Brauerei- und Gaststättenrecht: Höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung 9783814558134

Das STANDARDWERK zum Recht des Getränkelieferungsvertrags mit allen aktuellen Entwicklungen in Gesetzgebung, Rechtsprech

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Brauerei- und Gaststättenrecht: Höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung
 9783814558134

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Udo Bühler Brauerei- und Gaststättenrecht

Brauerei- und Gaststättenrecht Höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung

15., vollständig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage

von RA Professor Dr. Udo Bühler, Kerpen

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

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Vorwort zur 15. Auflage Das Recht des Getränkelieferungsvertrages umfasst Fragen der (Ausschließlichkeits-)Bindung von Getränken als Gegenleistung für die gewährte Absatzfinanzierung. Es ist paradigmatisch für den finanzierten Absatz. Juristisch rechnet es zum Vertriebsrecht, betriebswirtschaftlich zur Absatzwirtschaft. Schwerpunktmäßig sind Fragen des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere der Inhaltskontrolle nach §§ 138 Abs. 1, 139 BGB und AGB-Recht, des Verbraucherkreditrechts, insbesondere im Zusammenhang mit Existenzgründern und Verbrauchern, sowie des europäischen und deutschen Kartellrechts angesprochen. Hinzu kommen Querverbindungen u. a. zum Pacht- und gewerblichem Mietrecht sowie zum Kreditsicherungsrecht. Das vorliegende Skriptum wendet sich insbesondere an Brauereien sowie Getränkefachgroßhändler, Gastwirte und Hauseigentümer, deren anwaltliche Berater und die Gerichte. Die Lektüre ist aber auch für alle diejenigen von Interesse, die sich für Fragen des finanzierten Absatzes und der Produktbindung interessieren. Nur ausgewählt seien die Bereiche Energie und Kosmetikartikel genannt. Im ersten Hauptteil (§§ 1 – 8) werden unter „Allgemeine Fragen“ zunächst Charakteristika und Rechtsnatur des Getränkelieferungsvertrages dargestellt (§§ 1, 2). Es folgen Ausführungen zu Grundfragen der AGB-rechtlichen Prüfung von Klauseln (§§ 3 – 8) nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung. Den Schwerpunkt bildet der zweite Hauptteil „Getränkelieferungsverträge“ (§§ 9 – 37). In einem ersten Abschnitt werden die Ausschließlichkeitsbindung und ihre Grenzen nach BGB behandelt. Die Ausführungen zu Inhalt und Umfang (§ 9) und zur Laufzeit der Ausschließlichkeitsbindung (§§ 10, 11) wurden in Aufbau und Inhalt neu konzipiert. Im zweiten Abschnitt werden weitere typische Regelungen vorgestellt, eingangs der Problembereich Lieferweg (§ 12), gefolgt von Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Preise (§ 13), der Zulässigkeit von Übertragungsrechten (§ 14) und Regelungen der Rechtsnachfolge auf Seiten des Gebundenen (§ 15) sowie des richtigen Vollzuges von Nachfolgeklauseln (§ 16), ebenfalls umfassend überarbeitet. Insbesondere für den Vertragsjuristen ist die Wirksamkeit von Sanktionsregelungen bei Leistungsstörungen von Interesse. Im dritten Abschnitt (§§ 17 – 19) finden sich insgesamt vollständig überarbeitete Darstellungen zum Schadensersatz (§ 17), zur Vertragsstrafe (§ 18) und zum Mindermengenausgleich (§ 19). Der vierte Abschnitt ist dem Thema „Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Verbraucherkreditrechts“ (§§ 20 – 26) gewidmet. Erörtert werden im Zusammenhang mit dem bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages Fragen des temporalen, sachlichen und

V

Vorwort zur 15. Auflage

insbesondere persönlichen Anwendungsbereichs des Verbraucherkreditrechts (§§ 20 – 22). Form- und Inhaltsvorschriften im Zusammenhang mit dem bezugrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages werden in § 23 dargestellt. Wiederum einen Schwerpunkt bilden die komplett überarbeiteten Hinweise zur Widerrufsbelehrung (§ 24) und zum Widerruf (§ 25). Besonderheiten bei Vertragsschlüssen mit Verbrauchern insbesondere in Außer-Geschäftsraum-Situationen werden umfassend in § 26 aufgegriffen. Auch zu den Fragen des Kartellrechts im fünften Abschnitt (§§ 27 – 28) gab es manches zu aktualisieren und zu ergänzen. Pflichtverletzungen und ihre Folgen spielen in der Unternehmens- und Gerichtspraxis eine große Rolle. Daher wurden die entsprechenden Ausführungen im sechsten Abschnitt (§§ 29 – 33) auf den aktuellen Stand gebracht und – wo notwendig – erweitert. Der siebte Abschnitt nimmt im Verhältnis Getränkelieferant-Eigentümer-Pächter zu Fragen der Eigentümerbindung (§ 34) sowie Getränkebezugsverpflichtungen und Pachtverträgen (§ 35) Stellung. Die dingliche Sicherung von Bezugsbindungen durch Verbotsdienstbarkeiten wirft nicht nur im Zusammenhang mit der Bestellung, sondern auch der Durchsetzung entsprechender Rechte Fragen auf. Im achten Abschnitt (§§ 36, 37) werden diese umfassend angesprochen. In dem dritten Hauptteil (§ 38) werden Fragen der Automatenaufstellverträge dargestellt mit interessanten Parallelen zum Getränkelieferungsvertrag und dort auch noch nicht entschiedenen Fragen. Problemen der Finanzierung widmet sich der ebenfalls vollständig überarbeitete vierte Hauptteil. Im ersten Abschnitt „Allgemeine Fragen sowie Finanzierung von Unternehmerkunden“ werden sowohl Grundfragen der Finanzierung (§ 39) als auch die Themen Kündigung und Rücktritt (§ 40) eingehend dargestellt. Den Ausführungen im zweiten Abschnitt liegt die aktuelle Rechtslage zugrunde. Dargestellt werden die Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts (§ 41), die vorvertraglichen Informationen (§ 42), Fragen der Schriftform, der Pflichtangaben im Allgemeinen und der Widerrufsinformation im Besonderen (§ 43) sowie die Problemfelder Widerruf (§ 44), weitere Informationspflichten (§ 45), Zahlungsverzug und Kündigung (§ 46), Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge (§ 47), Teilzahlungsgeschäfte (§ 48) und Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen (§ 49). Der fünfte Hauptteil befasst sich mit bei der Finanzierung durch Getränkelieferanten besonders wichtigen (Kredit-)Sicherheiten wie Inventarsicherheiten (§ 50), Grundschuld (§ 51), Bürgschaft (§ 52), Schuldbeitritt (§ 53), Sicherungsabtretung/ Verpfändung (§ 54) sowie Schuldanerkenntnis (§ 55).

VI

Vorwort zur 15. Auflage

Im sechsten Hauptteil werden im ersten Abschnitt Hinweise zu Verträgen im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler gegeben. Dabei handelt es sich um Besonderheiten bei Getränkelieferungsverträgen zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern (§ 56) sowie Rechts- und Vertriebsfragen im Zusammenhang mit weiteren Verträgen in diesem Verhältnis (§ 57). Der siebte Hauptteil (§§ 58 – 60) behandelt für das Liefergeschäft praktisch relevante Fragen wie die Einbeziehung und Wirksamkeit von Verkaufs- und Lieferbedingungen (§§ 58, 59) sowie den Themenbereich Leergut und Pfand (§ 60) Mit der 15. Auflage 2018 wird wiederum ein vollständig überarbeitetes Skriptum vorgelegt. Anlass zur Neubearbeitung gab zum einen der Gesetzgeber mit dem am 13.6.2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung insbesondere der Verbraucherrechterichtlinie und dem seit dem 21.3.2016 geltenden Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU sowie den Folgeänderungen hierzu des Jahres 2017. Zum anderen war eine Vielzahl obergerichtlicher Entscheidungen zu zahlreichen Einzelaspekten der rechtlichen Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen auszuwerten. Wie auch bei den Vorauflagen beschränkt sich die Überarbeitung nicht auf die Berücksichtigung von in der Gerichts- und Beratungspraxis neu aufgeworfenen Fragen. Vielmehr wurden zusätzlich Anstrengungen unternommen, die Darstellung in vielen Einzelfragen zu überprüfen, einige Passagen deutlicher zu fassen, hier zu kürzen, manches wurde neu strukturiert und klarer als bislang herausgearbeitet. Trotz Kürzungen an etlichen Stellen hat der Umfang etwas zugenommen. Herzlich danken möchte ich allen, die mich bei meiner Arbeit insbesondere durch die Übersendung nicht selten unveröffentlichter Entscheidungen unterstützt haben. Ich darf auch weiterhin um Ihre Mithilfe bitten. Hinweise bitte ich zu senden an Rechtsanwalt Professor Dr. Udo Bühler, Haydnstraße 2, 50170 Kerpen (Sindorf), [email protected]. Meinen Eltern, die mich stets unterstützt und gefördert haben und mir gleichzeitig den größtmöglichen Freiraum gewährt haben, verdanke ich mehr als allen anderen. Ihrem Andenken ist die Neuauflage in Liebe und Dankbarkeit gewidmet. Kerpen, März 2018

Udo Bühler

VII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Vorwort zur 15. Auflage ..................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ............................................................................ LXXIX Literaturverzeichnis ................................................................................. LXXXV Erster Hauptteil: Allgemeine Fragen ............................................ 1.1 ............ 1 Erster Abschnitt: Der Getränkelieferungsvertrag – Grundlagen ....................................................................................... 1.1 ............ 1 §1

Charakteristika ....................................................................... 1.4 ............ 1

I.

Begriff ...................................................................................... 1.4 ............ 1

II.

Typische Inhalte ...................................................................... 1.5 1. Wesentliche Vertragsbestandteile .................................... 1.5 2. Ausschließlichkeitsbindung ............................................. 1.6 3. Sortimentsbindung ............................................................ 1.8 4. Mitbezugsgestattung ....................................................... 1.12 5. Bezugs- und Ausschankverpflichtung ........................... 1.13 6. Mindestabnahmeverpflichtung ....................................... 1.14 7. Werbung .......................................................................... 1.16 8. Betriebspflicht ................................................................. 1.18 9. Führung der Absatzstätte ............................................... 1.23 10. Lieferweg ......................................................................... 1.24

III.

Berechtigte ............................................................................. 1.26 ............ 7

§2

Rechtsnatur ........................................................................... 1.27 ............ 8

I.

Einordnung ............................................................................ 1. Allgemein ......................................................................... 2. Vertriebsvertrag ............................................................... 3. Bezugsvertrag ..................................................................

II.

Gesamtbedarfsvertrag ........................................................... 1.30 ............ 8 1. Begriff .............................................................................. 1.30 ............ 8 2. Einordnung ...................................................................... 1.31 ............ 8

1.27 1.27 1.28 1.29

............ 2 ............ 2 ............ 2 ............ 3 ............ 4 ............ 4 ............ 4 ............ 5 ............ 5 ............ 6 ............ 7

............ 8 ............ 8 ............ 8 ............ 8

IX

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

III.

Rahmenvertrag ...................................................................... 1. Begriff .............................................................................. 2. Einordnung ..................................................................... 3. Abgrenzung .................................................................... 4. Entscheidungserheblichkeit ........................................... 5. Konsequenzen .................................................................

1.34 1.34 1.35 1.36 1.37 1.38

............ 9 ............ 9 ............ 9 .......... 10 .......... 10 .......... 10

IV.

Dauerschuldverhältnis .......................................................... 1. Begriff .............................................................................. 2. Einordnung ..................................................................... 3. Konsequenzen .................................................................

1.39 1.39 1.40 1.42

.......... .......... .......... ..........

11 11 11 12

V.

Sukzessivlieferungsvertrag ................................................... 1. Begriff .............................................................................. 2. Arten ............................................................................... 3. Einordnung ..................................................................... 4. Entscheidungserheblichkeit ........................................... 5. Konsequenzen .................................................................

1.43 1.43 1.44 1.47 1.48 1.49

.......... .......... .......... .......... .......... ..........

12 12 12 13 13 14

VI.

Wiederkehrschuldverhältnis ................................................. 1. Begriff .............................................................................. 2. Einordnung ..................................................................... 3. Konsequenzen .................................................................

1.51 1.51 1.52 1.53

.......... .......... .......... ..........

14 14 14 14

VII. Gemischter Vertrag .............................................................. 1. Begriff .............................................................................. 2. Einordnung ..................................................................... 3. Konsequenzen .................................................................

1.54 1.54 1.55 1.56

.......... .......... .......... ..........

15 15 15 15

VIII. Mehrere Verträge als zusammengesetzter Vertrag ............. 1. Begriff .............................................................................. 2. Einordnung ..................................................................... 3. Konsequenzen .................................................................

1.57 1.57 1.60 1.61

.......... .......... .......... ..........

16 16 16 16

IX.

1.65 1.65 1.66 1.67 1.68

.......... .......... .......... .......... ..........

17 17 17 18 18

X

(Gesamt-)Mengenvertrag ..................................................... 1. Begriff .............................................................................. 2. Arten ............................................................................... 3. Einordnung ..................................................................... 4. Konsequenzen .................................................................

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Zweiter Abschnitt: AGB-rechtliche Grundfragen .................... 1.69 .......... 18 §3

Temporaler Anwendungsbereich ....................................... 1.69 .......... 18

I.

Rechtslage .............................................................................. 1. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ............................................ 2. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB ............................................ 3. Entscheidungserheblichkeit ...........................................

1.69 1.69 1.72 1.73

.......... 18 .......... 18 .......... 19 .......... 19

II.

Folgerungen für die Praxis .................................................... 1.74 1. Vertragsschluss vor dem 1.1.2002 .................................. 1.74 2. Dauerschuldverhältnisse und das Jahr 2002 .................. 1.75 3. Vertragsschluss ab dem 1.1.2003 .................................... 1.76

.......... 19 .......... 19 .......... 19 .......... 20

§4

Sachlicher Anwendungsbereich ......................................... 1.77 .......... 20

I.

Grundlagen ............................................................................ 1.77 1. Definition ........................................................................ 1.77 2. Normzweck ..................................................................... 1.78 3. Prüfung ............................................................................ 1.79 4. Klarstellungen/unerhebliche Umstände ........................ 1.80 5. Beurteilungszeitpunkt ..................................................... 1.84 6. Einseitige Rechtsgeschäfte ............................................. 1.85

.......... 20 .......... 20 .......... 20 .......... 21 .......... 21 .......... 22 .......... 22

II.

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen ............ 1.86 1. Vertragsbedingungen ...................................................... 1.86 2. Vorformulierung ............................................................. 1.90 3. Vielzahl von Verträgen ................................................... 1.93 4. Stellen ............................................................................. 1.100 5. Aushandeln .................................................................... 1.112

.......... 22 .......... 22 .......... 23 .......... 23 .......... 25 .......... 28

III.

Darlegung und Beweis ........................................................ 1.148 .......... 36 1. Klauselgegner ................................................................ 1.148 .......... 36 2. Verwender ..................................................................... 1.153 .......... 37

IV.

Querschnittsthemen ........................................................... 1. Mustertexte ................................................................... 2. Verbandsmuster ............................................................ 3. Vertragserstellungsprogramme .................................... 4. Notarielle Vereinbarungen ........................................... 5. Wahlklauseln ................................................................. 6. Lückentexte ...................................................................

1.156 1.156 1.160 1.164 1.165 1.172 1.176

.......... 38 .......... 38 .......... 39 .......... 39 .......... 40 .......... 41 .......... 42 XI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§5

Persönlicher Anwendungsbereich ................................... 1.187 .......... 45

I.

Unternehmer ....................................................................... 1. Grundlagen ................................................................... 2. GmbH ........................................................................... 3. Unternehmergesellschaft ............................................. 4. Limited .......................................................................... 5. Eingetragener Idealverein ............................................. 6. Nicht eingetragener Idealverein ................................... 7. Juristische Personen des öffentlichen Rechts ............. 8. Öffentlich-rechtliche Einrichtungen ........................... 9. Rechtsfähige Personengesellschaften .......................... 10. Vermögensverwaltung .................................................. 11. Scheinselbstständige ..................................................... 12. Scheinunternehmer ....................................................... 13. Vorgetäuschte Unternehmereigenschaft .................... 14. Ich-AG .......................................................................... 15. Bestätigung .................................................................... 16. Ende der Unternehmereigenschaft ..............................

1.187 1.187 1.191 1.195 1.197 1.198 1.200 1.201 1.202 1.203 1.205 1.207 1.208 1.209 1.211 1.212 1.213

.......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... .......... ..........

45 45 46 47 47 48 48 49 49 49 49 50 50 50 50 51 51

II.

Existenzgründer .................................................................. 1. Grundsatz ...................................................................... 2. Vorüberlegungsgeschäfte ............................................. 3. Existenzerweiterung ..................................................... 4. Beendigungsgeschäfte ..................................................

1.217 1.217 1.218 1.219 1.220

.......... .......... .......... .......... ..........

52 52 52 52 52

§6

Einbeziehung und Auslegung .......................................... 1.221 .......... 53

I.

Einbeziehung ....................................................................... 1. Vorrang der Individualabrede ...................................... 2. Überraschende Klauseln ............................................... 3. Exkurs: Verdecktes Abändern eines Vertragsentwurfs ..........................................................

1.221 .......... 53 1.221 .......... 53 1.224 .......... 53

II.

Auslegung ............................................................................ 1. Grundsatz ...................................................................... 2. Objektive Auslegung .................................................... 3. Unklarheitenregel .........................................................

1.236 1.236 1.237 1.241

§7

Inhaltskontrolle ................................................................. 1.250 .......... 59

I.

Kontrollfähigkeit ................................................................ 1.250 .......... 59 1. Rechtsvorschriften ....................................................... 1.250 .......... 59

XII

1.235 .......... 55 .......... .......... .......... ..........

56 56 56 57

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

2. Leistungsbestimmende Klauseln .................................. 1.252 .......... 59 3. Leistungsbeschreibungen .............................................. 1.254 .......... 60 II.

Spezielle Klauselverbote und Unternehmerverkehr .......... 1.259 1. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB ............................................... 1.259 2. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB ............................................... 1.260 3. § 309 BGB ...................................................................... 1.262 4. § 308 BGB ...................................................................... 1.265

.......... 61 .......... 61 .......... 61 .......... 62 .......... 63

III.

Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB ........................... 1.266 1. Vermutungswirkung ..................................................... 1.266 2. Verhältnis zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ........................ 1.267 3. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ................................................ 1.268 4. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ................................................ 1.269

.......... 64 .......... 64 .......... 64 .......... 64 .......... 64

IV.

Transparenzgebot ................................................................ 1.272 1. Unternehmerverkehr .................................................... 1.272 2. Konkurrenzen ............................................................... 1.274 3. Tatbestand ..................................................................... 1.277 4. Fallgruppen .................................................................... 1.279 5. Grenzen ......................................................................... 1.283 6. Rechtsfolgen eines Verstoßes ....................................... 1.286

.......... 65 .......... 65 .......... 66 .......... 67 .......... 67 .......... 69 .......... 69

V.

Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ................ 1.287 1. Unternehmerverkehr .................................................... 1.287 2. Beurteilungskriterien .................................................... 1.288 3. Beurteilungszeitpunkt ................................................... 1.291 4. Überprüfbarkeit ............................................................ 1.292 5. Voraussetzungen ........................................................... 1.293 6. Kompensation ............................................................... 1.296 7. Summierungseffekt ....................................................... 1.299 8. Weitere Fragen von Interesse ....................................... 1.301

.......... 69 .......... 69 .......... 69 .......... 70 .......... 70 .......... 70 .......... 71 .......... 72 .......... 72

VI.

Darlegung und Beweis ........................................................ 1.304 .......... 73

§8

Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB ................................................. 1.305 .......... 73

I.

Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB ................. 1.305 1. Inhalt .............................................................................. 1.305 2. Grundlagen .................................................................... 1.306 3. Voraussetzungen einer Teilnichtigkeit ........................ 1.309

.......... 73 .......... 73 .......... 74 .......... 74

XIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

4. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ................ 1.316 .......... 76 5. Fernliegende Auslegungsmöglichkeiten ..................... 1.320 .......... 77 6. Vertrauens-/Verkehrsschutz ........................................ 1.321 .......... 77 II.

Ergänzung des Vertragsinhalts, § 306 Abs. 2 BGB ........... 1. Grundsatz ...................................................................... 2. Dispositives Recht ........................................................ 3. Ergänzende Vertragsauslegung ....................................

1.324 1.324 1.326 1.328

.......... .......... .......... ..........

78 78 78 79

III.

Gesamtnichtigkeit, § 306 Abs. 3 BGB ............................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Konkurrenzen ............................................................... 3. Auslegung ..................................................................... 4. Anwendungsfälle .......................................................... 5. Zeitpunkt ......................................................................

1.346 1.346 1.347 1.349 1.350 1.352

.......... .......... .......... .......... .......... ..........

84 84 84 85 85 86

IV.

Personale Teilunwirksamkeit ............................................. 1. Nichtigkeitserstreckung auf den Verwender .............. 2. Bindung des Kunden .................................................... 3. Bindung des Verwenders ..............................................

1.353 1.353 1.356 1.358

.......... .......... .......... ..........

86 86 87 87

Zweiter Hauptteil: Getränkelieferungsverträge .......................... 2.1 .......... 89 Erster Abschnitt: Die Ausschließlichkeitsbindung und ihre Grenzen nach BGB .......................................................... 2.1 .......... 89 §9

Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung ....... 2.1 .......... 89

I.

Interessenlage .......................................................................... 2.1 .......... 89

II.

Zulässigkeit ............................................................................. 2.3 .......... 89 1. Grundsatz .......................................................................... 2.3 .......... 89 2. Schranken .......................................................................... 2.5 .......... 90

III.

Individual- oder AGB-Verträge ............................................. 2.6 .......... 90 1. Abgrenzung ...................................................................... 2.6 .......... 90 2. Maßgebliche Vorschriften .............................................. 2.11 .......... 92

IV.

AGB-Verträge ....................................................................... 2.14 .......... 93 1. Prüfungsmaßstab ............................................................ 2.14 .......... 93 2. Inhaltskontrolle .............................................................. 2.15 .......... 93

XIV

Inhaltsverzeichnis Rz.

V.

Seite

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB .............................................. 1. Fallgruppen im Überblick .............................................. 2. Objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung .......................................................... 3. Unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ........................................................... 4. Knebelungsvertrag .......................................................... 5. Darlegung und Beweis ....................................................

2.22 .......... 97 2.26 .......... 98 2.30 .......... 99

Grundlagen der Beurteilung ................................................. 1. Prüfungsgrundsätze ........................................................ 2. Einzelbetrachtung ........................................................... 3. Gesamtbetrachtung ......................................................... 4. Umstände des Vertragsabschlusses ................................ 5. Beurteilungskriterien ...................................................... 6. Tatrichterliche Würdigung .............................................

2.31 2.31 2.35 2.36 2.43 2.45 2.46

.......... 99 .......... 99 ........ 100 ........ 103 ........ 106 ........ 106 ........ 106

VII. Getränkebezugsverpflichtung .............................................. 2.47 1. Bestehen einer Bezugsverpflichtung .............................. 2.47 2. Ausschließlichkeit ........................................................... 2.48 3. Sortimentsbindung .......................................................... 2.55 4. Sortimentsfestlegung ...................................................... 2.60 5. Sortimentsänderung ........................................................ 2.62 6. Gebindeart ....................................................................... 2.78 7. Anrechnung ..................................................................... 2.79 8. Periodische Mindestabnahmemenge .............................. 2.80 9. Laufzeit ............................................................................ 2.92 10. Werbung ........................................................................ 2.101 11. Absatzstätte ................................................................... 2.103 12. Lieferung ........................................................................ 2.110 13. Preise, Rückvergütungen .............................................. 2.114 14. Rückführung .................................................................. 2.118 15. Sicherheiten ................................................................... 2.119 16. Sanktionen ..................................................................... 2.125 17. Kündigung ..................................................................... 2.129 18. Fehlerhafte Widerrufsbelehrung .................................. 2.132 19. Schmiergeld ................................................................... 2.133

........ 107 ........ 107 ........ 107 ........ 109 ........ 110 ........ 111 ........ 115 ........ 115 ........ 116 ........ 120 ........ 121 ........ 122 ........ 123 ........ 124 ........ 125 ........ 125 ........ 126 ........ 128 ........ 129 ........ 129

VIII. Leistungen des Getränkelieferanten ................................... 1. Finanzleistungen ........................................................... 2. Art der Leistung ............................................................ 3. Zinssatz ..........................................................................

........ 129 ........ 129 ........ 129 ........ 130

VI.

2.17 .......... 94 2.17 .......... 94 2.18 .......... 96

2.134 2.135 2.137 2.141

XV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

4. Kosten ........................................................................... 2.145 ........ 132 5. Rückführung ................................................................. 2.146 ........ 132 IX.

Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten ......... 1. Beurteilungsgrundsätze ................................................ 2. Zusammenrechnung ..................................................... 3. Umstände in der Person des Verpflichteten ............... 4. Mengenrelation ............................................................. 5. Gaststätteneinrichtung ................................................. 6. Sicherungseigentum ...................................................... 7. Leihinventar .................................................................. 8. Ausbietungsgarantie ..................................................... 9. Rückvergütung/Bonus .................................................

2.148 2.148 2.156 2.157 2.164 2.167 2.170 2.172 2.175 2.176

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

132 132 134 134 136 137 137 138 138 139

X.

Subjektiver Tatbestand ....................................................... 1. Grundsatz ...................................................................... 2. Besonders grobes Missverhältnis ................................. 3. Vermutung .................................................................... 4. Widerlegung .................................................................. 5. Zeitpunkt ...................................................................... 6. Darlegung ......................................................................

2.177 2.177 2.178 2.180 2.184 2.186 2.188

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

139 139 140 140 141 141 142

XI.

Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vertrag insgesamt ............................................................... 2.189 ........ 142

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung ........................... 2.191 ........ 143 I.

Grundsatz ............................................................................ 2.191 ........ 143

II.

Schranke des § 138 Abs. 1 BGB ......................................... 2.192 1. Allgemein ...................................................................... 2.192 2. Darlegung und Beweis .................................................. 2.195 3. Grundlagen der Beurteilung ......................................... 2.196 4. Getränkebezugsverpflichtung ...................................... 2.201 5. Leistungen des Getränkelieferanten ............................ 2.214 6. Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten ....... 2.222

III.

Einordnung ......................................................................... 2.238 ........ 154 1. Unbefristete Bezugsbindungen ................................... 2.238 ........ 154 2. Befristete Bezugsbindungen ........................................ 2.240 ........ 155

IV.

Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten ....... 2.251 ........ 159 1. Einführung .................................................................... 2.251 ........ 159

XVI

........ 143 ........ 143 ........ 144 ........ 145 ........ 146 ........ 149 ......... 150

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Herleitung ..................................................................... 2.252 Stellungnahme ............................................................... 2.254 Ermittlung der Laufzeit ................................................ 2.258 Voraussetzungen der Rückführung im Übrigen ......... 2.264 Grenzen der Rückführung ............................................ 2.268 Revisibilität .................................................................... 2.272 Folgen ............................................................................ 2.273

........ 160 ........ 161 ........ 163 ........ 165 ........ 166 ........ 167 ........ 167

Inhaltskontrolle nach AGB-Recht ..................................... 2.275 1. Laufzeitregelungen und § 305 Abs. 1 BGB ................. 2.275 2. Grundlagen der Inhaltskontrolle von AGB-Erstlaufzeiten ...................................................... 2.285 3. Kontrollfähigkeit ........................................................... 2.286 4. § 309 Nr. 9 a BGB ......................................................... 2.294 5. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ................................................ 2.306 6. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ................................................ 2.307

........ 167 ........ 167

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. V.

VI.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke .................. 2.330 1. Prüfungsmaßstab .......................................................... 2.330 2. Grundsatz ...................................................................... 2.331 3. Grundlagen der Beurteilung ......................................... 2.332 4. Beurteilungskriterien .................................................... 2.337 5. Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten ....... 2.352 6. Zehnjahresgrenze und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ......... 2.357 7. Laufzeiten von mehr als zehn Jahren und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ......................................................... 2.361

........ 171 ........ 171 ........ 173 ........ 176 ........ 176 ........ 182 ........ 182 ........ 182 ........ 182 ........ 183 ......... 186 ........ 187 ........ 189

VII. Rechtsfolgen unwirksamer Laufzeitklauseln ..................... 2.369 ........ 191 1. Laufzeitklausel ............................................................... 2.369 ........ 191 2. Vertrag im Übrigen ....................................................... 2.376 ........ 193 § 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit ........ 2.378 ......... 194 I.

Verlängerung ....................................................................... 2.378 1. Grundsatz ...................................................................... 2.378 2. Nachtrag ........................................................................ 2.379 3. Vertragliche Neugestaltung .......................................... 2.381 4. Verlängerungsoption .................................................... 2.382 5. Verlängerungsklauseln im Allgemeinen ....................... 2.390 6. Verlängerung bei nicht rechtzeitig erklärter Kündigung ..................................................................... 2.398 7. Kündigungsfristen ......................................................... 2.400

........ 194 ........ 194 ........ 194 ........ 194 ........ 194 ........ 196 ........ 198 ........ 199

XVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

8. 9. 10. 11. 12. II.

Offene Posten ............................................................... Darlehensrückführung ................................................. Erweiterung der Absatzstätte ...................................... Lieferunmöglichkeit ..................................................... Schließung der Absatzstätte ........................................

2.401 2.402 2.404 2.405 2.406

Seite

........ ........ ........ ........ ........

199 199 200 200 200

Nichterreichen der vereinbarten Menge ............................ 1. Einführung .................................................................... 2. (Gesamt-)Mengenvertrag ............................................. 3. Nichterreichen der vereinbarten periodischen Mindestbezugsmenge ...................................................

2.407 ........ 201 2.407 ........ 201 2.408 ........ 201 2.414 ........ 203

III.

Anschlussverträge ............................................................... 1. Interessenlage ............................................................... 2. Begriff des Anschlussvertrages .................................... 3. Konsequenzen ............................................................... 4. Prüfungsgrundsätze ...................................................... 5. Personenidentität .......................................................... 6. Innerer Zusammenhang ............................................... 7. Bezugskontinuität ........................................................ 8. Praxishinweis ................................................................

2.415 2.415 2.416 2.417 2.420 2.422 2.427 2.435 2.437

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

203 203 204 204 205 205 206 208 209

IV.

Laufzeitbeginn und spätere Geschäftseröffnung .............. 1. Vertragsabschlussdatum ............................................... 2. Bestimmbarkeit/Transparenz ...................................... 3. Annahme .......................................................................

2.439 2.439 2.440 2.441

........ ........ ........ ........

210 210 210 210

V.

Laufzeitende ........................................................................ 1. Geschäftsaufgabe .......................................................... 2. Veräußerung des Objektes ........................................... 3. Tilgung .......................................................................... 4. Abschreibung ................................................................ 5. Bayrische Sudjahresregelung ........................................ 6. Umzug ...........................................................................

2.442 2.442 2.443 2.444 2.445 2.448 2.449

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

210 210 211 211 211 212 212

VI.

Vertragsübernahme ............................................................. 2.450 ........ 212

VII. Laufzeitendivergenzen ........................................................ 2.452 ........ 212 1. Interessenlage ............................................................... 2.453 ........ 212 2. Rechtliche Würdigung .................................................. 2.454 ........ 213

XVIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Zweiter Abschnitt: Weitere typische Regelungen ................... 2.456 ........ 214 § 12 Lieferweg ............................................................................. 2.456 ........ 214 I.

Einführung ........................................................................... 2.456 ........ 214

II.

Änderungsvorbehalte .......................................................... 2.457 1. Inhalt .............................................................................. 2.457 2. Erforderlichkeit ............................................................. 2.458 3. Individualvertragliche Änderungsvorbehalte .............. 2.459 4. Änderungsvorbehalte und AGB-Recht ....................... 2.461

III.

Sonderfragen im Vertriebsmodell 2 ................................... 2.473 ........ 218 1. Anfängliche Benennung ................................................ 2.473 ........ 218 2. Lieferantenneubenennung auf Wunsch des Gastwirtes ............................................................... 2.475 ........ 218

........ 214 ........ 214 ........ 214 ........ 214 ........ 215

§ 13 Preise .................................................................................... 2.479 ........ 219 I.

Einführung ........................................................................... 2.479 ........ 219 1. Preisklauseln .................................................................. 2.479 ........ 219 2. Unterscheidung ............................................................. 2.480 ........ 219

II.

Hauptpreisabreden .............................................................. 2.482 1. Begriff ............................................................................ 2.482 2. Situation ......................................................................... 2.483 3. Erforderlichkeit ............................................................. 2.484 4. Regelungsort ................................................................. 2.485 5. Kontrollfähigkeit ........................................................... 2.487 6. Transparenzgebot .......................................................... 2.488 7. Rückvergütung .............................................................. 2.493

........ 219 ........ 219 ........ 220 ........ 220 ........ 220 ........ 221 ........ 221 ........ 222

III.

Preisvorbehaltsklauseln ....................................................... 1. Begriff ............................................................................ 2. Fallgruppen .................................................................... 3. Abgrenzung ................................................................... 4. Inhaltskontrolle ............................................................. 5. Billigkeitskontrolle ........................................................

........ 223 ........ 223 ........ 223 ........ 223 ........ 224 ........ 224

IV.

Preisnebenabreden im Übrigen .......................................... 2.502 ........ 224 1. Begriff ............................................................................ 2.502 ........ 224

2.494 2.494 2.495 2.498 2.499 2.500

XIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

2. Beispiele ......................................................................... 2.503 ........ 225 3. Inhaltskontrolle ............................................................ 2.504 ........ 225 V.

Preisänderungsklauseln ...................................................... 1. Begriff ............................................................................ 2. Formulierung ................................................................ 3. Praktische Bedeutung und Erforderlichkeit ............... 4. Kontrollfähigkeit .......................................................... 5. Transparenzgebot ......................................................... 6. Inhaltskontrolle im Übrigen ........................................ 7. Kündigung .....................................................................

2.506 2.506 2.507 2.508 2.510 2.512 2.515 2.525

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

225 225 226 226 226 227 229 233

§ 14 Übertragungsrecht ............................................................ 2.526 ........ 233 I.

Grundlagen .......................................................................... 1. Interessenlage ............................................................... 2. Anwendungsfälle und Abgrenzung ............................. 3. Exkurs Gesamtrechtsnachfolge ................................... 4. Aktiv-/Passivlegitimation ............................................ 5. Regelung ........................................................................

2.526 2.526 2.528 2.531 2.533 2.534

........ ........ ........ ........ ........ ........

233 233 234 234 235 235

II.

Zustimmung ........................................................................ 1. Erforderlichkeit ............................................................ 2. Inhalt ............................................................................. 3. Form ..............................................................................

2.537 2.537 2.539 2.540

........ ........ ........ ........

236 236 236 236

III.

AGB-Klausel ....................................................................... 1. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 2. § 309 Nr. 10 BGB ......................................................... 3. §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB .............. 4. Exkurs: Wechsel der Braustätte ...................................

2.541 2.541 2.542 2.544 2.557

........ ........ ........ ........ ........

236 236 237 237 241

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen ............................. 2.558 ........ 241 I.

XX

Grundlagen .......................................................................... 1. Praktische Bedeutung ................................................... 2. Fallkonstellationen ....................................................... 3. Interessenlage ............................................................... 4. Auslegung ..................................................................... 5. Kein Recht auf befreiende Schuldübernahme ............. 6. Abgrenzung ..................................................................

2.558 2.558 2.559 2.561 2.562 2.563 2.564

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

241 241 241 243 243 243 244

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

II.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB ............................................ 2.565 ........ 244 1. Grundlagen .................................................................... 2.565 ........ 244 2. Überprüfbarkeit ............................................................ 2.568 ........ 245

III.

Inhaltskontrolle nach AGB-Recht ..................................... 2.569 1. Einbeziehung und Transparenz .................................... 2.569 2. Grundsätzliche Zulässigkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ......................................................... 2.572 3. Keine Differenzierung nach der Rechtsstellung des Kunden .................................................................... 2.578 4. Zulässigkeitsvoraussetzungen ...................................... 2.579 5. Anzeigepflicht ............................................................... 2.583 6. Mithaftklauseln ............................................................. 2.584 7. Bürgschaftsklauseln ...................................................... 2.591 8. Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 2.594

........ 245 ........ 245 ........ 245 ........ 247 ........ 248 ........ 249 ........ 249 ........ 251 ........ 252

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis ............... 2.596 ........ 252 I.

Grundlagen .......................................................................... 2.596 1. Situation und Interessenlage ........................................ 2.596 2. Gestaltungsmöglichkeiten ............................................ 2.599 3. Abgrenzung und Unterschiede .................................... 2.600

........ 252 ........ 252 ........ 253 ........ 254

II.

Auslegung ............................................................................ 1. Vertragsübernahme ....................................................... 2. Schuldübernahme .......................................................... 3. Erfüllungsübernahme .................................................... 4. Vertragsbeitritt .............................................................. 5. Schuldbeitritt .................................................................

2.602 2.603 2.606 2.607 2.608 2.609

........ 254 ........ 254 ........ 255 ........ 255 ........ 256 ........ 256

III.

Vertragsübernahme – allgemeine Fragen ........................... 2.612 1. Anwendbares Recht ...................................................... 2.612 2. Beteiligte ........................................................................ 2.613 3. Kontrahierungsformen ................................................. 2.614 4. Konsequenzen ............................................................... 2.615 5. Nachtrag, eine Option? ................................................ 2.617 6. Handlungsoption Neuvertrag ...................................... 2.624 7. Form nach § 311b Abs. 1 BGB ..................................... 2.627 8. Umfang der Übertragung ............................................. 2.629 9. Nachträgliche Trennung von Finanzierung und Bindung .................................................................. 2.631 10. Bisheriger Vertrag ......................................................... 2.633

........ 257 ........ 257 ........ 257 ........ 258 ........ 258 ........ 258 ........ 260 ........ 260 ........ 261 ........ 261 ........ 262

XXI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

11. Einwendungen .............................................................. 2.636 ........ 263 12. Sicherheiten ................................................................... 2.637 ........ 263 13. Haftung nach § 25 HGB .............................................. 2.638 ........ 263 IV.

Sonderfall der Vertragsübernahme nach § 415 BGB analog ................................................................ 1. Keine Verpflichtung zur Zustimmung ........................ 2. Bedeutung einer Rechts-/Geschäftsnachfolgeklausel ................................................................... 3. Form .............................................................................. 4. Schweigen ...................................................................... 5. Freistellung ...................................................................

2.641 2.642 2.643 2.645

........ ........ ........ ........

265 265 265 266

V.

Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht ............. 1. Einführung .................................................................... 2. Exkurs: Allgemeines Verbraucherschutzrecht ............ 3. Grundsatz ...................................................................... 4. Temporaler Anwendungsbereich ................................. 5. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 6. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 7. Vorvertragliche Informationen .................................... 8. Schriftform .................................................................... 9. Pflichtangaben .............................................................. 10. Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation ............... 11. Widerruf ........................................................................

2.646 2.646 2.647 2.648 2.649 2.650 2.656 2.658 2.659 2.662 2.663 2.667

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

266 266 266 266 266 267 269 269 270 271 271 271

VI.

Schuldübernahme und Verbraucherkreditrecht ................ 1. Grundsatz ...................................................................... 2. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 3. Pflichtangaben .............................................................. 4. Widerruf ........................................................................

2.684 2.684 2.685 2.687 2.688

........ ........ ........ ........ ........

275 275 275 275 275

2.639 ........ 264 2.639 ........ 264

VII. Vertragsbeitritt und Verbraucherkreditrecht .................... 2.690 ........ 276 1. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 2.691 ........ 276 2. Widerruf ........................................................................ 2.692 ........ 276 VIII. Schuldbeitritt und Verbraucherkreditrecht ....................... 1. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 2. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 3. Widerruf ........................................................................

XXII

2.694 2.695 2.696 2.697

........ ........ ........ ........

276 276 277 277

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Dritter Abschnitt: Sanktionsregelungen bei Leistungsstörungen ...................................................................... 2.700 ........ 278 § 17 Schadensersatz .................................................................... 2.700 ........ 278 I.

Einführung ........................................................................... 2.700 ........ 278

II.

Haftung dem Grunde nach ................................................. 2.701 1. Abbedingung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 281 BGB und § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ............... 2.701 2. Transparenzgebot .......................................................... 2.706 3. Kumulationsverbot ....................................................... 2.707 4. Rechtsfolge .................................................................... 2.709

III.

IV.

V.

Schadensersatzpauschalierungen ........................................ 2.710 1. Praktisches Bedürfnis ................................................... 2.710 2. § 309 Nr. 5 BGB ............................................................ 2.711 3. Transparenzgebot .......................................................... 2.718 4. Beweis ............................................................................ 2.719 5. Vorbehalt der Berechnung eines konkret höheren Schadens ........................................................................ 2.720 6. Abgrenzung zur Vertragsstrafe .................................... 2.722 Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB ............................................................... 2.734 1. Durchschnittsschaden als Maßstab .............................. 2.734 2. Ermittlung des Durchschnittsschadens ....................... 2.739 3. Anerkannte Pauschalbeträge ........................................ 2.748 4. Anerkannte pauschale Prozentsätze ............................ 2.749 5. Besonderheiten bei Biermischgetränken und alkoholfreien Getränken ............................................... 2.751 6. Darlegung und Beweis .................................................. 2.752 7. Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 2.766 Gestattung des Gegenbeweises und § 309 Nr. 5 b BGB ...... 2.767 1. Temporaler Anwendungsbereich ................................. 2.767 2. Nachweisgestattung ...................................................... 2.768 3. Darlegung und Beweis .................................................. 2.769 4. Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 2.770 5. Individualabrede ............................................................ 2.771

........ 279 ........ 279 ........ 280 ........ 280 ........ 281 ........ 281 ........ 281 ........ 281 ........ 283 ........ 283 ........ 284 ........ 284 ........ 288 ........ 288 ........ 289 ........ 292 ........ 292 ........ 293 ........ 293 ........ 297 ......... 298 ........ 298 ........ 298 ........ 298 ........ 298 ........ 298

§ 18 Vertragsstrafe ...................................................................... 2.772 ........ 299 I.

Grundlagen .......................................................................... 2.772 ........ 299 XXIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

1. 2. 3. 4. II.

III.

Funktionen .................................................................... Bedeutung ..................................................................... Abgrenzung .................................................................. Vertragsverletzung .......................................................

Inhaltskontrolle .................................................................. 1. § 309 Nr. 6 BGB ........................................................... 2. Kontrollfähigkeit .......................................................... 3. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB ............................................................ 4. Transparenzgebot ......................................................... 5. Voraussetzungen einer Vertragsstrafe ......................... 6. Umfang der Vertragsstrafe ........................................... 7. Kumulationsverbot ....................................................... Fremdbezug ........................................................................ 1. Abgrenzung .................................................................. 2. AGB und Einbeziehung ............................................... 3. § 309 Nr. 6 BGB ........................................................... 4. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB ............................................................ 5. Transparenzgebot ......................................................... 6. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ..............................................

2.772 2.773 2.774 2.775

Seite

........ ........ ........ ........

299 299 300 300

2.776 ........ 300 2.776 ........ 300 2.778 ........ 300 2.779 2.783 2.785 2.789 2.803

........ ........ ........ ........ ........

301 302 303 304 307

2.810 2.810 2.811 2.813

........ ........ ........ ........

309 309 309 309

2.815 ........ 310 2.816 ........ 310 2.817 ........ 311

IV.

Einstellung des Getränkebezuges ...................................... 2.825 ........ 312 1. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ................................................ 2.825 ........ 312 2. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB .............................................. 2.826 ........ 312

V.

Weitere Anwendungsfälle .................................................. 2.832 ........ 314 1. Verstoß gegen Rechtsnachfolgeklausel ....................... 2.832 ........ 314 2. Vorzeitige Darlehensrückzahlung ............................... 2.833 ........ 314

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug ........................... 2.835 ........ 315 I.

Einführung .......................................................................... 1. Wirtschaftlicher Hintergrund ...................................... 2. Bonus und Malus .......................................................... 3. Denkbare Ausgleichsregelungen ................................. 4. Grundsätzliche Zulässigkeit .........................................

II.

Ausgleichsregelung als AGB-Klausel ................................ 2.845 ........ 319

XXIV

2.835 2.835 2.838 2.841 2.844

........ ........ ........ ........ ........

315 315 316 316 318

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

III.

Schadensersatz ..................................................................... 2.847 1. Abgrenzung ................................................................... 2.847 2. Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB ..................... 2.849 3. AGB-Klausel ................................................................. 2.850 4. Verschuldensabhängigkeit ............................................ 2.852 5. Transparenzgebot .......................................................... 2.854 6. Schranke des § 309 Nr. 5 a BGB .................................. 2.856 7. Nachweis eines geringeren Schadens ........................... 2.861 8. Rechtsfolge .................................................................... 2.863

........ 320 ........ 320 ........ 320 ........ 321 ........ 321 ........ 322 ........ 323 ........ 323 ........ 324

IV.

Vertragsstrafe ...................................................................... 2.865 1. Abgrenzung ................................................................... 2.865 2. AGB-Klausel ................................................................. 2.868 3. § 309 Nr. 6 BGB ............................................................ 2.869 4. Verschuldensabhängigkeit ............................................ 2.870 5. Transparenzgebot .......................................................... 2.871 6. Unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ..................................................................... 2.872 7. Kumulationsverbot ....................................................... 2.873

........ 324 ........ 324 ........ 325 ........ 325 ........ 325 ........ 325

Negative Umsatzpacht ........................................................ 2.879 1. Inhalt .............................................................................. 2.879 2. Einordnung .................................................................... 2.881 3. Wirksamkeit des Pacht- und Getränkelieferungsvertrages ......................................................................... 2.882 4. Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB ..................... 2.883 5. Mindestmengenvereinbarung ....................................... 2.887 6. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht ............................... 2.888 7. Konsequenzen ............................................................... 2.891

........ 327 ........ 327 ........ 327

Anspruch sui generis ........................................................... 2.892 1. Meinungsstand .............................................................. 2.892 2. Die Entscheidung des BGH vom 6.12.1989 ................ 2.895 3. Das Urteil des OLG Köln vom 9.1.2007 ..................... 2.903 4. Inhaltskontrolle ............................................................. 2.905

........ 330 ........ 330 ........ 331 ........ 333 ........ 334

VII. These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich ..... 2.927 1. Meinungsstand .............................................................. 2.927 2. Grundsatz ...................................................................... 2.930 3. Parallele zur These vom Anspruch sui generis ............ 2.931 4. Abgrenzung ................................................................... 2.932 5. Ausschluss der Inhaltskontrolle ................................... 2.933

........ 339 ........ 339 ........ 340 ........ 340 ........ 340 ........ 340

V.

VI.

........ 326 ........ 326

........ 328 ........ 328 ........ 329 ........ 329 ........ 330

XXV

Inhaltsverzeichnis Rz.

6. 7. 8. 9. 10.

Seite

Verstoß gegen die vertragstypische Risikoverteilung ..... 2.935 ......... 341 Transparenzgebot ......................................................... 2.942 ........ 342 § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB .............................................. 2.944 ........ 343 Höhe der Ausgleichszahlung ....................................... 2.947 ........ 343 Verjährung .................................................................... 2.949 ........ 344

VIII. Kumulative Sanktionen ...................................................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Einbeziehung ................................................................ 3. Verschuldenserfordernis .............................................. 4. Tranparenzgebot ........................................................... 5. Kumulationsverbot .......................................................

2.950 2.950 2.952 2.953 2.955 2.956

........ ........ ........ ........ ........ ........

344 344 344 344 345 345

Vorbehalt der Gesamtmengenabrechnung bei Vertragsablauf ..................................................................... 1. Situation ........................................................................ 2. Abgrenzung .................................................................. 3. Abrechnung .................................................................. 4. Einbeziehung ................................................................ 5. Hinausschieben der Fälligkeit ...................................... 6. Gesetzliches Leitbild .................................................... 7. Transparenzgebot ......................................................... 8. Malus-Bonus-Verrechnung .......................................... 9. Verlängerung .................................................................

2.960 2.960 2.961 2.962 2.963 2.964 2.967 2.969 2.970 2.972

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

346 346 347 347 347 347 348 349 349 349

X.

Nachverzinsung .................................................................. 1. Situation ........................................................................ 2. Einbeziehung ................................................................ 3. Transparenz ................................................................... 4. Inhaltskontrolle ............................................................ 5. Prozessuales ..................................................................

2.976 2.976 2.977 2.978 2.979 2.981

........ ........ ........ ........ ........ ........

350 350 350 350 351 352

XI.

Leistungsanpassung ............................................................ 1. Grundlagen ................................................................... 2. Einbeziehung ................................................................ 3. Inhaltskontrolle ............................................................

2.982 2.982 2.983 2.984

........ ........ ........ ........

352 352 352 352

IX.

XII. Teilkündigung ..................................................................... 2.985 ........ 353 1. Einführung .................................................................... 2.985 ........ 353 2. Inhaltskontrolle ............................................................ 2.986 ........ 353 XIII. Kündigung ........................................................................... 2.991 ........ 354 1. Einführung .................................................................... 2.991 ........ 354 XXVI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

2. Einbeziehung und Transparenz .................................... 2.992 ........ 354 3. Inhaltskontrolle ............................................................. 2.993 ........ 355 Vierter Abschnitt: Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Verbraucherkreditrechts ..................................................... 2.1002 ........ 357 § 20 Das maßgebliche Recht im Zeitablauf ........................... 2.1002 ........ 357 I.

Grundlagen ........................................................................ 2.1002 1. Bedeutung der Alt- und Übergangsvorschriften ...... 2.1002 2. Maßgeblicher Zeitpunkt ............................................. 2.1003 3. Fokussierung ............................................................... 2.1004

........ 357 ........ 357 ........ 357 ........ 357

II.

Rechtsänderungen seit dem 2. November 2002 .............. 2.1005 1. 2. November 2002 ....................................................... 2.1005 2. 11. Juni 2010 ................................................................ 2.1009 3. 30. Juli 2010 ................................................................. 2.1012 4. 13. Juni 2014 ................................................................ 2.1014 5. 21. März 2016 .............................................................. 2.1019 6. 10. Juni 2017 ................................................................ 2.1021

........ 358 ........ 358 ........ 359 ........ 360 ........ 360 ........ 362 ........ 362

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich ..................................... 2.1022 ........ 362 I.

Ratenlieferungsverträge und Verbraucherkreditrecht ..... 2.1022 1. Europarechtliche Vorgaben ........................................ 2.1022 2. Rückblick ..................................................................... 2.1024 3. Schutzzweck ................................................................ 2.1025 4. Umfang der entsprechenden Anwendung ................. 2.1027

II.

Abgrenzung ....................................................................... 2.1029 ........ 365 1. Lieferung von Teilleistungen ...................................... 2.1029 ........ 365 2. Regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art ...... 2.1031 ........ 365

III.

Getränkebezugsverpflichtungen und § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB ............................................................... 1. Rechtsnatur ................................................................. 2. Voraussetzungen ......................................................... 3. Einordnung des Vertrages .......................................... 4. Tatbestand ................................................................... 5. Vertragsinhalt .............................................................. 6. Darlegung und Beweis ................................................ 7. Praktische Bedeutung .................................................

2.1035 2.1035 2.1036 2.1040 2.1045 2.1052 2.1056 2.1057

........ 362 ........ 362 ........ 363 ........ 363 ........ 364

........ 366 ........ 366 ........ 366 ........ 367 ........ 368 ........ 369 ........ 370 ........ 370 XXVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich ................................. 2.1059 ........ 371 I.

Grundlagen ........................................................................ 1. Grundsatz .................................................................... 2. Konsequenzen ............................................................. 3. Aufbau .........................................................................

2.1059 2.1059 2.1060 2.1062

........ ........ ........ ........

371 371 372 372

II.

Verbraucher ....................................................................... 1. Praktische Bedeutung ................................................. 2. Zweck des Rechtsgeschäfts ........................................ 3. Darlegung und Beweis ................................................ 4. Mehrheit von Vertragsparteien .................................. 5. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) .................. 6. Zusammenschlüsse natürlicher Personen ohne eigene Rechtsfähigkeit ...................................... 7. Nichtrechtsfähiger Verein .......................................... 8. Wohnungseigentümergemeinschaft .......................... 9. Kommanditist ............................................................. 10. Anteilserwerb bzw. Beteiligung an einer Gesellschaft ................................................................. 11. Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH ................................................................

2.1063 2.1063 2.1064 2.1068 2.1069 2.1070

........ ........ ........ ........ ........ ........

372 372 372 373 373 374

2.1076 2.1077 2.1078 2.1079

........ ........ ........ ........

375 375 375 375

III.

Existenzgründer ................................................................ 1. Praktische Bedeutung ................................................. 2. Der Existenzgründer im Wandel der Zeit ................. 3. Europarechtlicher Hintergrund ................................. 4. Bedeutung des § 513 BGB .......................................... 5. Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit ................... 6. Gründungsphase ......................................................... 7. Ende der Gründungsphase ......................................... 8. Wiederholte Existenzgründung ................................. 9. Geschäfte nach Abschluss der Existenzgründungsphase .......................................................... 10. Geschäftserweiterung ................................................. 11. Umfang der gewerblichen Tätigkeit .......................... 12. Umstrukturierung ...................................................... 13. Umwandlung bzw. Änderung der Rechtsform ........ 14. Änderung der Etablissementbezeichnung ................ 15. Standortverlagerung ................................................... 16. Geschäftsaufgabe ........................................................ 17. Folgeverträge ..............................................................

XXVIII

2.1080 ........ 375 2.1081 ........ 376 2.1084 2.1084 2.1085 2.1089 2.1090 2.1093 2.1105 2.1108 2.1126

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

377 377 378 378 379 379 382 383 387

2.1149 2.1150 2.1154 2.1155 2.1156 2.1159 2.1160 2.1161 2.1162

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

393 393 395 395 395 396 396 397 397

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

18. Saisonverträge .............................................................. 2.1163 ........ 397 19. Bestandsgastronomen ................................................. 2.1164 ........ 397 20. Bindung durch mehrere Getränkelieferanten ............ 2.1165 ........ 398 IV.

Geschäftsvolumen über 75.000,00 € ................................. 2.1166 1. Einführung .................................................................. 2.1166 2. Europarechtlicher Hintergrund ................................. 2.1167 3. Normzweck ................................................................. 2.1168 4. Darlegung und Beweis ................................................ 2.1169 5. Anwendbarkeit auf Verbraucher ................................ 2.1171 6. Anwendbarkeit auf Getränkelieferungsverträge ....... 2.1172 7. Zweifache Anwendung ............................................... 2.1173 8. Verbundene und zusammenhängende Verträge ........ 2.1177 9. Zusammenrechnung von Finanzierungsund Bindungsvolumen ................................................ 2.1182 10. Einzelbetrachtung ....................................................... 2.1188 11. Vertraglich vorgesehenes Mindestauftragsvolumen ..... 2.1189 12. Kündigungsrecht ......................................................... 2.1194 13. Umsatzsteuer .............................................................. 2.1199 14. Anwendbarkeit auf Geschäftsvolumina über 75.000,00 € .......................................................... 2.1207

........ 398 ........ 398 ........ 398 ........ 398 ........ 399 ........ 399 ........ 399 ........ 400 ........ 400 ........ 401 ........ 403 ......... 403 ........ 404 ........ 405 ........ 407

§ 23 Form und Inhalt ............................................................... 2.1208 ........ 408 I.

Schriftformerfordernis ...................................................... 1. Einführung .................................................................. 2. Schutzzweck ................................................................ 3. Anwendungsbereich .................................................... 4. Umfang ........................................................................ 5. Vollmacht .................................................................... 6. Anforderungen ............................................................ 7. Formerleichterungen .................................................. 8. Abdingbarkeit .............................................................. 9. Heilung ........................................................................ 10. Rechtsfolgen bei Verstoß ........................................... 11. Verwirkung .................................................................. 12. Unzulässige Rechtsausübung ..................................... 13. Rückabwicklung ..........................................................

2.1208 2.1208 2.1209 2.1210 2.1211 2.1212 2.1213 2.1226 2.1229 2.1230 2.1233 2.1234 2.1235 2.1237

........ 408 ........ 408 ........ 408 ........ 408 ........ 408 ........ 409 ........ 409 ........ 411 ........ 411 ........ 411 ........ 412 ........ 412 ........ 412 ........ 413

II.

Vorvertragliche Informationspflichten ............................ 2.1239 ........ 413

III.

Vertragliche Pflichtangaben .............................................. 2.1240 ........ 413

XXIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

IV.

Mitteilung des Vertragsinhaltes in Textform .................. 1. Auslegung ................................................................... 2. Umfang ....................................................................... 3. Zeitpunkt und Durchsetzung .................................... 4. Rechtsfolgen bei Verstoß ...........................................

2.1241 2.1241 2.1242 2.1243 2.1244

Seite

........ ........ ........ ........ ........

413 413 414 414 414

§ 24 Widerrufsbelehrung ........................................................ 2.1245 ........ 414 I.

II.

Problemfeld nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung ........................................................................... 1. Maßgebliches Recht ................................................... 2. Erforderlichkeit einer Widerrufsbelehrung ............... 3. Entbehrlichkeit einer Widerrufsbelehrung ............... 4. Gesetzlicher Rahmen ................................................. 5. Fehlen eines gesetzlichen Musters ............................ 6. Lösungsansatz und Kritik .......................................... 7. Damoklesschwert Widerruflichkeit ........................... 8. Darlegung und Beweis ................................................ 9. Verzicht ....................................................................... 10. Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung ...........................

2.1245 2.1245 2.1246 2.1248 2.1250 2.1251 2.1252 2.1253 2.1257 2.1258 2.1260

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

414 414 414 415 415 416 416 417 418 418 419

Die eigenformulierte Widerrufsbelehrung, Grundlagen ........................................................................ 1. Die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung im stationären Handel im Überblick .............................. 2. Transparenzgebot ....................................................... 3. Nachträgliche Belehrung ............................................

2.1261 ........ 419 2.1262 ........ 420 2.1263 ........ 420

III.

Deutlichkeitsgebot ........................................................... 1. Schutzzweck ............................................................... 2. Geltungsbereich .......................................................... 3. Geltungsanspruch ....................................................... 4. Beurteilungszeitpunkt ................................................

2.1265 2.1265 2.1266 2.1267 2.1269

........ ........ ........ ........ ........

421 421 421 421 421

IV.

Deutlichkeitsgebot und äußere Gestaltung ..................... 1. Grundsatz .................................................................... 2. Verbundene Verträge ................................................. 3. Standort ....................................................................... 4. Formale Anforderungen an die Deutlichkeit ............ 5. Mittel der Hervorhebung ...........................................

2.1270 2.1270 2.1271 2.1272 2.1273 2.1276

........ ........ ........ ........ ........ ........

421 421 421 422 422 423

XXX

2.1261 ........ 419

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

V.

Form ................................................................................... 2.1281 ........ 424

VI.

Recht zum Widerruf .......................................................... 2.1282 1. Schutzzweck ................................................................ 2.1282 2. Grundfragen ................................................................ 2.1283 3. Überschrift .................................................................. 2.1286 4. Widerrufsberechtigung ............................................... 2.1287 5. Bezug ........................................................................... 2.1290 6. Inbezugnahme von Gesetzen ..................................... 2.1293 7. Widerrufsausübung ..................................................... 2.1294 8. Zusätze ......................................................................... 2.1296 9. Ort und Datum ........................................................... 2.1299 10. Unterschrift ................................................................. 2.1301 11. Empfangs-/Aushändigungsbestätigung ..................... 2.1302 12. Doppelbelehrung ........................................................ 2.1306 13. Sprache ......................................................................... 2.1307 14. Unklarheiten ............................................................... 2.1309 15. Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ........................ 2.1310

........ 424 ........ 424 ........ 425 ........ 426 ........ 426 ........ 427 ........ 427 ........ 428 ........ 428 ........ 429 ........ 429 ........ 430 ........ 431 ........ 432 ........ 432 ........ 432

VII. Rechtsfolgen des Widerrufs .............................................. 2.1311 1. Vertragspartnernschaft ............................................... 2.1311 2. Im Übrigen .................................................................. 2.1312 3. Freiwillige Rechtsfolgenbelehrung ............................ 2.1322 4. Rückzahlung ................................................................ 2.1323 5. Wertersatz ................................................................... 2.1324 6. Rücksendekosten ........................................................ 2.1327

........ 432 ........ 432 ........ 432 ........ 435 ........ 436 ........ 436 ........ 437

VIII. Widerrufserstreckung ....................................................... 2.1328 ........ 438 1. Personale Reichweite .................................................. 2.1328 ........ 438 2. Sachliche Reichweite ................................................... 2.1330 ........ 438 IX.

Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist ....... 2.1331 1. Belehrungserfordernis ................................................. 2.1331 2. Schutzzweck ................................................................ 2.1332 3. Geltendes Fristenregime ............................................. 2.1333 4. Voraussetzungen des Fristbeginns ............................. 2.1334 5. Fallstricke im Zusammenhang mit dem Hinweis auf den Fristbeginn ..................................................... 2.1337 6. Konkretes Datum des Fristbeginns ........................... 2.1357 7. Grundsätze der Fristberechnung ............................... 2.1359 8. Hinweis auf rechtzeitige Absendung ......................... 2.1360 9. Widerrufsgrund ........................................................... 2.1364 10. Form der Widerrufserklärung .................................... 2.1365

........ 439 ........ 439 ........ 439 ........ 439 ........ 439 ........ 440 ........ 444 ........ 444 ........ 444 ........ 445 ........ 445

XXXI

Inhaltsverzeichnis Rz.

X.

XI.

Name und ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers ....................................................... 1. Grundsatz .................................................................... 2. Widerrufsempfänger ................................................... 3. Name ........................................................................... 4. Ladungsfähige Anschrift ............................................ Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung ........................... 1. Hintergrund ................................................................ 2. Betroffenheit ............................................................... 3. Fallgruppen ................................................................. 4. Rechtsnatur der Widerrufsbelehrung ........................ 5. Vertragliche Begründung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Widerrufsrechts .................................. 6. Annahme eines vertraglich begründeten Widerrufsrechts .......................................................... 7. Vorbehalt der personalen Anwendbarkeit ................ 8. Vorbehalt der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs ................................................. 9. Geltung des Regelungsregimes der §§ 355 – 357c BGB ....................................................... 10. Anwendbarkeit weiterer Verbraucherschutzvorschriften ................................................................. 11. Rückdatierung ............................................................. 12. Widerrufsfrist ............................................................. 13. Praxishinweis ..............................................................

Seite

2.1367 2.1367 2.1368 2.1369 2.1370

........ ........ ........ ........ ........

446 446 446 446 446

2.1375 2.1375 2.1376 2.1379 2.1382

........ ........ ........ ........ ........

447 447 447 448 449

2.1386 ........ 450 2.1391 ........ 453 2.1395 ........ 454 2.1397 ........ 455 2.1400 ........ 457 2.1406 2.1408 2.1409 2.1410

........ ........ ........ ........

459 460 460 461

§ 25 Widerruf ............................................................................ 2.1411 ........ 461 I.

Widerrufsrecht .................................................................. 1. Grundsatz .................................................................... 2. Bedeutung des § 510 Abs. 2 BGB .............................. 3. Fallgruppen ................................................................. 4. Verzicht .......................................................................

2.1411 2.1411 2.1412 2.1413 2.1415

II.

Verhältnis zu anderen Vorschriften ................................. 1. Verbraucherdarlehen oder entgeltliche Finanzierungshilfen .................................................... 2. Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe ..................... 3. Kündigung und Aufhebung .......................................

2.1416 ........ 462

XXXII

........ ........ ........ ........ ........

461 461 461 462 462

2.1416 ........ 462 2.1417 ........ 462 2.1419 ........ 463

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

2.1420 2.1420 2.1421 2.1422

........ 464 ........ 464 ........ 464 ........ 465

III.

Widerrufsberechtigter ....................................................... 1. Vertragspartnerschaft ................................................. 2. Abtretung .................................................................... 3. Gesamtrechtsnachfolge ..............................................

IV.

Widerrufsadressat .............................................................. 2.1423 ........ 465 1. Grundsatz .................................................................... 2.1423 ........ 465 2. Benannte Dritte ........................................................... 2.1424 ........ 465

V.

Widerrufsgegenstand ........................................................ 1. Grundlagen .................................................................. 2. Gemischte Verträge .................................................... 3. Getrennte Verträge ..................................................... 4. Gesamtschuldnerschaft ...............................................

2.1425 2.1425 2.1427 2.1428 2.1429

........ 465 ........ 465 ........ 466 ........ 466 ........ 466

VI.

Widerrufserklärung ........................................................... 2.1430 1. Rechtsnatur ................................................................. 2.1430 2. Bezug ........................................................................... 2.1431 3. Eindeutige Erklärung .................................................. 2.1432 4. Zugang ......................................................................... 2.1445 5. Bedingung .................................................................... 2.1446 6. Motive .......................................................................... 2.1447 7. Begründung ................................................................. 2.1448 8. Objektiver Teilwiderruf .............................................. 2.1449 9. Subjektiver Teilwiderruf gegenüber mehreren Unternehmern ............................................................. 2.1453 10. Form ............................................................................ 2.1454 11. Widerruf des Widerrufs .............................................. 2.1459 12. Rückgewähr erbrachter Leistungen ........................... 2.1460

........ 467 ........ 467 ........ 467 ........ 467 ........ 470 ........ 470 ........ 470 ........ 470 ........ 471 ........ 472 ........ 472 ........ 473 ........ 473

VII. Widerrufsfrist .................................................................... 1. Frist .............................................................................. 2. Abdingbarkeit .............................................................. 3. Fristbeginn .................................................................. 4. Fristberechnung .......................................................... 5. Fristwahrung ...............................................................

2.1461 2.1461 2.1462 2.1463 2.1468 2.1471

........ 473 ........ 473 ........ 473 ........ 473 ........ 474 ........ 475

VIII. Erlöschen des Widerrufsrechts ......................................... 1. Ausschlussfrist ............................................................ 2. Erlöschensfrist ............................................................. 3. Faktische Beendigung ................................................. 4. Verwirkung ..................................................................

2.1473 2.1473 2.1476 2.1477 2.1478

........ 475 ........ 475 ........ 476 ........ 476 ........ 476

XXXIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

5. (Rechts-)Missbrauch im Übrigen .............................. 2.1480 ........ 477 6. Prozessuale Präklusion ............................................... 2.1485 ........ 478 IX.

Darlegung und Beweis ...................................................... 2.1488 ........ 479 1. Unternehmer .............................................................. 2.1488 ........ 479 2. Verbraucher/Existenzgründer ................................... 2.1489 ........ 479

X.

Folgen des Widerrufs ........................................................ 1. Rechtsnatur ................................................................. 2. Wirkung ...................................................................... 3. Beiderseitige Erfüllungsansprüche etc. vor Fristablauf ............................................................. 4. Leistungsverweigerungsrecht .....................................

2.1490 ........ 480 2.1490 ........ 480 2.1491 ........ 480

Widerrufserstreckung ....................................................... 1. Einführung .................................................................. 2. Sonderfall des verbundenen Geschäftes .................... 3. Getränkelieferungsverträge und § 139 BGB ............. 4. Sachliche Reichweite des Widerrufs .......................... 5. Einzelkaufverträge über die Lieferung von Getränken ............................................................ 6. Personale Reichweite ..................................................

2.1496 2.1496 2.1497 2.1498 2.1507

XI.

XII. Konsequenezen für den Getränkelieferungsvertrag im Übrigen ........................................................................ 1. Einführung .................................................................. 2. Anspruchsgrundlage ................................................... 3. Ansprüche des Darlehensgebers ................................ 4. Ansprüche des Darlehensnehmers ............................ 5. Saldierung .................................................................... 6. Darlegung und Beweis ................................................

2.1492 ........ 480 2.1493 ........ 480 ........ ........ ........ ........ ........

481 481 481 482 484

2.1514 ........ 485 2.1520 ........ 487

2.1521 2.1521 2.1522 2.1523 2.1526 2.1529 2.1532

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

487 487 488 488 489 490 490

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern ....... 2.1533 ........ 490 I.

Allgemeines ....................................................................... 1. Einführung .................................................................. 2. Vertriebsformen ......................................................... 3. Betroffenheit ............................................................... 4. Anknüpfungspunkt .................................................... 5. Temporaler Anwendungsbereich ............................... 6. Darlegung und Beweis ................................................

XXXIV

2.1533 2.1533 2.1534 2.1535 2.1538 2.1539 2.1540

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

490 490 491 491 492 492 492

Inhaltsverzeichnis

II.

III.

IV.

V.

VI.

Rz.

Seite

Verbrauchervertrag ............................................................ 2.1541 1. Persönlicher Anwendungsbereich .............................. 2.1541 2. Vertrag über eine entgeltliche Leistung des Unternehmers ....................................................... 2.1548 3. Ausnahmetatbestände nach § 312 Abs. 2 BGB ......... 2.1558 4. Finanzdienstleistungen ............................................... 2.1567

........ 492 ........ 492 ........ 494 ........ 496 ........ 498

Vorvertragliche Informationspflichten im stationären Handel ................................................................................ 2.1574 1. Geltungsbereich .......................................................... 2.1574 2. Information ................................................................. 2.1575 3. Transparenzgebot ........................................................ 2.1577 4. Sprache ......................................................................... 2.1578 5. Vorvertragliche Informationspflichten ...................... 2.1579 6. Sanktionen bei Verletzung ......................................... 2.1582

........ 499 ........ 499 ........ 500 ........ 500 ........ 500 ........ 501 ........ 502

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge .............................................................................. 2.1584 1. Schutzzweck ................................................................ 2.1584 2. Abgrenzung zum Fernabsatzvertrag .......................... 2.1585 3. Praktische Relevanz .................................................... 2.1587 4. Erweiterter Anwendungsbereich ................................ 2.1588 5. Geschäftsräume des Unternehmers ........................... 2.1592 6. Zugerechnete Geschäftsräume von Hilfspersonen ...... 2.1594 7. Situative Tatbestandsvoraussetzungen ...................... 2.1596 8. Darlegung und Beweis ................................................ 2.1609

........ 502 ........ 502 ........ 502 ........ 503 ........ 503 ........ 504 ........ 504 ........ 505 ........ 508

Besondere vorvertragliche Informationspflichten .......... 2.1610 1. Rechtsgrundlage .......................................................... 2.1610 2. Rechtsnatur ................................................................. 2.1611 3. Abgrenzung ................................................................. 2.1612 4. Informationen als Vertragsinhalt ............................... 2.1614 5. Formale Anforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten .......................................... 2.1617 6. Ausgewählte allgemeine vorvertragliche Informationspflichten ................................................. 2.1621 7. Rechtsfolgen bei Verstoß ........................................... 2.1627

........ 508 ........ 508 ........ 508 ........ 509 ........ 509 ........ 510 ........ 511 ........ 511

Widerrufsbelehrung .......................................................... 2.1629 ........ 512 1. Belehrungspflicht ........................................................ 2.1629 ........ 512 2. Information über Ausnahmen vom Widerrufsrecht ............................................................ 2.1631 ........ 512

XXXV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

3. Gesetzliches Muster oder eigen gestaltete Widerrufsbelehrung .................................................... 2.1635 ........ 513 4. Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ............................................................ 2.1637 ........ 513 5. Die eigen formulierte Widerrufsbelehrung ............... 2.1648 ........ 517 VII. Vertragsinformationen ..................................................... 1. Allgemeines ................................................................. 2. Vertragsabschrift ........................................................ 3. Vertragsbestätigung .................................................... 4. Zur Verfügung stellen ................................................ 5. Zeitpunkt .................................................................... 6. Darlegung und Beweis ................................................ 7. Weitere Fragen von Interesse .................................... 8. Sanktionen bei Verstoß ..............................................

2.1663 2.1663 2.1668 2.1672 2.1675 2.1677 2.1678 2.1679 2.1681

VIII. Widerruf ............................................................................ 1. Abgrenzung ................................................................ 2. Widerrufsrecht ............................................................ 3. Ausschluss des Widerrufsrechts bei notariell beurkundeten Verträgen ............................................ 4. Verhältnis zu anderen Widerrufsrechten .................. 5. Widerrufsfrist ............................................................. 6. Erlöschen des Widerrufsrechts .................................. 7. Widerrufserklärung ....................................................

2.1685 ........ 524 2.1686 ........ 524 2.1687 ........ 524 2.1689 2.1691 2.1696 2.1698 2.1703

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

........ ........ ........ ........ ........

520 520 521 522 522 523 523 523 524

525 526 527 527 528

Fünfter Abschnitt: Fragen des Kartellrechts ......................... 2.1705 ........ 528 § 27 Europäisches Kartellrecht ............................................... 2.1705 ........ 528 I.

Abgrenzung ....................................................................... 2.1705 ........ 528

II.

Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen . 1. Schutzzweck und Systematik ..................................... 2. Prüfungsrelevanz ........................................................ 3. Unternehmen und Unternehmensvereinigungen ..... 4. Vereinbarung ............................................................... 5. Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs ......................................................... 6. Relevanter Markt ........................................................ 7. Bezwecken oder Bewirken .........................................

XXXVI

2.1707 2.1707 2.1709 2.1710 2.1715

........ ........ ........ ........ ........

529 529 529 530 530

2.1720 ........ 532 2.1724 ........ 533 2.1729 ........ 534

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

8. Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ..................................................... 2.1738 9. Spürbarkeit .................................................................. 2.1744 10. Darlegung und Beweis ................................................ 2.1752 11. Freistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV) ....................... 2.1755 12. Rechtsfolgen eines Verstoßes ..................................... 2.1760

........ 536 ........ 538 ........ 540 ........ 540 ........ 541

III.

Rückblick ........................................................................... 1. VO Nr. 67/67 .............................................................. 2. Bündeltheorie .............................................................. 3. VO Nr. 1984/83 .......................................................... 4. Bindungsgrad ............................................................... 5. De minimis-Bekanntmachung 1992 ........................... 6. Weitere Ansätze ..........................................................

2.1764 2.1764 2.1766 2.1775 2.1782 2.1786 2.1787

........ 541 ........ 541 ........ 542 ........ 544 ........ 546 ........ 547 ........ 548

IV.

Urteil des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu .................................................................. 2.1788 1. Einführung .................................................................. 2.1788 2. Wesentlicher Inhalt ..................................................... 2.1789 3. Theorie der Gesamtmarktbetrachtung ...................... 2.1808 4. Offene Fragen ............................................................. 2.1809

........ 548 ........ 548 ........ 548 ........ 553 ........ 553

V.

Innerstaatliche Rechtsprechung ....................................... 2.1811 ........ 554 1. Bundesgerichtshof ...................................................... 2.1811 ........ 554 2. Instanzgerichte ............................................................ 2.1817 ........ 556

VI.

Tatsachenfeststellung ........................................................ 1. Befund .......................................................................... 2. Tatsachenermittlung ................................................... 3. Darlegungs- und Beweislast ....................................... 4. Erleichterungen ........................................................... 5. Ergebnis .......................................................................

2.1818 2.1819 2.1820 2.1824 2.1826 2.1833

........ 556 ........ 556 ........ 556 ........ 557 ........ 558 ........ 559

VII. Stellungnahmen der Kommission – Grundfragen ........... 2.1837 1. Regelungsgegenstände ................................................ 2.1837 2. Rechtsgrundlage .......................................................... 2.1838 3. Rechtsnatur ................................................................. 2.1839 4. Verhältnis zu den gesetzlichen Bestimmungen ......... 2.1841 5. Vermutung ................................................................... 2.1842 6. Temporale Anwendungsbereich ................................. 2.1843 7. Verbindlichkeit ............................................................ 2.1844 8. Angreifbarkeit ............................................................. 2.1845

........ 560 ........ 560 ........ 561 ........ 561 ........ 561 ........ 562 ........ 562 ........ 562 ........ 562

XXXVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

9. Bedeutung für die Kommission ................................. 2.1846 ........ 563 10. Bindungswirkung/Vorgreiflichkeit für die Unionsgerichte ........................................................... 2.1851 ........ 564 11. Bedeutung für nationale Gerichte und Wettbewerbsbehörden ............................................... 2.1852 ........ 564 VIII. Aktuelle Stellungnahmen der Kommission von Interesse ..................................................................... 1. Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes 1997 ............................................................... 2. Empfehlung betreffend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 2003 ....................................... 3. Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaat lichen Handels 2004 ..................... 4. Vertikalleitlinien 2010 ................................................ 5. Bagatellbekanntmachung 2014 ..................................

2.1859 ........ 567 2.1859 ........ 567 2.1863 ........ 568 2.1864 ........ 568 2.1869 ........ 569 2.1877 ........ 571

IX.

Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010 ............ 1. Allgemeine Fragen ...................................................... 2. Wettbewerbsverbot .................................................... 3. Persönlicher Geltungsbereich .................................... 4. Sachlich relevanter Markt ........................................... 5. Marktanteil .................................................................. 6. Kernbeschränkungen .................................................. 7. Wettbewerbsverbote im Übrigen .............................. 8. Laufzeit ....................................................................... 9. Verbindlichkeit ........................................................... 10. Rechtsfolgen fehlender Gruppenfreistellung ............

2.1884 2.1884 2.1890 2.1893 2.1896 2.1897 2.1903 2.1907 2.1908 2.1916 2.1918

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

573 573 574 575 576 577 578 579 579 581 581

X.

Einzelfreistellung .............................................................. 2.1919 ........ 582 1. Praktische Bedeutung ................................................. 2.1919 ........ 582 2. Freistellungsentscheidungen ...................................... 2.1920 ........ 582

§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts ........................... 2.1921 ........ 582 I.

Verhältnis GWB-AEUV ................................................... 1. Vorrang des EU-Kartellrechts ................................... 2. Kollisionsregelung des § 22 GWB ............................. 3. Gebot europarechtsfreundlicher Auslegung .............

XXXVIII

2.1921 2.1921 2.1925 2.1929

........ ........ ........ ........

582 582 583 584

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen (§ 1 GWB) ............ 2.1936 1. Nationaler Sachverhalt ................................................ 2.1936 2. Grundsatz .................................................................... 2.1937 3. Schutzzweck und Systematik ..................................... 2.1938 4. Relevanter Markt ......................................................... 2.1939 5. Vereinbarung ............................................................... 2.1940 6. Unternehmensbegriff ................................................. 2.1941 7. Wettbewerbsbeschränkung ........................................ 2.1948 8. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung .............. 2.1949 9. Darlegung und Beweis ................................................ 2.1959 10. Freistellung .................................................................. 2.1962 11. Verfahrensfragen ......................................................... 2.1967 12. Folgen eines Verstoßes ............................................... 2.1970

........ 586 ........ 586 ........ 586 ........ 586 ........ 586 ........ 586 ........ 586 ........ 588 ........ 588 ........ 590 ........ 591 ........ 592 ........ 592

III.

