln sey. Der Gelehrte mit dem er sich unterredet, spricht in der Vorrede; „Wollen Sie denn „das Briefe nennen? Ist das ein Briefen„styl? Wie voller Ausrufungen! Voller

„Würze! Wie viel emphatische Heftigkeit ge„meine Dinge herzusagen! Mit was für gross

„sc Worte werden die kleinsten Vernunstgrün„de vorgetragen! Wahrer Sinn und Richtig«„keil ist selten; Feinheit, Kraft und Gründ„lichkeit aber nirgend darinn anzutreffen. „Der Ausdruck ist beständig in den Wolken, „und die Gedanken kriechen. Sind es an„ders würkliche Personen; so gestehen Sie/

,st>aß

ihre

Schreibart

sehr

unnatürlich

»sey. Aus der Antwort des Herrn R. aber

werden Sie ersthen,

daß sich dieser Welt­

weise von der Natur der Affectensprache gar

seltsame Begriffe machet.

„Glauben Sie, spricht

„spricht er unter andern,

daß die wahren

„Leidenschaften so lebhaft, so stark, so far-

„benreich sprechen, als ihr in euren Schau# ,,spielen und in euern Romanen bewundert? „Keinesweges, die Leidenschaften sind so voll »von sich selber, daß sie sich me'w mit lieber# „flttß, als mit Kraft auödrücken.,, Das

Meines Erachtens sind

dachte ich nicht.

die zärtlichen Leidenschaften nichts weniger als

schwatzhaft. indem

pflegen,

Zorn und Verzweifiung Erleichterung suchen,

sie

sich mit Ueberflusse zu ergiessen; aber wghre Zärtlichkeit ist zu schüchtern mit Morten ru prahlen, und ihren Ueberflnfi auszukrahmen. Wenn ihr die Empfindungen zustrohmen, so drückt sie solche zwar nicht farbenreich,

aber auch durch keinen Schwall von Wer­

ten aus, der mehr Ueberfluß als Kraft an#

zeigt. Rousseau fährt fort; „Ein Brief, den „die wahre Liebe dictirt, den Brief eines Lieb#

„Habers, der achte Leidenschaft empfindet, „wird weitschweifig, ausgedehnt, voller Un#

„ordnungen, Wiederholungen und langen ReT 3 »den

sgo

-> -

■■ml ..i..!

„bett seyn. Sein Herz das von einer über„strömenden Empfindung voll ist, wiederholet „beständig ebendasselbe und wird niemals „fertig, wie eine reiche Quelle, die unauf„hörlich fließt, und sich niemals erschöpfet. „Nichts sticht hervor, nichts ist merkwürdig; „man behalt weder Worte noch Wendungen, „noch Redensarten; man bewundert nichts, „wird von nichts frappiret. Indessen wird ,,man gerührt, und weis nicht warum.,. WaS von der Weitschweifigkeit der Effecten# spräche gesagt wird, begreiffe ich nicht. Ich glaube, es sey nichts unerträglicher, als wenn das Pathetische weitschweifig wird. — Die Unordnungen und Widerholungen aber müssen in der Natur der Leidenschaft ihren guten Grund haben, und nicht aufGerathewohl angebracht werden. Die Unordnung muß sogar nur anscheinend seyn. Es feh­ len schulmaßige Uebergänge und Verbindun­ gen der Begriffe; allein wer Gefühl hat, wird sie nicht vermissen, und in dieser schein­ baren Unordnung, eine weit höhere Ordnung, die Ordnung der Empfindungen wahrnehmen

men. Die Wiederholungen sind nur 6ty solchen Empfindungen erlaubt, die in dem Zustande, worinn wir sind, alle übrige an Lebhaftigkeit übertreffen. Hier sind die Wie­ derholungen natürlich und hier thun sie die beste Wirkung. Aber ohne Ursnche wieder­ holen, ohne Maaß weitschweifig seyn, und die Ordnung der Gedanken zerstöhren, ohne sich eine wichtigere Ordnung, die Ordnung -er Empfindungen leiten zu lassen, beweiset mehr einen mäßigen Schwätzer, als einen tiefgerährten Liebhaber. Rousseau sagt ferner: „In dieser Art „von Briefen werden die Gedanken gemein, „und die Schreibart dennoch nicht alltäglich „seyn. Die Liebe ist eine Verblendung; sie „schaffet sich, so zu sagen, eine andere Welt; „sie umgiebt sich mit Gegenständen die nicht „vorhanden sind, und da sich alle ihre Em„pfindungen in Bilder verwandeln, so wird „ihre Sprache bilderreich seyn. Aber diese „Bilder werden keine Richtigkeit, keine ordents „liche Folge haben; ihre Beredsamkeit beste„het in -er Unordnung; sie beweiset mehr,

2 4

»K

*je weniger sie schließt. „ Cie können sich leicht vorstellen, was aus die'en Grundsä­ tzen für eine Sprache der Leidenschgsten hat Entstehen müsse»? Sie ist, wie wir gescden Haden, bilderreich, wettschweisig und «»or­ dentlich geworden. R. Hundert und siebenzigster Brief.

Der letzte Brief des Herr»» von VOo'mcr, in welchem er den» Cr. Preup den. Lod der Julie meldet, sagt man, sey ein Mei­ sterstück. Ich raume es ein, wen» von den Grundsätzen, wenn von den philosophischen Bettachtungen die Rede ist, die in diesem Briefe vorkommen. Soll ich aber die Standhaftigkeit der Julie, und ihren mehr als sokratischen Muth bewundern, mit wel­ chem sie in ihren letzten Stunden den Tod erwartet; so muß sich Julie als eine Ster­ bende zeigen. Sie muß noch eine starke Seele in einem vom Fieber entkräfteten st örper bli­ cken lassen; ich muß das Leiden ihres GeiKes und feinen Triumph über die Plagen des

1

'.jl«1.»;!,

29 z

des Körpers wcrhruehmen, wenn ich jene Wollust ge Eiupsindung gemessn soll, die von Mitlriden und Bewunderung zusammen ge­ setzt ist, und durch diese Zusirnnurnseyung jenes erhabener und diese sanfter macht. Julie aber übersteigt die Sphäre der Mensch­ heit. Das Fieber verzehret ihren Körper, und gleichwohl ist sie in ihrem Thun und Lassen, als wenn sie die volitommmste Ge­ sundheit genösse. Ihr Sterben ist ein sanf­ tes Hauptneign, wie das Sterben auf der Schaubühne. Einige Stunden vorher macht sie ihr Zimmer rein, besorgt ihren Nachttisch, kleidet sich mit Wahl und Sorgfalt an. ».Geschmack und Annehmlichkeit zeigten sich „in ihrem nachlästigen Putze. Man hakte „sie eher für eine Ctaatsdame altsehen sollen, „die Gesellschaft erwartet, als für eine Land„edelfr u, die den Tod erwartet.» Sie ge­ het zu Tische, sie genießt etwas, trinkt ein Glas Wein, und beredet ihre Freunde zum Essen. »Kurz! sagt R. eine Hausfrau, die »den Gästen ihre Aufwartung zu mache» „beflissen ist, kann in gefunden Tagen sich T 5 »nicht

294

e—

'»nicht höflicher, verbindlicher und liebenswert

»,ther gegen ihre Fremden bettagen, als die „sterbende Julie gegen ihre Familie.,, Den ganzen Tag ist ihr Geist in einer unaufhör­ lichen Wachsamkeit. Sie philosophirt, sie vermahnt, sie tröstet, sie beweiset und wider­ legt. Ich sehe allenthalben Rousseau. nir­

gend ein sterbendes Frauenzimmer, und bin alle Augenblicke geneigt zu zweifeln, ob Ju­ lie auch krank sey. So gehets mit den übermäßigen Verschö­

nerungen des Ideals. Man will die Be­ wunderung höher treiben, und wird unglaub­ haft. Einen Sokrarcs, der bey muntern Leibeskräften den gewißen Tod mit Sonnen­

untergang erwartet, bewundert man, daß er den letzten Tag seines Lebens noch in dem Schoosse der Wellweisheit hinbringen kann, und über alle Zerstreuungen hinweg ist, die einen gemeinen Sterblichen in seinen Um­ standen alles Nachdenkens unfähig gemacht

Haren würden.

Allein das Urtheil eines

Arztes ist so unwiederruflich nicht, als das Unheil der Athenienser, und wenn wir sehen, daß

■' '

|.'J'"ü»e

29s

baß der Kranke

selbst seine Schwachheit ver­ leugnen, und nach langen ermüdenden Un­ terredungen noch vier oder fünf Seiten in

einem Oden wegphilosophiren kann; so glau­ ben wir ihm mehr als dem Arzte, und die Bewunderung verschwindet. Ja die Julie ist allen Anwesenden an Munterkeit und Kräften weit überlegen. Sie belehrt ihren Prediger, überzeugt einen wolmar, tröstet die Fran von Grbe,

entwirft einen Plan

zur Erziehung ihrer Kinder, und disputirt über den Zustand 'der abgeschiedenen Seelen,

ohne daß sie das Fieber jemals erinnert, sie wolmar erinnert sie einst daran, und sie antwortet sinnreich ge­ nug; ..ja für eine Kranke rede ich vielleicht

habe genug geredet,

„zu viel, aber nicht für eine Sterbende.

Ich

„werde bald gar nicht mehr reden.,. Sie setzet hinzu, um das Vermögen zu philoso-

phiren zu entschuldigen, das einem Sterben­ den vielleicht nicht geziemet; „Ich mache itzt „keine Vernunftschlüsse mehr, aber ich habe „welche gemacht. Ich wußte in gesunde« „Tagen gar wohl, daß ich sterben müsse.

»Ich

2§6 „Ich habe oft über meine letzte Krankheit „nachgedacht, und itzt mache ich mir meine „Borhersehung zu Nutze. Ich bin nunmehr „weder zum denken noch zum Entschliessen „aufgelegt- Ich sage nur was ich gedacht, „und thue was ich beschlossen habe.,, Eine feine Distinction, mit der sich allenfalle der Herr von Wolmar, aber gewiß das Fieber nicht abrveisen laßt. Man siehet gar deutlich, daß es dem Herrn R. mehr um seine philosophische Ma­ terien, als um den Roman zu thun gewesen. Er hat keine sweges den Pln zur Ge­ schichte zu erst entworfen, und sodenu über­ legt, welche Materien wohl a!s Episoden darinn Platz finden könnten; sondern die Materie waren abgehandeli, und um sie zu verbinden, und ein Ganzes daraus zu ma­ chen, erfand er eine Geschichte, die aus die­ sem Gesichtspunkte betrachtet, zwar sinnreich genug ist, aber in der That mehr einer be­ ständigen Kette von Episoden, als eine wohl­ geordnete Geschichte genennt werden kann. — So ist es, und deßwegen denke ich gar schön für

für des Herrn Rousseau Roman, und lesen hingegen die schönen Abhandlungen, die aus­

ser der Verbindung,

in welcher sie stehen,

vortreflich sind.'

R.

Hundert und ein und siekenzigster Brief. hat auch schon angcfangen von der neuen yeloife eine

sauber gedrukt und

deutsche mit

Übersetzung,

einem

Titelkupfer

gejieret, zu liefern. * Daß sie übersetzt wer­

den, würden war zu vermuthen; Man ken­ net

das

rüstige

Volk

unserer

Uedersetzer

und die heißhungrige Begierde, mit welcher sie über ein Werk wie die Julie herfallen musten. Daß man sie aber michandeln wür­

de? Auch dieses war nicht unerwartet. Die

gekünstelte und an sehr vielen Stellen dun­

kele Sprache, des Rousseau erfordert Zeit und Aufmerksamkeit, und unsern gewöhnli­ chen Uebersetzern fehlet gemeiniglich beides.

Sie

s Leipzig in der Weidemannischen Handlung 1761.

298

..'•SSI.

Eie übersetzen ohne zu lesen, und arbeite»

mit einer Eilfertigkeit. Wogegen Zeit und Schall und Wind Und selb- des Lichtes Flügel langsam sind. Sie übersetzen einen Gedanken ohne ju

wissen, was für einer darauf folgen wird. Wie können sie sich also um Deutlichkeit, Zu­ sammenhang und Schönheit des Styls be­ kümmern ? Kömmt noch die Unwissenheit der Sprache hinzu; so »nutz nothwendig die vortreflichste Urschrift in ein solches Geschmiere verwandelt werden—wie unsere'meisten Ueberfetzungen zu seyn pflegen. Man kann sagen, unsere elenden Uebersetzer machen den Origi» üalschriftstellern der Nation Ehre, denn wer die Schriften der Ausländer nur ans Ueber# setzungen kennet, der wird immer lieber un­ sere mittelmäßigen Originale lesen, weil doch

wenigstens Menschenverstand darinnen ist. Die deutsche Uebersetzung der Heloise ist in dem Hamburg. Correspondemen un­ gemein gelobt und ungemein getadelt wor­ den. Ich glaube dieses Räthsel leicht auflö­

sen zu können.

Die Ungleichheit der Ueber-

setzung

fetzung zeiget gar deutlich, daß verschiedene

ganz ungleiche Hände daran gearbeitet haben

müssen. Daher sind manche Briese gut, manche erträglich übersetzt, und in manchen zeigt sich die elendste Unwissenheit von der

Welt. Es ist sich zu verwundern, wie ein Mensch, der die gemeinsten französischen Re­

densarten

nicht verstehet, so unverschämt

seyn kann, sich an eine so schwere und undanckbare Uebersetzung zu wagen. Der an­ geführte Recensent hat eine Menge von gro­ ben Schnitzern angezeigt, die er hier und da im Durchlesen bemerkt hat. Daß aber der Uebersetzer ja nicht glaube, das waren sie alle! Ich habe nur wenige Briefe mit dem Ori­ ginale verglichen, denn die Arbeit ist gar zu eckelhaft, und hier ist eine kleine Nachlese, darüber Sie erstaunen werden. Ich konnte mich sicher darauf verlassen; wo ich im Deut­ schen gar zu groben Non - sense,

gar zu

plumpe Ungereimtheiten bemerkte, da könnte ich zuversichtlich auf einen Uebersetzungsfehler Jagd machen, und mir eine gewisse Beute versprechen. Z, E. der Uebrrsetzer sagt (im

vierten

5oo vierten Briefe.)

„Wie sollte dieses Herz, das

dir seine übrige „Schwachheit verbergen? Ach! den ersten „Schritt, der das meiste kostet, den sollte es „nicht thun--------- Das Herz soll den „nichts

verbergen kann,

ersten Schritt nicht thun? So schreibt kein Ich schlug auf imb fand, le

Xon|Jeau.

prcmier pas, qui coute le plus, etoit celui, qu'r/ nc saloit pas faire-------- doch Kleinig­ keit ! Hören Sie weiter! — >> Du weißt es, „und deine Neue wird es bestärken.,, Tu

le läis, sagt das Original, & tes remords en augmenteront.-------- „Ich sehe, ich fühle „aUzuwohl, heißt es im Deutschen, wohin

„der erste Schritt verleitet, und doch suchte „ich gar nicht mein Unglück zu vollenden, „sondern ihm zu entgehen.,.

Welcher Un­

verstand! Ich 'uche nicht mein Unglück

Ztt vollenden

sondern ihm zu entgehen!

Je ne cherchois pas a preparer ma ruine, mais a i’eviter, sagt Rousseau, und aus dem preparer ist in der Uebersetziing vollenden geworden. Der Beschluß folgt.

die neueste XX.

Litteratur betreffend

Den 25. Junii.

1761.

Beschluß des hundert und ein und siebenzigsten Briefes. Cftod) immer in demselben Briefe --------'•'l „Denke jedoch nicht, daß es mir unbe-

„kant wäre, daß es mir gebühre Bittschrif„ten anzunehmen, und daß ich, um mir „Gehorsam zu verschaffen, nichts thun „darf, als mich aus List verächtlich „machen." Verstehen Sie das? Umnög?

lief) f p°ur ine faire oben, sagt R. je n’avois qu’ a ine rendre avec art meprifäble. Nun ist der Verstand deutlich. Durch Ver­ stellung sich eine Herrschaft über der Gelibtm anmassen, nennet Julie sich mit Kunst verachtungswürdig machen. Der fünfte und sechste Brief sind erträg­ lich. Jin siebenden sagt der Uedersetzer „daß Zehnter Theil. u „sie

302



I

I

„sie uns doch fehlet, diese geschickte Frau, „deren Verlust du für unsern Vortheil hälst i „Er wäre es gewesen, wenn wir gleich „Anfangs in sicherere Hande gerathen waren;

„allein jetzt, da wir aus ihren Händen kom„men, sind wir zu wohl unterrichtet u. s.

„w. „ Welche Verwirrung! Ich schlug nach und fand einen ganz andere Gedanken. „Vielleicht wäre es besser gewesen, heißt es „in der Urschrift, statt in ihre Hän-

Anfangs in Allein II l’eut ete, was kan das anders heissen, als Er wäre es gewesen?

„de

zu

kommen,

gleich

„sicherere Hande zu gerathen.

Daß der Uebcrsetzer etourderie sehr einfäl­ tig durch Einfalt gegeben, hat bereits der Hamburgische Recensent erinnert, allein er hat in eben demselben Briefe raisoneuse, wo

es offenbar vernünftlerin heissen soll, durch Schwätzerin gegeben, und macht durch die­ sen Schnitzer die ganze Stelle unverständlich.

Sie haben genug. O noch lange nicht! Schnitzer werben erst noch kommen, 6t, Preup beklagt sich, die Julie die lustigsten

Julie sehe für eine schmachtende Liebhabe­ rin zu munter aus und er wünscht mehr Kennzeichen einer verliebten Sehnsucht in ihrer Gesichtsbildung anzutreffen. Sie sin­ get diese Klage seltsam, compties vous fragt sie, de ine refpecter aufli longtems que je

ferois peur, & de vous retracrer quand je deviendrois fupportable. D. i. »Dachten »Sie etwa, mich so lange zu verehren, als „ich schrecklich aussahe, und zurück zu wei„chen,so bald mein Gesicht erträglich würbe?“ Nun hören Sie, wie unser Uebersetzer die Stelle verstehet! „Oder machten Sie sich „vielmehr die Rechnung, mich so lange zu „verehren, als ich furchtbar Ware, und „wenn ich verträglicher würde, ihre Ehr„furcht zurückzunehmen?“ Wenn sich doch unsere Uebersetzer wenigstens die Mühe geben wollten, die Wörterbücher nachzu­

schlagen! Faire peur. furchtbar seyn, und fupportauie, vertraglich; solche grobe Schni­ tzer würden ihnen doch unmöglich entwischen können.

U 2

Je

Je vous dirai, sagt St. Preith zur 3u# He, ce que les autres auront pense. vous me dires Ihr le meme fujet, ce que vous penfes vous meme, & souvent a pres la lecon j’en fortirai plus instruit que vous.

„Und oft werde ich in der Lehrstunde mehr „gelernt haben als Sie." Unser Uebersetzer sagt: „und oft werde ich noch gelehrter aus „der Lehrstunde kommen als Sie." So! und also macht sie ihn in der Lehrstunde noch gelehrter, als sie selbst ist? On s’exerce ä voir, comme a fentir, ou plutot ane vue exquife n’est qu un fentiment delicat

& fin. Diese Sentenz muß dem Ueberfetzer anfangs paradox geschienen haben. Er kam also auf den unglücklichen Einfall zu verbes, fern, nahm das Sehen allhier im uneigent­ lichen Verstände, und setzte: ..Man übt sich „im Denken, wie im Empfinden; oder „vielmehr, eine vortrefliche Renntniß ist „nichts als ein zärtliches und feines Ge­ fühl." Auf derselben Seite kömint der Gedancke s’exercer ä voir, comme a fentir zum zweyten mahle vor. Daselbst merkt der Ueber-

ZOs Uebersetzer endlich, daß seine Verbesserung unschicklich sey, und läßt es beym natürli­ chen Verstände bewenden,- allein, was einige Zeilen vorher geschrieben war, blieb stehen. Julie schickt ihrem Liebhaber Geld zu Reise­ kosten. Als er sich weigert es ckizunehmen, giebt sie ihm deswegenVerweise,und spricht »inter an­ dern : entre deux coeurs unis.la Communaute der biens est une justice & un devoir, & fi je ine trouve en arriere de ce qui nie reste de plus qu’i vous, j’acepte saus fcrupule ce que je releive, & je vous dois ce que je ne Vous ai pas donne. Der Gedancke ist nichts aus­

serordentliches, allein, nach Gewonheit die­ ser pretiösen Verliebten , seltsam gewendet. Julie will sagen, sie habe zwar mehr behalten, als sie ihrem Liebhaber geschikt hat; allein sie trüge kein Bedencken den Ueberschuß anzunehmen, und wollte ihm so viel schuldig bleiben. Unser Uebersetzer aber, der gut genug übersetzt zu haben glaubt, wenn er, die Stellen, die er im Französischen nicht verstehet, im Deutschen eben so unverständlich macht; verdeutscht: U 3 wenn

3 Ich bin zwar keinesweges so unvernünftig von dem Ueber#

setzer zu (obern, daß er alles, Wort für Wort, übersetzen, und keine Redensart um­

kehren solle, aber das kann ich mit Recht von ihm fordern, daß er die Wendung des Originals, wenn sie im Deutsche«» bleiben

kann, allen andern vorziehe, denjenigen Stellen um so viel wo der Autor aus besondern ausdrücklich dieser und keiner 3 2

dieses ist an mehr nöthig-

Ursachen sich andern bedienet

352 net hat. Ist aber die Wendung durchaus im Deutschen nicht beyzubehalten, so muß er sie durch eine ähnliche deutsche Wendung zu ersetzen suchen, und hier muß er genau die Art seines Autors kennen, damit die Wendung der Uebersetzung, der Wendung des Originals entspreche. Es ist ihm also keinesweges erlaubt, die erste Wendung oder Redensart zu ergreifen, die ihm in den Kopf kömmt oder sich in seinen Vers passet. Dis kann man von einem Uebersetzer wie Herr Zachariä, der uns mit dem ganzen Geiste seines Autors bekannt machen will, vollkom­ men fodern. Pope z. E. hat es auf eine

andere Art angrfangen. Er hat sich gar nicht an Homers Gedanken und Worte gebunden, sondern den ganzen Homer nach seiner Art ausgearbeitet, ist auch deswegen mit Recht getadelt worden ; weil er aber dm Homer so glücklich modernisirct, weil er uns von Homers Glanze noch einen

so starken Widerschein sehen laßt und weil er uns einen Theil dessen, das wir verlieh-

ren, durch die treflichste Poesie des CtylS und

und den ausgesuchtesten Wohlklang ersetzet, so bleibt Popens Homer, ob er gleich nicht der griechische Homer ist, dennoch immer ein vortrefliches Werk. — Wie viel uns Herr Zachariä von Mil­ tons Glanze übrig gelassen hat, haben Sie bereits gesehen; Wie viel sein eigener Wohl­ klang bedeute sollen sie in einem meiner künf­ tigen Briefe finden.

Hundert

354

Hundert und sechs und fiebenzigster Brief. -Herr Zachariä, hat ausdrücklich deßwegen unternommen das verlohrne Paradieß in Verse zu übersetzen, weil, wie er saqt, ein

Gedicht von dieser Art in einer prosaischen

Uebersetzung allzuviel verliehre. Ma» kaun also von ihm fodern, daßer mehr leiste, als eine prosaische Uedersetzung leisten kann. Wir haben Bodmers prosaische Ueberse« tzung, an deren Treue und Starke, ^erc Zachariä überhaupt geredet, nichts wird auszusetzen haben. Sie ist zwar nicht, im engsten Verstände genommen, wohlklingend, aber auch keinesweges übel klingend; sie laßt sich ziemlich wohl lesen.

Es ist wahr,

es

fehlet ihr das feyerliche der Poesie, die Fülle des poetischen Numerus, die uns mit

sich

fort reißt, und den lebhaftesten Schildereyen der Dichtkunst den letzten Strich zur

Vollkommenheit giebt. als Prosa nicht haben;

Dis konnte sie auch Herr Zachariä aber

Hat es ihr geben wollen — Wodurch? durch -en

jl«».".”!-—‘jj ■■■■■■.

6ett deutschen Hexameter?

355

Ein rühmliche-

Unternehmen, das aber mit Mehrern Schwie­ rigkeiten verknüpfet ist, als man beym ersten Anblicke denken sollte! Ist denn unser deutscher Hexameter bereits so vollkommen, daß es-nichts weiter bedarf als ihn zu gebrauchen, um sich der s/ltenffen

Wirkungen des Wohlklangs und des poeti­ schen Ausdrucks zu versickern — Eine Frage

die den Herren Schweitzern eine Lästerung zu seyn scheinen würde. Sie, die sich so gar gern bey ihrem eigenen Lobe verweilen, können auch der Welt nicht leugnen: , Mit „wie viel Ergötzen Sie daran gedenken, daß

„eben dieselben Genien, die den Mlth gehabt, „die erhabensten Wahrheiten der irrdischen Wissenschaft, zum Gegenstände ihres Ges „sanges zu nehmen, und über dieses sich in „die olympischen Sphären, den Wohlplatz ^höherer Naturen zu schwingen; — uns

„auch

den wahren heroischen Vers,

den

„Hexameter der Griechen und Römer in aller „seiner V rschiedenheit und schönsten Harmos „nien hervo» gebracht haben.,,

3 4

Hierzu wün-

schm

z;6

=====

fchen sich diese Herren Glück, aber es ist nur zu beklagen, daß die Welt, die über dm Werth ihrer Gedichte noch etwas streitet, über den Werth der Harmonie, der Ver­ schiedenheit und Richtigkeit ihrer Hexameter

gar zu sehr einig ist,

und wenn diese zum

Muster der Harmonie und der Verschieden­

heit des Wohiklanges dienen sollen, so wird sich mancher, der doch auch sein Obr zu brauchen weiß, lieber mit dem einförmigem

Alexandriner oder mit einem swohlgearbeiteten fünffüßigen Jamben begnügen. Können wir dann also gar keine deutsche Hexameter haben? Es würde thörigt seyn,

hieran zu zweifeln, da uns ein Rlopstock die trcflichsien Beyspiele davon gegeben hat. Aber haben wir den griechischen oder römi­ schen Hexameter in aller seiner Verschie­ denheit und schönsten Harmonie? Leute

sollten dis wenigstens nicht behaupten, die die Natur der griechischen und römischen Poesie und auch die Natur

der unsrigen kennen wollen. Jene haben ein Sylbenmaaß das aufs genaueste bestimmet und gleichsam auS

ausgerechnet ist, sie haben wenige Sylben die lang und

kurz können gebrauchet werden,

schon der Zusammenstoß zweyer Consonannten wird von ihnen gehöret, und macht eine

Sylbe lang u. s. w.

Wir haben nichts der­ gleichen; Wir richten uns bloß nach einer zuweilen ziemlich unbestimmten Aussprache. Fast alle einst-lbigte Wörter deren wir eine sehr grosse Menge haben, können, nach

belieben, lang oder kurz gebraucht werden, hiezu kommt, daß wir gezwungen seyn, und anstatt der Spondäen mehrentheils der

Trochäen zu bedienen, daß wir sehr wenig richtige Daktylen haben; u. s. w. bloß diese

beyde letzte Punkte beweisen, daß ein VerS wo es einerley ist--------- oder — entwe­ der — v v oder — ~ — oder gar — ■— — zu setzen, ohnmöglich eben derselbe Vers der Alten seyn kann, indem jedes Sylbenmaaß

aufs genaueste bestimmt war. Wir können also bloß den alten Hexameter auf gewisse Weise nachahmen, und da

unsere Tonmessung, in vielen Stücken, noch gar nicht unter gehörige Regeln gebracht ist, 3 5



358

B-SÄ———-Ä

so muß indessen das Ohr hauptsächlich die Richtigkeit des deutschen Hexameters entschei­ den. Dieses muß am sichersten bestimmen, ob ein Wort an einem gewissen Orte vor­ teilhafter lang oder kurz gebraucht werden können dieses muß unsichren, daß man auf

6r

Tiefsinn kenne. Der einzige Unterschied ist die­ ser; durch das leztere geben sie sich mehr An­ sehen und erhalten ihre Zwecke leichter als durch das erstere. Sie würden von diesem ganzen Geschlechte, das ohnehin nach 3 Jahren längstens wie­ der vergessen seyn wird, nichts erfahren Ha­ den, wenn nicht einige davon im Schlech­ ten so tief herunter stiegen, daß man eben so neugierig wird einen Menschen, der so sehr sinkt, zu betrachten, als man es ist, einem andern, der eine grosse Hohe erreicht, nachzusehen. Zu der ersten Art gehört ein gewisser Herr Philip Ludwig Scarius Müller Professor zu Erlangen, der uns mit einsa­ men Nachtgedanken ebenfalls heimgesucht hat. * — Wie Gchaftesbury sagt: diese Leute sind nicht im Stande alleine zu seyn. Wenn sie auch mit ihrem Gott reden: so schielen sie auf die Welt zurück und denken an eine Auflage ihrer Gedanken. Doch diese Eitel• Einsame Nachtgedanken eine Wochenschrift oder moralische Betrachtungen über die Welt und welt­ liche Begebenheiten. Wieu und Leipzig 1761.