Einzelfragen ....................................................................... 1. Ausschließlichkeit ....................................................... 2. Laufzeit ........................................................................ 3. Eigentümererklärungen ..............................................

........ 594 ........ 594 ........ 594 ........ 595

IV.

Marktbeherrschung, wettbewerbsbeschränkendes Verhalten ............................................................................ 1. Anwendungsbereich .................................................... 2. Relevanter Markt ......................................................... 3. Marktbeherrschung, sonstiges wettbewerbsbeschränkendes Verhalten ..........................................

II.

V.

Vergaberecht ...................................................................... 1. Einführung .................................................................. 2. Grundlagen .................................................................. 3. Belieferung von Festwirten ........................................ 4. Vermietung/Verpachtung einer Veranstaltungshalle mit Gasträumen ...........................................................

2.1979 2.1979 2.1980 2.1986

2.1996 ........ 597 2.1996 ........ 597 2.1997 ........ 597 2.1998 ........ 598 2.2000 2.2000 2.2001 2.2002

........ 598 ........ 598 ........ 598 ........ 599

2.2003 ........ 599

Sechster Abschnitt: Pflichtverletzungen und ihre Folgen ....... 2.2004 ........ 599 § 29 Berechnung des entgangenen Gewinns ........................ 2.2004 ........ 599 I.

Grundlagen ........................................................................ 2.2004 1. Schadensersatz statt der Leistung .............................. 2.2004 2. Rechtsgrundlagen der Schadensberechnung ............. 2.2005 3. Gerichtliche Entscheidungspraxis .............................. 2.2006

........ 599 ........ 599 ........ 599 ........ 600

XXXIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

II.

III.

Seite

Ermittlung des entgangenen Gewinns ............................. 1. Differenztheorie ......................................................... 2. Berechnung des entgangenen Gewinns ..................... 3. Ausgangspunkt Verkaufspreis ................................... 4. Erlösschmälerungen ................................................... 5. Weitere Abzugspositionen ......................................... 6. Variable Kosten bei Brauereien .................................. 7. Einwendungen ............................................................ 8. Abzugspositionen zu Lasten des Getränkefachgroßhändlers ............................................................... 9. Vorteilsausgleichung .................................................. 10. Umsatzsteuer ..............................................................

2.2007 2.2007 2.2009 2.2012 2.2017 2.2019 2.2024 2.2033

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

600 600 601 602 603 603 605 607

Darlegung und Beweis, Grundlagen ................................ 1. Darlegung durch den Geschädigten .......................... 2. Bestreiten durch den Schädiger ................................. 3. Konkrete Schadensersatzberechnung nach § 252 Satz 2 BGB ........................................................ 4. Beweis oder Schätzung ............................................... 5. Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Schädigers ............................................................. 6. Beweisergebnis ............................................................ 7. Exkurs Verzugszinsen ................................................

2.2044 ........ 609 2.2044 ........ 609 2.2053 ........ 612

2.2036 ........ 607 2.2038 ........ 608 2.2042 ........ 609

2.2054 ........ 613 2.2060 ........ 615 2.2069 ........ 617 2.2070 ........ 618 2.2071 ........ 618

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung .............................. 2.2074 ........ 619 I.

Grundlagen ........................................................................ 1. Einordnung und Abgrenzung .................................... 2. Tatsachenwahrnehmung ............................................ 3. Tatsachenermittlung ................................................... 4. Anspruchsziele ............................................................ 5. Anspruchsgegner ........................................................ 6. Brauereifreiheit ........................................................... 7. Vermeidbare Unsicherheiten .....................................

2.2074 2.2074 2.2078 2.2079 2.2080 2.2081 2.2082 2.2083

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

619 619 620 621 621 621 622 622

II.

Unterlassung ..................................................................... 1. Herleitung ................................................................... 2. Anspruchsgrundlage ................................................... 3. Voraussetzungen ........................................................ 4. Einwendungen ............................................................ 5. Respektierungsverfahren ............................................ 6. Abmahnung ................................................................ 7. Einstweilige Verfügung ..............................................

2.2084 2.2084 2.2085 2.2086 2.2088 2.2093 2.2094 2.2095

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

622 622 623 623 623 624 625 625

XL

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

III.

Auskunft ............................................................................ 1. Anspruchsziel .............................................................. 2. Anspruchsgrundlage ................................................... 3. Voraussetzungen .........................................................

2.2108 2.2108 2.2109 2.2110

........ 627 ........ 627 ........ 628 ........ 628

IV.

Schadensersatz ................................................................... 1. Anspruchsgrundlage ................................................... 2. Pflichtverletzung ......................................................... 3. Verschulden ................................................................. 4. Schaden ........................................................................

2.2112 2.2112 2.2113 2.2115 2.2116

........ 629 ........ 629 ........ 629 ........ 629 ........ 629

V.

Vertragsstrafe .................................................................... 2.2120 ........ 630

VI.

Kündigung ......................................................................... 2.2121 1. Praktische Bedeutung ................................................. 2.2121 2. Kündigungsgrund ........................................................ 2.2122 3. Wesentlicher bzw. schwerwiegender Verstoß ........... 2.2124

VII. Prozessuales ....................................................................... 1. Klageart ........................................................................ 2. Klagehäufung ............................................................... 3. Rechtsschutzinteresse ................................................. 4. Tenor ............................................................................ 5. Streitwert ..................................................................... 6. Zwangsvollstreckung ..................................................

........ 630 ........ 630 ........ 630 ........ 631

2.2125 2.2125 2.2126 2.2127 2.2128 2.2129 2.2133

........ 631 ........ 631 ........ 631 ........ 632 ........ 632 ........ 632 ........ 633

VIII. Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen .......................... 2.2134 1. Anspruchsziele ............................................................ 2.2134 2. Verleiten zum Vertragsbruch ..................................... 2.2135 3. Ausspannen von Kunden ............................................ 2.2138 4. Ausnutzen fremden Vertragsbruchs .......................... 2.2140

........ 633 ........ 633 ........ 634 ........ 635 ........ 635

§ 31 Minderbezug ..................................................................... 2.2145 ........ 636 I.

Mengenvereinbarung ......................................................... 1. Vereinbarung ............................................................... 2. Auslegung .................................................................... 3. Konsequenzen des Fehlens einer Mindestabnahmeverpflichtung ............................................................... 4. Individualabrede oder Klausel .................................... 5. Abrechnung .................................................................

2.2145 ........ 636 2.2145 ........ 636 2.2146 ........ 636 2.2155 ........ 638 2.2157 ........ 639 2.2161 ........ 640

XLI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

II.

Wirksame Getränkebezugsverpflichtung ........................ 2.2169 ........ 641 1. Grundsatz .................................................................... 2.2169 ........ 641 2. Erreichbarkeit der Mindestabnahmemenge .............. 2.2170 ........ 642

III.

Auskunft ............................................................................ 2.2172 ........ 642

IV.

Schadensersatz .................................................................. 1. Wege zum Schadensersatz ......................................... 2. Abgrenzung Unmöglichkeit-SchuldnerverzugGeschäftsgrundlage .................................................... 3. Exkurs Schuldnerverzug ............................................. 4. Pflichtverletzung ........................................................ 5. Vertretenmüssen ......................................................... 6. Nichtvertretenmüssen ................................................ 7. Schadensersatzberechnung ......................................... 8. Verjährung .................................................................. 9. Prozessuale Fragen .....................................................

2.2173 ........ 642 2.2173 ........ 642 2.2177 2.2182 2.2194 2.2200 2.2207 2.2215 2.2228 2.2230

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

643 645 648 650 652 654 658 659

V.

Vertragsstrafe .................................................................... 2.2231 ........ 659 1. Erreichbarkeit ............................................................. 2.2231 ........ 659 2. Rechtsprechung .......................................................... 2.2232 ........ 659

VI.

Kündigung ......................................................................... 1. Inhaltskontrolle .......................................................... 2. Kündigungsgrund ....................................................... 3. Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung ........................................................ 4. Kündigungserklärungsfrist (§ 314 Abs. 3 BGB) ....... 5. Wegfall der Kündigungsbefugnis ............................... 6. Rückforderung ............................................................ 7. Konsequenzen im Übrigen ........................................

2.2233 ........ 659 2.2233 ........ 659 2.2234 ........ 660 2.2237 2.2238 2.2239 2.2242 2.2244

........ ........ ........ ........ ........

661 661 662 662 663

§ 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung ................... 2.2245 ........ 663 I.

Grundlagen ........................................................................ 2.2245 ........ 663

II.

Schadensersatz .................................................................. 1. Anspruchsgrundlagen ................................................. 2. Anspruchsgegner ........................................................ 3. Pflichten ...................................................................... 4. Pflichtverletzung ........................................................ 5. Vertretenmüssen ......................................................... 6. (Ab-)Mahnung ...........................................................

XLII

2.2246 2.2246 2.2249 2.2251 2.2254 2.2259 2.2261

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

663 663 664 664 665 666 667

Inhaltsverzeichnis

7. 8. 9. 10. 11. 12.

Rz.

Seite

Entbehrlichkeit einer Fristsetzung ............................ 2.2262 Rücktrittserklärung ..................................................... 2.2264 Schadensberechnung ................................................... 2.2265 Darlegung und Beweis ................................................ 2.2268 Abzinsung .................................................................... 2.2269 Mitverschulden ............................................................ 2.2270

........ 667 ........ 667 ........ 668 ........ 668 ........ 668 ........ 669

III.

Vertragsstrafe .................................................................... 1. Anspruchsgrundlage ................................................... 2. Verwirken .................................................................... 3. Pauschale ..................................................................... 4. Umfang ........................................................................ 5. Weitere Rechtsprechung .............................................

2.2271 2.2271 2.2272 2.2275 2.2276 2.2277

........ 669 ........ 669 ........ 669 ........ 670 ........ 670 ........ 670

IV.

Kündigung ......................................................................... 2.2278 ........ 670 1. Kündigungsgrund ........................................................ 2.2278 ........ 670 2. Abmahnung ................................................................. 2.2279 ........ 671

§ 33 Kündigung ........................................................................ 2.2280 ........ 671 I.

Einführung ......................................................................... 2.2280 ........ 671

II.

Ordentliche Kündigung .................................................... 1. Grundsatz .................................................................... 2. Inhaltskontrolle ........................................................... 3. Kündigungsbefugnis ...................................................

2.2281 2.2281 2.2282 2.2285

........ 671 ........ 671 ........ 671 ........ 672

III.

Außerordentliche Kündigung, Grundlagen ..................... 2.2288 1. Einführung .................................................................. 2.2288 2. Kündigungsbefugnis ................................................... 2.2289 3. Rechtsgrundlage .......................................................... 2.2291 4. Kündigungsgrund ........................................................ 2.2292 5. Vorrang der Vertragsanpassung ................................. 2.2295 6. Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung ........................................................ 2.2299 7. Klauselwirksamkeit ..................................................... 2.2302 8. Kündigungserklärung .................................................. 2.2309 9. Rechtsfolge .................................................................. 2.2314

........ 673 ........ 673 ........ 673 ........ 674 ........ 674 ........ 675

IV.

........ 675 ........ 676 ........ 677 ........ 678

Wichtige Gründe für die Kündigung durch den Getränkelieferanten ........................................................... 2.2315 ........ 679 1. Aufzählung .................................................................. 2.2315 ........ 679 2. Kündigungsgründe ...................................................... 2.2316 ........ 679

XLIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

V.

Kündigungsgründe für den Gebundenen ........................ 1. Einführung .................................................................. 2. Grundsätze .................................................................. 3. Bezugsverpflichtung und Lieferverträge ................... 4. Finanzielle Leistungsfähigkeit ................................... 5. Veränderungen im Nachfrageverhalten oder in der Lage des Objektes ............................................ 6. Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen ................................................................ 7. Veränderungen aus der Person des Gastwirts ........... 8. Mengenvertrag ............................................................ 9. Vorzeitige Rückgewähr der Leistungen des Getränkelieferanten .................................................... 10. Darlehensrückzahlungsverpflichtung auf Grund einer Teilkündigung ....................................... 11. Objektverlust .............................................................. 12. Verhalten des Getränkelieferanten ............................ 13. Nutzungsverhältnis .................................................... 14. Absatzstätte ................................................................ 15. Rechtsnachfolge auf Seiten des Getränkelieferanten ...................................................................

2.2318 2.2318 2.2319 2.2324 2.2327

Seite

........ ........ ........ ........ ........

680 680 680 681 682

2.2332 ........ 683 2.2333 ........ 683 2.2334 ........ 684 2.2339 ........ 685 2.2340 ........ 685 2.2347 2.2348 2.2350 2.2359 2.2361

........ ........ ........ ........ ........

688 688 688 690 691

2.2364 ........ 692

Siebter Abschnitt: Das Verhältnis GetränkelieferantEigentümer-Pächter .................................................................. 2.2371 ........ 693 § 34 Die Eigentümerbindung ................................................. 2.2371 ........ 693 I.

Grundlagen ........................................................................ 1. Einführung .................................................................. 2. Konstellationen ........................................................... 3. Leistungen des Getränkelieferanten ..........................

2.2371 2.2371 2.2372 2.2373

........ ........ ........ ........

693 693 694 694

II.

Eigentümererklärung ........................................................ 1. Abgrenzung ................................................................ 2. Zeitpunkt .................................................................... 3. Differenzierung .......................................................... 4. Form ............................................................................ 5. Stellung des Getränkelieferanten ...............................

2.2374 2.2374 2.2377 2.2378 2.2381 2.2382

........ ........ ........ ........ ........ ........

695 695 695 696 696 696

III.

Pflichtenstellung des Hauseigentümers .......................... 2.2383 ........ 697 1. Grundsatz .................................................................... 2.2383 ........ 697 2. Typische Regelungen .................................................. 2.2384 ........ 697

XLIV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

3. Wirksamkeit ................................................................ 2.2390 ........ 698 4. Risiken ......................................................................... 2.2391 ........ 698 5. Darlehensverbindlichkeiten ........................................ 2.2393 ........ 699 IV.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB .......................................... 1. Grundsatz .................................................................... 2. Beurteilungsgrundsätze .............................................. 3. Beurteilungskriterien ..................................................

2.2394 2.2394 2.2395 2.2396

........ 699 ........ 699 ........ 700 ........ 700

V.

AGB-Recht ........................................................................ 1. Klausel .......................................................................... 2. Einbeziehung ............................................................... 3. Kontrollfähigkeit ......................................................... 4. Transparenzgebot ........................................................ 5. Laufzeit ........................................................................ 6. Übertragungsrecht ......................................................

2.2410 2.2410 2.2411 2.2412 2.2413 2.2414 2.2416

........ 703 ........ 703 ........ 703 ........ 703 ........ 704 ........ 704 ........ 704

VI.

Eigentümererklärungen und GWB ................................... 2.2417 ........ 704

VII. Verbraucherschutzrecht .................................................... 1. Persönlicher Anwendungsbereich .............................. 2. Sachlicher Anwendungsbereich .................................. 3. Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation .............. 4. Widerruf ......................................................................

2.2418 2.2418 2.2427 2.2431 2.2433

........ 705 ........ 705 ........ 707 ........ 708 ........ 708

VIII. Kündigung ......................................................................... 2.2435 ........ 709 1. Unmöglichkeit der Anschlussverpachtung ............... 2.2435 ........ 709 2. Weitere Rechtsprechung ............................................. 2.2436 ........ 709 IX.

Verwaltungsvertrag ........................................................... 2.2437 1. Situation ....................................................................... 2.2437 2. Gegenstand und Umfang der Verwaltungstätigkeit .... 2.2438 3. Pflichten des Hauseigentümers .................................. 2.2440 4. Wirksamkeit ................................................................ 2.2441

........ 710 ........ 710 ........ 710 ........ 710 ........ 711

X.

Miet-/Pachteintrittsrecht .................................................. 1. Situation ....................................................................... 2. Leistungen des Getränkelieferanten .......................... 3. Ausübung und Wirkung ............................................. 4. AGB-Kontrolle ...........................................................

........ 711 ........ 711 ........ 712 ........ 712 ........ 712

XI.

Vorpacht-/Vormietrecht ................................................... 2.2447 ........ 712 1. Situation ....................................................................... 2.2447 ........ 712 2. Auslegung .................................................................... 2.2448 ........ 713

2.2443 2.2443 2.2444 2.2445 2.2446

XLV

Inhaltsverzeichnis Rz.

3. 4. 5. 6. 7.

Seite

Anwendbares Recht .................................................... AGB-Kontrolle ........................................................... Ausübung .................................................................... Wirkung ...................................................................... Kündigung ...................................................................

2.2450 2.2451 2.2458 2.2459 2.2463

........ ........ ........ ........ ........

713 713 715 715 717

XII. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten ............................. 1. Verlängerungsoption .................................................. 2. Automatische Vertragsverlängerung ......................... 3. Vorkaufsrecht .............................................................

2.2464 2.2464 2.2471 2.2472

........ ........ ........ ........

717 717 719 719

XIII. Nachfolgerevers ................................................................ 2.2473 ........ 720 XIV. Nachfolgerbenennungsrecht ............................................ 2.2474 ........ 720 XV. Weitere denkbare Inhalte von Eigentümererklärungen ........................................................................ 2.2475 ........ 720 § 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag .......... 2.2476 ........ 720 I.

Pachtvertragliche Bezugspflichten zugunsten eines Getränkelieferanten ................................................. 1. Situation ...................................................................... 2. Pflichtenstellung des Verpächters ............................. 3. Bedeutung des § 328 BGB .......................................... 4. Laufzeit ....................................................................... 5. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB ................................... 6. AGB-Kontrolle ........................................................... 7. Verbraucherkreditrecht ..............................................

2.2477 2.2477 2.2478 2.2479 2.2485 2.2487 2.2493 2.2495

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

721 721 721 721 722 723 724 725

II.

Anpachtungsvertrag .......................................................... 1. Situation ...................................................................... 2. Bezugsverpflichtung ................................................... 3. Laufzeit ....................................................................... 4. Verbraucherkreditrecht ..............................................

2.2502 2.2502 2.2503 2.2509 2.2510

........ ........ ........ ........ ........

727 727 727 728 728

III.

(Unter-)Pacht- und Getränkelieferungsvertrag .............. 1. Einführung .................................................................. 2. Vertragsgestaltung ...................................................... 3. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB ................................... 4. Laufzeit ....................................................................... 5. Verbraucherkreditrecht ..............................................

2.2511 2.2511 2.2514 2.2515 2.2518 2.2522

........ ........ ........ ........ ........ ........

728 728 729 729 730 730

XLVI

Inhaltsverzeichnis

6. 7. 8. 9. 10.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht ........................ Pachtzins ...................................................................... Anfechtung .................................................................. Kündigung ................................................................... Vertragsstrafe ..............................................................

Rz.

Seite

2.2524 2.2525 2.2532 2.2533 2.2537

........ 731 ........ 731 ........ 733 ........ 733 ........ 734

Achter Abschnitt: Dienstbarkeiten ......................................... 2.2538 ........ 734 § 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten ................................................................ 2.2538 ........ 734 I.

„Brauereigebundenheit“ der Absatzstätte ........................ 2.2538 ........ 734

II.

Inhaltliche Zulässigkeit ..................................................... 1. Einigung ....................................................................... 2. Benutzungsdienstbarkeiten ........................................ 3. Unterlassungsdienstbarkeiten .................................... 4. Weitere Inhaltsschranken ........................................... 5. Konsequenzen für Gewerbebetriebsbeschränkungen ...........................................................

2.2539 2.2539 2.2541 2.2543 2.2545

III.

Entstehung ......................................................................... 1. Bestimmtheitsgrundsatz ............................................. 2. Berechtigter ................................................................. 3. Eintragung ................................................................... 4. Eigentümerdienstbarkeit ............................................ 5. Übertragbarkeit ...........................................................

2.2551 2.2551 2.2554 2.2555 2.2557 2.2559

IV.

Grunddienstbarkeiten ....................................................... 2.2562 ........ 742 1. Abgrenzung ................................................................. 2.2562 ........ 742 2. Vorteil .......................................................................... 2.2567 ........ 743

V.

Verbotsdienstbarkeiten mit Erlaubnis-/ Zustimmungsvorbehalt ..................................................... 1. Einführung .................................................................. 2. Inhaltliche Zulässigkeit ............................................... 3. Begründung ................................................................. 4. Scheingeschäft ............................................................. 5. Kartellrecht .................................................................. 6. Wirksamkeit im Übrigen ............................................

VI.

........ 735 ........ 735 ........ 735 ........ 735 ........ 736

2.2547 ........ 737

2.2574 2.2574 2.2575 2.2576 2.2580 2.2582 2.2588

........ 739 ........ 739 ........ 739 ........ 740 ........ 740 ........ 741

........ 745 ........ 745 ........ 745 ........ 745 ........ 747 ........ 747 ........ 749

Sicherungsdienstbarkeiten ................................................ 2.2589 ........ 749 1. Begriff .......................................................................... 2.2589 ........ 749

XLVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

2. 3. 4. 5. 6.

Vorteile ........................................................................ Auslegung ................................................................... Zulässigkeit ................................................................. Unterscheidung .......................................................... Sittenwidrige Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages ...................................................................... 7. Konsequenzen .............................................................

2.2590 2.2591 2.2592 2.2595

VII. Isolierte Dienstbarkeiten .................................................. 1. Begriff .......................................................................... 2. Zulässigkeit ................................................................. 3. Nichtigkeitseinwände .................................................

2.2613 2.2613 2.2614 2.2615

Seite

........ ........ ........ ........

750 750 750 751

2.2596 ........ 751 2.2604 ........ 754 ........ ........ ........ ........

756 756 757 757

VIII. Erzwingungsdienstbarkeiten ............................................ 2.2617 ........ 757 1. Begriff .......................................................................... 2.2617 ........ 757 2. Wirksamkeit ................................................................ 2.2618 ........ 758 IX.

Fortdauer ........................................................................... 1. Verfalldatum ............................................................... 2. Verjährung .................................................................. 3. Veräußerung ............................................................... 4. Lieferunmöglichkeit ................................................... 5. Umwandlung, Verschmelzung oder Betriebsaufspaltung ....................................................

2.2619 2.2619 2.2620 2.2621 2.2622

........ ........ ........ ........ ........

758 758 759 759 760

2.2623 ........ 760

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten .............................. 2.2624 ........ 760 I.

Unterlassung ..................................................................... 1. Anspruchsgrundlage ................................................... 2. Anspruchsberechtigter ............................................... 3. Anspruchsgegner ........................................................ 4. Abmahnung ................................................................ 5. Verletzung ................................................................... 6. Anspruchsinhalt .......................................................... 7. Anspruchsausschluss .................................................. 8. Darlegung und Beweis ................................................ 9. Einwendungen ............................................................ 10. Streitwert ..................................................................... 11. Einstweiliger Rechtsschutz ........................................

II.

(Gegen-)Anspruch des Belasteten auf Rückgewähr/ Löschung einer Dienstbarkeit .......................................... 2.2648 ........ 765 1. Einführung .................................................................. 2.2648 ........ 765

XLVIII

2.2624 2.2624 2.2625 2.2628 2.2633 2.2634 2.2635 2.2637 2.2638 2.2639 2.2645 2.2646

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

760 760 760 761 762 762 762 763 763 763 764 764

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Rz.

Seite

Anspruchsgrundlagen ................................................. 2.2649 Anspruchsberechtigter ............................................... 2.2651 Grundbuchberichtigung ............................................. 2.2652 Erzwingungsdienstbarkeit .......................................... 2.2653 Besonderheiten bei Sicherungsdienstbarkeiten ......... 2.2654 Vorteil bei Grunddienstbarkeiten .............................. 2.2657 Klageantrag .................................................................. 2.2662

........ 765 ........ 765 ........ 766 ........ 766 ........ 766 ........ 767 ........ 769

III.

Auskunft ............................................................................ 2.2663 ........ 769 1. Anspruchsgrundlage ................................................... 2.2664 ........ 769 2. Grenzen ....................................................................... 2.2665 ........ 770

IV.

Schadensersatz ................................................................... 1. Anspruchsgrundlagen ................................................. 2. Tatbestandsvoraussetzungen ...................................... 3. Schaden ........................................................................

2.2666 2.2666 2.2667 2.2668

........ 770 ........ 770 ........ 770 ........ 770

Dritter Hauptteil: Sinnverwandte Verträge ................................. 3.1 ........ 771 § 38 Automatenaufstellverträge ................................................... 3.1 ........ 771 I.

Grundlagen .............................................................................. 3.1 1. Charakteristika .................................................................. 3.1 2. Rechtliche Einordnung ..................................................... 3.3 3. Entsprechende Anwendung des Mietrechts .................... 3.7

........ 771 ........ 771 ........ 772 ........ 773

II.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB .............................................. 3.11 ........ 773 1. Beurteilungsgrundsätze .................................................. 3.11 ........ 773 2. Rechtsfolgen eines Verstoßes ......................................... 3.13 ........ 774

III.

Grundlagen der AGB-rechtlichen Betrachtung ................... 3.16 1. Praktische Relevanz ........................................................ 3.16 2. Anwendungsbereich ........................................................ 3.17 3. Einbeziehung und Auslegung ......................................... 3.19 4. Inhaltskontrolle ............................................................... 3.21 5. Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln .............................. 3.25

........ 775 ........ 775 ........ 775 ........ 775 ........ 776 ........ 777

IV.

Inhalt und Umfang des ausschließlichen Aufstellrechts ..... 3.29 1. Inhalt ................................................................................ 3.29 2. Zulässigkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ................... 3.30 3. Austausch der Automaten .............................................. 3.35 4. Musikdarbietung ............................................................. 3.38

........ 778 ........ 778 ........ 778 ........ 780 ........ 780 XLIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

5. Erweiterungsklausel ........................................................ 6. Betriebspflicht, Spielbereitschaft ................................... 7. Garantie einer ununterbrochenen ganzjährigen Nutzung .......................................................................... 8. Zutrittsrecht .................................................................... 9. Service und Wartung ...................................................... 10. Betriebsstörungen ........................................................... 11. Reparatur und Instandsetzung ....................................... 12. Beschädigungen .............................................................. 13. Versicherung ................................................................... V.

VI.

Seite

3.40 ........ 780 3.44 ........ 781 3.45 3.46 3.47 3.49 3.51 3.52 3.53

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

782 782 782 782 782 783 783

Dauer des Aufstellrechts ...................................................... 1. Interessenlage ................................................................. 2. Individuallaufzeiten ........................................................ 3. AGB-Laufzeiten ............................................................. 4. Verlängerungsklauseln ................................................... 5. Kündigungsfristen .......................................................... 6. Fragen im Zusammenhang mit zugrunde liegenden Nutzungsverhältnissen ................................................... 7. Anschlussvertrag ............................................................ 8. Laufzeitendivergenzen ...................................................

3.54 3.54 3.55 3.60 3.73 3.77

........ ........ ........ ........ ........ ........

783 783 784 785 788 788

Einspielerlöse und Wirteanteil ............................................. 1. Garantie ........................................................................... 2. Höhe im Übrigen ........................................................... 3. Abrechnung .................................................................... 4. Änderung der Verteilung ...............................................

3.82 3.82 3.87 3.90 3.92

3.79 ........ 789 3.80 ........ 789 3.81 ........ 789 ........ ........ ........ ........ ........

790 790 791 791 792

VII. Weitere Zahllasten ................................................................ 3.93 ........ 792 1. Nutzungsentgelt ............................................................. 3.93 ........ 792 2. Mietvergütung ................................................................ 3.95 ........ 792 VIII. Übertragungsrecht ................................................................ 3.96 ........ 793 1. Inhalt ............................................................................... 3.96 ........ 793 2. Wirksamkeit .................................................................... 3.97 ........ 793 IX.

L

Nachfolgeklauseln ................................................................ 3.99 1. Inhalt ............................................................................... 3.99 2. Wirksamkeit von Nachfolgeklauseln im Allgemeinen ... 3.100 3. Gesamtschuldklauseln .................................................. 3.110 4. Subsidiäre Ausfallhaftung ............................................ 3.111 5. Bürgschaftsklauseln ...................................................... 3.112 6. Erklärte Zustimmung ................................................... 3.113

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

794 794 794 797 798 798 798

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

X.

Schadensersatzklauseln ....................................................... 3.114 ........ 798 1. Schadensersatz ............................................................... 3.114 ........ 798 2. Schadensersatzpauschalierungen .................................. 3.115 ........ 798

XI.

Vertragsstrafenklauseln ....................................................... 3.122 ........ 800 1. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB ............................................................. 3.122 ........ 800 2. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ............................................... 3.125 ........ 800

XII. Kündigungsklauseln ............................................................ 3.142 1. Schließung der Gaststätte ............................................. 3.142 2. Rentabilitätsklausel ....................................................... 3.143 3. Negative Auskunft ........................................................ 3.150 4. Insolvenz ....................................................................... 3.151

........ 805 ........ 805 ........ 805 ........ 807 ........ 807

XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen ........................................................................... 3.152 1. Vertragsbruch ................................................................ 3.152 2. Schadensersatz dem Grunde nach ................................ 3.157 3. Konkrete Schadensberechnung .................................... 3.168 4. Vertragsstrafe ................................................................ 3.180

........ 807 ........ 807 ........ 808 ........ 810 ........ 813

XIX. Kündigung ........................................................................... 1. Kündigung durch den Verpächter ................................ 2. Kündigung durch den Aufsteller .................................. 3. Kündigung durch den Betriebsinhaber ........................

........ 813 ........ 813 ........ 814 ........ 814

3.182 3.182 3.183 3.188

Vierter Hauptteil: Finanzierung .................................................... 4.1 ........ 819 Erster Abschnitt: Allgemeine Fragen sowie Finanzierung von Unternehmerkunden ............................................................... 4.1 ........ 819 § 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen ................................................................ 4.1 ........ 819 I.

Einführung ............................................................................... 4.1 ........ 819

II.

Darlehensvertrag, Grundlagen ................................................ 4.2 1. Allgemein ........................................................................... 4.2 2. Rechtsnatur ....................................................................... 4.3 3. Nachweis ........................................................................... 4.4

........ 819 ........ 819 ........ 819 ........ 819

LI

Inhaltsverzeichnis Rz.

III.

Seite

Besonderheiten der von Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen .......................................................... 4.5 1. Rechtsnatur ....................................................................... 4.5 2. Gegenseitiger Vertrag ....................................................... 4.6 3. Entgeltlichkeit .................................................................. 4.7 4. Verwendungszweck .......................................................... 4.9 5. Vereinbarungsdarlehen ................................................... 4.13 6. Banklizenz ....................................................................... 4.23

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

820 820 820 820 821 822 823

IV.

Erscheinungsformen ............................................................. 1. Inventarisierungs-/Geldkredit ....................................... 2. Abschreibungs-/Amortisationsdarlehen ....................... 3. Rückvergütungsdarlehen ................................................ 4. Zuschüsse ........................................................................ 5. Tilgungsdarlehen ............................................................ 6. Kaufvorfinanzierung/Teilzahlungskauf ........................ 7. Kostenbeteiligung ........................................................... 8. Wirtschaftliche Betrachtung .......................................... 10. Umsatzsteuer ..................................................................

4.25 4.25 4.26 4.28 4.29 4.30 4.34 4.36 4.37 4.38

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

824 824 824 825 826 827 828 829 829 829

V.

Abgrenzung/Auslegung ....................................................... 1. Abschreibungsdarlehen/Zuschuss ................................. 2. Darlehen/Leihe ............................................................... 3. Teilzahlungsgeschäft/Leihe ........................................... 4. Darlehen/Bürgschaft ......................................................

4.39 4.40 4.46 4.47 4.48

........ ........ ........ ........ ........

829 829 831 831 831

VI.

Stellung mehrerer Zahlungsschuldner ................................. 1. Einführung ...................................................................... 2. Einordnung ..................................................................... 3. Darlegung und Beweis .................................................... 4. Vorsteuerabzug bei Personenmehrheit .........................

4.49 4.49 4.50 4.54 4.55

........ ........ ........ ........ ........

832 832 833 835 835

VII. Leistungserbringung ............................................................. 1. Grundlagen ..................................................................... 2. Auszahlung/Überweisung ............................................. 3. Aufrechnung ................................................................... 4. Umschuldung ................................................................. 5. Finanzierungszusage und Annahme der Leistung ........ 6. Darlehensvorvertrag ....................................................... 7. Nichterfüllung der Voraussetzungen der Darlehensgewährung aus vom Gastwirt nicht zu vertretenden Gründen .......................................................................... 8. Umwegfinanzierung .......................................................

4.56 4.56 4.57 4.58 4.59 4.60 4.63

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

835 835 835 836 836 836 837

LII

4.64 ........ 837 4.65 ........ 837

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

VIII. Vertragszinsen ....................................................................... 4.66 ........ 837 1. Verzinslichkeit ................................................................ 4.66 ........ 837 2. Inhaltskontrolle ............................................................... 4.69 ........ 838 IX.

Sittenwidrigkeit von Mithaftungserklärungen ..................... 4.70 ........ 838 1. Vertragspartner ............................................................... 4.70 ........ 838 2. Nahe Angehörige ............................................................ 4.71 ........ 838

X.

Rückführung und Erfüllung ................................................. 4.72 1. Grundsatz ........................................................................ 4.72 2. Tilgungsfinanzierung ...................................................... 4.73 3. Rückvergütungsgutschriftenfinanzierung ..................... 4.78 4. Abschreibungsfinanzierung ............................................ 4.80 5. Gesamtschuldnerschaft ................................................... 4.87

........ 839 ........ 839 ........ 839 ........ 840 ........ 841 ........ 842

XI.

Rückzahlung .......................................................................... 4.89 1. Anspruchsgrundlage ....................................................... 4.89 2. Fälligkeit .......................................................................... 4.90 3. Darlegung der Forderungshöhe ..................................... 4.94 4. Vertragszinsen ................................................................. 4.99 5. Verzugszinsen ............................................................... 4.102

........ 843 ........ 843 ........ 844 ........ 845 ........ 846 ........ 847

XII. Einwendungen ..................................................................... 4.103 1. Zurückbehaltungsrecht ................................................. 4.103 2. Erlass .............................................................................. 4.104 3. Verzicht ......................................................................... 4.105 4. Aufrechnung .................................................................. 4.106 5. Verwirkung .................................................................... 4.109 6. Gutschriften aus Inventarverwertung .......................... 4.110

........ 847 ........ 847 ........ 847 ........ 847 ........ 848 ........ 848 ........ 848

§ 40 Kündigung und Rücktritt ................................................. 4.111 ........ 848 I.

Ordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten ..... 1. Inhaltskontrolle ............................................................. 2. Kündbarkeit ................................................................... 3. Kündigung .....................................................................

4.111 4.111 4.112 4.115

........ 848 ........ 848 ........ 849 ........ 850

II.

Außerordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten – allgemeine Fragen .......................................... 4.118 1. Konkurrenzen ............................................................... 4.118 2. Inhaltskontrolle von Kündigungsklauseln .................. 4.119 3. Verschulden ................................................................... 4.125

........ 850 ........ 850 ........ 851 ........ 852

LIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

4. Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung .................................................................. 4.126 ........ 853 5. Kündigungserklärungsfrist ........................................... 4.129 ........ 853 III.

Kündigungsgründe nach §§ 490 Abs. 1 und 3, 314 Abs. 1 BGB ................................................................... 1. Überblick ...................................................................... 2. Kündigungsgrund Zahlungsverzug ............................. 3. Kündigungsgrund wesentliche Verschlechterung der Vermögens verhältnisse ......................................... 4. Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs ................... 5. Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB und Insolvenz .... 6. Weitere Kündigungsgründe nach § 314 Abs. 1 BGB .....

4.130 ........ 854 4.130 ........ 854 4.131 ........ 854 4.136 4.137 4.140 4.143

........ ........ ........ ........

855 855 856 857

4.146 4.146 4.147 4.150 4.152 4.154 4.160

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

857 857 857 858 859 859 862

IV.

Teilkündigung ..................................................................... 1. Fragestellung ................................................................. 2. Abgrenzung und Einordnung ...................................... 3. Auslegung ..................................................................... 4. Einbeziehung ................................................................ 5. Inhaltskontrolle ............................................................ 6. Konsequenzen einer unwirksamen Teilkündigung ....

V.

Kündigung bei leihweiser Inventargestellung ................... 4.164 ........ 864 1. Kündbarkeit .................................................................. 4.164 ........ 864 2. Abräumklausel .............................................................. 4.165 ........ 864

VI.

Rücktritt beim Ratenkauf ................................................... 1. Keine Rücknahme ohne Rücktritt ............................... 2. Wahlrecht ...................................................................... 3. Fälligkeit und Fristsetzung .......................................... 4. Folgen des Rücktritts ...................................................

4.169 4.169 4.171 4.172 4.174

........ ........ ........ ........ ........

865 865 866 866 866

VII. Weitere Fragen von Interesse ............................................. 1. Fälligkeit ........................................................................ 2. Anspruchsgrundlagen bei Zuschuss ............................ 3. Abschreibungsdarlehen ................................................ 4. Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung ............ 5. Vertragszinsen .............................................................. 6. Verzugszinsen ............................................................... 7. Schadensersatzansprüche .............................................

4.176 4.176 4.178 4.180 4.182 4.184 4.185 4.188

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

867 867 867 867 868 868 869 869

VIII. Kündigung durch den Darlehensnehmer .......................... 4.189 ........ 869 1. Grundsatz ...................................................................... 4.189 ........ 869

LIV

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5.

Ordentliche Kündigung ................................................ Rücktrittsrecht .............................................................. Außerordentliche Kündigung ...................................... Vorzeitige Erfüllung .....................................................

Rz.

Seite

4.190 4.197 4.198 4.199

........ 870 ........ 871 ........ 871 ........ 871

Zweiter Abschnitt: Finanzierung von Existenzgründern und Verbrauchern ........................................................................ 4.203 ........ 872 § 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts ......................................................................... 4.203 ........ 872 I.

Allgemeines ......................................................................... 1. Anknüpfungspunkt ....................................................... 2. Harmonisierungskonzepte ........................................... 3. Abgrenzung ...................................................................

4.203 4.203 4.204 4.206

........ 872 ........ 872 ........ 872 ........ 873

II.

Verbraucherdarlehensvertrag – Grundlagen ...................... 4.207 1. Begrifflichkeiten ............................................................ 4.207 2. Konsequenzen ............................................................... 4.210 3. Entgeltlichkeit ............................................................... 4.211 4. Zweckneutralität ........................................................... 4.212 5. Bereichsausnahmen ....................................................... 4.213 6. Anwendungsfälle ........................................................... 4.214

........ 873 ........ 873 ........ 873 ........ 874 ........ 874 ........ 874 ........ 875

III.

Persönlicher Anwendungsbereich ...................................... 4.218 1. Einführung .................................................................... 4.218 2. Verwendungszweck ...................................................... 4.221 3. Darlegung und Beweis .................................................. 4.225 4. Maßgeblicher Zeitpunkt ............................................... 4.227 5. Einzelbetrachtung ......................................................... 4.230 6. Verbraucherfinanzierungen .......................................... 4.231 7. Existenzgründerfinanzierungen ................................... 4.234

........ 875 ........ 875 ........ 876 ........ 876 ........ 877 ........ 878 ........ 878 ........ 879

IV.

Exkurs: Darlehensvermittlung ........................................... 4.251 1. Praktische Relevanz ...................................................... 4.251 2. Persönlicher Anwendungsbereich ................................ 4.252 3. Darlehensvermittlungsvertrag ...................................... 4.261 4. Vorvertragliche Informationspflichten ........................ 4.266 5. Formvorschriften .......................................................... 4.276 6. Verbraucherdarlehensvertrag ....................................... 4.277

........ 882 ........ 882 ........ 883 ........ 884 ........ 885 ........ 887 ........ 887

LV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses .................................... 4.283 ........ 887 I.

Prüfung der Kreditwürdigkeit ............................................ 1. Prüfpflicht ..................................................................... 2. Abschlussverbot ........................................................... 3. Normzweck .................................................................. 4. Sachliche Reichweite .................................................... 5. Verhältnis zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 18a KWG ........................................................... 6. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 7. Systematik ..................................................................... 8. Abdingbarkeit ............................................................... 9. Kreditwürdigkeit .......................................................... 10. Beschaffung der benötigten Informationen ................ 11. Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung ............ 12. Überprüfung ................................................................. 13. Kreditvergabeentscheidung .......................................... 14. Dokumentation und Aufbewahrung ........................... 15. Sanktionen bei Verstößen ............................................

4.283 4.283 4.285 4.286 4.287

........ ........ ........ ........ ........

887 887 888 888 888

4.288 4.289 4.290 4.291 4.292 4.298 4.302 4.304 4.307 4.309 4.310

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

889 889 889 889 889 890 891 892 893 893 893

II.

Vorvertragliche Informationen – Grundfragen ................ 1. Rechtsgrundlage ........................................................... 2. Temporaler Anwendungsbereich ................................. 3. Konkurrenzen ............................................................... 4. Erforderlichkeit ............................................................ 5. Verpflichtung ................................................................ 6. Verzicht ......................................................................... 7. Gestaltung ..................................................................... 8. Bindung ......................................................................... 9. Durchführung ............................................................... 10. Gesetzlichkeitsfiktion .................................................. 11. Darlegung und Beweis ..................................................

4.324 4.324 4.325 4.326 4.327 4.328 4.330 4.331 4.338 4.342 4.354 4.357

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

897 897 897 897 897 897 897 897 899 899 902 902

III.

Europäischen Standardinformationen für AllgemeinVerbraucherdarlehensverträge (ESI) ................................. 1. Namen und Anschrift des Darlehensgebers/ Darlehensvermitt lers ................................................... 2. Art des Darlehens ......................................................... 3. Effektiver Jahreszins .................................................... 4. Nettodarlehensbetrag ................................................... 5. Sollzinssatz .................................................................... 6. Vertragslaufzeit .............................................................

LVI

4.358 ........ 902 4.359 4.362 4.365 4.372 4.376 4.378

........ ........ ........ ........ ........ ........

902 903 903 905 906 906

Inhaltsverzeichnis Rz.

7. Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen ................................................................ 4.384 8. Gesamtbetrag ................................................................ 4.387 9. Auszahlungsbedingungen ............................................. 4.392 10. Sonstige Kosten ............................................................. 4.394 11. Verzugszinsen ............................................................... 4.405 12. Warnhinweis .................................................................. 4.407 13. Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ............................................................. 4.410 14. Recht zur vorzeitigen Erfüllung ................................... 4.412 15. Recht auf einen Vertragsentwurf ................................. 4.414 16. Datenbankabfrage ......................................................... 4.416 17. Notarkosten .................................................................. 4.418 18. Sicherheiten ................................................................... 4.421 19. Vorfälligkeitsentschädigung ......................................... 4.423 20. Bindungszeitraum ......................................................... 4.425

Seite

........ 907 ........ 908 ........ 909 ........ 909 ........ 911 ........ 912 ........ 912 ........ 912 ........ 913 ........ 913 ........ 913 ........ 913 ........ 914 ........ 914

IV.

Anspruch auf Vertragsentwurf ........................................... 4.427 ........ 914 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 4.427 ........ 914 2. Wissenswertes ............................................................... 4.428 ........ 914

V.

Erläuterungspflicht .............................................................. 4.434 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 4.434 2. Modell des § 491a Abs. 3 BGB ..................................... 4.435 3. Erläuterungsbedarf ........................................................ 4.440 4. Verwendungszweck und Vermögensverhältnisse ....... 4.444 5. Angemessene Erläuterungen ........................................ 4.448 6. Konkretisierungen nach § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB .... 4.451 7. Verzicht ......................................................................... 4.460 8. Durchführung der Erläuterungen ................................ 4.462 9. Nachweis ....................................................................... 4.469

VI.

Rechtsfolgen fehlender oder fehlerhafter vorvertraglicher Informationen .......................................... 4.470 ........ 924 1. Keine Vertragsnichtigkeit ............................................. 4.470 ........ 924 2. Schadensersatz ............................................................... 4.471 ........ 924

........ 915 ........ 915 ........ 915 ........ 917 ........ 918 ........ 919 ........ 920 ........ 922 ........ 922 ........ 924

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt ....................................... 4.474 ........ 925 I.

Schriftformerfordernis ........................................................ 4.474 ........ 925 1. Grundlagen .................................................................... 4.474 ........ 925 2. Normzweck ................................................................... 4.475 ........ 925

LVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Seite

Vertragsabschluss ......................................................... Vertragsänderung ......................................................... Anforderungen des § 126 BGB .................................... Zugang der Annahmeverklärung ................................. Verbrauchervollmacht .................................................. Bestätigung .................................................................... Rückabwicklung bei Formverstoß ............................... Heilung ..........................................................................

4.476 4.481 4.482 4.485 4.488 4.489 4.490 4.491

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

926 927 927 927 928 928 928 928

II.

Grundfragen zum notwendigen Vertragsinhalt ................ 1. Anknüpfungspunkt ...................................................... 2. Rechtsgrundlage ........................................................... 3. Normzweck .................................................................. 4. Doppelung .................................................................... 5. Rechtsfolgenwille ......................................................... 6. Verwendungszweck ...................................................... 7. Zeitpunkt ...................................................................... 8. Verständlichkeit ............................................................ 9. Verbrauchervollmacht .................................................. 10. Standort .........................................................................

4.496 4.496 4.497 4.498 4.499 4.500 4.501 4.502 4.503 4.504 4.505

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

929 929 929 929 930 930 930 930 930 931 931

III.

Der notwendige Vertragsinhalt .......................................... 1. Name und Anschrift des Darlehensgebers ................. 2. Name und Anschrift des Darlehensnehmers .............. 3. Art des Darlehens ......................................................... 4. Effektiver Jahreszins .................................................... 5. Nettodarlehensbetrag ................................................... 6. Sollzinssatz .................................................................... 7. Vertragslaufzeit ............................................................. 8. Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen ................................................................ 9. Gesamtbetrag ................................................................ 10. Auszahlungsbedingungen ............................................ 11. Sonstige Kosten und die Bedingungen der Anpassung .............................................................. 12. Verzugszinsen ............................................................... 13. Warnhinweis ................................................................. 14. Bestehen eines Widerrufsrechts ................................... 15. Recht des Darlehensnehmers zur vorzeitigen Erfüllung ....................................................................... 16. Zuständige Aufsichtsbehörde ...................................... 17. Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan ...........

4.506 4.507 4.508 4.512 4.513 4.517 4.518 4.520

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

931 931 931 932 932 933 933 933

LVIII

4.522 ........ 933 4.527 ........ 934 4.532 ........ 935 4.540 4.542 4.544 4.546

........ ........ ........ ........

937 937 937 937

4.547 ........ 938 4.548 ........ 938 4.550 ........ 938

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

18. Das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrages ................................................................. 4.553 19. Weitere Vertragsbedingungen ...................................... 4.557 20. Notarkosten .................................................................. 4.559 21. Verlangte Sicherheiten und Versicherungen ............... 4.562

........ 938 ........ 940 ........ 940 ........ 940

IV.

Widerrufsinformation ......................................................... 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 2. Erforderlichkeit ............................................................. 3. Standort ......................................................................... 4. Formale Gestaltung ...................................................... 5. Anforderungen an den Inhalt ....................................... 6. Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 7. Gesetzliches Muster ......................................................

4.576 4.576 4.577 4.580 4.582 4.584 4.598 4.600

........ 942 ........ 942 ........ 942 ........ 943 ........ 943 ........ 944 ........ 947 ........ 948

V.

Nachholung von Pflichtangaben ........................................ 4.625 1. Praktische Bedeutung ................................................... 4.625 2. Neuabschluss ................................................................. 4.626 3. Voraussetzungen ........................................................... 4.627 4. Vollzug ........................................................................... 4.631 5. Widerrufsfrist ................................................................ 4.634

........ 953 ........ 953 ........ 953 ........ 954 ........ 954 ........ 955

VI.

Rechtsfolgen fehlender Pflichtangaben ............................. 4.637 1. Grundsatz ...................................................................... 4.637 2. Ausnahmen .................................................................... 4.638 3. Sanktionslos bleibende Mängel .................................... 4.639 4. Angaben gemäß Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB ............. 4.640 5. Ermäßigung des Sollzinssatzes ..................................... 4.643 6. Neuberechnung vereinbarter Teilzahlungen ............... 4.645 7. Wegfall von Rechten ..................................................... 4.646 8. Jederzeitiges Kündigungsrecht ..................................... 4.650 9. Nichtbeginn der Widerrufsfrist ................................... 4.651

........ 955 ........ 955 ........ 955 ........ 956 ........ 956 ........ 957 ........ 958 ........ 958 ........ 959 ........ 959

VII. Heilung ................................................................................ 4.652 1. Grundsatz ...................................................................... 4.652 2. Zweck ............................................................................. 4.653 3. Anwendungsbereich ...................................................... 4.654 4. Heilungsvoraussetzungen ............................................. 4.655 5. Allgemeine Wirkungen der Heilung ............................ 4.661 6. Anspruch auf Vertragsabschrift ................................... 4.663 7. Neubeginn der Widerrufsfrist ...................................... 4.664

........ 959 ........ 959 ........ 959 ........ 959 ........ 959 ........ 961 ........ 961 ........ 961

LIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

VIII. Rechtsfolgen unrichtiger Pflichtangaben .......................... 1. Unproblematische Fallgruppen ................................... 2. Widerrufsrecht .............................................................. 3. Pflichtangaben im Übrigen ..........................................

4.665 4.665 4.668 4.669

Seite

........ ........ ........ ........

962 962 962 962

§ 44 Widerruf .............................................................................. 4.674 ........ 964 I.

II.

Widerruf .............................................................................. 1. Einführung .................................................................... 2. Widerrufsrecht .............................................................. 3. Ausnahmen ................................................................... 4. Verhältnis zu § 312g BGB ............................................ 5. Widerrufsberechtigung bei Mehrheit von Darlehensnehmern ....................................................... 6. Widerrufserklärung ...................................................... 7. Widerrufsgegenstand .................................................... 8. Widerrufsfrist ............................................................... 9. Beginn der Widerrufsfrist ............................................ 10. Modalitäten der Ausübung .......................................... 11. Erlöschen des Widerrufsrechts .................................... 12. Verjährung .................................................................... 13. Verwirkung ...................................................................

4.674 4.674 4.675 4.677 4.679

........ ........ ........ ........ ........

964 964 964 965 965

4.680 4.681 4.682 4.683 4.684 4.691 4.694 4.696 4.696

........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........ ........

965 965 965 966 966 967 968 968 968

Ansprüche als Folge eines Widerrufs ................................ 1. Einführung .................................................................... 2. Ansprüche des Darlehensgebers .................................. 3. Gegenansprüche des Darlehensnehmers .....................

4.708 4.708 4.709 4.713

........ ........ ........ ........

971 971 971 972

§ 45 Weitere Informationspflichten ........................................ 4.715 ........ 972 I.

Abschrift des Vertrages ...................................................... 4.715 ........ 972

II.

Tilgungsplan ........................................................................ 1. Anspruch ....................................................................... 2. Inhalt ............................................................................. 3. Erfüllung ....................................................................... 4. Erneuter Tilgungsplan .................................................. 5. Entgelt ...........................................................................

III.

Ablauf der Sollzinsbindung ................................................ 4.722 ........ 974

LX

4.716 4.716 4.718 4.719 4.720 4.721

........ ........ ........ ........ ........ ........

973 973 973 974 974 974

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

IV.

Fortsetzungsbereitschaft bei nahem Vertragsende ........... 4.723 ........ 975

V.

Anpassung des veränderlichen Sollzinssatzes .................... 4.725 ........ 975

VI.

Absicht vorzeitiger Rückzahlung ....................................... 4.726 ........ 975

VII. Abtretung ............................................................................ 4.727 ........ 975 1. Tatbestand ..................................................................... 4.727 ........ 975 2. Praktische Bedeutung ................................................... 4.728 ........ 976 § 46 Zahlungsverzug, Kündigung ............................................ 4.729 ........ 976 I.

Verzug des Darlehensnehmers ........................................... 4.729 ........ 976 1. Verzugsschaden ............................................................. 4.734 ........ 977 2. Anrechnung von Teilleistungen ................................... 4.736 ........ 977

II.

Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB ................................................................... 4.738 1. Anwendungsbereich ...................................................... 4.738 2. Konkurrenzen ............................................................... 4.742 3. Abdingbarkeit ................................................................ 4.743 4. Kündigungsgrund Ratenverzug .................................... 4.744 5. Zweiwöchige Nachfrist mit Kündigungsandrohung ...... 4.754 6. Gesprächsangebot ......................................................... 4.766 7. Kündigungsberechtigung .............................................. 4.767 8. Kündigungserklärung .................................................... 4.771 9. Kündigung gegenüber Gesamtschuldnern .................. 4.774 10. Kündigungsfolgen ......................................................... 4.777

........ 977 ........ 977 ........ 978 ........ 978 ........ 978 ........ 980 ........ 982 ........ 982 ........ 983 ........ 984 ........ 985

III.

Ordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 499 BGB ................................................................... 4.780 ........ 986 1. Kündigungsrecht ........................................................... 4.780 ........ 986 2. Unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung ................. 4.782 ........ 986

IV.

Kündigung durch den Darlehensnehmer ........................... 4.786 1. Allgemeine Kündigungsrechte ..................................... 4.786 2. § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB ............................................... 4.787 3. Ordentliches Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB .......................................................... 4.789 4. Recht zur vorzeitigen Erfüllung nach § 500 Abs. 2 Satz 1BGB ................................................ 4.794

........ 987 ........ 987 ........ 987 ........ 988 ........ 988

LXI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ................... 4.801 ........ 989 I.

Grundlagen .......................................................................... 1. Sachliche Anwendungsvoraussetzungen ..................... 2. Erweiterter Anwendungsbereich ................................. 3. Besicherung mit Hilfe eines Grundstücks .................. 4. Eigentumserwerb oder -erhaltung ............................... 5. Entgeltlichkeit ..............................................................

4.801 4.801 4.803 4.808 4.815 4.824

........ ........ ........ ........ ........ ........

989 989 990 990 991 992

II.

Prüfung der Kreditwürdigkeit ............................................ 1. Rechtsgrundlagen ......................................................... 2. Verschärfte Kreditwürdigkeitsprüfung ....................... 3. Zu berücksichtigende Informationsquellen ................ 4. Beurteilung der künftigen Kapitaldienstfähigkeit ...... 5. Dokumentation und Aufbewahrung ...........................

4.825 4.825 4.826 4.827 4.830 4.837

........ ........ ........ ........ ........ ........

993 993 993 993 994 996

III.

Im Vorfeld des Vertragsschlusses ...................................... 1. Hinweise zur Kreditwürdigkeitsprüfung .................... 2. ESIS-Merkblatt ............................................................. 3. Vertragsentwurf ............................................................ 4. Bedenkzeit .....................................................................

4.841 4.841 4.843 4.849 4.850

........ ........ ........ ........ ........

996 996 997 998 998

IV.

Schriftform .......................................................................... 4.852 ........ 999

V.

Pflichtangaben ..................................................................... 1. Namen und Anschrift des Darlehensvermitt lers ....... 2. Effektiver Jahreszins .................................................... 3. Sollzinssatz .................................................................... 4. Verlangte Sicherheiten und Versicherungen ............... 5. Widerrufsinformation ..................................................

4.853 4.854 4.855 4.856 4.858 4.860

........ 999 ........ 999 ........ 999 ........ 999 ...... 1000 ...... 1000

VI.

Widerruf .............................................................................. 1. Beginn der Widerrufsfrist ............................................ 2. Erlöschensfrist .............................................................. 3. Rechtsfolgen des Widerrufs .........................................

4.862 4.862 4.863 4.867

...... ...... ...... ......

1000 1000 1000 1001

VII. Vorzeitige Rückzahlung ..................................................... 4.868 ...... 1001 VIII. Kündigung ........................................................................... 4.869 ...... 1002

LXII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte ........... 4.870 ...... 1002 I.

Grundlagen .......................................................................... 1. Anwendbares Recht ...................................................... 2. Unterscheidung ............................................................. 3. Entgeltlichkeit ............................................................... 4. Geltung der §§ 358 – 360 BGB ......................................

4.870 4.870 4.871 4.872 4.873

...... 1002 ...... 1002 ...... 1002 ...... 1002 ...... 1002

II.

Erscheinungsformen ........................................................... 1. Zahlungsaufschub ......................................................... 2. Sonstige Finanzierungshilfe ......................................... 3. Teilzahlungsgeschäft ..................................................... 4. Praktische Bedeutung ...................................................

4.874 4.874 4.878 4.881 4.883

...... 1002 ...... 1002 ...... 1003 ...... 1004 ...... 1005

III.

Persönlicher Anwendungsbereich ...................................... 4.884 ...... 1005

IV.

Prüfung der Kreditwürdigkeit ............................................ 4.885 ...... 1005

V.

Vorvertragliche Informationen .......................................... 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 2. Muster ............................................................................ 3. Angabebesonderheiten .................................................

VI.

Schriftformerfordernis ........................................................ 4.895 ...... 1007 1. Grundsatz ...................................................................... 4.895 ...... 1007 2. Rechtsfolgen bei Verstoß ............................................. 4.896 ...... 1007

4.886 4.886 4.887 4.888

...... 1006 ...... 1006 ...... 1006 ...... 1006

VII. Pflichtangaben ..................................................................... 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 2. Angabebesonderheiten ................................................. 3. Rechtsfolgen bei Verstoß .............................................

4.897 4.897 4.898 4.903

...... 1007 ...... 1007 ...... 1007 ...... 1008

VIII. Widerrufsinformation ......................................................... 1. Rechtsgrundlage ............................................................ 2. Erforderlichkeit ............................................................. 3. Standort ......................................................................... 4. Muster ............................................................................

4.906 4.906 4.907 4.908 4.911

...... 1008 ...... 1008 ...... 1009 ...... 1009 ...... 1009

IX.

Widerrufsrecht ..................................................................... 4.914 ...... 1010 1. Allgemein ....................................................................... 4.914 ...... 1010 2. Bedenkzeit ..................................................................... 4.915 ...... 1010

LXIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

X.

Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB ................................................................... 1. Abgrenzung .................................................................. 2. Rücktrittsrecht .............................................................. 3. Rücktrittsfiktion bei Wiederansichnahme der Sache ....................................................................... 4. Folgen des Rücktritts ................................................... 5. Folgen einer unberechtigten Wiederansichnahme ......

Seite

4.916 ...... 1010 4.916 ...... 1010 4.923 ...... 1012 4.926 ...... 1012 4.943 ...... 1017 4.946 ...... 1018

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen ..................................... 4.953 ...... 1018 I.

Praktische Bedeutung ......................................................... 4.953 ...... 1018 1. Verbundene Verträge ................................................... 4.953 ...... 1018 2. Zusammenhängende Verträge ..................................... 4.955 ...... 1019

II.

Verbundene Verträge .......................................................... 1. Legaldefinition des § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB .............. 2. Finanzierungsfunktion i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BGB .......................................................... 3. Wirtschaftliche Einheit nach § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 BGB .............................................. 4. Wirtschaftliche Einheit im Übrigen ............................

4.956 ...... 1019 4.956 ...... 1019 4.957 ...... 1019 4.964 ...... 1021 4.973 ...... 1023

III.

Zusammenhängende Verträge ............................................ 4.987 1. Normzweck .................................................................. 4.987 2. Begriffliches .................................................................. 4.988 3. Verhältnis zu § 358 BGB .............................................. 4.989 4. Zusammenhängender Vertrag ...................................... 4.990 5. Sonderfall des Verbraucherdarlehensvertrages ......... 4.1002

IV.

Vorvertragliche Informationen ........................................ 4.1016 ...... 1033 1. Rechtsgrundlage ......................................................... 4.1016 ...... 1033 2. Vertragsgegenstand und Barzahlungspreis ............... 4.1017 ...... 1033

V.

Pflichtangaben ................................................................... 4.1018 ...... 1033 1. Rechtsgrundlage ......................................................... 4.1018 ...... 1033 2. Angabebesonderheiten ............................................... 4.1019 ...... 1033

VI.

Erweiterte Widerrufsinformation .................................... 4.1024 ...... 1034 1. Informationspflichtiger .............................................. 4.1024 ...... 1034 2. Einschätzungsfragen ................................................... 4.1025 ...... 1034

LXIV

...... ...... ...... ...... ...... ......

1027 1027 1028 1028 1028 1030

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

3. Rechtsfolgen des Widerrufs ....................................... 4.1030 ...... 1035 4. Rechtsfolgen bei Verstoß ........................................... 4.1034 ...... 1036 5. Musterinformation ...................................................... 4.1035 ...... 1037 VII. Widerruf ............................................................................. 1. Widerrufsberechtigung ............................................... 2. Widerrufsgegenstand .................................................. 3. Beginn der Widerrufsfrist ........................................... 4. Widerrufserklärung ..................................................... 5. Widerrufsadressat ........................................................

4.1038 4.1038 4.1039 4.1042 4.1043 4.1044

...... 1037 ...... 1037 ...... 1037 ...... 1038 ...... 1038 ...... 1038

VIII. Widerrufserstreckung ....................................................... 1. Trennungsprinzip ........................................................ 2. Persönlicher Anwendungsbereich .............................. 3. Sachlicher Anwendungsbereich .................................. 4. Voraussetzungen ......................................................... 5. Rückabwicklung .......................................................... 6. Einwendungsdurchgriff ..............................................

4.1045 4.1045 4.1046 4.1049 4.1053 4.1057 4.1062

...... 1039 ...... 1039 ...... 1039 ...... 1040 ...... 1041 ...... 1041 ...... 1042

Fünfter Hauptteil: Sicherheiten ..................................................... 5.1 ...... 1043 § 50 Inventarsicherheiten .............................................................. 5.1 ...... 1043 I.

Grundfragen ............................................................................ 5.1 ...... 1043

II.

Sonderrechtsfähigkeit ............................................................. 5.3 1. Wesentliche Bestandteile .................................................. 5.4 2. Scheinbestandteile ............................................................. 5.5 3. Nicht wesentliche Bestandteile ........................................ 5.6 4. Zubehör ............................................................................. 5.7 5. Zwischenergebnis .............................................................. 5.8 6. Insolvenzbeschlag ............................................................. 5.9

...... 1043 ...... 1043 ...... 1044 ...... 1044 ...... 1044 ...... 1045 ...... 1045

III.

Grundlagen der Abgrenzung ................................................ 5.10 1. Bestandteilsrecht ............................................................. 5.10 2. Zubehör ........................................................................... 5.18 3. Rechtliche Einordnung von Gaststätteninventar .......... 5.28

...... 1045 ...... 1045 ...... 1048 ...... 1050

IV.

Gestaltungsoptionen ............................................................. 5.31 1. Sicherungsübereignung ................................................... 5.32 2. Eigentumsvorbehalt ........................................................ 5.33 3. Direktübereignung/Lieferantenvereinbarung ............... 5.34 4. Dreiersicherungsübereignung ........................................ 5.36

...... 1052 ...... 1052 ...... 1052 ...... 1053 ...... 1054

LXV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

V.

Werthaltigkeit ....................................................................... 1. Einführung ...................................................................... 2. Vorhandenes Inventar .................................................... 3. Neuinventar .................................................................... 4. Zubehör ........................................................................... 5. Kundeninsolvenz ............................................................ 6. Im Übrigen ..................................................................... 7. Konsequenzen .................................................................

5.37 5.37 5.38 5.39 5.42 5.43 5.46 5.47

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1054 1054 1054 1054 1055 1055 1056 1056

VI.

Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/ Vermieter pfandrechts .......................................................... 1. Einführung ...................................................................... 2. Eingebrachte Sachen ....................................................... 3. Unpfändbarkeit ............................................................... 4. Eigentumsverhältnisse .................................................... 5. Durchgangs- oder Direkterwerb ................................... 6. Pfandrechtsverzichtserklärung ...................................... 7. Alternativen .................................................................... 8. Pfandrechtswidrige Verfügungen .................................. 9. Erlöschen ........................................................................ 10. Räumung/Rückgabe ....................................................... 11. Dereliktion ......................................................................

5.49 5.49 5.50 5.51 5.52 5.54 5.57 5.59 5.60 5.62 5.63 5.65

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1057 1057 1057 1057 1058 1058 1060 1060 1061 1061 1061 1062

VII. Sicherungsvertrag .................................................................. 1. Unterscheidung .............................................................. 2. Zweckabrede ................................................................... 3. Versicherung ................................................................... 4. Rückgewähr .................................................................... 5. Verwertungsklauseln ...................................................... 6. Pflichten des Sicherungsnehmers .................................. 7. Pflichten des Sicherungsgebers ...................................... 8. Darlegung und Beweis ....................................................

5.66 5.66 5.67 5.76 5.80 5.81 5.88 5.93 5.95

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1062 1062 1062 1066 1067 1067 1069 1070 1071

VIII. Bestellung .............................................................................. 5.97 1. Regelungsort ................................................................... 5.97 2. Allgemeine Fehlerquellen .............................................. 5.98 3. Konkretisierung .............................................................. 5.99 4. Bedingung ..................................................................... 5.106 5. Berechtigung ................................................................. 5.108

...... ...... ...... ...... ...... ......

1071 1071 1071 1071 1073 1074

IX.

LXVI

Enthaftung .......................................................................... 5.109 ...... 1074 1. Sicherungsübereignung ................................................ 5.109 ...... 1074

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

2. Vorübergehendes Entfernen ........................................ 5.110 ...... 1075 3. Wegfall der Sicherheit infolge gutgläubigen Erwerbs .......................................................................... 5.111 ...... 1075 X.

Verwaltung ........................................................................... 5.117 ...... 1077

XI.

Verwertung .......................................................................... 5.118 1. Voraussetzungen ........................................................... 5.118 2. Arten der Verwertung ................................................... 5.123 3. Herausgabe/Wegnahme/Herausgabe .......................... 5.126

XII. Zubehör und Zwangsvollstreckung .................................... 1. Haftungsverband ........................................................... 2. Enthaftung ..................................................................... 3. Gefahren ........................................................................ 4. Freigabe .........................................................................

5.131 5.131 5.135 5.136 5.139

...... 1077 ...... 1077 ...... 1078 ...... 1079 ...... 1080 ...... 1080 ...... 1081 ...... 1081 ...... 1081

§ 51 Grundschuld ....................................................................... 5.141 ...... 1082 I.

Grundlagen .......................................................................... 5.141 1. Zweck ............................................................................. 5.141 2. Grundbucheinsicht ....................................................... 5.142 3. Werthaltigkeit ................................................................ 5.143 4. Einmalvalutierungserklärung ........................................ 5.145 5. Rang ............................................................................... 5.146 6. Unbedenklichkeitsbescheinigung ................................ 5.147

...... 1082 ...... 1082 ...... 1082 ...... 1083 ...... 1083 ...... 1084 ...... 1084

II.

Sicherungsabrede ................................................................. 1. Einführung .................................................................... 2. Inhalt .............................................................................. 3. Wirksamkeit .................................................................. 4. Persönliche Haftung ..................................................... 5. Austausch der Sicherheit ..............................................

5.148 5.148 5.149 5.150 5.154 5.164

...... 1084 ...... 1084 ...... 1084 ...... 1084 ...... 1086 ...... 1089

III.

Bestellung ............................................................................. 5.165 1. Buchgrundschuld .......................................................... 5.166 2. Briefgrundschuld ........................................................... 5.167 3. Einwand der Sittenwidrigkeit ....................................... 5.170

...... 1089 ...... 1089 ...... 1089 ...... 1090

IV.

Abtretung vorrangiger Teilbeträge ..................................... 1. Einführung .................................................................... 2. Abwicklung ................................................................... 3. Zwischenverfügungen ...................................................

...... 1091 ...... 1091 ...... 1091 ...... 1091

5.173 5.173 5.174 5.175

LXVII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

V.

Rückübertragungsanspruch ................................................ 1. Arten der Rückgewähr ................................................. 2. Inhaltskontrolle ............................................................ 3. Schadensersatzpflicht ................................................... 4. Abtretung ......................................................................

5.178 5.179 5.180 5.181 5.182

...... ...... ...... ...... ......

1092 1092 1092 1093 1093

VI.

Löschungsanspruch gleich- oder nachrangiger Grundbuchgläubiger ........................................................... 1. Grundlagen ................................................................... 2. Gefährdungslagen ......................................................... 3. Optionen .......................................................................

5.184 5.184 5.185 5.187

...... ...... ...... ......

1094 1094 1094 1095

VII. Verbraucherkreditrecht ...................................................... 5.190 ...... 1095 VIII. Allgemeines Verbraucherschutzrecht ................................ 1. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 2. Vertrag über eine entgeltliche Leistung ...................... 3. Widerrufsbelehrung ...................................................... 4. Folgen des Widerrufs ...................................................

5.191 5.191 5.192 5.195 5.196

...... ...... ...... ...... ......

1096 1096 1096 1097 1097

IX.

Verwaltung .......................................................................... 5.197 ...... 1097 1. Allgemeines ................................................................... 5.197 ...... 1097 2. Veräußerung ................................................................. 5.198 ...... 1097

X.

Grundschuld und Getränkelieferungsvertrag ................... 5.199 ...... 1098 1. Abstraktionsprinzip ..................................................... 5.199 ...... 1098 2. Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung ............. 5.200 ...... 1098

XI.

Verwertung .......................................................................... 1. Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung ...... 2. Voraussetzungen der Verwertung ............................... 3. Arten der Verwertung .................................................. 4. Überlegenswertes ......................................................... 5. Ausbietungsgarantie ..................................................... 6. Kosten ...........................................................................

5.201 5.201 5.202 5.206 5.208 5.209 5.211

...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1098 1098 1098 1099 1099 1100 1100

§ 52 Bürgschaft ........................................................................... 5.212 ...... 1100 I.

Grundlagen .......................................................................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Person des Bürgen ........................................................ 3. Vertrag ...........................................................................

LXVIII

5.212 5.212 5.213 5.215

...... ...... ...... ......

1100 1100 1101 1101

Inhaltsverzeichnis

4. 5. 6. 7. 8.

Rz.

Seite

Form .............................................................................. 5.216 Akzessorietät ................................................................. 5.222 Mindestinhalt der Bürgschaftserklärung ..................... 5.226 Zweckerklärung ............................................................. 5.228 Exkurs: Eigenhaftung des Vertreters ........................... 5.243

...... 1101 ...... 1102 ...... 1103 ...... 1104 ...... 1108

II.

Werthaltigkeit und Bonität ................................................. 5.244 ...... 1108 1. Privatpersonenbürgschaften ......................................... 5.244 ...... 1108 2. Bankbürgschaften .......................................................... 5.245 ...... 1108

III.

Bürgschaftsformen .............................................................. 5.247 1. Selbstschuldnerische Bürgschaft .................................. 5.248 2. Höchstbetragsbürgschaft ............................................. 5.249 3. Mitbürgschaft ................................................................ 5.251 4. Zeitbürgschaft ............................................................... 5.252 5. Ausfallbürgschaft/Schadlosbürgschaft ........................ 5.253 6. Bürgschaft auf erstes Anfordern .................................. 5.254 7. Rückbürgschaft ............................................................. 5.256

...... 1109 ...... 1109 ...... 1109 ...... 1110 ...... 1111 ...... 1111 ...... 1111 ...... 1112

IV.

Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft .................... 5.257 1. Einführung .................................................................... 5.257 2. Krasse finanzielle Überforderung ................................ 5.258 3. Weitere die Sittenwidrigkeit begründende Umstände ...................................................................... 5.268 4. Widerlegung der verwerflichen Gesinnung ................. 5.271 5. Subjektiver Tatbestand ................................................. 5.276 6. Rechtsprechung ............................................................. 5.277

...... 1113 ...... 1113 ...... 1113 ...... 1115 ...... 1116 ...... 1117 ...... 1117

V.

Verbraucherkreditrecht ....................................................... 5.278 1. Sachlicher Anwendungsbereich .................................... 5.278 2. Persönlicher Anwendungsbereich ................................ 5.279 3. Schriftform .................................................................... 5.280 4. Zahlungsverzug ............................................................. 5.281

...... 1118 ...... 1118 ...... 1118 ...... 1118 ...... 1118

VI.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht ................................ 5.282 1. Sachlicher Anwendungsbereich .................................... 5.282 2. Persönlicher Anwendungsbereich ................................ 5.288 3. Vorvertragliche Informationen .................................... 5.289 4. Widerrufsbelehrung ...................................................... 5.290 5. Widerrufsformular ........................................................ 5.296 6. Erlöschen des Widerrufsrechts ..................................... 5.297

...... 1118 ...... 1118 ...... 1120 ...... 1120 ...... 1121 ...... 1121 ...... 1121

LXIX

Inhaltsverzeichnis Rz.

VII. Verwaltung .......................................................................... 1. Haftungserweiterung ................................................... 2. Schuldübernahme ......................................................... 3. Isolierte Abtretung ....................................................... 4. Nebenpflichten des Gläubigers in der Vertragsabwicklung ...................................................... 5. Gefahr der Aufgabe einer Sicherheit ...........................

5.299 5.300 5.304 5.305

VIII. Inanspruchnahme ................................................................ 1. Einführung .................................................................... 2. Wahlrecht ...................................................................... 3. Inverzugsetzung ........................................................... 4. Hauptforderung ............................................................ 5. Zeitbürgschaft und § 777 BGB .................................... 6. Restschuldbefreiung ..................................................... 7. Verzugszinsen ............................................................... 8. Herausgabe der Bürgschaftsurkunde ..........................

5.317 5.317 5.318 5.319 5.320 5.323 5.326 5.327 5.328

Seite

...... ...... ...... ......

1122 1122 1123 1123

5.306 ...... 1124 5.312 ...... 1125 ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1126 1126 1126 1126 1127 1128 1129 1129 1129

§ 53 Schuldbeitritt ..................................................................... 5.330 ...... 1130 I.

Grundlagen .......................................................................... 1. Rechtsnatur ................................................................... 2. Abschluss ...................................................................... 3. Haftung ......................................................................... 4. Verhältnis zur Erstschuld .............................................

5.330 5.330 5.331 5.332 5.335

...... ...... ...... ...... ......

1130 1130 1130 1130 1131

II.

Abgrenzung ......................................................................... 1. Schuldbeitritt ................................................................ 2. Vertragspartnerschaft und Vertragsbeitritt ................. 3. Bürgschaft .....................................................................

5.338 5.339 5.341 5.344

...... ...... ...... ......

1131 1131 1132 1132

III.

Wirksamkeit ........................................................................ 5.346 ...... 1133 1. Klauselwirksamkeit ....................................................... 5.346 ...... 1133 2. Sittenwidrigkeit ............................................................ 5.348 ...... 1133

IV.

Verbraucherkreditrecht ...................................................... 1. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 2. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 3. Schriftform .................................................................... 4. Vorvertragliche Informationen .................................... 5. Pflichtangaben .............................................................. 6. Widerrufsinformation ..................................................

LXX

5.349 5.349 5.351 5.355 5.361 5.362 5.364

...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1134 1134 1135 1136 1137 1137 1138

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

7. Widerruf ........................................................................ 5.365 ...... 1138 8. Kündigung ..................................................................... 5.370 ...... 1139 9. Praxishinweis ................................................................. 5.373 ...... 1139 V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht ................................ 5.374 ...... 1140 1. Sachlicher Anwendungsbereich .................................... 5.374 ...... 1140 2. Informationspflichten ................................................... 5.377 ...... 1140

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung ................................. 5.378 ...... 1141 I.

Allgemeines ......................................................................... 5.378 1. Praktische Bedeutung ................................................... 5.378 2. Abgrenzung ................................................................... 5.379 3. Abtretbarkeit ................................................................. 5.382 4. Bestellung ...................................................................... 5.386 5. Bestimmbarkeit und Vorausabtretung ......................... 5.389 6. Sicherungsabrede ........................................................... 5.391 7. Wirksamkeit .................................................................. 5.392 8. Allgemeines Verbraucherschutzrecht .......................... 5.394 9. Stille Zession ................................................................. 5.395 10. Werthaltigkeit ................................................................ 5.401 11. Verwaltung .................................................................... 5.403 12. Verwertung .................................................................... 5.404

...... 1141 ...... 1141 ...... 1141 ...... 1141 ...... 1142 ...... 1142 ...... 1143 ...... 1143 ...... 1143 ...... 1144 ...... 1145 ...... 1145 ...... 1145

II.

Lohn- und Gehaltsabtretung .............................................. 5.408 ...... 1146 1. Sicherungsabrede ........................................................... 5.408 ...... 1146 2. Inhaltskontrolle ............................................................. 5.409 ...... 1146

III.

Abtretung/Verpfändung von Sparguthaben ...................... 5.413 ...... 1147 1. Gestellung ...................................................................... 5.413 ...... 1147 2. Verwertung .................................................................... 5.415 ...... 1147

IV.

Abtretung des Rückkaufswertes bei Lebensversicherungen ..................................................................... 5.416 1. Gegenstand .................................................................... 5.416 2. Werthaltigkeit ................................................................ 5.417 3. Gestellung ...................................................................... 5.418 4. Sicherungsabrede ........................................................... 5.421 5. Verwertung .................................................................... 5.423

...... 1148 ...... 1148 ...... 1148 ...... 1148 ...... 1149 ...... 1149

V.

Abtretung von Ansprüchen aus Bausparverträgen ............ 5.430 ...... 1151

VI.

Abtretung von Steuererstattungsansprüchen .................... 5.432 ...... 1151

LXXI

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 55 Schuldanerkenntnis ........................................................... 5.434 ...... 1152 I.

Grundlagen .......................................................................... 5.434 ...... 1152

II.

Inhalt ................................................................................... 5.435 ...... 1152

III.

Wirksamkeit ........................................................................ 5.436 ...... 1152 1. AGB-Kontrolle ............................................................. 5.436 ...... 1152 2. Sittenwidrigkeit ............................................................ 5.437 ...... 1152

IV.

Verbraucherkreditrecht ...................................................... 1. Persönlicher Anwendungsbereich ............................... 2. Sachlicher Anwendungsbereich ................................... 3. Pflichtangaben .............................................................. 4. Einwendungsverzicht ...................................................

V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht ................................ 5.443 ...... 1153

5.438 5.438 5.439 5.440 5.442

...... ...... ...... ...... ......

1153 1153 1153 1153 1153

Sechster Hauptteil: Verträge im Verhältnis BrauereiGetränkefachgroßhändler .............................................................. 6.1 ...... 1155 § 56 Getränkelieferungsverträge ................................................. 6.1 ...... 1155 I.

Individualverträge ................................................................... 1. Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB ...................................... 2. Laufzeit ............................................................................. 3. § 139 BGB .........................................................................

II.

Grundlagen der Prüfung nach AGB-Recht ........................... 6.6 ...... 1155 1. AGB ................................................................................... 6.6 ...... 1155 2. Einbeziehung und Auslegung .......................................... 6.7 ...... 1156

III.