6r Eitelkeit wäre noch zu verzeyhen, wenn nur die Gedanken gut wären. Aber die Welk, die diese Herren nicht kennen; will auch sie

und doch hat Herr Müller die Dreistigkeit seine einsamen Nachtgedanken auch moralische Betrachtungen über die Welt

nicht kennen:

zu nennen, er, der offenbar nichts als höch­ stens die Universität Jena kennt. Einen

Professor, der so voll von der Universität und von seinem wichtigen Amte ist, müssen

sie gar noch nicht unter die Augen gekriegt haben. In feinen Einsamen Nachtgedanken betrachtet er auch bas Jenaische Jubiläum;

welches unstreitig die allerlustigsis einsame Betrachtung ist,' die ich jemals gelesen habe. Der wahre Studente, der beym ersten An­ blicke der akademischen Scepter unb Kleider

gröstre Augen »nacht als der Bauerknabe beym ersten Anblicke einer Stadt! S. 238. „Nun folgen die berühmten Scepter, die

„schon 200 Jahr das akademische Regiment „zürn unvergänglichen Nutzen der grossen „Welt geführt haben, und gleich darauf siehet „man die Anzahl der hochverdienten Lehrer „in

.

63

„in ansehnlicher Begleitung zweyer Gra„fen — nichts fehlt dein prahlenden Trinmfe „der ganzen Universität das größte Ansehen „beyzusetzen. Ein Hochfürstl. Consistorium, „die Rathe, der Kern der Bürgerschaft und „eine unbeschreibliche Menge der fremden „und einheimischen Begleiter verlängern die „Proceßion, und selbst das stärkste Aug, das „in der Mitten stehr, sieht rveder vor «noch hinterwärts ein Ende.,, Ich möchte wohl wissen, wie das Gegentheil möglich wäre auch bey dein kleinsten Haufen; besonders da der Herr Professor vergessen hat zu mel­ den ob dieses stärkste Aug einem grossen oder kleinen Mann zugehört hat. Doch wei­ ter; ich habe mir einmal vorgenommen sie Lurch Herr M. zu belustigen. „Es zieht „das ganze Chor der hochberühmten Man„ner in grosser Jubelpracht herauf, tmb „schwenkt sich mit gravitätischen Schritten „durch die gepackte Reihen der braven Mu„sensöhne hin. — Jezt nahet sich der Zug, „betrit die heiligen Schwellen und die gelehr« „te Schaar besteigt nach Rang und Sraac

„die

64

————

„die erhabenen Catheder. —

Holde Mu-

„fett, mich entzücket eure Pracht, und ver„dienet, daß ich sie lebhaft bilde.

Ein pur#

„pur rother Fürstenthron stehet hier zur Rech#

„ten aufgerichtet. —

Das hohe Regiment

sich in

„des akademischen Wesens sezt

„zwey berühmten Männern zur Seite«

„dieses Throns und prahlet

in

entzückter

„Pracht wenn es einen solchen Fürstenstuhl

„zu seiner Rechten hat.

„man die

Zur Linken siehet

weltberühmten Lehrer

und

das

«akademische Chor woran die reiche Zahl der

„Herren Doktoren und Magistern schliessen.

„Ein starker Redner tritt auf das in Sam# „met gekleidete Catheder. —

Der Beschluß folgt künftig.

die neueste Litteratur betreffend.

V. Den 27. August. 1761. Beschluß des hundert und zwey und achtzigsten Briests. JÄuf Pauken und Trompeten! — aufFa-

„ma! kündige es Salinens Bürgern an! „Jezt schreitet die Proceßion zum Jubiläi„schen Gastmal hin! Der Schwarm des „jauchzenden Volks begleitet die Fürstliche „Staats Carosse! das Mastvieh ist ge­ schlachtet , die Speise angerichtet, die „Tafeln find gedeckt, mit Silber auf„geputzt; der Zeitpunkt ist erschienen! „ von diesem Zeitpunkte an, vergeht dem Herrn Professor Hören und Sehen! Der­ gleichen Pracht und Menge von Schüsseln ist gar noch nie in seine Sinne gekommen. Sie sollen gleich hören. „Es setzen sich die „Gaste auf mehr als 150 Stählen an vie«Ilfter ryetl. E „len

»len Tischen im Saal und in den Zimmern „hin! Wie prächtig sieht es aus? Wer kann „die Schüsseln zählen? — Mit äusserster „Derwundrung betrachtet man die Königlichen „Speisen und fürtrefiichsten Confecturrn. — „Man langt die Pocalen her. — Es leben „alle Universitäten, die sich mit J.na freuen! „Es lebe wer da kann und will! Ern Freund „wünscht dis dem andern. So recht! so „freuen sich die hochverdienten Männer. — Folgt nun die Freude des dritte» Tages. „Ein hochansehnlicher Graf tritt auf, aus „dessen Minen schon Staatsklughelt, Witz, „Verstand, Belesenheit und grosse Weißheit „strahlet. — Das mag ein Jubel heissen, „wo Standespersonen sich bemühen, Athe„nens Flor und Ruhm nach Würden abzu-„bilden? Noch diesen Tag schickt sich die be­ rühmte lateinische Gesellschaft an, auchdie»ses Fest auf ihrer Seite recht feyerlich „zu begehen. In vorerwehntem Staat bc„giebt sich das ganze Chor zum hochansehn, „Uchen Direktor hin. Man nimmt kostba, »re Erfrischungen em« — Ein reines und hoch,

67

===== „hochtrabendes

Gedichte

erhebt

Salinen-

„Glück und die fliessenden Verse sind mit „lauter Witz begeistert, „ Ich möchte wohl des Herrn Prof. Theorie von einem guten Gedichte vollständig sehen!

„Der Abend

fallt schon ein, jezt sollen

„tausend Musensöhne zugleich vergastet wer­ den. Die Anstalt wird gemacht, man stellt „die Tafeln hin und spicket sie mit aufgehäuf-

,.ten Schüsseln. —

Fast scheint es als wäre

„die Musenschaar in einen fremden Luftkreis

„hineingestiegen, als man beym bunten Lam„penlicht sie

alle schackigt sahe. —

Auf

„Musen freuet euch, und laßt euch diese „Jubelspeise und Trank recht schmecken und

„auch wohl bekominen!» Merken sie wohl, was bey diesem Schriftsteller die Musen sind? „Jezt dränget sich der Haufe eilfertig an „die Tische.

Die Balken wollen biegen vom

„Vivat und dem frohen Jauchzen.,, Es greift wer greifen kann. „ — So gleich nach diesem eckelhaften Bilde kommt der Herr

Prof, auf die Sonntags Predigt, die er wie

«in

Waysenknabe, der nachgeschrieben hat,

Ca

anS
Co ist sie auch untüchtig, ,,wenn sie

nicht 20 Handbreit hoch ist.« ein Druckfehler, und soll

Ist vermuthlich

heissen, 10 Handbreit. M. 4. „Indem man keine Lauberhütte „macht, aus dem, so noch im Felde stehet, sie soll gemacht wer, Diese Ursache würde statt finden,

„dieweil es heißt,

„den.»

wenn die Bedeckung nicht von Menschen« hän-

Handen, oder nicht zur Lauberhütte gemacht

worden wäre.

Daß man aber mit dem,

was iin Felde stehet, keine Bedeckung ma­ che, kömmt daher, weil es heißt, von dei­

ner Tennen und von deiner Relrer. M. 7» ,,sie ganz

„Die Schule Hilel,

aufreissen,

oder

man mässe

Eines zwischen

,,zwey Brettern heraus thun; R. Meir „aber, man soll nur je Eines zwischen zwey „Brettern herausnehmen, und bedürfe es

„weiter keines Aufreisscns."

det,

und soll heissen:

Ist ungegrün-

„Die Schule Hilel

„will, man könne entweder aufreissen, oder „Eines herausnehmen; N. Meir aber, man

„müsse Eines herausnehmen, das Aufrcissen „aber würde nicht helfen." C. 3. SD?. i2. „Jmgleichen verordnete ,,er, daß der Lag, da man die Webegarbe „darbrachte, (der i6te Nisan) ganz verbo­ ten seyn soll (an demselben Tage nichts „von dem neuen Getreid zu essen.)'' Und in der Note heißt es: „Da es vorhin so „lange der Tempel stund, so bald sie dar-

gebracht wurde,

solches erlaubt gewesen;

„so

„so war es nachher sd bald der Tag an„brach, erlaubt: Er machte aber diese Ver„ordnung, damit der Tempel desto eher „wieder erbauet werden möchte." Wie hängt dieses zusammen?

Wird der Tempei

desto eher ausgebauet werden, weil man den i6ren Nisan noch nichts von dem neuen Getreide essen darf? Herr R. hat hier, wie es scheinet, nicht mehr als die halbe Periode gelesen. Es heißt eigentlich: „Er machte

„diese Verordnung, aus Beysorge, man „möchte, wenn der Tempel wieder aufge„bauet seyn würde, es gleichfalls, so bald „der Lag anbricht, für erlaubt halten."

Traclat VII, Sezah oder Jom tob. C. i. M. i.

„Gelinder als die Scham-

„männer," soll heissen, strenger.

C. 4. M. 1. Am Ende der Mifchna be­ ziehet sich Herr R. auf eine unterstehende

Note, die hier nicht zur Sache kömmt. Daß das Holz im Hinterhofe verboten ist, kömmt keinesweges aus der in dieser Note angeführ­ ten Ursache, weil es nicht erlaubt ist, der­ gleichen Dinge so zu thun, wie man sie an -Werkeltagen zu thun pflegt; sondern weil das Bau-

Bauholz gar nicht zum Brennen bestimmt, und also mukzah ist. S. R. Barreirura. M. 5- »Doch darf man, nach R. Iudah die »zwey Enden von einem Docht in zwey Lampen thun, „und solche anzünden, sodenn aber in der Mitte die»selbe abbrennen." Ist undeutlich, unb soll heissen, »und solche in der Mitte anzünden, um sie dadurch »abzudrennen. M. 7. »Die andern Gelehrten aberssagen, man »müsse genauer bezeichnen, was man davon essen wolle, »von wv an, bis wo hin, (indem man die Wahl nicht »habe, von dein ganzen Haufen zu nehmen, wo man »wolle.)" Niemand begreift, waö Herr R. mir dieser Ursache sagen wolle: Man muß genauer bezeichnen, denn man hat die Wahl nicht. Eigenurch aber har es damit folgende Dewaudnis: Die Rabbinen sind unei­ nig, ob einewahl starr finde oder nicht. Das heißt, ob eine Sache, bie jc.i einer künftigen Wahl abhängt, als bestimmt anzusehen sey oder mehr. Die allhier vorkommenden Gelehrten halten dafür, es sände kei­ ne Wahl st^rr, daher nichts dem freyen Wlllen über; lassen, sondern alles so genau als möglich bestimmt werden müsse. — So wert die Critik. — * Herr Rabe hat auch den dritten Theil derMischna bereits herauögegeben; er ist aber meinem Rabbi noch nicht zu Gesichte gekommen. Ich werde ihm ein Exemplar davon zuschicken, und mir seine Critik ausbitten, so bald iw wieder Lust haben werde, Ih­ nen einen Brief zu schreiben, den wir beyde nicht Verstehen. D.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend.

IX. Den 24. September. 1761.

Hundert und sieben und achtzigster Vlies. güldene Sprüchclgen deS Hora;: Sumite materi.'.m vcstris qui scribitis nequam Viribus &, versa re diu, quid ferre recuRnt. Quid valeant humeri!

wird zwar von unfern angehenden deutschen Schriftstellern gemeiniglich, auf mehr als eine Weise und so oft übertreten, daß efast keine Seltenheit mehr ist, Schriftsteller ju sehen, die der Materie nicht gewachsen sind, von der sie schreiben.' Aber um ein Buch über eine Sache zu schreiben, von der man so viel als gar nichts, das heiße, nicht mehr versteht als man aus einer flüch­ tigen Lectüre halb unverständlich kann auf­ gefangen haben, dazu gehört ein so über«ilfter Theil. I fchweng-

130

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fchwenglicher Grad der Unverschämtheit — ich wirklich feit kurzen nur bey zwey deutschen Schriftstellern augetroffen habe. Der eine will von der Malerey urtheilen, von der er die ersten Anfangsgrände nur als

dem Buchstaben nach kennet; und der andere hat der Poesie Musik und Malerei) neue

Regeln vorschreiben wollen ohnerachtet er in der Theorie aller dieser Künste beynahe

gleich unwissend ist. ©ölte bloß der Grad der Unwissenheit einen Vorzug geben, so wüste ich nicht von welchem dieser beyden Schriftsteller ich zuerst reden müste: Aber ich muß wohl von dem letzkern zuerst reden, weil er alter ist, den erstem will ich bis auf eine andere Gelegenheit velsparen. Schöll seit anderthalb Jahren liegt ein unerhörter dicker Band von völlig

achtehalbhundert

Seiten

in

groß

Dctav

vor mir! Ja wer nur lesen wolle! — End­ lich muß ich doch an diese löbliche Ar­ beit , denn ein Schriftlkeller der in diesen Zeiten, da die kleinen Bücher so sehr Mode sind, das Herz gehabt hat zwey grosse Alpha-

bethe

rzr

bethe voll zu schreiben,

muß

Ihnen doch

Zwar ist er

nicht ganz unbekannt bleiben.

der Welt so unbekannt geblieben, mich fast nicht einmahl erinnere,

vielen Gelehrten Zeitungen,

daß ich

in unsern

etwas davon

gelesen zu haben, inzwischen kann ich Ihnen aus eigener betrübter Erfahrung versichern,

daß dieser dicke Band wirklich exiliret, und daß ihn Carl ie’; Rede ist; so hört inan dennoch die stoische EUsinde,

die ihren Sohn vermanet, seine Liebe dem Könige anfzuopfern, von nichts, als von Heldentugend, vom Tode fürs Vaterland, von dem Geblüte des Theseus, und von dem, was ein Unterthan seinem Könige schuldig ist, reden. Im Vorbeygehen gesagt; ich weiS nicht, ob der Ton, aus welchem der Herr v. * 322. Zweihundert und vierter Brief. Von der Schrift: Harlekin oder Vertheidigung des Groreekeko, mischen. S- 327.