Ausgewählte Klauseln ............................................................. 6.8 1. Laufzeit ............................................................................. 6.8 2. Mindestabnahmemenge .................................................. 6.11 3. Rechtsnachfolge .............................................................. 6.12 4. Vertragsstrafe .................................................................. 6.13 5. Mindermengenausgleich ................................................. 6.14 6. Teilkündigung ................................................................. 6.18

IV.

Kartellrecht ............................................................................ 6.20 ...... 1158

LXXII

6.1 6.1 6.3 6.5

...... ...... ...... ......

...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1155 1155 1155 1155

1156 1156 1156 1156 1157 1157 1157

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

V.

Verbraucherschutzrecht ........................................................ 6.21 ...... 1158

VI.

Kündigung ............................................................................. 6.22 1. Ordentliche Kündigung .................................................. 6.22 2. Außerordentliche Kündigung ........................................ 6.23 3. Rückzahlungsverpflichtung ............................................ 6.25

...... 1158 ...... 1158 ...... 1158 ...... 1159

VII. Mindermengenausgleich ....................................................... 6.26 1. Wirksame Bezugsverpflichtung ...................................... 6.26 2. Anspruchsgrundlage ....................................................... 6.27 3. Voraussetzungen ............................................................. 6.28 4. Schadensersatz ................................................................. 6.36 5. Kündigung ....................................................................... 6.38

...... 1159 ...... 1159 ...... 1159 ...... 1159 ...... 1161 ...... 1161

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis BrauereiGetränkefachgroßhändler ................................................... 6.40 ...... 1162 I.

Bierverlagsverträge ................................................................ 6.40 1. Zweck ............................................................................... 6.40 2. Abgrenzung ..................................................................... 6.41 3. Änderung der Vertriebspolitik ....................................... 6.42 4. Vertriebsrecht .................................................................. 6.44 5. Stellung des Getränkefachgroßhändlers ........................ 6.47 6. Schriftformerfordernis nach § 34 GWB a. F. ................ 6.53 7. Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB ....................... 6.57 8. Kündigung ....................................................................... 6.60

...... 1162 ...... 1162 ...... 1162 ...... 1162 ...... 1163 ...... 1164 ...... 1165 ...... 1165 ...... 1166

II.

Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen ........................... 6.62 ...... 1167 1. Rechtsnatur ..................................................................... 6.62 ...... 1167 2. Inhalt ................................................................................ 6.63 ...... 1167

III.

Beteiligungsvereinbarung ...................................................... 6.67 1. Situation ........................................................................... 6.67 2. Wirtschaftlicher Hintergrund ........................................ 6.68 3. Formen ............................................................................ 6.69 4. Inhalt ................................................................................ 6.70 5. Vertragsgestaltung .......................................................... 6.72 6. Stellung des Getränkefachgroßhändlers ........................ 6.73 7. Unwiderruflichkeit der Lieferantenbenennung? ........... 6.75 8. Absatzmeldungen ........................................................... 6.80 9. Risiken bei ergänzenden Getränkelieferungsverträgen des Getränkefachgroßhändlers ....................................... 6.82

...... 1168 ...... 1168 ...... 1168 ...... 1169 ...... 1169 ...... 1169 ...... 1169 ...... 1170 ...... 1171 ...... 1172

LXXIII

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

IV.

Refinanzierungsvereinbarung ............................................... 1. Situation .......................................................................... 2. Rechtsnatur ..................................................................... 3. Vertragsgestaltung .......................................................... 4. Refinanzierungsvolumen ................................................ 5. Finanzierungskonditionen ............................................. 6. Bindung ........................................................................... 7. Kontrollrechte ................................................................

6.85 6.85 6.88 6.89 6.90 6.91 6.93 6.95

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1173 1173 1174 1174 1174 1174 1175 1175

V.

Sicherheiten ........................................................................... 6.96 1. Eigene Sicherheiten ........................................................ 6.97 2. Abgetretene Sicherheiten ............................................... 6.98 3. Poolsicherheiten ........................................................... 6.103

...... ...... ...... ......

1175 1175 1176 1177

VI.

Risikobeteiligung ................................................................ 1. Situation ........................................................................ 2. Inhalt ............................................................................. 3. Regelungsbedürftige Fragen ........................................

...... ...... ...... ......

1178 1178 1178 1178

6.107 6.107 6.108 6.109

Siebter Hauptteil: Liefergeschäft ................................................... 7.1 ...... 1179 § 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen ..................................... 7.1 ...... 1179 I.

Bedeutung ............................................................................... 7.1 ...... 1179

II.

Einbeziehung ........................................................................... 7.5 1. Vereinbarung ..................................................................... 7.5 2. Rechtsnatur der Einbeziehungsvereinbarung ................. 7.7 3. Ausdrückliche Einbeziehung ........................................... 7.8 4. Stillschweigende Einbeziehung ........................................ 7.9 5. Hinweis ........................................................................... 7.10 6. Möglichkeit der Kenntnisnahme ................................... 7.19 7. Einverständnis der anderen Partei ................................. 7.24 8. Geltung für künftige Verträge ....................................... 7.27

...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

1179 1179 1180 1180 1180 1181 1182 1184 1185

III.

Kollidierende AGB ............................................................... 1. Einführung ...................................................................... 2. Lösung ............................................................................. 3. Einseitige Regelung ........................................................

...... ...... ...... ......

1186 1186 1186 1188

LXXIV

7.31 7.31 7.32 7.40

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

§ 59 Ausgewählte Klauseln ......................................................... 7.41 ...... 1189 I.

Stellung der Vertragspartner ................................................. 7.42 ...... 1189 1. Inhalt ................................................................................ 7.42 ...... 1189 2. Wirksamkeit .................................................................... 7.43 ...... 1189

II.

Nachsicht ............................................................................... 7.44 ...... 1189 1. Inhalt ................................................................................ 7.44 ...... 1189 2. Wirksamkeit .................................................................... 7.45 ...... 1190

III.

Schriftform ............................................................................ 7.46 1. Zweck ............................................................................... 7.46 2. Auslegung ........................................................................ 7.47 3. Aufhebung ....................................................................... 7.52 4. Grundlagen der AGB-Kontrolle .................................... 7.53 5. Einfache Schriftformklauseln ......................................... 7.60 6. Bestätigungsklauseln ....................................................... 7.66 7. Doppelte Schriftformklauseln ........................................ 7.77 8. Vollständigkeitsklauseln ................................................. 7.83 9. Klauseln über die Form von Anzeigen und Erklärungen sowie deren Zugang ................................... 7.90

...... 1190 ...... 1190 ...... 1190 ...... 1191 ...... 1192 ...... 1193 ...... 1194 ...... 1197 ...... 1198

IV.

Bevollmächtigung ................................................................ 1. Inhalt .............................................................................. 2. Einbeziehung ................................................................. 3. Abgabevollmachten ....................................................... 4. Empfangsvollmachten ...................................................

7.101 7.101 7.102 7.103 7.105

...... 1201 ...... 1201 ...... 1202 ...... 1202 ...... 1202

V.

Salvatorische Klauseln ......................................................... 1. Zweck ............................................................................. 2. Differenzierung ............................................................. 3. Erhaltungsklauseln ........................................................ 4. Ersetzungsklauseln ........................................................ 5. „Soweit gesetzlich zulässig“ ..........................................

7.110 7.110 7.111 7.112 7.115 7.121

...... 1203 ...... 1203 ...... 1203 ...... 1204 ...... 1204 ...... 1205

VI.

Aufrechnungsausschluss ..................................................... 7.128 ...... 1206 1. Inhalt .............................................................................. 7.128 ...... 1206 2. Wirksamkeit .................................................................. 7.129 ...... 1206

...... 1199

VII. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts ........................... 7.131 ...... 1207 1. Inhalt .............................................................................. 7.131 ...... 1207 2. Wirksamkeit .................................................................. 7.132 ...... 1207

LXXV

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

VIII. Lastschrift ............................................................................ 1. Einführung .................................................................... 2. Verfahren ...................................................................... 3. Inhaltskontrolle ............................................................

7.135 7.135 7.136 7.141

...... ...... ...... ......

1207 1207 1208 1210

IX.

Datenerhebung .................................................................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Einbeziehung ................................................................ 3. Inhaltskontrolle ............................................................

7.145 7.145 7.146 7.147

...... ...... ...... ......

1211 1211 1211 1211

X.

Bearbeitungsentgelt ............................................................ 1. Inhalt ............................................................................. 2. Inrechnungstellung ....................................................... 3. Mahnkosten .................................................................. 4. Vollstreckungskosten ...................................................

7.148 7.148 7.149 7.151 7.154

...... ...... ...... ...... ......

1211 1211 1212 1213 1214

XI.

Höhere Gewalt .................................................................... 7.155 ...... 1214 1. Inhalt ............................................................................. 7.155 ...... 1214 2. Wirksamkeit .................................................................. 7.156 ...... 1214

XII. Verzicht auf Restschuldbefreiung ...................................... 7.157 ...... 1214 XIII. Schiedsklauseln ................................................................... 7.158 ...... 1214 1. Einbeziehung ................................................................ 7.158 ...... 1214 2. Inhaltskontrolle ............................................................ 7.159 ...... 1215 XIV. Erfüllungsort ....................................................................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Abgrenzung .................................................................. 3. Inhaltskontrolle ............................................................

7.161 7.161 7.162 7.163

...... ...... ...... ......

1215 1215 1215 1215

XV. Gerichtsstand ...................................................................... 1. Inhalt ............................................................................. 2. Einbeziehung ................................................................ 3. Inhaltskontrolle ............................................................

7.166 7.166 7.167 7.168

...... ...... ...... ......

1216 1216 1216 1216

§ 60 Verpackung und Pfand ..................................................... 7.173 ...... 1217 I.

Individualisierte Mehr-/Einwegverpackungen .................. 1. Begriff und Anwendungsbeispiele ............................... 2. Eigentumsverhältnisse .................................................. 3. Verlust des Eigentums ..................................................

LXXVI

7.174 7.174 7.175 7.177

...... ...... ...... ......

1218 1218 1218 1219

Inhaltsverzeichnis Rz.

Seite

4. Dingliche Ansprüche .................................................... 7.179 ...... 1220 5. Rechtsnatur der Hingabe des Pfandgeldes .................. 7.181 ...... 1221 6. Pfandgelderstattung ...................................................... 7.182 ...... 1221 II.

Einheitsverpackungen ......................................................... 7.187 1. Begriff und Anwendungsbeispiele ............................... 7.187 2. Eigentumsübergang ...................................................... 7.188 3. Unbeachtlichkeit des Eigentumsvorbehalts ................ 7.189

...... 1222 ...... 1222 ...... 1222 ...... 1223

III.

Ausgewählte weitere Fragen hinsichtlich des Gebindepfandes ............................................................ 7.190 1. Zweck ............................................................................. 7.190 2. Einführung einer Bepfandung ...................................... 7.191 3. Höhe des Pfandes ......................................................... 7.192

...... 1224 ...... 1224 ...... 1224 ...... 1224

Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung ................................................................ 7.195 1. Anspruchsgrundlage ..................................................... 7.195 2. Nachfristsetzung ........................................................... 7.196 3. Verschulden ................................................................... 7.197 4. Rückgabe an Dritte ....................................................... 7.199 5. Unmöglichkeit der Rückgabe ....................................... 7.200 6. Darlegung der Fehlmengen .......................................... 7.201 7. Saldenbestätigungen ...................................................... 7.202 8. Wiederbeschaffungswertklauseln ................................. 7.207 9. Konkrete Schadensberechnung .................................... 7.212

...... 1225 ...... 1225 ...... 1225 ...... 1225 ...... 1226 ...... 1226 ...... 1226 ...... 1227 ...... 1227 ...... 1228

IV.

Anhang ............................................................................................................ 1231 Stichwortverzeichnis ..................................................................................... 1233

LXXVII

Abkürzungsverzeichnis a. A. ........................................ a. a. O. .................................... ABl ......................................... Abs. ........................................ AbzG ...................................... ÄndG ..................................... AEUV .................................... a. F. ......................................... AG .......................................... AGB ....................................... AGBG .................................... AGBGB .................................. Alt. .......................................... Anm. ....................................... Art. ......................................... Aufl. ....................................... AWD ...................................... BAG ....................................... BAGE ..................................... bayr. ........................................ BB ........................................... BDSG ..................................... BeckRS ................................... Beschl. .................................... BeurkG ................................... BFH ........................................ BGB ........................................ BGH ....................................... BGB-InfoV ............................

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Abzahlungsgesetz Änderungsgesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft/Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Alternative Anmerkung Artikel Auflage Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesarbeitsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BAG bayrisch Betriebs-Berater Bundesdatenschutzgesetz Beck-Rechtsprechung (online) Beschluss Beurkundungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Verordnung über Informations- und Nachweispflichten nach bürgerlichem Recht

LXXIX

Abkürzungsverzeichnis

BGBl ....................................... Bundesgesetzblatt BGH ....................................... Bundesgerichtshof BGHZ ..................................... Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen BKartA ................................... Bundeskartellamt BMJ ......................................... Bundesministerium der Justiz BNotO ................................... Bundesnotarordnung BT-Drucks. ............................. Bundestags-Drucksache BVerfG ................................... Bundesverfassungsgericht CISG ....................................... United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods DB ........................................... Der Betrieb DNotZ .................................... Deutsche Notar Zeitschrift DWiR ...................................... Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts recht (ab 1993 DZWir, ab 1999 DZWIR) EG ........................................... Europäische Gemeinschaften EGBGB ................................... Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch EG-Vertrag ............................. Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EG-VO ................................... Verordnung der Europäischen Gemeinschaft Einl. ......................................... Einleitung Entsch. .................................... Entscheidung EuG ......................................... Europäisches Gericht erster Instanz EuGH ..................................... Europäischer Gerichtshof EuZW ..................................... Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG ....................................... Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR ...................................... Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWS ........................................ Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht FernAG .................................. Fernabsatzgesetz f./ff. ......................................... folgende/fortfolgende Fußn. ...................................... Fußnote GBO ....................................... Grundbuchordnung GbR ........................................ Gesellschaft bürgerlichen Rechts GBV ........................................ Verordnung über die Bestellung von Gefahrgutbeauftragten in Unternehmen gem. ........................................ gemäß

LXXX

Abkürzungsverzeichnis

GewO ..................................... GG .......................................... GKG ....................................... GmbH .................................... GmbHG ................................. GRUR .................................... GRURInt ............................... GVBl ...................................... GVO ...................................... GWB ...................................... Halbs. ..................................... HausTWG .............................. HGB ....................................... h. M. ....................................... HWiG .................................... InsO ....................................... i. S. d./v. ................................. i. V. m. .................................... JurBüro ................................... JuS .......................................... JW ........................................... JZ ............................................ KG .......................................... KO .......................................... KostRspr ................................ KMU ...................................... KWG ...................................... LG .......................................... LM .......................................... MarkenG ................................ MAR ....................................... MDR ...................................... m. w. N. ................................. M. M. ......................................

Gewerbeordnung Grundgesetz Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gesetz und Verordnungsblatt Gruppenfreistellungsverordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Halbsatz Haustürwiderrufsgesetz Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften Insolvenzordnung im Sinne des/von in Verbindung mit Das Juristische Büro Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht/Kommanditgsellschaft Konkursordnung Kostenrechtsprechung, Nachschlagewerk Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen Gesetz über das Kreditwesen Landgericht Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des BGH Markengesetz Münzautomaten-Recht Monatsschrift für Deutsches Recht mit weiteren Nachweisen Mindermeinung LXXXI

Abkürzungsverzeichnis

n. F. ......................................... neue Fassung NJOZ ..................................... Neue Juristische Online Zeitschrift NJW ........................................ Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR ................................. NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. ........................................... Nummer NVwZ ..................................... Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZG ....................................... Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZM ....................................... Neue Zeitschrift für Miet- Wohnungsrecht OHG ...................................... Offene Handelsgesellschaft OLG ....................................... Oberlandesgericht OLGZ ..................................... Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen OWiG ..................................... Ordnungswidrigkeitsgesetz PAngV .................................... Preisangabenverordnung RG ........................................... Reichsgericht RGZ ........................................ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des RG in Zivilsachen RIW ........................................ Recht der internationalen Wirtschaft rkr. .......................................... rechtskräftig Rpfleger .................................. Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rz. ........................................... Randzahl S. .............................................. Seite SEPA ....................................... Single Euro Payments Area SGB ......................................... Sozialgesetzbuch Slg. .......................................... Sammlung SMG ........................................ Schuldrechtsmodernisierungsgesetz UKlaG .................................... Unterlassungsklagengesetz UmwG .................................... Umwandlungsgesetz Urt. ......................................... Urteil UStG ....................................... Umsatzsteuergesetz UWG ...................................... Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb VerbrKrG ............................... Verbraucherkreditgesetz VerbrKrG/ZPO ua ÄndG ..... Gesetz über Verbraucherkredite, zur Änderung der Zivilprozessordnung und anderer Gesetze

LXXXII

Abkürzungsverzeichnis

VerbrKrRL-UG ..................... Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht Verf. ........................................ Verfasser VersR ...................................... Zeitschrift für Versicherungsrecht vgl. .......................................... vergleiche VKG ....................................... Verlagevertrieb VO .......................................... Verordnung der Europäischen Union VOBl ...................................... Verordnungsblatt Vorbem. ................................. Vorbemerkung VuR ........................................ Verbraucher und Recht VVG ....................................... Gesetz über den Verischerungsvertrag WM ......................................... Wertpapier-Mitteilungen WRP ....................................... Wettbewerb in Recht und Praxis WuW ...................................... Wirtschaft und Wettbewerb ZfIR ........................................ Zeitschrift für Immobilienrecht Ziff. ......................................... Ziffer ZGS ........................................ Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht ZIP ......................................... Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZMR ....................................... Zeitschrift für Miet- und Raumrecht ZVG ....................................... Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung ZPO ....................................... Zivilprozessordnung

LXXXIII

Literaturverzeichnis Monographien, Handbücher und Kommentare Bamberger/Roth BeckOK BGB, Kommentar, 2017, 42. Edition Baumbach/Hueck GmbHG, Kommentar, 21. Aufl., 2017 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann Zivilprozessordnung (ZPO), 72. Aufl., 2014 beck-online.GROSSKOMMENTAR BeckOGK BGB, Kommentar, 2015 ff. Bechtold/Bosch GWB (Kartellgesetz), 8. Aufl., 2015 Bechtold/Bosch/Brinker EU-Kartellrecht, Kommentar, 3. Aufl., 2014 Bühler Die Beurteilung deutscher Bierlieferungsverträge nach Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag, 1993 (zit.: Getränkelieferungsverträge) Bühler Brauerei- und Gaststättenrecht – Höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, 12. Aufl., 2009, 13. Aufl., 2011, 14. Aufl., 2014 Bülow/Artz Verbraucherkreditrecht, 9. Aufl., 2016 Bunte/Sauter EG-Gruppenfreistellungsverordnungen, Kommentar, 1988 Erman Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Kommentar, 15. Aufl., 2017 Immenga/Mestmäcker Wettbewerbsrecht, Kommentar, 5. Aufl., 2012/2015 Martinek/Semler/Flohr Formularsammlung Vertriebsrecht, 2013 Martinek/Semler/Flohr Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl., 2016

LXXXV

Literaturverzeichnis

Müller/Bühler Art. 85 EWGV und EG-Freistellungsverordnung Nr. 1984/83 zum Bierlieferungsvertrag, Erläuterungen für die Praxis, 10. Aufl., 1993 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), Kommentar, 7. Aufl., 2015 ff. Niederleithinger Praxis und Grenzen der Ausschließlichkeitsverträge nach deutschem und europäischem Kartellrecht, RWS-Skript 142, 1984 Niederleithinger/Ritter Die kartellrechtliche Entscheidungspraxis zu Liefer-, Vertriebs- und Franchiseverträgen, RWS-Skript 172, 2. Aufl., 1989 NomosKommentarBGB 3. Aufl., 2016 v. Olshausen/Schmidt Automatenrecht, 1972 Palandt Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Kommentar, 77. Aufl., 2018 Paulusch Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Brauerei- und Gaststättenrecht, RWS-Skript 96, 8. Aufl., 1994, 9. Aufl., 1996 Staudinger BGB, Kommentar, 14. Aufl., 2011 ff. Thomas/Putzo Zivilprozessordnung (ZPO), 38. Aufl., 2017 Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht, Kommentar, 12. Aufl., 2016 von Westphalen Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Loseblattsammlung, 28. Aufl., 2010 Wiedemann Kommentar zu den Gruppenfreistellungsverordnungen des EWGKartellrechts, Bd. II, 1990 Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, Kommentar, 6. Aufl., 2013

LXXXVI

Literaturverzeichnis

Zeller Bierlieferungsrecht, Sammlung gerichtlicher Entscheidungen, Bd. 1 (1951 – 1976), Bd. 2 (1976 – 1981), Bd. 3 (1981 – 1986), Bd. 4 (1986 – 1991), (zit.: Zeller I – IV) Aufsätze Amann Steuerung des Bierabsatzes durch Dienstbarkeiten, DNotZ 1986, 578 v. Braunmühl Der Bierlieferungsvertrag nach dem Wettbewerbsrecht der EG, NJW 1985, 2071 v. Braunmühl Inländische Alleinbezugsverträge für Bier und Art. 85 EWGV, WuW 1991, 888 Bühler Bierbezugsverträge und EG-Recht, EuZW 1990, 86 Bühler Rechtsprechungsübersicht Getränkebezugsvertrag 1991/92, BB 1994, 663 Bühler Rechtsprechungsübersicht Getränkebezugsvertrag 1993/94, BB Beilage 11 zu Heft 33, 1997, 1 Bülow Verbraucherschutz mittels Vertragsübernahme, WM 1995, 2089 Bülow Neues Verbraucherkreditrecht in Etappen, NJW 2010, 1713 Derleder Die vollharmonisierende Europäisierung des Rechts der Zahlungsdienste und des Verbraucherkredits, NJW 2009, 3195 Ebnet Widerruf und Widerrufsbelehrung, NJW 2011, 1029 Ebenroth/Rapp Alleinbezugsverträge und EG-Kartellrecht, JZ 1991, 962 Grziwotz Gaststättenkauf und Verbraucherkreditgesetz, MittBayNot 1993, 263 Heße/Niederhofer Die Eigenverantwortung des Darlehensnehmers und die Erläuterungspflicht des Darlehensgebers nach § 491a Abs. 3 BGB, MDR 2010, 968

LXXXVII

Literaturverzeichnis

Jacob-Siebert/Reichl Die neue Kommissionsbekanntmachung über Bierlieferungsverträge von geringer Bedeutung, EuZW 1992, 433 Jehle Bierbezugsverträge und Gemeinschaftsrecht, EuZW 1991, 372 Kadel Die englische Limited, MittBayNot 2006, 102 von Loewenich § 312 Abs. 1 BGB und von Verbrauchern gestellte Bürgschaften sowie andere von Verbrauchern gestellte Sicherheiten, WM 2015, 113 Lutz Schwerpunkte der 7. GWB-Novelle, WuW 2005, 718 Nipperdey Anmerkung zu RG, Urt. v. 15.5.1926 – 449/25 V, JW 1927, 120 Nöller Regelungen zum Mehr- und Mindermengenausgleich in Getränkebezugsverträgen, Brauwelt 2011, 1184 Pluta Deutsche Bierlieferungsverträge und Europäisches Wettbewerbsrecht, WRP 1990, 392 Polley/Seeliger Die neue Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalverträge Nr. 2790/1999 – Ihre Praktische Anwendung –, WRP 2000, 1203 Pukall Neue EU-Gruppenfreistellungsverordnung für Vertriebsbindungen, NJW 2000, 1375 Rejschek Wer den Schaden hat …, Der Weihenstephaner, 1985, 132 Rohlfing Präklusion des erstmals im Berufungsrechtszug ausgeübten Widerrufrechts?, NJW 2010, 1787 Sedemund Bierlieferungsverträge und EG-Kartellrecht, NJW 1988, 3069 Schröder Gesetz … zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, Rückblick und Ausblick, NJW 2010, 1933

LXXXVIII

Literaturverzeichnis

Volmer Für die Notarpraxis relevante Neuerungen im Recht des Verbraucherkredits, DNotZ 2010, 591 Wahl Der Bierlieferungsvertrag nach dem Wettbewerbsrecht der EG, NJW 1985, 534 Wahl Der Bierlieferungsvertrag nach EG-Kartellrecht in der deutschen Rechtsprechung, NJW 1988, 1431 Walter/Maier Die Sicherung von Bezugs- und Abnahmeverpflichtungen durch Dienstbarkeiten, NJW 1988, 377

LXXXIX

Erster Hauptteil: Allgemeine Fragen Erster Abschnitt: Der Getränkelieferungsvertrag – Grundlagen Von jeher hat die Rechtsstellung der Gastwirte die Rechtsprechung in beson- 1.1 derem Maße beschäftigt. Im Vordergrund der Entscheidungen des Reichsgerichts1) und daran anknüpfend der des BGH stehen dabei die Getränkelieferungsverträge, d. h. die langfristigen und mehr oder weniger ausschließlichen Bezugsbindungen von Gastwirten an Brauereien und Getränkefachgroßhändler. In diesen Entscheidungen spiegelt sich der tief greifende Interessengegensatz wider zwischen den Getränkeherstellern und -lieferanten einerseits, die durch möglichst viele langfristige Absatzverträge die Grundlage für eine vorausschauende Produktions- und Investitionsplanung zu schaffen bemüht sind, und den Gastwirten andererseits, für die eine Bezugsbindung oft die einzige Möglichkeit für Kreditaufnahme und die Gegenleistung für sonstige finanzielle Leistungen sowie für Ausstattung, Renovierung und Ausbau ihrer Betriebe darstellt.2) Auch Automatenaufstellverträge können zu einer bedenklichen Einengung der 1.2 wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Gastwirte führen, indem diese vor allem langfristig auf eine bestimmte Form der Betriebsführung festgelegt werden.3) Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler sowie Bierver- 1.3 lagsverträge sind nur selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Soweit Rechtsprechungsmaterial hierzu vorliegt, soll dieses berichtet werden.4) §1

Charakteristika

I.

Begriff

Kernstück eines Getränkebezugs- und damit auch eines Getränkelieferungsver- 1.4 trages ist eine in der Regel ausschließliche Getränkebezugsverpflichtung. Darunter ist die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen einem Bindenden – insbesondere einem Unternehmen der Getränkebranche (Brauereien, Brunnen etc.), einem Getränkefachgroßhändler (Verleger) oder einem Dritten (Hauseigentümer, Vereine, Kommunen etc.) – und einem Gebundenen – insbesondere Pächter/Mieter, Hauseigentümer, Verein, Kommune, ausnahmsweise Getränkefachgroßhändler – über die ausschließliche Abnahme von Bier, Biermisch- und/oder alkoholfreien Getränken zu verstehen. Als Gegenleistung für das finanzielle Engagement des Bindenden – früher häufig ein Abschreibungsdarlehen oder die leih-/pacht-/miet___________ 1)

2) 3) 4)

RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119 Nr. 2; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251 (Grundsatzentscheidung). Siehe unten §§ 9 – 37, 39 – 55, 58 – 60. Siehe unten § 38. Siehe unten §§ 56 und 57.

1

§ 1 Charakteristika

weise5) Überlassung von Gaststätteninventar, heute darüber hinaus die Gewährung von Ratendarlehen oder Zuschüssen und die Zahlung von Rückvergütungen pro bezogener Getränkemenge bzw. die Übernahme einer Bürgschaft für Bankkredite,6) wobei die verschiedenen Leistungen auch kombiniert werden – verpflichtet der Gebundene sich für einen vereinbarten Zeitraum zur laufenden Abnahme der den Gegenstand der (Ausschließlichkeits-)Bindung ausmachenden Getränke.7) II.

Typische Inhalte

1.

Wesentliche Vertragsbestandteile

1.5 Für gesetzlich nicht typisierte Verträge, wie den Getränkelieferungsvertrag, sind wesentliche Vertragsbestandteile die Parteien, die Leistung und die Gegenleistung.8) 2.

Ausschließlichkeitsbindung

1.6 Getränkelieferungsverträge enthalten regelmäßig eine Bezugsbindung mit einem Verkaufs- und Vertriebsverbot für Konkurrenzprodukte und damit eine Ausschließlichkeit.9) Im Gegenzug für das finanzielle Engagement des Getränkelieferanten verpflichtet der Gastwirt sich, in der Absatzstätte den Gesamt- oder Teilbedarf an den zu beziehenden Getränken für eine bestimmte Zeit oder bis zur Abnahme einer vereinbarten Gesamtmenge ununterbrochen von dem Getränkelieferanten abzunehmen. In der Regel wird der Gastwirt zur Abnahme der Getränke für einen bestimmten Zeitraum verpflichtet (Zeitvertrag). Die Abnahme einer bestimmten Menge ohne Laufzeitangabe dürfte heute eher ein Ausnahmefall sein. Diese Form der Kundenbindung fördert die Kundentreue, erleichtert die Vertragsdurchführung und vermeidet unnötige Kontrollen des Gastwirts zur Höhe des Lieferanteils.10) 1.7 Die ausschließliche Bezugsverpflichtung ist typusbestimmend und einem Getränkelieferungsvertrag vertragsimmanent. Anders ist die Situation dagegen bei Vereinbarung eines Vorpachtrechts.11) ___________ 5) LG Potsdam, Urt. v. 21.2.2001 – 12 O. 20/97. OLG Hamburg, Urt. v. 28.4.1978 – 14 U 35/76; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76. Anders als in den Niederlanden ist in Deutschland die Übernahme einer entsprechenden Bürgschaft eher ungewöhnlich. 6) OLG Hamburg, Urt. v. 28.4.1978 – 14 U 35/76; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76. Anders als in den Niederlanden ist in Deutschland die Übernahme einer entsprechenden Bürgschaft eher ungewöhnlich. 7) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. 8) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23. 9) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 10) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 11) Siehe unten § 34 XI 6 b m. w. N.

2

II. Typische Inhalte

3.

Sortimentsbindung

a) Regelung. Zum Wesen einer ausschließlichen Getränkebezugsverpflichtung 1.8 gehört die Festschreibung eines bestimmten Katalogs von Getränken, die ausschließlich über den Getränkelieferanten zu beziehen sind. Die einzelnen Biersorten (oder Marken) müssen im Getränkelieferungsvertrag nicht als solche aufgeführt werden. In der Regel erstreckt sich die Bezugsverpflichtung auf alle von dem Getränkelieferanten hergestellten bzw. vertriebenen Getränke. Bei Brauereien bezieht sich die Bezugsverpflichtung durchweg nicht nur auf die von ihr selbst hergestellten Erzeugnisse (Eigenware), sondern in gleicher Weise auch auf die von ihr vertriebenen Getränke (Handelsware). Bei Getränkefachgroßhändlern ergibt sich der Umfang der Bezugsverpflichtung zumeist aus dem in einer Sortimentsliste aufgeführten Getränkesortiment. b) Gesetzliche Vorgaben für die Bestimmbarkeit der Ausschließlichkeitsbin- 1.9 dung gibt es nicht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang aber auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen AGBGB vom 20.9.1982,12) wonach bei Fehlen einer Regelung für die abzunehmende Menge kraft gesetzlicher Fiktion der Gesamtbedarf abzunehmen ist, der sich in dem Gewerbebetrieb des Gastwirts während der Dauer des Vertragsverhältnisses ergibt. c) Gleichwohl kann es praktisch Sinn machen, Inhalt und Umfang der (Aus- 1.10 schließlichkeits-)Bindung soweit als möglich festzulegen.13) Einzelheiten zu den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aktuell gebundenen Getränke können sich entweder aus dem Vertrag selbst oder aus einer darin in Bezug genommenen und beigefügten (Preis- und) Sortimentsliste ergeben. d) Besondere Biere. Aktuell stellt sich vor dem Hintergrund sog. Craft-Biere 1.11 die Frage, ob bestehende Ausschließlichkeitsbindungen dem Bezug entsprechender Biere entgegenstehen. Vorrangig kommt es auf die Auslegung des streitgegenständlichen Getränkebezugsvertrages und damit auf Wortlaut, Systematik und Zweck der Ausschließlichkeitsabrede i. e. S. und i. w. S. an. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei diesen Bieren um besondere Biere i. S. d. § 9 Abs. 7 Vorläufiges Biergesetz handelt, dürfte es sich unstreitig um Bier handeln. Die Frage nach einer Sortenzuordnung dürfte zumeist wenig zielführend sein, handelt es sich doch bei der Bezeichnung Craft-Bier eher um eine gattungsähnliche Bezeichnung. Im Vorteil sind insofern diejenigen Getränkelieferanten, die eine umfängliche und damit klassische Getränkebezugsverpflichtung vereinbaren. Dann sind nämlich alle Biere, Biermischgetränke und bierähnlichen Getränke erfasst. Gleiches gilt bei der Benamung als „Bierspezialität“.

___________ 12) Bayer. GVBl 1982, 803. 13) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 102 f., 500.

3

§ 1 Charakteristika

4.

Mitbezugsgestattung

1.12 Die ausschließliche Bezugsverpflichtung ist ggf. im Wege einer Mitbezugsgestattung (Teilbindung) gelockert. Entsprechende Regelungen kommen in der Praxis sowohl hinsichtlich des Sortiments, der Gebinde als auch der erfassten (periodischen) Mengen vor. 5.

Bezugs- und Ausschankverpflichtung

1.13 Mit der Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug der gebundenen Getränke geht auch eine Bezugs- und Ausschankverpflichtung einher. Getränkelieferungsverträge verpflichten regelmäßig zum fortlaufenden bzw. ununterbrochenen Bezug der gebundenen Getränke. Dadurch soll der Gastwirt angehalten werden, die Gaststätte regelmäßig zu betreiben. Bei vorrübergehender oder gar endgültiger Einstellung des Gaststättenbetriebs kann er die Getränke nicht mehr, erst recht in dem vereinbarten Umfang abnehmen. Sinn der vertraglichen Regelung ist es durchweg, die Rückführung der finanziellen Vorleistungen des Getränkelieferanten innerhalb eines bestimmten Zeitraums durch Tilgung, Abschreibung oder Verrechnung mit Rückvergütungen auf die bezogenen Getränkemengen zu sichern. Daher ist der Vertragspartner des Getränkelieferanten nicht nur zum ausschließlichen, sondern auch zum ununterbrochenen Bezug (Bezugsverpflichtung) und Ausschank (Ausschankverpflichtung) der gebundenen Getränke verpflichtet.14) Aus Gründen unternehmerischer Vorsicht sollte klar geregelt werden, dass nicht nur eine Ausschließlichkeitsbindung, sondern darüber hinaus eine (Getränke-)Bezugsverpflichtung begründet werden soll.15) 6.

Mindestabnahmeverpflichtung

1.14 In der Vergangenheit war der Gastwirt zumeist nicht zur Abnahme bestimmter Mengen in bestimmten Zeiträumen verpflichtet. Dies war wirtschaftlich auch nicht erforderlich, weil die Vorleistungen der Getränkelieferanten sich im Hinblick auf den steigenden Getränkekonsum amortisierten. Ohne eine entsprechende vertragliche Regelung ist der Kunde auch nicht verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine bestimmte Menge Getränke abzunehmen.16) 1.15 Die Abnahme einer bestimmten Mindestmenge ist im Übrigen nicht typusbestimmend.17) Die Festlegung einer Mindestmenge betrifft den Getränkeliefe___________ 14) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 15) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 16) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 17) a. A. NK-BGB/Looschelders, BGB, § 138 Rz. 163.

4

II. Typische Inhalte

rungsvertrag als Rahmenvertrag, nicht aber die jeweilige durch den einzelnen Kaufvertrag gem. §§ 433 ff. BGB fixierte Abrufmenge.18) 7.

Werbung

In Getränkelieferungsverträgen werden durchweg Fragen der Anbringung von 1.16 Brauereiwerbung innerhalb des Gaststättenobjektes (Innendekoration) sowie der Außenwerbung im Außenbereich der Absatzstätte (Werbetransparente, Speisekartenkästen, Großschirme etc.) geregelt. Der Kunde wird verpflichtet, die Werbeanlagen zu unterhalten und die Biere in Markengläsern der Brauerei auszuschenken.19) Die Einräumung der Werbemöglichkeiten in der Absatzstätte und außen am Gaststättengebäude steht mit der Darlehensgewährung in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Brauerei hat das Recht zur Nutzung der Gaststätte als Werbeträger gleichsam mit der Darlehensgewährung erkauft.20) Traditionell stellten Getränkelieferanten eine Erstausstattung an Gläsern un- 1.17 entgeltlich zur Verfügung. Der Kauf weiterer Gläser wurde bezuschusst, ggf. auch in Abhängigkeit von der Abnahmemenge. Eigenwerbematerialien der Brauereien im Bereich der Außenwerbung wurden und werden nicht selten unentgeltlich (leihweise) zur Verfügung gestellt. Handelt es sich dagegen um spezifische Objektwerbung oder sonstige individuell vom Kunden veranlasste Außenwerbung, so werden entsprechende Kosten vom Getränkelieferanten allenfalls mitfinanziert. Auch insofern ist als Rückführungsalternative eine abnahmemengenbezogene Tilgung denkbar. Bei vorzeitiger Aufgabe hat der Kunde den noch nicht abgeschriebenen Restbetrag der Kosten der Werbeanlagen zu zahlen. 8.

Betriebspflicht

a) Abgrenzung. Bei Bestehen einer Betriebspflicht sind die Räume entspre- 1.18 chend dem Nutzungszweck tatsächlich zu nutzen.21) Abzugrenzen davon ist die bloße Offenhaltungspflicht, bei der Geschäftsräume zu bestimmten Zeiten nicht geschlossen werden dürfen. b) Aus der Ausschließlichkeitsabrede folgt die Pflicht, die Absatzstätte im frag- 1.19 lichen Zeitraum zu betreiben oder betreiben zu lassen, um dem Getränkelieferanten die vertraglich vereinbarte Absatzchance und damit die Vertragserfüllung zu gewährleisten.22) Klarstellend sollte dies stets vereinbart werden.23) Die dem ___________ von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 25. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. OLG Celle, Beschl. v. 27.2.2017 – 2 W 47/17. OLG Hamm, Urt. v. 19.1.1979 – 20 U 281/78; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 23) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, NZM 2001, 131.

18) 19) 20) 21) 22)

5

§ 1 Charakteristika

Mieter eines Gaststättenlokals formularvertraglich auferlegte „Betreibungspflicht während der gesetzlichen Öffnungszeiten“ verstößt nicht gegen § 307 BGB.24) Formularklauseln, die den Mieter an ein bestimmtes Sortiment binden, begründen grundsätzlich keine unangemessene Benachteiligung des Mieters von Gewerberäumen.25) 1.20 Mit Formulierungen wie „gewährleistet“ oder ähnlichen Wendungen wird klargestellt, dass der Kunde nicht nur für die Erfüllung der Getränkebezugsverpflichtung in eigener Person einzustehen hat. Auch die mittelbare Erfüllung der Getränkebezugsverpflichtung durch Dritte, insbesondere Pächter, denen der Kunde des Getränkelieferanten im Rahmen eines Pachtvertrages eine Getränkebezugsverpflichtung zu Gunsten des Getränkelieferanten auferlegt hat, wird erfasst.26) Ähnliche Formulierungen finden sich im Vertriebsmodell 3 bei Refinanzierungsvereinbarungen zwischen Brauerei und Getränkefachgroßhändler. Auch hier kann der Getränkefachgroßhändler bei eigener Haftung die Getränkebezugsverpflichtung durch Dritte, nämlich die jeweiligen Betreiber, erfüllen lassen. 1.21 c) Als Einschränkungen sind Regelungen über einen wöchentlichen Ruhetag sowie Betriebsferien branchenüblich und werden zumeist auch in den Getränkelieferungsvertrag aufgenommen. 1.22 d) Eine Betriebspflicht des Mieters/Pächters ist nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken.27) 9.

Führung der Absatzstätte

1.23 Um die Erfüllung der Verpflichtung zum Bezug und zum Ausschank der gebundenen Getränke zu gewährleisten, sehen Getränkelieferungsverträge Vorschriften über die Betriebsführung vor. Im Vordergrund stehen dabei Regelungen über die Gewährleistung eines fachgerechten Ausschanks und die kühle Lagerung der Getränke. Ergänzt und abgesichert werden diese Regelungen durch ein Prüfrecht des Getränkelieferanten. Dieser ist berechtigt, sich über den Zu___________ 24) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 25) BGH, Urt. v. 16.2.2000 – XII ZR 179/97, NJW 2000, 1714 = ZIP 2000, 887. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.9.1998 – 10 W 93/98, NJW-RR 1999, 305; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.8.2000 – 24 W 49/00, NZM 2001, 131; OLG Hamburg, Urt. v. 3.4.2002 – 4 U 236/01, BeckRS 2002, 30250729; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2003 – 10 U 69/03, ZMR 2004, 508; OLG Rostock, Urt. v. 8.3.2004 – 3 U 118/03, NZM 2004, 460; OLG Naumburg, Urt. v. 15.7.2008 – 9 U 18/08, NZM 2008, 772; OLG Hamm, Urt. v. 9.8.2017 – 30 U 53/17, NJW-RR 2018, 263. 26) Siehe unten § 35 I 3 a m. w. N. BGH, Beschl. v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, NJW-RR 2009, 443; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.8.2013 – 8 W 72/13, NJW-RR 2014, 133. 27) BGH, Beschl. v. 27.11.2008 – I ZB 46/08, NJW-RR 2009, 443; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.8.2013 – 8 W 72/13, NJW-RR 2014, 133; OLG Rostock, Beschl. v. 22.8.2016 – 3 W 53/16, BeckRs 2016, 16225.

6

III. Berechtigte

stand der Getränkelagerräume, der Kühleinrichtungen, der Bierleitungen und der Schankanlagen zu vergewissern. 10.

Lieferweg

Die Belieferung erfolgt entweder unmittelbar durch den Vertragspartner des 1.24 Kunden, also die Brauerei (Vertriebsmodell 1) oder den Getränkefachgroßhändler als Vertragspartner des Gastwirts (Vertriebsmodelle 3 und 4) oder – wie im Vertriebsmodell 2 – durch einen im Vertrag mit der Brauerei benannten Getränkefachgroßhändler oder eine sonstige Vertriebsstelle. Traditionell verfügten Brauereien über einen eigenen Fuhrpark, sodass ent- 1.25 sprechende ausschließliche Bezugsbindungen über Bier auch als Getränkelieferungsverträge einzuordnen waren. Soweit dies heute noch der Fall ist oder auch über Spediteure, Logistiker oder Getränkefachgroßhändler bei weiter durch die Brauerei erfolgender Fakturierung gearbeitet wird, handelt es sich immer noch um klassische Getränkelieferungsverträge. Sind Gegenstand der Ausschließlichkeitsabrede über Bier und Biermischgetränke hinaus etwa alkoholfreie Getränke, so liegt ebenfalls ein Getränkelieferungsvertrag vor. III.

Berechtigte

Getränkelieferungsverträge weisen als Berechtigte sowohl Brauereien als auch 1.26 Getränkefachgroßhändler aus.28) Während in den Vertriebsmodellen 1 und 2 Brauereien als Bindende auftreten, schließen in den Vertriebsmodellen 3 und 4 Getränkefachgroßhändler die Ausschließlichkeitsverträge ab. Sowohl nach Zahl als auch Umfang der gebundenen Getränkemenge dürften Ausschließlichkeitsvereinbarungen mit Getränkefachgroßhändlern als Bindenden überwiegen. Dieser Befund spiegelt sich nicht in der berichteten Rechtsprechung.29) Danach sind auch heute noch überwiegend Ausschließlichkeitsabreden über Getränke Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung, die als Bindenden Brauereien aufweisen. Daraus können allerdings keine Schlüsse auf eine etwaige rechtliche An___________ 28) OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. 29) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJWRR 2007, 498; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287.

7

§ 2 Rechtsnatur

greifbarkeit auf von diesen geschlossene Ausschließlichkeitsverträge über Getränke gezogen werden. §2

Rechtsnatur

I.

Einordnung

1.

Allgemein

1.27 Eine grundsätzliche Stellungnahme zur Rechtsnatur des Getränkelieferungsvertrages hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht für erforderlich gehalten.30) 2.

Vertriebsvertrag

1.28 Getränkelieferungsverträge rechnen zu den langfristigen (Allein-)Vertriebsverträgen.31) 3.

Bezugsvertrag

1.29 Der charakteristische Vertragsinhalt32) begründet die Annahme eines Bezugsvertrages. II.

Gesamtbedarfsvertrag

1.

Begriff

1.30 Bei Gesamtbedarfsverträgen handelt es sich um Bezugsverträge, bei denen die Leistungsmenge sich nach dem Bedarf des Abnehmers richtet.33) 2.

Einordnung

1.31 Traditionell ist für den Getränkelieferungsvertrag die Offenheit/Unbestimmtheit der (Gesamt-)Abnahmemenge kennzeichnend. Ohne Festlegung einer bestimmten Menge ist der Vertrag auf die dauernde Abnahme der gebundenen Getränke gerichtet. Der Getränkelieferungsvertrag wird auf eine längere Zeit ohne Festlegung einer bestimmten Liefermenge geschlossen. Diese Liefermenge richtet sich nach dem jeweiligen Bedarf des Gebundenen.34) Bestätigt wird ___________ 30) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 112/75, WM 1977, 220; BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 229/83, BeckRS 1984, 31076445; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960. BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 31) BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 32) Siehe oben § 1 II m. w. N. Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 28. 33) Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 28. 34) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; Paulusch, Brauereiund Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 158.

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§ 2 Rechtsnatur

greifbarkeit auf von diesen geschlossene Ausschließlichkeitsverträge über Getränke gezogen werden. §2

Rechtsnatur

I.

Einordnung

1.

Allgemein

1.27 Eine grundsätzliche Stellungnahme zur Rechtsnatur des Getränkelieferungsvertrages hat die höchstrichterliche Rechtsprechung bislang nicht für erforderlich gehalten.30) 2.

Vertriebsvertrag

1.28 Getränkelieferungsverträge rechnen zu den langfristigen (Allein-)Vertriebsverträgen.31) 3.

Bezugsvertrag

1.29 Der charakteristische Vertragsinhalt32) begründet die Annahme eines Bezugsvertrages. II.

Gesamtbedarfsvertrag

1.

Begriff

1.30 Bei Gesamtbedarfsverträgen handelt es sich um Bezugsverträge, bei denen die Leistungsmenge sich nach dem Bedarf des Abnehmers richtet.33) 2.

Einordnung

1.31 Traditionell ist für den Getränkelieferungsvertrag die Offenheit/Unbestimmtheit der (Gesamt-)Abnahmemenge kennzeichnend. Ohne Festlegung einer bestimmten Menge ist der Vertrag auf die dauernde Abnahme der gebundenen Getränke gerichtet. Der Getränkelieferungsvertrag wird auf eine längere Zeit ohne Festlegung einer bestimmten Liefermenge geschlossen. Diese Liefermenge richtet sich nach dem jeweiligen Bedarf des Gebundenen.34) Bestätigt wird ___________ 30) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 112/75, WM 1977, 220; BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 229/83, BeckRS 1984, 31076445; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960. BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 31) BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 32) Siehe oben § 1 II m. w. N. Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 28. 33) Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 28. 34) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; Paulusch, Brauereiund Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 158.

8

III. Rahmenvertrag

dies durch die klarstellende Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des bayerischen AGBG vom 20.9.1982, wonach bei Fehlen einer Regelung über die abzunehmende Menge kraft gesetzlicher Fiktion der Gesamtbedarf abzunehmen ist, der sich in dem Gewerbebetrieb des Gastwirts während der Dauer des Vertragsverhältnisses ergibt.35) Ein Gesamtbedarfsvertrag liegt auch dann vor, wenn – aus kalkulatorischen 1.32 Gründen – periodische (Jahres-)Mindestabnahmemengen vereinbart werden. Auch insofern handelt es sich um einen „rechtsoffenen Gesamtbedarfsvertrag“, also einen Gesamtbedarfsvertrag mit halbseitig unbestimmter Liefermenge. Wenn eine von vornherein fest bestimmte Gesamtabnahmemenge vereinbart 1.33 ist (Mengenvertrag), besteht (ggf. für die Laufzeit der Vereinbarung) ebenfalls eine Gesamtabnahmeverpflichtung, solange die vereinbarte Gesamtmenge nicht erreicht ist. III.

Rahmenvertrag

1.

Begriff

Rahmenverträge beschränken sich darauf, die beteiligten Parteien zum Ab- 1.34 schluss einzelner Lieferverträge zu verpflichten und den „Rahmen“ dieser Lieferverträge festzulegen. Sie begründen keine unmittelbaren Liefer- und Zahlungspflichten der Parteien, sondern sind auf den Abschluss wiederkehrender Lieferverträge während der Vertragsdauer gerichtet. Liefer- und Zahlungspflichten der Beteiligten kommen erst in Ausführung des Rahmenvertrages zustande. Sie setzen eine Bestellung voraus. Vertragsgegenstand sind weder eine feste Menge noch die periodische oder aperiodische Warenlieferung, sondern die Pflicht, über die im Rahmenvertrag nach Art, Preis und Menge eingegrenzten Vertragswaren einzelne Lieferverträge abzuschließen. Aus der Sicht des Einzelvertrages hat der Rahmenvertrag den Charakter eines Grund- oder Vorvertrages.36) Dieser Rahmenvertrag wird durch den Abschluss selbstständiger Einzelkaufverträge erfüllt. 2.

Einordnung

Spätestens seit einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1996 steht fest, 1.35 dass ein üblicher Getränkelieferungsvertrag (konkret Mengenvertrag bis zur Abnahme von 3.000 hl) kein Kaufvertrag über Getränke (konkret über 3.000 hl Bier) ist, sondern ein Rahmenvertrag, innerhalb dessen mit jedem Abruf einer Teilleistung noch zusätzlich ein Kaufvertrag und damit insgesamt zahlreiche Einzelkaufverträge geschlossen werden mit jeweiliger Belieferung und Bezah___________ 35) Bayer. GVBl 1982, 803. 36) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 12. BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Vgl. bereits BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen).

9

§ 2 Rechtsnatur

lung.37) Die Vereinbarung einer Gesamt- oder Mindestababnahmemenge steht der Einordnung als Rahmenvertrag nicht entgegen.38) 3.

Abgrenzung

1.36 Wird eine Mindestbezugsmenge festgelegt, kann die Abgrenzung zum Sukzessivlieferungsvertrag schwierig sein. Nach Ansicht des BGH spricht gegen das Sukzessivlieferungsverhältnis und für den Rahmenvertrag, wenn zwar eine Mindestabnahmemenge bestimmt wird, für den Fall des Minderbezugs aber keine Erfüllungsansprüche seitens des Lieferanten bestehen, sondern bloße Entschädigungsansprüche wegen der Verletzung der Bezugspflicht vorgesehen sind.39) 4.

Entscheidungserheblichkeit

1.37 Die Unterscheidung zwischen Rahmen- und Sukzessivlieferungsvertrag ist von wesentlicher Bedeutung für die Frage, ob bei Nichtigkeit des Vertrags oder im Falle des Widerrufs auch alle Einzelkaufverträge über die Lieferung von Getränken rückabzuwickeln sind.40) 5.

Konsequenzen

1.38 Der Getränkelieferant hat einen Anspruch auf Erfüllung und notfalls auf Schadensersatz statt der Leistung.41) Die Kündigung des Rahmenvertrages gem. § 314 BGB kann sich auf Pflichtverletzungen bei den Einzelverträgen stützen. Die Regeln des CISG gelten für Kaufverträge dann nicht, wenn den einzelnen Kaufverträgen Vertriebs- oder Rahmenverträge zugrunde liegen.42)

___________ 37) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Vgl. bereits BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen). 38) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 6/88, NJW-RR 1988, 1322. 39) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Vgl. auch BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 14. 40) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 14. 41) BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen). 42) Schlechtriem/Schwenzer-Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6. Aufl. 2013, Art. 1 Rz. 31.

10

IV. Dauerschuldverhältnis

IV.

Dauerschuldverhältnis

1.

Begriff

Begrifflich setzt ein Dauerschuldverhältnis voraus, dass ein dauerndes Verhal- 1.39 ten oder wiederkehrende Leistungen geschuldet werden. Der Gesamtumfang der Leistung hängt von der Dauer der Rechtsbeziehung ab; er ist bei Eingehung des Vertragsverhältnisses unbestimmt. Bei einem Dauerschuldverhältnis entstehen während seiner Laufzeit ständig neue Leistungs-, Neben- und Schutzpflichten. Ein Dauerschuldverhältnis wird sonach durch seine zeitliche Dimension und das Merkmal ständiger Pflichtanspannung gekennzeichnet.43) Je nach der Vertragskonstruktion kann auch nur ein Rahmenvertrag (Grundvertrag) vorliegen, der als Dauerschuldverhältnis zu charakterisieren ist, innerhalb dessen mit jedem Abruf einer Teilleistung noch zusätzlich ein einzelner Vertrag, z. B. Kaufvertrag, geschlossen wird. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um einen gewöhnlichen Kaufvertrag, der lediglich ratenweise zu erfüllen ist (Ratenlieferungsvertrag i. e. S.). Ein Dauerschuldverhältnis ist bei Lieferverträgen anzunehmen, wenn sie auf unbestimmte Zeit oder auf bestimmte Zeit ohne Festlegung einer bestimmten Liefermenge geschlossen wurden.44) 2.

Einordnung

a) Regel. Da es sich bei Getränkelieferungsverträgen regelmäßig um Gesamt- 1.40 bedarfsverträge handelt und damit eine bestimmte Liefermenge gerade nicht festgelegt ist, kann dieser Vertrag unter dem Typus des Dauerschuldverhältnisses subsumiert werden.45) b) Ausnahme. Sieht der Vertrag ausnahmsweise eine von vornherein festgeleg- 1.41 te Liefer- und Abnahmemenge vor, so liegt kein Dauerschuldverhältnis vor.

___________ 43) Palandt-Grüneberg, BGB, § 314 Rz. 2. 44) Palandt-Grüneberg, BGB, Vorbem. § 311 Rz. 27. 45) BGH, Urt. v. 23.6.1960 – VIII ZR 115/59, NJW 1960, 1614 = Zeller I, 161; BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Regensburg, Urt. v. 18.6.2004 – 6 0.353/04 (2); Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 265.

11

§ 2 Rechtsnatur

3.

Konsequenzen

1.42 Praktische Relevanz hat die Einordnung als Dauerschuldverhältnis etwa für die Prüfung des Übergangsrechts gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB,46) und nach Invollzugsetzung für die Anwendbarkeit der Kündigungsvorschrift des § 314 BGB.47) V.

Sukzessivlieferungsvertrag

1.

Begriff

1.43 Ein Sukzessivlieferungsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der eine Teil zur Lieferung einer festen oder einer nach dem Bedarf des Anderen für eine gewisse Zeit zu bestimmenden Warenmenge, lieferbar in Raten, der Andere zur ratenweisen Zahlung verpflichtet.48) Hier wird ein einheitlicher (Rahmen-)Vertrag geschlossen, der zur Lieferung bzw. Abnahme einer bestimmten, manchmal mit einer Höchst- oder Mindestmenge bezeichneten Menge von Gattungssachen (Mengenvereinbarung) zur Deckung eines wechselnden Bedarfs des Abnehmers verpflichtet. Im Unterschied zu Teillieferungsverträgen (§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB) ergibt sich der Leistungsumfang nicht unmittelbar und allein aus der Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung, sondern auch aus der Länge der Vertragsdauer und den Abreden über den Umfang ggf. periodisch zu erbringender Leistungen. Das ist eindeutig bei unbefristeten Sukzessivlieferungsverträgen, gilt im Grundsatz aber auch für befristete Verträge trotz der hier gegebenen Bestimmbarkeit der beiderseitigen Leistungen. Dennoch geht es in diesem Fall nicht um die auf Teilleistungen verteilte Abnahme und Vergütung einer festen Warenmenge, sondern um die Deckung eines im Zeitablauf stets neu auftretenden periodischen oder aperiodischen Bedarfs.49) 2.

Arten

1.44 Der Sukzessivlieferungsvertrag kommt in zwei Unterarten vor:50) 1.45 a) Beim echten Sukzessivlieferungsvertrag (Teillieferungsvertrag, Sukzessivlieferungsvertrag i. e. S.) ist die Gesamtmenge von vornherein festgelegt. Die Mengenvereinbarung kann eine periodische, wiederholt abzunehmende Mindestbezugsmenge und/oder eine Gesamtannahmemenge zum Gegenstand ___________ 46) LG Regensburg, Urt. v. 18.6.2004 – 6 0.353/04 (2); LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 47) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 48) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1975 – U (Kart) 6/75. 49) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 11. 50) Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 27.

12

V. Sukzessivlieferungsvertrag

haben.51) Lediglich die Zeit der Lieferung und meist auch die Bezahlung sind abweichend vom Regelfall (§§ 266, 271 BGB) nicht sofort und auf einmal, sondern auf einen unter Umständen längeren Zeitraum verteilt. Der über eine bestimmte Gesamtmenge geschlossene Ratenlieferungsvertrag ist kein Dauerschuldverhältnis.52) b) Beim unechten Sukzessivlieferungsvertrag (Sukzessivlieferungsvertrag 1.46 i. w. S.) handelt es sich um einen Bezugsvertrag (Dauerlieferungsvertrag), der auf unbestimmte, zumindest aber auf längere Zeit ohne Festlegung einer bestimmten Liefermenge geschlossen ist. Die Liefermenge richtet sich nach dem Bedarf des Abnehmers. 3.

Einordnung

Getränkelieferungsverträge können als echte oder unechte Sukzessivlieferungs- 1.47 verträge ausgestaltet sein.53) Getränkelieferungsverträge sind unechte Sukzessivlieferungsverträge mit dem Charakter eines echten Dauerschuldverhältnisses, wenn die Gesamtmenge bei Vertragsschluss offen bleibt. Sie sind dagegen – ausnahmsweise – echte Sukzessivlieferungsverträge ohne Dauerschuldcharakter, wenn sich der Gebundene nicht nur zu einer zeitlichen Bindung, sondern ausnahmsweise auch zur Abnahme einer Gesamtmindestmenge (Mengenvertrag) verpflichtet, die Gesamtmenge also von vornherein bestimmt ist und in Teilmengen abgerufen wird.54) 4.

Entscheidungserheblichkeit

Insolvenzrechtlich ist die Unterscheidung aufgrund von § 105 InsO (teilbare 1.48 Leistung) heute ohne Bedeutung. ___________ 51) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081. 52) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72. 53) Zu der insofern nicht durchweg widerspruchsfreien Rechtsprechung wird verwiesen auf: BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, NJW 1986, 1679; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG München, Urt. v. 14.4.1999 – 15 U 5558/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.3.2000 – VIII ZR 274/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2000 – 8 U 239/99. 54) BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 229/83, BeckRS 1984, 31076445; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134; LG Frankfurt/M., Urt. v. 14.7.1976 – 2/6 O. 451/75; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76.

13

§ 2 Rechtsnatur

5.

Konsequenzen

1.49 a) Unechter Sukzessivlieferungsvertrag. Da insofern ein Dauerschuldverhältnis vorliegt, kommt bei Leistungsstörungen eine außerordentliche Kündigung (§ 314 BGB) in Betracht. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB ist anwendbar, unabhängig davon, ob der Vertrag Gesamt- oder periodische Mindestabnahmemengen vorsieht.55) Ein unmittelbarer Anspruch auf Lieferung bestimmter Teilmengen wird nicht begründet. 1.50 b) Echter Sukzessivlieferungsvertrag. Bei Leistungsstörungen kommt also nicht die außerordentliche Kündigung (§ 314 BGB), sondern ein Rücktritt (§§ 323 Abs. 5 Satz 1 oder § 324 (analog) BGB) in Betracht. Die Vorschrift des § 309 Nr. 9 a BGB kann anwendbar sein.56) VI.

Wiederkehrschuldverhältnis

1.

Begriff

1.51 Von Wiederkehrschuldverhältnissen wird dann gesprochen, wenn der Umfang der beiderseitigen Leistungen nicht nur von der Zeitdauer, sondern innerhalb der einzelnen Zeitabschnitte ganz oder teilweise von der Höhe des tatsächlichen Verbrauchs und insoweit von dem Willen des Abnehmers abhängig ist. Zwar besteht auch hier ein Rahmenvertrag. Dieser verpflichtet aber mangels einer rechtlichen Bindung nicht zum weiteren Vertragsschluss. Vielmehr werden lediglich fortlaufend neue Verträge über die eigentliche Leistung (Lieferverträge) geschlossen.57) 2.

Einordnung

1.52 Gegenstand der Darstellung sind (ausschließliche) Getränkebezugsverpflichtungen. Anders als bei freien Kundenbeziehungen dürfte eine Einordnung als Wiederkehrschuldverhältnis ausscheiden. 3.

Konsequenzen

1.53 § 510 (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) BGB gilt nicht.58)

___________ 55) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 3.11.1988 – I ZR 242/86, NJW 1989, 456; BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 56) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36. 57) BGH, Urt. v. 2.2.1977 – VIII ZR 320/75, BGHZ 67, 389 = NJW 1977, 714. 58) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.4.1990 – 6 U 72/89, NJW-RR 1990, 1081.

14

VII. Gemischter Vertrag

VII. Gemischter Vertrag 1.

Begriff

Bei gemischten Verträgen (sog. Typenmischung in Form eines einzigen Vertrages 1.54 im Gegensatz zu atypischen Verträgen) werden in der Regel in einem Vertrag Elemente verschiedener gesetzlich geregelter Vertragstypen kombiniert. Die einzelnen Leistungspflichten sind so miteinander verknüpft, dass sie nicht voneinander getrennt werden können, ohne das Gesamtgefüge des Vertragsverhältnisses zu zerstören.59) 2. Einordnung Beim Getränkelieferungsvertrag handelt sich in aller Regel um einen einheitli- 1.55 chen Vertrag. Dieser setzt sich durchweg aus Elementen verschiedener gesetzlich geregelter Vertragstypen zusammen. Hinsichtlich der von dem Bindenden (Brauerei, Getränkefachgroßhändler, Dritter) zu erbringenden Leistungen ist an die gesetzlichen Modelle des Darlehensvertrages, des Teilzahlungsgeschäfts, des Bürgschaftsvertrages, des Leih-/Miet- oder Pachtvertrages oder auch des Kaufvertrages bezüglich beweglicher und unbeweglicher Sachen, hinsichtlich des bezugsrechtlichen Teils an den Kaufvertrag (hier über Getränke) in Form des Ratenlieferungsvertrages zu denken. Insgesamt liegt also ein gemischter Vertrag vor.60) 3. Konsequenzen Für jede Leistung sind die Vorschriften des entsprechenden Vertragstyps he- 1.56 ranzuziehen.61) Sollten die bereitstehenden gesetzlichen Vorschriften ausnahmsweise kollidieren, ist die gesetzliche Vorschrift des Vertragstyps heranzuziehen, die den rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt des gemischten Vertrages bildet.62) Auf Leistungsstörungen ist das Recht des Vertragstyps anzuwenden, aus dessen Bereich die jeweilige Leistungsstörung stammt (sog. ___________ 59) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101. KG, Urt. v. 2.9.1937 – 23 U 2455/37; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2000 – 8 U 239/99; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 60) KG, Urt. v. 2.9.1937 – 23 U 2455/37; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJWRR 2001, 987; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2000 – 8 U 239/99; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 61) BGH, Urt. v. 13.9.2007 – I ZR 207/04, BGHZ 173, 344 = NJW 2008, 1072. 62) BGH, Urt. v. 8.10.2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150.

15

§ 2 Rechtsnatur

Kombinationstheorie).63) Ein typengemischter Vertrag enthält immer eine teilbare Leistung, so dass der Ausfall einzelner Leistungen grundsätzlich zur Teilunmöglichkeit führt, es sei denn, nur die vollständige Leistung entspricht nach Sinn und Zweck des Vertrages dem Interesse des Gläubigers.64) VIII. Mehrere Verträge als zusammengesetzter Vertrag 1.

Begriff

1.57 Hier liegen mehrere durch den Parteiwillen verbundene, aber gedanklich voneinander trennbare Vereinbarungen vor.65) Bei zusammengesetzten Verträgen kann der Parteiwille mehrere Verträge derart zu einem Gesamtvertrag zusammenfassen, dass sie für die rechtliche Beurteilung eine Einheit bilden. Ob ein solcher einheitlicher Gesamtvertrag vorliegt, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden. 1.58 In den zusammengesetzten Vertrag kann auch der Vertrag mit einem Dritten einbezogen werden.66) Zu denken ist an eine Finanzierung durch einen Dritten, etwa ein Kreditinstitut oder etwa die GEFA (Gesellschaft für Absatzfinanzierung, Wuppertal (Umwegfinanzierung)). 1.59 Da hier mehrere Verträge geschlossen werden, liegt keine Typenmischung im Sinne eines gemischten Vertrages vor.67) 2.

Einordnung

1.60 Der Abschluss etwa eines Darlehensvertrages neben einem Getränkelieferungsvertrag ist zwar denkbar, in der Praxis aber die seltene Ausnahme. Dann kann der Getränkelieferant Darlehensgeber und zugleich Bindender sein (Vertragspartneridentität auf Gläubigerseite). Entsprechend ist die Situation im Zusammenhang mit Umwegfinanzierungen68) sowie bei Bezugsverpflichtungen im Rahmen des Franchising.69) 3.

Konsequenzen

1.61 Beim zusammengesetzten Vertrag erstrecken sich die für einen Vertragsteil geltenden Formvorschriften, z. B. § 311b BGB, auf den Gesamtvertrag.70) ___________ 63) 64) 65) 66) 67) 68) 69)

BGH, Urt. v. 13.9.2007 – I ZR 207/04, BGHZ 173, 344 = NJW 2008, 1072. BGH, Urt. v. 17.2.1995 – V ZR 267/93, NJW-RR 1995, 853. Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 16. BGH, Urt. v. 30.4.1976 – V ZR 143/75, NJW 1976, 1931. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 491 Rz. 131. BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212. BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105. 70) Siehe unten § 16 III 7 m. w. N.

16

IX. (Gesamt-)Mengenvertrag

In diesem Zusammenhang kann § 358 BGB Bedeutung erlangen.

1.62

Auch für die Abwicklung gem. §§ 281, 323 BGB (Rücktritt) bildet der Vertrag 1.63 eine Einheit.71) Zwei rechtlich selbstständige Verträge können so miteinander verbunden sein, dass die Wirksamkeit und Durchführung des einen Vertrages Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) für den anderen ist.72) Schwierigkeiten können sich dann im Hinblick auf die Fragen des Durchschla- 1.64 gens von Wirksamkeits- und Beendigungsgründen (Widerruf, Kündigung) sowie den Geltungsanspruch des § 139 BGB ergeben. In der Regel sind die Verträge voneinander unabhängig und rechtlich selbstständig, und zwar auch dann, wenn zwischen ihnen ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Der Parteiwille oder der Grundsatz von Treu und Glauben können aber zwischen den Verträgen eine Verbindung herstellen. Entscheidend ist, ob danach die einzelnen Verträge miteinander stehen und fallen sollen.73) IX.

(Gesamt-)Mengenvertrag

1.

Begriff

Ein (Gesamt-)Mengenvertrag liegt vor, wenn eine fest bestimmte Gesamt- 1.65 menge an Bier/Getränken abgenommen werden soll. 2.

Arten

Denkbar ist sowohl der reine Mengenvertrag mit Angabe einer bestimmten ab- 1.66 zunehmenden (Gesamt-)Menge74) als auch eine Kombination einer vereinbarten periodischen – in der Regel jährlichen – Mindestabnahmemenge mit einer Gesamtabnahmemenge75) oder einer Gesamtmindestabnahmemenge oder einer Laufzeit76). Dabei kann die Gesamt-mindest-abnahmemenge sich aus der Addition der periodischen Teilmengen ergeben;77) dies muss aber nicht der Fall sein. ___________ 71) 72) 73) 74)

BGH, Urt. v. 30.4.1976 – V ZR 143/75, NJW 1976, 1931. OLG Celle, Urt. v. 1.6.1999 – 2 U 227/98, NJW-RR 2000, 873. BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 75) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 76) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 77) OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14.

17

§ 3 Temporaler Anwendungsbereich

3.

Einordnung

1.67 Davon ist allerdings im Verhältnis zum Gastwirt regelmäßig nicht auszugehen.78) 4.

Konsequenzen

1.68 Da für die Laufzeit des Vertrages eine entsprechende Gesamtabnahmeverpflichtung vereinbart ist, liegt ein Gesamtbedarfsvertrag vor. Auch insofern handelt es sich um einen Rahmenvertrag.79) Der über eine bestimmte Gesamtmenge geschlossene Ratenlieferungsvertrag ist kein Dauerschuldverhältnis.80) Zur Einordnung als Sukzessivlieferungsvertrag vergleiche die Entscheidungen des BGH vom 5.11.1980 und vom 29.5.1991.81) Es handelt sich um einen Ratenlieferungsvertrag i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB. Zweiter Abschnitt: AGB-rechtliche Grundfragen §3

Temporaler Anwendungsbereich

I.

Rechtslage

1.

Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB

1.69 a) Grundsatz. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB folgt im Wesentlichen dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Privatrechts, nach dem neue Rechtsvorschriften erst auf solche Rechtsverhältnisse anzuwenden sind, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung entstanden sind. 1.70 b) Tatbestand. Voraussetzung ist, dass sich der gesamte Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses unter der Geltung des AGBG verwirklicht hatte. Wurde ein Vertrag nach dem Stichtag geändert oder trat ihm eine neue Vertragspartei bei, so galt für den Vertrag zwar grundsätzlich weiter altes Recht.82) Wesentliche zeitliche oder sachliche Änderungen konnten es aber rechtfertigen, den geänderten Vertrag als Neuvertrag anzusehen oder einen stillschweigend auf die Geltung neuen Rechts gerichteten Parteiwillen anzunehmen.83) 1.71 c) Umfang. Die Geltung alten Rechts für vor dem 1.1.2002 entstandene Schuldverhältnisse beschränkte sich auf die in Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB genannten ___________ 78) Der abweichenden Einschätzung bei von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 1, liegt wohl das Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler zugrunde. 79) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593.; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen). 80) Palandt-Grüneberg, BGB, § 314 Rz. 2. 81) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960. 82) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371; BGH, Urt. v. 7.2.2007 – VIII ZR 145/06, NJW-RR 2007, 668. 83) BGH, Urt. v. 7.10.1997 – XI ZR 233/96, NJW 1998, 602 = ZIP 1998, 66.

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§ 3 Temporaler Anwendungsbereich

3.

Einordnung

1.67 Davon ist allerdings im Verhältnis zum Gastwirt regelmäßig nicht auszugehen.78) 4.

Konsequenzen

1.68 Da für die Laufzeit des Vertrages eine entsprechende Gesamtabnahmeverpflichtung vereinbart ist, liegt ein Gesamtbedarfsvertrag vor. Auch insofern handelt es sich um einen Rahmenvertrag.79) Der über eine bestimmte Gesamtmenge geschlossene Ratenlieferungsvertrag ist kein Dauerschuldverhältnis.80) Zur Einordnung als Sukzessivlieferungsvertrag vergleiche die Entscheidungen des BGH vom 5.11.1980 und vom 29.5.1991.81) Es handelt sich um einen Ratenlieferungsvertrag i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB. Zweiter Abschnitt: AGB-rechtliche Grundfragen §3

Temporaler Anwendungsbereich

I.

Rechtslage

1.

Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB

1.69 a) Grundsatz. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB folgt im Wesentlichen dem allgemeinen Grundsatz des intertemporalen Privatrechts, nach dem neue Rechtsvorschriften erst auf solche Rechtsverhältnisse anzuwenden sind, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung entstanden sind. 1.70 b) Tatbestand. Voraussetzung ist, dass sich der gesamte Entstehungstatbestand des Schuldverhältnisses unter der Geltung des AGBG verwirklicht hatte. Wurde ein Vertrag nach dem Stichtag geändert oder trat ihm eine neue Vertragspartei bei, so galt für den Vertrag zwar grundsätzlich weiter altes Recht.82) Wesentliche zeitliche oder sachliche Änderungen konnten es aber rechtfertigen, den geänderten Vertrag als Neuvertrag anzusehen oder einen stillschweigend auf die Geltung neuen Rechts gerichteten Parteiwillen anzunehmen.83) 1.71 c) Umfang. Die Geltung alten Rechts für vor dem 1.1.2002 entstandene Schuldverhältnisse beschränkte sich auf die in Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB genannten ___________ 78) Der abweichenden Einschätzung bei von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 1, liegt wohl das Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler zugrunde. 79) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593.; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen). 80) Palandt-Grüneberg, BGB, § 314 Rz. 2. 81) BGH, Urt. v. 5.11.1980 – VIII ZR 232/79, NJW 1981, 679 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960. 82) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371; BGH, Urt. v. 7.2.2007 – VIII ZR 145/06, NJW-RR 2007, 668. 83) BGH, Urt. v. 7.10.1997 – XI ZR 233/96, NJW 1998, 602 = ZIP 1998, 66.

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II. Folgerungen für die Praxis

Gesetze und Verordnungen. Zu dem auf Altverträge weiter anzuwendenden Recht gehörten als Teil der in Satz 1 in Bezug genommenen Regelungen auch Übergangsvorschriften des früheren Rechts, vor allem § 28 Abs. 2 AGBG und § 19 VerbrKrG. Im Übrigen galt auch für alte Schuldverhältnisse neues Recht.84) 2.

Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB

Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB sind die darin genannten Rechtsvorschriften, 1.72 insbesondere des BGB, ab dem 1.1.2003 auch auf Altdauerschuldverhältnisse anzuwenden, die vor dem 1.1.2002 begründet worden waren.85) Das entspricht der Überleitungsregel des Art. 171 EGBGB (vgl. auch Art. 229 § 3 EGBGB). Zum Begriff des Dauerschuldverhältnisses im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen kann verwiesen werden.86) 3.

Entscheidungserheblichkeit

Da altes und neues Recht durchweg inhaltsgleich sind, konnte und kann in der 1.73 Regel offen bleiben, welches Recht anzuwenden ist. II.

Folgerungen für die Praxis

1.

Vertragsschluss vor dem 1.1.2002

Auf vor dem 1.1.2002 entstandene Getränkelieferungsverträge war zunächst 1.74 das frühere AGB-Recht weiter anzuwenden. AGB-Klauseln in Verträgen, die in dem Zeitraum vom 1.4.1977 bis zum 31.12.2001 geschlossen worden waren, waren daher grundsätzlich am Maßstab des AGBG zu prüfen.87) 2.

Dauerschuldverhältnisse und das Jahr 2002

Für im Jahre 2002 abgeschlossene Verträge bestand ein unerfreuliches Neben- 1.75 einander von neuem Recht (Einzelvertrag) und altem Recht (Rahmenver___________ 84) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH – VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09. 85) BGH, Urt. v. 24.11.2009 – XI ZR 260/08, NJW 2010, 602 = ZIP 2010, 70 für Darlehensvertrag; BGH, Urt. v. 17.3.2010 – VIII ZR 253/08, NJW-RR 2010, 1329 für Sukzessivlieferungsvertrag; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. 86) Siehe oben § 2 IV m. w. N. sowie LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJWRR 2007, 1552. 87) BGH, Urt. v. 13.7.2007 – V ZR 189/06, NJW-RR 2008, 172; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH – VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJWRR 2007, 1552.

19

§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

trag).88) Altes, nicht neues Recht galt für solche Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, die vor Ablauf des 1.1.2003 zu erfüllen waren.89) Auf die in Vollzug des Getränkelieferungsvertrages als Rahmenvertrag90) geschlossenen Einzelverträge (Kaufverträge über Getränke) war seit dem 1.1.2002 grundsätzlich neues Recht anzuwenden. 3.

Vertragsschluss ab dem 1.1.2003

1.76 Seit dem 1.1.2003 müssen alle noch in Kraft befindlichen Getränkelieferungsverträge und damit auch solche, die vor dem 1.1.2002 geschlossen worden sind, den Rechtsvorschriften des neuen Schuldrechts, insbesondere den §§ 305 – 310 BGB, entsprechen. Aus Vertragsklauseln in Altverträgen, die zum SMG abweichende Bestimmungen enthalten, können sonach seit dem 1.1.2003 keine Rechte mehr geltend gemacht werden. §4

Sachlicher Anwendungsbereich

I.

Grundlagen

1.

Definition

1.77 AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), wobei gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).91) 2.

Normzweck

1.78 Die §§ 305 – 310 BGB sollen verhindern, dass der Verwender, der die Vertragsgestaltungsfreiheit allein in Anspruch nimmt, den anderen Teil unter Abbedingung des dispositiven Rechts unangemessen benachteiligt.92)

___________ 88) Palandt-Ellenberger, BGB, Art. 229 § 5 EGBGB Rz. 7. 89) BGH, Urt. v. 13.7.2007 – V ZR 189/06, NJW-RR 2008, 172; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1552. 90) Siehe oben § 2 III m. w. N. 91) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. 92) BGH, Urt. v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277 = ZIP 2009, 2446.

20

§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

trag).88) Altes, nicht neues Recht galt für solche Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, die vor Ablauf des 1.1.2003 zu erfüllen waren.89) Auf die in Vollzug des Getränkelieferungsvertrages als Rahmenvertrag90) geschlossenen Einzelverträge (Kaufverträge über Getränke) war seit dem 1.1.2002 grundsätzlich neues Recht anzuwenden. 3.

Vertragsschluss ab dem 1.1.2003

1.76 Seit dem 1.1.2003 müssen alle noch in Kraft befindlichen Getränkelieferungsverträge und damit auch solche, die vor dem 1.1.2002 geschlossen worden sind, den Rechtsvorschriften des neuen Schuldrechts, insbesondere den §§ 305 – 310 BGB, entsprechen. Aus Vertragsklauseln in Altverträgen, die zum SMG abweichende Bestimmungen enthalten, können sonach seit dem 1.1.2003 keine Rechte mehr geltend gemacht werden. §4

Sachlicher Anwendungsbereich

I.

Grundlagen

1.

Definition

1.77 AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB), wobei gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrages bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).91) 2.

Normzweck

1.78 Die §§ 305 – 310 BGB sollen verhindern, dass der Verwender, der die Vertragsgestaltungsfreiheit allein in Anspruch nimmt, den anderen Teil unter Abbedingung des dispositiven Rechts unangemessen benachteiligt.92)

___________ 88) Palandt-Ellenberger, BGB, Art. 229 § 5 EGBGB Rz. 7. 89) BGH, Urt. v. 13.7.2007 – V ZR 189/06, NJW-RR 2008, 172; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1552. 90) Siehe oben § 2 III m. w. N. 91) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. 92) BGH, Urt. v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2010, 1277 = ZIP 2009, 2446.

20

I. Grundlagen

3.

Prüfung

AGB liegen vor, wenn kumulativ fünf Voraussetzungen erfüllt sind. Das Vor- 1.79 liegen dieser Voraussetzungen ist für jede einzelne Klausel eines Vertragstextes gesondert zu prüfen und festzustellen.93) Bezüglich des Aushandelns ergibt sich dies aus dem Wort „soweit“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.94) 4.

Klarstellungen/unerhebliche Umstände

a) Der Umfang des Klauselwerks ist gleichgültig. Auch einzelne Klauseln (Frei- 1.80 zeichnung, Eigentumsvorbehalt), etwa ein Stempelaufdruck, eine Gerichtsstandsklausel im Briefkopf oder die Übernahme einer Mithaftung, können bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB AGB sein.95) Möglich ist auch, dass in einem individuell gestalteten Vertrag eine einzige Klausel AGB ist. b) Die verwandte Schriftart ist unerheblich. Auch hand- oder maschinen- 1.81 schriftliche Texte sind daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB als AGB zu qualifizieren.96) Daher lässt sich aus dem Merkmal der Vorformulierung auch nicht auf die Notwendigkeit schriftlicher Fixierung der Bedingungen als Voraussetzung der AGB-Definition schließen.97) c) Form. Darauf, dass die Vertragsbedingungen gedruckt, vervielfältigt, im Ge- 1.82 schäftslokal des Verwenders ausgehändigt oder auf sonstige Weise äußerlich in ihrem Charakter als Regelung einer Vielzahl von Rechtsgeschäften erkennbar sind, kommt es für die AGB-Definition nicht an. Der Begriff der AGB erfordert nicht die Schriftform.98) Es genügen auch vom Kunden beim Vertragsschluss mündlich akzeptierte Formulierungen.99) d) Wirksamkeit. Ob die Einbeziehungsvoraussetzungen erfüllt oder die Vor- 1.83 schriften über die Inhaltskontrolle beachtet sind, ist für die Annahme von AGB unerheblich.100) ___________ 93) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.6.2015 – 2 U 37/14, NJW-RR 2016, 53. 94) BGH, Urt. v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, NJW 1988, 2465 = ZIP 1988, 974; BGH, Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759. 95) BGH, Urt. v. 8.6.1979 – V ZR 191/76, BGHZ 75, 15 = NJW 1979, 2387. 96) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574; BGH, Urt. v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, BGHZ 176, 140 = NJW 2008, 2250 = ZIP 2008, 1877. 97) BGH, Urt. v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410 = ZIP 1987, 1576 = Zeller IV, 34; BGH, Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418. 98) BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 = ZIP 1999, 711; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418. 99) BGH, Urt. v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410 = ZIP 1987, 1576 = Zeller IV, 34; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418. 100) BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418.

21

§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

5.

Beurteilungszeitpunkt

1.84 Der Verwender muss die Vertragsbestimmung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder bei der Unterlassungsklage im Zeitpunkt der Urteilsfällung für eine Vielzahl von Verträgen gedacht haben.101) 6.

Einseitige Rechtsgeschäfte

1.85 Die §§ 305 – 310 BGB gelten auch für einseitige Rechtsgeschäfte.102) II.

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

1.

Vertragsbedingungen

1.86 Vertragsbedingungen sind einseitige rechtsgeschäftliche Erklärungen, die nach ihrem objektiven Wortlaut bei dem Empfänger den Eindruck hervorrufen, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden.103) Gleichgültig ist, ob es sich um die Festlegung der Hauptleistung oder um Nebenbedingungen handelt.104) 1.87 Ein internes (Banken-)Rundschreiben mit verbindlichen Anweisungen zum Ablauf der Geschäftspraxis zwecks „Berücksichtigung einer restriktiven BGHRechtsprechung“ ist zwar nicht als Vertragsbedingung i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB einzuordnen. Es erfüllt aber als faktische Vertragsbedingung den Umgehungstatbestand des § 306a BGB.105) 1.88 Tatsachenerklärungen sind Vertragsbedingungen, wenn sie einen vertraglichen Regelungsgehalt haben. Beispiele sind die Bestätigung, mündliche Abreden bestehen nicht106) oder die Vertragsbedingungen seien im Einzelnen ausgehandelt. 1.89 Die Vorschriften über die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle sind auch auf vorformulierte Erklärungen im Vorfeld des Vertragsschlusses anzuwenden. Daher erstrecken sich die Vorschriften der §§ 307 – 309 BGB auch auf sogenannte Vertragsabschlussklauseln, zu denen von dem Verwender vorformulierte einseitige Erklärungen des anderen Teils zur Geltung seines Angebots gehören (sog. Geltungsklauseln).107) ___________ 101) BGH, Urt. v. 4.5.2000 – VII ZR 53/99, BGHZ 144, 242 = NJW 2000, 2988 = ZIP 2000, 1535; BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, NJW-RR 2002, 13. 102) BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029. 103) BGH, Urt. v. 4.2.2009 – VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 314 = NJW 2009, 1337; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 15.5.2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 = ZIP 2014, 1485. 104) BGH, Urt. v. 10.11.1989 – V ZR 201/88, NJW 1990, 576. 105) BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, BGHZ 162, 194 = NJW 2005, 1645 = ZIP 2005, 798. 106) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 2007 = ZIP 1999, 1887. 107) BGH, Urt. v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2009, 2873 = ZIP 2010, 1854; BGH, Urt. v. 7.6.2013 – V ZR 10/12, NJW 2013, 3434 = ZIP 2013, 2108.

22

II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

2.

Vorformulierung

a) Begriff. Vorformuliert sind alle zum Zweck künftiger Verwendung und 1.90 damit vor Vertragsschluss in irgendeiner Weise durch den Verwender persönlich oder durch Dritte108) vorbereiteten fertigen Vertragsbedingungen, die nicht in der konkreten Vertragsabschlusssituation spontan entwickelt werden, selbst wenn sie nur im Kopf des Verwenders oder seines Abschlussgehilfen oder als Textbausteine eines Computerprogramms oder sonstigen Datenträgers gespeichert sind.109) Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn die Vertragsbedingungen in schriftlicher Form vorbereitet und für die Einbeziehung in abzuschließende Verträge bereitgestellt, also z. B. in Vertragsformulare aufgenommen oder im Geschäftslokal ausgehängt sind.110) Schon eine zur wiederkehrenden Verwendung formulierte Klausel genügt, um eine vorformulierte Vertragsbedingung in diesem Sinne anzunehmen.111) b) Form. Auf welche Weise die jeweilige Klausel vorformuliert oder auf wel- 1.91 che Weise sie in den Vertragstext aufgenommen wurde, ist unerheblich. Insbesondere ist keine Schriftform erforderlich (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).112) c) AGB liegen ggf. auch insoweit vor, als eine – eingefügte – Klausel unter der 1.92 Rubrik „Sonstige Vereinbarungen“ niedergeschrieben wird.113) 3. Vielzahl von Verträgen a) Definition. Bedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt, 1.93 wenn sie entweder für eine unbestimmte Zahl künftiger Verwendungen oder für eine nicht ganz unbedeutende Zahl bestimmter Fälle bestimmt sind.114) Dafür genügt, dass der Inhalt der verwendeten Klauseln im Wesentlichen gleich ist.115) Darauf, in wie vielen Rechtsgeschäften der vorformulierte Text de facto Eingang gefunden hat, kommt es nicht an.116) ___________ 108) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 109) BGH, Urt. v. 7.11.1995 – XI ZR 235/94, NJW 1996, 249; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; OLG Hamm, Urt. v. 9.6.1986 – 15 U 239/85, NJW-RR 1987, 243. 110) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049. 111) BGH, Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759; BGH, Urt. v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135. 112) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418. 113) BGH, Urt. v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410 = ZIP 1987, 1576 = Zeller IV, 34. 114) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441. 115) BGH, Urt. v. 8.6.1979 – V ZR 191/76, NJW 1979, 2387; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049. 116) BGH, Urt. v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

1.94 AGB liegen auch dann vor, wenn sie für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die Vertragspartei, die die Klausel stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will.117) Die Vorschriften der §§ 307 – 309 BGB finden allerdings dann keine Anwendung, wenn die Vertragsbedingungen für einen einzigen geplanten Vertragsabschluss vorformuliert werden.118) Eine Klausel, die allein mit der Absicht entworfen wurde, in einen konkreten Einzelvertrag Eingang zu finden, wird auch nicht dadurch nachträglich zur AGB, dass sie später in weiteren Verträgen verwendet wird und erst dann als AGB einzustufen ist.119) 1.95 b) Mehrverwendungsabsicht. aa) Vertragsbedingungen sind bereits dann vorformuliert, wenn mindestens ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt ist.120) Kann die Absicht einer mindestens dreimaligen Verwendung nachgewiesen werden, dann ist bereits die erste Verwendung der Klausel als AGB anzusehen. 1.96 Allerdings erfüllt die erstmalige Verwendung von Dritt-AGB seitens des (aktuellen Verwenders das Merkmal „Vielzahl“.121) 1.97 bb) Entscheidend ist nach dem Wortlaut die Absicht, nicht die tatsächliche Serienverwendung.122) Hat der Verwender die Vertragsbedingungen selbst formuliert, kommt es auf seine Absicht zur mehrfachen Verwendung an.123) Allerdings lässt sich dem Wortlaut des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht entnehmen, dass gerade der Verwender die Absicht haben muss, eine Klausel mehrfach einzusetzen. Auch nach Sinn und Zweck ist es nicht entscheidend, wer eine Klausel vorformuliert hat. Es reicht, wenn der Ersteller diese Absicht hat.124) 1.98 cc) Eine Verwendung gegenüber verschiedenen Vertragspartnern ist nicht erforderlich. Vielmehr ist die Dreifachverwendung gegenüber einer Vertragspartei ausreichend.125) Dann muss es sich aber um materiell und zeitlich unterschiedliche Verträge handeln. ___________ 117) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, BeckRS 2015, 04338. 118) BGH, Urt. v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, NJW-RR 2002, 13. 119) BGH, Urt. v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, BeckRS 2009, 20713; BGH, Urt. v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135. 120) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288; BGH, Urt. v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, ZIP 2005, 1699. 121) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 122) BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 = ZIP 1999, 711. 123) BGH, Urt. v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683. 124) BGH, Urt. v. 4.5.2000 – VII ZR 53/99, BGHZ 144, 242 = NJW 2000, 2988 = ZIP 2000, 1535; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 125) BGH, Urt. v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454.

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II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

dd) Bedeutung. Das Merkmal „Mehrfachverwendungsabsicht“ hat in der Pra- 1.99 xis nur geringe Bedeutung. Dies folgt daraus, dass diese nicht in der Person des Verwenders vorliegen muss, sondern es genügt, wenn die Vertragsbestimmung von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurde.126) 4.

Stellen

a) Bedeutung. Mit dem Tatbestandsmerkmal „Stellen“ wird zum einen defi- 1.100 niert, welche der beiden Parteien „Verwender“ der Bedingungen ist. Zum anderen wird die Frage der einseitigen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender und einer freien Einbeziehungsentscheidung des Klauselgegners beantwortet.127) Dabei kommt es grundsätzlich weder auf eine wirtschaftliche oder intellektuelle Überlegenheit gegenüber der anderen Vertragspartei noch auf die Gestaltungsmacht des Verwenders an.128) b) Begriff. Das „Stellen“ von AGB setzt einen einseitigen Akt der Konfronta- 1.101 tion des anderen Vertragsteils mit der Klausel voraus sowie ein Beharren des Verwenders auf der Einbeziehung derselben,129) ohne dem anderen Teil eine freie – abweichende – Entscheidungsmöglichkeit einzuräumen.130) c) Voraussetzungen. aa) Verwender ist nach der Legaldefinition in § 305 Abs. 1 1.102 Satz 1 BGB diejenige Vertragspartei, die der anderen Partei bei Abschluss eines Vertrages vorformulierte Vertragsbedingungen stellt. Bei dem Verwendungsverlangen handelt es sich um eine geschäftsähnliche Handlung. Ob ein „Stellen“ i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben ist, muss im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Normzwecks ermittelt werden. bb) Ein „Stellen“ ist nur dann anzunehmen, wenn der Verwender die Vertrags- 1.103 gestaltung einseitig zu bestimmen versucht.131) Dazu muss die Formularbestimmungen auf Initiative einer Partei oder ihres Abschlussgehilfen132) in die Verhandlungen eingebracht und ihre Verwendung zum Vertragsschluss ver-

___________ 126) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 127) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 128) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937 = ZIP 2014, 1087; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 129) BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133 = ZIP 2014, 1369. 130) BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 131) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 132) BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738 = ZIP 2015, 1295; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

langt werden.133) Der (einseitige) Wunsch einer Partei, bestimmte von ihr bezeichnete vorformulierte Vertragsbedingungen zu verwenden, ist grundsätzlich ausreichend.134) Ein „Abspeichern im Kopf des Verwenders genügt.135) 1.104 cc) Stellen“ von AGB meint die Zurechnung eines Vorschlags bzw. der Einführung eines Formulartextes durch den Verwender.136) Dabei kommt es nicht darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat. Das Sich-zu-eigenMachen von Dritt-AGB genügt damit.137) 1.105 dd) Die von einem Unternehmer ständig verwendeten AGBs sind diesem auch dann zuzurechnen, wenn sie ein Vertragspartner in „vorauseilendem Gehorsam“ in sein Vertragsangebot aufgenommen hat.138) Ob an dieser Aussage mit erheblicher praktischer Bedeutung nach der aktuellen Rechtsprechung139) festgehalten werden kann, ist zweifelhaft. In einem solchen Fall fehlt es nämlich an der „Einseitigkeit ihrer Auferlegung“. Gleichfalls zweifelhaft ist die Voraussetzung, dass die andere Partei, hier der bezugnehmende Vertragspartner, „auf ihre Ausgestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann“. 1.106 ee) Es kommt nicht darauf an, welche Partei durch die Klausel begünstigt wird. Aus der Begünstigung allein kann nicht auf die Verwendereigenschaft geschlossen werden.140) 1.107 ff) Die durch eine Klausel begünstigte Partei wird nicht dadurch zum Verwender, dass sie sich die Klausel während der Vertragsabwicklung „zu Nutze macht“.141) 1.108 d) Abgrenzung zur Individualabrede nach §§ 305 Abs. 1 Satz 3, 305b BGB. aa) Die Fragen der einseitigen Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender und einer freien Einbeziehungsentscheidung des Klausel___________ 133) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 1.3.2013 – V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028; BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133 = ZIP 2014, 1369; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 134) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 135) BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133 = ZIP 2014, 1369. 136) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 1.3.2013 – V ZR 31/12, NJW-RR 2013, 1028; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 137) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 138) BGH, Urt. v. 4.3.1997 – X ZR 141/95, NJW 1997, 2043; BGH, Urt. v. 9.3.2006 – VII ZR 268/04, NJW-RR 2006, 740. 139) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 140) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 141) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628.

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II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

gegners gehören zum Tatbestandsmerkmal „Stellen“, nicht zum „Aushandeln“. An dem durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit einer Vertragspartei zum Ausdruck kommenden Stellen vorformulierter Vertragsbedingungen fehlt es, wenn deren Einbeziehung sich als Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird.142) Erforderlich hierfür ist, dass diese Vertragspartei in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.143) bb) Die allgemein signalisierte Bereitschaft zu Verhandlungen über belas- 1.109 tende Klauseln genügt nicht.144) Vertragsbedingungen sind auch dann gestellt, wenn der Verwender ausdrücklich die Möglichkeit zur Änderung oder Streichung im Text einräumt145) oder verschiedene AGB alternativ anbietet.146) Das Schweigen des Klauselgegners auf die in einem Anschreiben des Verwenders 1.110 geäußerte Bitte, „Anmerkungen oder Änderungswünsche“ mitzuteilen, lässt die Verwendereigenschaft nicht entfallen.147) Voraussetzung ist, dass durch die bloße Frage nach „Anmerkungen oder Änderungswünschen“ eine tatsächliche Gelegenheit eröffnet worden, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlung einzubringen. An der Eigenschaft Klauselverwender ändert es somit nichts, wenn von einer etwaigen Verhandlungs- und Gestaltungsmöglichkeit kein Gebrauch gemacht worden ist.148) cc) „Gestellt“ sind Klauseln auch dann, wenn sie auf Initiative einer Partei in 1.111 den Vertrag erst nachträglich per Vertragsänderung einbezogen werden sollen, z. B. durch Aufdruck auf der Rechnung oder der Vertragsbestätigung, unabhängig davon, ob sie zum Vertragsinhalt werden.149) ___________ 142) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937 = ZIP 2014, 1087; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 143) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937 = ZIP 2014, 1087; BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 170/13, NJW-RR 2014, 1133 = ZIP 2014, 1369; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 144) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720; BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951. 145) BGH, Urt. v. 14.4.2005 – VII ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1040; BGH, Urt. v. 1.12.2005 – I ZR 103/04, NJW-RR 2006, 758; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474; BGH, Urt. v. 1.12.2005 – I ZR 103/04, NJW-RR 2006, 758. 146) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676. 147) BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 148) BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2011; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 149) BGH, Urt. v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, NJW 1987, 1634.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

5.

Aushandeln

1.112 a) Begriff. Der Begriff des Aushandelns wird vom Gesetz nicht definiert. Aushandeln i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedeutet nach h. M. mehr als Verhandeln.150) Das Gesetz verdeutlicht dies durch den Zusatz „im Einzelnen“. Die Ausnahmevorschrift des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ist nur dann erfüllt, wenn der Verwender den zunächst in seinen AGB enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, insgesamt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrnehmung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen.151) Die Rechtsprechung verlangt eine Einflussnahme auf die tatsächliche Gestaltung des Vertragstextes.152) Der Hinweis auf die jeweilige Motivlage genügt nicht.153) 1.113 Der gesamte Klauselinhalt muss, soweit er vom dispositiven Recht abweicht, zur Disposition gestellt werden.154) Im Ergebnis handelt es sich um eine hohe Hürde, die nicht leicht zu nehmen ist. Weder genügen langwierige Verhandlungen noch der erhebliche Umfang des Vertragswerkes.155) 1.114 Bei der Prüfung des Vorliegens einer Individualvereinbarung sind alle Umstände des Einzelfalls, vor allem die intellektuellen Fähigkeiten und die berufliche Position der Verhandlungspartner sowie das Bestehen oder Fehlen eines wirtschaftlichen Machtgefälles zu berücksichtigen.156) 1.115 Es genügt nicht, dass das gestellte Formular dem Vertragspartner bekannt ist und nicht auf Bedenken stößt, dass der Inhalt lediglich erläutert oder erörtert wird157) und den Vorstellungen des Partners entspricht. 1.116 b) Verhandlungsbereitschaft. aa) Grundsatz. Wer AGB oder Formularverträge verwendet, drückt damit regelmäßig aus, dass er nicht bereit ist, von seinen vorgedruckten, abschließend formulierten Konditionen abzuweichen. Diesen objektiven Erklärungswert muss der Verwender beseitigen, wenn er geltend macht, der Inhalt der Bedingungen sei entgegen dem äußeren Anschein im Ein___________ 150) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 214/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924. 151) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; BGH, Urt. v. 18.3.2009 – XII ZR 200/06, NJW-RR 2009, 947; BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952 = ZIP 2015, 1016. 152) BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668; BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952 = ZIP 2015, 1016. 153) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 154) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 12/12, NJW 2013, 1431. 155) BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 156) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 157) BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805 = ZIP 2003, 908.

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II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

zelnen ausgehandelt. Die Anforderungen an den substantiierten und schlüssigen Tatsachenvortrag zum Tatbestand einer Individualvereinbarung sind nicht unerheblich.158) Wer angeblich immer verhandlungsbereit ist, tatsächlich aber nie etwas ändert, kann sich auf § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht berufen. bb) Bezug. Die Abänderungsbereitschaft muss die konkret zu überprüfende 1.117 Klausel betreffen. Ein Aushandeln anderer Bestimmungen genügt nicht.159) cc) Erklärung. Der Verwender muss seine Verhandlungsbereitschaft über den 1.118 Vertragsinhalt von Beginn der Vertragsverhandlungen an und von sich aus ernsthaft und unzweideutig und ernsthaft erklären („signalisieren“)160) Dies kann auch stillschweigend und im Laufe von Vertragsgesprächen nachträglich geschehen.161) Nur dann hat der Verwender eine Chance, der AGB-Kontrolle zu entgehen. Anderenfalls „schnappt die AGB-Falle zu“.162) dd) Verhandlungen. Insofern genügt weder eine allgemein geäußerte Bereit- 1.119 schaft, belastende Klauseln sämtlich abzuändern,163) noch die bloße formularmäßige Erklärung des Verwenders, er sei zu Änderungen seiner AGB bereit.164) Zwischen den Parteien müssen tatsächlich Verhandlungen über die Vertragsbedingungen stattfinden.165) Ist ein Formular dem Verhandlungspartner bekannt, stieß es trotz intensiver 1.120 Erörterung nicht auf Bedenken und entsprach es seinen Vorstellungen, so hat sich der Verwendungsgegner nur „der vermeintlich besseren Einsicht gebeugt und damit den Vertragsbedingungen unterworfen“.166) ee) Unabdingbarkeit. aaa) Allgemein. Eine Klausel soll nur dann inhaltlich 1.121 zur Disposition gestellt sein, wenn dem Verwendungsgegner ein Entscheidungsspielraum dafür gelassen wird, ob die Klausel in ihrem gesetzesfremden Kerngehalt auch gänzlich entfallen kann.167) Daran fehlt es, wenn der Verwen___________ 158) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 14.4.2005 – VII ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1040; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 159) BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805. 160) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 214/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474. 161) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 162) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131. 163) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 214/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 164) BGH, Urt. v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, NJW 1986, 2428; BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2011. 165) BGH, Urt. v. 14.4.2005 – VII ZR 56/04, NJW-RR 2005, 1040. 166) BGH, Urt. v. 9.10.1986 – VII ZR 245/85, NJW-RR 1988, 144; BGH, Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759. 167) BGH, Urteil 10.10.1991 – VII ZR 289/90, NJW 1992, 1111; BGH, Urt. v. 16.7.1998 – VII ZR 9/97, NJW 1998, 3488; BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 = ZIP 1999, 711.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

der trotz langer Verhandlungen und Beteiligung eines kundigen Rechtsanwalts auf der Gegenseite die betreffende Klausel für „unabdingbar“ erklärt.168) Kein Aushandeln ist sonach gegeben, wenn der Vertragspartner vor die Wahl gestellt wird, entweder die Bedingungen unverändert anzunehmen oder vom Vertrag Abstand zu nehmen.169) 1.122 bbb) Besonderheiten im Unternehmerverkehr. Für den Unternehmerverkehr ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob ein individuelles Aushandeln auch dann vorliegen kann, wenn der Verwender eine bestimmte Klausel als unabdingbar erklärt.170) Aus unternehmerischer Vorsicht ist allerdings zu beachten, dass die aktuelle Rechtsprechung des BGH eine deutliche Sprache spricht.171) Stellt danach ein Verwender ein von ihm vorformulierte Vertragsbedingung als „nicht verhandelbar“ dar und kommt es unter Beibehaltung dieser Bedingung – trotz Kritik daran und eigener juristischer Prüfung des Vertragswerks seitens des anderen Vertragsteils – später zum Vertragsabschluss, ohne dass der andere Vertragsteil jene Bedingung, etwa weil er an anderer Stelle des Vertragswerks eine ausreichende Kompensation erreicht hätte, in seinen eigenen Vertragswillen aufgenommen hat, so ist für die Annahme einer „im einzelnen ausgehandelten Vertragsbedingung“, die der AGB-Kontrolle entzogen wäre (§§ 305 Abs. 1 Satz 3, 305b BGB), kein Raum. 1.123 ff) Verhandlungen über Teilaspekte, insbesondere über den Preis. Schwierig können Fälle liegen, wenn es zu Verhandlungen über Teilaspekte des Vertrages gekommen ist, z. B. wenn die Parteien bei Vertragsabschluss über den Preis oder über einzelne Vertragsbedingungen, etwa unterschiedliche Vertragslaufzeiten,172) verhandelt haben und sich später die Frage stellt, ob eine bestimmte andere unverändert in den Vertrag übernommene Vertragsbedingung als „im Einzelnen ausgehandelt“ angesehen werden kann. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die streitige Vertragsbedingung klar und verständlich formuliert ist und dass der Kunde, soweit es nicht der Fall ist, über ihren Inhalt und ihre rechtliche Tragweite im Ergebnis aufgeklärt wurde. Hinzu kommen muss aber weiterhin, dass der Kunde erkannt hat oder erkennen konnte, dass zwischen der streitigen Vertragsbedingung und dem Verhandlungsergebnis zum Preis ___________ 168) BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; a. A. BGH, Urt. v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283. 169) BGH, Urt. v. 10.10.1991 – VII ZR 289/90, NJW 1992, 1107; BGH, Urt. v. 18.5.1995 – X ZR 114/93, BeckRS 1995, 31061319; BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 170) Bejahend BGH, Urt. v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283 (wohl obiter); Palandt-Grüneberg, BGB, § 305 Rz. 22. Dezidiert ablehnend dagegen BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. Vgl. auch BGH, Urt. v. 7.5.2008 – XII ZR 5/06, BeckRS 2008, 11746. 171) BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 172) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407.

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II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

und zu den übrigen Vertragsbedingungen ein Zusammenhang besteht, der die Annahme rechtfertigt, dass auch die unverändert übernommene Bedingung Verhandlungsgegenstand war. So liegt es, wenn die eine Vertragspartei, um eine von ihr vorformulierte Ver- 1.124 tragsbedingung unverändert durchzusetzen, Preiszugeständnisse (Tarifwahl) gemacht hat. Sind von dem Kunden Bedenken gegen mehrere Vertragsbedingungen erhoben worden und werden einzelne Bedingungen daraufhin verändert, so kann dies dafür sprechen, dass nicht nur diese, sondern auch die unverändert beibehaltenen Bedingungen als Individualabreden i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB anzusehen sind.173) Die Möglichkeit der Kompensation durch ein Nachgeben bei der Entgeltver- 1.125 einbarung betrifft allerdings nur den Sonderfall einer einzigen vorformulierten Klausel.174) Nicht erforderlich ist, dass der Verwender anbietet, auf die Klausel ggf. ganz zu 1.126 verzichten. Er kann vielmehr darauf bestehen, ohne dass dies der Klausel den Individualcharakter nimmt, dass die Änderung der einen Klausel zugunsten der Verwendergegenseite mit der Änderung einer anderen Klausel zu deren Lasten bzw. der Änderung des Entgelts verbunden wird.175) Erforderlich ist, dass die dann vorgenommene Ergänzung/Wahl einer zweiten Alternative nicht lediglich unselbstständiger Art ist. Darüber hinaus muss die Wahlfreiheit des Kunden gewahrt bleiben; sie darf vor allem auch nicht durch eine bestimmte Gestaltung des Formulars eingegrenzt werden.176) gg) Wahlmöglichkeiten. Nicht ausreichend ist es, wenn mehrere Vertrags- 1.127 entwürfe zur Auswahl zugesendet werden.177) Das bloße Einräumen von Wahlmöglichkeiten genügt dem Kriterium der Abänderungsbereitschaft selbst dann nicht, wenn die Varianten der Vertragsgestaltung von den Parteien eingehend mündlich erörtert wurden. Durch die Wahlmöglichkeit allein wird die Bestimmung nicht in den rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen. Es reicht nicht aus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt bei ablehnender Haltung des Vertragspartners zugunsten einer anderen, unabänderlich vorgefertigten Vertragsgestaltung entfallen lässt.178) ___________ 173) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952 = ZIP 2015, 1016; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 174) BGH, Urt. v. 27.3.1991 – IV ZR 90/90, NJW 1991, 1678. 175) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 176) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16. 177) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – X ZR 114/93, BeckRS 1995, 31061319. 178) BGH, Urt. v. 3.7.1985 – IVa ZR 246/83, NJW-RR 1986, 54.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

1.128 c) Weitere Einzelaspekte. aa) Unzureichend für ein Aushandeln ist auch ein sinngemäßes Anpassen der Klausel an den vereinbarten Leistungsumfang.179) 1.129 bb) Unbeachtlich für die Abgrenzung zwischen AGB und Individualabrede sind die bloße Erläuterung des Klauselwerks durch den Verwender und der Umstand, dass der Kunde von dessen Inhalt im Einzelnen Kenntnis genommen hat und das Vertragsangebot sodann akzeptiert hat.180) 1.130 cc) Eine eingehende Erörterung der einzelnen Konditionen und eine Belehrung über ihre Rechtsfolgen werden als nicht ausreichend erachtet.181) 1.131 dd) Bei umfangreichen oder nicht leicht verständlichen Klauseln ist Voraussetzung, dass der Verwender die andere Vertragspartei im Einzelnen über Inhalt und Tragweite der Klauseln und über die bei allen denkbaren Fallgestaltungen eintretenden Rechtsfolgen belehrt hat. Eine solche Belehrung ist für die Annahme, sie seien von den Parteien ausgehandelt worden, zwar erforderlich, aber nicht ausreichend. Eine Belehrung über die rechtlichen Konsequenzen einer AGB-Klausel mag es zwar rechtfertigen, dass die Klausel nicht mehr gem. § 305c Abs. 1 BGB als „überraschend“ und daher als unwirksam angesehen werden kann.182) Zu einer Individualabrede i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB wird sie dadurch aber nicht.183) 1.132 ee) Auch wenn der vorformulierte Text unverändert bleibt, kann ausnahmsweise eine Individualvereinbarung vorliegen, wenn der andere Teil nach gründlicher Erörterung von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt wird und ihr zustimmt.184) Der Vertragsinhalt muss dazu von beiden Seiten in ihren rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen worden sein und der Kunde darf sich nicht etwa aus Gründen der Zeitersparnis, der Rationalisierung oder des Fehlens akzeptabler Gegenvorschläge mit den vom Verwender vorgeschlagenen Vertragsbedingungen einverstanden erklärt haben. Ein solcher Ausnahmefall setzt voraus, dass der Verwender seine AGB zwar zur Disposition stellt, den Kunden dennoch zu unveränderter Akzeptanz bewegen kann, indem er ihn etwa von der sachlichen Notwendigkeit der Regelung überzeugt oder ihm beim ___________ 179) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – X ZR 114/93, BeckRS 1995, 31061319. 180) BGH, Urt. v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, NJW 1988, 2465 = ZIP 1988, 974; BGH, Urt. v. 25.6.1992 – VII ZR 128/91, NJW 1992, 2759. 181) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805 = ZIP 2003, 908. 182) BGH, Urt. v. 22.12.1992 – VI ZR 341/91, BGHZ 121, 107 = NJW 1993, 779. 183) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. 184) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; BGH, Urt. v. 3.11.1999, VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; BGH, Urt. v. 20.12.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952 = ZIP 2015, 1016; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720.

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II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

Preis entgegenkommt.185) Preiszugeständnisse sind ein wichtiges Indiz dafür, dass die Voraussetzungen „besonderer“ Umstände gegeben sind. ff) Dass sich der Vertragspartner über den Vertragsinhalt im Klaren war, 1.133 reicht bei fehlender Abänderungsbereitschaft des Verwenders für ein Aushandeln nicht aus.186) gg) Eine Klausel wird nicht dadurch zur Individualabrede, dass sie in eine sepa- 1.134 rate, von beiden Parteien unterzeichnete Zusatzvereinbarung187) oder in einen an den Kunden gerichteten Brief aufgenommen wird, dies selbst dann wenn es Kunden ausdrücklich freigestellt ist, eine vorgeschlagene formularmäßige Zusatzvereinbarung zu akzeptieren oder nicht.188) Bedeutsam kann dies insbesondere im Zusammenhang mit Briefvereinbarungen werden.189) hh) Die Übersendung „zur Durchsicht und Unterschrift“ genügt nicht.190)

1.135

ii) Kommt es im Einzelfall nach Abschluss des Vertrages zu Verhandlungen über 1.136 eine AGB-Regelung, so kann in der einverständlichen Bestätigung ihres Inhalts eine Individualabrede liegen.191) Dem Vorliegen einer Individualabrede steht nicht entgegen, dass die Vereinbarung in mehreren Verträgen mit verschiedenen Parteien gleichlautend getroffen wurde. Entscheidend ist, dass sie im konkreten Fall individuell ausgehandelt wurde.192) d) Textliche Umgestaltung. aa) Materielle Textänderungen. Ein Aushan- 1.137 deln ist zu bejahen, wenn die Vertragspartner im Rahmen von Verhandlungen über die Einbeziehung der AGB des einen Teils in den Vertrag zu materiellen Änderungen des vorformulierten Textes kommen.193) Sind am vorformulierten Text nachträgliche Veränderungen in hand- oder maschinenschriftlicher Form vorgenommen worden, so kann darin je nach Art oder Inhalt der Änderung ein Indiz dafür zu sehen sein, dass der Vertrag insoweit im Einzelnen ausgehandelt und zur Individualabrede geworden ist.194) Ein Indiz dafür, dass eine Klausel für den Verwender verhandlungsfähig war, ist, dass gleichartige Verträge jeweils abgeändert abgeschlossen wurden; es sei denn, es ist stets dieselbe Klausel, die jeweils gleich lautend geändert oder ergänzt worden ist. Dagegen kann ___________ 185) 186) 187) 188) 189) 190) 191) 192) 193) 194)

BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. BGH, Urt. v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, NJW 1988, 2465 = ZIP 1988, 974. BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. BGH, Urt. v. 8.3.2005 – VIII ZB 55/04, NJW 2005, 1373; BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 19 U 58/97, BeckRS 1997, 31051607. BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385 = ZIP 1983, 76. OLG Hamm, Urt. v. 27.2.1981 – 4 RE-Miet 4/80, NJW 1981, 1049. BGH, Urt. v. 26.2.1992 – XII ZR 129/90, NJW 1992, 2283. BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131; BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924. BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

vor allem der Inhalt einer Klausel sprechen, wenn sie einseitig der Wahrung der Interessen des Verwenders dient und erheblich von gesetzlichen Regelungen abweicht, die den Vertragspartner schützen.195) 1.138 Wird lediglich die Formulierung, nicht aber der wesentliche Inhalt einer Klausel abgeändert, so greift § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht ein.196) 1.139 bb) Im Übrigen. Textänderungen sind allerdings nicht zwingend, um ein Aushandeln feststellen zu können. 1.140 Unerheblich ist, ob die Änderungsmöglichkeit tatsächlich von einzelnen Kunden genutzt wurde, wie vom Verwender behauptet. Der BGH geht allein vom Verständnis eines durchschnittlichen Kunden aus.197) 1.141 e) Unterschrift. Kein Indiz für ein individuelles Aushandeln ist der Umstand, dass die (gesondert zum Vertragstext überreichten) AGB von der anderen Vertragspartei zusätzlich zum eigentlichen Vertragstext unterzeichnet wurden (Abzeichnung).198) Gleiches gilt für die Vertragsunterschrift. 1.142 f) Nachträgliche Änderungen. Eine AGB verliert ihren Klauselcharakter nicht allein dadurch, dass sie von den Parteien nachträglich individuell geändert wird. Voraussetzung ist zunächst, dass es sich um eine wesentliche Änderung handelt, die der gesamten Bestimmung das entscheidende Gepräge gibt.199) Nicht genügend ist weiter, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertragspartner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt und den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat und die Parteien auf dieser Grundlage eine Einigung finden, mit der die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wird. Denn in diesem Fall wirkt die zum Nachteil des Vertragspartners unangemessen ausgeübte Gestaltungsmacht des Verwenders fort.200) 1.143 g) Reichweite des Aushandelns („soweit“). Die Mindestanforderungen an das Aushandeln i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB sind gesetzlich dahin umschrieben, dass das Aushandeln sich jeweils auf bestimmte Vertragsbedingungen beziehen muss und nur insoweit zur Nichtanwendung des AGB-Rechts führt.201) Ein Aushandeln einzelner Vertragsbedingungen ändert grundsätzlich nichts daran, dass die übrigen AGB bleiben.202) Selbst wenn zentrale Klauseln geändert wer___________ 195) 196) 197) 198) 199) 200) 201) 202)

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BGH, Urt. v. 4.6.1981 – VII ZR 212/80, NJW 1981, 2343. BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668. BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000. BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385 = ZIP 1983, 76; BGH, Urt. v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, NJW 1988, 2465 = ZIP 1988, 974. OLG Hamm, Urt. v. 25.3.1993 – 21 U 237/91, NJW-RR 1994, 531. BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431. BGH, Urt. v. 19.6.1996 – VIII ZR 189/95, ZIP 1996, 1997. BGH, Urt. v. 6.3.1986 – III ZR 195/84, ZIP 1986, 698; BGH, Urt. v. 19.6.1996 – VIII ZR 189/95, ZIP 1996, 1997.

II. Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen

den, so bleiben die restlichen Klauseln gleichwohl AGB. Eine Ausstrahlungswirkung auf den Charakter der nicht in die Verhandlungen einbezogenen Teile besteht nicht.203) h) Erneute Verwendung. Hat der Verwender im Abstand von drei Monaten 1.144 zwei im Wesentlichen ähnliche Verträge mit dem gleichen Kunden geschlossen und behauptet er, eine bestimmte Klausel sei bei jedem dieser Verträge mit dem Kunden „im Einzelnen ausgehandelt“ worden, so muss er auch für den zweiten Vertragsschluss beweisen, dass hierbei die Voraussetzungen für die Annahme einer Individualvereinbarung gegeben waren. Es genügt nicht, wenn der Verwender bei dem zweiten Vertragsschluss auf seine alten dem Kunden bekannten (und beim ersten Vertragsschluss individuell vereinbarten) AGB ausdrücklich Bezug nimmt und dieser sich mit ihnen einverstanden erklärt.204) i) Bestätigungen. aa) Auch eine von der anderen Vertragspartei unterzeichne- 1.145 te individuelle Erklärung bzw. Vereinbarung, der zur Folge alle Vertragsbedingungen ausgehandelt worden seien, hat keinerlei Beweiswert. Sie ist weder Beweis für das Vorliegen einer Individualvereinbarung, noch führt sie zu einer Beweislastumkehr.205) Da die §§ 305 – 310 BGB zwingendes Recht darstellen, können die Vertragsparteien die Geltung des AGB-Rechts auch individualvertraglich nicht unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausschließen.206) Eine entsprechende Versicherung ist auch nicht typischerweise richtig, sodass mit ihrer Hilfe kein Anscheinsbeweis erbracht werden kann. Dies soll auch im Unternehmerverkehr gelten.207) Ganz bedeutungslos müssen solche Erklärungen indessen nicht sein. Sind sie deutlich hervorgehoben, handoder maschinenschriftlich erst bei den Vertragsverhandlungen in den Vertragstext eingefügt oder von dem Kunden gesondert unterschrieben worden, so können sie als Beweisanzeichen immerhin zu der richterlichen Überzeugung beitragen, dass es sich bei den streitigen Vertragsbedingungen im konkreten Einzelfall um Individualabreden handelt.208) bb) Formularbestätigung. Eine vorformulierte Bestätigungsklausel über ein 1.146 „Aushandeln“ von Vertragsbedingungen fingiert nicht den Tatbestand des § 305

___________ 203) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.6.2015 – 2 U 37/14, NJW-RR 2016, 53. 204) BGH, Urt. v. 8.11.1978 – IV ZR 179/77, NJW 1979, 367. 205) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – I ZR 198/84, NJW 1987, 1641. 206) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924. 207) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 214/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.6.2015 – 2 U 37/14, NJW-RR 2016, 53. 208) BGH, Urt. v. 15.12.1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624; OLG Hamm, Beschl. v. 27.2.1981 – 4 REMiet 4/80.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

Abs. 1 Satz 3 BGB und ersetzt damit nicht ein tatsächliches Aushandeln.209) Die Klausel ist nach § 309 Nr. 12b BGB auch im Falle gesonderter Unterschrift unwirksam, unabhängig davon, ob es sich um eine Beweislastumkehr oder nur um ein vom Gericht frei zu würdigendes Beweisanzeichen handelt.210) 1.147 j) Widerlegung. Selbst wenn geeignete Indizien festgestellt werden können, bleibt dem Kunden freilich die Möglichkeit, den Anschein individuellen Aushandelns dadurch zu erschüttern, dass er die tatsächliche Übereinstimmung der ihm gegenüber konzedierten Abweichungen mit denjenigen in anderen vom Verwender geschlossenen Verträgen nachweist. Lässt sich eine solche Übereinstimmung in nicht nur vereinzelten Fällen feststellen und gestattet sie den Rückschluss auf eine gewisse Planmäßigkeit des Vorgehens des Verwenders, so ist der auf eine Individualabrede hindeutende äußere Anschein widerlegt.211) Auch in diesem Fall kann der Verwender freilich den Nachweis führen, dass die inhaltliche Übereinstimmung jeweils auf dem Ergebnis des konkreten Aushandelns mit dem Vertragspartner beruht und den Änderungen nicht etwa vorformulierte Vertragsbedingungen mit der faktischen Bindungswirkung von AGB zugrunde lagen. III.

Darlegung und Beweis

1.

Klauselgegner

1.148 a) Grundsatz. Der Klauselgegner hat die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der – vier positiven – Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.212) Regelmäßig wird der Verbraucher der ihm nach § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast schon durch Hinweis auf die äußere Form – gedruckter oder sonst vervielfältigter Text – genügen können.213) 1.149 b) Vorformulierung. Gleiches gilt nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins (prima facie), wenn sich aus der Fassung der Klauseln die Absicht einer mehrfachen Verwendung ergibt. Hierbei wird aus der Typizität der Vertragsgestaltung abgeleitet, dass der Verwender die Bestimmung nicht nur für den Einzelfall entwickelt hat.214) Demgegenüber gestattet die maschinenschriftliche Form eines Vertrages in einer einheitlichen, Haupt- und Nebenabreden enthaltenden Urkunde, für sich genommen, nicht ohne weiteres den ___________ 209) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 214/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924. 210) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. 211) BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 = ZIP 1999, 711. 212) BGH, Urt. v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, BGHZ 176, 140 = NJW 2008, 2250 = ZIP 2008, 1877. 213) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131. 214) BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102 = NJW 2004, 502; BGH, Urt. v. 26.2.2004 – VII ZR 247/02, NJW-RR 2004, 814.

36

III. Darlegung und Beweis

Rückschluss auf den AGB-Charakter des Vertragsinhalts. Hier müssen vom Kunden weitere Umstände dargetan werden wie der Massencharakter von Geschäften der fraglichen Art aus der Sicht des Vertragspartners des Kunden, der nicht auf die individuelle Vertragssituation abgestimmte, formelhafte Vertragsinhalt oder die tatsächliche Übereinstimmung der von jenem verwendeten Vertragsbedingungen in nicht nur vereinzelten Fällen, wenn er seiner Beweisführungslast genügen oder den Anscheinsbeweis erbringen will.215) c) Vielzahlkriterium. Aus Aufbau und allgemein gehaltenen Klauseln eines 1.150 Vertragswerks kann der – widerlegbare – Beweis des ersten Anscheins für das Merkmal „Vielzahl“ abgeleitet werden. Entscheidend ist, dass die Vertragsbedingungen nicht für den konkreten Vertrag vorformuliert sind und dass sie Regelungen enthalten, welche dem Verwender günstig, für den anderen Vertragsteil aber nachteilig sind.216) Die Absicht der dreimaligen Verwendung wird damit belegt, dass die Klausel in 1.151 insgesamt drei Verträgen (am selben Tag) verwendet wird. Dann wird (widerleglich) vermutet, dass sie nicht nur für einen bestimmten Vertrag, sondern für eine Vielzahl von Verträgen formuliert wurde.217) d) Stellen. Wird ein gedrucktes Formular vorgelegt, so spricht der Beweis des 1.152 ersten Anscheins für ein Stellen durch die Partei, die den Vordruck eingebracht hat. Der Verwender muss dann diesen Anschein erschüttern.218) Der Gegenbeweis ist etwa geführt, wenn feststeht, dass genauso gut die andere Partei ein Vertragsmuster hätte auswählen können.219) 2.

Verwender

a) Grundsatz. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im konkreten Fall 1.153 ein Aushandeln (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) der an sich vorformulierten Bedingungen stattgefunden hat, obliegt dem Verwender.220) Je ungünstiger und komplexer die Regelung für den Kunden ist, umso höher sind die Anforderungen, die an den Nachweis des Aushandelns zu stellen sind.221) ___________ 215) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – wie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 216) BGH, Urt. v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102 = NJW 2004, 502. 217) BGH, Urt. v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441. 218) BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 219) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 220) BGH, Urt. v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 = NJW 2014, 1725 = ZIP 2014, 924. 221) BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 77/91, ZIP 1992, 24.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

1.154 b) Allerdings dürfte im Unternehmerverkehr der Beweis auch dadurch erbracht werden können, dass im Anschluss an die Vertragsverhandlungen ein kurzes Protokoll darüber gefertigt und entweder von beiden Parteien gezeichnet oder von einer Partei der anderen als Bestandteil eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens übersandt wird. Weiter ist an qualifizierte Anschreiben bei Übersendung des ersten Vertragsentwurfs zu denken und die nachvollziehbare Dokumentation der Änderungen. 1.155 c) Insbesondere bei notariell beurkundeten Verträgen, aber auch bei anderen Verträgen, kann es sich zur Erleichterung dieses Beweises empfehlen, in die Vertragsurkunde einen Passus aufzunehmen, in dem Gegenstand und Ergebnis der Verhandlungen kurz beschrieben werden, also etwa dargelegt wird, dass der Kunde auf bestimmte einzelne, für ihn risikoreiche Klauseln hingewiesen worden sei und er sich mit ihrer Geltung einverstanden erklärt habe, nachdem ihm in Bezug auf den Preis oder in Bezug auf andere Vertragsbedingungen ein Zugeständnis gemacht worden sei oder Einverständnis darüber bestanden habe, dass der Preis nur wegen der (für den Kunden risikoreichen) Klauseln habe so niedrig festgesetzt werden können. IV.

Querschnittsthemen

1.

Mustertexte

1.156 In der Literatur werden auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen Mustertexte angeboten.222) 1.157 a) Vorformulierung. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangt weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Schutzzweck, dass derjenige, der die Bedingungen vorformuliert hat, und derjenige, der sie verwendet, verschiedene Personen sind.223) Das Tatbestandsmerkmal „vorformuliert“ ist also dann erfüllt, wenn Getränkelieferanten ihre Vereinbarungen auf der Grundlage eigener oder fremder Mustertexte bzw. Textbausteine gestalten. 1.158 b) Vielzahlkriterium. Benutzt eine Vertragspartei die von einem Dritten für eine mehrfache Verwendung formulierten Bedingungen, so ist dem Merkmal der Vielzahl genügt. Schon nach dem Wortlaut des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht erforderlich, dass die Partei selbst eine mehrfache Verwendung plant. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragspartei, die Klauseln stellt, diese nur für einen Einzelfall einzusetzen gedenkt.224) ___________ 222) Vgl. etwa das Muster eines Getränkelieferungsvertrages mit Darlehensgewährung bei Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Formularsammlung Vertriebsrecht, § 21. 223) BGH, Urt. v. 23.6.2005 – VII ZR 277/04, BeckRS 2005, 08272; BGH, Urt. v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, BeckRS 2006, 00499; BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 224) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. BGH, Urt. v. 8.10.2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150.

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IV. Querschnittsthemen

c) Stellen. Für die Frage, wer eine Klausel gestellt hat und damit Verwender 1.159 ist, kommt es nicht entscheidend darauf an, wer die Geschäftsbedingungen entworfen hat („geistiger Vater“). Sind die Bedingungen von einem Dritten formuliert, ist für die Anwendbarkeit der §§ 305 – 310 BGB maßgebend, ob eine der Vertragsparteien sich die Bedingungen als von ihr gestellt zurechnen lassen muss.225) Zu fragen ist, auf welche Initiative der verwendete Formularvertrag in die Verhandlungen der Parteien eingebracht worden ist und wer seine Verwendung zum Vertragsschluss verlangt hat. Vertragsmuster aus Formularbüchern oder Verbandsmitteilungen, die für eine Vielzahl von Verwendungsfällen gedacht sind, erlangen AGB-Qualität i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dadurch, dass sie zur Grundlage eines konkreten Vertragsangebots gemacht werden. Folglich ist es unerheblich, ob der Getränkelieferant eigene oder fremde Mustertexte einsetzt. 2.

Verbandsmuster

a) Vielzahlkriterium. Hat ein Verband ein Vertragsformular entwickelt und sei- 1.160 nen Mitgliedern allgemein zur Verfügung empfohlen, so kann es sich um AGB auch dann handeln, wenn der Verwender das Formular nur für einen Einzelfall einsetzt.226) b) Stellen. Es genügt, wenn Bedingungen verwendet werden, die ein Wirtschafts- 1.161 verband zur Nutzung durch seine Mitglieder aufgestellt hat oder hat aufstellen lassen. Dies insbesondere dann, wenn sie in einem Formularbuch oder einer Sammlung von Musterbedingungen zur Verwendung bereitgestellt sind. Empfehlen Verbände Vertragsformulare, so sind allerdings nicht sie Verwender 1.162 i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Als Empfehler können sie aber auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 1 UklaG). c) Aushandeln. Das Aushandeln muss zwischen den Vertragsparteien erfol- 1.163 gen. Ein kollektives Aushandeln auf Verbandsebene rechtfertigt die Anwendung des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht.227) Es ist aber im Rahmen der Angemessenheitsprüfung zu berücksichtigen.228) 3.

Vertragserstellungsprogramme

Wer als Getränkelieferant mit eigenen und insbesondere zugelieferten Ver- 1.164 tragserstellungsprogrammen arbeitet, sieht sich bei Verwendung der Module naturgemäß der AGB-Problematik vollumfänglich ausgesetzt. Dies sowohl im ___________ 225) BGH, Urt. v. 8.10.2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150. 226) BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628. 227) BGH, Urt. v. 23.6.1999 – IV ZR 136/98, BGHZ 142, 103 = NJW 1999, 3558. 228) BGH, Urt. v. 15.12.1982 – VII ZR 92/82, BGHZ 86, 141 = NJW 1983, 1816.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

Zusammenhang mit den Leistungs- und Getränkelieferungsverträgen einschließlich Widerrufsinformation(en) und Widerrufsbelehrung(en) als auch ergänzender Formulare, wie Verträgen zur Bestellung von Sicherheiten. 4.

Notarielle Vereinbarungen

1.165 a) Einführung. Getränkebezugsverpflichtungen werden gelegentlich auch in notariellen Urkunden niedergelegt. Zu denken ist einerseits an die Beurkundung einer Getränkebezugsverpflichtung im Zusammenhang mit dem Verkauf einer gastrogewerblich genutzten Immobilie, etwa auch durch einen Getränkelieferanten. Darüber hinaus werden Getränkebezugsverpflichtungen notariell im Zusammenhang mit notariellen (Schuld-)Anerkenntnissen beurkundet. 1.166 b) Grundsatz. § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB verdeutlicht, dass auch einer besonderen Form bedürftige Verträge, hier notarielle Verträge, AGB sein können. Das AGB-Recht kann folglich auch für notariell beurkundete Verträge gelten, soweit diese AGB enthalten (Formularvertrag) oder in Bezug nehmen. 1.167 c) Vorformulierung. Die von einem Notar entworfenen Musterklauseln in einem Notarvertrag sind in der Regel vorformuliert.229) 1.168 d) Vielzahlkriterium. Eine Mehrverwendungsabsicht ist auch dann gegeben, wenn die Klausel von dem konkreten Verwender nur einmal benutzt werden sollte, jedoch eine allgemeine Mehrverwendungsabsicht besteht, wie dies etwa der Fall ist, wenn ein Muster eines Notars oder Rechtsanwalts verwendet wird.230) 1.169 e) Stellen. Auch Klauseln in einem Notarvertrag können von einer Vertragspartei gestellt sein. Zu fragen ist, ob der Verwender nach dem objektiven Empfängerhorizont ein eigenes Verwendungsverlangen abgeben hat. 1.170 Eine Ausnahme von der AGB-Neutralität interner Vertragsmuster, Vorlagen etc. ist dann geboten, wenn der Vertragsentwurf auf Veranlassung oder im Auftrag einer Partei nach deren Wünschen zur Verwendung auch für künftige Verträge oder zum Abschluss von Serienverträgen erstellt wurde.231) Dem lässt sich der Fall der Einschaltung eines Hausnotars gleichstellen, wenn die ihn benennende Partei dessen Entwürfe kennt und sich zunutze machen will. Dann muss es sich diese Partei gefallen lassen, dass man die von dem Notar gewählte Formulierung ihr zurechnet. Der Notar nimmt dann nicht mehr die Stellung eines neutralen Dritten ein. Bei Einschaltung des Notars ist ein Stellen auch dann anzunehmen, wenn die Vertragspartei dem Notar den vorformulierten Vertrag

___________ 229) BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160; BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288. 230) OLG Frankfurt, Urt. v. 10.10.2014 – 2 U 245/12, BeckRS 2015, 13773. 231) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288.

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IV. Querschnittsthemen

zur Verfügung gestellt hat232) oder der Notar auf Veranlassung einer Seite eingeschaltet wurde und in ihrem Auftrag und unter einseitiger Berücksichtigung ihrer Interessen das Vertragsformular entwickelt hat.233) Das in dem Formular verkörperte Verwendungsverlangen übermittelt der Notar dann als Bote, falls der Verwender im Notartermin nicht anwesend ist. Von einem jedenfalls konkludenten Verwendungsverlangen ist regelmäßig auszugehen, wenn der Verwender darauf besteht, dass die Beurkundung bei dem von ihm benannten Notar stattfindet und der Kunde auf die einseitig im Interesse des Verwenders formulierten Vertragsbedingungen keinen Einfluss nehmen kann. Denn dieses Verhalten darf der Kunde so interpretieren, dass sein Vertragspartner auf der Einbeziehung des Vertragsformulars besteht. Dann ist die Vertragspartei Verwender, in deren Auftrag und unter einseitiger Berücksichtigung ihrer Interessen der Notar das Vertragsformular entwickelt hat. f) Aushandeln. Auch im Unternehmerverkehr reicht es nicht aus, wenn die 1.171 Vertragsbedingungen dem Kunden bei Vertragsabschluss von dem Verwender oder dem Notar vorgelesen worden sind.234) 5.

Wahlklauseln

a) Anwendungsfälle. Zu denken ist an eine Kombination von mehreren vor- 1.172 formulierten Textalternativen mit einem Leerraum, der individuell ausgefüllt werden kann, oder an vorgegebene Alternativen, beispielsweise Laufzeitvorgaben zum Ankreuzen (Kontrollkasten, sog. Checkbox) bzw. Anklicken. b) Vorformulierung. Bietet der Verwender dem Kunden die Wahl zwischen 1.173 verschiedenen Gestaltungsalternativen, so sind sämtliche Alternativen vorformuliert. Davon zu trennen ist die Frage, ob durch die Auswahlentscheidung des Kunden die von ihm ausgesuchte Vertragsvariante ausgehandelt ist. c) Stellen/Aushandeln. In der Rechtsprechung des BGH finden sich Ent- 1.174 scheidungen, die bei Wahlklauseln ein Aushandeln verneinen.235) Die Eröffnung von Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die vorformulierten Vertragsbedingungen oder dass einige Lücken (Preis, Laufzeit) individuell auszufüllen sind, mache die vom Kunden gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zur Individualabrede. Denn die vorgefertigten Vertragsgestaltungen seien selbst unabänderlich, sodass der Vertragspartner in Wahrheit keine Möglichkeit des ___________ 232) BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12. 233) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288. 234) BGH, Urt. v. 20.11.2008 – III ZR 60/08, NJW 2009, 1199 = ZIP 2009, 872; BGH, Urt. v. 29.5.2009 – V ZR 201/08, NJW-RR 2010, 63. 235) BGH, Urt. v. 3.7.1985 – IVa ZR 246/83, NJW-RR 1986, 54; BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 77/91, NJW 1992, 503 = ZIP 1992, 24; BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

Aushandelns besitze.236) Wenn der Kunde mit dem Verwender einen Vertrag abschließen wolle, müsse er dafür die vom Verwender vorformulierten Bedingungen akzeptieren. Daran ändere die ihm eingeräumte Wahl zwischen verschiedenen AGB des Verwenders nichts. Der AGB-Charakter der einzelnen Klauseln werde dadurch nicht berührt, weil die konkrete Klausel eben nicht im Einzelnen ausgehandelt werde. 1.175 Davon abweichend hat der BGH in einem obiter dictum erklärt, dass bei Wahlklauseln die vom Kunden gewählte Alternative ausgehandelt und deshalb der AGB-Kontrolle entzogen sein könne. Konkret ging es um die Wahl zwischen verschiedenen, vom Verwender vorgegebenen Vertragslaufzeiten. Diese könnten eine im Einzelnen ausgehandelte Klausel sein, auch wenn die Laufzeiten an unterschiedliche Entgelte geknüpft seien. Eine Individualvereinbarung liege erst dann vor, wenn der Verwender neben den von ihm vorgegebenen Alternativen dem Kunden die konkrete Möglichkeit einräume, dem Vertrag eine selbst gewählte Variante zugrunde zu legen. Erforderlich sei aber, dass die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, insbesondere eine suggestive Gestaltung des Formulars, überlagert werde.237) Letzteres hat der BGH für eine Vertragslaufzeitklausel angenommen, die neben den vorgedruckten Worten „10 Jahre“ die Möglichkeit vorsah, durch Ankreuzen und Ausfüllen eine andere Wahl zu treffen. Dies reiche für ein Aushandeln nicht, weil der vorformulierte Vorschlag im Vordergrund stehe.238) Es genüge nicht, dass der andere Vertragsteil lediglich die Wahl zwischen bestimmten, von der anderen Seite vorgegebenen Formularalternativen hat. Erforderlich sei vielmehr, dass er – wenn er schon auf die inhaltliche Gestaltung des vorgeschlagenen Formulartextes keinen Einfluss nehmen konnte – in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei sei und insbesondere Gelegenheit erhalte, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.239) 6.

Lückentexte

1.176 a) Grundlagen. Von Lückentexten spricht man, wenn ein vorformulierter Text mit Absicht unvollständig ist, weil er in den Vertragsverhandlungen noch ergänzt werden soll. Es handelt sich also um planmäßig ergänzungsbedürftige Regelungen. 1.177 b) Differenzierung. Bei Vertragsmustern mit zu füllenden Lücken ist zunächst zwischen dem Aushandeln des vorgegebenen Textes und der individuel___________ 236) 237) 238) 239)

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BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000. BGH, Urt. v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 = NJW 2010, 1131 = ZIP 2010, 628; die Entscheidung bedarf allerdings einen Vertrag zwischen zwei Privatpersonen.

IV. Querschnittsthemen

len Lückenfüllung zu unterscheiden. Weiter unterscheidet die Rechtsprechung zwischen selbstständigen und unselbstständigen Ergänzungen.240) aa) Um eine selbstständige Ergänzung handelt es sich, wenn sich die Unan- 1.178 gemessenheit einer Regelung gerade aus den (wesentlichen) Ergänzungen ergibt. Liegt eine selbstständige Ergänzung vor, so nimmt diese der Klausel den AGB-Charakter, wenn der Kunde unter Ausübung unbeeinflusster Gestaltungsmacht die Ergänzung vorgenommen hat.241) bb) Eine unselbstständige Ergänzung liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn 1.179 bereits der Formulartext die zu beanstandende Regelung enthält. Unselbstständige Ergänzungen um weniger bedeutsame Punkte führen dagegen unter keinen Umständen zu einer Individualvereinbarung.242) Zu nennen sind u. a. der Name der Vertragspartei,243) die Bezeichnung des Vertragsobjektes, die Nennung des Vertragsgegenstandes, Angaben zum Vertragsbeginn,244) möglicherweise die Festlegung der Dauer des Vertrages,245) die Nennung des aktuellen Listenpreises in einer Tagespreisklausel,246) die Höhe der Schadenspauschale, die Präzisierung einer Vertragsstrafe247) – ist jedoch der gesamte „gesetzesfremde Kern“, nämlich die Strafhöhe und ggf. die Verschuldensunabhängigkeit ausgehandelt worden, so ist die gesamte Vertragsstrafenregelung keine AGB248) – und die Zweckerklärung für Grundpfandrechte. c) Vorformulierung. aa) Allgemein. Dem Merkmal „vorformuliert“ steht nicht 1.180 entgegen, dass eine Klausel – handschriftlich oder maschinenschriftlich – ergänzt werden muss (§ 305 Abs. 1 Satz 2 BGB).249) Regelmäßig ändert die Ausfüllung der Lücke an der Vorformulierung nichts. bb) Selbstständige Ergänzungen. Bei selbstständigen Ergänzungen kann der 1.181 Kunde die freie Stelle nach seiner freien Entscheidung ausfüllen. Vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge sind nicht vorhanden. Dann stellt ___________ 240) BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000. 241) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336. 242) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314s (Optionsklausel in Tankstellenvertrag). 243) BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 244) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574. 245) BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668, lässt offen. 246) BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603. 247) BGH, Urt. v. 17.12.1987 – VII ZR 307/86, NJW-RR 1988, 654. 248) BGH, Urt. v. 16.7.1998 – VII ZR 9/97, NJW 1998, 3488; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049. 249) BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180 = ZIP 1999, 711; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418.

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§ 4 Sachlicher Anwendungsbereich

dieser Formularteil in der Regel keine AGB dar, weil der Verwender insoweit nicht einseitig von seiner Gestaltungsmacht Gebrauch gemacht hat.250) Ändert oder ergänzt der Klauselgegner das Formular selbst, fehlt es an einer Vorformulierung.251) 1.182 d) Stellen/Aushandeln. aa) Selbstständige Ergänzungen. Auch selbstständige Ergänzungen können gestellt sein, wenn dem Kunden durch das Formular oder durch die Vertragsverhandlung mit dem Verwender oder seinem Vertreter bestimmte Ausfüllungsalternativen nahegelegt werden.252) Ein Stellen liegt auch dann vor, wenn der Verwender ein Formular üblicherweise oder gegenüber einer Mehrzahl von Kunden in gleicher Weise ergänzt oder ergänzen lässt und wenn der zu ergänzende Text nicht zum Gegenstand der Verhandlungen bei Vertragsabschluss gemacht wird. Selbst wenn der konkret zu beurteilende Zusatz nur in 15 % aller Verträge enthalten ist, ist der AGB-Charakter der Ergänzung zu bejahen, weil auch in dieser Konstellation „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen“ vorliegen.253) 1.183 Gestellt sind vermeintlich selbstständige Ergänzungen, die der Verwendergegenseite zwar (scheinbar) die Auswahl zwischen mehreren Ergänzungsmöglichkeiten lassen, die vertraglichen Ergänzungen aber abschließend oder de facto vom Verwender vorgegeben sind oder durch die Vertragsverhandlung mit dem Verwender oder seinem Vertreter bestimmte Ausfüllungsalternativen nahegelegt werden. Solche Ergänzungen sind nicht wirklich ausgehandelt. Art, Inhalt, Umfang und Form der Einfügung können den Schluss auf ein Stellen nahelegen. 1.184 Sicherzustellen ist, dass die Wahlfreiheit des Kunden nicht durch die Einflussnahme des Verwenders in irgendeiner Weise – sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es in anderer Weise – beeinflusst wird. Wenn der Kunde z. B. bei einer Tarifwahl ohne Beeinflussung durch vorformulierte Entscheidungsvorschläge sich ein klares Bild über unterschiedliche Laufzeiten und die entsprechenden Preisgestaltungen verschaffen kann, bevor er die offenen Stellen des Formulars nach seiner freien Entscheidung ausfüllt, dann stellt seine Ergänzung keine AGB dar.254) Eine selbstständige und damit kontrollfreie Ergänzung bei einem Vertrag, der in einem vorformulierten Regelungsvorschlag eine Lücke für eine eigene, abweichende Gestaltung durch den Kunden vorsieht, setzt sonach voraus, dass die Kundendisposition nicht durch den Willen des ___________ 250) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16. 251) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16. 252) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – XII ZR 192/01, BGHZ 150, 299, 302 f. = NJW 2002, 2388; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 253) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 254) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407.

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I. Unternehmer

Verwenders überlagert wird. Nach der Struktur der Klausel muss der Kunde eindeutig erkennen können, ob er ohne Rücksicht auf die Vorgaben des Verwenders eine eigene Wahl treffen kann.255) Dies gilt auch für Laufzeitvorgaben zum Ankreuzen (Kontrollkasten, sog. Checkbox) bzw. Anklicken.256) bb) Unselbstständige Ergänzungen. Bei unselbstständigen Ergänzungen ist 1.185 die zu beanstandende Regelung in der Formularklausel selbst enthalten. Sie wird nur durch den Vertragsgegenstand im Einzelfall konkretisierende Ergänzungen vervollständigt. Die betreffende Klausel erhält erst durch die Ausfüllung der Leerstelle einen Sinn. Die Unangemessenheit der Regelung i. S. d. §§ 307 – 310 BGB kann sich unabhängig vom Inhalt der Ergänzung nur aus dem vorformulierten Teil der Klausel ergeben. Handelt es sich um unselbstständige Ergänzungen, so wird die restliche Klausel 1.186 durch das Ausfüllen beim Vertragsschluss nicht zur Individualvereinbarung, sondern bleibt AGB.257) Hierzu rechnen auch Konstellationen, in denen der Verwender oder seine Mitarbeiter die Lücke in dem vom Verwender gewünschten Sinne ausfüllen258) oder sie darauf hinwirken, dass der Text ohne individuelles Aushandeln entsprechend ergänzt wird.259) §5

Persönlicher Anwendungsbereich

I.

Unternehmer

1.

Grundlagen

a) Geltungsbereich. Die Legaldefinition des § 14 BGB hat grundsätzlich Gül- 1.187 tigkeit für das gesamte Zivil- und Zivilverfahrensrecht.260) Somit bestimmt sich die Auslegung des Unternehmerbegriffs in § 310 BGB sowie u. a. in §§ 312 ff., 355 ff., 491 – 511 BGB entsprechend.261) Der Begriff des Unternehmers i. S. d. § 14 BGB ist auch für § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblich.262) ___________ 255) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 15.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336. 256) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 12.3.2009 – III ZR 142/08, BGHZ 180, 144 = NJW 2009, 1738. 257) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 258) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574. 259) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 260) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 153 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, ZIP 2005, 1699. 261) Palandt-Ellenberger, BGB, § 14 Rz. 5 i. V. m. § 13 Rz. 7. 262) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94.

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I. Unternehmer

Verwenders überlagert wird. Nach der Struktur der Klausel muss der Kunde eindeutig erkennen können, ob er ohne Rücksicht auf die Vorgaben des Verwenders eine eigene Wahl treffen kann.255) Dies gilt auch für Laufzeitvorgaben zum Ankreuzen (Kontrollkasten, sog. Checkbox) bzw. Anklicken.256) bb) Unselbstständige Ergänzungen. Bei unselbstständigen Ergänzungen ist 1.185 die zu beanstandende Regelung in der Formularklausel selbst enthalten. Sie wird nur durch den Vertragsgegenstand im Einzelfall konkretisierende Ergänzungen vervollständigt. Die betreffende Klausel erhält erst durch die Ausfüllung der Leerstelle einen Sinn. Die Unangemessenheit der Regelung i. S. d. §§ 307 – 310 BGB kann sich unabhängig vom Inhalt der Ergänzung nur aus dem vorformulierten Teil der Klausel ergeben. Handelt es sich um unselbstständige Ergänzungen, so wird die restliche Klausel 1.186 durch das Ausfüllen beim Vertragsschluss nicht zur Individualvereinbarung, sondern bleibt AGB.257) Hierzu rechnen auch Konstellationen, in denen der Verwender oder seine Mitarbeiter die Lücke in dem vom Verwender gewünschten Sinne ausfüllen258) oder sie darauf hinwirken, dass der Text ohne individuelles Aushandeln entsprechend ergänzt wird.259) §5

Persönlicher Anwendungsbereich

I.

Unternehmer

1.

Grundlagen

a) Geltungsbereich. Die Legaldefinition des § 14 BGB hat grundsätzlich Gül- 1.187 tigkeit für das gesamte Zivil- und Zivilverfahrensrecht.260) Somit bestimmt sich die Auslegung des Unternehmerbegriffs in § 310 BGB sowie u. a. in §§ 312 ff., 355 ff., 491 – 511 BGB entsprechend.261) Der Begriff des Unternehmers i. S. d. § 14 BGB ist auch für § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblich.262) ___________ 255) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 15.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336. 256) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 12.3.2009 – III ZR 142/08, BGHZ 180, 144 = NJW 2009, 1738. 257) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 258) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574. 259) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 260) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 153 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, ZIP 2005, 1699. 261) Palandt-Ellenberger, BGB, § 14 Rz. 5 i. V. m. § 13 Rz. 7. 262) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94.

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§ 5 Persönlicher Anwendungsbereich

1.188 b) Handeln in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt jedenfalls ein selbstständiges und planmäßiges, auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt voraus.263) Auf die Regelmäßigkeit, den Umfang der Tätigkeit oder auf die Eintragung im Handelsregister kommt es nicht an. Daher genügt auch eine kleingewerbliche gastronomische Tätigkeit.264) Selbst eine nebenerwerblich ausgeübte unternehmerische Tätigkeit ist ausreichend.265) Eine Gewinnerzielungsabsicht266) ist nicht erforderlich.267) Unternehmerhandeln i. S. v. § 14 BGB liegt vor, wenn zur Umsatzsteuerpflicht optiert wird.268) 1.189 c) Objektive Zweckrichtung. Für die Abgrenzung zwischen Verbraucher- und Unternehmerhandeln ist grundsätzlich die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend. Dabei kommt es maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, insbesondere das Verhalten der Parteien bei Vertragsschluss an.269) 1.190 d) Zweifelsfälle. Eine Vermutung dafür, dass alle vorgenommenen Rechtsgeschäfte eines Unternehmers „im Zweifel“ seinem geschäftlichen Bereich zuzuordnen sind, besteht nicht. § 344 Abs. 1 HGB gilt nicht.270) Bleibt offen, ob das Rechtsgeschäft überhaupt einen unternehmerischen Zweck verfolgt, gehen Zweifel darüber nicht zu Lasten des Verbrauchers.271) 2.

GmbH

1.191 a) Verträge mit einer GmbH werden bereits nach dem Gesetzeswortlaut nicht erfasst.272)

___________ 263) BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 = NJW 2015, 3228 = ZIP 2015, 979; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, BeckRS 2017, 131654. 264) BT-Drucks. 13/6444, S. 47. BGH, Urt. v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.1995 – 10 U 29/95, BeckRS 1996, 00592. 265) OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2015 – I-12 U 34/15, BeckRS 2015, 19938. 266) Vgl. zu § 1 GWB § 29 II 6 a und zum Wettbewerbsrecht § 27 III 2 b, jeweils m. w. N. 267) BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, BGHZ 155, 240 =NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494; BGH, Urt. v. 29.3.2006 – VIII ZR 173/05, BGHZ 167, 40 = NJW 2006, 2250 = ZIP 2006, 1307; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, BeckRS 2017, 131654. 268) BGH, Urt. v. 26.2.2016 – V ZR 208/14, NJW 2016, 2173 = ZIP 2016, 1486. 269) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 153 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; BGH, Urt. v. 27.9.2017 – VIII ZR 2717/16, BeckRS 2017, 129051 = ZIP 2017, 2153; BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, BeckRS 2017, 131654. 270) BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 32/16, BeckRS 2017, 131654. 271) BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334. 272) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224 (§ 1 VerbrKrG).

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I. Unternehmer

b) Einmann-GmbH. Regelmäßig steht der gewerbliche Verwendungszweck 1.192 des Darlehens oder der Finanzierungshilfe einer Anwendung entgegen. Aber auch für den Fall, dass der Kredit ausnahmsweise privaten Zwecken des GmbH-Gesellschafters zu dienen bestimmt ist, muss es im Hinblick auf die Stellung der Gesellschaft als Partei des Vertrages bei der Nichtgeltung des Gesetzes bewenden. c) Auch die Vor-GmbH ist nach h. M. als Unternehmer anzusehen. Ihr Ziel 1.193 ist es allein, eine juristische Person zu werden. Da die Geschäftstätigkeit auf eine gewerbliche Tätigkeit gerichtet ist, ist sie nicht schutzwürdig. Zudem ist der notarielle Abschluss des Gründungsvertrages bereits Gewerbeausübung und hinreichendes Indiz für den Abschluss der Existenzgründungsphase. Bei der Vor-GmbH ist das Verbraucherschutzrecht auch nicht bezogen auf ihre Gesellschafter anwendbar.273) d) Vorgründungsgesellschaften. Die noch nicht wirksame kaufmännische Per- 1.194 sonengesellschaft (OHG, KG), die ihre Geschäfte noch nicht begonnen hat (§ 123 Abs. 2 HGB), ist noch Gesellschaft bürgerlichen Rechts und vom Schutzzweck des Verbraucherschutzrechts erfasst.274) Soweit sie nach außen im Rechtsverkehr in Erscheinung tritt, ist sie als solche dagegen rechtsfähige Personengesellschaft i. S. v. § 14 Abs. 2 BGB. 3.

Unternehmergesellschaft

a) Die Unternehmergesellschaft (UG haftungsbeschränkt) nach § 5a GmbHG, 1.195 die deutsche Antwort auf die Limited, verzichtet auf das Mindeststammkapital von 25.000,00 €, wie es nach § 5 Abs. 1 GmbHG an sich zwingend für die Gründung einer GmbH vorgeschrieben ist. Sie ermöglicht es, kapitalschwachen Existenzgründern das Haftungsrisiko zu begrenzen. b) Auf die Unternehmergesellschaft ist das Verbraucherschutzrecht nicht an- 1.196 wendbar. Bei dieser Gesellschaftsform handelt es sich nämlich nicht um eine eigenständige Rechtsform, sondern nur um eine Unterform der GmbH. Sie ist als GmbH Kaufmann kraft Rechtsform (§ 13 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 6 Abs. 2 HGB), gem. § 13 Abs. 1 GmbHG juristische Person und damit Unternehmer i. S. d. § 14 Abs. 1 BGB, soweit sie in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit ein Rechtsgeschäft abschließt bzw. Leistungen gegen Entgelt anbietet.275) 4.

Limited

Die Limited, eine Kapitalgesellschaft englischen Rechts, ist für Existenzgründer 1.197 interessant (gewesen), weil sie kein Mindeststammkapital kennt und schneller und ___________ 273) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 6. 274) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 6; a. A. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 491 Rz. 29. 275) Baumbach/Hueck-Fastrich, GmbHG, § 5a Rz. 7.

47

§ 5 Persönlicher Anwendungsbereich

kostengünstiger als die GmbH gegründet werden kann. Sie ist grundbuch- und insolvenzfähig. Im Unterschied zur GmbH gibt es keine Vorgesellschaft der Limited. Unterliegt das jeweilige handelsrechtliche Rechtsgeschäft des Limited deutschen Rechts (Wirkungsstatut), so ist sie als Handelsgesellschaft anzusehen und Kaufmann i. S. d. HGB. Die (Einmann-)Limited ist als juristische Person (legal entity) und damit als Unternehmer zu qualifizieren. 5.

Eingetragener Idealverein

1.198 a) Grundsatz. In Konsequenz des Wortlauts der §§ 13, 14 Abs. 1 BGB scheiden juristische Personen und damit nach h. M. auch eingetragene Idealvereine als Normadressaten aus. Dies jedenfalls dann, wenn sie „in Ausübung“ einer gewerblichen Tätigkeit handeln. Hätte der Gesetzgeber den Verbraucherbegriff anders verstanden wissen wollen, so hätte er ihn modifizieren müssen. Daher kann nicht ausschlaggebend sein, ob der eingetragene Idealverein bereits Unternehmer i. S. d. § 14 BGB oder eher von seiner Stellung im Wirtschaftsleben her als Verbraucher zu behandeln ist. Eingetragene gemeinnützige Vereine (§ 21 BGB) sind juristische Personen. 1.199 b) Davon ist nach h. M. auch bei kleinen eingetragenen Idealvereinen mit nur wenigen Mitgliedern, ohne erkennbaren organisatorischen Apparat und mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nur geringen Umfangs sowie bei Kirchengemeinden keine Ausnahme zu machen. Über die vorstehend genannten Gründe hinaus spricht für die h. M. der Zweck des § 13 BGB, den Unternehmensbegriff entsprechend dem europäischen Verständnis zu vereinheitlichen und abschließend zu regeln. Eine analoge Anwendung auf andere als natürliche Personen ist ausgeschlossen, weil dadurch die europäische Begrifflichkeit verlassen und folglich der Normzweck des § 13 BGB verletzt würde. 6.

Nicht eingetragener Idealverein

1.200 Solange der (Ideal-)Verein noch nicht eingetragen ist, ist er ein Vor-Verein. Er ist in dieser Phase noch nicht rechtsfähig und kann bei einem entsprechenden Bindungswillen wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln sein. Auf den nicht rechtsfähigen Idealverein – für den nach h. M. entgegen § 54 Satz 1 BGB die Vorschriften der §§ 21 – 53 BGB und nicht gesellschaftsrechtliche Vorschriften gelten – scheidet aufgrund des kooperativen Elementes eine Analogie zu den natürlichen Personen aus. Eine Vergleichbarkeit mit einer natürlichen Person i. S. d. § 13 BGB ist nicht gegeben. Der einzige Unterschied zum eingetragenen Verein liegt in der fehlenden Registereintragung. Ansatzpunkte für eine Differenzierung nach dem Zweck der Tätigkeit sind weder ersichtlich noch praktisch handhabbar. Auch fehlt es an einer vergleichbaren Schutzbedürftigkeit mit natürlichen Personen. Das Verbraucherschutzrecht findet daher keine Anwendung. Der Vor-Verein ist als Unternehmer i. S. d. § 14 BGB einzuordnen. 48

I. Unternehmer

7.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts

Gelegentlich werden Getränkelieferungsverträge mit Gebietskörperschaften 1.201 wie Gemeinden und Personalkörperschaften wie Kammern sowie Anstalten, etwa Universitäten, geschlossen. So wie noch ist Vertragspartner des Getränkelieferanten eine juristische Person, die bei Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit i. S. d. § 14 Abs. 1 BGB tätig wird. Das Verbraucherschutzrecht ist daher nicht – auch nicht analog – anwendbar.276) 8. Öffentlich-rechtliche Einrichtungen Auch öffentlich-rechtliche Einrichtungen sind Unternehmer i. S. d. § 14 BGB, 1.202 wenn sie ihre Leistungen privatrechtlich anbieten und gegen ein Entgelt Leistungen erbringen. Anderes dagegen, wenn die Leistungsbeziehung ausschließlich öffentlich-rechtlich organisiert ist. 9. Rechtsfähige Personengesellschaften a) Rechtsfähige Personengesellschaften sind weder natürliche noch juristische 1.203 Personen. Sie werden aber juristischen Personen in weiten Bereichen gleichgestellt (§ 14 Abs. 1 BGB). Entscheidend für die Einordnung ist aber auch hier die Zweckrichtung des Handelns. b) Da die Rechtsgeschäfte einer OHG und die einer KG stets in Ausübung einer 1.204 gewerblichen Tätigkeit erfolgen, scheidet eine Verbrauchereigenschaft insoweit aus. 10. Vermögensverwaltung a) Unter den Unternehmerbegriff fallen auch gesetzliche Vermögensverwalter, 1.205 etwa Insolvenz-, Zwangs-, Nachlassverwalter und Testamentsvollstrecker, die ein Unternehmen verwalten.277) b) Die Verwaltung und Anlage eigenen Vermögens, etwa die Anlage von 1.206 Geld in Miethäusern, erfüllt grundsätzlich nicht den Unternehmerbegriff.278) Dies gilt jedoch nur, soweit der Eigentümer Leistungen, hier Wohnungen, nachfragt. Bietet er, etwa als Vermieter oder Verpächter im Wettbewerb mit anderen planmäßig Leistungen gegen ein Entgelt an, ist er nicht ohne weiteres, sondern nur bei einem planmäßigem Geschäftsbetrieb Unternehmer.279) Dies ist unabhängig von der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung festzustellen.280) ___________ 276) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 491 Rz. 18. 277) Palandt-Grüneberg, BGB, § 310 Rz. 3 i. V. m. Palandt-Ellenberger, BGB, § 14 Rz. 2. 278) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, NJW-RR 2005, 13. 279) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, NJW-RR 2011, 1203. 280) LG Saarbrücken, Urt. v. 6.9.2017 – 1 0. 110/17, BeckRS 2017, 123466 m. w. N.