Zweihundert und fünfter Brief. Harlekinaden müssen als moralische Carikuturen betrachtet, und nach derselben Regeln beurtheilet werden. S- US« Zweihundert und sechster Brief. Ob Grösse ohne Stärke die wahre Ursach deS Lächerlichen sey, wie Harlekin vorgiebtS. 3S7-

Zwei hundert und siebenter Brief. Den dem zwey, teil Theil der Schriften des Hm- v. Chronegk. S 36S.

Briefe, die neueste Litteratur betreffend.

Zwölfter Theil.

Briefe,

die neueste kittetatut betreffend« I. Den 22. October 1761,

.m. =■■■'... .Li....'

-s

Hundert und zwey und neunzigster Briest ^genannter hat sich mit den fünf Brie-

sm die ich an Sie, über die neue Heloise

geschrieben habe,

einen firmen Spaß gemacht.

Er hat bey Gelegenheit derselben einen Böget» drucken lassen, der den Titel führet) slbalardi

Kirbii Beylage ZUM Zehnten »theile der Brie­ fe die neueste Litteratur betreffe nd. Gedruckt

am vier und zwanzigsten des Herbstmonat» 1761.

Aus der Laune die darin herrschet, möch­

te ich fast ans den Verfasser der Sokratifchen Denkwürdigkeiten rathen, wenigstens kenne ich

keinen andern deutschen Schriststcllcr, der diese

Laune mit einer so körnigkrn Schreibart, die zu­

gleich figürlich und spruchrrich ist, zu verbinden N 2

pflegte:

1-2

.....

'

pflegte: Das Sal; ist darin mit vollen Hände« gestreut, lind die immer fortgehende Ironie, ist bisweilen fb fein, daß ich bald mnthmaffen solte, der Vcrfaffer habe einigen unserer heftigsten Wie­ dersacher eine Nase drehen, und sie glaubend ma­ chen wollen, als wenn dieser Bogen eine bittere Satire aus unsere Briese wäre. Ich ^ahm mir sogleich vor, Ihnen diesen Poge» zuzuscndrn, und dem Ungenantrn in rin paar Zeilen zu zeigen, daß ich sehr wohl Spaß verstände; muste aber zu meiner Verwunderung erfahren, daß ein Unge­ nannter bereits in meinem Name« eine Antwort .hatte drucken lassen; dann wenig Tage nachher, da ich den erster« erhalten, erhielt ich einen an­ dern gedruckten Bogen, mit der Aufschrift: Sui» berti Rulmii, Antwort an Abälardum Virbium: im Namen de» Verfassers der fünf Briefe die neue Heloise betreffend. Gedruckt am'zehnten de» weinmonats 1761. Ich mache diesem zweyten Unbekannten mein Compliment, daß er die Laune des erster« so glücklich er­ griffe.« hat. Nebst der Ironie hat er zugleich eben

die

i-------------- i

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die dunkle spnichreiche Schreibatt affectirt, und daher Gelegenheit genommen, dem erstem eine Erinnerung zu geben, die ich nicht mißbilligen kan. Was mich anbetrift, kan ich nunmehr» nichts weiter thun, als Ihnen diese beyde Bogm beylegen, und ihr Urtheil erwarten. R.

rs4 -....... —” AbälardusVirbius an den Perfaffer der fünf Briefs die nevß Heloise betreffend.

Mein Herr,

3” Paris soll jedermann die neue Heloise bey ihrer Erscheinung für einen guten Ao» man gehalten haben; aber ganz gewis in Berlin nicht. Doch ich übertreibe vielleicht eine Schmeichelei), die man am Anfänge feines Drieses schuldig ist, wenn ich Ihrem Urtheil einen so allgemeinen Einfluß zuschrcibcn wolle. Sie hahrn sich unstreitig am viele seser verdient gemacht, daß Sie eine Ausnahme von Ihrem Grundgesetz (keine Ausländer in Anspruch zu nehmen) gewagt. Rousseau! Diderot! Puffon! verdienen die Huldigung eines patriotischen Welt­ weisen, und man macht sich in Deutschland eine Ehre daraus dies Triumvirat von französischen Schriftstellern so gründlich übersehen yi können, als

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als wir uns vielleicht wünschen selbige erreichen z« mögen. Was den Bürger yi Genf anlangt: so ist gllerdings ein Glück für ihn, daß er den Vamps eines Philosophen, ungeachtet unserer strenge« pnd erhabenen, Begriffe von diesem Titel, mit w pig Kosten hat in der Fremde behaupten können, da er sich bisher blos durch die Laune seines Wi, tzes und den Contrast übermüthiger Meynungen berühmt gemacht. Daß er in Franckreich dafür gelten mag, wundert mich nicht; wodurch sich aber ynscre graduirte und eigenmächtig« Philosophen haben blenden lassen, einen Schriftsteller, wie Rousseau, für ihren Ordensbruder zu erkennen, ist noch ein Knoten für mich. Meine Absicht war es daher, seinen Weltweisen int Reifrock nyr mit ssicgcnder Hand zu lesen. Ohngeachtrt es mir beym ersten Theil gereuen wvltc, mich in rin so dickes Buch eingelassen j» hgbrn; rhngeqchtrt ich die letzte« Bogen desselben mit einem: ohe iam satis est! jn Ende geeilt, so war.mir doch sein Gespräch sehr bchülflich, die Eindrücke die mir vom ganzen Werk übrig grölieN 4 ben

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1 -—

ken waren, theils zu sammlen, theils;u entwickeln, und ich fand mich endlich geneigt im Ton des be­

geisterten Geschmacks alles für gut ;u erklären, Ivas eine» Salomo zum Grillenfänger, einen 5?oung zum pragmatischen Geschichtschreiber des Centaurengeschlcchts, einen Roussea», zum Romandichter, und uns beyde, mein Herr, zu kritischen Briefstellern macht, ja zu kritischen Briefstellern ohne Berns, als den uns unsere Gaben oder wohl gar eine Einbildung davon weiß machen. Luch Empfindungen gehören zu den Gaben, derer wir uns nicht übcrhcben müssen. Wenn das, was unsere Empfindungen nicht erregt, und Ibres Orts nicht herzrührcnd ist, allen Anspruch darauf verlieren, und abgeschmackt heissen solte: so fehlt es nicht viel, daß die gröstcn Malcficantrn vom Antorstande, die iu ihren zehn Theilen die Folter gelitten, nm zum Erkenntnis und Ge­ fühl ihrer Untüchtigkcit gebracht zu werden, ge­ rechter find als Sie. Ihrer eigenen Sicherheit wegen vermeiden Sie also lieber jeden gar zu all­ gemeinen Schluß' von Ihren Empfindungen aus de»

den Werth eines Buchs, falls das eiskalte Her; gewisser Leser durch das Acrgernis ihres eigenen Beuspicls, nicht zur Verstockung noch mehr er­ baut werden soll. Ich bin nicht gelehrt genug, mein Herr, den wesentlichen Begrif von einem Roman absondcrn 1« können; nicht schöpferisch genug einen derglei­ chen j» erfinden; nicht beredt genug ein Hirnge­ spinst wahrscheinlich zu machen. Es lohnt mei­ ner Mühe nicht die Individualität der besten Romanhcldcn näher zu untersuchen; ich will daher gerne todten xunstrichtcrn überlassen, diese ihre tNondenkälber mit dem reichsten Leichengcpräng auszustattcn und in .das Hciligthum der Verwe­ sung $ti begleiten. Gesetzt auch, daß Sie die neue Hcloise nicht mit der Redlichkeit, Zierlichkeit, Rlngheit beurtheilt hätten, die Ihnen eigen bleibt: so ist es nicht meine Sache jemanden sei­ nen Geschmack streitig zu machen. Erlauben Sie gleichwohl, daß ich Ihren zureichenden Gründen einige Anmerkungen, Zweifel, Fragen, Vermu­ thungen nnd Einfälle an die Seite setzen darf. ES gefällt mir, dirs öffentlich einem Unbekannten von N 5 Ihrer

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Mrer Einsicht ju unterwerfen, gleichwie es Ih­ nen zu statten kommt mit Freunden abznmachen, was zum gemeinen Besten beytragen kan. Solte es nicht, wenigstens einen characterischeis Unterscheid, zwischen dem Romanhaften imd Dramatischen geben? Solte dieser Unterscheid nicht in der Fabel selbst und den Hauptpersonen abstechen? Ist es Mwissenhnt oder Kunst diesen Unterscheid gänzlich aus den Augen zu setzen und aus zuheben? Autoren und Lesern mag man alles zu gut halten; aber ist es nicht eine kleine Schande süx Kunstrichter, diesen Mishrauch zu übersehen mch ohngeahndet yt lassen? Vielleicht hat Rousseau die wahre Natur des Romanhaften tiefer eingesehm und glücklicher nachgeahmt, daß seine Gcschicklichheit hierin ein unvergeblich Verbrechen in den Augen solcher Virtuosen seyn mag, denen ihr Gewissen über ihre Muster dunkle Donvürsc macht. Warum endlich eine Sittenlehre, die am meisten nach der Schaubühne eingerichtet ist, bey den Pharisäern der Tugend de» höchst« Beyfall findt, gehört nicht hieher; daß man sie aber pragmatisch nennt, kan man niemanden ver­ wehre«,

wehren, wcil die Herrschaft des ersten Mensche» Aber das Thierreich und des Philosophen ühcr den Zusammenhang der Dinge sich durch LTcnisu «nd Willkühr selbige;u müntzcn, offenbaret. Ich frage weiter: ob es mit der asrheeischrn Wahrscheinlichkeit im Grunde besser aussehe» mag als mit der poetischen Gerechtigkeit, an die man auch einige Zeit abergläubisch gewesen? Da mau die Wahrscheinlichkeit in Behandlung der Geschichte unsäglich gemisbrancht, daß unsere Machkotnmeu pielleicht mehr Ursache finden wer­ den über das ingenium graium als or rotimdwt des aufgeklärtesten Jahrhunderts nach Chrtzii Gchnrt misverguügt tu seyn: so nimmt ein demüthjgrr Beobachter der Natur und Gesellschaft den Ausdruck eines Alten zu Herzen, der eine Legen­ de nicht deswegen verworfen wissen will, weil sie Unglaublich ist, sondern mit steffinnniger Bündig­ keit und Unerschrockenheit sagt: Incredibik, fed verum. Es möchte also freylich yim Urbaren einer Geschichte eine Art von Unwahrscheinlich» Feit und t>ir Schönheit eines Gedichts eine ästhotischc Wahrscheinlichkeit gehören. Man solle «brr

aber nicht so wohl mit dem Buchstaben dieses GrundsatzcS pralcn, sondern vielmehr zeigen, daß man auch den Sinn desselben und die Kraft der Anwendmg besässe, oder F.mken von dem, was man in allgemeinen Ausdrücken bis in den Him­ mel erhebt. Sie möchten gerne wissen, mein Herr, was der junge Mensch in der ganzen Geschichte spricht oder thut, wodurch er den Namen eines Welt­ weisen verdient? Und ich möchte eben so gern aus den Wercken des Abalards überzeugt seyn, ob es eine Lobschrift oder Satyre ist, die man auf sein Grab gesetzt haben soll: Gallorum

SOCRATES, PLATO

.MAXIMUS H ESPERIARUM,

Nos ter ARISTOTELES, ((^VICVN^VE

Logicis

FVERVNt)

AvT PAR AVT M E L I O R, STVDIORVM C 0 G N I T VS O R B t

Pr I NC E PS , INGENIO VARiVS, 8 Vy» T I L I S ET ACER OMNIA

— OmNIA

VI



SV E ER A NS

201

RATION IS

ET ARTE L O Q_V E N D I

AbAI. ARDVS

E R A T,

Seo

NVNC - - -

Bayle nennet die Eitelkeit das Element dieses Mannes, vnd er selbst hat sich nicht geschämt, sich als einen albernen Menschen zu schildern, der in seinen Vorlesungen von nichts als Buhilicdcrn geschwärmt, die in seiner Provinz zwar Mode geworben, in denen wir aber nicht den seinen Geist vermuthen dürfen, del' die Tändelcyen ei­ nes Lessings, Gleims und G --- erhebt und adelt.

Mm soltr also fast meynen, daß Ihrem eige­ nen Urtheil zum Trotz, der sperulativische Character eines Weltweiten Sic gegen de» Roman der neuen Heloise gefälliger gemacht haben würde. Es ist in der That schwer sich von einem jungen Gelehrten, der ein halber Savoyard zu seyn schemt, einen klugen Begris machen zu können, wenn man unter lauter Sternen der ersten Grösse zu wandeln gewohnt ist, die aus hohen Schule» und Aeademien der Wissenschaften als grosse Lich­ ter den Tag, als kleine Lichter aber die Nacht re­ gieren.

girren. Der so genante St. Preux scheint nnttv -essen am Fuß der Alpen eben so füglich rin Phi^ losoph genannt werden z« können, als der kleine Knabe Descartes von seinem Vater; jedoch ich kenne Philosophen, die selbst den alten Descartcs

ungeachtet seiner Verdienste um den heutige» Weg zN philösophircst, ans blosser christlicher Liebe ist ihrer Gesellschaft dulden.

Ein verliebter Philosoph kan unmöglich an­ ders als ei» albern Geschöpf in unsern Augen seyn/ bis die Ncyhe an Sie und mich kommen wird lebendig zu wissen, was uns die Muse längst wahr^ gesagt, daß die Liebe wie der Tod Philosophen

mit Idioten gleich mache und wie der jüngste Richter ohne Ansehen der Person scySölten also rin Paar schwarze Augen einmal wun-erthätig genug seyn Ihr eiskaltes Herz mein Herr! in einen blühenden Frühling zu verwandeln/

oder bin ich bloß darum auf meine Freyheit so

eysersüchtig um die Schadensrendr einer blonden Hcloise desto völliger zu machen: wer sagt uns beyden in diesem Fall für unsere Philosophie gut? Bich

:----- —-•—

2o z

Vielleicht dürste sie uns keine andere Dienste lei­ sten, als unsere Leidenschaft m ein methodischeres, grschrobnrres undaffectirtercs Spiel zu setzen. Wer softe sich aber nicht entschliessen heftig und ausge­ lassen zu thun, wenn eine Gebiethen»» dicft Sprache, sür hrrzrührend hält? Und warum sollt Man sich schämen durch Ausruffungen lind Hyper­ golen ein Glück zu erhalten, das sich durch Er­ klärungen und Schlüsse weder ergrnbcln noch ge­ niessen läßt? Gehört denn nicht zu moralischen Predigten und verliebten Spitzfindigkeiten so gut eine fruchtbare lind unerschöpfliche Einbildungs­ kraft als zu Sitliationen? Ist es endlich anstän­ dig, daß Sie die Blumen wollüstiger BeredsitMkeit ihrer Vergänglichkeit wegen mit so sprödem Eekei ansehen, nnd niedrigen Liebhabern in einem Thal de»'Alpen, zumnthen wollen, ihre Empfindungen in Friedrichsdor oder Pfund Sterling umzusetzrn. Die Gabe zu erzählen ist sehr mannigfaltigEin Livius, Sallnst und Tacitus können jeder an selbige Anspruch machen, und es gereicht ihnen dicht zum Tadel, daß sie sich in ihrer Schreibart

eben

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■—

eben so unähnlich sind, als sie sich von den Cur-

tiis Rufis, den Floris und den Monachis curio« fifiimi fupercilii der neusten Klostergclehrsamkeit

entfernen.

Zu einem dramatischen Mahrchen ist

die Gabe zu dialogiren unentbehrlicher.

Es ist

zwar an dein", daß ein gelehrter Kunstlichter leich­ ter zu befriedigen ist als ein süsser Sophistc; unter­

dessen bleibt das Gespräch des Rousseau immer

ein Meisterstück, nicht in jener Gabe zu dialogiren, die im Reich der Todten beym puntsch bewun­ dert wird, und mit der man im galanten Arka­ dien astronomische Beweise und nietaphisische Sä­ tze macht, sondern in der Männlichen, die eine

philosophische Diät im Lesen und Schreiben vor­ aus setzt, Attischen Honig in den Kammern des Bauchs und Lucians Fechteröl auf der nackten

Haut des Leibes. Di« Fortsetzung folgt künftig.

Briefe,

die neueste Litteratur betreffend, II. Den 29. October 1761.

Beschluß des hundert und zwey und neunzigste»: Briefes.

ist aber der ästhetische Moses, der Bürgern eines freyen Staats schwache und dürftige Satzungen vorschreiben darf? (die da sa­ gen: Du sollt das nicht angreifen, du sollt das nicht kosten, du sollt das nicht anrührcn. In der Natur ist manches unrein und gemein für einen Nachahmer — auch alles was möglich ist, laßt euch nicht gelüsten!) Wenn man es un eben so schwer machen will Orginale zu seyn als Copien zu werden; was hat man anders im Sinn als nns in „Maulesel,, zu verwandeln? Wie war Ihnen t» Muth, mein Herr! da Sie den ehrwürdigen Gt'eis auf ein Collegium xsthe« ticum nach Deutschland rinluden, oder ihn bep einem Almanachschrriber in die Schule schickten? Zwölfter Theil. O Des

Des Herrn Richardson Kupferstich-mag in einem Kränzchen von gelehrten Damen obenan hangen; nil admirari bleibt immer die Grundlage eines philosophischen Urtheils. Die kräftigsten Irrthü­ mer und Wahrheiten, die unsterblichsten Echönheiten und tödlichsten Fehler cinesBuchssindglych de» Elementen unsichtbar, und ich bekümmere mich nm die am wenigsten, die man in Augen, schern zu setzen im stände ist. Daß witzige Köpfe, die mehr Stutzer, als ehrliche Bekenner der schö­ nen Wissenschaften sind, ein sympathetisch Ge­ fallen an Engclgestaltcn haben, die kein Autor noch Lieser gesehen, und den fleischlichen Sinn aufblascn, daß schöne Geister von der Geistlich­ keit des Mondlichts begeistert werden, entschul­ dige ich gern; aber Philosophen gebürt cs zu prüfen. Hat nicht Ivung schon in seinem Schwanengcsang ans die septem fine flumine valles gewiesen; doch alle ästhetische Thaumatur» gic reicht nicht zu, ein unmittelbares Gefühl zu ersetzen, und nichts als die Höllenfahrt der Selbsterkenntniß bahnt uns den Weg zur Vtn Lötterung.

Wenn

207

Wenn unsere Vernunft Fleisch und Blut hat, haben muß, und eine Wäscherinn oder Sirene wird; wie wollen sie es den Leidenschaften verbi» ten? Wie wollen Sie den erstgebornen Affeet der menschlichen Seele dem Joch der Beschneidnnunterwerfen? Kaust du mit ihm spielen wie mit einem Vogel? oder ihn mit deinen Regeln binden? Sehe» Sie nicht, daß Sie hiedurch alle keucht» thürn.c Niederreissen, die Ihnen selbst und andern jur Richtschnur dienen müssen. Doch Ronffea« hat wieder die geschriebene Musick der Affe» tensprachc zu viel Antiphathie geänssert, daß er eben so unbillig seyn würde sei» ästhetisch Gewisse« ju zwingen, als einen Israeliten lüstern zu ma» chen — zu pommer,chen Schinckm. In dem Schreiben eines guten Freundes ausser Deutschland ersehe, daß ein anderer Rousseau an Briesen sammelt um den Abalard zu verjün­ gen. Aber weil die Geschichte nicht von der Stelle gehet; so möchte der Sammler wohl graue Haa­ re bekommen, ehe er Herausgeber werden düffte. Sölten Sie, mein Herr, die Erscheinung dieses Os Sto#

Romans erleben: so wird sich der neue Abälard schmeicheln können, einen alten Oheim wie den

Domherren Fulbert an Ihnen wieder zu finden. Erkennen Sie es also, daß man Ihnen nicht nur Zeit sondern auch Gelegenheit geben wird zu ei­ ner Genugthuung nach Ihres Herzens Wunsch. Erlauben Sie noch, daß ich hier das Frag­ ment eines griechischen NomanS, der im Ernst Philosophisch genannt werden kan und auch in

Driesen besteht, ciiiem müßigen Landsmann em­ pfehlen darf, aus derDunckclhcit hervor zu ziehen. Ich habe mit viel Antheil in den Werken des Hippokrates den untergeschobenen Briefwechsel über die lachende Sucht des Demokrits gelesen und

erinnere mich Stellen darin gefunden zu habe«, die durch eine freye Uebersetzimg, (dergleichen vom Aristenät der Zuschauer, wo ich nicht irre, zur Probe gegeben) dem srantzösischen Witz Ehre machen würden. Ein fähiger Nachahmer könte Gelegenheit nehmen das System dieses alten Phi­

losophen in einen Bries einzukleiden und anzuhän­ gen, welches durch einige neuern Hypothesen d« heut»

heutigen Philosophie in vielen Lücken, gelob­ ter Wahrscheinlichkeit gemäß, ausgefüllt werden könte. -------- Ergo fungttr vice cotis, acutum Reddere quaferrum valet, exsors ipfa fecandi.

C 3

Fulber-

LIS

Fulberri Kulmii Antwort an

Abalardum Virbium im Namm des Verfassers der fünf Briefe die neue Helsife bekeffend.

SBunbcrn Sic Sich/ daß der Schöpfer der neuen Heloise auch in Deutschland den Biedern«inen eines Philosophen hat behaupten können? wir schätzen die Worte nicht nach inncrm Schrot und

Korne, sondern nach dem relativen Werth, den ihnen der Stempel eine- jeden Landes einpragct. Genug, wenn wir uns verstehen. Wir können das Wort Marquis nicht anders deutsch geben,

als Marggraf, aber wir wissen schon, was ei» französischer Marggraf t« bedeuten hat. — Un­

sere Schulweisheit heißt auch in Frankreich tTTe* taphystk, uod wenn ein Engländer die Großmuth

der

der Prinzeßin 2rdelaide nach Verdienst preisen will; so muß er sagen, sie habe einer verarmten Bäuerin tausend Psund gcschcnckt, ob es gleich nur livres de fraace waren. Jedoch, treust auch kein Magister in Deutsch­ land de» Bürger aus Genf für seine» Ordensbru­ der erkennen wurde; sokömtih.n, meines Erach­ tens, gleichwohl der Name Philosoph, nach sei­ ner ersten Grundbedeutung, vorzüglich zu. Wie? Er scltc die Weisheit nicht lieben'! Muß er nicht vielmehr bis zur Ausschweifung in sie verliebt seyn? Wir haben ihn auf der grossen Weltbühne Mo« lieeens Meistcrsiück mit ihr nmchcn sehe», er den LNisantropen, sie die Coquctte. Er that ihr einen sauren Licbcsantrag, sie schien gleichgül­ tig. Er ward bitter, und tadelte ihre Sitten, sie lachte. Zuletzt schmahlcte er auf seine Buhl­ schaft, auf ihre Lieblinge, auf die ganze Welt, und in, Herzen loderte noch die Viibf. Aber den Namen seines neuen Geschöpfs St. preux, möchte ich aus dem Buche der Wcltweiscn wegsircichen. Sein Urfciib, der entmannte Aba« lard fönte immer in philosophischen Vorlesungen von

von nichts als Buhlliedern schwärmen, und gleich' wohl als rin wahres Lob/ zur Grabschrist er­ halte«/ Gallarum Socrates.

Aber ein Schweitzer, der sich in verliebten Anti­ thesen zum Weltweisen seufzen will, hat weder die Landcssitten noch den Sprachgebrauch für sich. Zu Zürch ist Anacreon ein Priester der Venus, ein Verführer der Jugend, und unweit Genf soll man ihn, wie in Griechenland den Weisen «ennen? Doch über diesen Punek sind wir einig. Das Lostume mag mit der Wahrscheinlichkeit ein glei­ ches Schickjal haben, Gehört die Unwahrschein­ lichkeit, wie Sic vcrmuchen, zum Urbaren der Geschichte, warum nicht auch die Freyheit, am Fusse der Alpen sranzösisch zu philosophircn? Ich wende mich also zu Ihren entscheidenden Fragen, Sie ich suchen will, mit der Redlichkeit, Zier­ lichkeit, Blugheit zu beantworten, die, wie Sre gütigst bemerken, mir eigen seyn soll. Sie heben au:

»Solle

riz „Solle es nicht wenigstens einen Characte« „ristischen Unterschied, zwischen dem Romain „hasten und Dramatischen gebcu?„ — Warum nicht?

„Gölte dieser Unterschied nicht in der Fab-l „selbst und den Hauptpersonen abstechen?„ —Er feite. „Ist cs von Seiten des Kunstrichtcrs Unwis„srnhcit oder Kunst, diesen Unterschied gänzlich „aus den Augen zu setze» und auszuheben?,, Unwissenheit, mein Herr! Unwissenheit! Der Verfasser der Sokrstischrn Denkwürdigkeiten verstehet mich schon, wenn ich dem Sophisten antworte; Nichts weis ich.

„Vielleicht hat Rousseau die wahre Natur des „ Nomancnhasten tiefer cingesehen und glücklicher „nachgcahmt u. s. w.„ Die wahre Natur des Romanhaften ist ein Galünathias! besser, die romanenhafte Natur des wahren. Wenn Rousseau Geistschöpfcr (Esprit createur) genug ist, diese romanenhafte Natur auS dem Nichts hervorzurusen, und Sie O s Sich

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Sich getrauen das crschaffenc Chaos auf Ihre Atla.'schultern zu nehmen; so will ich anbcthru und schweigen. Hierin bestand meine Unwissen­ heit. Ich forderte Bündigkeit, Ordnung und

Znsammrichang, und siche! ich war in einer Zanbcrwclt, wo ich nichts begreifen, wenig glaub«

würdig finden, und alles desto kräftiger glauben solte. Mein Geist war ;u der hohen Entzückung nicht vorbereitet geniig, in welcher wir sehen, was

noch kein Auge' entdeckt hat, mit den Händen greisen, wo nichts ist, hören, schmecken, glauben, und uns schämen zu fragen;

warum?