49

§ 5 Persönlicher Anwendungsbereich

11.

Scheinselbstständige

1.207 Bei Scheinselbständigen handelt es sich um Erwerbstätige, die von ihrem Auftraggeber durch Vertrag als Selbstständige behandelt werden, faktisch aber wie abhängig Beschäftigte arbeiten. Scheinselbstständige sind als solche zu behandeln und somit Verbraucher.281) 12.

Scheinunternehmer

1.208 Ein Scheinunternehmer ist eine natürliche Person, die aus der Perspektive eines neutralen Beobachters beim Vertragsschluss in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit auftritt. Handelt es sich bei der betreffenden natürlichen Person um einen potentiellen Unternehmer, gibt es eine insbesondere gewerbliche Tätigkeit, der das Geschäft zugeordnet werden kann, so büßt die Person infolge des professionellen Auftretens den Schutz des Verbraucherschutzrechts ein. Sie muss sich als Unternehmer behandeln lassen und kann keinen Verbraucherschutz für das an sich privat motivierte Rechtsgeschäft beanspruchen. 13.

Vorgetäuschte Unternehmereigenschaft

1.209 a) Bei vorgetäuschter Unternehmereigenschaft ist ggf. zu prüfen, ob nicht ein Scheingeschäft i. S. d. § 117 Abs. 1 BGB vorliegt. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die mit dem Getränkelieferungsvertrag verbundenen Rechtsfolgen von den Parteien, insbesondere auch von dem Gastwirt, gewollt waren. Ein StrohmannGeschäft ist nämlich ernstlich gewollt, weil sonst der damit erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde.282) 1.210 b) Wird ein Unternehmen durch einen Strohmann betrieben, so ist auf diese Person abzustellen. Der Strohmann ist weder Verbraucher noch Existenzgründer. Das Vorschieben eines Strohmanns geschieht nämlich im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht zum Schein. Wer seine Unternehmereigenschaft vortäuscht, kann sich gem. § 242 BGB nicht auf verbraucherschützende Vorschriften berufen.283) 14.

Ich-AG

1.211 Gründer einer Ich-AG erhalten zwar unter gewissen Voraussetzungen einen Gründungszuschuss (§ 93 SGB III) Gleichwohl stellen die Rechtsgeschäfte, die

___________ 281) Erman-Saenger, BGB, § 14 Rz. 15. 282) BGH, Urt. v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 = ZIP 2002, 930 (Leasingvertrag) zu § 1 VerbrKrG; BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045; BGH, Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 89/12, BeckRS 2013, 01095. 283) BGH, Urt. v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 = ZIP 2002, 930 (Leasingvertrag) zu § 1 VerbrKrG; BGH, Urt. v. 22.12.2004 – VIII ZR 91/04, NJW 2005, 1045.

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I. Unternehmer

auf die Gründung einer selbständigen gewerblichen Existenz zielen, inhaltlich unternehmerisches und kein Verbraucherhandeln dar.284) 15.

Bestätigung

Eine vorformulierte Klausel, durch die sich der Unternehmer vom Verbrau- 1.212 cher bestätigen lässt, dass das Darlehen für eine bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit bestimmt sein soll, ist wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 Satz 1 b BGB unwirksam. 16.

Ende der Unternehmereigenschaft

a) Geschäftsaufgabe. Die unternehmerische Tätigkeit endet, wenn der Unter- 1.213 nehmer nachhaltig keine Umsätze mehr generiert.285) Typische aktive Beendigungshandlungen286) seitens des Gastwirts, der allein ein Objekt betreibt, sind die nach außen erkennbare Einstellung des Geschäftsbetriebs. Indizien hierfür können u. a. die Rückkehr in den Herkunftsstaat des Gastwirts, der Verkauf des Betriebs, die Auflösung des Unternehmens, die – auch unberechtigte – Veräußerung des betriebsnotwendigen Inventars, eine Unterverpachtung mit und ohne Abwicklung der Rechtsnachfolgeklausel, ggf. auch eine Ablösezahlung durch vermeintliche Nachfolgebetreiber sein. Hat der Getränkelieferant berechtigt wegen tatsächlicher Einstellung des Getränkebezuges gekündigt, so dürfte dies ein Indiz für den Wegfall der Unternehmereigenschaft sein. Gleiches dürfte für den Konzessionsentzug gelten. b) Abgrenzung. Die Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit kann aber 1.214 nicht bereits dann angenommen werden, wenn ein Unternehmer nur vorübergehend keine Leistungen mehr erbringt. Eine nur vorübergehende Einstellung der Unternehmertätigkeit ist anzunehmen, wenn eine aus den Begleitumständen belegbare Absicht des Unternehmers feststellbar ist, die unternehmerische Tätigkeit, d. h. das Bewirken von Umsätzen, wieder aufnehmen zu wollen. Hierfür muss ein auf die Ausführung von Umsätzen angelegtes Handeln erkennbar sein.287) Beispielhaft zu nennen sind Betriebsferien oder eine vorübergehende Schließung wegen Umbaus oder Renovierung. c) Konsequenzen. Ratenzahlungsvereinbarungen, Teilzahlungsvergleiche, Stun- 1.215 dungsabreden etc. im Vorfeld der Geschäftsaufgabe unterliegen somit nicht dem Verbraucherschutzrecht. ___________ 284) Erman-Saenger, BGB, § 14 Rz. 15. 285) OFD Koblenz v. 25.10.2006 S 7104 A-St 44 3, BeckVerw 081374, zu Kapitalgesellschaften. 286) Vgl. zu einzelnen Aspekten Staudinger-Kannowski, BGB, § 13 Rz. 61; StaudingerHabermann, BGB, § 14 Rz. 51. 287) OFD Koblenz v. 25.10.2006 S 7104 A-St 44 3, BeckVerw 081374.

51

§ 5 Persönlicher Anwendungsbereich

1.216 d) Exkurs. Nach der Beendigung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit kann sich die Frage nach Wiedererlangung des Verbraucherschutzes im Rahmen einer erneuten Existenzgründung stellen. Insofern wird auf spätere Ausführungen im Zusammenhang mit § 513 BGB verwiesen.288) II.

Existenzgründer

1.

Grundsatz

1.217 Unternehmer- (§ 14 BGB) und nicht Verbraucherhandeln (§ 13 BGB) liegt schon dann vor, wenn das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen wird.289) 2.

Vorüberlegungsgeschäfte

1.218 Rechtsgeschäfte, die die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, erst vorbereiten sollen, indem die betriebswirtschaftlichen Grundlagen dafür ermittelt werden, sind dem Verbraucherbereich zuzuordnen. Unerheblich ist dabei, ob der Handelnde subjektiv bereits fest zur Existenzgründung entschlossen ist, weil allein der objektive Zweck des Geschäftes ausschlaggebend ist.290) 3.

Existenzerweiterung

1.219 Schließt ein Gewerbetreibender hingegen Verträge mit dem Ziel ab, sein Unternehmen auf neue Geschäftsfelder zu erstrecken, so wird er auch insoweit wie ein Existenzgründer und damit als Unternehmer behandelt.291) 4.

Beendigungsgeschäfte

1.220 Existenzbeendigungsverträge stehen im Zusammenhang mit der Einstellung des Unternehmens. Zu denken ist etwa an ein Inserat zum Verkauf des Unternehmens. Dann liegt Unternehmerhandeln vor.292)

___________ 288) Siehe unten § 22 III 8, insbesondere a sowie d bb und dd, und 9, jeweils m. w. N. 289) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 153 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; BGH, Urt. v. 26.2.2016 – V ZR 208/14, NJW 2016, 2173 = ZIP 2016, 1486; OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2015 – I-12 U 34/15, BeckRS 2015, 19938. 290) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27. Siehe unten § 22 III 6 m. w. N. 291) BGH, Urt. v. 4.5.1994 – XII ZR 24/93, NJW 1994, 2759 = ZIP 1994, 1189. 292) MünchKomm-Basedow, § 305 Rz. 52 m. w. N.

52

I. Einbeziehung

§6

Einbeziehung und Auslegung

I.

Einbeziehung

1.

Vorrang der Individualabrede

a) § 305b BGB gilt, wie sich im Umkehrschluss aus § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB 1.221 ergibt, auch im Unternehmerverkehr.293) b) Inhalt. Führt die Auslegung zum Ergebnis, dass die Klausel einer daneben 1.222 wirksam getroffenen Individualabrede unmittelbar oder mittelbar widerspricht, dann gilt die letztere. Der Verwender kann sich also einmal gegebenen Zusagen nicht durch AGB entziehen. c) Zu Klauseln, die den Vorbehalt der Individualabrede nach § 305b BGB der- 1.223 art abbilden wie „sofern nichts anderes vereinbart ist“ stellte der BGH fest: Dieser Einleitungssatz ruft beim Kunden keineswegs den Eindruck hervor, dass der vorformulierte Klauselteil praktisch nicht gelten soll, weil eben immer Abweichendes individuell vereinbart werden kann. Doch das zählt für die Auslegung oder für die Wirksamkeitskontrolle der betreffenden Klausel nicht. Vielmehr gilt das glatte Gegenteil: Der individualvertragliche Vorbehalt ist zu ignorieren. Letztlich handelt es sich um eine Konsequenz der „kundenfeindlichsten“ Auslegung.294) 2.

Überraschende Klauseln

a) Rechtsnatur. Bestimmungen, mit denen der Gastwirt redlicherweise nicht 1.224 oder nicht an dieser Stelle eines (Formular-)Vertrages rechnen konnte und musste, werden von vornherein nicht Vertragsinhalt (negative gesetzliche Einbeziehungsvoraussetzung).295) b) § 305c Abs. 1 BGB gilt auch im Unternehmerverkehr.296)

1.225

c) Tatbestand. Überraschende Bestimmungen, die nach den Umständen, ins- 1.226 besondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages so ungewöhnlich und unüblich sind, dass der Vertragspartner mit ihnen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht, liegen dann vor, wenn ihnen ein Überrumpelungsoder Übertölpelungsmoment innewohnt und zwischen ihrem Inhalt und den berechtigten Erwartungen des Kunden eine deutliche Diskrepanz besteht. Eine Klausel ist überraschend, wenn sie objektiv und subjektiv ungewöhnlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie nach dem Gesamtumständen von typischen Erwar___________ 293) BGH, Urt. v. 15.2.2007 – I ZR 40/04, NJW 2007, 2036. 294) BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = NJW 2009, 2051 = ZIP 2009, 1106. 295) BGH, Urt. v. 22.12.1959 – VIII ZR 9/59, DB 1960, 231 = Zeller I, 98. 296) BGH, Urt. v. 26.7.2012 – VII ZR 262/11, NJW-RR 2012, 1261.

53

§ 6 Einbeziehung und Auslegung

tungen des Vertragspartners (Verkehrskreise)297) derart abweicht, dass dieser nicht mit ihr zu rechnen brauchte. Im Hinblick auf dieses subjektive Merkmal ist die Abweichung der Klausel vom dispositiven Recht298) ebenso von Bedeutung wie Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen299) und der äußere Zuschnitt des Vertrages300). 1.227 Diese typisierende Betrachtungsweise schließt indessen nicht aus, konkrete Umstände (Begleitumstände) – wie etwa mündliche Erörterungen bei Vertragsschluss –, nach denen der Vertragspartner mit der verwendeten Klausel rechnen oder nicht rechnen musste, zu berücksichtigen.301) 1.228 d) Einzelfälle. Grundsätzlich gilt § 305c Abs. 1 BGB auch für Überschriften im Vertrag.302) Unter der Überschrift „Schadensersatz“ dürfen keine Kündigungsgründe aufgeführt werden und umgekehrt.303) Die Abgabe eines persönlichen Schuldanerkenntnisses mit Unterwerfungsklausel unter „Form der Sicherheiten“ wurde allerdings noch für zulässig erachtet.304) 1.229 Unzulässig ist es, wenn die Klausel nach dem Vertragstext falsch (systematisch sinnwidrig) eingeordnet und dadurch geradezu „versteckt“ wird.305) Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt dann ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang stehen würde, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht.306) 1.230 Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel, insbesondere ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle, kann die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden machen.307)

___________ 297) BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637 = ZIP 1995, 1359. 298) BGH, Urt. v. 11.12.2003 – III ZR 118/03, NJ-RR 2004, 780 = ZIP 2004, 414; BGH, Urt. v. 26.7.2012 – VII ZR 262/11, NJW-RR 2012, 1261. 299) BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2011. 300) BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937 = ZIP 2014, 1087. 301) BGH, Urt. v. 21.11.1991 – IX ZR 60/91, ZIP 1992, 168; BGH, Urt. v. 1.6.1994 – XI ZR 133/93, ZIP 1994, 1096; BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244. 302) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Köln, Urt. v. 16.7.2002 – 15 U 18/02, NJW-RR 2003, 706. 303) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, a. a. O., § 53 Rz. 46. 304) BGH, Urt. v. 22.11.2005 – XI ZR 226/04, BeckRS 2005, 14903. 305) BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152. 306) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671; BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152; BGH, Urt. v. 10.9.2014 – XII ZR 56/11, NZM 2014, 830. 307) BGH, Urt. v. 3.5.1984 – VII ZR 80/82, NJW 1984, 2100; BGH, Urt. v. 1.6.1989 – X ZR 78/88, NJW 1989, 2255; BGH, Urt. v. 22.12.1992 – VI ZR 341/91, BGHZ 121, 107; KG, Urt. v. 29.1.2001 – 10 U 9612/99, NJW-RR 2002, 490.

54

I. Einbeziehung

e) Wegfall der Überraschungswirkung. Ist die Klausel drucktechnisch so her- 1.231 vorgehoben, dass eine Kenntnisnahme durch den Vertragspartner zu erwarten ist, so scheidet § 305c Abs. 1 BGB aus.308) Fettdruck oder ein besonders unterschriebenes Formular sind unter Umständen aber nicht ausreichend, um ein starkes Überraschungsmoment auszuschließen. Erforderlich ist in solchen Fällen grundsätzlich ein individueller Hinweis.309) Eine besondere drucktechnische Hervorhebung räumt das Überraschungselement auch dann nicht aus, wenn sich der Hinweis auch auf den unbedenklichen Teil der Klausel bezieht.310) Der Überraschungscharakter einer Klausel entfällt auch dann, wenn der Kunde 1.232 von ihr vor oder bei Vertragsschluss in sinnerfassender Weise Kenntnis genommen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn er von ihr inhaltlich besonders in Kenntnis gesetzt worden ist.311) Die Anwendung von § 305c Abs. 1 BGB entfällt ebenfalls, wenn der Verwen- 1.233 dungsgegner die Klausel kennt oder mit ihr rechnen muss, weil er die Klausel aus einem früheren Vertrag kennt.312) Gleiches wird anzunehmen sein, wenn die Erklärung allein aus der fraglichen 1.234 Klausel besteht oder es sich um einen kurzen, überschaubaren und in seiner sprachlichen Ausgestaltung nicht sonderlich anspruchsvollen Text handelt. 3.

Exkurs: Verdecktes Abändern eines Vertragsentwurfs

Im EDV-gesteuerten Vertragsverkehr kommt es leider häufiger vor, dass eine 1.235 Partei ein schriftliches Vertragsangebot zuleitet, die Gegenseite den Text dann an einigen Stellen unter Beibehaltung des Schriftbildes abändert und sodann im Anschreiben die „Vertragsannahme“ erklärt, ohne auf die Textänderungen hinzuweisen. Zu beachten ist, dass auch im Rahmen von § 150 Abs. 2 BGB die Grundsätze von Treu und Glauben gelten. Diese erfordern, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, das in der Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringt. Erklärt der Vertragspartner seinen vom Angebot abweichenden Vertragswillen nicht hinreichend deutlich, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande.313) ___________ 308) BGH, Urt. v. 21.6.2001 – IX ZR 69/00, ZIP 2001, 1408; BGH, Urt. v. 20.2.2014 – IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937 = ZIP 2014, 1087. 309) BGH, Urt. v. 21.6.2001 – IX ZR 69/00, ZIP 2001, 1408. 310) BGH, Urt. v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, NJW 2002, 2710 = ZIP 2002, 932. 311) BGH, Urt. v. 12.10.1959 – III ZR 48/58, BGHZ 31, 55; OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506. 312) BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 696 = ZIP 2006, 474; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671. 313) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VII ZR 334/12, NJW 2014, 2100 = ZIP 2014, 1287.

55

§ 6 Einbeziehung und Auslegung

II.

Auslegung

1.

Grundsatz

1.236 Ob eine AGB im Einzelfall zulässig ist, hängt von ihrem Inhalt ab, der durch Auslegung zu ermitteln ist.314) 2.

Objektive Auslegung

1.237 a) Übereinstimmendes Verständnis. Der objektiven Auslegung ist immer die Prüfung vorzuschalten, ob die fragliche Klausel von den Parteien übereinstimmend in einem bestimmten Sinn – abweichend vom Wortlaut der Klausel – verstanden worden ist. Ist das der Fall, geht der übereinstimmende Wille der Parteien nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Auslegung der AGB vor.315) Eine Heranziehung des § 305c Abs. 2 BGB scheidet dann aus. Dabei sind auch die individuellen Umstände des konkreten Vertragsschlusses zu berücksichtigen.316) 1.238 b) Inhalt. Als Erklärungen, die sich an eine Vielzahl von Personen richten, sind AGB weniger nach dem individuellen Empfängerhorizont des konkreten Vertragspartners als aus der Sicht der beteiligten Verkehrskreise auszulegen. Danach kommt es auf den objektivierten Empfängerhorizont des Durchschnittskunden (des angesprochenen Kundenkreises) an. Auszugehen ist vom objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel. Zu fragen ist, wie ihr Wortlaut von verständigen (redlichen) und rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden bei aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs unter Abwägung der Interessen der regelmäßig an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise verstanden werden kann.317) Zweifel gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB).318) Die besonderen Umstände des Einzelfalls, der tatsächliche Willen ___________ 314) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler). 315) BGH, Urt. v. 29.5.2009 – V ZR 201/08, NJW-RR 2010, 63. 316) BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = NJW 2009, 2051 = ZIP 2009, 1106; BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, NJW 2009, 3722 = ZIP 2009, 1703; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 = NJW 2010, 671. 317) BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, NJW-RR 2007; BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 = NJW 2009, 578 = ZIP 2009, 320; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708 = ZIP 2014, 1435; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 = ZIP 2015, 517; BGH, Urt. v. 10.6.2015 – IV ZR 105/13, NJW 2015, 2733; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720; OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.6.2015 – 2 U 37/14, NJW-RR 2016, 53. 318) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708 = ZIP 2014, 1435.

56

II. Auslegung

der Parteien oder Umstände, die allein dem konkreten Vertragspartner bekannt waren, sind nicht zu berücksichtigen.319) c) Grenzen. Außer Betracht bleiben nur Auslegungsmöglichkeiten, die zwar the- 1.239 oretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind;320) für atypische Sonderfälle müssen keine einschränkenden Regelungen enthalten sein,321) bestehen Zweifel an einer interessengerechten und nach der Formulierung der Klausel nahe liegenden Auslegung nicht schon dann, wenn auch eine andere – aber praktisch fern liegende – Auslegungsmöglichkeit theoretisch denkbar ist.322) Es muss auch nicht jede Einzelbestimmung für alle denkbaren Fälle passen. Dies ergibt sich aus der Natur der Formularbedingungen, die ihrem Wesen nach auf die Erfassung verschiedener Fälle angelegt sind.323) Dass die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens zugleich den 1.240 Nachweis einschließt, dass überhaupt kein Schaden entstanden ist, liegt nach dem Wortlaut der Klausel und dem Zweck der Nachweismöglichkeit aus der Sicht eines verständigen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Klauselverwenders auf der Hand. Ein anderes Verständnis liegt angesichts seiner Sinnwidrigkeit fern und kann deshalb auch gemessen am Maßstab des § 305c Abs. 2 BGB für die Klauselauslegung als unbeachtlich betrachtet werden.324) 3.

Unklarheitenregel

a) § 305c Abs. 2 BGB gilt unverändert auch im Unternehmerverkehr.325)

1.241

b) Vorrang der Individualabrede. Zweifel, die sich nicht bei der Auslegung 1.242 der Klausel selbst, sondern aus einem Widerspruch zwischen den formular- und den individualvertraglichen Teilen der Vereinbarung ergeben, führen nicht zur Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB, sondern zu derjenigen des § 305b BGB, dem Vorrang der Individualabrede.326) c) Vorrang der Auslegung. Zunächst ist der Inhalt der Klausel im Wege der Aus- 1.243 legung zu bestimmen. Ist eine Klausel mehrdeutig, ist zunächst zu prüfen, ob ___________ 319) BGH, Urt. v. 17.2.1993 – VIII ZR 37/92, NJW 1993, 1381. 320) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 321) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 = ZIP 2015, 517. 322) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708 = ZIP 2014, 1435; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 = ZIP 2015, 517; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 323) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23. 324) BGH, Urt. v. 14.4.2010 – VIII ZR 123/09, NJW 2010, 2122 = ZIP 2010, 1349. 325) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 326) BGH, Urt. v. 22.1.1990 – II ZR 15/89, NJW-RR 1990, 613.

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§ 6 Einbeziehung und Auslegung

auch beide Auslegungsmöglichkeiten wirksam sind. Erst dann ist gem. § 305c Abs. 2 BGB die dem Verwendungsgegner günstigere Auslegung vorzuziehen.327) 1.244 d) Ob es sich bei der streitgegenständlichen Vertragsklausel im eine AGB handelt, ist unerheblich, weil § 305c Abs. 2 BGB Ausfluss einer allgemeinen Regel ist, die auch auf Einzelverträge anzuwenden ist.328) 1.245 e) Vorgehensweise. aa) Völlig fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen Störungen des Rechtsverkehrs nicht ernstlich zu besorgen sind, bleiben außer Betracht und begründen nicht die Unwirksamkeit.329) 1.246 bb) Zu beachten ist, dass § 305c Abs. 2 BGB als allgemeine Auslegungsregel zum Nachteil des Verwenders nur dann eingreift, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel bleibt, sodass mindestens zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind. Es müssen also Zweifel im Sinne einer objektiven Mehrdeutigkeit verbleiben. Erst wenn eine Klärung nicht möglich ist, gehen bestehen bleibende Zweifel zu Lasten des Verwenders.330) 1.247 cc) Sowohl im Individualprozess als auch im Verbandsprozess (§ 1 UKlaG) ist in zwei Schritten zu prüfen: Wenn mehrere Auslegungsalternativen bestehen, ist von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (kundenfreundliche, d. h. kundenfeindliche, soweit nichtigkeitsgründende Auslegung), denn sie ist in Wahrheit dem Kunden günstigste. Wenn sich die Klausel im ersten Auslegungsschritt dagegen als wirksam erweist, ist die Unklarheitenregel „direkt“ anzuwenden, d. h. es gilt die kundenfreundliche Auslegung.331) Dieser Ansatz entspricht auch im Individualprozess dem Schutzzweck des § 305c Abs. 2 BGB und vermeidet entgegen der früheren h. M., die die kundenfeindlichste Auslegung auf den Verbandsprozess beschränken wollte, unterschiedliche Auslegungsergebnisse im Verbands- und Individualprozess.332) 1.248 f) Rechtsfolgen. aa) Ist die Klausel derart mehrdeutig, dass ihr auch nach Ausschöpfen aller Auslegungsmöglichkeiten kein vertretbarer Sinn beigemessen werden kann, dann spricht vieles dafür, dass sie nicht Vertragsbestandteil geworden ist, jedenfalls aber am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB scheitert.333) ___________ 327) 328) 329) 330)

BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369. OLG München, (Hinweis-)Beschl. v. 9.9.2015 – 32 U 2038/15. Siehe oben § 6 II 2 c aa m. w. N. BGH, Urt. v. 28.4.2009 – XI ZR 86/08, BeckRS 2009, 13526; BGH, Urt. v. 21.10.2009 – VIII ZR 244/08; NJW 2010, 293; BGH, Urt. v. 29.6.2010 – XI ZR 104/08, NJW-RR 2011, 270; BGH, Urt. v. 17.2.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011, 2122 = ZIP 2011, 621. 331) BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329; BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = NJW 2009, 2051 = ZIP 2009, 1106. 332) BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329. 333) BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1697.

58

I. Kontrollfähigkeit

bb) Kommt es zur Anwendung der Unklarheitenregel, so kann dies im Einzel- 1.249 fall – sofern nicht schon eine Einbeziehung im Übrigen zu verneinen ist – dazu führen, dass eine Klausel zu Lasten des Verwenders ersatzlos entfällt, wenn auch im Auslegungswege eine sich in vernünftigem Rahmen haltende Zahl von Bedeutungsmöglichkeiten nicht zu ermitteln ist.334) §7

Inhaltskontrolle

I.

Kontrollfähigkeit

1.

Rechtsvorschriften

Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind ebenso wie bei § 307 1.250 Abs. 2 Nr. 1 BGB alle gültigen335) Gesetze im materiellen Sinn, d. h. Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, sowie die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze, das Richterrecht und die Gesamtheit der aufgrund ergänzender Auslegung gem. §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Vertragsverhältnisses zu entnehmenden wesentlichen Rechte und Pflichten.336) Ohne eine entsprechend weite Auslegung des Begriffs der Rechtsvorschriften 1.251 würden alle diejenigen Vertragstypen, die gesetzlich nicht besonders geregelt sind, wie etwa der Getränkelieferungsvertrag oder der Automatenaufstellvertrag, von vornherein der Inhaltskontrolle entzogen. Dies wäre aber mit dem Schutzzweck des AGB-Rechts nicht vereinbar, der darauf abzielt, mit Ausnahme von Leistung und Gegenleistung prinzipiell sämtliche AGB-Bestimmungen einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass solche ungeregelten, neu entwickelten Vertragstypen von vornherein der Inhaltskontrolle entzogen sind.337) 2.

Leistungsbestimmende Klauseln

a) Grundsatz. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen der Inhaltskontrolle 1.252 nur solche Bestimmungen in AGB, die von dispositiven Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Keiner Inhaltskontrolle unterliegen demgegenüber leistungsbestimmende Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der dafür zu zahlenden Vergütung unmittelbar festlegen. ___________ 334) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 22/85, NJW 1986, 924. 335) BGH, Urt. v. 14.7.1988 – IX ZR 254/87, NJW 1988, 2951. 336) BGH, Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269 = NJW 2002, 1950 = ZIP 2002, 884; BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 = NJW 2013, 3716 = ZIP 2013, 2194. 337) BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418.

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I. Kontrollfähigkeit

bb) Kommt es zur Anwendung der Unklarheitenregel, so kann dies im Einzel- 1.249 fall – sofern nicht schon eine Einbeziehung im Übrigen zu verneinen ist – dazu führen, dass eine Klausel zu Lasten des Verwenders ersatzlos entfällt, wenn auch im Auslegungswege eine sich in vernünftigem Rahmen haltende Zahl von Bedeutungsmöglichkeiten nicht zu ermitteln ist.334) §7

Inhaltskontrolle

I.

Kontrollfähigkeit

1.

Rechtsvorschriften

Rechtsvorschriften i. S. v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind ebenso wie bei § 307 1.250 Abs. 2 Nr. 1 BGB alle gültigen335) Gesetze im materiellen Sinn, d. h. Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen, sowie die ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze, das Richterrecht und die Gesamtheit der aufgrund ergänzender Auslegung gem. §§ 157, 242 BGB und aus der Natur des jeweiligen Vertragsverhältnisses zu entnehmenden wesentlichen Rechte und Pflichten.336) Ohne eine entsprechend weite Auslegung des Begriffs der Rechtsvorschriften 1.251 würden alle diejenigen Vertragstypen, die gesetzlich nicht besonders geregelt sind, wie etwa der Getränkelieferungsvertrag oder der Automatenaufstellvertrag, von vornherein der Inhaltskontrolle entzogen. Dies wäre aber mit dem Schutzzweck des AGB-Rechts nicht vereinbar, der darauf abzielt, mit Ausnahme von Leistung und Gegenleistung prinzipiell sämtliche AGB-Bestimmungen einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass solche ungeregelten, neu entwickelten Vertragstypen von vornherein der Inhaltskontrolle entzogen sind.337) 2.

Leistungsbestimmende Klauseln

a) Grundsatz. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB unterliegen der Inhaltskontrolle 1.252 nur solche Bestimmungen in AGB, die von dispositiven Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten. Keiner Inhaltskontrolle unterliegen demgegenüber leistungsbestimmende Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und der dafür zu zahlenden Vergütung unmittelbar festlegen. ___________ 334) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 22/85, NJW 1986, 924. 335) BGH, Urt. v. 14.7.1988 – IX ZR 254/87, NJW 1988, 2951. 336) BGH, Urt. v. 9.4.2002 – XI ZR 245/01, BGHZ 150, 269 = NJW 2002, 1950 = ZIP 2002, 884; BGH, Urt. v. 8.10.2013 – XI ZR 401/12, BGHZ 198, 250 = NJW 2013, 3716 = ZIP 2013, 2194. 337) BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418.

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§ 7 Inhaltskontrolle

1.253 b) Begründung. In einer auf Privatautonomie und freier Marktwirtschaft aufbauenden Rechtsordnung kann nicht staatlich vorgeschrieben werden, welche Gegenleistung zu erbringen ist. Für den „gerechten Preis“ (iustum pretium) gibt es regelmäßig keine objektiven Maßstäbe, an die Stelle objektiver Gerechtigkeit tritt die Marktgerechtigkeit. Daraus folgt, dass auch das originäre Äquivalenzverhältnis in gegenseitigen Verträgen nicht kontrolliert werden kann.338) Richterliche Interventionen in betriebswirtschaftliche Kostenkalkulation und Preisfindungsfragen sind in der geltenden Verfassungs- und Privatrechtsordnung unzulässig. Preise sind grundsätzlich nicht inhaltlich zu rechtfertigen, sondern müssen sich am Markt durchsetzen. Eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB scheidet aus. Allenfalls kann es zu einer allgemeinen Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB kommen, soweit diese ausnahmsweise eröffnet ist. Sonach ist auch das Äquivalenzverhältnis („Preisgerechtigkeit“) grundsätzlich weder kontrollfähig (mangels rechtlicher Maßstäbe) noch kontrollbedürftig (wegen Marktregulierung). Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus dem Normtext, aber immerhin aus der Gesetzesbegründung.339) Preis- und Entgeltvereinbarungen unterliegen nicht der Inhaltskontrolle, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln.340) Hier soll der Markt über die Angemessenheit des Preises und sonstiger Konditionen entscheiden, eine Preiskontrolle durch die Gerichte scheidet aus.341) 3.

Leistungsbeschreibungen

1.254 a) Begriff. Bei Leistungsbeschreibungen handelt es sich um Abreden, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung unmittelbar festlegen.342) 1.255 b) Eine Einbeziehungskontrolle gem. §§ 305b, 305c Abs. 1 BGB ist möglich.343) 1.256 c) Inhaltskontrolle. aa) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann auch bei Klauseln, die das Preis- und Leistungsverhältnis betreffen, zur Unwirksamkeit führen, etwa weil die Klausel an versteckter Stelle erscheint. Das stellt § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB durch seinen Verweis auf § 307 Abs. 1 und 2 BGB ausdrücklich klar. § 307 Abs. 3 BGB soll nach seinem Zweck nur die materielle (inhaltliche) An___________ 338) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BAG, Urt. v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, BAGE 138, 136 = NJW 2012, 103. 339) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 22. 340) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 341) BGH, Urt. v. 26.1.2001 – V ZR 452/99, ZIP 2001, 463; BGH, Urt. v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635 = ZIP 2001, 1418. 342) BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077. 343) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, BGHZ 130, 150 = NJW 1995, 2637 = ZIP 1995, 1359.

60

II. Spezielle Klauselverbote und Unternehmerverkehr

gemessenheitskontrolle, nicht aber eine formelle Verständlichkeits- und Transparenzprüfung ausschließen.344) bb) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Leistungsbeschreibungen sind einer Inhaltskon- 1.257 trolle entzogen.345) Das Gesetz stellt es grundsätzlich den Vertragsparteien frei, Leistung und Gegenleistung im Vertrag selbst zu bestimmen. Daher unterliegen Leistungsbeschreibungen nicht der gesetzlichen Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB. Sie werden nicht durch Rechtsvorschriften geregelt, sondern sind von der den Parteien eingeräumten Vertragsfreiheit umfasst und lassen die für die Leistungen geltenden gesetzlichen Vorschriften unberührt. Gemeint ist der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausge- 1.258 stalten oder modifizieren, die also den Gegenstand der Leistung und Gegenleistung abändern, sind dagegen der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 – 309 BGB unterworfen.346) II.

Spezielle Klauselverbote und Unternehmerverkehr

1.

§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB

Für Getränkelieferungs- und Automatenaufstellverträge greifen die Klausel- 1.259 kataloge der §§ 308 und 309 BGB in aller Regel im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Gastwirts (§ 14 BGB) nicht unmittelbar (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB). Gegenüber nicht (gastro-)gewerblich tätigen Eigentümern und damit Verbrauchern (§ 13 BGB) sind die Klauselverbote nach §§ 308, 309 BGB dagegen unmittelbar heranzuziehen. 2.

§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB

a) Grundsatz. Nach § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB ist bei der Inhaltskon- 1.260 trolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, auf die Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs Rücksicht zu nehmen und darüber hinaus den Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Der kaufmännische Rechtsverkehr ist wegen der dort herrschenden Handelsbräuche, Usancen, Verkehrssitten und wegen der zumeist größeren rechtsgeschäftlichen Erfahrung der Beteiligten auf eine stärkere Elastizität der für ihn maßgeblichen vertrags___________ 344) BGH, Urt. v. 14.4.1992 – XI ZR 196/91, ZIP 1992, 751. 345) BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077. 346) BGH, Urt. v. 26.9.2007 – IV ZR 252/06, NJW-RR 2008, 189; BGH, Urt. v. 24.6.2009 – IV ZR 212/07, NJW-RR 2009, 1625.

61

§ 7 Inhaltskontrolle

rechtlichen Normen angewiesen als der Letztverbraucher. Innerhalb des kaufmännischen Geschäftsverkehrs sind auch die branchentypischen Interessen der Vertragschließenden zu berücksichtigen.347) Über § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB können jedoch die Wertungen der §§ 308 und 309 BGB unter angemessener Berücksichtigung der im Unternehmerverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) im Rahmen der Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 (Nr. 1 und 2) BGB Bedeutung erlangen.348) Eine Inhaltskontrolle ist ausgeschlossen, wenn eine Regelung nicht als AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB, sondern kraft gesetzlicher Verweisung (§ 346 HGB) gilt.349) 1.261 b) Handelsbrauch. Das Bestehen eines Handelsbrauchs nach § 346 HGB setzt voraus, dass die am Vertrag Beteiligten im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses davon ausgehen, es bestehe eine allgemeine Übung, die eine Verpflichtung auch ohne Abschluss einer darauf gerichteten Vereinbarung begründet. Allein die Tatsache, dass in einer Vielzahl von gleichartigen Verträgen eine entsprechende Vereinbarung – hier durch AGB – getroffen wird, kann die Existenz eines Handelsbrauchs nicht belegen. Von einem Handelsbrauch kann vielmehr erst gesprochen werden, wenn eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Regelung auch ohne besondere Vereinbarung oder Empfehlung freiwillig befolgt würde.350) Handelsbräuche sind bei der Inhaltskontrolle allerdings nur zu berücksichtigen, wenn sie nicht ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen.351) 3.

§ 309 BGB

1.262 a) Grundlagen. Der gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB mögliche Rückgriff auf den Auffangtatbestand der Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB bildet ausdrücklich den gesetzlichen Rahmen sowie zugleich die Schranke für eine entsprechende Anwendung der Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit des § 309 BGB im Rahmen der Generalklausel. Voraussetzung für das Eingreifen der richterliche Inhaltskontrolle ist ein etwaiger Verstoß gegen die Leitbildfunktion des dispositiven Rechts nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.352)

___________ 347) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708 = ZIP 2014, 1435; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 348) BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 349) BGH, Urt. v. 23.4.1986 – IVa ZR 209/84, NJW-RR 1987, 94. 350) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. Siehe BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245 (zehnjährige Bierbezugsverpflichtung). 351) BGH, Urt. v. 5.6.1984 – X ZR 75/83, NJW 1984, 2160 = ZIP 1984, 966. 352) BGH, Urt. v. 28.9.2004 – IX ZR 155/03, BGHZ 160, 259 = NJW 2004, 3774 = ZIP 2004, 2194; BGH, Urt. v. 8.9.2016 – VII ZR 168/15, NJW 2017, 265.

62

II. Spezielle Klauselverbote und Unternehmerverkehr

Eine undifferenzierte Anwendung des Regel-Ausnahme-Satzes lässt sich schwer- 1.263 lich mit der vom Gesetzgeber353) geforderten Eigenständigkeit der Inhaltskontrolle im Unternehmerbereich und mit dem Umstand in Einklang bringen, dass einige der Klauselverbote in § 309 BGB typische Schutzvorschriften für den Verbraucher sind (z. B. § 309 Nr. 1 und Nr. 9 a BGB). Ob ein Verstoß gegen ein konkretes Klauselverbot, hier des § 309 BGB, im unternehmerischen Verkehr den Verstoß gegen § 307 Abs. 1 oder Abs. 2 (Nr. 1) BGB „indiziert“,354) kann somit nicht pauschal und schlagwortartig beantwortet werden. Vielmehr sind die konkrete Klausel und das konkrete Klauselverbot im Einzelfall zu würdigen. Unzulässig ist es jedenfalls, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“.355) b) Vorgehensweise. Verbote des § 309 BGB, die Konkretisierungen des § 307 1.264 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB sind, sind daher grundsätzlich auch im Verkehr zwischen Unternehmern zu beachten. Allerdings sind wegen der besonderen Gegebenheiten des Verkehrs zwischen Unternehmern die Interessen der Beteiligten eigenständig zu beurteilen. Aus den Usancen des Verkehrs zwischen Unternehmern kann sich ergeben, dass Rechtsgedanken oder Rechte, die bei Verbrauchergeschäften wesentlich sind, im Verkehr zwischen Unternehmern einen anderen (geringeren) Stellenwert haben. Überdies kann der Verwender dartun, dass im Ergebnis keine unangemessene Benachteiligung des anderen Teils vorliegt.356) 4.

§ 308 BGB

Die Klauselverbote des § 308 Nr. 1, 2 – 8 BGB sind in der Regel auf den unter- 1.265 nehmerischen Verkehr übertragbar, weil in ihren Wertungsspielräumen die unternehmerischen Besonderheiten berücksichtigt werden können. Liegt ein Verstoß gegen § 308 BGB vor, so wird der Unternehmer gem. § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Folglich dürfte den Klauselverboten des § 308 Nr. 1, 2 – 8 BGB eine Indizfunktion im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zukommen.357) ___________ 353) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 23, und BT-Drucks. 7/ 5422, S. 14. 354) So aber BGH, Urt. v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1 = NJW 2007, 3774 = ZIP 2007, 2270. 355) BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2012; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282. 356) BGH, Urt. v. 19.9.2007 – VIII ZR 141/06, BGHZ 174, 1 = NJW 2007, 3774 = ZIP 2007, 2270. 357) BGH, Urt. v. 26.2.2016 – V ZR 208/14, NJW 2016, 2173 = ZIP 2016, 1486.

63

§ 7 Inhaltskontrolle

III.

Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB

1.

Vermutungswirkung

1.266 Die beiden Tatbestände des § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB sollen § 307 Abs. 1 BGB inhaltlich konkretisieren. Sie stellen gesetzliche Regelbeispiele einer unangemessenen Benachteiligung dar. Die sich aus dem Wortlaut („im Zweifel“) ergebende Vermutung der Unwirksamkeit ist im Einzelfall widerleglich. Widerlegt ist die gesetzliche Vermutung, wenn die betreffende Klausel auch Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Kunden nicht unangemessen benachteiligt.358) 2.

Verhältnis zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

1.267 Die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung indiziert eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.359) 3.

§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB

1.268 Diese Vorschrift soll verhindern, dass vertragswesentliche Rechte und Pflichten durch AGB in nicht gesetzlich geregelten Verträgen ausgehöhlt werden (Aushöhlungsverbot). Hierzu gehören auch grundsätzliche Lasten- und Risikoverteilungsgedanken. Der Vertragszweck ist gefährdet, wenn dem Vertragspartner durch AGB solche Rechtspositionen genommen oder eingeschränkt werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat. Dazu rechnen insbesondere die Pflichten, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrages ermöglichen und auf deren Beachtung der Vertragspartner vertraut hat und auch vertrauen darf.360) 4.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

1.269 a) Gesetzliche Regelung. Den Vorschriften des dispositiven Rechts kommt bei der Inhaltskontrolle von AGB eine Leitbildfunktion zu. Ein Indiz für die fehlende Angemessenheit kann die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen sein, soweit diese als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebotes erscheinen.361) 1.270 Derartige Grundgedanken eines Rechtsbereichs müssen nicht in Einzelbestimmungen, insbesondere den durch die Schuldrechtsreform geänderten Vorschriften des BGB, niedergelegt sein. Sie können sich auch aus allgemei___________ 358) 359) 360) 361)

64

BGH, Urt. v. 21.4.2015 – XI ZR 200/14, NJW 2015, 2571 = ZIP 2015, 1332. BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328 = ZIP 2015, 833. Palandt-Grüneberg, BGB, § 307 Rz. 31 – 38. BGH, Urt. v. 5.7.2005 – X ZR 60/04, NJW 2005, 2919; BGH, Urt. v. 27.6.2007 – VIII ZR 149/06, NJW 2007, 3637.

IV. Transparenzgebot

nen, am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten Rechtsgrundsätzen ergeben, die durch Auslegung, Analogie oder Rechtsfortbildung aus den gesetzlichen Vorschriften hergeleitet werden.362) Zu ihnen gehören die Regelverjährungsfrist des § 195 BGB, die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB), der Grundsatz „pacta sunt servanda“ und das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung,363) auf das auch bei der Abwicklung gegenseitiger Verträge angemessen Rücksicht zu nehmen ist.364) Die Hauptbedeutung kommt dem gesetzlichen Leitbild für den Verkehr mit Unternehmern zu. b) Grenzen. Vor Übertreibungen muss gewarnt werden. Zwar ist die Disposi- 1.271 tivität des normierten Rechts selbstverständlich noch kein ausreichender Beleg dafür, dass es gerade auch durch AGB abgeändert werden kann. Aber weder verlangen § 307 Abs. 1 und 2 BGB – was angesichts des Zwecks von AGB sinnwidrig wäre – eine volle Übereinstimmung der Klausel mit dem dispositiven Recht,365) noch ist es Sinn der Inhaltskontrolle, eine vom Standpunkt des Klauselgegners aus optimale Gestaltung der Bedingungen zu erreichen.366) Folglich erfüllt nicht jede, sondern nur die mit den wesentlichen Grundgedanken nicht zu vereinbarende Abweichung die Voraussetzung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Erforderlich ist daher, dass in die rechtlich geschützten Interessen des Vertragspartners in nicht unerheblicher Weise eingegriffen wird. Bei gesetzlich ausdrücklich zugelassenen Änderungen ergibt sich aus der Fassung des Gesetzes, dass der formale Umstand der Abweichung allein noch nicht eine unangemessene Benachteiligung indiziert.367) Diese muss vielmehr am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB festgestellt werden. IV.

Transparenzgebot

1.

Unternehmerverkehr

a) Verstöße gegen das Transparenzgebot entsprechen nicht den Gebräuchen 1.272 und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen.368) Im Unternehmerverkehr sind die Anforde___________ 362) BGH, Urt. v. 21.12.1983 – VIII ZR 195/82, NJW 1984, 1182 = Zeller III, 426; BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 363) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, ZIP 1985, 161 Zeller III, 309; BGH, Urt. v. 21.4.2015 – XI ZR 200/14, NJW 2015, 2571 = ZIP 2015, 1332. 364) BGH, Urt. v. 5.4.1984 – VII ZR 196/83, NJW 1984, 2162. 365) BGH, Urt. v. 14.1.1987 – IVa ZR 130/85, NJW 1987, 2431; BGH, Urt. v. 5.10.1993 – XI ZR 35/93, ZIP 1993, 1609. 366) BGH, Urt. v. 18.12.1985 – IVa ZR 81/84, NJW 1986, 2369. 367) BT-Drucks. 14/1301, S. 45. 368) BGH, Urt. v. 3.8.2011 – XII ZR 205/09, NJW 2012, 54; BGH, Urt. v. 26.9.2012 – XII ZR 112/10, NJW 2013, 41; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 25.10.2017 – XII ZR 1/17, NJW-RR 2018, 198.

65

§ 7 Inhaltskontrolle

rungen an die Formulierungsstringenz und die Transparenz einer Regelung allerdings nicht so hoch wie bei Verträgen mit Verbrauchern. Folge der erhöhten unternehmerischen Eigenverantwortlichkeit ist die Verpflichtung des Klauselgegners, zumutbare Anstrengungen zur Erfassung des Klauselinhalts auf sich zu nehmen.369) 1.273 b) Als Schranke sind im Übrigen die im Unternehmerverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) zu beachten. Allerdings entsprechen Verstöße gegen das Transparenzgebot nicht den Gebräuchen und Gepflogenheiten des Handelsverkehrs (vgl. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) und führen daher auch gegenüber einem Unternehmer zur Unwirksamkeit formularmäßiger Geschäftsbedingungen.370) 2.

Konkurrenzen

1.274 a) Das Transparenzgebot kann bereits im Rahmen der Einbeziehung – Kenntnisnahme in zumutbarer Weise – Bedeutung erlangen, wenn eine Regelung schlecht lesbar – Kleindruck etc. – ist oder durch Verweisungen auf andere Klauselwerke unklar ist, was genau gelten soll. Auch sind die Einbeziehungsvorschrift des § 305c Abs. 1 BGB371) und die Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB zu beachten. Man kann sagen, dass die Unklarheitenregel dann mit dem Transparenzgebot konkurriert, wenn eine auslegungsbedürftige Klausel nicht nur in ihrem Randbereichen – dann Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB –, sondern in ihrem Begriffskern unklar ist, sodass erst dann die Wirksamkeitskontrolle einsetzt.372) 1.275 Zwar hat nicht jede Unklarheit einer Klausel die Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Folge; sonst wäre die Vorschrift des § 305c Abs. 2 BGB obsolet. Der Hauptanwendungsfall dürfte aber in den Fällen zu sehen sein, in denen auch die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB keine sinnvolle richterliche Auslegung mehr zulässt und damit schon nach früherer Rechtsprechung ein ersatzloser Wegfall der Klausel in Betracht kam. 1.276 b) § 307 Abs. 3 BGB soll nach seinem Zweck nur die Angemessenheitskontrolle, nicht aber eine Transparenzprüfung ausschließen (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB).373) ___________ 369) BGH, Urt. v. 16.5.2007 – XII ZR 13/05, NJW 2007, 2176; BGH, Urt. v. 7.5.2008 – XII ZR 5/06, BeckRS 2008, 11 746; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 370) BGH, Urt. v. 3.8.2011 – XII ZR 205/09, NJW 2012, 54; BGH, Urt. v. 10.9.2014 – XII ZR 56/11, NZM 2014, 830. 371) Siehe oben § 6 I 2 c und d, jeweils m. w. N. 372) Siehe oben § 6 II 3 e aa m. w. N. 373) BGH, Urt. v. 12.10.2007 – V ZR 283/06, NJW-RR 2008, 251.

66

IV. Transparenzgebot

3.

Tatbestand

a) Beurteilungsmaßstab. Maßgebend sind Verständnismöglichkeiten und Er- 1.277 wartungshorizont des durchschnittlichen Vertragspartners im entsprechenden Geschäftskreis (Verkehrskreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.374) Dabei sind die Klauseln nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden.375) Anders als durch die Vermutungen („im Zweifel“) des § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB wird ein richterlicher Beurteilungsspielraum eröffnet. b) Unangemessene Benachteiligung. Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine 1.278 Klausel nur unwirksam, wenn der Verwendungsgegner durch die Intransparenz unangemessen benachteiligt wird.376) Dies ist der Fall, wenn die deutliche Gefahr einer inhaltlichen Benachteiligung des Verwendungsgegners besteht. Mit der Verletzung des Transparenzgebots geht in der Regel auch die Gefahr einer sachlichen Benachteiligung einher.377) Die gelegentlich vertretene Annahme, eine intransparente Gestaltung stelle stets eine unangemessene Benachteiligung dar, lässt sich weder mit dem Wortlaut noch mit der Entstehungsgeschichte vereinbaren. Vielmehr ist Voraussetzung, dass durch die Intransparenz der Klausel eine Benachteiligung der Rechtsstellung des Vertragspartners begründet wird.378) 4.

Fallgruppen

a) Mangelnde Klarheit und Verständlichkeit. Zu prüfen ist ggf., ob Bestim- 1.279 mungen in unterschiedlichen Absätzen eines Paragraphen sowohl bei getrennter Betrachtung als auch bei einer Zusammenschau hinreichend transparent sind, etwa eine hinreichend klare Aussage über Zeitpunkt und Umfang der Renovierungspflicht des Mieters enthalten. Dies ist jedenfalls dann gewährleistet, wenn in der Fußnote auf einen Fristenplan Bezug genommen wird.379) b) Bestimmtheit. Einerseits hat der Verwender die tatbestandlichen Voraus- 1.280 setzungen und Rechtsfolgen so genau zu beschreiben, dass für ihn keine unzureichenden Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen ___________ 374) BGH, Urt. v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 29.4.2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 = ZIP 2015, 2030. 375) BGH, Urt. v. 29.4.2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 = ZIP 2015, 2030. 376) BGH, Urt. v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144. 377) BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394 = NJW 1998, 454. 378) BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, BGHZ 179, 186 = NJW 2009, 578 = ZIP 2009, 320; BGH, Urt. v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144. 379) BGH, Urt. v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, NJW 2004, 2087; BGH, Urt. v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586.

67

§ 7 Inhaltskontrolle

können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird.380) Dies gilt gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch für Klauseln, die an sich nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen sind.381) Mit dem Vertrag verbundene Nachteile und Belastungen sind – soweit erkennbar – offenzulegen, wie dies nach den Umständen erfordert werden kann. Der Verwender von Standardbedingungen ist gehalten, zwischen mehreren möglichen Klauselfassungen – soweit das ohne unangemessene Ausweitung des Textumfangs geht – diejenige zu wählen, bei der die kundenbelastende Wirkung einer Regelung nicht unterdrückt, sondern deutlich gemacht wird.382) Auch ist das Verhältnis verschiedener Klauseln zueinander klar zu bestimmen.383) 1.281 Ist der Klauselgegner nicht in der Lage, die sich aus der künftigen Rechtsentwicklung ergebenden Rechtsrisiken und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Belastungen bei Abschluss des Vertrages „abschließend“ zu ermitteln, so soll § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gleichfalls greifen.384) 1.282 c) Äußere Gestaltung. Auch kann die formale Aufteilung eines an sich einheitlichen Regelungsgegenstandes auf verschiedene Klauseln, die sich an unterschiedlichen, in keinem erkennbaren Zusammenhang stehenden Stellen finden,385) oder durch die Unterbringung einer Klausel an versteckter Stelle, wo eine solche Regelung nicht erwartet wird, zur Intransparenz führen. Wenn nicht klar ist, welche von mehreren Klauseln mit dem gleichen Regelungsthema unter welchen Voraussetzungen gelten soll, liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Folge ist, dass sämtliche gegenläufigen Regelungen unwirksam sind und sich der Inhalt des Vertrages allein nach den gesetzlichen Vorschriften richtet (§ 306 Abs. 2 BGB).386)

___________ 380) BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152 = ZIP 2010, 1121; BGH, Urt. v. 14.1.2014 – XI ZR 345/12, BGHZ 199, 355 = NJW 2014, 924 = ZIP 2014, 310; BGH, Urt. v. 29.4.2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 = ZIP 2015, 2030; BGH, Urt. v. 13.1.2016 – IV ZR 38/14, NJW 2016, 1646; BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16, NJWRR 2018, 199. 381) BGH, Urt. v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152; BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BGH, Urt. v. 13.1.2016 – IV ZR 38/14, NJW 2016, 1646. 382) BGH, Urt. v. 16.9.2009 – IV ZR 246/08, NJW-RR 2010, 99; BGH, Urt. v. 13.1.2016 – IV ZR 38/14, NJW 2016, 1646. 383) BGH, Urt. v. 29.4.2015 – VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 = ZIP 2015, 2030. 384) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BGH, Urt. v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144. 385) BGH, Urt. v. 13.1.2016 – IV ZR 38/14, NJW 2016, 1646. 386) OLG München, Beschl. v. 22.3.2012 – 23 U 4793/11, BeckRS 2012, 07024.

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V. Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

5.

Grenzen

Bei der Grenzziehung ist Augenmaß gefragt: Aus zu viel Transparenz kann 1.283 auch ein Übermaß an Regelungen mit der Folge der Intransparenz werden,387) so etwa, wenn man den Verwender mit Hilfe des Transparenzgebots zu Bestimmungen zwingen wollte, die aus Rechtsgrundsätzen ohne Weiteres ableitbar sind.388) Nicht notwendig ist es für den Verwender, jede AGB-Regelung „gleichsam mit 1.284 einem umfassenden Kommentar zu versehen“.389) Auch die Anforderungen an die Deutlichkeit, mit der dem Klauselgegner der 1.285 Regelungsgehalt einer Klausel erkennbar sein muss, sollten nicht überspannt werden. So sind z. B. einfache Berechnungen unter Benutzung des kleinen Einmaleins auch dem AGB-Kunden zumutbar.390) 6.

Rechtsfolgen eines Verstoßes

Eine unwirksame Klausel fällt ersatzlos weg; die entstehende Lücke wird nicht 1.286 durch §§ 315, 316 BGB, sondern im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen.391) V.

Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

1.

Unternehmerverkehr

Ist der Klauselgegner Unternehmer (§ 14 BGB) kommt § 310 Abs. 1 BGB zur 1.287 Anwendung. § 307 BGB gilt für Unternehmer dann nur mittelbar und in den Schranken des § 310 Abs. 1 BGB.392) 2.

Beurteilungskriterien

Vergleichsmaßstab für die Angemessenheitsprüfung ist in allen Fällen das oh- 1.288 ne die AGB geltende dispositive Recht.393) Bei der Prüfung ist im Wesentlichen – jedenfalls für den Individualprozess – anerkannt, dass die Frage, ob eine Vertragsbestimmung den Partner des Verwenders unangemessen benachteiligt, ___________ 387) 388) 389) 390) 391)

BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211. BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461. BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 3/00, NJW 2003, 2014. BGH, Urt. v. 23.2.2005 – VIII ZR 273/03, BGHZ 162, 210 = NJW-RR 2005, 902. BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 = ZIP 2010, 1023. 392) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, NJW 2005, 206; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029. 393) BGH, Urt. v. 26.1.1994 – VIII ZR 39/93, NJW 1994, 1069.

69

§ 7 Inhaltskontrolle

nur aufgrund einer Würdigung des gesamten konkreten Vertragsinhalts394) – und zwar seiner formular- wie seiner individualvertraglichen Teile – beantwortet werden kann.395) 1.289 Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung bedarf es einer umfassenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der beteiligten Parteien im Einzelfall.396) 1.290 Auch im Verkehr mit Unternehmern ist nicht auf die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall, sondern auf eine überindividuelle, generalisierende Betrachtungsweise abzustellen. Die Auswirkungen der Klausel im konkreten Einzelfall sind nicht maßgebend. Es kommt insbesondere nicht auf die Individualinteressen des einzelnen Vertragspartners an. Daher sind die Interessen des Verwenders gegenüber denen der typischerweise beteiligten Vertragspartner abzuwägen.397) 3.

Beurteilungszeitpunkt

1.291 Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Maßgeblich sind die vorliegenden und erkennbaren Verhältnisse und Entwicklungen des konkreten Rechtsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt, weil sich die Beteiligten auf die Wirksamkeit des Vertrages zu diesem Zeitpunkt einstellen können müssen.398) 4.

Überprüfbarkeit

1.292 Ob die Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sind, ist eine revisibele Rechtsfrage, keine Tatfrage.399) 5.

Voraussetzungen

1.293 a) Eine Benachteiligung ist unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners ___________ 394) Vgl. z. B. die unterschiedliche Beurteilung der schutzwürdigen Sicherungsinteressen bei der formularmäßigen Grundschuldbestellung in BGH, Urt. v. 18.12.1986 – IX ZR 11/86, NJW 1987, 904 = ZIP 1987, 439; BGH, Urt. v. 2.10.1990 – XI ZR 306/89, ZIP 1990, 1390 einerseits sowie BGH, Urt. v. 5.3.1991 – XI ZR 75/90, ZIP 1991, 503, andererseits. 395) BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, NJW 2006, 2116. 396) BGH, Urt. v. 14.9.2005 – IV ZR 198/04, NJW-RR 2006, 1454. 397) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 398) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 = ZIP 2010, 1072; BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, BGHZ 204, 316 = NJW 2015, 1871. 399) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72.

70

V. Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.400) AGB, die zum Nachteil des Kunden gegen (halb-)zwingendes Recht verstoßen, benachteiligen ihn zugleich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.401) b) Eine Überschreitung der durch das Gesetzesrecht gezogenen Grenzen er- 1.294 scheint grundsätzlich nur gerechtfertigt, wenn das Interesse des Kunden an der Einhaltung dieser Grenzen durch ein gegenläufiges besonderes Verwenderinteresse deutlich überwogen wird.402) c) § 307 (Abs. 1) BGB setzt objektiv (nur) eine gegen Treu und Glauben ver- 1.295 stoßende unangemessene Benachteiligung voraus und hat kein subjektives Tatbestandsmerkmal.403) 6.

Kompensation

a) Grundlagen. Da bei der Inhaltskontrolle einer in AGB enthaltenen Klausel 1.296 diese nicht isoliert, sondern unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsinhalts zu würdigen ist, kann die mit einer Klausel verbundene unangemessene Benachteiligung durch Vorteile ausgeglichen werden, die der Verwender seinem Vertragspartner durch eine andere Klausel oder eine Individualabrede gewährt. Eine solche Kompensation erfordert aber grundsätzlich einen Sachzusammenhang der Klauseln in Gestalt konnexer, in Wechselbeziehung stehender Regelungen und darüber hinaus einen angemessenen Ausgleich, der die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners wieder aufhebt.404) Ferner muss der Vorteil von solchem Gewicht sein, dass er einen angemessenen Ausgleich für die Benachteiligung des Vertragspartners gewährt. Anderenfalls unterliegt die Klausel insgesamt dem Nichtigkeitsverdikt. b) Preisargument. Das Argument, die Verwendung nicht benachteiligender 1.297 Klauseln müsse zu einer Erhöhung des Preises führen, greift nicht. Unbillige AGB darf es auch nicht zu billigen Preisen geben, wenn anders nicht jeder Maßstab ___________ 400) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – III ZR 207/08, NJW 2010, 57; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230 = ZIP 2016, 474; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 401) BGH, Urt. v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13, BGHZ 199, 281 = NJW 2014, 922 = ZIP 2014, 259; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 = ZIP 2015, 517. 402) BGH, Urt. v. 17.1.1990 – VIII ZR 292/88, ZIP 1990, 237; BGH, Urt. v. 30.10.1991 – VIII ZR 51/91, ZIP 1992, 186; BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703; BGH, Urt. v. 29.3.1994 – XI ZR 69/93, ZIP 1994, 690. 403) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 404) BGH, Urt. v. 29.11.2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 889 = ZIP 2003, 535; BGH, Urt. v. 21.9.2016 – VIII ZR 27/16, NJW 2017, 325.

71

§ 7 Inhaltskontrolle

relativiert und das Regelungsanliegen des AGB-Rechts grundsätzlich verfehlt werden soll.405) 1.298 c) Benachteiligt eine Klausel den Partner des Verwenders unangemessen, so wird dies nicht dadurch ausgeglichen, dass diesem bei besonderen Sachlagen das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Vertrages zur Verfügung steht.406) 7.

Summierungseffekt

1.299 Eine zulässige Klausel kann gerade dadurch unzulässig sein, dass sie durch eine andere Klausel verstärkt oder überlagert wird und diese Gesamtheit unangemessen ist.407) Unerheblich ist dabei eine sprachliche oder räumliche Trennung, wenn ein einheitliches Konzept zugrunde liegt und eine „untrennbare Einheit“ aufgelöst würde.408) 1.300 Ein Summierungseffekt kann sich auch aus einer Kombination mit einer Individualvereinbarung ergeben,409) wobei die Individualklausel §§ 305 – 310 BGB nicht unterfällt, sondern nur gem. § 139 BGB unwirksam sein kann.410) Als praktisch bedeutsame Beispiele sind salvatorische Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln zu nennen.411) 8.

Weitere Fragen von Interesse

1.301 a) Rationalisierungsinteressen des Verwenders und sein Interesse an einer Vereinfachung von Arbeitsabläufen sind zwar im Rahmen der Angemessenheitsprüfung mit zu berücksichtigen.412) Diese treten aber gegenüber höherrangigen Interessen des Kunden zurück. 1.302 b) Für die Entscheidung über die Unangemessenheit einer Klausel kommt es nur auf deren Inhalt und nicht darauf an, ob der Berechtigte – was gerade in Getränkelieferungs- und Automatenaufstellverträgen nicht ganz selten, aber ___________ 405) BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler). 406) BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250; BGH, Urt. v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, NJW-RR 2010, 1205; BGH, Urt. v. 21.9.2016 – VIII ZR 27/16, NJW 2017, 325. 407) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; (Optionsklausel in Tankstellenvertrag); BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, NJW 2005, 2006 (Gaststättenpachtvertrag); BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, NJW 2006, 2116 (Mietvertrag); BGH, Urt. v. 5.12.2006 – X ZR 165/03, NJW 2007, 997. 408) BGH, Urt. v. 28.7.2011 – VII ZR 207/09, NJW-RR 2011, 1526 = ZIP 2011, 1904 (Gewährleistungsbürgschaft). 409) BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, NJW 2006, 2116 (Mietvertrag). 410) BGH, Urt. v. 14.1.2009 – VIII ZR 71/08, NJW 2009, 1075. 411) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 308/02, NJW 2005, 2006 (Gaststättenpachtvertrag). 412) BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495.

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I. Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

stets erfolglos geltend gemacht wird – von der Klausel nicht in vollem Umfang Gebrauch macht,413) oder welche Auslegung er ihr im Streitverfahren geben möchte.414) Denn da der Verwender die Klausel zur Regelung einer Vielzahl von Fällen in seine AGB aufgenommen hat, ist nicht auf die Handhabung und Auswirkung der Bestimmung im Einzelfall abzustellen. Maßgeblich ist allein, welche Verfahrensmöglichkeiten ihm die Bestimmung nach Wortlaut und Sinn erlaubt.415) c) Legt andererseits ein Verwender seine AGB bei der Abwicklung des Ver- 1.303 trages selbst in einem bestimmten Sinne aus, so soll er mit dem Vorbringen, die Klausel sei richtigerweise anders und zwar einschränkend auszulegen, wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr gehört werden können.416) d) Die Üblichkeit einer Klausel steht der Feststellung ihrer Unangemessen- 1.303a heit nicht entgegen.417) VI.

Darlegung und Beweis

Die Darlegungs- und Beweislast für tatsächliche Umstände, aus denen sich die 1.304 Unwirksamkeit einer AGB-Regelung ergibt, trägt im Individualprozess der sich auf die Unwirksamkeit der Klausel berufende Vertragspartner des Verwenders.418) §8

Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

I.

Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

1.

Inhalt

In seiner ersten Alternative erfasst § 306 Abs. 1 BGB Fälle mangelnder Einbe- 1.305 ziehung. Auch wenn die Einbeziehung von AGB-Klauseln wegen ihres überraschenden Charakters an § 305c Abs. 1 BGB scheitert, gilt § 306 Abs. 1 BGB. Praktisch im Vordergrund steht die Frage, welche Rechtsfolgen dann eintreten, wenn einzelne AGB-Klauseln an den §§ 307 – 309 BGB scheitern und daher unwirksam sind.

___________ 413) BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461. 414) BGH, Urt. v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, NJW 1986, 46 = ZIP 1985, 1253. 415) BGH, Urt. v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, ZIP 1982, 64; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 19.5.1988 – I ZR 147/86, NJW 1988, 2888; BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495. 416) BGH, Urt. v. 16.9.1993 – VII ZR 206/92, NJW 1993, 3264 = ZIP 1993, 1713. 417) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 418) BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, BGHZ 204, 316 = NJW 2015, 1871.

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I. Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

stets erfolglos geltend gemacht wird – von der Klausel nicht in vollem Umfang Gebrauch macht,413) oder welche Auslegung er ihr im Streitverfahren geben möchte.414) Denn da der Verwender die Klausel zur Regelung einer Vielzahl von Fällen in seine AGB aufgenommen hat, ist nicht auf die Handhabung und Auswirkung der Bestimmung im Einzelfall abzustellen. Maßgeblich ist allein, welche Verfahrensmöglichkeiten ihm die Bestimmung nach Wortlaut und Sinn erlaubt.415) c) Legt andererseits ein Verwender seine AGB bei der Abwicklung des Ver- 1.303 trages selbst in einem bestimmten Sinne aus, so soll er mit dem Vorbringen, die Klausel sei richtigerweise anders und zwar einschränkend auszulegen, wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens nicht mehr gehört werden können.416) d) Die Üblichkeit einer Klausel steht der Feststellung ihrer Unangemessen- 1.303a heit nicht entgegen.417) VI.

Darlegung und Beweis

Die Darlegungs- und Beweislast für tatsächliche Umstände, aus denen sich die 1.304 Unwirksamkeit einer AGB-Regelung ergibt, trägt im Individualprozess der sich auf die Unwirksamkeit der Klausel berufende Vertragspartner des Verwenders.418) §8

Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

I.

Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

1.

Inhalt

In seiner ersten Alternative erfasst § 306 Abs. 1 BGB Fälle mangelnder Einbe- 1.305 ziehung. Auch wenn die Einbeziehung von AGB-Klauseln wegen ihres überraschenden Charakters an § 305c Abs. 1 BGB scheitert, gilt § 306 Abs. 1 BGB. Praktisch im Vordergrund steht die Frage, welche Rechtsfolgen dann eintreten, wenn einzelne AGB-Klauseln an den §§ 307 – 309 BGB scheitern und daher unwirksam sind.

___________ 413) BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461. 414) BGH, Urt. v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, NJW 1986, 46 = ZIP 1985, 1253. 415) BGH, Urt. v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, ZIP 1982, 64; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 19.5.1988 – I ZR 147/86, NJW 1988, 2888; BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495. 416) BGH, Urt. v. 16.9.1993 – VII ZR 206/92, NJW 1993, 3264 = ZIP 1993, 1713. 417) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208. 418) BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 242/13, BGHZ 204, 316 = NJW 2015, 1871.

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§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

2.

Grundlagen

1.306 a) Grundsatz der Teilnichtigkeit. Der Gesetzgeber hat sich in § 306 Abs. 1 BGB im Grundsatz dafür entschieden, dass sich die Rechtsfolgen der AGBKontrolle auf die jeweils betroffenen Klauseln oder Klauselteile beschränken. Dies zeigt auch der Wortlaut der §§ 307 – 309 BGB.419) Ist die Klausel als Einzelfallregelung nicht wichtig genug, so führt allein ihre mögliche Unwirksamkeit nicht zur Rechtsungültigkeit des Vertrages in seiner Gesamtheit.420) Verstößt eine Klausel gegen eines der Verbote der §§ 308, 309 BGB oder gegen § 307 BGB, so ist die Klausel unwirksam, der Vertrag im Übrigen dagegen grundsätzlich wirksam.421) Gesamtnichtigkeit ist nur unter den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB anzunehmen. 1.307 b) Konkurrenzen. § 306 (Abs. 1) BGB geht der allgemeineren Vorschrift des § 139 BGB vor und gilt auch dann, wenn sich die Unwirksamkeit der Klausel nicht aus dem Recht der AGB, sondern aus anderen gesetzlichen Vorschriften, etwa des Kartellrechts, ergibt.422) 1.308 c) Einwendung. Die Nichtigkeit ist von Amts wegen zu beachten. 3.

Voraussetzungen einer Teilnichtigkeit

1.309 a) Grundsatz. Voraussetzung für eine Teilnichtigkeit ist, dass die betroffenen Klauseln von den restlichen AGB und Vertragsteilen zu trennen sind. Bei AGB, die äußerlich in einer Klausel zusammengefasst sind, setzt dies aber deren Teilbarkeit voraus. Weiter darf keine unzulässige geltungserhaltende Reduktion vorliegen.423) 1.310 b) Teilbarkeit. Anerkannt ist, dass das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion einer beanstandeten Klausel dann nicht gilt, wenn die Formularklausel, die mehrere sachliche, nur formal verbundene Regelungen enthält und sich aus ihrem Wortlaut heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich und gegenständlich zulässigen und einen unzulässigen Regelungsteil trennen lässt.424)

___________ 419) BGH, Urt. v. 14.5.2003 – VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 = ZIP 2003, 1301; BGH, Urt. v. 8.5.2007 – K ZR 14/04, NJW 2007, 3568. 420) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 421) BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568. 422) BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568; OLG München, Urt. v. 14.3.2013 – U 1891/12 Kart, BeckRS 2013, 07113. 423) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244. 424) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 10.10.2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328 = ZIP 2015, 833; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743.

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I. Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

Dann kann sie mit ihrem zulässigen Teil aufrechterhalten werden. Dies ist vor § 306 Abs. 2 BGB zu prüfen.425) Voraussetzung für die Zerlegung ist, dass der unwirksame Bestandteil einfach 1.311 weggestrichen werden kann (sog. „Kulitest“).426) Dies gilt auch, wenn ein bestimmter Klauselteil, der nicht in einer verschiedene Alternativen nennenden Aufzählung steht, ersatzlos gestrichen werden kann.427) Soll die Umformulierung gerade dazu dienen, den Vertrag so zu gestalten, wie 1.312 ihn sich die Parteien bei der Unterzeichnung vorgestellt haben, so bestehen keine Bedenken. Auch erscheint es ggf. nicht gerechtfertigt, aufgrund der sprachlichen Zusammenfassung mehrerer Regelungsinhalte in einem Satz von einer einheitlichen Regelung auszugehen. Von dieser sprachlichen Zufälligkeit kann die sachliche Beurteilung der Frage, ob eine Trennbarkeit vorliegt, demnach nicht abhängen. Nicht selten wird durch die Umformulierung der Klausel und die Aufrechterhaltung des zulässigen Teils der Vertragsinhalt definiert, den der Vertragspartner sich selbst vorgestellt hat.428) Teilbarkeit ist auch dann zu bejahen, wenn ein vernachlässigenswerter Teil der 1.313 Klausel als intransparent gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eingeordnet wird, was etwa dann gilt, wenn die Intransparenz sich auf einen erklärenden, aber unwirksamen Klauselzusatz bezieht.429) c) Grenzen. Der Trennung in einen zulässigen und in einen unzulässigen Re- 1.314 gelungsfall kann sowohl die sprachliche Fassung als auch die Festlegung eines einheitlichen (Vertragsstrafen-)Betrages entgegenstehen.430) Bei Streichung eines Satzteiles muss die Klausel inhaltlich und sprachlich weiterhin einen Sinn ergeben. Ist eine von mehreren Bestimmungen schon für sich gesehen unwirksam und besteht sie mit einer anderen, bei isolierter Betrachtung unbedenklichen Klausel in einem inneren Zusammenhang, kann sich die Unwirksamkeit der Gesamtregelung ergeben. Denn der Verwender einer aus mehreren Teilen bestehenden Klausel, deren einer Teil nur Bestand haben kann, wenn der andere ___________ 425) BGH, Urt. v. 7.10.1981 – VIII ZR 214/80, ZIP 1981, 1338 = Zeller III, 206; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 =ZIP 2015, 1380. 426) BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, NJW-RR 2007; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 10.3.2013 – III ZR 312/12, NJW 2014, 141. 427) BGH, Urt. v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816 = ZIP 1984, 1198; BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 220/83, NJW 1985, 621; BGH, Urt. v. 18.1.1989 – VIII ZR 142/88, ZIP 1989, 311; BGH, Urt. v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, ZIP 1989, 783 = Zeller IV, 70. 428) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244. 429) BGH, Urt. v. 18.4.2007 – VIII ZR 117/06, NJW-RR 2007, 1286. 430) OLG Hamburg, Urt. 29.7.1999 – 3 U 171/98, OLGReport 2000, 67.

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§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

Teil unwirksam ist, kann sich wegen des Gebotes der Transparenz vorformulierter Vertragsbedingungen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht zu seinen Gunsten auf die Unwirksamkeit des anderen Klauselteils berufen. Nichts anderes kann bei äußerlich getrennten Klauseln gelten, die inhaltlich aufeinander bezogen sind.431) 1.315 Die Aufspaltung ist auch dann ausgeschlossen, wenn es sich um eine kurze Regelung handelt, weil diese nur um den Preis einer inhaltlichen Ergänzung aufrechterhalten werden könnte. Genau dies wäre aber eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion.432) Die Teilbarkeit findet weiter ihre Grenze, wenn eine sprachliche Umgestaltung der Klausel – etwa durch Beifügung von Zusätzen – erforderlich wird,433) die Klausel einen völlig anderen als den ursprünglichen Sinn erhält,434) und der aufrechterhaltene „Rest“ der Klausel keine selbstständige, im Gesamtgefüge des Vertrages noch sinnvolle Bedeutung hat.435) 4.

Verbot der geltungserhaltenden Reduktion

1.316 a) Einführung. Verstößt der Inhalt einer AGB teilweise gegen die §§ 307 – 310 BGB, so stellt sich die Frage, ob die unwirksame Klausel stets vollständig unwirksam ist (Kassation) oder ob nur der inkriminierte Teil der Klausel entfällt und der gerade noch zulässige Rest aufrechterhalten wird (geltungserhaltende Reduktion). 1.317 b) Meinungsstand. aa) Inhalt. Nach ganz h. M. ist eine Rückführung der Klausel auf einen noch zulässigen Inhalt sowohl im Individualprozess als auch im Unterlassungsverfahren mit Sinn und Zielsetzung des AGB-Rechts unvereinbar war. Wenn sich eine AGB-Klausel wegen Verstoßes gegen die §§ 307 – 309 BGB als unwirksam herausgestellt hat, kann sie, auch für den Fall, dass sich in ihr ein „Minus“ verbirgt, das bei eigenständiger Überprüfung anhand der Maßstäbe der §§ 307 – 309 BGB wirksam sein würde, keinen Bestand mit dem Inhalt des „Minus“ haben. Die Klausel ist grundsätzlich im Ganzen unwirksam.436) 1.318 bb) Begründung. Eine Reduktion der unwirksamen Klausel auf den mit dem AGB-Recht vereinbaren Regelungsgehalt sieht § 306 BGB nicht vor. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, für eine den Klauselgegner unangemessen benach___________ 431) 432) 433) 434)

BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328 = ZIP 2015, 833. BGH, Urt. v. 18.2.2009 – VIII ZR 210/08, NJW 2009, 1408. BGH, Urt. v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 = NJW 2007, 674 = ZIP 2007, 131. BGH, Urt. v. 28.4.2004 – VIII ZR 230/03, NJW 2004, 2087; BGH, Urt. v. 23.6.2004 – IV ZR 130/03, NJW 2004, 2589; BGH, Urt. v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134, 136. 435) BGH, Urt. v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816 = ZIP 1984, 1198; BGH, Urt. v. 18.1.1989 – VIII ZR 142/88, ZIP 1989, 311; BGH, Urt. v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, ZIP 1989, 783 = Zeller IV, 70; BGH, Urt. v. 15.5.1991 – VIII ZR 38/90, NJW 1991, 1750; 436) BGH, Urt. v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, BGHZ 178, 158 = NJW 2008, 3772 = ZIP 2009, 275, dazu EWiR 2009, 135 (Bühler); BGH, Urt. v. 23.1.2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991.

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I. Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1 BGB

teiligende und deshalb unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig sei. Anderenfalls würde dem Verwender ohne rechtfertigenden Grund das Risiko von Übermaßregelungen in seinen AGB genommen werden. Dies ist schon deshalb nicht hinzunehmen, weil für den Vertragspartner des Verwenders das mit dem Verstoß verbundene Risiko im Vorwege erkennbar sein muss, und zwar auch zur Höhe der finanziellen Folgen, wenn diese in den AGB ausdrücklich angesprochen werden.437) c) Unternehmerverkehr. Die Zurückführung einer in ihrem Kern zu billigen- 1.319 den, jedoch in der konkreten Ausgestaltung zu weit gefassten Klausel auf ein angemessenes Maß ist auch im unternehmerischen Verkehr unzulässig.438) 5.

Fernliegende Auslegungsmöglichkeiten

Eine Klausel, die nur in untypischen, vom Verwender nicht bedachten oder 1.320 nicht für regelungsbedürftig gehaltenen untypischen Ausnahmefällen gegen die §§ 307 – 309 BGB verstößt, ist wirksam. Eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung ergibt, dass diese Sondersituationen von der Klausel nicht erfasst werden (sollen). Fernliegende Auslegungsmöglichkeiten sind von vornherein auszuschalten, weil und soweit von ihnen keine Störung des Rechtsverkehrs ernsthaft zu befürchten ist.439) 6.