Nach dem offenherzigen Bekentniß, das ich Ih­ nen von meiner Unwissenheit abgelegt, fordere ich nicht ohne Billigkeit rin redliches Gcgengcständ nis. Gestehen Sie mir, daß die Schuld der mislungenen Critik nicht ganz mein ist.? Wenn der

ästhetische Zauberer mir seine Wunder zeigen will; so muß sein erstes Wunder seyn, meinen Glauben zu sangen, und ihm die Augen ausznstechen, nm nach belieben seinen Spott mit ihm trei­ ben zu können. AIS Kunsirichtcr habe ich ein

Recht den starken Geist zu spielen, und in seine geheim«

------ ris geheimnißvolle Künste rin Mistrauen ja setzen. Er muß entweder mcinc Emvfii.vungc» be;au» tmi, oder id) bin ungläubig. Er m; immer schamnen und rufen: Ich sche G« schcii.lir'gri» von der Erde anfftetgen! Ich muß sie selbst sc­ heu, ober ich glaube, es geht. i:i fernem Ge­ hirne um. Sehen Cie, mein Freund! was der Kunst­ richter vor dem Autor voraus hat? Auch jener will Empfindungen erregen, aber gemeine, keine Wunder, keine Zauberwerke. Wer unglaubliche Dinge vorbringt, sagt der irrgläubige Prophet Mahomet, muß Wunder thun, um sie zu bestä­ tigen; wer aber mit eurem Verstände redet, braucht der Wunder;eichen nicht, um euren Glau­ ben m fesseln. Und was meinen Sie? — daß die Malefieanten vom Autorstande, die Folter verdie­ nen, die sie in unsern zehn Theilen gelitten; — baß ihr eiskaltes Her; längst jur Selbsterkentnis hätte entstammt werden sollen; — find dieses etwa so unglaubliche Dinge? Nichts gehet über die Bündigkeit mit welcher Sie die Liebessprache des St. preux rechtferti­ gen.

gen. Allerdings! Wenn er mit seinem blauäugigtcn Mädchen über das Jachin und .'öroce der Zärtlichkeit eins geworden; so kan ihm kein ästheti­ scher Moses verbieten, in Hyperbolen zu schmach­ ten/ oder in spitzfindigen Ausrufungen zu ihren Füs­

sen zu sterben. Seine Scheidemünze ist alsdcnn so

gänge und gäbe, als Friedrichsd'or oder Pfund Sterlinge. Aber Sie Unglücksprophete! Was für ein

Machtwort haben Sie Eich entfahren lassen! Noch zittern meine Gebeine. Noch tönt die Stimme der Muse in meinen Ohren, die Sic in einem prophetischen Liede mir drohen lassen. Ja! ja! ich fühle cs, meine Stunde wird kommen. Der' Liebesgott, der in den Pallästc« der Grossen

herumschwärmet, wird im Vorbeygehen, mit sei­ nem Bogen auch an meiner Hütte anpochen, und

wehe! dem Kunstrichter, wenn seine Gebieterin keine andere Sprache verstehen will, als der er sich aus critischcm Gewissen zu schämen hat. Wie, wenn die Eigensinnige deutsch verstehet, und in Stunden der Einsamkeit erhoben, oder in Uachtgesängenjur Gegenliebe erweichtseyn will? Muß

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Muß ich die Dichter von der traurigen Gestalt

um Gnade, und die Gottheit ihrer mitternächtli­ chen Muse um Begeisterung anfiehcn? Muß ich,

wenn die Tyrannin Modegeschmack hat, ihren Namen in traurige Cypressen einschneidcn, und meine Liebe in schwchrmüthigen Hexametern hin­

weinen? — O nein! so tics hat die Göttin Ate noch den Raken keines Sünders gebeugt.

Und

wenn uns auch die Philosophie nicht wider die

Grillen der Leidenschaften, nicht wider die Laune

des Götterknaben schützet, so schützt lins doch eine höhere Macht, die Pflegemutter aller Leidenschaf­

ten,

die Eigenliebe.

Lassen Sic also Ihre

Muse bald die Palinodie anstimmen, wenn sie un­ sern Weyhrauch gerne auf ihrem Attgre brennen

stehet.

Ihre Fragen sind imnmchro beantwortet; und

«un ist die Reihe an mir, auch welche zu thun. Amant alterna camoenae.

Die Musen sindJH«

«r» gnädig, und bewahren Ihr Genie für Mis-

wachs,

warum opfern Sie,

parcus dtarum

cultor, so selten auf ihren Altaren, und bringen

nur kinzclae vergängliche Blatter dar, die jedes Lüft-

21S

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Egen verweht.

Warum stoffen Sir ihr Gebet

in kurzen gehcimnißvollen Seufzern aus, und ge­ wöhnen Ihre Brust nicht lieber zu einem länger» Othcm, der die heilige Gegenwart der Gottheit andächtiger verehrt? Und endlich/ warum wählen Sie eine Schmbart, deren Schönheiten nur mi< eroscopifche Augen ergötzen. Hat die Natur

keine Gegenstände, die der Nachahmung würdiger sind, als der Schimmel? — Es ist wahr, Socrates der Bildhauer, bekleidete die Grazien, um ihre nackte Reitze nicht jedem unkcuschrn Auge bloszuftcllcn; wenn ich aber von den Werken des Weltweifen ans das Werk des Künstlers schliesse» kau; so wird er die holden Schönheiten bekleidet, aber nicht versteckt haben. Das Gewand muß

den Wuchs, die Gelenkigkeit und den freyen Schwung der Glieder ohne Neid durchschimmern taffen, damit die Augen -cs Geistes geniessen, was den fleischlichen Augen entzogen wird. Die Kenner loben an Ihren Ausarbeitungen, Erfindung, Zeichnung lind Ausdruck; aber sie

vermissen die weise Verthcilung des Lichts und Schattens. Die Gegenstände sind wie in einer

düstern

düstern Wolke verhüllt, und nur hier und da durchstreifet ein Wettcrstrahl, der die Augen blen­ det. Sic bekümmern sich so wenig, als Sie, mein Herr! um die Schönheiten, die man in Augenschein $n setzen im Stande ist; aber noch weniger nm die Schönheiten, die man ohne Noth dem Augenschein entzogen hat. Die Sin­ nen vergehen für Spleen und Langeweile, wo der Witz beständig Räthsel auszulöscn hat. Da Sie wie aus den Wolken zu mir herab geredet; so inuste ich mir aus meinem Stande eine ähnliche Wolke aufblascn, um ihnen zu ant­ worten. Wollen Sie sich aber von einem Unbe­ kannten rathen lassen; so treten Sic aus Ihrer Maschine hervor , und zeigen sich den Zuschauern in menschlicher Bildung. Gedrungene Kürze ist eine ästhetische Tugend, aber die Faßlichkeit muß nicht darunter leiden. Die seinsten Anspielungen sind nur Schnörkel des Styls, sie müssen wohl angebracht, und nicht gehäuft werden, wo sie nicht mehr verunstalten als zieren sollen. Sie sehen, ich rede schon wieder in dem Tone eines Gesetzgebers: „Du svllt das nicht angrei« „fen,

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-

„fett, du solt das nicht kosten.Sie wissen aber

auch, daß dieser Ton den Verfassern der Briefe schon jur zwoten Natur geworden. Der übermü­ thige Charakter, in welchem Sie sich festgesetzt, macht, daß der Vernünftige Sie von den gemei­ nen Pflichten bürgerlicher Höflichkeit losspricht, und der gezüchtigte Autor findet einigen Trost in Ihrer natürlichen Strenge. Er schmeichelt sich so elend nicht ;u seyn, als ihn der spröde Geschmak dieser Tadelsüchtigen findet.

Briefe, die neueste Litteratur betreffend. III. Den s November 1761.

Hundert und drey und neunzigster Brief.

crrwinkelmann fährt noch immer mit rühm«

fentlichm Gebäuden bey den Griechen und Rö­ mern waren Tufsteine. Bey Gelegenheit dieser Steine, welche von verhärteten Feuchtigkeiten wieder nachwachsen, führt Hr. W. zwey sehr merk-

'

22Z

merkwürdige Beobachtungen an, aus denen er­ hellet, daß auch der Marmor, und sogar der Por­ phyr, an seinem Geburthsorte wieder nachwachse. Mitten in einem grossen Block des sogenannten Asrikanischcn Marmors hat man beym versägen

desselben »ine eiserne Brechstange, und vor zoJah­ ren in dem Porphyr eine goldene Münjc des Augustus gefunden. Der Marmor ist den Römern spate bekannt worden. Es scheinet aber dem Hrn. W. nicht glaublich, daß, wie Pli­ nius sagt, die Kunst, denselben zu sagen, vor des Augustus Zeiten ihnen unbekannt gewesen. Ungcfeigeten Marmor findet man an zwey Orten aus den Zeiten der Republik, an dem Grabmahl des Leeil. Metclluo, und an der Pyramide des Lestilis. Der alte Italiänische Mörtel war, wie der heutige Römische noch ist, eine Kalkerde,

die pi,;;olt.na geneimt wird. Dieser Mörtel wird mit der Zeit harter als die Stemr, die er zusammenbindet. Sie wird in und um Rom tief aus der Erde gegraben. Gan; Rom ist untergra­ ben, diese Erde hrraus;uholcn, diese Gänge geP s

Heu

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hen viele Meilen weit, und solche Gänge sind di« Cataeomben. In Rom wurden die Fundamente entweder aus grossen oder flehten Stücken Tufstein gelegt. Zwischen diese wurdeKalk mitPuzzölana vermischt mitMulden hineingegoffen. Eine solcheGrundlage, die noch jetzo in Rom gewöhnlich.ist, setzet sich in rin paar Tagen, und wird so hart, daß mau gleich darauf bäum kan. Diese Erde gab den Alten den Vorcheil, daß sie zn den Manrm über der Erde allezeit mehr Mörtel als Steine nehmm fönten. Noch grössere Vottheile gab sie zu den Gewölbern. Man machte erst ein Gerüste oder Schälung von Brettern, nach der Form des Ge­ wölbes, darauf schüttete man Mörtel und kleine Steine, oder zerbrochene Ziegel durch einander, und zuletzt bedeckte man diese Vermischung mit Mörtel, um das Gewölbe oben glatt zu machm. Ein grosses Gewölbe fönte auf diese Art in einem Tage fertig gemacht werdm. Man muß sich wundern, daß diese Art zu wölben nicht mehr im

Gr-

—... ........

22s

Gebrauch ist. Sie gab deu Alten noch den Vor­ theil ihre Gewölber sehr leicht zu machen; denn pe nahmen entweder Schlacken vom Vrsuvius da­ zu, (wiewol Vitruviu« dieses übergehet) oder sie untermengten das Gewölbe mit holen Urnen oder Töpfen von gebrannter Erde. Die Mauren selbst wurde« entweder aus gros­ sen Quadersteinen, ohne Mörtel gemacht, oder mit kleinen keilförmig gehauenen Stücken Tuso, oder mit solchen Kieselsteinen belegt und gefüttert. Die­ ses letztere ist das opus reticuhtum der Alten. Im erstem Falle waren die Steine so f^arf Winkeb

recht und so gerade gehauen, daß man die Fugm kaum scheu kan. An einem Tempel zu Lyeicmn waren diese Fugen mit goldmm keistchm belegt. Bep den Marmorquadem, welche mit eingeleg­ ten Klammer« aufeinander befestiget worden, brauchten fie die Vorsicht, dir Klammem vo« Holz oder Metall zu machen, nicht aber von Ei­ sen, weil dieses durch seinen Rost den Marmor färbet, wie man an einigm marmornen PostaP; men-

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menten in dem Garten zu Sanssouci mit Ver­ druß sicht.

Zu grossen Bogen wurde» die Steine keilför­ mig gehauen.

Bey dieser Anmerkung verweist

der W.dcm berühmten prranle, daß er den Alten gegen alle Wahrheit, die Kunst, welche die Fran­ zosen la coupe des pierres nennen, abgebrochen habe. Er merkt an, daß man so gar an. einen Uebcrrest eines der Acltcsten Gebäude auf dem Campidoglio einen untcrbalken (Architrave) sieht, der nach dieser Kunst aus kleinen Steinen zusam­ mengesetzt if>. Und doch prahle» so viele Fran­ zösische Baumeister mit der Erfindung dieser

Kunst, die sic ihrer Nation zuschreibcn! Die Ziegrlmauren au grossen Gebäuden der Römer sind nicht durchaus von Stein, sondern nur

von aussen, das inwendige der Mauer ist mit Mörtel und kleinen Steinert ungefüllt. Von die­ ser Art sind nach Hrn. W. Meinung die Mauren von Babylon gewesen.

Eine

Eine sehr nützliche Anmerkung bringt er von Gebäuden bey, die gegen ein hohes Erdreich ge­ setzt wurden. Bey diesen machte man gegen de» Berg doppelte Mauren, so daß zwischen beyden eine starke Spanne Raum blieb, um die Feuchtigkeit akzuhalten. Eben dieses wird auch jetzo noch beobachtet, wie in der Gemählde-Gallerte in Sans-fouci geschehen ist. perault hat di« Stelle, wo Vitruvius * hiervon handelt nicht verstan­ den. Eben solche Mauren machten sie auch oste gegen dm Wind, der in 9iom africüs ge­ trennt ward.

Von dem Uebertünchm der Mauren merkt Herr W. an, daß es ehedem mit mehr Sorgfalt als in neuern Zeiten, geschehen sey. Der Puy wurde bis siebenmal aufgetragen, und zuletzt mit gestoß«en und sein gesiebten Marmor überzogen, und dennoch ist ein solcher Putz nicht über einen Fin­ ger dick. Die Mauer ward davon so glatt wie cm Spiegel, und der Putz mit der Zeit so hart P 4 als L. VII. c. 4.

228

"

als ©fett. An einem Orte ausserhalb Rom fand man tu Ende des vorigen Jahrhunderts Wände io Zimmern, die mit dünnen Kupserplatten überlogen waren.

Was der W. hiernächst von der Form der alte» Tempel sagt, übergehe ich, weil es meist ganz bekannt ist. Von den Säulen merkt er unter an­ dern an, daß sie gleich von Fuß an verjüngt gewe­ sen, und daß die gebauchctc Säule sich an keinem grossen Gebäude der Alten, (einige kleinere etwa von spätern Zeiten ausgenommen) finde. Reissen haben schon die ältesten Säulen gehabt. Ganz -rosse Säulen wurden von den Griechen aus Stücken gemauret.

Don der Toseanischen Sänke merkt er an, daß ausser einer einzigen an der Schleuse des Lago fucino keine übrig sey. Die Dorische aber fin­ det man säst von ihrem ersten Ursprung, an drey alten Gebäuden zu pesto, an einen Tempel zu Girgmti, tmd an einem andern zu Corinth. Ihre Höhe ist unter fünf und an denen zu Corinth nur

nur virr Diameter. Aus einer Stelle des Pindars vermuthet Hr. W. daß noch ;ur Zeit dieses Dichters das Dorische Gebälke von Hol; gemacht worden. Wichtiger ist die Anmerkung, daß die Tiefen zwischen dm Balken (tHetopen) in den altm Zeiten offen gewesen, so, daß man allenfalls dadurch hätte in das innere der Tempel hereinsteigrn können. Dieses giebt ihm Gelegenheit eine übel verstandene Stelle mrs dem EunpideS sehr vatürlich zu erklähren. Da sich Orestes und Pyladek berathschlagen, wie sie in dem Tem­ pel der Diana in Lauri» kommen wollen, sagt dieser. Ode 7 eiar«

, schämt genug, seine» Lesern weis machen zu wollen, der zweyte Theil von Mandevillens Fabel von

den Bienen, sey eine ernsthafte Dercheidigung der geoffenbarte« Religion.

Daß er seinen Helden nichtzu erkennen giebt, daß er ihn vermummt und verstellt auf die Bühne bringt, das macht ihn etwas verdächtig. Allein

man muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Er

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243

Er scheinet gleichwohl selbst betrogen worben ;u seyn. Eie kennen die niedrige, ost sciirrile Schreibart des Mandeville. Um sich auch im Aeusscrlichea von dem Lord zn unterscheiden, wählte er die gemeine Sprache des Pvbels, die er aber durch vielen Witz und seltsame Laune aufzustutzen wüste. Da ihm der Lord das menschliche Ge­ schlecht ju sehrzu veredle» scheinet; so setzt er Hm beständig daS Beyspiel der Schifsleute, Schorn­ steinfeger und Kräutcrweiber entgegen, auf welche er die erhabene Grundsätze des Weltweisen anwen­ det, um sie lächerlich zu machen, und endlich di« Folgerung daraus zu riehen, die ihm so sehr am Herzen liegt, daß das Laster der menschlichen Gesellschaft eben so nützlich sey, al» die Lu­ gend. Dieser ungereimte Satz ist die Moral sei­ ner Fabel, und die Ursache, warum er mit der erhabenen Weltwelshrit des Shastesbury nicht zufrieden seyn kan. Unser Ucbcrsetzer hingegen nimmt in seiner Ein­ falt alles in dem feyerlichsten Tone von der Welt. Der Autor schäckert und treibet Kurzweil, der Uebersetzer ist streng und ernsthaft. Jener führt Q 4 die

S44

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die Sprach« eines lockern Freydenkers, dieser ei­ nes schalen Candidaten. Sic können sich leicht »oisteilen, was aus dieser Verminung für ein Meschmasch von Einst und Spaß, von Feyerlichkeit und Kurzweil entstanden ist. Die lose Mi­ ne des Amors blickt allenthalben hindurch, unfr

thur »eben dem frommen Gesichte des Uebcrsctzers die lächerlichste Wirkung von der Welt. Kan man hieraus nicht sicher schliessen, der guteMann sey selbst betrogen worden, und habe das Werk aus frommer Absicht unternommen?

In der That hat er siine» Autor so sehr gemis« handelt, daß das Werk unter seinen Händen ganz unschädlich geworden ist. Er hat cho, um mich seines Ausdrucks zu bedienen, Rock undwamb« und daS F.ll selbst mit abgezogen. Dadurch hat «r ibm den Gift benommen, aber wahrhaftig das Leben mit. Ein Löwe, dem man alle Glieder ge­

lähmt hat, damit er nicht schade» könne, ist ei« jämmerlicher Anblick, und jeder vernünftiger Leser wird das Bild dieses Löwen in dem verdeutschten Mandeville erkennen-

Z.

HlM-

=====

24s

Hundert und fünf und neunzigster Brief.

^5(1) glaube, mein Uebersetzer besitzet alle die Ei­ genschaften, deren jede gan; allein hinreichend wäre, ihn jum elenden Ucbcrsetzcr zu machen. Er versiebet weder die Sprachen, noch die Materie, und ist äusserst nachlaßig. Dis sind harte Be­ schuldigungen, ich gestehe es. Mein sie sind nicht harter als die Beleidigung, die ein solcher Mensch dem Public» anthuk, indem er chm Dinge vorsagt, die er selbst nicht verstehet, und verwirrtes Zeug hilischrcibct, mit welchem er nicht die mindeste Idee verbinden kan. Ich hafte nur die ersten beyden Gespräche mit der Urschrift verglichen, und ich würde rin ganjcs Buch schreibe» müssen, wenn ich alle Nachläßigkcits- und UnwissenheitsFehler rügen wollte. Wo er von ohngcschr richtig übersetzt, da ist sein Ausdruck schülerhaft, unan­ gemessen, gezwungen «nd schielend. So ange­ nehm sich das schnurrige Ding im Englischen lesen löst; so wenig kan man im Deutschen eine Seite ohne den äussersten Eckel und Wiedrrwillen lesen. Q 5

Ihnen

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1

Ihnen dir Zeit nicht $it verderben, die ich mir leider! habe verderben müssen, übergehe ich die lächerlichsten Fehler dieses elenden Schmierers, imb begnüge mich, einige von den Stellen anzu­ führen, wo das Deussche gerade das Gegentheil

vom Englischen sagt, wenn anders noch cm Sinn hinein zu legen ist. Hier sind einige von diesen merkwürdigen Stellen. Seite 33. Lleomenes macht die Anwendung

von den erhabenen Grundsätzen des kord ShasteSdur» aus die niedrigsteu Profcßionen, und hält ei­ ne lächerliche Lobrede auf die edlen Gesinnungen eines armen Weibes, das ihren Sohn zum Schorsteinfeger bestirnt , You find you seif,

spricht er zum Vertheidiger des Lords, under a necefiity of allowing my Panegyrick«, as you call them, to be Just; orfinding the same fault with most of my Lord Shaftesbury. d. i.

Eie müssen entweder meine Lobrede, wie Sie sie«ennen, gelten lassen, oder an den meisten Lobreden -es Lords Shaftesbury eben dasselbe auszusctzen

finden.

Unser Uebersetzer sagt; „Sie finden sich „genö-

=====

247

„genöthigct, meinen Lobreden, wir sie es j» nennen

„ belieben, beyzusallen, oder in den meisten, Feh, „(er, die der Mylord Shaftesbury vorgestellt „hat, zu entdecken,, Verstehen Sie das?

Seite 36. Horaz, der Vertheidiger des Lords spricht;

1 admire your Invention, and thu»

much (will own, that by overacting the part in that extravagant männer you have fet the social system in a more difadvantageous light than ever I had considerd it before: But the

best Things, yoü know, may be ridicul’d. „d. i. „Ich bewundere Ihren Kunsigrif, und so

„weit muß ich gestehen, daß Sie das Gesellig-

„kcitssystem, indem Sie die Rolle bis zur Aus„schweifung übertriebe», in ein so unvortheilhaf„tcs Licht gesetzt haben, in welchem ich cs noch nie „betrachtet habe.

Allein Sie wissen, die beste

„Sache von der Welt kan lächerlich gemacht wrr„den.„

Nun hören Sie das Gewäsche unsers

Uebersetzers!

„Ich muß mich nur über ihre»

„Kunstgrif wundern, und gestehe gern zu, daß »Sie das Lehrgebäude der Geselligkeit aus eine

»Se-

248

========

„ geschickte aber allzu ausschweifende Art ins „ volle Licht gesetzt haben,

als ich es von

„ der schlimmen Seite noch niemals auf die

„Art angesehen habe. Allein Sie wissen aud>

„die besten Dinge gar zu lächerlich »u nia« „^chen„ Ist Ihnen etwas elenderes je unter die

Augen gekommen?

Incontinence, and Adultery it seif, Person»

of Quality are not more free from, all over ehriftendom, than the meaner People.

ses heißt in der Uebersetznng.

Die­

„In der ganzen

„Christenheit werden vornehme Leute nicht so leicht

„in öffentlichen Ehebruch und Unreinigkeit, als „der gemeine Pöbel verfallen» Gerade umgekehrt.

Lleomenes macht in dem zweyten Gespräche

eine weitläufige Beschreibung von der Lebensart eines Edelmannes, der ein Muster der Tugend, der guten Sitten mrd ritterlichen Aufführung ist.

Er beschreibt seine köstlichen und wohleingerichteftn Gebäude. Schnitzer,

(Ich übergehe unendlich viele

die der Uebersetzer an diesem Orte macht.

macht, weil ich Ihnen ausdrücklich nur diejenigen ©teilen ansührcn will, wo er das Gegentheil von seinem Originale sagt.) Hora; antwortet auf die Beschreibung des «Lleomene«; Tis is a ftudy’d Piece; butl don’tlike itthe worfefor it, pray go on. Das heißt; dies» Beschreibung ist ziem„lich ansstudiret; sie gefalt mir aber deßwegen „nicht weniger. Fahren Sie nur fort.„ Unser Uebersetzcr sagt, „ Sie machen mir hier zwar eine „ausstudirte Beschreibung, die ich aber gar „ nicht davor ansehe. Belieben Sie nur fort;»„fahren „ diese Stelle befindet sich S. 59. und ich versichere Sic, daß diese und die folgende Seite so sehr von den lächerlichen Fehler» wimmeln, daß Sie nicht zwo Zeilen finden werden, die richtig, übersetzt wären, ohne das Original ist es gantz un­ möglich in dem Geschmiere des Uebersetzers einen Funken von Menschenverstand zu finden. Jch könte Ihnen ganze Seiten abschrriben, davon sie ohne Hülse des Englischen nicht eine einzige Periode verstehen sollen. Doch ich habe mich anheischig gemacht, ihrer Geduld zu schonen und nur offendare Wiedrchrüchr qnjusührm. To

fl$O

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'

1

To bc will dreff’d, sagt Zwölfter Theil. tzi „quently

2 54

=====

„ quently nct to be bragg’d os, but by » Cox» „comb. Dieses ist i» der That eine wahre Un„ Möglichkeit, mit welcher folglich kein anderer, „als ein Hasenfuß pralen kan. — Sie können „mit sich selbst umgehen, wie sie wollen, antwvr„M Horaz. Ich habe nie so was gesagt.» Unserm Candidaten schien der Ausdruck Cox. comb zu profan. Wissen Sie, wie er die Stelle giebt? — „ Lassen Sie uns aufs ernstlichste davon „sprechen, die Sache ist wirklich unmöglich, und „es kan sich desseo kein Mensch rühmen, der „nid>t seinen Verstand durch unabläßize „Gewohnheit dar;» geschickt gemacht „hat.,, — Horaz antwortet auf das Compli„ment, daß der deutsche Coxcomb sich selbst macht. „Sie können mit sich selbst nach ihrem Gefallen „verfahren, was mich aber betrist, habe ich der« „gleichen noch niemals vorgegeben.,, Genug von einer erbärmlichen Uebcrsetznng, die so tief unter der Critik ist. Ich würde sie mit kei­ ner Sylbe berührt haben, wenn mich der falsche Titel des Buchs nicht veranlasset hätte, den wah­ ren Verfasser desselben bekannt zu machen. Z. HM



...... —=

2ss

Hundert und sechs und neunzigster Brief. Eine Egyptische Banis- vorn Jahre 1759 habe» sie wol in Tcntschland nicht vennutet; und doch ist sic, aber in Maimsklcidcrn, erschienen. Dem -Hr. v. Iusti, den die Menge seiner Schriften, und nicht ihre innere Güte, berühmt gnuacht, und so gar auch gegen den Zahn der Kritik, dem es zu schwer ward durch so viele Bände durchzubeisscn, verwahrt hat; diesem Hrn. v. Iusti ist auch die neue Banise entgangen; denn Geburts­

schmerzen kan sic ihm wol nicht verursacht haben. Unter dem Namen psminnkichus * laust sie nun

in der Welt herum und trotzt daraus, daß ihr gu­ ter Name so gleich durch einen Octavband von ihrem unermüdeten Vater könne vertheydiget wer« den. Immerhin, da ich mich endlich überwun­ den habe, Sie ihrer Verstellung ohncrachtet nä­

her kennen zu lernen: so wollen auch Sie von ihr 8t 2 wissen, • Die Wirkungen und Folgen so wohl der wahren atü der falschen SlaatSkunst in der Geschichte des psammitichue. Franks, u. Leipj. dep Garben I75S-

Ls6

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wissen, was ich von ihr weiß. Wen» ich mit der Geschwindigkeit des Hr. v. I. läse, für den, wie «• in der Vorrede selbst sagt: „die völlige Durch„kfiing eines Buches von derStärcke der Clariffe „oder des Graudisons kaum einen Tag erfordert,» so würde ich Ihnen mcineArbeit ein solches Buch, wir den Psamitichus durchzulrsen gewiß nicht so hoch anrrchnen. Da ich aber mit der Langsamkeit einer Schnecke drrrch gute und schlechte Bü­ cher krieche, bey den guten mich aufhalte, um dir vortreflichstc» Stillen recht zu schmecken, und bey den schlechten mich aufhaltr, weil mich das matte träge macht: so sind Sie mir wirklich vie­ len Dank schuldig daß ich ein paar Tage in dem ersten Theil des unaufhörlich-mittelmäßigen und folglich schlechte» pfammitichu« verschwendet ha­ be. Ein deutscher Roman, der sich gleichsam einem D-lemach an die Seite stellen will, mit welcher Aufmerksamkeit auch auf die geringsten Kleinigkei­ ten des Styls solte derselbe nicht geschrieben eyn? welche Sorgfalt in der Bildung der Perio­ den, welche Eifersucht in der Wahl der Worte würde er nicht fordern! Ich sage nichts von dem Plan,

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Plan, den sein V- allenfals entlehnen Finte. Noch mehr: rin deutscher Roman, der eine eigene Classe ernt Romanen anfangen, die blos erdich­ teten vertreiben, und zur Erlernung der alten Ge­ schichte dienen soll: müsse er nicht alle Zierlich­ keit des historischen Ctyls mit dem Schmucke den die Erdichtungen leiden, vereinigen? Damit sie dieses letztere verstehen mögen, bin ich verbunden Ihnen zu sagen, daß der Hr. v. I. einen Roma» will geschrieben haben, der die jun­ gen Leute zu eben der Zeit da er sie ergözt auch mit der wahren Geschichte betont machen soll; denn an den übrigen Romanen hat er immer dis auszu­ setzen, „nur Schade, daß die Begebenheiten nicht „wahr sind,, bey seinemPsammitichus aber glaubt er, könne dieses nur Schade, niemanden emsallen, ob er gleich die Lücken der Geschichtschreiber mit seinen eigenen Einfällen selbst nach seinem Ge­ ständnisse, aiisgefüllt hat. Nun Fönten sie zwar glauben, daß er dieses eben so wenig im Ernste sage, als die Nachricht von der Geschwindigkeit seines Lesens: allein sie dürfen nur die ganze Vor­ rede lesen, um sich zu überzeugen daß er würklich