Vertrauens-/Verkehrsschutz

a) Änderung der Rechtslage. Wird eine im Zeitpunkt der Verwendung dem 1.321 Stand der Gesetzgebung entsprechende Klausel durch eine Änderung der Gesetzgebung unwirksam, so muss der angemessene Teil der Regelung aus Gründen des Vertrauensschutzes im Wege ergänzender Vertragsauslegung auch dann aufrechterhalten werden, wenn die Klausel sprachlich nicht teilbar ist.440) b) Wenn sich die AGB erst aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen 1.322 Rechtsprechung als unwirksam erweisen, ist dem Verwender dagegen grundsätzlich kein Vertrauensschutz zuzubilligen. Höchstrichterliche Urteile sind kein Gesetzesrecht und erzeugen damit keine vergleichbare Rechtsbindung. Gerichtliche Entscheidungen, die die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts betreffen, wirken schon ihrer Natur nach auf einen in der Vergangenheit liegenden, in seiner rechtlichen Bewertung noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt ein. Für diese grundsätzlich zulässige sogenannte unechte Rückwirkung können sich ___________ 437) OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, OLGReport 2000, 67. 438) BGH, Urt. v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059; BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568. 439) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658; BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305. 440) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16; BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NJW 2005, 1820 = ZIP 2005, 633.

77

§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

zwar im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Schranken aus dem Prinzip der Rechtssicherheit ergeben. Das Risiko, dass eine zunächst unbeanstandete gebliebene Klausel in späteren höchstrichterlichen Entscheidungen wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners als unwirksam beurteilt wird, trägt aber grundsätzlich der Verwender. Ein Vertragspartner, der sich nicht mit der gesetzlichen Regelung begnügt und zur Erweiterung seiner Rechte den Weg der AGB wählt, wird in der Regel nicht dadurch in seinem schutzwürdigen Vertrauen beeinträchtigt, dass eine Klausel geraume Zeit unbeanstandet geblieben ist und erst nach Jahren gerichtlich für unwirksam erachtet wird. Somit greift über § 306 Abs. 2 BGB dispositives Gesetzesrecht.441) 1.323 c) Weiter ist es nicht Sinn und Zweck des § 306 BGB und des Verbots geltungserhaltender Reduktion, dem Kunden durch den ersatzlosen Wegfall von Klauseln Vorteile zu verschaffen, die das Vertragsgefüge völlig einseitig zu seinen Gunsten verschieben.442) II.

Ergänzung des Vertragsinhalts, § 306 Abs. 2 BGB

1.

Grundsatz

1.324 Sind AGB mangels Einbeziehung nicht Vertragsbestandteil geworden oder im Hinblick auf die Inhaltskontrollschranken des AGB-Rechts (§§ 307 – 309 BGB) unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Dies bedeutet in der Regel, dass anstelle der unwirksamen Klauseln das dispositive Recht tritt, vielfach in der Weise, dass die Klausel ersatzlos entfällt.443) 1.325 Auch unwirksame Klauseln, die den (Gegen-)Leistungsinhalt regeln sollten, führen nicht automatisch zu einer Gesamtnichtigkeit; vielmehr ist zunächst die Lücke durch das dispositive Recht oder durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.444) 2.

Dispositives Recht

1.326 a) Vorrang. Sofern dispositives Recht im Rahmen der Lückenfüllung zur Verfügung steht, ist dieses heranzuziehen und es besteht unstreitig kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung.445) ___________ 441) BGH, Urt. v. 12.2.2014 – XII ZR 76/13, NJW 2014, 1521; BGH, Urt. v. 18.3.2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302 = NJW 2015, 1594. 442) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153 = NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16. 443) BGH, Urt. v. 5.3.2008 – VIII ZR 95/07, NJW 2008, 1438 = ZIP 2008, 527. 444) BGH, Urt. v. 27.6.1995 – XI ZR 8/94, NJW 1995, 2221 = ZIP 1995, 1167; BGH, Urt. v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092. 445) BGH, Urt. v. 15.1.2014 – VIII ZR 80/13, NJW 2014, 1877; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380; BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676.

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II. Ergänzung des Vertragsinhalts, § 306 Abs. 2 BGB

b) Inhalt. Zum dispositiven Recht gehören nicht nur das geschriebene Geset- 1.327 zesrecht, sondern auch die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Rechtsgrundsätze446) sowie das Recht des einschlägigen Vertragstyps und damit die Gesamtheit der Rechte und Pflichten der Parteien, welche sich aus der Natur des Vertrages ergeben.447) 3.

Ergänzende Vertragsauslegung

a) Zulässigkeit. Nach h. M. ist in Fällen, in denen eine Lücke in vorformulier- 1.328 ten Verträgen nicht auf Einbeziehungs- oder Inhaltskontrollschranken des AGB-Rechts beruht, eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich zulässig.448) Die ergänzende Vertragsauslegung ist zu bemühen, sofern der ersatzlose Fortfall der Klausel – und das Bestehenbleiben der Lücke – keine sachgerechte Lösung darstellt.449) Erst auf dieser Ebene schlägt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion durch.450) Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG steht der ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen.451) § 306 BGB schließt nach ständiger Rechtsprechung eine ergänzende Vertragsaus- 1.329 legung nicht aus, weil es sich auch bei den Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, um gesetzliche Vorschriften i. S. d. § 306 Abs. 2 BGB handelt. Zwar scheint nach § 306 Abs. 2 BGB die ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich nur mangels dispositiven Rechts in Betracht zu kommen, soweit der ersatzlose Wegfall der Klausel nicht dem Parteiwillen entspricht. Aus der Entstehungsgeschichte des § 306 Abs. 2 BGB folgt aber, dass mit dem Hinweis auf die „gesetzlichen Vorschriften“ keine bewusste Absage gegen die ergänzende Vertragsauslegung gewollt war. Darüber hinaus ist das grundsätzlich vorrangige dispositive Recht zunehmend auf den Verbraucherverkehr zugeschnitten und eignet sich im unternehmerischen Geschäftsverkehr nur bedingt zur Vertragsergänzung.452) b) Fallgruppen. Die ergänzende Vertragsauslegung kommt insbesondere in 1.330 folgenden Situationen zur Anwendung.453) aa) Zur ersten Fallgruppe rechnen die Fälle, in denen ergänzende gesetzliche 1.331 Regelungen, die nach § 306 Abs. 2 BGB an die Stelle der unwirksamen Klausel ___________ 446) 447) 448) 449) 450) 451) 452)

BGH, Urt. v. 20.12.2000 – VII ZR 310/99, NJW 2001, 818 = ZIP 2001, 245. BGH, Urt. v. 8.10.1998 – III ZR 278/97, NJW-RR 1999, 125 = ZIP 1998, 2097. BGH, Urt. v. 14.3.2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 = NJW 2012, 1865. BGH, Urt. v. 15.7.2014 – VI ZR 452/13, NJW 2014, 3234 = ZIP 2014, 2239. BGH, Urt. v. 14.3.2012 – XII ZR 44/10, NJW 2012, 2501. BGH, Urt. v. 14.3.2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372 = NJW 2012, 1865. BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250; BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 411 = ZIP 2016, 676. 453) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229 = NJW 2002, 3098 = ZIP 2002, 1690.

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§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

treten sollen, nicht zur Verfügung stehen.454) Dies ist namentlich bei gesetzlich nicht vertypten Verträgen wie dem Getränkelieferungs- oder Automatenaufstellvertrag der Fall. Fehlen für eine Vertragsergänzung geeignete Vorschriften und ist die ersatzlose Streichung der Klausel – unter Berücksichtigung der typischen Interessenlage der Verwendergegenseite – keine interessengerechte Lösung, so ist die Lücke nach bisheriger Rechtsprechung durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.455) 1.332 bb) Als zweite Fallgruppe ist die Situation zu nennen, in denen AGB-Klauseln eine von den Parteien nicht bedachte Lücke enthalten oder eine solche Lücke später entsteht.456) Dazu rechnen auch die Fälle, die darauf beruhen, dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich ändern. Wird eine im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbedenkliche Klausel durch Änderung der Rechtsprechung oder durch Gesetzesänderung unwirksam, so ist eine in der Klausel enthaltene, nicht zu beanstandende Teilregelung trotz des Verbots geltungserhaltender Reduktion aus Gründen des Vertrauensschutzes im Wege ergänzender Auslegung aufrecht zu erhalten.457) 1.333 cc) Als weitere – dritte – Fallgruppe sind Situationen zu nennen, in denen die Unwirksamkeit einer Klausel nach § 306 Abs. 3 BGB zur Unwirksamkeit des Vertrages führen würde, weil das Festhalten am Vertrag unter „Streichung“ der unwirksamen Einzelklausel für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde, aber die andere Partei (in der Regel: Partner) an der Aufrechterhaltung des Vertrages ein berechtigtes Interesse hat. 1.334 c) Ausschluss. aa) Fehlen einer Regelungslücke. Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist das Bestehen einer Regelungslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit der Bestimmungen des Rechtsgeschäfts. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus, wenn der Verwender die entsprechende Klausel bewusst als abschließend formuliert hat.458) Allein der Umstand, dass ein Vertrag für eine bestimmte Fallgestaltung keine Regelung enthält, besagt nicht, dass es sich um eine planwidrige Unvollständigkeit handelt. Hiervon kann nur dann gesprochen werden, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen, mithin ohne Vervollständigung des Vertrags eine an___________ 454) BGH, Urt. v. 18.7.2007 – VIII 229/06, NJW-RR 2007, 1697; BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329. 455) BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 220/83, NJW 1985, 621; BGH, Urt. v. 22.12.2003 – VIII ZR 310/02, BeckRS 2004, 00862. 456) BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329. 457) BGH, Urt. v. 22.12.2003 – VIII ZR 310/02, BeckRS 2004, 00862; BGH, Urt. v. 25.11.2004 – I ZR 49/02, NJW-RR 2005, 687. 458) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, NJW 2002, 3098 = ZIP 2002, 1690.

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II. Ergänzung des Vertragsinhalts, § 306 Abs. 2 BGB

gemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen wäre. Die ergänzende Vertragsauslegung muss sich als zwingende selbstverständliche Folge aus dem Gesamtzusammenhang des Vereinbarten ergeben, so dass ohne die vorgenommene Ergänzung das Ergebnis in offenbarem Widerspruch mit dem nach dem Inhalt des Vertrags tatsächlich Vereinbarten stehen würde.459) bb) Gleiches gilt, wenn zur Ausfüllung einer vertraglichen Regelungslücke 1.335 verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht kommen und kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien getroffen hätten.460) Zu denken ist insofern an intransparente Vertragsgestaltungen.461) cc) Im Übrigen. Nach vereinzelter Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des 1.336 BGH soll eine ergänzende Vertragsauslegung dann nicht möglich sein, wenn der Fortfall der Klausel ein Ergebnis nach sich zieht, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trägt, sondern den Vertrag völlig einseitig zugunsten des Kunden verschiebt.462) Folgte man dieser verschärften Sichtweise, so käme es zum einen nicht mehr darauf an, was die Parteien hypothetisch vereinbart hätten, wenn sie die Existenz einer Vertragslücke bedacht hätten. Anders dagegen die Rechtsprechung des XI. Zivilsenat des BGH zu den inhaltlich vergleichbaren Zinsänderungsklauseln in Sparverträgen.463) Maßgeblich wäre danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Klausel nach dem Vertragszweck und angemessener Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre. Zum anderen käme es nicht mehr darauf an, welches Ersatzergebnis bei abstrakt-genereller Betrachtung der Parteiinteressen464) angemessen erscheint. Eine Divergenzvorlage gem. § 132 Abs. 2 GVG bzw. ein dieser vorgelagertes Anfrageverfahren gem. § 132 Abs. 3 GVG wäre dann angezeigt. Allerdings sind grundsätzlich immer mehrere Gestaltungsmöglichkeiten denk- 1.337 bar, wenn sich die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung stellt. Es dürfte kaum vorkommen, dass nicht eine der Gestaltungsvarianten nach dem Rege___________ 459) BGH, Urt. v. 12.2.2014 – XII ZR 76/13, NJW 2014, 1521. 460) BGH, Urt. v. 9.12.2004 – VII ZR 265/03, NJW-RR 2005, 458; BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996 = ZIP 2006, 474; BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676. 461) BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676. 462) BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250; BGH, Urt. v. 14.7.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 = NJW 2011, 50 = ZIP 2010, 2153; BGH, Urt. v. 9.2.2011 – VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 = ZIP 2011, 1151; a. A. dagegen BGH, Urt. v. 14.3.2012 – VIII ZR 113/11, NJW 2012, 1865. 463) BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 = ZIP 2010, 1023; BGH, Urt. v. 21.12.2010 – XI ZR 52/08, NJW-RR 2011, 625 = ZIP 2011, 317. 464) Zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676.

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§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

lungsplan der Parteien oder aus der Sicht des objektiven Rechts vorzugswürdig erscheint oder sich die Streitfrage nicht auch anhand aller in Betracht kommenden Lösungsvarianten beantworten lässt. Fälle „richterlicher Willkür“ dürften nur theoretisch sein. Dies auch deshalb, weil die Anforderungen, die an die Feststellung der hypothetischen Wahl der Vertragsparteien zu stellen sind, niedrig sind. 1.338 d) Hypothetischer Parteiwille. aa) Ermittlung. Dabei kommen – wie stets – nicht die Interessen der konkreten Parteien zum Zuge, sondern es ist vielmehr auf der Ebene der Abstraktion zu fragen, welche Lösung im Rahmen des konkreten Vertragstyps die Parteien allgemein gewählt hätten, die sie als allgemein angemessen erachten. Dieser Ansatzpunkt hat praktische Bedeutung etwa bei der Frage, welche Laufzeit eines Vertrages die Parteien vereinbart hätten. Der zugrunde zu legende objektiv-generalisierende, auf den in den AGB zum Ausdruck kommenden, typischen Interessenkonflikt fokussierte und damit an den Interessen der typischerweise an Geschäften der betreffenden Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichtete Maßstab,465) ermöglicht in besonderer Weise, auf die im Unternehmerverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB).466) 1.339 bb) Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ist stets darauf zu achten, dass im Vertrag selbst hinreichende Indizien dafür vorhanden sind, welche Lösung die Parteien tatsächlich gewollt hätten, wenn ihnen die Lücke bewusst geworden wäre.467) Fehlt es daran, weil nach dem Inhalt des Vertrages mehrere Varianten in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung nach Maßgabe des hypothetischen Parteiwillens aus. Denn es ist dem Gericht verwehrt, sich über den erkennbaren Willen der Parteien im Rahmen der Lückenfüllung hinwegzusetzen.468) 1.340 cc) Hinter der zunehmend restriktiven Handhabung der ergänzenden Vertragsauslegung steht das Äquivalenzprinzip. Dieses fordert offenbar nur noch in den engen Grenzen des § 313 BGB eine Anpassung über §§ 157, 133 BGB. Im Einzelfall wird es nicht leicht sein, eine schwere Störung des Äquivalenzprinzips plausibel darzulegen.469) 1.341 dd) In Dauerschuldverhältnissen soll bei Nichtigkeit einer Preisanpassungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 1 Satz 2 BGB eine ergänzende Ver___________ 465) 466) 467) 468)

BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 175/04, NJW 2005, 1040 = ZIP 2005, 442. Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, AGB-Recht, § 306 Rz. 31a. BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676. BGH, Urt. v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 = NJW 2009, 2662 = ZIP 2009, 1572; BGH, Urt. v. 14.7.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 = NJW 2011, 50 = ZIP 2010, 2153. 469) BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 = ZIP 2010, 1023.

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II. Ergänzung des Vertragsinhalts, § 306 Abs. 2 BGB

tragsauslegung dann nicht möglich sein, wenn es sich um kurz laufende Verträge handelt. Dann könne dem Verwender zugemutet werden, an der „ursprünglichen Kalkulation“ festgehalten zu werden.470) e) Abgrenzung zur geltungserhaltenden Reduktion. Während es bei der gel- 1.342 tungserhaltenden Reduktion unwirksamer Klauseln um eine teilweise Aufrechterhaltung geht, sodass diese den rechtlichen Anforderungen gerade noch gerecht werden, bezweckt die ergänzende Vertragsauslegung die Herbeiführung eines angemessenen Interessenausgleichs. Auch setzt die geltungserhaltende Reduktion keine vertragliche Regelungslücke voraus; diese wird im Gegenteil gerade vermieden. Die ergänzende Vertragsauslegung orientiert sich am hypothetischen Parteiwillen, wohingegen die geltungserhaltende Reduktion vom tatsächlichen Parteiwillen ausgeht. Folglich verbietet es sich, eine geltungserhaltende Reduktion nur dann zuzulassen, wenn im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung das gleiche Ergebnis zu erzielen wäre.471) Der Ansatzpunkt einer ergänzenden Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 1.343 BGB besteht darin, dass ein Ergebnis angestrebt wird, welches den beiderseitigen Interessen gerecht wird. Dogmatisch könnte man anfügen, dass die – unzulässige – geltungserhaltende Reduktion bereits das Ergebnis einer richterlichen Inhaltskontrolle darstellt, während eine nach Maßgabe der §§ 157, 133 BGB ergänzend ausgelegte Klausel abschließend zu verstehen ist, also nicht mehr der Inhaltskontrolle unterworfen werden darf. Führt beispielsweise die Inhaltskontrolle dazu, dass die vom AGB-Recht vorgegebenen Laufzeitgrenzen überschritten sind, scheidet eine wie auch immer geartete „Ersatzlösung“ zur (zulässigen) Bindungsdauer aus.472) f) Rechtsfolge. An die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die Gestaltungs- 1.344 möglichkeit, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung der beiderseitigen Interessen gewählt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der AGB-Klausel bekannt gewesen wäre.473) g) Überprüfbarkeit. Die von einem Oberlandesgericht durchgeführte ergän- 1.345 zende Vertragsauslegung unterliegt in vollem Umfang der revisionsgerichtlichen Überprüfung, weil es im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich ist, eine ___________ 470) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360: Laufzeit zwischen 6 und 12 Monaten; BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329: Laufzeit nicht länger als 12 Monate; BGH, Urt. v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, NJW 2009, 2262 = ZIP 2009, 1552: Laufzeit nicht länger als 2 Jahre. 471) MünchKomm-Busche, § 157 Rz. 36. 472) BGH, Urt. v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309 (zu § 309 Nr. 9 a BGB); BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 = ZIP 2000, 314; OLG München, Urt. v. 19.6.2006 – U(K) 4252/07, BeckRS 2008, 12473. 473) BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172 = ZIP 2009, 329; BGH, Urt. v. 9.7.2008 – VIII ZR 181/07, NJW 2008, 2840.

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§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

allgemein verbindliche hypothetische Auslegung vorzunehmen, welche von den Individualinteressen der Parteien losgelöst ist.474) III.

Gesamtnichtigkeit, § 306 Abs. 3 BGB

1.

Inhalt

1.346 Nach § 306 Abs. 3 BGB ist ausnahmsweise der Vertrag insgesamt unwirksam, wenn durch unwirksame Klauseln das Vertragsgleichgewicht grundlegend gestört ist und auch durch eine für diesen Fall vorgesehene ergänzende Vertragsauslegung nicht behoben werden kann (unzumutbare Härte).475) Voraussetzung ist eine besonders erhebliche, nicht vorhersehbare Äquivalenzstörung. Diese ist etwa anzunehmen, wenn feststeht, dass der Verwender den Vertrag ohne die fragliche Klausel nicht geschlossen hätte.476) Bei der Frage nach der Trennbarkeit einer einheitlichen Klausel ist stets i. S. v. § 306 Abs. 3 BGB zu bedenken, dass auch die Teilunwirksamkeit einer Klausel dazu führen kann, die ganze Klausel als unwirksam anzusehen, wenn der „Rest“ im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll wäre.477) 2.

Konkurrenzen

1.347 a) § 306 Abs. 3 BGB konkurriert nicht mit den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Aufgrund der AGB-Kontrolle fallen Klauseln nicht nach Vertragsschluss weg. Sie sind von vornherein nicht einbezogen oder unwirksam.478) 1.348 b) Vorgeschaltet bleibt stets eine nach § 306 Abs. 2 BGB vorzunehmende Änderung des Vertrages. Von einer unzumutbaren Härte kann daher nur dann gesprochen werden, wenn die Möglichkeiten der Vertragsänderung über § 306 Abs. 2 BGB (dispositives Recht, ergänzende Vertragsauslegung) nicht greifen. Nur dann kann ein Festhalten am Vertrag für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte darstellen.479) Dies gilt auch für unwirksame Klauseln, die den (Gegen-)Leistungsinhalt regeln.480)

___________ 474) BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742 = ZIP 2010, 1023. 475) OLG München, Urt. v. 19.6.2008 – U(K) 4252/07, BeckRS 2008, 12473. 476) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 460 = Zeller I, 118 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 = NJW 1984, 1177; BGH, Urt. v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136. 477) BGH, Urt. v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 478) BGH, Urt. v. 24.11.1998 – X ZR 21/97, NJW-RR 1999, 923. 479) BGH, Urt. v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136. 480) BGH, Urt. v. 26.4.2005 – XI ZR 289/04, NJW 2005, 3781 = ZIP 2005, 1021.

84

III. Gesamtnichtigkeit, § 306 Abs. 3 BGB

3.

Auslegung

Die Ausnahmebestimmung des § 306 Abs. 3 BGB ist eng auszulegen, weil sie 1.349 die totale Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hat.481) Selbst wenn der Vertrag eine nicht ganz unwesentliche Änderung erfährt, muss noch keine Gesamtnichtigkeit eintreten, solange nur die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ganz oder in nur unbedeutend eingeschränkter Form erhalten bleiben.482) 4.

Anwendungsfälle

Sind zahlreiche Klauseln in einem gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp un- 1.350 wirksam und erhielte der Vertrag durch Auslegung oder Fortfall dieser Klauseln einen wesentlich anderen Inhalt, so kann der gesamte Vertrag nichtig sein.483) Denn das Gericht ist nicht befugt, durch Änderung des wesentlichen Inhalts des Vertrages den Parteien die von ihm für richtig gehaltene, von der bisherigen Fassung aber völlig abweichende Vertragsgestaltung aufzudrängen.484) Von dem Grundsatz der Gesamtnichtigkeit nach § 306 Abs. 3 BGB wollte der BGH früher bei einer Häufung nicht Vertragsbestandteil gewordener oder unwirksamer Klauseln eine Ausnahme machen. Dann sollten sich die Folgen für den Vertrag im Übrigen nicht allein nach § 306 (Abs. 3) BGB, sondern auch nach § 138 Abs. 1 BGB richten. Dies insbesondere dann, wenn der Verwender das Regelwerk bewusst unübersichtlich, unklar oder verwirrend formuliert hatte und damit dem Verbraucher keine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben worden war.485) Richtigerweise dürfte auch insofern hinsichtlich von Formularklauseln § 306 (Abs. 3) BGB heranzuziehen sein.486) ___________ 481) BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW 2003, 3049. 482) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637 = ZIP 1995, 1359. 483) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 460 = Zeller I, 118 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller IV, 322 (Bierverlagsvertrag); BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 = ZIP 2003, 1707; BGH, Urt. v. 26.4.2005 – XI ZR 289/04, NJW 2005, 3781 = ZIP 2005, 1021; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 (Getränkelieferungsvertrag). 484) BGH, Urt. v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996. 485) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 460 = Zeller I, 118 (Automatenaufstellvertrag), in einem Fall, in dem das AGB-Recht (damals AGBG) keine Anwendung fand; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – III ZR 201/81, NJW 1983, 159 (Automatenaufstellvertrag), wobei der BGH die Frage der Anwendbarkeit des AGBG offen ließ; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag). Vgl. dazu auch § 56 III 3 m. w. N. 486) Siehe unten § 38 III 3 m. w. N.

85

§ 8 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB

1.351 Für den Kunden bedeutet Nichtanwendbarkeit der AGB praktisch immer eine Verbesserung seiner Rechtsposition. Eine unbillige Härte kann sich daraus ergeben, dass der nach Wegfall der AGB maßgebliche Vertragsinhalt aus der Sicht des Kunden unklar ist und Ungewissheit und Streit über die beiderseitigen Rechte und Pflichten droht. Das kann zutreffen, wenn bei einem gesetzlich nicht geregelten Vertragstyp alle oder die Mehrzahl der AGB entfallen. 5.

Zeitpunkt

1.352 Maßgebend ist der Zeitpunkt, in welchem die Rechte aus dem Vertrag geltend gemacht werden; der Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist irrelevant.487) IV.

Personale Teilunwirksamkeit

1.

Nichtigkeitserstreckung auf den Verwender

1.353 a) Grundsatz. Der Verwender kann sich nicht auf die fehlende Einbeziehung oder die Unwirksamkeit von ihm selbst gestellter Bestimmungen berufen. Ein Grund, den Verwender vor seinen eigenen Bedingungen zu schützen, besteht nicht.488) Ist eine ihrem Geltungsanspruch nach für beide Seiten maßgebliche Bestimmung in AGB nur dem Kunden gegenüber inhaltlich unbillig und damit unwirksam, folgt daraus keine Gesamt-, sondern eine personale Teilunwirksamkeit. Der Verwender bleibt also an unwirksame AGB gebunden (§ 242 BGB).489) 1.354 b) Beispiele. Eine zu lange Vertragsdauer kann nicht zugunsten des Verwenders gekürzt werden.490) Daher steht ihm in diesem Fall kein ordentliches Kündigungsrecht zu.491) 1.355 c) Verschiedene Verkehrskreise. Eine personale Teilbarkeit kommt auch dann in Betracht, wenn dieselben AGB gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet werden und bei denen die AGB-Kontrolle nach unterschiedlichen Maßstäben erfolgt. Dann können dieselben Vertragsformulare in Verbraucherverträgen gegen §§ 308, 309 BGB verstoßen, im Unternehmerverkehr) gleichwohl ihre Wirkung entfalten. Dies ist schon in den unterschiedlichen persönlichen Anwendungsbereichen der jeweiligen Inhaltskontrollvorschriften begründet, gilt aber auch im Rahmen des § 307 BGB für die dort vorzunehmende unterschiedliche Bewertung gegenüber Verbrauchern bzw. Unternehmern (§ 310 ___________ 487) BGH, Urt. v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092; BGH, Urt. v. 25.11.2004 – I ZR 49/02, NJW-RR 2005, 687. 488) BGH, Urt. v. 4.12.1997 – VII ZR 187/96, NJW-RR 1998, 594; BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 = ZIP 1998, 905; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380. 489) BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 = ZIP 1998, 905; BGH, (Hinweis-)Beschl. v. 31.8.2010 – VIII ZR 28/10, BeckRS 2010, 27626. 490) BGH, Urt. v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136 = ZIP 2002, 1252. 491) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.4.1999 – 11 U 69/98, NJW-RR 2000, 279.

86

IV. Personale Teilunwirksamkeit

Abs. 1 BGB.492) Eine personale Teilunwirksamkeit dürfte allenfalls bei einer grammatischen Teilbarkeit vertretbar sein und dies nur dann, wenn sie das Sinngefüge zugunsten und zu Lasten beider Vertragsteile nicht zerstört. 2.

Bindung des Kunden

a) Grundsatz. Enthält eine unwirksame Klausel auch Regelungen, die den Ver- 1.356 tragspartner des Verwenders begünstigen, und wird der Kunde durch sie zu einem bestimmten Verhalten veranlasst oder ist bei ihm Vertrauen auf die Einhaltung eines seinem Schutz dienenden Verfahrens hervorgerufen worden, so kann sich der Kunde darauf berufen.493) b) Beispiele. Darf der Kunde nach der Klausel z. B. kündigen, ohne vorher eine 1.357 Frist setzen zu müssen, und ist diese Klausel aus anderen Gründen unwirksam, so kann die Kündigung ohne Fristsetzung gleichwohl nach § 242 BGB wirksam sein.494) 3.

Bindung des Verwenders

Ebenso kann es umgekehrt sein, dass sich der Verwender an das von ihm selbst 1.358 vorgeschriebene Verfahren halten muss, obwohl die dies regelnde Klausel aufgrund der Inhaltskontrolle weggefallen ist. Die Bejahung einer personalen Teilwirksamkeit beruht darauf, dass es keinen Grund gibt, den Verwender vor seinen eigenen Bedingungen zu schützen. Mit dieser Begründung hat der BGH einerseits die Klausel eines Pachtvertrages für unwirksam erklärt, die dem Verpächter die fristlose Kündigung gegenüber der Gesetzeslage erleichterte, andererseits dagegen den Verpächter für verpflichtet gehalten, das in derselben Klausel vorgesehene Verfahren der fristlosen Kündigung (Zahlungsaufforderungen, schriftliche Mahnung) zu beachten.495) Das alles rechtfertigt sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes für den Vertragspartner des Verwenders.496)

___________ 492) MünchKomm-Basedow, § 306 Rz. 19. 493) BGH, Urt. v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506 = ZIP 1987, 916 = Zeller IV, 439; BGH, Urt. v. 4.12.1997 – VII ZR 187/96, NJW-RR 1998, 594. 494) BGH, Urt. v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, NJW 1988, 2465 = ZIP 1988, 974. 495) BGH, Urt. v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506 (Gaststättenpachtvertrag); LG Ravensburg, Urt. v. 7.11.2011 – 6 O. 301/11. 496) BGH, Urt. v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 = ZIP 1997, 1957; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193.

87

Zweiter Hauptteil: Getränkelieferungsverträge Erster Abschnitt: Die Ausschließlichkeitsbindung und ihre Grenzen nach BGB §9

Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

I.

Interessenlage

Die Getränkelieferanten sind im Hinblick auf eine vorausschauende Produktions-, 2.1 Investitions- und Absatzplanung an möglichst umfänglichen und langfristigen Bezugsbindungen interessiert.1) Die wirtschaftlichen Risiken, die sie dabei eingehen, sind nicht unerheblich. Da sie mit ihren Leistungen in Vorleistung gehen, ist das Ausfallrisiko, insbesondere im Fall der Insolvenz, hoch, zumal wertige Sicherheiten im Regelfall nicht zur Verfügung stehen. Das finanzielle Engagement der Getränkelieferanten ermöglicht dem Gastwirt 2.2 häufig erst den Eintritt in die Selbstständigkeit, indem ihm das notwendige Startkapital für die Existenzgründung in der Gastronomiebranche von dem Getränkelieferanten zumindest teilweise wenn nicht ganz überwiegend zur Verfügung gestellt wird. Gleiches gilt für den etablierten Gastwirt, der Kapital zur Aufrechterhaltung seines Betriebs, insbesondere durch Erweiterung, Umbau oder Verlagerung, anstrebt.2) von Eine Kreditfinanzierung über Banken scheidet regelmäßig im Hinblick auf das schlechte Rating sowohl der Branche im Allgemeinen als auch nicht selten des Gastwirts im Besonderen und die Unmöglichkeit der Stellung hinreichend werthaltiger Sicherheiten aus.3) II.

Zulässigkeit

1.

Grundsatz

Im Gaststättengewerbe sind Getränkelieferungsverträge mit auch langjähriger 2.3 Bezugsbindung unter Einschluss einer Ausschließlichkeitsvereinbarung bekanntermaßen üblich. Sie bieten dem Getränkelieferanten eine sichere Absatzmöglichkeit mit den sich daraus ergebenden vielfältigen Vorteilen, geben auch dem Abnehmer Sicherheit für den Geschäftsbetrieb und eröffnen ihm die Möglichkeit, bei Vertragsabschluss sonstige erhebliche, anderweitig nicht oder jedenfalls nicht zu diesen Konditionen erhältliche Starthilfen zu erlangen, ohne die eine Auf-

___________ 1) 2) 3)

BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80. Zu diesem Aspekt BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.

89

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

nahme des Geschäftsbetriebes häufig gar nicht in Betracht kommen würde. Deshalb bestehen gegen solche Vereinbarungen grundsätzlich keine Bedenken.4) 2.4 Ist die Getränkebezugsverpflichtung lediglich in einem sog. „Inventarschein“ enthalten, so kann der Gastwirt, der den Vertrag ungelesen unterschrieben hat, sich im Allgemeinen nicht darauf berufen, er habe mit einer derartigen Klausel an dieser Stelle nicht gerechnet. Vielmehr muss er, auch wenn ihm kein Vertragsexemplar ausgehändigt worden ist, als selbstverständlich davon ausgehen, dass Brauereien nur gegen Übernahme einer Bierbezugsverpflichtung bereit sind, ihm für einen längeren Zeitraum kostenlos Inventar zur Verfügung zu stellen. 2.

Schranken

2.5 Die dem Gebundenen auferlegte Getränkebezugsverpflichtung schränkt diesen allerdings notwendigerweise in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit ein. Daher sind die Inhaltskontrollvorschriften der §§ 138 Abs. 1, 307 BGB zu beachten. III.

Individual- oder AGB-Verträge

1.

Abgrenzung

2.6 Sieht man einmal von typischen Klauselregelungen, wie etwa Rechts- und Geschäftsnachfolge-, Schadensersatz-, Vertragsstrafen-, Ausgleichs-, Kündigungs-, Schriftform-, Aufrechnungsverbots- oder Gerichtsstandsklauseln sowie Widerrufsbelehrungen ab, so ist im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen Zurückhaltung bei der Annahme von AGB-Klauseln angebracht.5) Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn Wortlaut und Erscheinungsbild des Vertrages auf eine Vorformulierung für eine Vielzahl von Abschlusssituationen hindeuten.6) Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn die Formulierung „Der Darlehensnehmer“ undifferenziert sowohl als Synonym für den Getränkeabnehmer als auch als Synonym für den Darlehensempfänger verwendet wird, obgleich es insgesamt konkret drei Darlehensnehmer gibt.7) ___________ 4)

5) 6)

7)

90

BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3304 = ZIP 1997, 1933; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 74, 151, 428. BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87; LG Ravensburg, Urt. v. 7.11.2011 – 6 O. 301/11.

III. Individual- oder AGB-Verträge

Wenn auch die heute durchweg eingesetzten automatisierten Textverarbeitungs- 2.7 systeme den äußeren Anschein eines Formularvertrages und damit einer AGBKlausel erwecken, so entspricht dies im Übrigen häufig nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Aufgrund einer konkret-individuellen betriebswirtschaftlichen Analyse im Einzelfall, insbesondere von Standort, Konzept und Kreditwürdigkeit des Gastwirts einerseits und den marktstrategischen Überlegungen des Getränkelieferanten andererseits, wird im Rahmen des Gastronomie-Mikromarketings entsprechend den Wünschen des Gastwirts ein Finanzierungskonzept erarbeitet, das sich dann in rechtlichen Regelungen niederschlägt. Nicht selten geht dabei die Initiative vom Gastwirt aus. Dieser hat häufig bereits Investitionsund insbesondere Kaufentscheidungen verbindlicher Art getroffen, die es nunmehr (fremd) zu finanzieren gilt. Wenn nicht Getränkefachgroßhändler unmittelbar finanzieren, so vermitteln sie vielfach den Herstellerunternehmen, wie Brauereien und Brunnen, den Finanzierungswunsch des Gastwirts. Die Verhandlungen dauern nicht selten mehrere Monate. Sie schlagen sich in vielfach geänderten Vorüberlegungen, wie etwa Investitionsanträgen und ersten – noch unverbindlichen – Vertragsentwürfen, nieder. Der letztlich unterschriebene Vertrag bildet damit den Schlusspunkt. Dies gilt insbesondere auch für Getränkebezugsverpflichtungen, die unter anwaltlicher und/oder notarieller Beratung individuell „lange und zäh“ ausgehandelte Regelungen für einen speziellen Einzelfall enthalten.8) Dieses wiederholte „Hin und Her“ ergibt sich nicht nur aus der notwendig 2.8 unterschiedlichen Interessenlage von Getränkelieferanten einerseits und kreditnachfragendem Gastwirt andererseits. Dahinter stehen auch betriebswirtschaftliche Überlegungen und nicht zuletzt die aus Rechtsgründen sowohl bei der Prüfung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung bei § 138 Abs. 1 BGB9) als auch der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung bei § 307 BGB zu beachtenden Rechtsgrenzen. Dass die wirtschaftlichen und rechtlichen Passagen im Einzelfall konkret- 2.9 individuell ausgehandelt worden sind, lässt sich bei vorgedruckten Verträgen auch durch entsprechende Änderungen oder (handschriftliche) Ergänzungen dokumentieren. Der dem Vertragsabschluss vorangehende Schriftverkehr unter Einschluss von E-Mails vermag weiteres Beweismaterial zu schaffen. Zum Nachweis des Aushandelns können Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich ein Aushandeln ergibt. So werden in der Praxis Reiseberichte, Aktennotizen etc. über den Gang der Verhandlungen zur Akte genommen und damit der Gesprächs___________ 8) 9)

OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.9.2009 – 22 U 3/08. BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

91

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

verlauf in seinen wesentlichen Zügen dokumentiert. Hinzu kommen die Aussagen der beteiligten Personen, insbesondere aufseiten der Getränkelieferanten. Der (AGB-)Schein, den zur Prüfung vorgelegte Verträge häufig vermitteln, trügt daher nicht selten. 2.10 Zu den zumeist individualvertraglich getroffenen Vereinbarungen gehören u. a. Regelungen hinsichtlich der Vertragspartner (Stellung, Haftung, Verantwortlichkeit etc.), der finanziellen und sonstigen Leistungen des Getränkelieferanten (Art und Umfang, insbesondere die Höhe der Leistung, deren Verzinsung, Art und Umfang der Rückführung etc.), Sicherheitenabsprachen (Art der Sicherheit, Sicherungsumfang, ggf. Freigabe, Verwertung etc.), Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung (Objekt, räumliche Umschreibung der Bezugsverpflichtung, Sortiment, (Teil-)Ausschließlichkeit, Laufzeit10), vereinbarte Jahresmindest-/Gesamtbezugsmenge11), Malus-/Bonuszahlungen, Neuoder Anschlussregelung etc.).12) 2.

Maßgebliche Vorschriften

2.11 a) Verhältnis des § 138 Abs. 1 BGB zu den §§ 307 – 310 BGB. Grundsätzlich sind die §§ 307 – 309 BGB vorrangig gegenüber § 138 Abs. 1 BGB zu prüfen.13) Eine Anwendung des § 138 BGB kommt nur in Betracht, wenn eine Individualregelung sittenwidrig ist. § 138 Abs. 1 BGB ist aber auch dann anwendbar, wenn gegen Klauseln Bedenken bestehen, die nicht in den Schutzbereich der §§ 307 – 310 BGB fallen. Ferner dann, wenn die AGB nicht wegen Benachteiligung des Kunden, sondern aus sonstigen Gründen anstößig sind.14) 2.12 § 138 Abs. 1 BGB ist neben § 307 Abs. 1 BGB anwendbar.15) Allerdings stellt § 138 Abs. 1 BGB im objektiven Bereich höhere Anforderungen an die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages als sie für die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gegeben sein müssen.16) Sittenwidrigkeit er___________ 10) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 11) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 12) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 13) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15 (lässt offen). 14) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 15) BGH, Urt. v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372 = ZIP 1997, 1957. 16) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09.

92

IV. AGB-Verträge

fordert eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke und in der Regel subjektive Vorwerfbarkeit17). Dagegen setzt § 307 BGB objektiv (nur) eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung voraus und hat kein subjektives Tatbestandsmerkmal.18) Zudem verlangt § 307 BGB, wie sich aus dem Wort „unangemessen“ ergibt, keine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke.19) Die Wirksamkeitsschranke des § 138 Abs. 1 BGB liegt somit erheblich höher als die des § 307 Abs. 1 BGB.20) Daher ist die Gefahr, an der Nichtigkeitshürde des § 307 BGB zu scheitern, eher gegeben als dass die Nichtigkeitssanktion des § 138 Abs. 1 BGB eintritt. Sind die Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 BGB nicht erfüllt, so ist § 138 Abs. 1 BGB erst recht nicht gegeben.21) b) Entscheidungserheblichkeit. Ist die Abgrenzung Individual- und AGB- 2.13 Regelung streitig, so fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit und entsprechenden Beweisangeboten. Entsprechenden Beweisangeboten auf Vernehmung von Zeugen muss nicht nachgegangen werden, wenn sich der Getränkelieferungsvertrag unabhängig davon als wucherähnliches Rechtsgeschäft und damit sittenwidrig darstellt.22) IV.

AGB-Verträge

1.

Prüfungsmaßstab

Werden Getränkelieferungsverträge mit Gastwirten als Unternehmern oder 2.14 Existenzgründern oder mit Getränkefachgroßhändlern ausnahmsweise als AGBVerträge geschlossen, so ist über § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB § 307 BGB Prüfungsmaßstab. Handelt es sich bei dem Getränkelieferungsvertrag dagegen um einen Vertrag mit einem nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer sowie Mithaftenden, etwa GmbH-Geschäftsführern oder GmbH-Gesellschaftern und damit Verbrauchern (§ 13 BGB), so beurteilt sich die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB. 2.

Inhaltskontrolle

a) Transparenzgebot. Zwar verlangt das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 2.15 BGB) zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung, dass die vertrag___________ 17) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 18) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 19) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 20) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – f3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 21) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 22) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

93

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

lichen Bestimmungen klar und verständlich sind, insbesondere der Verwender die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darstellt. Auch muss die Klausel wirtschaftliche Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner insoweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert wird. Insofern äußert das OLG Hamm in einem Urteil vom 10.5.2012 aber zu Recht keine Bedenken. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht vor, wenn die Rechte und Pflichten eindeutig und verständlich dargestellt sind und sich der Kunde bei Vertragsschluss hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden konnte.23) Dies gilt umso mehr, als im Unternehmerverkehr die Anforderungen an die Formulierungsstringenz und die Transparenz einer Regelung nicht so hoch sind wie bei Verträgen mit Verbrauchern.24) 2.16 b) Unangemessenheit (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Bestimmung in AGB, in welcher der die Vertragsgestaltung für sich in Anspruch nehmende Getränkelieferant entgegen den Geboten von Treu und Glauben einseitig eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners – hier etwa des Gastwirts oder des Hauseigentümers – durchzusetzen sucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen, unangemessen, was zur Nichtigkeit der Klausel führt.25) Beim Getränkelieferungsvertrag spielen aber im Rahmen der schrankenziehenden Bestimmungen der §§ 138 Abs. 1, 307 BGB Äquivalenzgesichtspunkte26) und die Feststellung einer Vielzahl von Beurteilungskriterien und deren Bewertung eine große Rolle.27) Die AGB-rechtlichen Anforderungen an kartellrechtlich zulässige Ausschließlichkeitsbindungen dürfen daher nicht überspannt werden. Vielmehr sollte man diese grundsätzlich als wirksam ansehen.28) V.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Fallgruppen im Überblick

2.17 Sittenwidrigkeit setzt stets eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke gegenüber einer Vertragsseite voraus. Nur wenn ein grobes bzw. auffälliges ___________ 23) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; ebenso KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15, zu einer Tilgung durch Rückvergütungsgutschriften. 24) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 25) BGH, Urt. v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, NJW 1997, 2598 = ZIP 1997, 1549; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – III ZR 207/08, NJW 2010, 57; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 26) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler). 27) Siehe unten § 9 VII – IX, jeweils m. w. N. 28) Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, Klauseln B Rz. 322.

94

V. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, ist der Sittenwidrigkeitsausspruch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen objektiv gerechtfertigt.29) Sonach bedarf es der Feststellung, dass: x

Leistungen und Gegenleistungen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (Fallgruppe 1)30) und/oder

x

die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts über Gebühr eingeschränkt wird (Fallgruppe 2)31) und er dadurch gegenüber dem Getränkelieferanten in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gerät.32)

___________ 29) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 30) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 11.1.1995 – VIII ZR 82/94, BGHZ 148, 255 = NJW 1995, 1019 = ZIP 1995, 383; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 31) BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 32) RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 zu § 307 BGB; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

95

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.

Objektives Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

2.18 a) Voraussetzungen. Zum einen können Getränkelieferungsverträge als gegenseitige Verträge, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB (Ausnutzung von Zwangslage, Unerfahrenheit etc.)33) nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein. Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag als sittenwidrig erscheinen lässt bzw., wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist.34) 2.19 b) Nach dem Äquivalenzprinzip sind Einschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und damit der Selbstständigkeit des Gastwirts nur dann zulässig, wenn der Verpflichtung des Gastwirts zur Getränkeabnahme hinreichende Gegenleistungen des Bindenden gegenüberstehen. Die in der Übernahme der Getränkebezugsverpflichtung liegende Einschränkung der Vertragsfreiheit des Gastwirts ist somit nur zulässig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Entscheidend für das Vorliegen des objektiven Nichtigkeitstatbestandes der Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB ist also die Feststellung der Unausgewogenheit der beiderseitigen Leistungen.35) 2.20 Entsprechend der Vorstellung der Parteien stellen die Leistungen des Getränkelieferanten das Äquivalent für die in der Bezugsbindung liegende Leistung des Gastwirts dar. Nicht selten finden sich für diese gemeinsame Einschätzung auch ausdrückliche Anhaltspunkte im Vertragstext. Danach steht die (befristete) Bezugsbindung einer Finanzierung in Form eines (Tilgungs-, Abschreibungsoder Rückvergütungsgutschriften-)Darlehens oder einer leihweisen Inventargestellung gegenüber.36) Wirtschaftlich besteht zwischen beiden Leistungskomponenten eine Einheit, rechtlich handelt es sich insofern um ein gegenseitiges Austauschverhältnis. ___________ 33) Vgl. hierzu OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87 (verneinend). 34) BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570; BGH, Urt. v. 24.1.2014 – V ZR 249/12, NJW 1914, 1652; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 35) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 36) BGH, Urt. v. 1.3.1978 – VIII ZR 70/77, NJW 1978, 1519 = Zeller II, 38; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 zu § 307 BGB.

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V. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

c) Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es zunächst auf einen 2.21 Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.37) Insofern bedarf es einer Gegenüberstellung und Bewertung von Leistung und Gegenleistung. Diese Fallgruppe ist nicht nur denkbar im Zusammenhang mit dem finanziellen Engagement des Getränkelieferanten einerseits und Inhalt und Umfang der Getränkebezugsverpflichtung des Gebundenen andererseits.38) Praktische Relevanz kann sie auch dann erlangen, wenn Getränkelieferanten in ihrem Eigentum stehende Immobilien an Erwerber veräußern unter Auferlegung einer Getränkebezugsverpflichtung und ggf. Bestellung einer sichernden Dienstbarkeit.39) 3.

Unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit

a) Grundlagen. Zum anderen können Getränkelieferungsverträge gegen die 2.22 guten Sitten verstoßen und damit nichtig sein, wenn sie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts in unvertretbarer Weise einengen und diesen dadurch in eine den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vertretende Abhängigkeit von dem Getränkelieferanten bringen.40) Dazu bedarf es einer Prüfung sowohl in qualitativer als auch in quantitativer 2.23 Hinsicht.41) Je intensiver die Bindung und je länger der Zeitraum sind, für den der Gastwirt eine Bezugsverpflichtung übernimmt, desto näher liegt der Schluss, dass die wirtschaftliche Freiheit des Gastwirts in einer gegen die guten ___________ 37) BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; BGH, Urt. v. 11.11.2016 – IX ZR 114/17, NJW-RR 2017, 377; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 38) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 39) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 40) RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 41) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

97

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

Sitten verstoßenden Weise beschränkt wird.42) Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Getränkelieferungsvertrag unter Ausnutzung einer Zwangslage zustande gekommen ist, sondern wie sich die Vertragsbedingungen auf die unternehmerische Selbstständigkeit des Gastwirts auswirken.43) 2.24 b) Menge. Vereinbarungen von Mindestabnahmemengen dürfen nicht zu gravierenden Beschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts führen.44) 2.25 c) Laufzeit. Die zweite Fallgruppe erlangt insbesondere Bedeutung im Zusammenhang mit der Dauer der Bezugsverpflichtung.45) 4.

Knebelungsvertrag

2.26 Möglicherweise bedarf es einer eingehenderen Prüfung dann nicht, wenn Getränkelieferungsverträge als Knebelungsverträge i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB einzuordnen und bereits deshalb generell nichtig wären. 2.27 a) Begriff. Knebelungsverträge sind Verträge, die die wirtschaftliche Freiheit des anderen Teils so sehr einschränken, dass dieser seine freie Selbstbestimmung ganz oder im Wesentlichen einbüßt.46) Sie sind sittenwidrig. Eine Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich.47) 2.28 b) Meinungsstand. Vereinzelt wurde der Getränkelieferungsvertrag in der Vergangenheit als Knebelungsvertrag bezeichnet.48) Teilweise werden zwar der Automatenaufstellvertrag sowie der Getränkelieferungsvertrag in diesem Zusammenhang genannt, ohne diese Verträge aber dem Begriff zu unterwerfen.49) Andere behandeln selbst den sittenwidrigen Getränkelieferungsvertrag nicht als eine Erscheinungsform des Knebelungsvertrages.50) 2.29 c) Stellungnahme. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) bestehen hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit von Getränkelieferungsverträgen keine Bedenken.51) Bestätigt wird dies durch die gesetzliche Regelung in § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB. Beim Getränkelieferungs___________ 42) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64. 43) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 44) Siehe unten § 9 VII 8 m. w. N. 45) Siehe unten §§ 9 VII 9 d, 10 und 11, jeweils m. w. N. 46) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 47) BGH, Urt. v. 7.1.1993 – IX ZR 199/91, NJW 1993, 1587. 48) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.3.1971 – 21 U 110/70, MDR 1973, 222. 49) Palandt-Ellenberger, BGB, BGB, § 138 Rz. 39. 50) MünchKomm-Armbrüster, BGB, § 138 Rz. 75. 51) Siehe oben § 9 II 1 m. w. N.

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VI. Grundlagen der Beurteilung

vertrag spielen im Rahmen der schrankenziehenden Bestimmungen der §§ 138 Abs. 1, 307 BGB Äquivalenzgesichtspunkte52) und die Feststellung einer Vielzahl von Beurteilungskriterien und deren Bewertung eine große Rolle. Mit einer rein begrifflichen Einordnung als Knebelungsvertrag ist daher nichts gewonnen. Auf den Begriff sollte in diesem Zusammenhang verzichtet werden. 5.

Darlegung und Beweis

Die Darlegungs- und Beweislast für die objektiven und subjektiven Vorausset- 2.30 zungen des Nichtigkeitseinwandes nach § 138 Abs. 1 BGB ebenso wie nach § 138 Abs. 2 BGB trägt derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts beruft.53) Dies gilt insbesondere dann, wenn der sich auf den Nichtigkeitseinwand Berufende bei Abschluss des Getränkelieferungsvertrages geschäftserfahren war, weil er bereits seit mehreren Jahren eine Absatzstätte betrieben hatte.54) Soweit einem entsprechenden Vortrag nicht substantiiert entgegengetreten wird, kann davon ausgegangen werden, dass die gegenseitigen Leistungspflichten der Parteien aufgrund der Vertragsverhandlungen im Vertrag ausgewogen vereinbart worden sind. VI.

Grundlagen der Beurteilung

1.

Prüfungsgrundsätze

a) Umfassende Einzelfallprüfung. Im Rahmen der vorzunehmenden Interes- 2.31 senabwägung bedarf es einer umfassenden Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der beteiligten Parteien im jeweiligen Einzelfall.55) ___________ 52) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 53) BGH, Urt. v. 23.2.1995 – IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 54) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 55) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 3.12.1935 – VII 138/35, JW 1936, 569 Nr. 1; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793.

99

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.32 b) Festzustellen ist, ob sich aus der Zusammenfassung von Inhalt, Motiv, Zweck und Ausmaß des jeweiligen Vertrages und den Umständen seines Zustandekommens ergibt, dass die Grenze der guten Sitten überschritten ist.56) 2.33 c) Bei der Beurteilung, ob eine Bindung unausgewogen ist, sind Zweck und Gesamtcharakter des jeweiligen Vertrages zu berücksichtigen.57) Nicht nur revisionsgerichtlich angreifbar sind daher Würdigungen, die nicht von einem vollständigen – festgestellten (!) – Sachverhalt ausgehen, die den Gesamtkontext der Vertragsregelung vernachlässigen oder etwa sach- und zweckfremde Erwägungen enthalten. 2.34 d) Die Prüfung eines Getränkelieferungsvertrages auf eine etwaige Sittenwidrigkeit bzw. Unangemessenheit im Übrigen (Fallgruppe 2: unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit) muss besonders sorgfältig erfolgen. 2.

Einzelbetrachtung

2.35 Zunächst ist zu prüfen, ob die Bestimmungen des Vertrages bei isolierter Betrachtung zu beanstanden sind.58) Dabei kommt es insbesondere auf folgende Regelungen an: x

Umfang der Getränkebezugsverpflichtung59)

x

Gestattung des Mitbezugs anderer Getränke60)

___________ 56) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/07, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 91. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80. 57) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 58) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 59) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJWRR 1996, 46; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Mannheim, Urt. v. 16.4.1999 – 7 O. 232/98 (Kart). 60) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 23.5.1973 – VIII ZR 164/71, WM 1973, 924 = Zeller I, 228; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 122, 132.

100

VI. Grundlagen der Beurteilung

x

Bestehen einer Mindestabnahmeverpflichtung61)

x

Erreichbarkeit der Mindestabnahmeverpflichtung62)

x

Laufzeit63)

x

Ausdehnung der Bezugsverpflichtung auf weitere Verkaufsstellen64)

x

Umfang der Leistungen des Getränkelieferanten65)

x

Verzinsung, Zinssatz66)

___________ 61) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210, allerdings nur Jahresmenge; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Hamm, Urt. v. 7.6.2002 – 29 U 88/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 62) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH – VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 63) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 64) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73. 65) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 66) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697.

101

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

x

Rückvergütung/Bonus67)

x

Rückführung der Leistung68)

x

ein etwaiges Lösungsrecht des Getränkelieferanten mit Fortdauer der Verpflichtung des Gastwirts

x

Rechts- und Geschäftsnachfolge69)

x

Kündigung70)

x

Schadensersatz71)

___________ 67) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 68) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 11.1.1968 – 1 U 2037/67, NJW 1968, 650; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.1984 – 13 W 39/84; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.02.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 69) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 70) RG, Urt. v. 3.6.1930 – VII 401/30 – VII 401/30, JW 1930, 347; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433. OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 71) OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

102

VI. Grundlagen der Beurteilung

x

Vertragsstrafen72)

x

Nachverzinsung73)

x

Sicherheiten74)

x

Verzicht auf Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte75).

3.

Gesamtbetrachtung

a) Grundlagen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Vertragsre- 2.36 gelungen sind – auch bei isolierter Unbedenklichkeit – in einer zweiten Prüfungsstufe Feststellungen zu der Frage erforderlich, ob die Regelungen insgesamt zu einer gravierenden Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirts führen. Dies ist dann der Fall, wenn die verschiedenen Vertragsregelungen für sich genommen noch nicht schlecht und unbillig sind, aber

___________ 72) RG, Urt. v. 7.4.1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 = JW 1908, 401; RG, Urt. v. 3.6.1930 – VII 401/30 – VII 401/30, JW 1930, 347; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 275. 73) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 74) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJWRR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 75) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73.

103

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

in ihrer Gesamtheit zu schwerwiegenden Einschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Vertragspartners führen.76) 2.37 b) Notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten.77) 2.38 c) Bei der Abwägung sind nicht nur die aufseiten des Getränkelieferanten getätigten Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt und zwar seine formular- wie auch individualvertraglichen Teile78) zu würdigen. 2.39 d) Berücksichtigung von AGB-Klauseln. aa) Einbeziehung. Unwirksame AGB-Klauseln, die für sich genommen nicht zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages führen, können in Verbindung mit einer anderen besonderen Belastung des Vertragspartners die Sittenwidrigkeit des gesamten Vertrages begründen. Sinn des § 306 BGB ist es nämlich nicht, sittenwidrige Verträge „rein zu waschen“. Deshalb sind bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit auch die nach § 305c Abs. 1 BGB nicht einzubeziehende und § 307 – 309 BGB unwirksamen Klauseln mit einzubeziehen.79) Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Schutzzweck des AGBRechts, das den Rechtsverkehr auch von Scheinbindungen des Kunden durch rechtlich unwirksame Klauseln freihalten will.80) ___________ 76) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 77) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 78) BGH, Urt. v. 22.12.1959 – VIII ZR 9/59, DB 1960, 231 = Zeller I, 98; BGH, Urt. v. 10.7.1986 – III ZR 133/85, BGHZ 98, 174 = NJW 1986, 2564 = ZIP 1986, 1037; BGH, Urt. v. 5.3.1987 – III ZR 43/86, NJW 1997, 2220 = ZIP 1987, 903; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 5.4.2006 – VIII ZR 163/05, NJW 2006, 2116 = ZIP 2006, 2046. 79) Wie vorstehend sowie BGH, Urt. v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, NJW 1997, 3327 = ZIP 1997, 1957; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, NJW 2004, 161. 80) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 28.1.1981 – VIII ZR 165/79, ZIP 1981, 385; BGH, Urt. v. 12.3.1987 – VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157 = NJW 1987, 1931 = ZIP 1987, 640.

104

VI. Grundlagen der Beurteilung

bb) Grundsatz. Sind einzelne AGB-Klauseln eines Vertrages nach §§ 307 – 310 2.40 BGB unwirksam, so richten sich die Folgen für den Vertrag im Übrigen vorrangig nach § 306 BGB. Grundsätzlich rechtfertigt die Unwirksamkeit einiger Formularbedingungen noch nicht die Annahme, der Vertrag sei in seiner Gesamtheit nichtig, so lange nur die wesentlichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ganz oder in nur unbedeutend eingeschränkter Form erhalten bleiben.81) Selbst wenn die von dem Gastwirt genannten – nicht sehr zahlreichen und auch für die Vertragsdurchführung nicht übermäßig bedeutsamen – Klauseln einer Wirksamkeitskontrolle nicht standhielten, wären die daraus folgenden Umgestaltungen des (Gaststättenpacht-)Vertrages nicht von so einschneidender Bedeutung, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden könnte.82) cc) Ausnahme. Allerdings macht der BGH davon bei einer Häufung unwirk- 2.41 samer oder nicht Vertragsbestandteil gewordener Klauseln eine Ausnahme (auch im Interesse des Kunden) bei gesetzlich nicht typisierten Verträgen. Sind so viele Klauseln unwirksam, dass der Vertrag nicht mehr „erkennbar“ und der nach Wegfall der AGB maßgebliche Vertragsinhalt aus der Sicht des Kunden unklar ist, dann drohen Ungewissheit und Streit über die beiderseitigen Rechte und Pflichten. In diesem Fall sollen sich die Folgen für den Vertrag im Übrigen nicht allein nach § 306 BGB, sondern auch nach § 138 Abs. 1 BGB richten.83) Diese Frage kann in dem hier interessierenden Zusammenhang, insbesondere bei Automatenaufstellverträgen, Bedeutung erlangen.84) Bei einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung kann die Verwendung von unangemessenen AGB den Ausschlag für eine Bejahung des § 138 Abs. 1 BGB geben.85) dd) Im Übrigen. Soweit einige AGB-Klauseln in Getränkelieferungsverträgen 2.42 unwirksam sind, dürfte regelmäßig keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages über § 306 Abs. 3 BGB anzunehmen sein.86) Eine unbillige Härte dürfte in der Regel schon deshalb ausscheiden, weil nach Wegfall der Klausel(n) der maßgebende ___________ 81) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 82) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 83) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372 = ZIP 1997, 1957; LG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 (Getränkelieferungsvertrag). 84) Siehe unten § 38 III 5 b m. w. N. 85) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 86) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756.

105

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

Vertragsinhalt weiterhin bestimmt ist. Zumeist ist dispositives Recht anwendbar mit der Folge, dass jedenfalls ein Schadenersatz begründendes Recht zur außerordentlichen Kündigung (§ 314 BGB) des Dauerschuldverhältnisses gegeben ist.87) 4.

Umstände des Vertragsabschlusses

2.43 a) Abzustellen ist auch auf die tatsächlichen Umstände, die den Vertragsabschluss begleitet haben und bei Vertragserfüllung weiter wirken.88) Zu berücksichtigen ist, ob der Vertrag etwa von einem Rechtsanwalt des Gastwirts ausgearbeitet worden ist.89) Mit den Umständen beim Zustandekommen des Rechtsgeschäfts allein lässt sich eine Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB allerdings nicht begründen. Auch wird sich daraus nur selten etwas für eine Vertragsnichtigkeit i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB herleiten lassen.90) 2.44 b) Soweit Getränkelieferungsverträge ausnahmsweise mit Verbrauchern abgeschlossen werden, erstreckt sich die Inhaltskontrolle bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch auf die den Vertragsschluss begleitenden Umstände. 5.

Beurteilungskriterien

2.45 Im Einzelfall bedarf es einer sorgfältigen Prüfung sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht, ob die nachfolgend nicht abschließend angeführten objektiven Beurteilungskriterien sowohl als einzelne als auch in ihrer Gesamtheit ermittelt werden können.91) Dabei legen Rechtsprechung und Literatur bei der Prüfung einer eventuellen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB bzw. einer vorgetragenen Unangemessenheit i. S. d. § 307 BGB dieselben Beurteilungskriterien zugrunde. 6.

Tatrichterliche Würdigung

2.46 Handelt es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag, so kann dessen Auslegung durch den Tatrichter nur eingeschränkt, insbesondere auf die Berücksichtigung aller für die Auslegung erheblichen Umstände, nachgeprüft werden.92) Bei der Prüfung der Frage, ob eine Bezugsbindung gegen die guten Sitten ver___________ 87) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 88) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/07, RGZ 67, 101; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 89) RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1. 90) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516. 91) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. Siehe unten § 9 VII – IX, jeweils m. w. N. 92) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

stößt, räumt der BGH den Instanzgerichten einen gewissen Freiraum ein. Da diese Würdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist,93) der insoweit den Dingen nähersteht, und das Revisionsgericht diese Würdigung nur in beschränktem Umfang – unter dem Gesichtspunkt etwaiger Rechtsfehler – nachprüfen kann, bleibt es nicht aus, dass in höchstrichterlichen Entscheidungen Vertragsgestaltungen noch als haltbar bezeichnet werden, die das Revisionsgericht – hätte es selbst frei entscheiden können – anders beurteilt hätte. Bei der Heranziehung von Vergleichsfällen ist daher stets Vorsicht geboten. VII. Getränkebezugsverpflichtung 1.

Bestehen einer Bezugsverpflichtung

Der Umstand, dass der Gastwirt selbstverständlich gegen entsprechende Zah- 2.47 lung seine Getränke von dem Getränkelieferanten beziehen muss, kann nicht als Nachteil angesehen werden.94) 2.

Ausschließlichkeit

a) Grundsatz. Bei der Prüfung der Ausgewogenheit der beiderseitigen Leistun- 2.48 gen kommt dem Umfang der Ausschließlichkeitsbindung besondere Bedeutung zu.95) Insbesondere dann, wenn der Getränkelieferant über ein breit gefächertes Getränkeangebot verfügt, bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. Dies gilt erst recht, wenn die Ausschließlichkeitsbindungen Lockerungen aufweisen.96) b) Ausschluss eines Fremdbezuges. Nicht zu beanstanden ist, wenn der Ge- 2.49 bundene andere Getränke nicht fremdbeziehen darf. Entsprechende Regelungen sind wesenstypisch für Ausschließlichkeitsverträge. Einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung bedarf es daher nicht.97) Der Ausschluss eines Fremdbezuges liegt in der Natur der Ausschließlichkeitsbindung im Rahmen von Getränkelieferungsverträgen. Folglich kann dieser Aspekt nicht zusätzlich als Ar___________ 93) RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98. 94) OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.7.1976 – 4 U 37/76. 95) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJWRR 1995, 1516; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 107, 121. 96) OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 97) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.2.1978 – 17 U 219/77.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

gument für eine Einengung der unternehmerischen Bewegungsfreiheit des Gastwirts herangezogen werden.98) 2.50 c) Dies erhellt, warum das Fehlen einer Meistbegünstigungsregelung im Rahmen der Abwägung nicht zu Gunsten des Gebundenen geht.99) 2.51 d) Mitbezugsgestattung. aa) In der Praxis kommen verschiedene Fallgestaltungen vor. So finden sich Regelungen, die dem Gastwirt zugunsten anderer Lieferanten generell den Bezug einer bestimmten oder verschiedener bestimmter Sorten gestatten. Sinnvoller ist ein prozentualer Mitbezug bestimmter anderer Sorten oder besser Marken. Eher selten wird einem oder mehreren Lieferanten gestattet, prozentuale Anteile am Gesamtbedarf mitzuliefern. 2.52 bb) Teilbindung. Eine gewisse Bedeutung kommt in dem hier erörterten Zusammenhang dem Umstand zu, in welchem Maße dem Gastwirt auch bei Ausschließlichkeitsbindungen ein (prozentualer) Mitbezug anderer Biere/Getränke gestattet wird und er insoweit – tatsächliche (!) – Publikumswünsche erfüllen kann.100) Allerdings verlangt § 138 Abs. 1 BGB nicht, dass dem Gastwirt allgemein ein Mitbezug anderer Getränke, in welchem Umfang auch immer gestattet sein muss, um die Sittenwidrigkeit zu vermeiden. 2.53 e) Verändertes Nachfrageverhalten. Angebliche Änderungen im Publikumsgeschmack werden häufig und durchweg erfolglos gegenüber übernommenen Getränkebezugsverpflichtungen eingewandt. Allgemeine Behauptungen genügen insofern nicht. Konkrete Bezugspunkte zu dem zu beurteilenden Getränkelieferungsvertrag sind aufzuzeigen und ggf. zu beweisen. Darzulegen ist, warum sich innerhalb der Vertragslaufzeit ein derartiger Wandel vollziehen sollte oder gar vollzogen hat. Von Bedeutung sind insofern die Art der Absatzstätte und die vom Gastwirt bei Vertragsschluss gewählte(n) Biermarke(n). Änderungen des Nachfrageverhaltens, die nicht mit der ausgeschenkten Marke zusammenhängen, z. B. der allgemeine Rückgang des Bierkonsums, fallen ohnehin allein in die vertragliche Risikosphäre eines jeden Gastwirtes.101) 2.54 f) Bezugsbindungen durch Getränkefachgroßhändler. Ob allein aus der Gestattung eines teilweisen Mitbezugs und der daraus resultierenden Möglichkeit, sich an – tatsächlich (!) – veränderte besondere Publikumswünsche anzupassen, ___________ 98) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 99) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 100) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 23.5.1973 – VIII ZR 164/71, WM 1973, 924 = Zeller I, 228; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 122, 132. 101) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

bei der Bezugsbindung eines Gastwirts durch einen Getränkefachgroßhändler bei sonst angemessener Vertragsgestaltung regelmäßig keine Bedenken bestehen sollen,102) erscheint zweifelhaft. Dies zum einen im Hinblick auf das Jahr der Entscheidung. Der Getränkemarkt des Jahres 1951 kann mit dem von heute nur noch schwer verglichen werden. Hinzu kommt, dass auch Brauereien über ein „gefächertes Angebot“ verfügen. Nicht nur Eigen-, sondern auch Handelsbiere werden gebunden. Gelegentlich kommt auch eine ausschließliche oder auch nur sonstige (Mit-)Bindung von alkoholfreien Getränken hinzu.103) Allein der Umstand, dass Getränkefachgroßhändler Sortimenter sind, hat im Übrigen nicht zur Folge, dass sie regelmäßig in den von ihnen geschlossenen Ausschließlichkeitsvereinbarungen über Getränke einen Bezug von Drittgetränken zulassen. 3.

Sortimentsbindung

a) Hinsichtlich der Bezugsverpflichtung ist u. a. zu berücksichtigen, dass diese 2.55 sich ggf. nur auf Bier beschränkt.104) b) Unverkennbar ist, dass die Erstreckung der Bezugspflicht auf nichtalkoho- 2.56 lische Getränke105) wegen des breiter gewordenen Produktangebotes der Brauereien (Eigen- und Handelsgetränke) und auch zur allseitigen Erleichterung der Betriebsabläufe etwa im Hinblick auf eingeschränkte Anlieferungszeiten in Innenstadtlagen im Laufe der Zeit so üblich geworden, dass auf sie bei der Bewertung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung in der Rechtsprechung kaum noch abgestellt wird. So hat der BGH bereits in einem Urteil vom 31.1.1973 ausgeführt, dass die zusätzlich übernommene ausschließliche Bezugspflicht für alkoholfreie Getränke die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts nicht unzulässig einenge, weil sich die Verpflichtung allein auf die von der Brauerei vertriebenen Getränkesorten bezog und der Gastwirt hinsichtlich des Bezuges anderer Getränke frei war.106) Ggf. ist zu fragen, ob hinsichtlich der alkoholfreien Getränke überhaupt eine Mindestabnahmeverpflichtung besteht.107)

___________ 102) So – allerdings nur berichtend – Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 109, unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 23.11.1951 – I ZR 24/51, NJW 1952, 344 = Zeller I, 144. 103) Siehe nachfolgend § 9 VII 3 b m. w. N. 104) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 105) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; LG Mannheim, Urt. v. 16.4.1999 – 7 O. 232/98 (Kart). 106) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220. 107) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399.

109

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.57 c) Unbedenklich ist auch die Erstreckung auf Biermischgetränke. Hierbei handelt es sich weder um Bier noch um alkoholfreie Getränke.108) Soweit ausnahmsweise eine AGB-Klausel vorliegen sollte, bedarf es nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eines ausdrücklichen Hinweises.109) 2.58 d) Nach der Rechtsprechung kann ein Getränkefachgroßhändler den Gastwirt auf sein gesamtes Getränkesortiment sogar einschließlich der vertriebenen Weine und Spirituosen verpflichten.110) Wollte man Brauereien hier anders behandeln, so ergäben sich sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligungen für Brauereien gegenüber Getränkefachgroßhändlern.111) 2.59 e) Auch kommt es auf die Breite des gebundenen Sortiments an.112) 4.

Sortimentsfestlegung

2.60 a) Nicht zu beanstanden ist, dass der Gastwirt, nachdem er zu Beginn des Vertrages eine bzw. mehrere Getränkemarken gewählt hat, an diese unternehmerische Auswahlentscheidung für die gesamte Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages gebunden ist und andere Getränke nicht fremdbeziehen darf.113) 2.61 b) Vertriebsmodell 2. Heißt es in einem Vertrag, dass der Gastwirt alle Biere und alkoholfreien Getränke „ausschließlich aus dem Sortiment eines benannten Getränkefachgroßhändlers nach dessen Weisung bzw. auf dem von diesem angegebenen Weg“ zu beziehen habe, gefolgt von einer Aufzählung diverser Biere und alkoholfreier Getränke und wird diese Regelung durch eine Unterlassungsverpflichtung für Fremdbezug abgesichert, so bestehen keine durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken, wenn den Interessen des Gaststättenbetreibers durch einen Vorbehalt der Zumutbarkeit hinreichend Rechnung getragen wird.114)

___________ 108) Richtlinie des Deutschen Brauer-Bundes e. V., April 2005, wonach es sich bei Biermischgetränken um trinkfertige Mischungen von Bier und anderen Getränken auf der Basis von Bier handelt. 109) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 157. 110) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76 (Bezug über Tochterunternehmen). 111) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; LG Mannheim, Urt. v. 16.4.1999 – 7 O. 232/98 (Kart); Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 123. 112) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 113) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 114) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; a. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

110

VII. Getränkebezugsverpflichtung

5.

Sortimentsänderung

a) Einführung. Es liegt sowohl im Interesse des Getränkelieferanten als auch 2.62 des Gastwirts, sich tatsächlichen und nicht lediglich behaupteten Änderungen im Nachfrageverhalten anpassen zu können, um nachweislich wieder rentabel arbeiten zu können. Entsprechende Änderungsklauseln gewähren dem Getränkelieferanten ein einseitiges Änderungsrecht, ohne dass es hierzu einer Zustimmung des Vertragspartners bedarf. Sie machen eine Änderungskündigung entbehrlich, erzeugen aber unter dem Gesichtspunkt des § 307 BGB bzw. des § 138 Abs. 1 BGB einen „Erklärungs- bzw. Rechtfertigungsbedarf“.115) b) Änderungsvorbehalte und § 308 Nr. 4 BGB. § 308 Nr. 4 BGB ist über 2.63 §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch im Unternehmerverkehr zu beachten, wobei aber keine Indizwirkung besteht.116) Die Vorschrift enthält ein ausdrückliches Verbot von Änderungsklauseln für die vom Verwender versprochene Leistung.117) Im Übrigen ist § 307 BGB Prüfungsmaßstab.118) Insofern kann auf Wertungen des § 308 Nr. 4 BGB zurückgegriffen werden. Die Änderung darf bei Abwägung der widerstreitenden Interessen dem Vertragspartner nicht unzumutbar sein und ihn nicht unangemessen benachteiligen. c) Zustimmungsfiktion und § 308 Nr. 5 BGB. Auch im Unternehmerverkehr 2.64 gilt § 308 Nr. 5 BGB über §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.119) § 308 Nr. 5 BGB hat das Konsensprinzip – Schweigen gilt nach § 308 Nr. 5 BGB als Zustimmung – im Auge. Wenn der Gastwirt durch eine ausdrücklich formulierte Klausel sowie aufgrund eines entsprechenden Hinweises i. S. d. § 308 Nr. 5 BGB auf die Befugnis aufmerksam gemacht wird, innerhalb angemessener Frist120) der Änderung zu widersprechen oder ein Sonderkündigungsrecht in Anspruch zu nehmen, stellt sich die Frage, ob eine Änderungsbefugnis ohne Rücksicht auf das Merkmal der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB in der Weise wirksam vereinbart werden kann, dass der Getränkelieferant von der fingierten Zustimmung nach § 308 Nr. 5 BGB Gebrauch machen kann. Hier hat der Gastwirt es in der Hand, aufgrund des ihm eingeräumten Widerspruchs- oder Sonderkündigungsrecht zu entscheiden, ob der Vertrag zu den geänderten Bedingungen fortgesetzt oder beendet wird.121) Allerdings ist eine Fiktionsklausel nach § 308 Nr. 5 BGB nur geeignet, solche 2.65 Änderungen durch Schweigen zu ermöglichen, die nicht zu den essentialia ne___________ 115) 116) 117) 118) 119)

KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558. BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558. BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 = NJW 2008, 3348 = ZIP 2008, 1977. 120) BGH, Urt. v. 13.3.1999 – IV ZR 218/97, NJW 1999, 1865. 121) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

gotii zählen, also Nebenpunkte betreffen. Im Übrigen bedarf es eines Änderungsvertrags. Maßstab ist bei einer vom Verwender beabsichtigten Änderung eines Dauerschuldverhältnisses das nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – ursprüngliche – Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Nur „weniger wichtige Änderungen“ lassen sich somit im Rahmen der Zustimmungsfiktion des § 308 Nr. 5 BGB wirksam durchsetzen. Selbst rasante technische Veränderungen im Markt des Verwenders und eine „harte Wettbewerbssituation“, mit der es Schritt zu halten gelte, sind für sich genommen noch kein Grund, außerhalb einer Änderungskündigung weitreichende Veränderungen des Vertragsgefüges zu bewirken.122) 2.66 d) Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB. aa) Allgemein. Prüft man die Wirksamkeit einer derartigen Klausel, ist zunächst Voraussetzung, dass die Klausel sowohl die Gründe einer Vertragsänderung als auch Inhalt und Umfang des Änderungsrechts sowie den Maßstab der Vertragsanpassung transparent und verständlich umschreibt.123) 2.67 Inhaltlich ist erforderlich, dass die Klausel gewichtige (nicht unbedingt schwerwiegende), nicht vorhersehbare und nicht vom Verwender beeinflussbare Gründe benennt, die einen Eingriff in den Grundsatz der beiderseitigen Bindung der Vertragsparteien an die getroffenen Abreden rechtfertigten.124) Auch insofern können Verträge grundsätzlich nur durch einen übereinstimmenden Änderungswillen geändert werden.125) Bei langlaufenden Verträgen ist eine Anpassung aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Während der Vertragslaufzeit können nämlich Entwicklungen eintreten, die der Verwender nicht vorhersehen konnte und die dazu führen, dass sich ohne eine Anpassung das Vertragsgefüge verschieben würde. Triftige Gründe können z. B. auch eine Veränderung von wirtschaftlichen Gegebenheiten126) oder für die Parteien bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbare Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Vertrages127) sein. 2.68 Weiter muss sichergestellt sein, dass sich durch die Vertragsänderung das Äquivalenzverhältnis nicht zugunsten des Verwenders verschiebt. Ebenso wie die Hauptleistungen sind auch die Vertragsbedingungen bei Abschluss des Vertrages festgelegt worden und können nun von dem Verwender nicht einseitig ge-

___________ 122) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 123) BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394 = NJW 1998, 454. 124) BGH, Urt. v. 21.12.1983 – VIII ZR 185/82, BGHZ 89, 206 = NJW 1984, 1182; BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 125) BGH, Urt. v. 21.12.1983 – VIII ZR 185/82, BGHZ 89, 206 = NJW 1984, 1182. 126) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360 (Preisanpassungsklausel). 127) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

ändert werden.128) Zustimmungsfiktionen sind – wie vorstehend ausgeführt129) – unwirksam.130) Ein Widerspruchs- oder Kündigungsrecht des Vertragspartners mag im Ein- 2.69 zelfall eine Kompensationswirkung entfalten.131) Das mildere Mittel des Widerspruchsrechts führt dazu, dass der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt werden kann. Die Widerspruchsfrist ist abhängig von dem konkreten Vertrag und muss ausreichend lang bemessen sein, damit der Vertragspartner Gelegenheit hat, die Änderungen und deren Auswirkungen zu prüfen und ggf. auch Rechtsrat einzuholen.132) Übt der Kunde sein Widerspruchsrecht aus, ist der Verwender nicht aufgrund dieser Tatsache zu einer fristlosen Kündigung aus einem wichtigen Grund berechtigt.133) bb) Konkret. Bemüht man § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Auffangtatbestand, so 2.70 ist zu berücksichtigen, ob in der Klausel ein Widerspruchsrecht verankert ist, sodass sich das Vertragsverhältnis zu den alten Bedingungen – und mit den alten Produkten – bis zur nächstmöglichen ordentlichen Kündigungsfrist fortsetzen würde. Der Gastwirt hat dann aufgrund der Klauselgestaltung das Recht, das bisherige Äquivalenzverhältnis durch rechtzeitigen Widerspruch zu wahren, sodass schon aus diesem Grund eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht zu erkennen ist. Auch wäre jeder andere Ansatz innovationsfeindlich (Folgenbetrachtung), weil eine sonst nur noch verbleibende Änderungskündigung durch den Getränkelieferanten nicht nur für diesen unverhältnismäßig aufwändig wäre, sondern auch zu Lasten des Gastwirts gehen könnte, dem sich Optionen zur Stärkung bzw. Wiedererlangung seines wirtschaftlichen Erfolges verschlössen.134) Bei Anwendung dieser relativ strikten Grundsätze der Rechtsprechung ist bis- 2.71 lang, insbesondere auch in dem hier interessierenden Zusammenhang, offen, inwieweit die Regelung des § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB fruchtbar gemacht ___________ 128) BGH, Urt. v. 21.12.1983 – VIII ZR 185/82, BGHZ 89, 206 = NJW 1984, 1182; BGH, Urt. v. 13.3.1999 – IV ZR 218/97, NJW 1999, 1865; BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 129) Siehe oben § 9 VII 5 c m. w. N. 130) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 131) Bejahend BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II (Preisanpassungsklausel); BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360 (Preisanpassungsklausel); verneinend BGH, Urt. v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394 = NJW 1998, 454; offen lassend BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 132) BGH, Urt. v. 13.3.1999 – IV ZR 218/97, NJW 1999, 1865. 133) MünchKomm-Basedow, BGB, § 305 Rz. 86. 134) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

werden kann. Danach ist nämlich auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen. 2.72 e) Erweiterung. Üblich und im beiderseitigen Interesse sinnvoll sind Regelungen, die eine Erweiterung des Getränkesortiments auf nach Vertragsschluss neu eingeführte Getränke ermöglichen. Die Praxis kennt Formulierungen wie „Das Getränkesortiment ergibt sich aus der jeweils aktuellen Sortiments (und Preis-)liste, derzeit in der Fassung vom …“. 2.73 Wirksamkeitsbedenken ergeben sich jedenfalls dann nicht, wenn der Getränkelieferant damit versucht, bei Vertragsabschluss voraussehbare, aber noch nicht spezifizierbare Änderungen des Nachfrageverhaltens aufzufangen. Als faktische Grenze dürfte der Charakter der Absatzstätte, etwa als Pilspub, zu nennen sein. Handelt es sich insofern um Vertragsklauseln, die lediglich objektiv und allgemein gegebenen Veränderungen des Konsumverhaltens135) und damit der Publikumswünsche Rechnung tragen, so dürfte diesen auch aus Äquivalenzgesichtspunkten nichts entgegenstehen. Ermöglicht die Erweiterungsklausel auch, Biermischgetränke und alkoholfreie Getränke aufzunehmen, so trägt sie nur voraussehbaren Änderungen des Konsumverhaltens Rechnung und liegt im beiderseitigen Interesse der Vertragsparteien. Das bei Vertragsabschluss zugrunde gelegte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung wird auch dauerhaft im Sinne einer latenten Erfüllbarkeit gewährleistet. Letzteres wird man wohl auch dann annehmen können, wenn sich das gebundene Sortiment, insbesondere bei Brauereien, derzeit noch nicht auf eigene und vertriebene Produkte erstreckt, eine solche Erstreckung aber für beide Vertragsparteien voraussehbar erscheint. Die Zulässigkeit hängt nicht davon ab, dass das Getränk in derselben Produktionsstätte hergestellt wird. 2.74 f) Änderungen der Sorten- oder Markenbezeichnung bzw. der Ausstattung des Produkts stellen sich nicht als Erweiterung des Umfangs der Bezugsverpflichtung dar. Bleibt das Getränk nach seiner Rezeptur im Wesentlichen identisch und wird lediglich der Markenauftritt geändert, so bestehen auch unter Äquivalenzgesichtspunkten keine Bedenken.136) Anders dagegen, wenn die Klausel es ermöglicht, dass der Getränkelieferant einseitig ein A-Pils durch ein B-Pils ersetzten kann. 2.75 g) Sorten-/Markenaustausch. In der zuletzt genannten Fallgruppe könnte dann an einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip gedacht werden. Dies erst recht, wenn etwa das Bier einer bestimmten Sorte (z. B. Pils) durch das Bier einer anderen Sorte (z. B. Weizen) ersetzt werden soll und es sich um ein sortentypisches Objekt (Beispiele Pilspub, Weizenbiergarten etc.) handelt. Nach der Recht___________ 135) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. 136) Vgl. dazu die allerdings nicht mehr geltende Ziff. 40 letzter Satz der Bekanntmachung zur VO Nr. 1984/83.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

sprechung ist der Vorbehalt, dass der Verkäufer eine preislich und qualitativ gleichwertige Ware liefern darf, unwirksam.137) Naturgemäß treten etwaige Bedenken zurück, wenn der Gastwirt nachweislich 2.76 mit diesen Änderungen einverstanden ist. Letzteres lässt sich nicht nur durch Ergänzungen der vertraglichen Abreden, sondern auch durch entsprechende Bestellungen und Käufe durch den Gastwirt, auch bei Drittanbietern, nachweisen. Einigten sich die Parteien im Vertragsverlauf mündlich auf eine Sortenauswechslung zweier Biere, so handelte es sich um einen Punkt, der für die kartellrechtliche Bewertung ohne jegliche Bedeutung war und deshalb einer schriftlichen Niederlegung nicht bedurfte.138) Auch nach aktueller Rechtsprechung bestehen keine Wirksamkeitsbedenken.139) h) Gestaltungsrecht Nebensortiment. Dem Argument, der Getränkelieferant 2.77 könne über das ihm eingeräumte Gestaltungsrecht hinsichtlich des Nebensortiments eine Unterschreitung der Mindestabnahmemenge herbeiführen, um das Darlehen sofort fällig stellen zu können, ist das LG Köln zu Recht entgegengetreten.140) Zunächst betraf das Gestaltungsrecht lediglich das Nebensortiment. Die Mindestabsatzmenge bezog sich dagegen auf Fassbier und das gebundene Hauptprodukt. Zudem war der Getränkelieferant nach dem Klauseltext verpflichtet, bei der Wahrnehmung des Gestaltungsrechts die berechtigten Interessen des Gastwirts zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass ihm keine wirtschaftlichen Nachteile entstehen. 6.

Gebindeart

Regelmäßig enthalten Getränkelieferungsverträge Formulierungen zur Gebin- 2.78 deart, insbesondere zur Erstreckung der Bezugsverpflichtung auf Fass- und Flaschengebinde. Eine entsprechende Klarstellung ist sinnvoll, um eine vertrags- und interessengerechte Amortisation der Leistungen des Getränkelieferanten zu gewährleisten. 7.

Anrechnung

Häufig werden Finanzierungen allein der Basis der erwarteten Annahmemen- 2.79 gen von (Fass-)Bier kalkuliert. Dies kann je nach Objekt- und/oder Konzept___________ 137) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567 = ZIP 2005, 2262. 138) So die Rechtsprechung zu § 34 GWB a. F., u. a. BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 12.5.1976 – KZR 17/75, NJW 1976, 1743 = Zeller I, 140; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 139) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923, zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. 140) LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. Vgl. im Übrigen KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

typ aber auch anders sein. So gibt es Objektfinanzierungen, die entsprechend den Erwartungen etwa des jüngeren Publikums auf eine Schankanlage verzichten und ausschließlich auf Flaschenbier gerechnet werden. Wegen der unterschiedlichen Deckungsbeiträge in den jeweiligen Sortimenten wird der Bezug etwa von Flaschenbier oder etwa alkoholfreien Getränke in unterschiedlichen Prozentanteilen auf die Abnahmemenge angerechnet. Unterschiedliche Anrechnungswerte sind nicht nur betriebswirtschaftlich geboten, sondern auch juristisch ohne Bedenken. 8.

Periodische Mindestabnahmemenge

2.80 a) Prüfungsmaßstab. aa) Da die angegebenen periodischen Mindestabnahmemengen in der Regel Individualvereinbarungen sind, ist § 138 Abs. 1 BGB heranzuziehen.141) Sind Mindestabnahmemengen ausnahmsweise formularmäßig vorgesehen, so ist § 307 BGB zu prüfen.142) 2.81 bb) Anders dürfte zu entscheiden sein, wenn die Parteien von vorne herein einen Kaufvertrag geschlossen haben, aus dem sich der Umfang der Abnahmeverpflichtung bereits aus § 433 Abs. 2 BGB ergibt. Die Vereinbarung einer (Gesamt-)Mindestabnahmemenge als solcher ist dann bereits nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB einer AGB-Kontrolle entzogen. Der Ausnahmebereich des § 307 Abs. 3 BGB ist insbesondere in den Fällen einer formularmäßigen Mindestabnahmepflicht deswegen überschritten, weil die Festlegung der Mindestmenge den Bierlieferungsvertrag als Rahmenvertrag betrifft, nicht aber die jeweils durch den einzelnen Kaufvertrag gemäß §§ 433 ff. BGB fixierte Abrufmenge. Im Übrigen würde es zur Bejahung einer Unangemessenheit nicht ausreichen, wenn der Getränkelieferant aufgrund seiner Geschäftserfahrung erkannt hat, dass der Kunde die Bezugsverpflichtung nicht erfüllen konnte, weil das Risiko einer entsprechenden Fehleinschätzung in den Risikobereich des Kunden fällt.143) 2.82 cc) Ist ausnahmsweise eine negative Umsatzpacht vereinbart,144) dann haben die Parteien die Pflicht zur Abnahme einer bestimmten Getränkemenge als Teil des Pachtvertrages mit der Zahlung des Pachtzinses in der Weise gekoppelt, ___________ 141) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210, allerdings nur Jahresmenge; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 142) OLG Hamm, Urt. v. 7.6.2002 – 29 U 88/01. 143) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 144) Siehe unten § 19 V 1 m. w. N.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

dass sich bei Abnahme unterhalb einer vertraglich festgesetzten Menge der Pachtzins in Abhängigkeit zur Mindestabnahme erhöht. Dann bestehen weder nach § 138 Abs. 1 BGB noch nach § 307 BGB bedenken.145) Eine solche Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB grundsätzlich nur dann, wenn es um die Koppelung von Abnahme und Pachtzins geht.146) Dagegen ist eine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB vorbehaltlich des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeschlossen, soweit es um die Höhe des Pachtzinses geht.147) dd) § 311a Abs. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB ist nicht einschlägig. Für die An- 2.83 nahme einer anfänglichen Unmöglichkeit wäre erforderlich, dass der im Vertrag vorgesehene Absatz von niemandem erbracht werden könnte. Diese Voraussetzungen liegen regelmäßig nicht vor, weil die Höhe des Getränkeabsatzes im Wesentlichen von der Geschäftstüchtigkeit und dem Einsatz des Gastwirtes geprägt wird.148) b) Grundsatz. Vereinbarungen von Mindestabnahmemengen in einem Getränke- 2.84 lieferungsvertrag sind für sich betrachtet grundsätzlich nicht zu beanstanden.149) Allerdings dürfen auch derartige Vereinbarungen nicht zu gravierenden Beschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts führen.150) Wurde keine Jahresmindestbezugsmenge vereinbart, so begründet dies keine 2.85 Sittenwidrigkeit der Bezugsverpflichtung. Allerdings besteht dann auch lediglich eine Bezugsverpflichtung nach Bedarf, sodass – soweit kein Bedarf vorhanden ist – auch keine Abnahmepflicht gegeben ist.151) c) Doppelbindung. Werden für ein Gaststättenobjekt zwei Getränkelieferungs- 2.86 verträge abgeschlossen, so sollte klargestellt werden, dass eine entsprechende Mindestbezugsmenge für beide Verträge zusammen gilt.152) ___________ 145) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. Siehe unten § 19 V 4 m. w. N. 146) Offengelassen in BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 147) Offengelassen in BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 148) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 149) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; AG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1995 – 4 C 21/95; A. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 150) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; AG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1995 – 4 C 21/95; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 151) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 152) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.87 d) Erreichbarkeit. aa) Grundsatz. Im Rahmen der Gesamtwürdigung kommt es u. a. auch darauf an, ob und inwieweit die Bezugsbindung möglicherweise besonders drückend ist, weil dem Gebundenen hohe Mindestbezugsmengen auferlegt werden.153) Es ist festzustellen, ob die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts unvertretbar bzw. unangemessen eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die „Zielvorgabe“ so hoch angesetzt ist, dass der Gastwirt – unter Berücksichtigung aller Umstände – die Mindestabnahmemenge praktisch nicht erreichen kann.154) 2.88 bb) Kriterien. Insofern kommt es u. a. auf die Vorkenntnisse des Gastwirts und die bisherigen Absätze in dem Objekt an.155) Auch ist der Umstand von Bedeutung, dass der Gastwirt die Mengenververpflichtung im Rahmen einer Nachtragsabrede übernommen hat.156) Bedenken hinsichtlich des Umfangs und der Erreichbarkeit der vereinbarten Absatzmenge – konkret 900 hl Fassbier, begrenzt auf die Dauer von höchstens sechs Jahren – bestehen jedenfalls dann nicht, wenn die Absatzmenge der bereits in einem vorhergehenden Vertrag vereinbarten Hektoliterzahl entspricht157) oder auf eigenen Berechnungen des Gastwirts beruht.158) Weitere mit entscheidende Kriterien sind die Person des Betreibers, der Standort, die Lage und Beliebtheit des Objektes, die tatsächlich konzessionierte Fläche, die Anzahl der Sitzplätze, die Betriebsgröße, die Betriebszeiten, das Be___________ 153) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 154) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 155) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH – VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. 156) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 157) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 158) LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

triebsmodell, der durchschnittliche Nettoverkaufspreis pro Liter, der Schankverlust, die Gewährung von Gratisgetränken sowie eine anderweitig begründete Attraktivität.159) Eine unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit ist 2.89 auch dann anzunehmen, wenn die Erreichung der vereinbarten Absatzmenge per se ausgeschlossen ist, insbesondere zwingende Hinderungsgründe entgegenstehen. Ein möglicher Verstoß gegen ordnungsbehördliche Genehmigungen oder Auflagen gehört nicht dazu. Es steht dem Betreiber grundsätzlich frei, ein Konzept zu wählen und die Absatzstätte so zu betreiben, dass der vertragliche Getränkeabsatz erreicht wird, ohne dass er wirtschaftlich unvertretbar eingeschränkt wird. Eine Änderung des Konzepts, die sich nachteilig auf den Verkauf der gebundenen Verträge auswirkt, wirkt zu Lasten des Betreibers. Insofern kommt es nicht auf die von einem Vorbetreiber erzielten Absatzzahlen und deren konkrete Verringerung nach einem Betreiberwechsel an.160) cc) Darlegung und Beweis. Darlegungs- und beweispflichtig für die Nichter- 2.90 reichbarkeit ist der Gastwirt als derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Vertrages beruft.161) Dazu bedarf es einen substantiierten Vortrages, nach dem die vereinbarte Mindestabnahmemenge derart hoch angesetzt sei, dass sie unter Berücksichtigung aller Umstände praktisch nicht erreichbar gewesen ist. Jedenfalls dann, wenn der Getränkelieferant substantiiert vorgetragen hat, dass in der streitgegenständlichen Absatzstätte entsprechende Absatzzahlen bislang erreicht worden sind, reicht ein – erst recht pauschales – Bestreiten nicht. Das unternehmerische Risiko, zu dem die Unwägbarkeiten der künftigen Entwicklung des Getränkeabsatzes gehören, und das Risiko der Folgen einer Fehleinschätzung trägt grundsätzlich der Gastwirt.162) Nach den im Wirtschaftsleben geltenden Regeln ist es Angelegenheit des Gebundenen, den Getränkekonsum zutreffend zu schätzen. Der Getränkelieferant ist nicht gleichsam sein Unternehmensberater. Wenn der Gebundene die Trinkgewohnheiten/Getränkemengen seiner Kundschaft falsch eingeschätzt hat, geht dies zu seinen Lasten.163)

___________ 159) LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 160) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 161) KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 162) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 163) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

Anders ist ausnahmsweise dann zu entscheiden, wenn die vertraglich vereinbarten Getränkebezugsmengen auf einen Vorschlag des Getränkelieferanten beruhen.164) 2.91 dd) Sachverständigengutachten. Selbst wenn ein Sachverständigengutachten bei gebotenem substantiierten Sachvortrag des Verpflichteten eingeholt worden ist, zeigen sich in der Praxis nicht selten Schwächen im Gutachten. Notwendig ist nach dem Vorgenannten, dass sich aus dem Gutachten eine konkrete Aussage ergibt, dass ein Bierabsatz von x hl in der Gaststätte objektiv und unter keinen Umständen erreichbar gewesen wäre. Nicht hinreichend und damit nicht verwertbar sind Sachverständigengutachten, die lediglich auf der Grundlage allgemeiner durchschnittlicher „Kennzahlen“ wie etwa dem durchschnittlichen Warenumsatz bestimmter Gastronomietypen, prozentuale Abschläge für geschätzte Entwicklungspotenziale (Betriebsart, Konzept) oder allgemeiner Risikoabschläge für die Branchenentwicklung zu einem geschätzten „erreichbaren“ Getränkeumsatz gelangen. Ihnen fehlt jede hinreichende Überzeugungskraft. Privatgutachten können nicht mitgewürdigt werden, weil es sich insofern lediglich um Parteivortrag handelt. 9.

Laufzeit

2.92 a) Fallgruppen. Laufzeitregelungen können sich erstens daraus ergeben, dass die Dauer der Ausschließlichkeitsbindung explizit regelt ist (Zeitverträge i. e. S.). Zweitens ist an die „Anlehnung“ etwa an miet- oder pachtvertragliche Laufzeiten zu denken (Zeitverträge i. w. S.). Drittens können sich Laufzeiten auch daraus ergeben, dass für einen bestimmten Zeitraum ein ordentliches Kündigungsrecht einer oder beider Parteien ausgeschlossen ist. 2.93 b) Erheblichkeit. Die Dauer der Bezugsbindung hat eine zweifache Bedeutung. Zum einen kann sie maßgeblich sein bei der Abwägung der Gesamtumstände im Rahmen der Einzelfallprüfung. Zum anderen entspricht es der Lebenserfahrung, dass auch bei sonst nicht zu beanstandender Vertragsgestaltung alleine eine von vornherein übermäßig lange Dauer geeignet sein kann, den Gastwirt in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unzumutbar einzuengen. 2.94 c) Grundsatz. Im Rahmen der umfassenden Gesamtwürdigung der Vertragsbedingungen und sonstigen Umstände im Einzelfall kommt es insbesondere auf den zeitlichen Umfang der Bezugsbindung an.165) 2.95 d) Existenzgründung. Ermöglicht der Getränkelieferant dem Gastwirt durch eine Darlehensgewährung erst den Erwerb des Gaststättengrundstücks oder die ___________ 164) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. 165) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

Eröffnung des Betriebes, so können die Bindungen – und dazu gehört insbesondere auch die Dauer der unkündbaren Bezugsbindung – enger sein als in anderen Fällen, in denen der Gastwirt die Gastwirtschaft bereits betreibt.166) e) Allerdings darf nicht verkannt werden, dass eine insbesondere über viele 2.96 Jahre andauernde Bindung die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts nicht unerheblich einengen kann. Dies ergibt sich oftmals weniger aus der Laufzeit der Ausschließlichkeitsbindung, als vielmehr aus ihrem Inhalt.167) f) Da die Abhängigkeit des Gebundenen gelockert ist, rechtfertigt eine Teil- 2.97 bindung eine längere Dauer der Bezugspflicht.168) g) Länge. Je länger die Bezugsbindung ist, desto näher liegt die Annahme, dass 2.98 der Getränkelieferungsvertrag sittenwidrig ist.169) Dies gilt auch für Verträge, bei denen für einen bestimmten Zeitraum ein ordentliches Kündigungsrecht einer oder beider Parteien ausgeschlossen ist. h) Regelungen im Übrigen. Selbst bei einer die Grenzen des § 138 Abs. 1 2.99 BGB wahrenden individuell vereinbarten Bezugspflicht von 15 Jahren kann sich die Sittenwidrigkeit des Vertrages aus den Regelungen im Übrigen ergeben.170) i) Gesamtabnahmemenge und Vertragsbeendigung. Vorteilhaft kann es in- 2.100 sofern sein, wenn die Beendigung der Bezugspflicht nicht noch zusätzlich von einer Gesamtmindestabnahme abhängig gemacht wird.171) 10.

Werbung

Rechtlich bestehen gegen entsprechende Verpflichtungen keine Bedenken, hat 2.101 doch die Brauerei mit der Gewährung des Darlehens auch die Nutzung der Absatzstätte als Werbeträger erkauft.172) Auch aus Äquivalenzgesichtspunkten lässt sich hiergegen nichts Durchgreifendes einwenden. Die Verpflichtung, die nach dem Vertrag zu beziehenden Getränke nicht in 2.102 produkt- und markenfremden Gläsern auszuschenken, ist eine sinnvolle Ergänzung der Bezugsverpflichtung und stellt keine größere Belastung für den Vertragspartner dar.173) ___________ 166) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251. 167) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 122. 168) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224. 169) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 170) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 171) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. Siehe unten § 11 II 3 b m. w. N. 172) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 173) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769.

121

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

11.

Absatzstätte

2.103 a) Angabe. Im Getränkelieferungsvertrag erfolgt regelmäßig eine konkrete Angabe der gebundenen Absatzstätte(n) unter Angabe der postalischen Objektanschrift, möglichst auch der Gaststättenbezeichnung (Etablissementbezeichnung), und der Art des gastronomischen Betriebes wie beispielsweise Gaststätte, Schankwirtschaft, Restaurant, Cafe, Bistro etc. 2.104 b) Räumlicher Umfang. Die Erstreckung der Getränkebezugsverpflichtung auf mehrere Absatzstätten bzw. Grundstücke oder Grundstücksteile erweckt keine Bedenken. Daher ist es erst recht rechtlich zulässig, die Abnahmeverpflichtung auf die gegenwärtig konzessionierten Räume einschließlich der Freiflächen auf dem Hausgrundstück, Außengastronomie in Form von Terrassen, Biergärten vor oder hinter dem Gebäude, Verkaufsstände im oder nahe des Eingangsbereichs etc. zu erstrecken. 2.105 c) Änderung, Erweiterung und Verlegung. Fraglich ist, ob die Erstreckung der Ausschließlichkeitsverpflichtung über die gegenwärtig konzessionierten Räume hinaus auf alle hiermit räumlich, organisatorisch und wirtschaftlich zusammenhängenden Ausschank- und Verkaufsstellen sowie Freiflächen auf dem Grundstück zulässig ist. Bei Klauseln, die die Ausschließlichkeit auch in Fällen der Veränderung, Erweiterung oder Verlegung der Absatzstätte auf künftig konzessionierte Objekte und Räume erstrecken, hat das Landgericht Paderborn in einer Entscheidung aus dem Jahre 1977 keine Bedenken gesehen.174) Allerdings dürfte die Rechtsprechung des BGH zu Automatenaufstellverträgen zu berücksichtigen sein.175) Solche Klauseln halten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann nicht stand, wenn sie die Ausschließlichkeitsbindung auf Objekte erstrecken, die der Gastwirt während der Laufzeit des konkreten Getränkelieferungsvertrages anderweitig erwirbt oder pachtet/mietet. Keine Bedenken dürfte dagegen eine entsprechende „Statusklausel“ dann auslösen, wenn sie lediglich Fallgruppen des Umbaus und wohl auch des Anbaus sowie Änderungen des Konzepts erfasst, mag damit auch das Erfordernis einer Neukonzessionierung verbunden sein. 2.106 d) Außer-Haus-Lieferungen. Ebenfalls darf sich die Bezugsverpflichtung vereinbarungsgemäß auf Außer-Haus-Lieferungen durch den Gastwirt erstrecken, wie sie etwa bei Volks- oder Stadtfesten bzw. Vereinsbelieferungen vorkommen. Im Hinblick auf die Einbeziehungs- und Inhaltskontrollhürden der §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist insofern auf eine eindeutige Regelung Wert zu legen.

___________ 174) LG Paderborn, Urt. v. 30.8.1977 – 5 O. 78/77. 175) Siehe unten § 38 IV 6 b m. w. N.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

e) Stellung des Betreibers. Keine entscheidende Bedeutung wird dem Um- 2.107 stand beigemessen, ob der Gastwirt den Betrieb in eigenen oder von Dritten, auch dem Getränkelieferanten, gepachteten Räumen betreibt.176) f) Betriebspflicht. Der Wirksamkeit einer Getränkebezugsverpflichtung kann 2.108 nicht mit dem Einwand entgegengetreten werden, dem Gebundenen während der vereinbarten Laufzeit der Bezugsverpflichtung die Aufgabe der Gaststätte praktisch verwehrt, weil er verpflichtet sei, diese fortlaufend unter Berücksichtigung ortsüblicher Ruhetage und Betriebsferien zu betreiben.177) g) Ruhetage und Urlaub. Eine Vorschrift des Inhalts, dass der Gaststättenbe- 2.109 trieb bis auf einen ortsüblichen Ruhetag in der Woche ununterbrochen aufrecht zu erhalten ist und vorübergehende Schließungen, z. B. wegen eines Jahresurlaubs – wohl mit dem Verpächter – vereinbart werden müssen, ist nicht zu beanstanden.178) 12.

Lieferung

a) Lieferweg. Die Verpflichtung, lediglich das Vertragsbier zu beziehen und 2.110 zwar auf dem vertraglich vereinbarten Wege, stellt keine zusätzlich der Wirksamkeit entgegenstehende Bindung dar. Vielmehr handelt es sich um den Kerninhalt der Ausschließlichkeitsbindung.179) b) Benannter Lieferant. Als vorteilhaft zu werten ist es, wenn dem Hausei- 2.111 gentümer (Getränkefachgroßhändler) die Belieferung im Vertriebsmodell 2 selbst übertragen wird.180) Zum benannten Lieferanten im Übrigen wird verwiesen auf ein Urteil des LG Mannheim.181) c) Ersatzbelieferung. Als unbedenklich stellt sich die Vertragsbestimmung dar, 2.112 die gestattet, dass dem Gastwirt statt der Biere des Getränkelieferanten Erzeugnisse anderer Getränkelieferanten geliefert werden. Denn eine solche Ersatzleistung ist auf extreme Ausnahmesituationen beschränkt. Es ist nicht zu erkennen, dass sie jemals praktische Bedeutung gewonnen hätte oder gewinnen könnte. Letztlich hat die Vertragsbestimmung einen angemessenen Interessen___________ 176) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 177) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769; zweifelnd KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. A. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 178) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 179) A. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 180) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 181) LG Mannheim, Urt. v. 16.4.1999 – 7 O. 232/98 (Kart).

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

ausgleich im Auge.182) Problematisch wäre eine vorformulierte Klausel, wonach der Kunde bei Einstellung des Sudbetriebes ein an anderer Stelle gebrautes, vielleicht sogar anders heißendes Bier abnehmen muss.183) 2.113 d) Änderungsvorbehalt. Die Rechtsprechung äußert insofern keine Bedenken.184) 13.

Preise, Rückvergütungen

2.114 a) Preisvereinbarung. Logischerweise bestehen im Direktgeschäft mit Indirektbelieferung (Vertriebsmodell 2) keine Preis- und ergänzenden Konditionenvereinbarungen etwa über Rückvergütungen zwischen der Brauerei und dem Gebundenen. Dies ist nicht nur von § 1 GWB gefordert, sondern auch im Übrigen bedenkenfrei. 2.115 b) Höhe der Preise. Die Belieferung der Absatzstätte zu nicht „marktüblichen“ Preisen/Rückvergütungen bleibt außer Ansatz, weil sie sich nicht auf den Getränkelieferungsvertrag, sondern auf die in Vollzug derselben abzuschließenden Einzelkaufverträge bezieht.185) Auch steht jedenfalls der Rechtsgedanke des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB einer Überprüfung entgegen. 2.116 c) Preisänderung. Preisänderungsklauseln sind auch dann unbedenklich, wenn sie keine Konkretisierung der Preiserhöhungsfaktoren enthalten und dem Partner des Klauselverwenders keine Lösungsmöglichkeit einräumen.186) Sollte der Getränkelieferant, was gelegentlich in Gerichtsverfahren behauptet wird und damit streitig ist, im Zuge der Durchführung des Getränkelieferungsvertrages tatsächlich deutlich überhöhte Getränkepreise berechnet haben, vermag dies dem zunächst rechtswirksam geschlossenen Vertrag nicht nachträglich die Wirksamkeit zu nehmen.187) 2.117 d) Preisgarantie. Das Fehlen einer langjährigen Preisgarantie für die Vertragsprodukte ist unschädlich. Das Vertragsverhältnis verschafft dem Gebundenen für die Dauer der gesamten Vertragslaufzeit eine sichere Bezugsquelle zu markt___________ 182) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 183) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG München, Urt. v. 31.1.1973 – 7 U 2372/72, MDR 1973, 761 = Zeller I, 321. 184) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. Eingehend siehe unten § 12 II und III, jeweils m. w. N. 185) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933= ZIP 1997, 593. Vgl. im Übrigen RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; OLG Nürnberg, Urt. v. 29.6.2001 – 6 U 1762/00; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 186) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Siehe im Übrigen unten § 13 V 5 b und 6 b, jeweils m. w. N. 187) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

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VII. Getränkebezugsverpflichtung

üblichen Preisen und Konditionen, die jährlich den aktuellen Marktverhältnissen angepasst werden. Der pauschal erhobene Vorwurf, der Getränkelieferant berechne nicht marktübliche Preise, ist durchweg substanzlos und hat bei der rechtlichen Beurteilung deshalb außer Betracht zu bleiben (§ 138 Abs. 2 ZPO).188) 14. Rückführung Dass eine Tilgungsgutschrift für die gesamte Vertragslaufzeit festgeschrieben 2.118 ist und nicht in Abhängigkeit zur einzel- oder gesamtwirtschaftlichen Preisund Absatzentwicklung gewährt wird, ist kein die Sittenwidrigkeit begründender Umstand.189) 15.

Sicherheiten

a) Art und Umfang. Der Verzicht auf Sicherheiten ist positiv zu berücksichti- 2.119 gen.190) Die Forderung des Getränkelieferanten, ein Darlehen durch eine Sicherungsübereignung des Gaststätteninventars abzusichern, ist rechtlich unbedenklich.191) Die Verpflichtung zur Bestellung einer (Grund-)Dienstbarkeit ist AGB-rechtlich schon deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich um eine Individualabrede handelt.192) Zur Absicherung eines Brauereidarlehens durch Bürgschaft wird auf die Rechtsprechung verwiesen.193) b) Sicherungsumfang. Wird vom Kunden die Beibringung einer sehr wertigen 2.120 Sicherheit oder mehrerer Sicherheiten verlangt, so kommt es auf den Sicherungszweck an. Keine Bedenken bestehen bei auch klauselmäßig vereinbarten vertraglichen Zweckerklärungen des Inhalts, dass die Sicherheit(en) nicht nur zur Absicherung des Getränkelieferanten hinsichtlich seines finanziellen Engagements (Valuta, Zinsen, Kosten), sondern auch seiner Ansprüche wegen Schlecht- oder Nichterfüllung der Bezugsverpflichtung (Vertragsstrafe, Schadensersatz) dienen sollen. c) Übersicherung. Im Zusammenhang mit dem gelegentlichen Vortrag zu einer 2.121 behaupteten Übersicherung fehlt es nicht nur zumeist an entsprechenden Beweisantritten. Allein das Bestehen mehrerer Sicherheiten, etwa einer Bürgschaften neben einer Inventarsicherheit, genügt nicht. Dies bereits deshalb, weil im ___________ 188) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 189) LG Saarbrücken, Urt. v. 7.10.1996 – 1 O. 98/94. Vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 190) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73. 191) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 192) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 193) OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

Regelfall nicht von einer ausreichenden Absicherung des Darlehensgebers durch Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar ausgegangen werden kann.194) 2.122 d) Versicherung. Die Verpflichtung zur Versicherung von Gegenständen auf Kosten des Kunden wird bei Automatenaufstellverträgen kritisch gesehen.195) Zweifelhaft ist, ob diese Überlegungen auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen Geltung beanspruchen können.196) Jedenfalls hat eine Nichtigkeit einer entsprechenden Regelung für sich genommen keine Auswirkungen auf den Vertrag im Übrigen. 2.123 e) Verwertungsregelungen. Regelungen über die kostengünstige und rasche Verwertung von Sicherungsgut, etwa durch freihändigen Verkauf, Übernahme oder andere angemessene Maßnahmen, auch in AGB sind auch dann wirksam, wenn sie die Einzelheiten des Vorgehens (Bewertung, Information des Sicherungsgebers etc.) nicht vorgeben. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken der §§ 1245, 1259 BGB und weiteren Bestimmungen des Pfandrechts an beweglichen Sachen. Im praktischen Ergebnis liegt es im Interesse des Kunden, zeitnah unter Vermeidung hoher Bewertungs-, Ausbau-, Transport- und Lagerkosten eine möglichst hohe Gutschrift zu erhalten und in Nachfolgesituationen seinen vertraglichen Mitwirkungspflichten nachzukommen. 2.124 f) Veräußerung einer Brauereiimmobilie. Hat eine Brauerei vor Veräußerung eines Grundstücks und Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf dem Grundstück eine Zapfstelle selbst betrieben bzw. betreiben lassen und war sie gerade an einem kontinuierlichen Ausschank ihres Bieres an dieser Stelle interessiert, so handelt sie nicht sittenwidrig, wenn sie sich das Vertriebsrecht durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit sichern lässt und sich damit für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine schuldrechtliche Getränkebezugsverpflichtung die Möglichkeit offen hält, die Gaststätte wie vor dem Verkauf des Grundstücks – wieder selbst zu betreiben bzw. betreiben zu lassen und damit den kontinuierlichen Ausschank ihres Bieres gerade an dieser Stelle sicherzustellen.197) 16.

Sanktionen

2.125 a) Grundsatz. Erfüllt der Gastwirt seinen Vertrag nicht, so kann der Getränkelieferant aufgrund des Getränkelieferungsvertrages Schadensersatz insbesondere auch pauschaliert verlangen.198) ___________ 194) 195) 196) 197) 198)

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Siehe unten § 9 IX 6 m. w. N. Siehe unten § 38 IV 13 m. w. N. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351. OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080.

VII. Getränkebezugsverpflichtung

b) Vertragsstrafe. Die Absicherung gegen Fremdbezug durch eine Vertrags- 2.126 strafe ist unbedenklich.199) Im Rahmen der Gesamtabwägung ist das Fehlen einer Vertragsstrafenregelung positiv zu bewerten.200) c) Minderbezug. aa) Zulässigkeit. Das Fehlen einer Malusregelung stellt na- 2.127 turgemäß keine unbillige Benachteiligung dar.201) Sieht ein Vertrag bei Nichteinhaltung der Mindestabnahmemenge für den Abnehmer Rechtsnachteile vor, so ist das nicht per se sittenwidrig.202) Der Auffassung, der Gastwirt dürfe wegen der durch Alkoholgenuss ausgelösten gesellschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Probleme gerade auch junger Menschen nicht durch Vertragsstrafen oder Schadensersatzdrohungen zum Umsatz einer bestimmten Biermenge verpflichtet werden, erteilte der BGH eine deutliche Absage. Ist in einem Gaststättenpachtvertrag zwischen Brauerei und Gastwirt die Pachtzinsbemessung mit dem Jahresbezug an Bier verknüpft, so verstößt die Vereinbarung einer „PachtEntschädigung“ für den Fall des Unterschreitens einer bestimmten jährlichen Abnahmemenge nicht gegen die guten Sitten.203) Die Entscheidung, die Prohibition einzuführen, ist Sache des Gesetzgebers und nicht die des Richters. Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt der – einmal unterstellten – Verletzung der Allgemeinheit oder Dritter kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn alle Beteiligten sittenwidrig handeln, ihnen also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründen, bekannt oder grob fahrlässig unbekannt sind; dazu fehlt es zumeist sowohl an Feststellungen als auch am Tatsachenvortrag.204) Lastschriftklauseln zum erleichterten Einzug von Ausgleichszahlungen wegen Minderbezuges dürften jedenfalls gegenüber Existenzgründern und Unternehmern bei Widerruflichkeit bedenkenfrei sein.205) bb) Im Übrigen. Die Vereinbarung einer im Hinblick auf die Absatzmöglich- 2.128 keiten der Absatzstätte unrealistischen Mindestabnahmemenge in Verbindung

___________ 199) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433. 200) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 201) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 202) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 203) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. Siehe unten § 19 V 4 m. w. N. 204) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 112 a. E. 205) Siehe unten § 59 VIII 3 b m. w. N.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

mit einer empfindlichen Vertragsstrafe wurde als sittenwidrig angesehen.206) Das OLG München ließ es dahingestellt bleiben, ob die bei Unterschreitung des vorausgesetzten Bezugs eintretenden vertraglichen Folgen (Verzinsung des Darlehens, pauschalierter Schadensersatz) bereits zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 BGB) führen können.207) 17.

Kündigung

2.129 a) Kündigungsbefugnis. Grundsätzlich ist es unbedenklich, dass sich der Getränkelieferant zum Teil über die gesetzlichen Gründe hinaus einen Katalog von Auflösungsgründen geschaffen hat, die für ihn die Möglichkeit der Kündigung erleichtern.208) Dass kein ausdrückliches außerordentliches Kündigungsrecht (für den Gastwirt) vorgesehen ist, ist auch im Zusammenhang des § 138 Abs. 1 BGB unbedenklich.209) 2.130 b) Kündigungsgründe. Behält der Getränkeliefarant sich vor, den Vertrag mit dem Gastwirt unter bestimmten Voraussetzungen zu kündigen, belastet dies den Gastwirt jedenfalls nicht über Gebühr, wenn die Kündigungsgründe überwiegend auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse abstellen, die die Belange des Getränkelieferanten nicht unerheblich berühren, und deshalb durchweg sachgerecht sind.210) Ein Getränkelieferungsvertrag kann allein schon deshalb als sittenwidrig erscheinen, weil die Brauerei sich in ihm die Befugnis ausbedungen hat, selbst bei geringen Vertragsverletzungen das in dem Vertrag vorgesehene Darlehen einzuziehen und trotzdem den Wirt an der Getränkebezugsverpflichtung festzuhalten.211)

___________ 206) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 207) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 208) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433. KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15, zu § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 209) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433. OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 210) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 211) RG, Urt. v. 3.6.1930 – VII 401/30 – VII 401/30, JW 1930, 347; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685 (offenlassend).

128

VIII. Leistungen des Getränkelieferanten

Eine vertragliche Bindung des Pächters des Inhalts, dass der Getränkelieferant 2.131 als Verpächter mit sofortiger Wirkung kündigen darf, wenn die Gaststättenkonzession ganz oder teilweise nicht erteilt oder später zurückgenommen werden sollte, oder des Inhalts, dass er sich verpflichtet, keine Rechtshandlungen vorzunehmen, die zu einer Beschränkung oder zum Erlöschen der Konzession führen, ist zulässig.212) 18.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Eine unrichtige Belehrung zu einem Widerrufsrecht (hier nach dem VerbrKrG) 2.132 bewirkt keine unangemessene Benachteiligung.213) 19.

Schmiergeld

Zur Nichtigkeit von Bezugsverträgen mit ausländischen Unternehmen wegen 2.133 Schmiergeldgewährung ist die BGH-Entscheidung vom 27.3.1968 zu berichten.214) VIII. Leistungen des Getränkelieferanten Die nachfolgend angesprochenen Aspekte haben im Rahmen der Prüfung der 2.134 Ausgeglichenheit nach § 138 Abs. 1 BGB besondere Bedeutung. 1.

Finanzleistungen

a) Grundsatz. Von besonderer, allerdings nicht allein maßgeblicher Bedeutung 2.135 sind die finanziellen oder auch sonstigen geldwerten Leistungen, die der Ausschließlichkeitsbindung gegenüberstehen.215) Angesichts eines lebhaften (Finanzierungs-)Wettbewerbs der Getränkelieferanten werden Gastronomieobjekte heute in der Regel nicht unter-, sondern überfinanziert. b) Fehlen einer Leistung. Getränkelieferungsverträge ohne Leistungen des Ge- 2.136 tränkelieferanten an den Gebundenen sind sittenwidrig und nichtig.216) 2.

Art der Leistung

a) Allgemein. Hinsichtlich der typischerweise von Getränkelieferanten er- 2.137 brachten Leistungen kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden.217) ___________ 212) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433. 213) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. 214) BGH, Urt. v. 27.3.1968 – I ZR 163/66, NJW 1968, 1572. 215) So bereits Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 274. 216) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245, im Zusammenhang mit § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1987 – 10 U 126/87, NJW-RR 1988, 948 = Zeller IV, 41. 217) Siehe oben § 1 I m. w. N.

129

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.137a b) Rückvergütungen. In die Waagschale mit einzulegen sind absolute und prozentuale Rückvergütungen.218) Dabei handelt es sich um Rabatte auf die Listenpreise. 2.138 c) Grundstückserwerb. Getränkelieferanten finanzieren immer wieder Erwerb, Ausstattung oder Ausbau von Gaststättenobjekten. Dabei kann es sich um einen Immobilienerwerb von dritter Seite, aber auch wie nicht selten vom Getränkelieferanten handeln.219) 2.139 d) Anschlussfinanzierung. Hat der Getränkelieferant den Gastwirt umfänglich finanziert und über Jahre hinweg die Finanzierungen immer wieder aufgestockt und den Tilgungszeitraum verlängert, was im Ergebnis zu einem Finanzierungsumfang in dem aktuell zu beurteilenden Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag in Höhe von 250.000,00 € geführt hatte, und dem Gastwirt dadurch die Neueinrichtung des Gaststättenobjektes – ggf. wiederholt – ermöglicht, so kann sich jener nicht pauschal darauf berufen, es sei lediglich eine „Umschuldung“ erfolgt. Dies insbesondere auch dann, wenn über den aktuellen Finanzierungsrahmen unter Aufhebung des vorhergehenden Vertrages eine neue vertragliche Regelung mit entsprechenden Rechten und Pflichten vereinbart worden ist.220) 2.140 e) Umschuldung. Belässt der Getränkelieferant einen noch ausstehenden Darlehensrest aus einem vorhergehenden Vertrag weiterhin bei dem Gebundenen, so ist dies als entsprechend zu bewertende neue (Teil-)Leistung anzusehen.221) Gleiches gilt bei der Umwandlung von Ansprüchen des Getränkelieferanten im Übrigen, etwa aus Lieferung oder Miete/Pacht. 3.

Zinssatz

2.141 a) Einführung. Da die Bindungen des Gastwirts um so weiter gehen dürfen, je weiter die Leistungen des Getränkelieferanten reichen, ist bei der Zurverfügungstellung eines Darlehens von Bedeutung, zu welchem Zinssatz dieses gewährt wird bzw., ob das Darlehen überhaupt verzinslich ist.222) ___________ 218) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 219) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 220) LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 221) A. A. wohl OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543. 222) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. A. A. wohl OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543.

130

VIII. Leistungen des Getränkelieferanten

Das Geschäft des Getränkelieferanten ist gerade nicht die Vergabe von Darlehen. 2.142 Auch kann von ihm nicht verlangt werden, Getränke zum Selbstkostenpreis zu verkaufen. Vielmehr muss bei der Herstellung und dem Vertrieb der Getränke ein Gewinn erwirtschaftet werden.223) Die seitens der Gastwirte gelegentlich vorgetragene Behauptung, aus der Darlehensgewährung seien ihnen keine Vorteile entstanden, weil sie anderweitig nur geringfügig mehr Zinsen hätten zahlen müssen, verkennt, dass zum einen bereits in nur geringfügig günstigeren Konditionen ein Vorteil liegt, zum anderen auch regelmäßig nicht ersichtlich ist, dass der Gastwirt von dritter Seite einen Kredit in dieser Höhe überhaupt und ggf. ohne oder nicht hinreichende Sicherheiten erhalten hätte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung hätte ein Kreditinstitut Sicherheiten gefordert. Dass und auf welche Weise der Gastwirt solche hätte stellen können, hätte im Rahmen eines substantiierten Beklagtenvorbringens unter Beweisantritt dargetan und bewiesen werden müssen.224) b) Höhe. Eine unangemessene Benachteiligung käme unter diesem Gesichts- 2.143 punkt nur in Betracht, wenn sich aus der Höhe des Darlehenszinses und des Bierpreises im Hinblick auf die Marktverhältnisse bei Vertragsschluss eine unbillige Belastung ergeben hätte. Auch insofern ist der Gastwirt darlegungs- und beweispflichtig.225) Liegt der vereinbarte Vertragszins beispielsweise deutlich unterhalb des allgemei- 2.144 nen (Zins-)Marktniveaus, so ist das bei der Wertung von Leistung und Gegenleistung zu berücksichtigen.226) Die Überlassung eines Darlehens mit einer Summe von 60.000,00 DM bei einer Laufzeit von 10 Jahren mit einer relativ geringen Verzinsung von 2,5 % ist eine trotz der im Jahre 2010 gegebenen Niedrigzinsphase bei weitaus höheren Zinssätzen in den Vergangenheit eine günstige Gegenleistung, von der der Darlehensnehmer wirtschaftlich profitiert.227) Auch die Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen, konkret in Höhe von 8 %, und die Auferlegung einer Getränkebezugsverpflichtung als „weitere Gegenleistung“ begründen keine unangemessene Einengung der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit des Gastwirts.228)

___________ 223) 224) 225) 226)

OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99 (§ 307 BGB). 227) LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04 (4,08 %). 228) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987 (9 %).

131

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

4.

Kosten

2.145 Getränkelieferanten nehmen bei Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen durchweg keinen Abzug (Disagio) vor, insbesondere wird das Darlehen zu 100 % gewährt und mit der Zahlung sind keine Kosten verbunden. Auch dies ist in die Angemessenheitsprüfung einzustellen. 5.

Rückführung

2.146 a) Grundlagen. Nicht zu unterschätzen sind die Vorteile, die der Gastwirt im Zusammenhang mit der Rückführung der Finanzierung erhält. Nicht selten wird das Darlehen bzw. der Teilzahlungskaufpreis nicht – sei es in Raten, sei es bei Endfälligkeit – getilgt, sondern im Rahmen von Aufgeldzahlungen pro bezogenen und bezahltem hl intern gutgeschrieben.229) Dann hängt es von der Tüchtigkeit des Gastwirts ab, in welchem Zeitraum er das von dem Getränkelieferanten aufgenommene Darlehen tilgt.230) Gleiches gilt für die interne Gutschrift einbehaltener Rückvergütungen.231) Eine solche Regelung ist für den Gastwirt vor allem dann besonders vorteilhaft, wenn der Getränkelieferant ihn nicht dazu verpflichtet, eine Mindestmenge innerhalb bestimmter Zeiträume abzunehmen. 2.147 b) Der Umstand, dass Sondertilgungen auf das Darlehen sich nicht auf die Dauer der Getränkebezugsverpflichtung auswirken,232) begründet weder eine Sittenwidrigkeit noch eine Unangemessenheit der Regelung. Auch bei „normalen“ verzinslichen Darlehen mit einer bestimmten Laufzeit muss die Möglichkeit von Sondertilgungen und insbesondere deren zinsvermindernde Wirkung besonders vereinbart werden, weil die Zinsen das Entgelt des Darlehensgebers für die Hingabe der Kreditmittel darstellen.233) IX.

Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

1.

Beurteilungsgrundsätze

2.148 a) Umfang. Je größer die vertraglich vereinbarten (Gegen-)Leistungen des Getränkelieferanten sind, desto einschneidender können im Einzelfall die Bin___________ 229) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 230) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 231) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15 LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02. 232) Siehe unten § 33 V 9 m. w. N. 233) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036.

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IX. Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

dungen sein, die der Gastwirt im Interesse einer sachgerechten Risikobegrenzung aufseiten des Getränkelieferanten hinnehmen muss.234) b) Zu prüfen ist weiter, welche Leistungen der bindende Teil „nach dem Ver- 2.149 trag zu erbringen hat“.235) c) Maßgeblich ist der wirtschaftliche Wert der Leistungen des Getränkeliefe- 2.150 ranten. d) Beurteilungszeitpunkt. aa) Grundsatz. Der Beurteilung sind im Grundsatz 2.151 die Verhältnisse bei Vornahme des Rechtsgeschäfts (Vertragsschluss)236) zugrunde zu legen. Unmaßgeblich sind daher der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen oder spätere Entwicklungen.237) Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgedanken, dass Schuldverhältnisse nach der Zeit ihrer Entstehung zu beurteilen sind (Art. 170 EGBGB). Davon gingen bereits die Verfasser des BGB aus.238) bb) Konsequenzen. Der (spätere) Eintritt der Rechtswirkungen ist ebenso 2.152 unbeachtlich wie nachfolgende Entwicklungen. Daher wird ein Getränkelieferungsvertrag nicht nachträglich sittenwidrig, wenn sich wegen einer negativen Absatzentwicklung in der Absatzstätte ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt.239) e) Leistungserbringung. aa) Unstreitig einzustellen sind bereits erbrachte 2.153 Leistungen.240) ___________ 234) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 235) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 236) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 28.2.1989 – XI ZR 130/88, NJW 1989, 1276; BGH, Urt. v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 = ZIP 2010, 1072; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 237) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 11.11.1953 – II ZR 181/52, BGHZ 10, 391; BGH, Urt. v. 28.2.1989 – XI ZR 130/88, NJW 1989, 1276; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 238) Motive II zu Entwurf I § 347 S. 180 = Mugadn II, S. 99. 239) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 240) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.154 bb) Zeitpunkt. Dass der Getränkelieferant seine Leistungen am Beginn des Vertragsverhältnisses erbringt, ist zwar die Regel, nicht aber zwingende Voraussetzung.241) Soweit hinsichtlich künftig fälliger Leistungen ein vertraglich begründeter und damit durchsetzbarer Rechtsanspruch besteht, sind diese mit zu berücksichtigen.242) Durchaus denkbar wäre es also, dass ein Bindender seine Leistungen nicht en bloc am Anfang erbringt, sondern sich etwa zur Auszahlung/Erbringung in Jahresabständen fest verpflichtet. Auch dann wäre dem Erfordernis einer bestimmten Vorausleistung seitens des Bindenden genügt. 2.155 cc) Da es nur auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt, können freiwillige, nach Vertragsabschluss von dem Getränkelieferanten erbrachte Leistungen bei der Prüfung, ob der Vertrag dem Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB standhält, nicht berücksichtigt werden.243) Hinsichtlich dieser zusätzlichen Leistungen steht dem Vertragspartner nämlich kein durchsetzbarer Rechtsanspruch zu.244) 2.

Zusammenrechnung

2.156 Der Vorteil beim Erwerb des Grundstücks (hier 108.000,00 €) und der Wert des Inventars (konkret 35.850,00 €) sind zusammenzurechnen.245) Soweit weitere Positionen nicht beziffert werden können, bleiben diese außer Ansatz. 3.

Umstände in der Person des Verpflichteten

2.157 a) Grundsatz. Das Gewicht der Leistung(en), die der Getränkelieferant für die Ausschließlichkeitsbindung gewährt, darf nicht isoliert von der Person des Gastwirts gesehen werden. Umstände, die in seiner Person begründet sind (Existenzgründung, Kreditwürdigkeit etc.), sind nämlich mit von maßgeblichem Einfluss bei der Prüfung der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung; so etwa,

___________ 241) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 161. 242) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; OLG Hamburg, Urt. v. 13.4.2000 – 3 U 124/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00. 243) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, NJW 1987, 1878 = ZIP 1987, 855; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 244) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 245) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

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IX. Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

wenn der Gastwirt durch ein Darlehen erst in die Lage versetzt wird, das Gaststättengrundstück zu erwerben oder den Betrieb zu übernehmen.246) b) Existenzgründung. Ermöglicht der Getränkelieferant dem Gastwirt durch 2.158 eine Darlehensgewährung erst den Erwerb des Gaststättengrundstücks oder die Eröffnung des Betriebes, so können die Bindungen – und dazu gehört insbesondere auch die Dauer der unkündbaren Bezugsbindung – enger sein als in anderen Fällen, in denen der Gastwirt die Gastwirtschaft bereits betreibt. Es liegt dabei in der Natur der Sache und entspricht den legitimen Interessen der Getränkelieferanten an der Möglichkeit eines wirksamen Durchgreifens bei Leistungsstörungen – insbesondere in Zeiten einer starken Fluktuation im Gaststättengewerbe –, dass der Anfänger, dessen Leistungsfähigkeit und Vertragstreue dem Getränkelieferanten noch nicht bekannt sind, u. U. mehr an Bindungen hinnehmen muss als ein bereits etablierter Gastwirt.247) Hiermit einher geht die größere Gefahr von Fehlinvestitionen, Forderungsausfällen, Wertberichtigungen und allgemein erhöhter Betreuungsaufwand. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie ist jeder Schuldner grundsätzlich verpflichtet, selbst zu prüfen hat, wo die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit sind.248) c) Damit kommt es auch maßgeblich auf die Kreditwürdigkeit des Verpflichteten 2.159 an. d) Zweifel hinsichtlich der – nicht nur gaststättenrechtlichen – Zuverlässigkeit 2.160 sind mit einzustellen. e) Das Alter des Gastwirts hat außer Ansatz zu bleiben. Wer bei Abschluss 2.161 des Vertrages drei Jahre vor dem Erreichen des Rentenalters steht, wird hierdurch nicht schwerwiegend belastet. Darüber hinaus fällt dieser Umstand allein in den Verantwortungsbereich des Gastwirts, weil der Gastwirt selbst – ungleich zuverlässiger als der Getränkelieferant – beurteilen konnte, wie lang er altersgemäß zur Fortführung einer Absatzstätte in der Lage sein würde.249) ___________ 246) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 105, 274. 247) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 105, 274. 248) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 249) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.162 f) Nicht ohne Belang für den Umfang und die Dauer der Bezugsbindung ist, ob der Gebundene die Absatzstätte selbst betreibt und daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder ob etwa der Erwerber eines Gaststättengrundstücks an dem Ankauf vorwiegend aus anderen Gründen (Erweiterung seiner Fabrik) interessiert ist und die auf diesem Grundstück befindliche Absatzstätte nicht selbst betreiben will.250) 2.163 g) Unter einem ganz anderen Gesichtspunkt hat der BGH die Verbots- und Sittenwidrigkeit eines Getränkelieferungsvertrages in einer Entscheidung vom 22.1.1987 geprüft. Dort ging es um die Lieferung von Bier an ein Bordell. Das Ergebnis des BGH, dass ein solcher Vertrag auch dann nicht nichtig ist, wenn das Bordell in einer Gemeinde betrieben wird, in der die Ausübung der Prostitution gem. § 120 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch Polizeiverordnung verboten ist, kann kaum überraschen.251) 4.

Mengenrelation

2.164 a) Rückblick. Aus der älteren Rechtsprechung sind noch bestimmte Mengenrelationen zwischen den gewährten Leistungen, insbesondere Darlehen einerseits und abzunehmender Getränkemenge bzw. Laufzeit andererseits, zu erinnern. So berichtete das OLG München im Zusammenhang mit einem streitgegenständlichen Getränkelieferungsvertrag aus dem Jahre 1963 von einer Relation zwischen Darlehenshöhe und Bezugsverpflichtung in Anlehnung an eine vom Deutschen Brauer-Bund und dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband beschlossene Empfehlung von 8,00 DM Darlehen zu einem hl Bier.252) Ebenso hatte das OLG Frankfurt bereits im Jahre 1962 im Zusammenhang mit einem Getränkelieferungsvertrag aus dem Jahre 1954 die vorgenannte Konditionenempfehlung der Verbände zur Zeitdauer von Getränkebezugsverpflichtungen zum Gegenstand, wonach Getränkelieferungsverträge auf der Basis einer Mengenrelation von 8,00 DM Darlehen pro hl Bier pro Jahr als angemessen angesehen wurden.253) 2.165 b) Grundsatz. Solche gemeinsamen Empfehlungen existieren schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie wären heute wohl auch kartellrechtlich unzulässig. Jedenfalls sind sie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten, in denen sowohl der Wettbewerb zwischen den Getränkelieferanten als auch das Nachfrageverhalten der Gastwirte sich anders als heute darstellte sowie die zu bewältigenden Investitionen andere Größenordnungen hatten.254) ___________ 250) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 251) BGH, Urt. v. 22.1.1987 – III ZR 1/86, WM 1987, 1106 = Zeller IV, 25. 252) OLG München, Urt. v. 11.1.1968 – 1 U 2037/67, NJW 1968, 650. 253) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 26.6.1962 – 5 U 254/61, Brauwelt 1963, 985 = Zeller I, 166. 254) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 28.

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IX. Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

c) Rechtsprechung. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung (Gewäh- 2.166 rung eines Darlehens in Höhe von 120.000,00 DM zu 4,08 % Zinsen effektiv) und der Leistung des Gastwirts (Pächters) konnte im Hinblick auf die vereinbarte Getränkemenge (Laufzeit von 10 Jahren, mindestens bis zur Abnahme von 1.200 hl Fassbier und 1.000 hl Flaschenbier sowie alkoholfreier Getränke) nicht angenommen werden.255) 5.

Gaststätteneinrichtung

Bei der Bewertung kommt es u. a. auch auf den Wert der zur Verfügung gestellten 2.167 Gaststätteneinrichtung sowie die Möglichkeit der unentgeltlichen Übernahme von Gegenständen nach Ablauf des Nutzungsrechts an.256) Soweit der Vertragspartner des Getränkelieferanten versucht, dessen Leistungen 2.168 damit herabzumindern, dass er behauptet, das Inventar sei zur Zeit der Übergabe allenfalls x € wert gewesen, nicht aber den im Vertrag angesetzten Gebrauchswert von y € gehabt habe, hat er hierfür Beweis anzutreten. Zu weiteren in diesem Zusammenhang interessierenden Fragen vergleiche aus der 2.169 Rechtsprechung u. a. die Entscheidungen der OLG Düsseldorf, Koblenz, Köln und Saarbrücken.257) 6.

Sicherungseigentum

Handelt es sich etwa um ein ungesichertes Darlehen258) oder um ein Darlehen, 2.170 das lediglich durch eine Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar abgesichert war, so sind engere Bindungen des Gastwirts an den Getränkelieferanten gerechtfertigt. Die Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar stellt nämlich keine ausreichende Sicherung dar, weil dieses einem raschen Wertverlust unterliegt und nach kurzer Zeit praktisch keinen Wert mehr hat, was auch durch die festgelegte steuerliche Abschreibung mit 0,84 % monatlich nicht ausgeglichen werden kann.259) ___________ 255) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 256) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 257) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, S. 3, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699. 258) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73. 259) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. Zu § 307 BGB: BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00.

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§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.171 Da für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts maßgebend ist, kommt es nicht entscheidend darauf an, welchen Wert das Inventar und welchen Stand das Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt noch hat, sondern nur darauf, mit welcher Entwicklung der Verhältnisse typischerweise zu rechnen war.260) 7.

Leihinventar

2.172 a) Grundlagen. Leihinventar verliert mit fortschreitender Vertragszeit an Wert. Hinzu kommt ggf., dass der Getränkelieferant als Verleiher nicht zum Austausch verpflichtet ist.261) Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Gastwirt für eine Neuinventarisierung der Absatzstätte einen den seinerzeit angenommenen Zeitwert übersteigenden Betrag hätte aufwenden müssen, wozu er wirtschaftlich zumeist nicht in der Lage gewesen wäre. Konkret führte dies zur Bewertung des Fortführungswertes des Inventars im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit netto rund 36.000,00 €.262) 2.173 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass bei der leihweisen Überlassung von an die Absatzstätte angepassten und sich in ordnungsgemäßem Zustand befindenden gebrauchtem Inventar eine Ersparnis in Höhe des Preises der Einrichtung der Absatzstätte mit neuen Gegenständen eingetreten ist.263) 2.174 b) Im Übrigen. Dass dem Gebundenen nicht das Eigentum an den Gegenständen übertragen wird, ist – wie auch beim Leasing – Rechtstypus bestimmend für das Leihverhältnis. Die Nutzungsmöglichkeit und damit der reale Wert der Gegenstände kommt dem Gebundenen voll zugute. Dass dieser für die Instandhaltung und Versicherung der Gegenstände vertragsgemäß verantwortlich ist und von ihm anstatt der Rückgabe des Inventars die anteiligen Anschaffungskosten gegen Übereignung der Gegenstände verlangt werden können, fällt demgegenüber nicht maßgeblich ins Gewicht.264) 8.

Ausbietungsgarantie

2.175 Der Wert einer Ausbietungsgarantie ist nicht zu berücksichtigen. Diese wäre allenfalls wertneutral, stand ihr doch der Wert des erworbenen Grundbesitzes gegenüber.265) ___________ 260) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 261) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 (Bierverlagsvertrag). 262) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 263) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 264) A. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 265) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

138

X. Subjektiver Tatbestand

9.

Rückvergütung/Bonus

Werden Rückvergütungen gleichsam en bloque als Rückvergütungsvorauszah- 2.176 lung gewährt, so liegt eine klassische Vorfinanzierung vor. Vertraglich vereinbarte Rückvergütungen bzw. Bonuszahlungen sind auch im Übrigen mit in Ansatz zu bringen. Der wirtschaftliche Wert bemisst sich nach deren Höhe und der Art der Gewährung (Rechnungsstellungssofortrabatt, Tilgungsersatz). Da diese Eventualansprüche aber erst künftig je nach Bestellumfang fällig werden, sind sie mit Bewertungsabschlägen zu versehen unabhängig davon, ob sie bei den Getränkerechnungen in Abzug gebracht werden oder als Tilgung auf offene Forderungen insbesondere aus Finanzierung gebucht werden sollen. Bonusansprüche sind jedenfalls dann mit zu berücksichtigen, wenn die vereinbarten Getränkebezugsmengen erreichbar sind.266) X.

Subjektiver Tatbestand

1.

Grundsatz

Geht es nicht so sehr um die Länge der Bezugsbindung als vielmehr um ein 2.177 auffälliges Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung (Fallgruppe 1),267) so ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB und damit die Annahme eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts bei einem objektivem Missverhältnis der beiderseitigen Leistungen nur dann gerechtfertigt, wenn ein subjektives Tatbestandselement wie die verwerfliche Gesinnung des Begünstigten oder die Unerfahrenheit des Vertragspartners hinzutreten. Ersteres ist insbesondere der Fall, wenn der Begünstigte die wirtschaftlich schlechtere Position des anderen Teils bewusst ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat.268)

___________ 266) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 267) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. Siehe oben § 9 V 2 m. w. N. 268) Allgemein BGH, Urt. v. 12.11.2014 – VIII ZR 42/14, BeckRS 22648 = ZIP 2015, 41. Speziell zum Getränkelierrungsrecht BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 (Bierverlagsvertrag); BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 11.1.1995 – VIII ZR 82/94, BGHZ 148, 255 = NJW 1995, 1019 = ZIP 1995, 383; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

139

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

2.

Besonders grobes Missverhältnis

2.178 a) Allgemein. Ein besonders grobes Missverhältnis liegt vor, wenn der Wert der Leistung denjenigen der Gegenleistung um 100 % übersteigt. Bei Grundstücksgeschäften ist der Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten gerechtfertigt, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung.269) 2.179 b) Ausbietungsgarantie. Zu Fragen im Zusammenhang mit einer Ausbietungsgarantie kann auf die überzeugenden Ausführungen des OLG Köln in seinem Urteil vom 20.10.2011 verwiesen werden.270) 3.

Vermutung

2.180 a) Grundsatz. Ist das Missverhältnis besonders groß, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu.271) Bei einem besonders groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung wird bei einem Vertrag mit einem Verbraucher (§ 13 BGB), hier insbesondere einem nicht betreibenden privaten Hauseigentümer, die verwerfliche Gesinnung des begünstigten Vertragsteils tatsächlich vermutet. Dann ist i. d. R. die weitere Prüfung der subjektiven Voraussetzungen entbehrlich und die Sittenwidrigkeit des Vertrages begründet.272) 2.181 Eine solche Schlussfolgerung ist selbst dann möglich, wenn der Begünstigte keine Kenntnis von den Wertverhältnissen hatte.273) Dabei handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, der nur für bestimmte Fallgruppen anzuerkennen ist.274) Die beweiserleichternde tatsächliche Vermutung ist vom Tatrichter im Bereich der Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) zu berücksichtigen. 2.182 b) Unternehmer. Die (tatsächliche) Vermutung greift nicht ein, wenn der Vertragspartner wie hier im Regelfall Unternehmer (§ 14 BGB) ist.275) Wer als „Kauffrau“ und Konzessionsträgerin über Jahre hinweg ggf. sogar mehrere Gaststätten___________ 269) BGH, Urt. v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 = NJW 2001, 1127 = ZPI 2001, 747; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570. 270) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 271) BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 272) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 14.1.1991 – II ZR 112/90, WM 1991, 404; BGH, Urt. v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 = ZIP 2001, 747; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 273) BGH, Urt. v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 = NJW 2001, 1127 = ZIP 2001, 747; BGH, Urt. v. 19.7.2002 – V ZR 240/01, NJW 2002, 3165 = ZIP 2003, 80. 274) BGH, Urt. v. 14.7.2004 – XII ZR 352/00, NJW 2004, 3533, dazu EWiR 2005, 243 (Bühler). 275) BGH, Urt. v. 11.1.1995 – VIII ZR 82/94, BGHZ 148, 255 = NJW 1995, 1019 = ZIP 1995, 383; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

140

X. Subjektiver Tatbestand

objekte geführt hat, dem kommt die Vermutung der verwerflichen Gesinnung nicht zugute. Bei Vollkaufmannseigenschaft des Geschäftspartners wird sogar im Gegenteil (widerleglich) vermutet, dass die persönlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit nicht vorliegen. Beim Minderkaufmann bleibt es bei der allgemeinen Beweislastregel, dass derjenige, der sich darauf beruft, die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit darlegen und beweisen muss.276) c) Existenzgründer. Im Hinblick auf die Parallele zu § 307 BGB dürfte der Exis- 2.183 tenzgründer bei der Beurteilung nach § 138 Abs. 1 BGB wie im AGB-Recht als Unternehmer (§ 14 BGB) anzusehen sein.277) 4.

Widerlegung

a) Grundsatz. Fehlt es an der objektiven Sittenwidrigkeit, so besteht auch keine 2.184 Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung des Getränkelieferanten. Darauf, ob das subjektive Element als widerlegt anzusehen war, kann es folglich nicht ankommen.278) b) Erschütterung. Die aus einem groben Äquivalenzmissverhältnis begründete 2.185 tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des begünstigten Vertragsteils kommt dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist und damit nicht die Schlussfolgerung auf eine verwerfliche Gesinnung eröffnet.279) Solche Umstände können sich namentlich aus sachgerechten, eine Übervorteilung regelmäßig ausschließenden Bemühungen zur Ermittlung eines den Umständen nach angemessenen Leistungsverhältnisses ergeben, wie etwa bei einem (fehlerhaften) Verkehrswertgutachten als Grundlage der Kaufpreisbemessung.280) Die die Vermutung erschütternden Umstände hat die von dem Missverhältnis begünstigte Vertragspartei darzulegen.281) 5.

Zeitpunkt

a) Grundsatz. Für die Feststellung eines besonders groben Missverhältnisses 2.186 von Leistung und Gegenleistung und die daran anknüpfende Schlussfolgerung einer verwerflichen Gesinnung sind die objektiven Werte der auszutauschenden ___________ 276) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 277) Siehe oben § 5 II 1 m. w. N. 278) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 279) BGH, Urt. v. 19.1.2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298 = NJW 2001, 1127 = ZIP 2001, 747; BGH, Urt. v. 5.10.2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429; BGH, Urt. v. 29.6.2007 – V ZR 1/06, NJW 2007, 2841; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 280) BGH, Urt. v. 19.7.2002 – V ZR 240/01, NJW 2002, 3165. 281) BGH, Urt. v. 29.6.2007 – V ZR 1/06, NJW 2007, 2841; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570.

141

§ 9 Inhalt und Umfang der Ausschließlichkeitsbindung

Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend. Nachträgliche Veränderungen sind grundsätzlich ohne Bedeutung.282) 2.187 b) Ausnahme. Von nachfolgenden Änderungen der Umstände zu unterscheiden sind jedoch Änderungen des Rechtsgeschäfts selbst. Diese sind bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Vertrags zu beachten. Vereinbarungen, mit denen die Parteien die im Ursprungsvertrag vereinbarten Hauptleistungen (über den Kaufgegen-stand oder den Preis) ändern, müssen bei der Prüfung, ob das Rechtsgeschäft wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist, grundsätzlich berücksichtigt werden. Die Nichtigkeit des Vereinbarten bestimmt sich nach dem, was die Parteien vertraglich sich einander zu gewähren versprochen haben. Ändern die Parteien das vertragliche Leistungssoll, so verändern sie damit auch die Grundlage für die Beurteilung des Rechtsgeschäfts am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB.283) 6.

Darlegung

2.188 Den Anforderungen an die Behauptungslast ist genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Parteivortrag zu einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die benachteiligte Vertragspartei sich auf die darauf begründete Vermutung beruft.284) XI.

Auswirkungen eines Verstoßes auf den Vertrag insgesamt

2.189 Aus Einzelbestimmungen, die an sich sittenwidrig sind, die aber im Wege der Auslegung oder der Reduktion (§ 242 BGB) auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden können oder denen mit dem Arglisteinwand285) begegnet werden kann, kann die Sittenwidrigkeit des gesamten Vertrages nicht hergeleitet worden, solange nur die Hauptpflichten der Vertragsparteien eindeutig und rechtswirksam festgelegt sind.286) 2.190 Die Nichtigkeit des getränkebezugsrechtlichen Teils erstreckt sich jedenfalls dann nach § 139 BGB auf den darlehensrechtlichen Teil eines Getränkelieferungsvertrages, wenn die Bestimmungen insgesamt in einem rechtlichen Zu___________ 282) BGH, Urt. v. 26.5.1981 – KZR 25/80, GRUR 1981, 675 = Zeller II, 184; BGH, Urt. 5.10.2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 283) BGH, Urt. v. 29.6.2007 – V ZR 1/06, NJW 2007, 2841; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570. 284) BGH, Urt. v. 9.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363; BGH, Urt. v. 10.2.2012 – V ZR 51/11, NJW 2012, 1570. 285) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 286) RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1951 – I ZR 24/51, NJW 1952, 344 = Zeller I, 144; BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

sammenhang stehen. Voraussetzung ist, dass sie nach dem sich aus dem Vertrag ergebenden Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen“. Dann ist Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB anzunehmen.287) Der gewollte rechtliche Zusammenhang zeigt sich etwa darin, dass die Tilgung des Darlehens über den Einbehalt von Rückvergütungen oder durch Abschreibung erfolgt.288) Konsequenz ist, dass der Vertrag nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) rückabzuwickeln ist. § 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung I.

Grundsatz

Das deutsche Zivilrecht kennt für (ausschließliche) Bier- und Getränkebezugs- 2.191 verpflichtungen keine gesetzlichen Laufzeitschranken. Grenzen der zulässigen Dauer der Bezugsbindung können sich allenfalls aus § 138 Abs. 1 BGB bzw. den Bestimmungen des AGB-Rechts ergeben. II.

Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Allgemein

Auch langfristige Getränkebezugsverpflichtungen begründen keine Sittenwidrig- 2.192 keit des Getränkelieferungsvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung sind zeitlich begrenzte Getränkelieferungsverträge nur dann nichtig, wenn sie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts289), seine Selbstständigkeit und die Möglichkeit, sich veränderten Umständen in seiner Betriebsführung anzupassen, in einer Weise einengen, die mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht zu vereinbaren ist (Fallgruppe 2).290) Dazu muss ___________ 287) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593, im Zusammenhang mit dem Widerruf einer Bezugsverpflichtung. 288) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93. 289) Siehe oben § 9 V 1 m. w. N. 290) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/07, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 222; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Hamburg, Urt. v. 13.4.2000 – 3 U 124/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

sammenhang stehen. Voraussetzung ist, dass sie nach dem sich aus dem Vertrag ergebenden Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen“. Dann ist Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB anzunehmen.287) Der gewollte rechtliche Zusammenhang zeigt sich etwa darin, dass die Tilgung des Darlehens über den Einbehalt von Rückvergütungen oder durch Abschreibung erfolgt.288) Konsequenz ist, dass der Vertrag nach Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB) rückabzuwickeln ist. § 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung I.

Grundsatz

Das deutsche Zivilrecht kennt für (ausschließliche) Bier- und Getränkebezugs- 2.191 verpflichtungen keine gesetzlichen Laufzeitschranken. Grenzen der zulässigen Dauer der Bezugsbindung können sich allenfalls aus § 138 Abs. 1 BGB bzw. den Bestimmungen des AGB-Rechts ergeben. II.

Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Allgemein

Auch langfristige Getränkebezugsverpflichtungen begründen keine Sittenwidrig- 2.192 keit des Getränkelieferungsvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung sind zeitlich begrenzte Getränkelieferungsverträge nur dann nichtig, wenn sie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts289), seine Selbstständigkeit und die Möglichkeit, sich veränderten Umständen in seiner Betriebsführung anzupassen, in einer Weise einengen, die mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht zu vereinbaren ist (Fallgruppe 2).290) Dazu muss ___________ 287) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593, im Zusammenhang mit dem Widerruf einer Bezugsverpflichtung. 288) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93. 289) Siehe oben § 9 V 1 m. w. N. 290) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/07, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 222; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Hamburg, Urt. v. 13.4.2000 – 3 U 124/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

143

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

festgestellt werden, dass der Getränkelieferant unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche seines Vertragspartners oder eines Dritten sich für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (Fallgruppe 1).291) 2.193 Die Tatsache, dass der Gastwirt über einen besonders langen Zeitraum gehindert ist, durch Wechsel des Getränkelieferanten oder durch Umgestaltung des Charakters seiner Gaststätte geänderten Publikumswünschen Rechnung zu tragen, kann seine wirtschaftliche Selbstständigkeit unzumutbar beschränken, auch wenn er sich dieser Gefahr bei Vertragsabschluss noch nicht bewusst ist.292) 2.194 Je stärker unter Berücksichtigung aller Umstände im jeweiligen Einzelfall die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirts sachlich eingeschränkt ist, um so kürzer muss die Bindungsdauer sein, wenn der Vertrag mit den guten Sitten im Einklang stehen soll. Je größer der Wert die Leistungen des Getränkelieferanten ist, um so einschneidender und längerfristiger können im Einzelfall die Bindungen sein.293) Je länger die Bezugsbindung ist, desto näher liegt die Annahme, dass der Getränkelieferungsvertrag sittenwidrig ist.294) 2.

Darlegung und Beweis

2.195 Zu den relevanten Beurteilungskriterien im Rahmen der Prüfung des Einwendungstatbestandes des § 138 (Abs. 1) BGB bedarf es eines substantiierten Vortrages des insoweit Darlegungs- und Beweispflichtigen.295)

___________ 291) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 292) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 26.4.1995 – VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350 = ZIP 1995, 910; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 293) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266 (zu § 138 Abs. 1 BGB); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 294) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 295) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063.

144

II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

3.

Grundlagen der Beurteilung

Zunächst kann auf die bereits dargestellten allgemeinen Prüfungsgrundsätze für 2.196 die Feststellung der Voraussetzungen des Nichtigkeitseinwandes nach § 138 Abs. 1 BGB verwiesen werden.296) Im Übrigen seien folgende Aspekte besonders angesprochen: a) Abzustellen ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.297) Die Frage, 2.197 welche höchstzulässige zeitliche Bindung der Getränkelieferant dem Gastwirt auferlegen kann, ohne sich dem Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens auszusetzen, lasst sich nicht allgemein und schematisch beantworten. Dies hängt vielmehr von der konkreten Ausgestaltung des Vertrages in seinen einzelnen Bestimmungen und insbesondere davon ab, welcher Spielraum dem Gastwirt zur selbstständigen und flexiblen Unternehmensführung verbleibt.298) b) Auch bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit einer Laufzeitregelung nach § 138 2.198 Abs. 1 BGB bedarf es einer Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles.299) Zu berücksichtigen sind Inhalt, Motiv, Zweck und Ausmaß des jeweiligen Vertrages. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt wesentlich von Art und Umfang der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistungen300) sowie von dem sachlichen Umfang der Bindung abhängt.301) ___________ 296) Siehe oben § 9 VI 1 m. w. N. 297) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2001 – VI-U (Kart) 41/03. 298) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80 (AGB); OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2001 – VI-U (Kart) 41/03; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75. 299) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/07, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 26.4.1995 – VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350 = ZIP 1995, 910; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 300) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266 (zu § 138 Abs. 1 BGB); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 301) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 26.4.1995 – VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350 = ZIP 1995, 910; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2001 – VI-U (Kart) 41/03; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Frankfurt/M., Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063.

145

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.199 c) Gesamtbetrachtung. Die Vertragslaufzeit ist ggf. im Rahmen einer zusammenhängenden Betrachtung in den Kontext anderer Vertragsregelungen, wie etwa Schadensersatz oder Rechtsnachfolge, zu stellen.302) Zu betrachten ist die Laufzeit einschließlich etwaiger verlängernder Nachträge sowie etwaiger zurechenbarer Anschlussbindungen.303) 2.200 d) Umstände des Vertragsabschlusses. Wiederum kommt es auf die Umstände des Vertragsabschlusses an.304) 4.