R 3

im

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-

im Ernste aus diesen Betrachtungen die Rechtser* tigung für seinen Psammitichus hcrnimt. Wenn doch die Lchriftstellrr in chrcn Vorrede« aufrichtig seyn kanten! Hr. v. I. hat einige derer Wahrheiten, die er schon oste genug nach andern ge­ sagt hat, in einem neuen Buche vortragen wollen ; gut, warum gesteht er dieses nicht, sondern sucht Gründe vor, die gegen die ersten Begriffe der histori­ schen Glaubwürdigkeit streiten. Jedermann weiß, daß es viel leichter wird, die ganze Geschichte eines «nbckanten Privatmannes ans unsern Zeiten zu glauben als eine einzige Anekdote ;um krben des Cicero, die rin neuer Ecribente ohne Gewähr­ leistung eines alten ansühren würde. Warum? Das keben eines Privatmannes Ian einigen wenigen seiner gute» Freunde brkant seyn; in der ganzen Welt ausser denselben ist es unbekant. Sein Geschichts­ schreiber kau unter der Zahl dieser wenigen Freun­ de gewesen seyn: also kan ich mich leicht überreden, daß seine Rachrichtm wahr find, und ei« solcher Roman erhebt sich beynahe zu der Glaubwürdig­ keit einer Geschichte. Mein, was vom Cicero jqt brkant ist, ist der ganzen Welt brkant, und rin

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ein Fetterer Schriftsteller, der einen neuen Um­ stand ;u seinem Leben ansührt ohne eine besondere Quelle zu nennen, wird von allen als rvmanenhast ausgeschricn. Folglich falt mir eben bey ei­ nem Psammitichus immer ein: Woher weis denn der Mann dieses? niemand vorher hat dieses ge­ wußt; und kein alter Schriftsteller hat ihm davon Nachricht gegeben. Wie nun? er verkauft mir also seine Einfalle für historische Wahrheiten. Ein Psammitichus ist einst in der Welt da gewesen: aber er hat das nicht gethan was I. von ihm erzählt. Und nun bin ich jwischen der Geschichte und dem Roman in der Mitte, und lese eigentlich bey wahren Namen, Begebenheiten, die der Schrift­ steller nach eigenen Belieben erfbnnen hat. Und wer erlaubt-denn einem Neuern die Verwegenheit, an die alten zersiümmelten Ctatüen neue Anne und Beine anzustüken, und den antiqnen Köpfen, die zum Beweis ihres Altertums blind sind, Au­ gen cinzusetzcn? kan sich die Majestät der Ge­ schichte gegen solche Anfälle nicht mehr beschüjen? Hr. v. I. gesteht zwar gern, „ daß dieser Einwurf in „ gewissen Betrachtungen Grund habe „ doch giebt R 4 «

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J-»".......... -..........

er lmS eine Beruhigung auch in Absicht seine« Psammilichus, mit der wir endlich jufrieden seyn können, »so, wie mittelmäßige und schlechte Ge„schichlschreibcr, sagt er, niemals bey denen Mf»tigcn Zeiten ein solches Ansehen erlangen, daß »sie der Gewißheit derGrsihichteNachtheil verur„ fachen tönten: so werden mittelmäßige und sthlech„te Schriftsteller, die eine wahre Geschichte mit ihr „rem Erdichtungen erweitern, noch viel weniger „die Ungewißheit in der Geschichte yt verbreiten „ im Stande seyn. „ Da wir also aufdieser Seite von dem Hr. v. I. nichts ;u befürchten haben: so können sie desto gelaffeueranfehrn, wie ihm sein Versuch gelungen sey.

B.

Hundert

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Hundert und sieben und neunzig­ ster Brief.

Erst muß ich Ihnen wol sagen, wie ohngcfehr

die Geschichte des psammitichus pom Hr. v.I. verfasset, Zusammenhänge; so weit ich nrmlich da­ rin gekoinnicn bin: den» den jweitcn Band habe ich »noch nicht gelesen, psammitichus ist der Sohn des OberpriestersUikos, welchen Saba» kos, ein Mohrischcr König und Eroberer von Egypten, wrgen einiger freyen Vorstellungen hat­ te ermorde« lassen. Del' junge psammieichus, der cm gleiches Schicksal haben svlte, entflöhe durch den piromis, eine« Freund seines Vaters, ge­ rettet und nach Assyrien begleitet An dem Hofe des damals regierenden Königs Assar-Ad« dmus gut ausgenommen, machte er sich diesen Vortheil yi Nutze, unter der Anleitung seines Erretters, die Bersaffung des Assyrischen Reichs Babylon und Tyrns kennen zu lernen, und Be­ merkungen über den Einfluß, sowol der Sitte» eines Volks, als der auswärtigen Handlung auf das Wohl eines Staats zu sammeln. Die PeR5 fiegung

26r ficgüng verschiedener den Egyptrrn eingcpflanzten

Dorurtheile setzte ihn in den Stand, die Provinz Sais, über die er bald nachher regierte, blühend ju machen. Denn nachdem der Mohrische König Sabakos die Hcn-schaft über Egypten freywillig nicdergclegt hatte, verwandelte sich die Monar­ chie in eine Aristokratie von 12 Fürsten, unter

deren Anzahl Psammitichus nach vielem Wieder­

spruch endlich ausgenommen wurde. Der Han­ del, den er den Griechen in seiner Provinz den alten Gebrauchen zuwider erlaubte, der Reich­ thum, den dadurch seine Unterthanen erworben, noch mehr aber seine Vermählung mit einer be­ nachbarten Prinzcßin, um die sich Themente» einer seiner Mitsürsten, von der Mutter und dem Bruder der Prinzeßin unterstützt, beworben hatte, erweckten ihm so viele Feinde, daß er mit Ucber-

einstimmnng der meisten andern Fürsten abgesetzt,

und in dir morastigen Gegenden von Egypten zu fliehen genöthiget wurde. In diesen Gegenden, als in einer Freystadt hielt er sich so lange, bis sich Griechen mit ihm vereinigten, die zufälliger

Weise in Egypten ans Land getreten waren. Mit Har-

-

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26;

Harnischen versehen, waren diese Griechen fast unverwundbar und folglich sehr furchtbar für die feindlichen Eaypticr. Die Tapferkeit der Grie­ chen vennehrtc sich aas dieser Ursache fast bis ins unendliche, und die übrige Armee des Psammitichns folgte ihnen getrost immer hinten nach. Die Vereinigung eines Arabischen Fürsten mit ihnen, der sehr geschwinde Pferde mit sich brachte, die Herr v. I. gewiß nicht ungebraucht laßt, in­ dem cs erstaunend,aber auch ost kläglich au;uschen ist, wie geschwind die arme» Thiere lausen müs­ sen — diese Vereinigung würkte auch sehr viel; kur; Psammitichus bleibt endlich Herr von Egyp­ ten, nachdem sein Geschichtschreiber Mittel gesunden hat, fast alle feindliche Fürsten uins Leben tu bringen. Nur Tcmcnthes, der ehcinalige Ne­ benbuhler des Psamniitichus war seiner Rache entgangen, und hatte noch da;u die geliebte Ge­ mahlin entführt, welches dem Psammitichus gar grosses Misvcrgnügen erweckte. So geschwind auch Herr v. I. die Arabischen Pferde dismal lausen last, auf welchen man dem TementheS nach­ setzt, so kommen sie doch um eine halbe Stunde ;u

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spät, und Tementhes erreicht noch vorher die As­ syrische Festung Asdod, dis sogleich von den «achgeschickten Arabern eingefchloffen wirv. Die tin­ tige Beruhigung des PsammitichuS, der nach der Wicht eines guten Mannes das Beste von seiner Gemahlin glaubt/ ist die Nachricht/ daß TementheS seiner Gemahlin allenthalben mit Ehrerbie­ tung begegnet sey/ und sie allemahl geweinet habe, so ost sich Temrnches ihr genähett; welches doch immer nur in andrer Grgenwatt geschehen seyn kan, indem sonst keine Zeugen möglich gewe­ sen wäre». PsammitichuS schickt Gesandte» an den Assyrischen Hof, uadbitttt um die Ausliefe­ rung des TemencheS; die ihm verweigert wird. Hierauf wird nun allenthalben Krieg; erst mit dem König der Mohren und einer Königin von Maroe, denen man in aller Eil vermittelst der gepanjertrn Grieche» GtänjststunM abnimmt, um Egypten sicher zu stellen; und hernach mit Assyrien: mitlerweüe aber gehews^ocxxrSotdaten und Untetthanen des PsammitichuS zur Kö­ nigin von Maroe über; welches ihm so lange, bis er vom Siromis darüber getröstet wird, sehr nahe geht. Dich

--------- s«s Dich Geschichte nun hat der Hr. v. I. so ge­ ordnet, daß er von der Ankunft der Griechen beym

Herr des Ps. ansängt, sie vnter ein paar Episo­

den, welches Lob nur Beschreibungen Griechischer Hauptleute sind, bis zur Bezwingung der Könige fortfährt, und nach deren Bewerkstelligung die

Hauptleute durch Erzehlnng der vorhergehenden Lrbcnsgcschichte des Ps. zum Theil belohnen löst:

das übrige geht ohne Unterbrechung-fort.

Daß

die Entwerfung dieses Plans nicht eben viel Nach­ denken gekostet habe, sehen Sie wohl selbst. Doch

dis mag hingchrn, wenn nur die Ausführung —

ja freylich die Ausführung, Sie sollen bald von

dein Schl des Herrn». I. in diesem Buche urcheilen. — Habe» Sic jemals in unsern Land' und Wirchschasts-Calender die erbauliche Historien ge­

lesen, die auf den gespaltenen Seiten durch die zwölf Monate durchlaufen, oder auch hinten noch

-angehängt sind: so ohngefehr oder noch matter schleppt Herr v. I. feine Erzehlung fort, und hat

auch nicht eine Stelle im ganzen Buche,' die sich

vor der andern erhöbe. Weitschweifig bis zum Eckel, ohne alle Wendung, wodurch sich das Genie

unsrer

unsrer Sprache zeigte, ohne alle Kunst, als die Kunst einen Bogen voll $u schreiben, leycrt er seine schlalrigr Geschichte dahin, und bey den wichtigsten Dorsäiicir wischt sich eben der Leser die Augen, den ein guter Schriftsteller mit Erwar» hing, mit Munterkeit, mit Feuer würde angefüllt haben. Seine Episoden pstanzt er ans grosser Armuth an Erfindung an einen Ort hin, wo sie niemand erwartet hatten Da stehen sie nun; ein paar Bogen sind damit angchillt und der V hat seine Absicht imsircikig erreicht. Ich muü Ihnen Beyspiele davon geben; sic zeigen zu­ gleich den Styl. S.2l. Ein Griechischer Hauptmann, Namens Argonida», hatte sich vor andern hervor gethan; und sch die Neigung des Pf. dadurch erworben. Er sagte ihm also eines Tages, „daß er ihu „ausnehmend hoch schätzte, und daß er verlangte, „daß er ihn als seinen besondern und wahren „Freund ansehen solle; so wie er von dem Argo, „nida« gleichfalls eine vollkommene Freundschaft „ gewartrn wolle. Er wolle ihm dannrnhero von „seiner Herkunft und Umstanden etwas nähere „Nach,

1 i!gg

L6?

„Nachricht geben, Argonidas, der von dem „Bcjeugen des Königes lcbhaftig durchdrungen „ward, versicherte ihm feiner ewigen Ergcben„ heit, Treue und Erkentlichkeit. Er fügte hinzu, «daß seine jetzigen Umstände von dem ehemaligen „Zustande seines Hauses so sehr verschieden wä„ren, daß er davon keine Nachricht geben könte, „ohne sich in eine wcitläustige Erzählung einzulas„scn, die vielleicht dem Könige zu beschwerlich „ fallen würde. Pfemmit. versicherte das Gegcn„theib, nnd daß er ihm vielmehr auf eine ange„ nehme Art die Zeit verkürzen würbe. Nachdem „ also Pf. Befehl gegeben, daß er nicht gcstöret „seyn wolle: so fieng Argonidas folgender eil. A fl Dich-

366

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i i.

Dichter von einer Grille auf die andere. Es sind Reverien, die kein Plan, kein Zusammenhang verbindet, und am Ende stagt man sich sehr ost vergebens; was habe ich gelesen? Wollen unsere Dichter den 3?oung nachah­ men, warum borgen sic ihm blos die Manier ab, ohne Zeichnung, Ausdruck und Coiüposition von ihm zu lernen? Der Engländer hat in seinen ttachtgedanken einen Stof wichtiger Weisheits­ lehren und tiefsinniger Wahrheiten, die er nach einem wohlgeordneten Plane verbindet, und in den reichsten Schmuck der Poesie einkleidrt. Er hat dabey eine ihm eigene Manier, den alljuhäufigen Gebrauch der Hyperbol, dadurch er den Leser ost ermüdet, und rin düsteres «Lolorir, das man ihm gerne verleihet, weil cs seiner tiefsinni­ gen Seele so natürlich ist. Unsere Dichter miß­ brauchen die Hyperbol, und stellen sich trübfin« yig; so glauben sie dem Engländer nachgeähmt zu haben. Wenn man noch eine scheinbare Ursach fände, warum sie so jämmerlich klagen? was sie fj> betrübt macht? Wie können wir ihre Schwehx« mach mit empfinden, wenn sie «ns ohne Grund



zu klagen scheinen/ wen» wir unS gar nicht für sie intrreßiren?

Der Herr fr. L. fängt seine gereimtm Ein­ samkeiten an: Dir schauervvll« Nacht der Heilgen Einsamkeit, Dir, rraurge Stille, sey mein rärtlich Lied geweiht!

Hier, wo ich mich versenkt in meinem Schmer» verhülle. Verdopple sich die Nacht! Tin mächtger Schauer rauscht. Durch da« erschrockne Thal, in dem kein Waldgott lauscht. Die Einsamkeit allein soll meine Klage» hören; Sie berge meine Wuth und di« erhitzten Aährea-l & wird vielleicht in ihr mein reger Schmertz gestillt. Dich seegn' ich, Einsamkeit; du bist des Grabe- Bild! Hierauf ladet er seinen Freund ein, mit ihm yi weinen, und endlich auch die Schutzgeister;

Ihr, die ihr um mich schwebt, Und wie soll ich euch nenne«?