Getränkebezugsverpflichtung

2.201 In Ergänzung der bisherigen Ausführungen305) seien folgende Punkte besonders benannt: 2.202 a) Ausschließlichkeit. Darin allein, dass zeitlich beschränkte Getränkebezugsverpflichtungen zwischen einem Gastwirt und einem Getränkelieferanten unter Ausschluss anderen Getränkebezuges eingegangen werden, liegt aber kein solcher Eingriff. Das hat die Rechtsprechung auch dann anerkannt, wenn die Abnahmeverpflichtung im Zusammenhang mit einer Darlehensgewährung des Getränkelieferanten übernommen worden war, auch wenn jene Verpflichtung eine gewisse Zeit über die Rückzahlung des Darlehens hinaus dauern sollte.306) 2.203 b) Mitbezugsgestattung und Teilbindung. Zu den besonderen Umständen, die ausnahmsweise eine längere Laufzeit von bis zu 20 Jahren rechtfertigen konnen, zählte nach einer Entscheidung aus dem Jahre 1979, dass die Bindung sich nur auf einen Teil des Bedarfs bezieht, sodass die Abhängigkeit des Gastwirts von dem Getränkelieferanten von Anfang an lockerer war.307)

___________ 302) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 26.4.1995 – VIII ZR 124/94, NJW 1995, 2350 = ZIP 1995, 910; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; LG Frankfurt/M., Urt. v. 14.7.1976 – 2/6 O. 451/75; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 275. 303) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516. 304) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1. Im Übrigen siehe oben § 9 VI 4 m. w. N. 305) Siehe oben § 9 VII m. w. N. 306) Siehe unten § 11 VII m. w. N. 307) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224. Vgl. auch BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

c) Sortimentsbindung. aa) Grundsatz. Die Dauer der zulässigen Bezugsbin- 2.204 dung hängt wesentlich von dem sachlichen Umfang der Bindung ab.308) Im Zusammenhang mit der Feststellung einer nicht mehr hinnehmbaren Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit wurde angesichts eines sich immer rascher ändernden Konsumverhaltens der Verbraucher gefordert, dass dem Gastwirt nicht die Möglichkeit genommen werden dürfe, das Angebot an der Nachfrage der Gäste zu orientieren.309) bb) Erstreckt sich die Bezugsverpflichtung auch auf alkoholfreie Getränke, so 2.205 ist dies grundsätzlich unbedenklich Bedeutung,310) es sei denn, dieser steht keine angemessene Gegenleistung des Getränkelieferanten gegenüber.311) Ob der Getränkelieferant von seinem Alleinbelieferungsrecht hinsichtlich alkoholfreier Getränke Gebrauch gemacht hat, ist unerheblich.312) Umgekehrt wirkt sich die Beschränkung der Bezugsverpflichtung auf Bier positiv aus.313) d) Periodische Mindestabnahmemenge. aa) Von Bedeutung sein kann, dass 2.206 dem Gebundenen keine Mindestabnahmeverplichtung auferlegt worden ist. Somit bleibt ihm ein erheblicher Teil seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit erhalten, etwa die Möglichkeit, seine Gaststätte in ein Speiserestaurant umzugestalten.314) Fehlt es an einer Mindestabnahmeverpflichtung oder liegt diese erheblich unter den zu erwartenden Annahmen, so handelt es sich um eine für den Gastwirt günstige Regelung, die im Rahmen der Gesamtwürdigung als Leistung der Brauerei zu werten ist.315) bb) Sind periodische, insbesondere jährliche Mindestabnahmepflichten verein- 2.207 bart, so wird die Möglichkeit des Vertriebs anderer Getränke naturgemäß eingeschränkt. Allerdings handelt sich hierbei in Wahrheit um eine Folge der Ausschließlichkeitsbindung. Wirksamkeitsbedenken können sich allenfalls dann ___________ 308) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2001 – VI-U (Kart) 41/03; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 309) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. 310) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76; a. A. wohl KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 311) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266. 312) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266. 313) OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81. 314) LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75. 315) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

ergeben, wenn die vereinbarte Mindestabnahmemenge innerhalb der die Grenzen des § 138 Abs. 1 BGB ausschöpfenden Vertragslaufzeit von dem Gastwirt realistischerweise nicht abgenommen und abgesetzt werden kann (Erreichbarkeit).316) Vorteilhaft kann es sein, wenn die Beendigung der Bezugspflicht nicht noch zusätzlich von einer Gesamtmindestabnahme abhängig gemacht wird.317) 2.208 e) Nachfolgeregelung. Auch insofern bestehen grundsätzlich keine Bedenken.318) 2.209 f) Vertragsinhalt im Übrigen. Eine nicht länger als 20 Jahre andauernde Getränkebezugsverpflichtung stellt eine sittenwidrige Knebelung des Gastwirts auch dann nicht dar, wenn sich der Gastwirt verpflichtet hat, „alle während der Pachtzeit notwendigen Reparaturen und Überholungen“ auf eigene Kosten durchzuführen319) oder Verschleißstücke zu ersetzen320). 2.210 g) Lieferung. Zur Problematik der Lieferunmöglichkeit wird verwiesen auf die Entscheidung des Reichsgerichts vom 7.4.1908.321) 2.211 h) Sanktionen. Zu berücksichtigen sind etwa unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafen, das Recht zur Nachverzinsung322) sowie das Recht des Getränkelieferanten, unter Umständen durch einen anderen Getränkelieferanten zu liefern (Ersatzbelieferung).323) 2.212 i) Kündigung. Eine Regelung, wonach ein Darlehen bei Eintritt gewisser Voraussetzungen auch ohne Kündigung zur Rückzahlung fällig sein soll, stellt sich nicht als unangemessen dar. Dies jedenfalls dann, wenn sie an Umstände anknüpft, die das Verlangen auf Rückzahlung des Kredites als im berechtigten Interesse der Darlehensgeberin liegend erscheinen lassen.324) ___________ 316) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 317) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. 318) LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75. 319) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.2.1977 – 6 U (Kart) 12/76, WRP 1977, 340. 320) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 321) RG, Urt. v. 7.4.1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 = JW 1908, 401. 322) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 323) RG, Urt. v. 7.4.1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 = JW 1908, 401; RG, Urt. v. 3.6.1930 – VII 401/30 – VII 401/30, JW 1930, 347; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06. 324) LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

j) Die Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung begründet nicht 2.213 den Einwand der Übersicherung.325) 5.

Leistungen des Getränkelieferanten

Im Anschluss an die obigen Hinweise326):

2.214

a) Art der Leistung. aa) Grundsatz. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung 2.215 hängt wesentlich, aber nicht allein von der Art der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistungen ab.327) bb) Zu den typischen Leistungen der Getränkelieferanten für eine langfristige 2.216 Bezugsbindung des Gastwirts gehört die Gewährung von (zinslosen) Darlehen oder Zuschüssen328) bzw. die Leihe von Inventar.329) cc) Kaufpreisreduzierung. Mit einzustellen ist eine nachhaltige Reduzierung 2.217 eines Grundstückskaufpreises wegen der Übernahme einer Getränkebezugsverpflichtung.330) dd) Rangrücktritt. Ein Rangrücktritt ist nicht nur eine geldwerte Leistung. Er 2.218 ermöglicht die Aufnahme weiterer Kredit im Übrigen.331) ee) Die gelegentlich herangezogene Gewissheit des Gastwirtes, gutes und kon- 2.219 kurrenzfähiges Bier zu erhalten, dürfte angesichts des Konkurrenzkampfes unter den Getränkelieferanten keine besondere, dem Gastwirt gewährte Vergünstigung, sondern eine bloße Selbstverständlichkeit darstellen.332) b) Rückführung. Bedeutsam sein können auch die Höhe der Tilgungsraten 2.220 und eine damit einhergehende Tilgung des Darlehens vor dem Ende der Bezugsverpflichtung.333) Einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil stellt es dar, wenn der finanzierte Geldbetrag entsprechend der abgenommenen Getränke___________ 325) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 326) Siehe oben § 9 VIII m. w. N. 327) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516. 328) LG Frankfurt/M., Urt. v. 14.7.1976 – 2/6 O. 451/75; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; AG Medebach, Urt. v. 18.10.1977 – C 182/77. 329) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399 (Leihe); OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063 (zinsloses Darlehen, Leihe); OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 128, 274. 330) LG Kleve, Urt. v. 13.10.1977 – 6 O. 87/77; LG Wuppertal, Urt. v. 1.7.1978 – 7 O. 123/78. 331) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.2.1978 – 17 U 219/77; LG Kleve, Urt. v. 13.10.1977 – 6 O. 87/77. 332) RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1. 333) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

bezugsmenge durch Abschreibung oder Rückvergütungsgutschrift getilgt werden kann.334) 2.221 c) Sicherheiten. Zu bestellende Sicherheiten sind in die Würdigung einzustellen.335) 6.

Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

2.222 Auch insofern kann zunächst auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden.336) Folgende Aspekte seien vertiefend angesprochen: 2.223 a) Beurteilungsgrundsätze. aa) Umfang. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt wesentlich vom Umfang der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistung(en) ab.337) Werden höhere Leistungen erbracht, so ist auch eine längere Laufzeit zulässig.338) Je größer die vertraglich vereinbarten (Gegen-)Leistungen sind, desto einschneidender können im Einzelfall die Bindungen sein, die der Gastwirt im Interesse einer sachgerechten Risikobegrenzung aufseiten des Getränkelieferanten hinnehmen muss.339) Die Höhe des gewährten Darlehens oder der Wert des leihweise überlassenen Inventars bestimmen in besonderem Maße Ausgewogenheit von Leistung und Leistung und damit das Höchstmaß der zeitlichen Bezugsbindung, insbesondere dann, wenn der Gastwirt durch ein Darlehen erst in die Lage versetzt wird, das Gaststättengrundstück zu erwerben oder den Betrieb zu übernehmen.340) ___________ 334) 335) 336) 337)

LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. Siehe oben § 9 IX m. w. N. BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87; AG Medebach, Urt. v. 18.10.1977 – C 182/77 (Zuschuss in Höhe von 1.100 DM, Bezugsverpflichtung von viereinahlb Jahren). 338) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei ./. Getränkefachgroßhändler). 339) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266 (zu § 138 Abs. 1 BGB); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 340) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399 (Leihe); OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 128, 274.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

bb) Beurteilungszeitpunkt. Da das Ausmaß der zulässigen Bindung u. a. von 2.224 dem Wert der Leistungen abhängt, die der Getränkelieferant dem Gastwirt im Zusammenhang mit dem Abschluss des Getränkelieferungsvertrages gewährt, ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für den Wert der Leistungen der Zeitpunkt des Zustandekommens des Getränkelieferungsvertrages.341) Auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen oder auf spätere Entwicklungen kommt es nicht an.342) Bei der Prüfung war ggf. auch zu beachten, dass der streitige Vertrag in einem der 2.225 neuen Bundesländer zu einem Zeitpunkt geschlossen worden war (Anfang 1991), als die dortige künftige wirtschaftliche Entwicklung noch nicht absehbar war.343) Da es nur auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt, 2.226 können auch freiwillige, nach Vertragsabschluss von dem Getränkelieferanten erbrachte Leistungen bei der Prüfung, ob der Vertrag dem Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB standhält, nicht berücksichtigt werden.344) Hinsichtlich dieser zusätzlichen Leistungen steht dem Vertragspartner nämlich kein durchsetzbarer Rechtsanspruch zu.345) Wohl aber können zusätzliche Leistungen unter dem Gesichtspunkt einer zeit- 2.227 lich begrenzten Aufrechterhaltung des Vertrages Bedeutung gewinnen.346) cc) Wirtschaftlicher Wert. Je wertvoller das nicht nur finanzielle Engage- 2.228 ment für den Gastwirt ist und je größer sich das von dem Getränkelieferanten

___________ 341) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; GH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 342) BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, NJW 1987, 1878 = ZIP 1987, 855; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 343) BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356 (Tankstellenvertrag). 344) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, NJW 1987, 1878 = ZIP 1987, 855; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356. 345) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 346) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 23.5.1973 – VIII ZR 164/71, WM 1973, 924 = Zeller I, 228; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

übernommene Risiko darstellt, desto einschneidender können unter Umständen die von dem Wirt hinzunehmenden Bindungen sein.347) 2.229 dd) Vertragliche Vereinbarung. Für die Beurteilung nach § 138 Abs. 1 BGB ist allein entscheidend, welche Leistungen der Getränkelieferant vertraglich zu gewähren verpflichtet ist. Ob er sie tatsächlich erbracht hat, insbesondere, weil der Gastwirt seine periodische Mindestabnahmeverpflichtung nicht erfüllt hat, oder dieser es versäumt hat, seine Ansprüche durchzusetzen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung.348) 2.230 c) Umstände in der Person des Verpflichteten. Zu beachten ist, dass Getränkelieferanten in aller Regel ihre Leistung für die langfristige Bezugsbindung bereits bei Vertragsabschluss erbringen und damit dem Gastwirt vielfach die Betriebsaufnahme erst ermöglichen (Existenzgründung)349) bzw. die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes350) gewährleisten.351) 2.231 Eine andere soziale Wirklichkeit ist zu berücksichtigen.352) Von Bedeutung ist, ob der Gastwirt ein erfahrener Kaufmann (Unternehmer) ist, der möglicherweise mehrere überdurchschnittliche Objekte anbieten kann.353) Handelt es sich bei dem Vertragspartner des Getränkelieferanten nicht um einen „klassischen Gastwirt“, sondern etwa um eine Handelsgesellschaft, in deren Vermögen eine frühere Gesellschafterin des Getränkelieferanten als Abfindung für ihr Ausscheiden erhaltene Grundstück eingebracht hat gegen Übernahme einer dauerhaften Getränkebezugsverpflichtung, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken.354)

___________ 347) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 128, 274. 348) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 129, 144. 349) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 350) Zu diesem Aspekt BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 351) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 105, 274. 352) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 353) RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 354) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.9.2009 – 22 U 3/08.

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II. Schranke des § 138 Abs. 1 BGB

d) Relation. Trotz dieser maßgeblichen Bedeutung für die Ausgewogenheit 2.232 der beiderseitigen Leistungen hat die höchstrichterliche Rechtsprechung es vermieden, schematisch Sätze für die Relation zwischen Darlehenssumme oder Inventargestellung einerseits und Bezugsdauer andererseits aufzustellen. Mit Recht, denn die Ausgewogenheit hängt ganz maßgeblich auch von anderen Umständen ab, insbesondere der Gestaltung des Vertrages in seinen einzelnen Bestimmungen. e) Dauer. Je länger sich der Getränkelieferant finanziell engagiert, desto güns- 2.233 tiger fällt die rechtliche Beurteilung aus.355) f) Zinssatz. Bei der Zurverfügungstellung eines Darlehens ist von Bedeutung, 2.234 zu welchem Zinssatz dieses gewährt wird.356) Liegt dieser beispielsweise deutlich unterhalb des allgemeinen (Zins-)Marktniveaus, so ist das bei der Wertung von Leistung und Leistung zu berücksichtigen.357) g) Zur Bedeutung der Rückführung einer Finanzierung, etwa durch Tilgung 2.235 oder erleichtert durch Abschreibung oder Aufpreis (früher gelegentlich auch Aufgeld genannt), kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.358) h) Absicherung. Zu berücksichtigen ist das Risiko für den Getränkelieferanten, 2.236 mit seinem finanziellen Engagement auszufallen. Daher muss ggf. das Vorhandensein einer grundbuchmäßigen Absicherung und deren Rang berücksichtigt werden.359)

___________ 355) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251. 356) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 357) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 358) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.1984 – 13 W 39/84; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 359) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77.

153

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.237 i) Inventargestellung. Wird leihweise Inventar gestellt, so kommt es auf dessen Wert an.360) Die in einer Entscheidung aus dem Jahre 1983361) als erheblich bezeichneten Leistungen (z. B. leihweise Gestellung von Inventar im Wert von 3.700 DM, das nach 20 Jahren – dann aber weitgehend entwertet – in das Eigentum des Gastwirts überging) und die damit verbundene Gewinnminderung des Getränkelieferanten von 10 DM auf 8 DM je Hektoliter mögen für das Jahr des Vertragsabschlusses (1956) eine solche Bindung gerechtfertigt haben; unter heutigen Marktbedingungen ist dies nicht mehr der Fall. So ist in späteren Entscheidungen die kostenlose Überlassung von Leihinventar im Werte von 45.163 DM bzw. 28.000 DM nicht als so ungewöhnlich große Leistung angesehen worden, dass sie eine 20-jährige Bezugsbindung hätte rechtfertigen können.362) Anders dürften Fallgestaltungen im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Brauereigrundstücks zu beurteilen sein, die eine 20-jährige Bezugsbindung rechtfertigen können, vor dem Hintergrund des Umstandes, dass sich die Brauerei der mit dem Immobilieneigentum verbundenen Absatzmöglichkeit begibt. III.

Einordnung

1.

Unbefristete Bezugsbindungen

2.238 a) Ausgehend von diesen Erwägungen entspricht es seit jeher gefestigter Rechtsprechung, dass ein unkündbarer Getränkelieferungsvertrag mit zeitlich unbegrenzter Bezugsbindung als sittenwidrig unwirksam ist und auch nicht mit zeitlich begrenzter Laufzeit aufrechterhalten werden kann.363) 2.239 b) Gleiches gilt für eine zeitlich unbegrenzte Bezugsbindung in einem auf eine bestimmte Zeit abgeschlossenen Pachtvertrag, der sich automatisch verlängert, ___________ 360) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; OLG München, Urt. v. 11.1.1968 – 1 U 2037/67, NJW 1968, 650; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 361) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 362) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 363) RG, Urt. v. 29.5.1906 – II 507/05, RGZ 63, 333; RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 30.11.1909 – VII 51/09, JW 1910, 62; RG, Urt. v. 5.2.1909 – III 145/08; RG, Urt. v. 30.11.1921 – V 265/21; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149; BGH, Urt. v. 22.2.1980 – V ZR 135/76, WM 1980, 877 (Erbbaurechtsvertrag); OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81.

154

III. Einordnung

wenn er nicht innerhalb einer bestimmten Frist gekündigt wird.364) Ebenso zu beurteilen ist es, wenn die Bezugsbindung ohne zeitliche Begrenzung an die Dauer der Verpachtung einer Absatzstätte gekoppelt ist und der Verpächter sich nur mittelbar durch eine zweckentfremdende Verpachtung der Räume (Aufgabe der Absatzstätte) von der Bezugsbindung lösen kann.365) 2.

Befristete Bezugsbindungen

a) Grundsatz. Für Getränkelieferungsverträge mit individuell ausgehandelten 2.240 Laufzeiten ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht von einer allgemeinen Festlegung auf höchst zulässige Bezugsbindungen auszugehen.366) Die Vereinbarung befristeter Getränkelieferungsverträge ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Dauer der Vertragsbindung vermag für sich allein noch keine Sittenwidrigkeit zu begründen.367) Allerdings sind auch zeitlich befristeten Bezugsbindungen Höchstgrenzen nach der Rechtsprechung gesetzt und dies unabhängig von der sonstigen Ausgestaltung des Vertrages und insbesondere von dem Umfang der von dem Getränkelieferanten gewährten Zuwendungen. b) Bei zeitlich begrenzten Bezugsbindungen ist die Rechtsprechung zunächst 2.241 verhältnismäßig großzügig verfahren. So hat sie etwa bei einer Bezugsbindung, die in Zusammenhang mit einem für den Gastwirt besonders günstigen Grundstückskauf stand, eine Laufzeit von 30 Jahren als vertretbar hingenommen.368) c) 20-Jahresgrenze. Erstmals in einem Urteil aus dem Jahre 1970 hat der BGH 2.242 einen Bezugszeitraum von 20 Jahren als die äußerste Grenze dessen bezeichnet, was in einem besonders gelagerten Fall – bei erheblichen Leistungen der Getränkelieferanten und einer nur hälftigen Bindung des Gastwirts, der den restlichen Teil seines Bedarfs bei einer anderen regionalen Brauerei decken durfte –, gerade noch zulässig ist. Bindungen, die diesen Zeitraum übersteigen, sind allein schon wegen ihrer übermäßig langen Dauer geeignet, die wirtschaftliche Bewe-

___________ 364) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. 365) RG, Urt. v. 5.2.1909 – III 145/08; RG, Urt. v. 30.11.1921 – V 265/21; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195. 366) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 367) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 368) BGH, Urt. v. 20.10.1959 – VIII ZR 136/58, LM BGB § 157 (Ge) Nr. 5 = DB 1959, 1367 = Zeller I, 266; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224 (Teilbedarf); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266.

155

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

gungsfreiheit des Gastwirts in unzumutbarer Weise einzuengen.369) Ebenso wurde eine Bindung von 20 Jahren für den (Sonder-)Fall angesehen, dass die Brauerei an dem langfristigen Ausschank ihres Bieres in einer bestimmten, vormals von ihr selbst bewirtschafteten, Gaststätte ein besonders schutzwürdiges Interesse hatte.370) Allerdings müssen besondere Umstände vorliegen, um ausnahmsweise eine 20-jährige Bezugsbindung zu rechtfertigen. Hierzu rechnen insbesondere ungewöhnlich hohe Leistungen des Getränkelieferanten.371) Bei dieser zeitlichen Grenze ist die Rechtsprechung lange Zeit geblieben.372) 2.243 Lediglich geringfügige Überschreitungen nahm die Rechtsprechung hin.373) Soweit der BGH in einem Urteil aus dem Jahre 1973374) eine Bindung von insgesamt 23 1/2 Jahren als noch gerechtfertigt bezeichnet hat, handelt es sich um einen nicht verallgemeinerungsfähigen Sonderfall. Im Übrigen wird auf die Rechtsprechung verwiesen.375) 2.244 d) 15-Jahresgrenze. Seit 1974 ist die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennbar bemüht gewesen, im Hinblick auf den angesichts der intensiven Werbung häufiger wechselnden Nachfrageverhaltens und die für den Gastwirt nicht selten mit einer Verminderung der Ertragslage verbundene Änderung der Ver___________ 369) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 370) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351. 371) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 372) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 24.3.1980 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Bamberg, Urt. v. 20.4.1978 – 1 U 50/77; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Dortmund, Urt. v. 26.8.1975 – 19 O. 49/75. 373) LG Frankfurt/M., Urt. v. 14.7.1976 – 2/6 O. 451/75 (drei Monate). 374) BGH, Urt. v. 23.5.1973 – VIII ZR 164/71, WM 1973, 924 = Zeller I, 228; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; LG Aschaffenburg, Urt. v. 2.4.1977 – 3 O. 10/77. 375) BGH, Urt. v. 5.10.1966 – VIII ZR 75/64, Zeller I, 179: 25 Jahre; BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351: 36 Jahre; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224: 23 Jahre (Teilbedarf).

156

III. Einordnung

kehrsführung die Frist für die höchstzulässige Bezugsbindung weiter herabzusetzen.376) Überblickt man diese Rechtsprechung und ergänzt sie durch diejenigen Fälle, 2.245 in denen der BGH Revisionen gegen Berufungsurteile, die sich mit der höchstzulässigen Bezugsbindung befassen, mangels hinreichender Erfolgsaussicht ohne schriftliche Begründung nicht angenommen hat (§ 554b ZPO a. F.), so dürfte bei sonst tragbaren Einzelbedingungen und einer angemessenen Leistung eine höchstzulässige Bindungsdauer von etwa 15 Jahren dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung entsprechen. Diese Größenordnung wurde explizit vom V. Zivilsenat im Zusammenhang mit der rechtlichen Beurteilung von Sicherungsabreden zur Bestellung von beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten als für den Normalfall zu billigend genannt.377) Der für das Getränkelieferungsrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat allerdings eine derartige Festlegung stets vermieden und auf die erforderliche Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Vertragsparteien und die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Inhalt, Motiv und Vertragszweck im Einzelfall hingewiesen.378) Lediglich in einem unveröffentlichten Urteil aus dem Jahre 1997 heißt es, „dass die Rechtsprechung des BGH inzwischen zu einer höchst zulässigen Bindungsdauer von 15 Jahren tendiert“.379) Bei der vergleichsweisen Heranziehung von älteren Entscheidungen zu § 138 2.246 Abs. 1 BGB ist insgesamt Vorsicht angebracht. Nicht nur die rechtlichen Beurteilungsmaßstäbe können sich – wie vorstehend skizziert – verfestigt, aber ___________ 376) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241 (16 Jahre); BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251 (15 Jahre); BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327 (14 Jahre); BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283 (15 Jahre); BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612 (15 Jahre und elf Monate); BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145 (15 Jahre); OLG Oldenburg, Urt. v. 24.5.1982 – 13 U 36/81 (18einhalb Jahre mit Verlängerung um weitere 6 Jahre); OLG Nürnberg, Urt. v. 29.6.2001 – 6 U 1762/00 (25 Jahre, nichtig); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; bezugnehmend OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063. 377) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149. Ähnlich der Kartellsenat BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612. 378) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 226; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 379) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. Siehe oben § 10 II 3 b m. w. N.

157

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

auch ggf. geändert haben. Auch ist die Prüfung der Angemessenheit der Laufzeit vor dem Hintergrund der jeweiligen Marktbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu würdigen. 2.247 e) Die Instanzrechtsprechung spiegelt ein ähnliches Bild.380) Wiederum werden nur geringfügige Überschreitungen der 15-Jahresgrenze als unschädlich angesehen.381) 2.248 f) Eine Bezugsbindungsdauer von zehn Jahren ist regelmäßig unbedenklich.382) Sie kann erst recht den Vorwurf der sittenwidrigen Knebelung dann nicht rechtfertigen, wenn die Bezugsbindung des Gastwirts individualvertraglich vereinbart worden ist.383) Denn § 138 Abs. 1 BGB stellt schon im objektiven Bereich höhere Anforderungen an die Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrages als § 307 Abs. 1 und 2 BGB und setzt eine grobe Interessenverletzung von erheblicher Stärke voraus.384)

___________ 380) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80 (15 Jahre); OLG München, Urt. v. 18.11. – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768 (15 Jahre und 4 Monate); OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516 (10 Jahre); OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99 (25 Jahre bei einem Verwaltungsvertrag i. V. m. Anschlussvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.1999 – 1 U 42/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist (15 Jahre); OLG Schleswig, Urt. v. 14.4.2001 – 1 U 76/2000 (10 Jahre); OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399 (11 Jahre und 10 Monate); OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837 (10 Jahre); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685 (10 Jahre); OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063 (5 Jahre); OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080 (knapp 10 Jahre); LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11 (15 Jahre). 381) OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.10.1980 – U (Kart) 11/80; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768 (15 Jahre und 4 Monate). 382) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 383) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 384) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09.

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IV. Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten

g) Fünfjahresgrenze. aa) Grundsatz. Eine vertragliche Bindungsdauer von fünf 2.249 Jahren ist erst recht unbedenklich.385) Dies selbst dann, wenn der Vertrag eine Verlängerung bis zur Gesamtabnahme von 1.000 hl Vertragsbier vorsieht. Voraussetzung ist, dass der Leistung ein angemessenes Äquivalent gegenübersteht.386) bb) Sekundäres europäisches Kartellrecht. Die VO Nr. 1984/83 sowie die Nach- 2.250 folgeregelung der VO Nr. 2790/1999 (Art. 5 a) sind nicht mehr in Kraft. Es stellt sich allenfalls die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 eine Leitbildwirkung entfaltet, was zu einer Höchstbindungsdauer von fünf Jahren führen würde. Diese Frage ist zu verneinen.387) Die Europäische Kommission geht davon aus, dass vertikale Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich keine erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen bewirken. Die Verordnung soll deshalb lediglich solche Vertikalbindungen erfassen, die mit erheblicher Marktmacht verbunden sind. Außerhalb ihres Anwendungsbereichs dürfte sie daher – insbesondere hinsichtlich Getränkelieferungsverträgen – keine Wirkung entfalten.388) Zudem deckt sich der Schutzzweck des Kartellrechts nicht mit dem des § 138 Abs. 1 BGB.389) Die Gründe, die eine mehr oder weniger lange Bezugsbindungsdauer rechtfertigen, sind in den praktischen Anwendungsfällen sehr unterschiedlich. Die Laufzeit ist zwar ein wesentliches, aber nicht das alleinige Kriterium. Das Ausmaß der zulässigen Bindung hängt ganz entscheidend von den Leistungen des Getränkelieferanten ab. Dies gilt auch dann, wenn alleine die Laufzeit angegriffen wird.390) IV.

Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten

1.

Einführung

Hat die Prüfung einer individualvertraglich vereinbarten Laufzeit am Maßstab 2.251 des § 138 Abs. 1 BGB einen Verstoß ergeben, so ist damit noch keine endgültige Nichtigkeit festzustellen. Der BGH hält in ständiger Rechtsprechung Getränkelieferungsverträge, die lediglich wegen ihrer übermäßig langen Laufzeit gegen die guten Sitten verstoßen, mit einer dem tatsächlichen oder dem zu vermuten-

___________ 385) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 386) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770 (fünf Jahre und neun Monate). 387) Siehe unten § 10 V 6 d-f, jeweils m. w. N. 388) Pukall, NJW 2000, 1375. 389) BGH, Urt. v. 19.10.1993 – KZR 3/92, NJW 1994, 384. 390) OLG Nürnberg, Urt. v. 1.12.1992 – 11 U 1682/92, BeckRS 1992, 31333651.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

den Parteiwillen entsprechenden Laufzeit aufrecht.391) Dies entspricht nahezu einhelliger Auffassung.392) Über die rechtliche Herleitung und die festzustellenden Voraussetzungen herrscht allerdings Streit. 2.

Herleitung

2.252 a) Eine Ansicht hält es für möglich, dass sittenwidrig lange Vertragsbindungen durch eine nach § 242 BGB orientierte Auslegung auf ein vertretbares Maß zurückgeführt werden. 1951 hatte der BGH die Möglichkeit erwogen, eine mit 25 Jahren unter Umständen übermäßig lange Bezugsbindung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf eine angemessene Laufzeit zurückzuführen.393) 2.253 b) Der VIII. Zivilsenat des BGH hat erstmals in seiner Entscheidung vom 14.6.1972 unter rechtsähnlicher Heranziehung des § 139 BGB Getränkelieferungsverträge, die lediglich wegen ihrer übermäßig langen Laufzeit gegen die guten Sitten verstoßen, mit einer dem tatsächlichen oder zu vermutenden

___________ 391) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 13.3.1979 – KZR 23/77, NJW 1979, 1605; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. Ebenso die Instanzrechtsprechung KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 183/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Nürnberg, Urt. v. 29.6.2001 – 6 U 1762/00; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 392) Etwa Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138 Rz. 357. 393) BGH, Urt. v. 23.11.1951 – I ZR 24/51, NJW 1952, 344 = Zeller I, 144; BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag). Ebenso bereits RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, mit Anm. Nipperdey.

160

IV. Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten

Parteiwillen entsprechenden Laufzeit aufrechterhalten.394) Der Vertrag sei in Zeitabschnitte derart zu zerlegen, dass diese sich als Teile eines ganzen Vertrages i. S. d. § 139 BGB darstellten, mit der Folge, dass sie bei einem bestehenden oder vermuteten Parteiwillen mit einer kürzeren, nicht zu beanstandenden Laufzeit aufrechterhalten bleiben.395) 3.

Stellungnahme

a) Der erstgenannte Ansatz über § 242 BGB stößt auf Bedenken.396) Wenn die 2.254 Parteien eine exakte Zeitvereinbarung getroffen haben, erlaubt die „Auslegung“ dieser Zeitvereinbarung keine Verkürzung der vereinbarten Vertragsbindung. Das vermeintlich Geringere ist vom Standpunkt der Parteien aus, der allein entscheidet, nicht etwas Geringeres, sondern etwas Anderes.397) Man könnte allenfalls in den Vertrag die stillschweigende Vereinbarung hineininterpretieren, dass im Falle rechtlicher Bedenken gegen die Länge der Vertragsbindung zumindest die höchstzulässige Bezugsdauer von den Parteien gewollt war. Finden sich derartige Vereinbarungen, so könnte eine Vermutung für einen entsprechenden Parteiwillen begründbar sein. b) Gegen eine Analogie zu § 139 BGB spricht, dass man die Vorschrift gleich- 2.255 sam „verkehrt herum“ anwendet; von einer „Analogie“ kann in einem solchen Fall keine Rede mehr sein.398) Denn § 139 BGB regelt, unter welchen Voraussetzungen die Teilnichtigkeit zur Vollnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts führt, während es bei überlangen Zeitvereinbarungen um die vorgreifliche und umgekehrte Frage geht, ob eine nach dem Gesetzeswortlaut an sich insgesamt nichtige Regelung durch Beschränkung der Nichtigkeit als nur teilnichtige aufrechterhalten werden kann. Weder für diese umgekehrte Fragestellung noch für die Beantwortung der Frage, ob in Abweichung vom Wortlaut des § 138 BGB eine geltungserhaltende Reduktion möglich ist, bietet § 139 BGB ein Argument. ___________ 394) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241 (Anschlussvertrag); BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 395) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212. 396) Nipperdey, JW 1927, 119, 120. 397) RG, Urt. v. 28.3.1911 – II 627/10, RGZ 76, 78. 398) RG, Urt. v. 28.3.1911 – II 627/10, RGZ 76, 78.

161

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

Erst wenn man – mit welcher rechtlichen Konstruktion auch immer – zum Ergebnis gelangt ist, dass eine wegen Übermaßes sittenwidrige Zeitvereinbarung nur teilnichtig ist, stellt sich die nach § 139 BGB zu beantwortende Frage, ob die Teilnichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit führt.399) 2.256 Mag die Auffassung von einer Art „quantitativen Teilnichtigkeit“ auch in ihrem dogmatischen Ansatz – der rechtsähnlichen Heranziehung des auf sachlich teilbare Rechtsgeschäfte zugeschnittenen § 139 BGB für Fälle einer übermäßig langen zeitlichen Bindung – umstritten bleiben, so hat sie sich doch in der Praxis wie schon die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur Höchstpreisüberschreitung und zu Wucherpreisen bewährt. Sie gewährt dem Gastwirt das, was er redlicherweise verlangen kann, trägt den schutzwürdigen Belangen der Getränkelieferanten Rechnung und vermeidet anders als das sich grundsätzlich aus § 138 Abs. 1 BGB ergebende Prinzip des „Alles oder Nichts“ eine unbefriedigende und nur schwer durchzuführende Rückabwicklung. Diese Rechtsprechung trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Rückabwicklung eines bereits weitgehend durchgeführten und insbesondere von dem Getränkelieferanten erfüllten Vertrages im Einzelfall auf praktisch kaum überwindbare Schwierigkeiten stößt und zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung des Getränkelieferanten führen kann, der durch seine Vorleistungen vielfach erst die Übernahme der Gaststätte und damit eine gewinnbringende Tätigkeit durch den Gastwirt ermöglicht hat. Von der kaum jemals zu treffenden Feststellung, welche Vertragsdauer die Parteien bei Kenntnis der Rechtsprechung zur zeitlichen Bezugsbindung vereinbart hätten, hat die Rechtsprechung von vornherein abgesehen, vielmehr auf den sog. hypothetischen Parteiwillen und damit auf eine vom Gericht vorzunehmende sachgerechte Interessenabwägung abgestellt.400) 2.257 Davon abgesehen entspricht es forensischer Erfahrung, dass Gastwirte, wenn es nach zunächst reibungsloser Abwicklung eines Vertrages zu Streitigkeiten kommt und der Versuch, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder sich von ihm aus wichtigem Grunde zu lösen, fehlgeschlagen ist, sich nicht selten auf die Sittenwidrigkeit des Vertrages berufen, obwohl sie ihn zunächst nicht als anstößig und in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einengend angesehen haben.401)

___________ 399) Staudinger-Sack/Fischinger, BGB, § 138 Rz. 178. 400) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135. 401) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 144.

162

IV. Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten

4.

Ermittlung der Laufzeit

a) Grundsatz. Eine Aufspaltung kommt in Betracht, wenn eine Vertragsbestim- 2.258 mung wegen des Übermaßes der in ihr enthaltenen Rechte oder Pflichten nichtig ist und angenommen werden kann, dass die Parteien bei Kenntnis dieses Umstandes an ihrer Stelle eine auf das zulässige Maß beschränkte Regelung getroffen hätten.402) Zu ermitteln ist, somit, ob nach dem übereinstimmenden tatsächlichen oder zu vermutenden Parteiwillen der Vertrag mit einer geringeren Laufzeit aufrecht erhalten werden kann. Dies gilt sowohl bei einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 139 BGB als auch bei Heranziehung einer vereinbarten salvatorischen Klausel. Das Gericht darf sich allerdings nicht willkürlich für eine von vielen alternati- 2.259 ven Gestaltungsmöglichkeiten entscheiden, ohne andere zu erwägen und am hypothetischen Parteiwillen zu messen. Bei der Anwendung des § 139 BGB finden nach richtiger Auffassung die glei- 2.260 chen Grundsätze Anwendung wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung. Eine quantitative Teilbarkeit von Vertragsbestimmungen ist sonach nur möglich, wenn sich feststellen lässt, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit einer Regelung an deren Stelle gesetzt hätten. Das folgt aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 139 BGB, den hypothetischen Willen der Vertragsparteien zu verwirklichen.403) Wo dieser Wille nicht zu ermitteln ist, weil mehrere Möglichkeiten zur Erset- 2.261 zung der nichtigen Bestimmung gegeben sind und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, welche von ihnen die Parteien gewählt hätten, ist der Regelungsbereich des § 139 BGB überschritten.404) In einem solchen Fall kommt nur ein „Hinausstreichen“ der nichtigen Bestimmung oder aber die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts in Betracht.405) b) Konkrete Laufzeit. Gelegentlich heißt es außerhalb der Rechtsprechung zu 2.262 Getränkelieferungsverträgen, dass die sittenwidrig lange Zeitvereinbarung „mit einer kürzeren, angemessenen Laufzeit“ aufrechtzuerhalten sei.406) Aus dieser Formulierung könnte man entnehmen, dass die Zeitvereinbarung nicht mit der höchst zulässigen, sondern mit einer unter Umständen kürzeren, angemessenen Zeitdauer aufrechtzuerhalten sei. Dies wäre jedoch eine Überinterpretation der zitierten Formulierung des BGH. Tatsächlich hat der BGH in allen ein___________ 402) BGH, Urt. v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2681; BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135. 403) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135. 404) BGH, Urt. v. 5.6.1989 – II ZR 227/88, NJW 1989, 2681. 405) BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135. 406) BGH, Urt. v. 1.10.1976 – V ZR 10/76, BGHZ 68, 1 = NJW 1977, 761.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

schlägigen Entscheidungen die Zeitvereinbarung mit der nach seiner Ansicht höchst zulässigen Bindungsdauer aufrechterhalten. In dem Maße, in dem eine Zeitvereinbarung nicht gegen das sittlich-rechtliche Verbot übermäßiger zeitlicher Bindungen verstößt, ist sie rechtmäßig, und für die Nichtigkeitssanktion besteht insoweit kein Anlass. Das heißt, die Zeitvereinbarung bleibt bis zur höchst zulässigen Grenze wirksam. Dies entspricht im praktischen Ergebnis auch der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre im hier interessierenden Zusammenhang, die mit § 242 BGB oder mit § 139 BGB analog nur eine Überschreitung der höchstzulässigen Zeitdauer unterbinden.407) Für eine weiterreichende Reduktion, z. B. aus generalpräventiven Gründen, besteht kein Anlass. Sie hätte außerdem Strafcharakter, wofür im Zivilrecht grundsätzlich kein Raum ist. Wenn die Zeitdauer der vereinbarten Bezugsbindung (auch) gegen das AGB-Recht verstößt, ist allerdings eine geltungserhaltende Reduktion nach h. M. nicht möglich. Dann ist die gesamte Zeitvereinbarung nichtig.408) 2.263 c) Grenze. Der Grenze zwischen der Verwirklichung des hypothetischen Parteiwillens und einer unzulässigen richterlichen Vertragsgestaltung kommt bei sittenwidrigen Regelungen besondere Bedeutung zu. Könnte ein Gericht bereits daraus, dass eine von ihm erwogene Aufspaltung in einen wirksamen und einen nichtigen Teil zu einem vernünftigen Interessenausgleich führt, folgern, diese entspräche dem hypothetischen Willen der Parteien, verlören sittenwidrige Rechtsgeschäfte das Risiko, mit denen sie in der Folge der gesetzlich angeordneten Nichtigkeitssanktion behaftet sind. Der Begünstigte könnte nämlich damit rechnen, schlimmstenfalls durch gerichtliche Festsetzung das zu bekommen, was die Parteien nach Auffassung des Gerichts bei redlicher Denkweise als gerechten Interessenausgleich hätten akzeptieren sollen. Fast jede sittenwidrige Vertragsklausel ließe sich auf diese Weise im Wege der quantitativen Teilbarkeit aufrechterhalten. Hierzu darf eine entsprechende Anwendung von § 139 BGB nicht führen. Im Grundsatz ist deshalb von der Nichtigkeit einer sittenwidrigen Klausel auszugehen. Nur ausnahmsweise kommt eine Aufspaltung in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil entsprechend § 139 BGB in Betracht, wenn konkrete, über allgemeine Billigkeitserwägungen hinausgehende Anhaltspunkte den Entschluss rechtfertigen, dass die Aufspaltung dem entspricht, was die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit ihrer Vereinbarung geregelt hätten.409) ___________ 407) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81. 408) BGH, Urt. v. 19.9.1983 – VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48; BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358. 409) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 17.10.2008 – V ZR 14/08, NJW 2009, 1135.

164

IV. Rückführung übermäßig langer Individuallaufzeiten

5.

Voraussetzungen der Rückführung im Übrigen

a) Individuallaufzeit. Einer Rückführung der Laufzeit steht selbst dann, wenn 2.264 es sich bei der Vereinbarung im Übrigen um einen Formularvertrag handeln sollte, das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht entgegen, weil die Vertragslaufzeit in der Regel nicht selbst formularmäßig vereinbart ist. Dies gilt erst recht dann, wenn sie sich erst mittelbar aus der vertraglich vereinbarten Abschreibung des gestellten Inventars und der Menge des bezogenen Bieres ergibt.410) b) Die Anwendung des § 139 BGB kommt nur in Betracht, wenn allein die 2.265 Vereinbarung einer zu langen Laufzeit zu beanstanden ist.411) Verstoßen auch andere Vertragsregelungen gegen die guten Sitten und führt dies dazu, dass der Vertrag insgesamt – und nicht nur wegen seiner langen Laufzeit – unwirksam ist, so ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, einen sittenwidrigen Getränkelieferungsvertrag mit vertretbarem Inhalt aufrechtzuerhalten. Diese Einschränkung bedeutet jedoch nicht, dass die Nichtigkeitsfolge schon dann zwingend eintritt, wenn neben der übermäßig langen Dauer nur wenige andere – möglicherweise sogar einer Einschränkung zugängliche – Formularklauseln zu beanstanden sind. Nur wenn der Getränkelieferungsvertrag auch ohne Berücksichtigung der Laufzeit insgesamt überzogen ist, kommt eine Reduzierung der Länge der Bezugsdauer nicht in Betracht.412) c) Die Ausschließlichkeitsbindung kann mit einer unter Berücksichtigung der 2.266 bereits erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen noch als angemessen anzusehenden kürzeren Laufzeit aufrechterhalten werden.413) d) Freiwillige nach Vertragsschluss erbrachte zusätzliche Leistungen können 2.267 unter dem Gesichtspunkt einer zeitlich begrenzten Aufrechterhaltung des Ver___________ 410) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 411) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Oldenburg, Urt. v. 24.5.1982 – 13 U 36/81; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 412) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 413) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Nürnberg, Urt. v. 29.6.2001 – 6 U 1762/00.

165

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

trages nach § 139 BGB Bedeutung gewinnen.414) Dies erscheint angemessen, weil der Getränkelieferant die Erbringung derartiger zusätzlicher Leistungen an eine Verlängerung der ursprünglich zulässigen Vertragsdauer hätte knüpfen können.415) 6.

Grenzen der Rückführung

2.268 a) Überschreiten der zulässigen Laufzeit. Es versteht sich von selbst, dass die Möglichkeit der Rückführung auf eine angemessene Laufzeit dann ins Leere geht, wenn auch dieser angemessene Zeitraum im konkreten Fall bereits überschritten ist.416) 2.269 b) Unbefristete Verträge. Ein unkündbarer und zeitlich unbefristeter Vertrag kann nicht mit einer begrenzten Laufzeit aufrechterhalten werden.417) 2.270 c) Verlängerung. Im Rahmen der Rückführung der Laufzeit auf ein zulässiges Maß kann nicht auf eine Abrede über die automatische Verlängerung mit Kündigungsmöglichkeit abgestellt werden, die mit der ursprünglichen Laufzeit eine Einheit bildet. Dem betroffenen Gastwirt würde sonst eine Vertragslaufzeit zugemutet, die über das nach § 138 Abs. 1 BGB gerade noch zulässige Maß hinausginge. Auch nach Ablauf einer reduzierten Bindungsfrist verlängert sich damit der Vertrag nicht automatisch.418) 2.271 d) Kürzung der Leistungen. Einen Rechtsfehler stellte es dagegen dar, wenn der Tatrichter gewissermaßen „Zug um Zug“ mit der Verkürzung der Vertragsdauer auf ein angemessenes Maß zugleich im Wege „ergänzender Vertragsauslegung“ die Leistungen des Getränkelieferanten entsprechend verringerte, also z. B. bei Verkürzung der Vertragslaufzeit von 20 auf 15 Jahre die nach dem ___________ 414) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 23.5.1973 – VIII ZR 164/71, WM 1973, 924 = Zeller I, 228; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 15.4.1987 – VIII ZR 97/86, NJW 1987, 1878 = ZIP 1987, 855; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 415) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 131. 416) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 417) RG, Urt. v. 29.5.1906 – II 507/05, RGZ 63, 333; RG, Urt. v. 15.6.1906 – II 514/05, RGZ 63, 390; RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 30.11.1909 – VII 51/09, JW 1910, 62; RG, Urt. v. 5.2.1909 – III 145/08; RG, Urt. v. 30.11.1921 – V 265/21; RG, Urt. v. 15.5.1926 – V 429/25, JW 1927, 119, m. Anm. Nipperdey; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149; BGH, Urt. v. 22.2.1980 – V ZR 135/76, WM 1980, 877 (Erbbaurechtsvertrag). 418) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

Vertrag von dem Getränkelieferanten zu erbringende Leistung von 80.000 DM auf 60.000 DM herabsetzte. Auf diese Weise würde die Unausgewogenheit im Verhältnis von Dauer der Bezugsbindung und Leistung nicht beseitigt, sondern gerade perpetuiert. Die Laufzeitreduzierung hat vielmehr unter unveränderter Aufrechterhaltung der übrigen Teile der beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere auch der Leistungen des Getränkelieferanten, zu erfolgen, weil nur die einseitige Vertragsanpassung das zu beanstandende Missverhältnis auszugleichen vermag.419) Der Getränkelieferant kann sich insoweit nicht auf den Wechsel der Geschäftsgrundlage berufen.420) 7.

Revisibilität

Die Rückführung einer übermäßig langen Laufzeit auf ein hinnehmbares Maß 2.272 unterliegt der revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Beurteilung.421) 8.

Folgen

a) Werden andere Gründe, die die Vereinbarung als unangemessen i. S. d. AGB- 2.273 Rechts erscheinen lassen können, nicht festgestellt, hat eine Reduzierung der vereinbarten Vertragslaufzeit auf die Wirksamkeit der Vereinbarungen im Übrigen keinen Einfluss.422) b) Pflichtverletzung. Verletzt der Gastwirt vor Ablauf der zulässigen Frist 2.274 seine Bezugsbindung, so haftet er auf Schadensersatz und Unterlassung.423) V.

Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

1.

Laufzeitregelungen und § 305 Abs. 1 BGB

a) Einführung. Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen bedarf es 2.275 einer besonders sorgfältigen Prüfung im Einzelfall, ob eine Laufzeitregelung als ___________ 419) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 420) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80. 421) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145. 422) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 423) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB angesehen werden kann.424) Gerade die Länge der Getränkebezugsverpflichtung kann nämlich Ausfluss und Ergebnis einer individualvertraglichen Abrede zwischen den Parteien sein.425) 2.276 b) Vorformulierung. Maßgeblich ist das äußere Erscheinungsbild des Vertrages.426) Eine Klausel wird man immer dann bejahen müssen, wenn die Festlegung der Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages – und die des entsprechenden Darlehens – von dem Getränkelieferanten als AGB-Verwender vorformuliert worden ist.427) 2.277 Ohne Relevanz ist, ob verschiedene Alternativen vorgedruckt sind oder handschriftlich eingetragen werden müssen. Denn auch Formulierungen, die „im Kopf des Verwenders“ gespeichert sind und in einer Vielzahl von Verträgen verwandt werden, sind AGB.428) Die durch eine (hand-/maschinen)schriftliche Ergänzung eines Vertragsformulars festgesetzte Laufzeit kann folglich ggf. als AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB gewertet werden.429) 2.278 c) Stellen/Aushandeln. aa) Grundlagen. Bei Textergänzungen bedarf es einer besonderen Prüfung, ob die Voraussetzungen von § 305 BGB gegeben sind.430) Zu fragen ist, ob der Ergänzung der Vertragslaufzeit ein selbstständiger Sinngehalt zukommt.431) 2.279 Werden dem Vertragspartner vom Formular Laufzeitvorgaben zum Ankreuzen (Kontrollkasten, sog. Checkbox) bzw. Anklicken eröffnet, etwa die Wahl zwischen einer fünf- oder zehnjährigen Laufzeit, so lässt dies den AGB-Charakter in der Regel nicht entfallen. Denn dann ist der Vertragstext vom Verwender

___________ 424) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1988 – 8 O. 595/97. 425) OLG Celle, Urt. v. 4.10.1990 – 12 U 24/90, Zeller IV, 104; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 426) LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 427) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 428) BGH, Urt. v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108 = NJW 1998, 1066 = ZIP 1999, 711; BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 429) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. Anders dagegen BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1999, 2180 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, BGHZ 176, 140 = NJW 2008, 2250 = ZIP 2008, 1877. 430) Siehe oben § 4 IV 5 d m. w. N. 431) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

gestellt.432) Anders ist es dagegen, wenn die Parteien die gewählten Regelungsalternativen wirklich ausgehandelt haben.433) Können die Kunden Beginn und Ende eines Versicherungsverhältnisses selbst 2.280 in Leerstellen eintragen, so wird ihnen nicht nur formal, sondern auch tatsächlich und unbeeinflusst durch Vorformulierungen die freie Wahl einer ihnen richtig erscheinenden Vertragsdauer gelassen. Somit liegt eine ausgehandelte Bestimmung vor. Dass die Leerstellen in über 90 % der Fälle mit einer Laufzeit von zehn Jahren ausgefüllt wurden, hat für die Beweislastverteilung keine Bedeutung.434) Zusätze und Einfügungen, die selbstständige Klauseln bilden, unterfallen nach 2.281 § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB dagegen nicht der Inhaltskontrolle, wenn sie nicht vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge enthalten, sondern vom anderen Vertragsteil frei gewählt und deshalb ausgehandelt sind. Eine Individualvereinbarung i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB kann in Betracht kommen, wenn der vorformulierte Vertrag die Laufzeit ausdrücklich vollständig offen lässt und der Vertragspartner frei eine Vertragsdauer wählen kann, ohne dass vom Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge hinzugefügt wurden.435) Hierzu kann auch die Laufzeit des Vertrages gehören.436) Dann spielt es auch keine Rolle, wenn der Verwender nur bereit ist, kurze Vertragslaufzeiten zu einem höheren Entgelt abzuschließen, denn derartige Hauptpreisvereinbarungen sind einer Inhaltskontrolle entzogen.437) Kann der Kunde bei einer Tarifwahl ohne Beeinflussung durch vorformulierten Entscheidungsvorschläge sich ein klares Bild über unterschiedliche Laufzeiten und die entsprechenden Preisgestaltungen verschaffen, bevor er die offenen Stellen des Formulars nach seiner freien Entscheidung ausfüllt, so stellt seine Ergänzung keine AGB dar.438) Dies soll dann ___________ 432) BGH, Urt. v. 3.12.1991 – XI ZR 77/91, NJW 1992, 503 = ZIP 1992, 24; BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJWRR 1997, 1000. 433) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 434) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676. 435) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 436) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 = ZIP 1998, 336; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 437) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407, kürzere Laufzeit eines Breitbandkabelvertrages gegen erhöhtes Nutzungsentgelt. 438) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407, kürzere Laufzeit eines Breitbandkabelvertrages gegen erhöhtes Nutzungsentgelt. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 24.7.1997 – 1 U 45/96, NJW-RR 1997, 1485; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

aber nicht der Fall sein, wenn dem Kunden ein Vertragstext angeboten wird, bei dem er lediglich die Wahl zwischen verschiedenen Laufzeiten und entsprechend kalkulierten Preisen hat, denn dann beschränkt sich der Verhandlungsspielraum des Kunden darauf, zwischen verschiedenen vom Verwender angebotenen vorformulierten Vertragsbestimmungen zu wählen.439) 2.282 bb) Rechtsprechung. Bei den Regelungen zur Vertragslaufzeit handelt es sich zumeist um individuell eingefügte und demnach nicht der Überprüfung anhand der §§ 305 – 310 BGB unterliegende Vertragsbestimmungen.440) Vor dem Hintergrund des tatsächlichen Regelablaufs von Verhandlungen über Getränkelieferungsverträge441) ist es daher nur erklärlich, wenn gerade von häufiger mit Fragen des Getränkelieferungsvertrages befassten Gerichten festgestellt wird, es spreche eine tatsächliche Vermutung für ein individuelles Aushandeln der Laufzeit i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.442) 2.283 Für eine Einordnung als Individualabrede sprechen eine Vertragslaufzeit von mindestens 10 Jahren, eine abzunehmende Mindesthektolitermenge von 1.100 hl, die Höhe des gewährten Darlehens und der Zinssatz; insofern handelt es sich um individuelle Umstände.443) Auch mögen ungewöhnliche („krumme“) Laufzeiten (konkret 11 Jahre und 10 Monate) und das maschinenschriftliche Einsetzen dieser Laufzeit für eine Individualabrede sprechen.444) Ergibt sich die Laufzeit erst mittelbar aus der vertraglich vereinbarten Abschreibung des gestellten Inventars und der Menge des bezogenen Bieres, so spricht dies gegen den AGB-Charakter.445) Dagegen lässt sich allein aus der Laufzeit des Nutzungsvertrages, etwa eines Pacht- oder Mietvertrages, grundsätzlich nichts für eine Individualabrede ableiten. 2.284 Ein Aushandeln der Laufzeit liegt dann nicht vor, wenn der Getränkelieferant die Laufzeit nachträglich in den vorgedruckten Vertragstext maschinenschriftlich einsetzt und den Vertrag dem Gastwirt zur Unterzeichnung zuschickt, ohne dass vorher über die Laufzeit gesprochen worden ist. Es fehlt dann eine

___________ 439) BGH, Urt. v. 23.6.2010 – VIII ZR 230/09, NJW 2010, 3431. 440) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. 441) Siehe oben § 9 III 1 m. w. N. 442) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.3.1986 – 6 U 89/85 (Kart); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71= Zeller IV, 47. 443) LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. 444) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 445) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

Bereitschaft zur Verhandlung über den von dem Getränkelieferanten einseitig festgelegten Vertragsinhalt.446) 2.

Grundlagen der Inhaltskontrolle von AGB-Erstlaufzeiten

Ist die bindende Erstlaufzeit des Getränkelieferungsvertrages nicht ausgehan- 2.285 delt, so sind grundsätzlich die allgemeinen Laufzeitschranken nach AGB-Recht zu beachten. § 309 Nr. 9 a BGB sieht zwar für Verbraucherverträge eine maximale Erstlaufzeit von zwei Jahren vor. Abhängig vom Vertragstyp und erst recht im unternehmerischen Rechtsverkehr können aber auch deutlich längere Vertragslaufzeiten zulässig sein. Ist die Laufzeitklausel unwirksam, kommt weder eine geltungserhaltende Reduktion auf eine zulässige Höchstfrist noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht. Der Vertrag läuft vielmehr auf unbestimmte Zeit und kann von den Vertragsparteien nach den Regelungen für die ordentliche Kündigung beendet werden 3.

Kontrollfähigkeit

a) Grundlagen. Vereinbarungen, die getroffen werden müssen, damit der Ver- 2.286 trag überhaupt zustande kommt, sind der Inhaltskontrolle nicht unterworfen. Dabei handelt es sich um die Vertragsbestimmungen, die den Gegenstand der (geschuldeten) Leistung und (Art und Umfang der) Gegenleistung betreffen. Hierfür gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Er kann nicht durch Anwendung dispositiver Vorschriften ausgefüllt werden. Entsprechende Klauseln sind nicht kontrollfähig.447) Ebenfalls unstreitig ist, dass Leistungsbeschreibungen, die den Kernbereich 2.287 berühren und Art, Güte und Umfang der Hauptleistung unmittelbar festlegen, einer Inhaltskontrolle entzogen sind.448) b) These. Richtigerweise dürften auch Laufzeitregelungen bei Getränkeliefe- 2.288 rungsverträgen über § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen sein.449) Die Laufzeit der (Ausschließlichkeits-)Bindung konkretisiert den zeitlichen Umfang der Vertragsbindung. Sie spiegelt die Bereitschaft des Gebundenen zum Ver___________ 446) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36. 447) BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720. 448) BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369; BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358; BGH, Urt. v. 6.4.2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574; BGH, Urt. v. 29.4.2010 – Xa ZR 5/09, NJW 2010, 1958; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077. 449) So der Verfasser wiederholt, u. a. im Rahmen eines Seminarvortrages am 13.9.2002 in Düsseldorf. Ihm folgend Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 42 m. Fn. 80 (allerdings mit fehlgehendem Hinweis auf Erman-Roloff, BGB, § 307 Rz. 45) und Rz. 173 Fn. 470.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

zicht auf Wettbewerb und stellt seine vorrangige, von ihm angebotene Leistung dar. Lediglich ergänzend treten die sonstigen, eher nachrangigen Ergänzungen der Bindung hinzu. Angesichts des Verbotes unbefristeter Ausschließlichkeitsabreden, und der aus dem Äquivalenzgedanken im Rahmen der Prüfung nach §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB geforderten Notwendigkeit der Gewährung einer hinreichenden Gegenleistung seitens des Getränkelieferanten, die im Ergebnis auch zur Einordnung des Getränkelieferungsvertrages als gemischter Vertrages führt, erscheint es vertretbar, die Laufzeitregelung sowohl juristisch als auch wirtschaftlich als „essentialia negotii“ anzusehen mit der Konsequenz der Kontrollfreiheit nach § 307 Abs. 3 BGB. 2.289 c) Begründung. Neben den Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung sind auch solche Klauseln nicht kontrollfähig, die das Entgelt für eine zusätzlich angebotene Sonderleistung festlegen, wenn hierfür keine rechtlichen Regelungen bestehen.450) Mithin stellen im nicht preisregulierten Markt Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen im Allgemeinen weder eine Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften dar und unterliegen daher nicht der Inhaltskontrolle.451) 2.290 Für die Höhe des finanziellen Engagements des Getränkelieferanten sind Inhalt und Umfang und damit auch die Laufzeit der Bezugsverpflichtung von entscheidender Bedeutung. Den Parteien des Getränkelieferungsvertrages bleibt es unbenommen, die Höhe der Leistungen des Getränkelieferanten, etwa Darlehensvaluta, Verzinsung und Rückführung, frei zu vereinbaren. Ebenso frei sind sie bei der Festlegung der Dauer der Bezugsverpflichtung als (Gegen-)Leistung des Gastwirts sein. Bei diesen Aspekten handelt es sich um Regeln über Art und Umfang des geschuldeten Gegenstandes der Hauptleistung. Sie sind auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungs- und Automatenaufstellverträgen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 BGB entzogen und nicht kontrollfähig.452) 2.291 Anders wird freilich zu entscheiden sein, wenn „ohne wenn und aber“ im Massengeschäft ohne detaillierte vertriebliche Vorgespräche und Feinabstimmung Gegenstände seitens der Getränkelieferanten zur Verfügung gestellt werden. Beispielhaft zu nennen sind Leih-, Miet- oder Festvereinbarungen über Ausschanktechnik (Theken, Kühlschränke, Zapfanlagen oder sonstige Ausschankhilfen) mit bestimmter Laufzeit.453) ___________ 450) BGH, Urt. v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27. 451) BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, NJW 1999, 2276 = ZIP 1999, 1090 (Unwirksamkeit von Deaktivierungsgebühren eines Telekommunikationsunternehmens); BGH, Urt. v. 16.11.1999 – KZR 12/97, BGHZ 143, 128; BGH, Urt. v. 18.4.2002 – III ZR 199/01, NJW 2002, 2386 = ZIP 2002, 1152; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077. 452) BGH, Urt. v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369. 453) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 42.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

d) Nach der Rechtsprechung unterliegen Laufzeitklauseln dagegen auch au- 2.292 ßerhalb des Anwendungsbereichs des § 309 Nr. 9 a BGB uneingeschränkt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.454) Es handele sich bei Laufzeitklauseln nicht um nach § 307 Abs. 3 BGB kontrollfreie Bestimmungen über eine Hauptleistungspflicht. Zwar haben Laufzeiten, dies erkennt auch der BGH an, einen erheblichen Einfluss auf die Hauptleistung, vor allem auf die Kalkulation des Preises. Der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB entzogen seien aber nur Bestimmungen, die unmittelbar den Gegenstand der Hauptleistung bestimmten. Klauseln, die die Hauptleistungen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, unterliegen hingegen nach gefestigter Rechtsprechung als Preisnebenabreden der Inhaltskontrolle. Dazu zähle auch die Vertragslaufzeit.455) e) Stellungnahme. Zum einen handelt es sich bei den in der Rechtsprechung 2.293 angesprochenen Konstellationen um Massengeschäfte aus dem Bereich der Versicherungs- und um Gestattungsverträge.456) Bei diesen geht es nur um das „ob“ des Vertragsabschlusses, nicht dagegen um das „wie“ der inhaltlichen Gestaltung, schon gar nicht in vergleichbarer Weise zum Getränkelieferungsvertrag. Insofern besteht eine Parallele zu der vorstehend gemachten Ausnahme für Massenverträge wie Miet- oder Leihverträge über Schankutensilien. Für den Regelfall eines Getränkelieferungsvertrages fehlt es aber an der Vergleichbarkeit. Gerade die Laufzeit ist wesentlicher Inhalt der Verhandlungen zum Abschluss eines Getränkelieferungsvertrages, bestimmt sie doch maßgeblich den Umfang der im Gegenzug auszuhandelnden Leistungen des Getränkelieferanten.457) 4.

§ 309 Nr. 9 a BGB

a) Meinungsstand. Teilweise wird die Auffassung vertreten, Getränkelieferungs- 2.294 verträge dürften gem. § 309 Nr. 9 a BGB generell nur auf zwei Jahre geschlossen werden. Dies unabhängig davon, ob der Bindende dem Kunden eine Leistung, insbesondere ein Darlehen, gewährt habe. Konsequenz wäre, dass jeder länger laufende Getränkelieferungsvertrag nichtig wäre. So wäre der Gastwirt weder ver___________ 454) BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358 (Versicherungsvertrag); BGH, Urt. v. 18.12.1996 – IV ZR 60/96, NJW-RR 1997, 1000 (Versicherungsvertrag); BGH, Urt. v. 26.3.1997 – IV ZR 71/96, NJW 1997, 1849 = ZIP 1997, 1343 (Versicherungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407 (Gestattungsvertrag); BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533 (Wartungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225 (Mietvertrag). 455) BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358 (Versicherungsvertrag). 456) Ebenso Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, a. a. O. 457) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

pflichtet über zwei Jahre hinaus Bier zu beziehen noch eine Gesamtabnahmemenge abzunehmen oder eine monatliche Bezugsmenge zu erfüllen.458) 2.295 Der BGH hat für einen vor Inkrafttreten des AGBG abgeschlossenen, aber noch nicht abgewickelten Getränkelieferungsvertrag ausgesprochen, dass der Abschluss von mehr als zwei Jahre dauernden, aber zeitlich immerhin begrenzten Bezugsverträgen zwischen einem Getränkelieferanten und einem Gastwirt, der (Minder-) Kaufmann war, nicht gegen das AGBG verstieß.459) 2.296 Auch finden sich Entscheidungen, bei denen die Frage der Anwendbarkeit des § 309 Nr. 9 a BGB im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Gebundenen offengelassen wurde.460) 2.297 b) Entscheidungserheblichkeit. aa) Abreden über die Laufzeit des Vertrages sind regelmäßig Individualabreden, sodass der Verbotstatbestand von § 309 Nr. 9 a BGB zumeist schon aus sachlichen Gründen (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) nicht herangezogen werden kann. 2.298 bb) Persönlicher Anwendungsbereich. Einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle steht im Übrigen in der Praxis weit überwiegend die Unternehmereigenschaft (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 BGB) der Gastwirte und Getränkehändler entgegen.461) Auch der Existenzgründer ist AGB-rechtlich Unternehmer.462) Zudem kommt der Vorschrift keine indizielle Wirkung zu.463) 2.299 Der persönliche Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 a BGB ist also nur dann eröffnet, wenn Getränkelieferungsvereinbarungen mit Verbrauchern (§ 13 BGB) geschlossen werden. Zu denken ist an Verträge mit Hauseigentümern sowie Schuldübernahme- oder -beitrittserklärungen zu Getränkebezugsverpflichtun___________ 458) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 459) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80. 460) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 461) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 462) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87. Siehe oben § 4 II 1 m. w. N. 463) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533, BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

gen durch GmbH-Geschäftsführer, GmbH-Gesellschafter, (Ehe-)Partner und Familienangehörige.464) c) Stellungnahme. Auch gegenüber den in den persönlichen Schutzbereich des 2.300 § 309 Nr. 9 a BGB einbezogenen Personen dürfte die spezielle Laufzeitgrenze im Ergebnis wohl nicht greifen.465) aa) Lieferung von Waren. Hauseigentümer und Mithaftende verpflichten sich 2.301 regelmäßig nicht selbst zum Bezug von Getränken. Eine entsprechende Getränkebezugsverpflichtung dürfte aber Voraussetzung für die Anwendung des § 309 Nr. 9 a BGB sein. bb) Umfang der Lieferung. Dagegen spielt der Umfang der Lieferung für die 2.302 Anwendbarkeit keine Rolle. Erfasst sind echte Dauerschuldverhältnisse, bei denen der Lieferumfang laufzeitabhängig ist, aber auch Verträge, bei denen die Liefermenge schon anfänglich feststeht. Ebenfalls ist es nicht notwendig, dass die Leistungsgegenstände bereits näher konkretisiert sind. cc) Zweifelhaft ist das Vorliegen einer „regelmäßigen“ Lieferung. Eine regel- 2.303 mäßige Lieferung setzt voraus, dass der Verwender die geschuldete Leistung entweder dauerhaft oder mehrfach in bestimmten Zeitabständen zu erbringen hat. Die Zeitabstände müssen nicht stets gleich sein.466) Nicht genügend ist die bloße Möglichkeit, dass es während der Laufzeit des Vertrages zu einer Warenlieferung kommen wird. Dies gilt im Regelfall auch für Rahmenverträge wie den Getränkelieferungsvertrag.467) Anders ist ggf. bei Getränkelieferungsverträgen zu entscheiden, die sich ausnahmsweise als echte Sukzessivlieferungsverträge einordnen lassen.468) dd) Folglich dürfte die Ausnahmevorschrift des § 309 Nr. 9 a Halbs. 2 BGB (Ver- 2.304 trag über die Lieferung „als zusammengehörig“ verkaufter Sachen) im Regelfall nicht einschlägig sein.469) d) Ergebnis. Dies bedeutet nicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für die 2.305 angesprochenen Verträge strengere Regelungen gelten sollen. Vielmehr bleibt insofern der Prüfungsmaßstab der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 307 ___________ 464) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71= Zeller IV, 47. 465) A. A. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 174. 466) BGH, Urt. v. 9.6.2005 – III ZR 436/04, BeckRS 2005, 07984. 467) Vom BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68, wurde die Frage im Zusammenhang mit § 1c Nr. 2 AbzG ausdrücklich offen gelassen. Wie hier der BGH, Urt. v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942, im Zusammenhang mit einem BahnCard.Vertrag. 468) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167; OLG Stuttgart, Urt. v. 13.3.1992 – 2 U 221/91, NJW-RR 1992, 887 und 1088. 469) Anders und konsequent das OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36, bei Einordnung als echter Sukzessivlieferungsvertrag.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

BGB.470) Nur kann nicht auf § 309 Nr. 9 BGB zurückgegriffen werden.471) Diese Vorschrift ist betont verbraucherbezogen und hat keinen auf den Geschäftsverkehr mit Unternehmern ausstrahlenden Gerechtigkeitsgehalt, weil im Rahmen des § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die im Handelsverkehr geltende Gewohnheiten und Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen ist. So trägt die langfristige Bindung bei Getränkelieferungsverträgen den besonderen Interessen und Bedürfnissen beider Vertragspartner Rechnung. Für den Getränkelieferanten ermöglicht sie insbesondere eine vorausschauende Planung von Produktion, Investition und Absatz. Das Interesse des Gastwirts geht dahin, eine möglichst hohe Leistung des Getränkelieferanten zu günstigen Konditionen zu erhalten, um einen gastronomischen Betrieb zu gründen oder zu erweitern.472) 5.

§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB

2.306 In dem – allerdings theoretischen – Fall, dass der Getränkelieferant überhaupt keine Leistung erbringen würde, wäre eine Getränkebezugsverpflichtung mit dem Grundgedanken des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vereinbar, weil jedes schützenswerte Interesse des Getränkelieferanten an einer langfristigen Sicherung des Getränkebezuges fehlt.473) 6.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

2.307 a) Einführung. Gemäß Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 gilt die (Gruppen-)Freistellung nach Art. 2 VO Nr. 330/2010 dann nicht, wenn für die Vertikalvereinbarung (hier Getränkelieferungsvertrag) mit (unmittelbarem oder mittelbarem) Wettbewerbsverbot (hier ausschließliche Getränkebezugsverpflichtung) eine Laufzeit von mehr als fünf Jahren vereinbart wird. Zu fragen ist, ob die Laufzeitgrenze des Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB schrankenziehende Wirkung hat. 2.308 b) Rückblick. aa) Gesetzeslage. Vom 1.1.1984 bis zum 31.5.2000 war die (Gruppenfreistellungs-)VO Nr. 1984/83 in Kraft. Sie sah für nur Bier betreffende Bezugsverpflichtungen eine Laufzeitgrenze von zehn Jahren vor (Art. 8 Abs. 1 d VO Nr. 1984/83). Für Getränkelieferungsverträge mit Bezugsverpflichtungen über Bier und andere Getränke statuierte Art. 8 Abs. 1 c VO Nr. 1984/83 eine Laufzeitgrenze von fünf Jahren. Da es sich hierbei um spezielle sekundärrechtliche Vorschriften des Unionskartellrechts handelte, stellte sich die Frage, ob diese Re___________ 470) Siehe oben § 10 V 3 d m. w. N. 471) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 472) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533, BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 473) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

gelungen im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu berücksichtigen waren. bb) Meinungsstand. In der Instanzrechtsprechung wurde teilweise vertreten, 2.309 den Vorschriften des sekundären Unionskartellrechts komme Leitbildfunktion zu. Bezugsbindungen durften danach nicht länger als zehn bzw. fünf Jahre andauern, ohne dass ein Verstoß gegen § 307 BGB vorliege.474) Demgegenüber finden sich auch ablehnende Entscheidungen.475) Der BGH konnte die Fragen dahinstehen lassen, weil sich die vereinbarten zehnjährige Laufzeiten der Getränkebezugsverpflichtung im Rahmen der Höchstlaufzeiten des Art. 8 Abs. 1 d VO Nr. 1984/83 hielten.476) c) Erheblichkeit. Da die Laufzeit zumeist individuell vereinbart ist, kommt 2.310 dem Meinungsstreit keine große praktische Bedeutung zu. Hinzu kommt, dass es für Getränkelieferungsverträge seit dem 1.6.2000 im europäischen Kartellrecht keine speziellen Laufzeitschranken mehr gibt.477) d) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. aa) Das Merkmal der gesetzlichen Regelung in 2.311 § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist identisch mit dem Begriff der Rechtsvorschriften in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.478) Es umfasst jede abstrakt-generelle Regelung, nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sondern auch Gesetze im materiellen Sinn. Hierzu rechnet grundsätzlich auch das europäische Recht, soweit es unmittelbare Wirkung hat. Letzteres folgt für Verordnungen aus Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV. bb) Die widerlegliche Vermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB setzt voraus, 2.312 dass im dispositiven Recht ein Leitbild vorhanden ist. Anders als im Miet- und Pachtrecht – dort zeigt im Übrigen § 544 BGB, dass eine langfristige Bindung dem gesetzlichen Leitbild der Miete/Pacht nicht widerspricht –, finden sich in deutschen Gesetzen keine speziellen expliziten Laufzeitschranken für Getränkelieferungsverträge. Insbesondere enthält § 309 Nr. 9 a BGB eine solche nicht.479)

___________ 474) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 475) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 476) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; ebenso bereits BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110, zu einem Tankstellenbelieferungsabkommen und Art. 12 Abs. 1 c EGVO Nr. 1984/83; sowie BGH, Urt. v. 3.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 477) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 478) Siehe oben § 7 II 1 m. w. N. 479) Siehe oben § 10 V 4 m. w. N.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.313 e) Fragestellung. Da das primäre europäische Unionsrecht, insbesondere das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, insofern als Leitbild relevanter Normenkreis ausscheidet, und sekundärrechtliche (abgeleitete) Verordnungen i. S. d. Art. 288 Abs. 2 AEUV nicht vorhanden sind, bleibt zu fragen, ob den von der Kommission in Ausfüllung des Art. 101 Abs. 3 AEUV und gestützt auf die jeweiligen sekundärrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen Leitbildfunktion i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zukommen kann. 2.314 f) Stellungnahme. aa) Einordnung der VO Nr. 330/2010. Bei der VO Nr. 330/ 2010 handelt es sich wie bei allen Gruppenfreistellungsverordnungen lediglich um Durchführungsregelungen. Diese werden von der Kommission, nicht etwa vom Europäischen Parlament und/oder dem Rat, auf der Basis einer dazu ermächtigenden Verordnung in Ausfüllung der Vorschrift des Art. 101 Abs. 3 AEUV erlassen. Die VO Nr. 330/2010 selbst enthält kein Verbot. Das Verbot ist vielmehr in Art. 101 Abs. 1 AEUV normiert und muss zunächst tatbestandlich festgestellt werden. Erst dann stellt sich die nachrangige Frage, ob die Freistellungsvoraussetzungen der VO Nr. 330/2010 in Ausgestaltung des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt sind. Denknotwendige Voraussetzung ist, dass der Tatbestand des Kartellverbots nach Art. 101 Abs. 1 AEUV festgestellt ist.480) 2.315 Jedenfalls seit der Entscheidung des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu vom 28.2.1991 dürfte feststehen, dass im Zusammenhang mit „deutschen“ Getränkelieferungsverträgen die tatbestandlichen Voraussetzungen des Unionskartellverbots nach Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht festgestellt werden können.481) Es geht nicht an, die zeitlichen Grenzen einer Freistellungsverordnung im innerstaatlichen Recht anzuwenden, ohne dass zunächst die Prämisse ihres Eingreifens, nämlich die Erfüllung des Verbotstatbestandes des Art. 101 Abs. 1 AEUV, festgestellt ist. 2.316 Mit einer Freistellungsverordnung kann – nicht zuletzt aus Kompetenzgründen – nichts „verboten“ werden, sondern nur von dem Verbot nach Art. 101 Abs. 1 AEUV gemäß dessen Abs. 3 „freigestellt“ werden. Die Berücksichtigung der in der Freistellungsverordnung genannten Höchstdauer der Vertragslaufzeit im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 307 BGB setzt mit anderen Worten voraus, dass der konkret zu beurteilende längerfristige Getränkelieferungsvertrag dem Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV unterfällt. Für die überwältigende Majorität der Brauereien in Deutschland ist das europäische Kartellrecht derzeitig tatbestandlich nicht erfüllt. Dies würde dann im Übrigen zur Anwendbarkeit eben dieser Verbotsnorm und Entbehrlichkeit eines zusätzlichen Kontrollinstruments in Gestalt des AGB-Rechts führen. ___________ 480) Siehe unten § 27 IX 1 b m. w. N. 481) Siehe unten § 27 IV 2 m. w. N.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

Anderenfalls (Folgenbetrachtung) würden die Beschränkungen des Unionskar- 2.317 tellrechts unter unbegründet leichteren Voraussetzungen im innerstaatlichen Recht angewendet werden als dies im Rahmen des Art. 101 AEUV möglich ist. Etwaige Beweisschwierigkeiten, insbesondere auch die Beweisprobleme bei der Feststellung der schweren Marktzugänglichkeit,482) sind bei der Kontrolle nach § 307 BGB keine anderen als im Unionsrecht. Sie rechtfertigen auch keine andere Beurteilung.483) bb) Verhältnis zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Es stellt sich die Frage, 2.318 wie das Rangverhältnis zwischen den kartellrechtlichen Bestimmungen einerseits und den Grundsätzen der richterlichen Inhaltskontrolle andererseits ausgestaltet ist. Immer dann, wenn eine Klausel gegen ein kartellrechtliches Verbot verstößt, 2.319 steht damit gleichzeitig fest, dass die Klausel auch nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.484) Soweit allerdings kartellrechtliche Verbotstatbestände nicht eingreifen, verbleibt es bei der allgemeinen richterlichen Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ohne Präjudiz. Kartellbehördlichen und -gerichtlichen Entscheidungen kommt weder Rechtskraft noch auch nur eine Indizwirkung hinsichtlich der Angemessenheit nach §§ 307 – 309 BGB zu.485) cc) Rechtsnatur. Sowohl die Vorgängerregelung des Art. 5 a VO Nr. 2790/1999 2.320 als auch die derzeit geltende Regelung des Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 statuier(t)en lediglich eine allgemeine Laufzeitgrenze für Vertikalvereinbarungen. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zur VO Nr. 1984/83, die für die thematisch erfassten Bierlieferungs- und Tankstellenverträge mehrere spezielle sowie eine allgemeine Laufzeitgrenze enthielt. Demgegenüber handelte es sich sowohl bei der Nachfolgeverordnung VO Nr. 2790/99 als auch bei der geltenden Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010 nur um sog. Schirmverordnungen. Sie enthielten bzw. enthalten keine branchenspezifischen Regelungen mehr. Vielmehr wird branchenübergreifend der Bereich vertikaler Vertriebsbindungen erfasst. Europäische Sonderregelungen für Getränkelieferungsverträge sind mit Inkrafttreten der VO Nr. 2790/99 am 1.6.2000 ersatzlos weggefallen. Der Schirmcharakter der Regelung dürfte ebenfalls der Annahme eines Leitbildes entgegengestanden haben.486) ___________ 482) Siehe unten § 27 VI 3 und 4, jeweils m. w. N. 483) BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356. 484) BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, WRP 2004, 1378 – Citroen; BGH, Urt. v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568 – BMW. 485) BT-Drucks. 8/1925, S. 16; von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragshändlerverträge, Rz. 14. 486) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht Bd. 1, 5. Aufl. 2012, VO Nr. 330/2000, Rz. 14.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.321 dd) Dies erhellt sich aus den unterschiedlichen Schutzzweckrichtungen des AGB-Rechts einerseits und des Unionskartellrechts andererseits. Das AGBRecht bezweckt ausschließlich den Schutz des Vertragspartners des AGBVerwenders vor unangemessenen AGBs.487) § 307 BGB dient also nur der Korrektur fehlenden Aushandelns, nicht dem Schutz und der Durchsetzung allgemeiner Ziele der Rechtsordnung. Anders dagegen das europäische Kartellrecht. Insofern wird ausschließlich oder ganz überwiegend die Freiheit des Wettbewerbs oder des Güter- und Warenverkehrs geschützt. Insbesondere geht es in diesem Zusammenhang um die Marktzutrittschancen der Wettbewerber der bindenden Getränkelieferanten.488) 2.322 Das GWB etwa befasst sich mit Geschäftsbedingungen in unterschiedlichen Zusammenhängen. Es regelt einerseits die Zulassung von AGB, indem es in §§ 2, 3 GWB die Voraussetzungen für die Freistellung vom Kartellverbot des § 1 GWB vorsieht. Durch die Vereinheitlichung der AGB, die ohnehin im Allgemeinen nicht sehr wettbewerbsintensiv sind, soll ein übersichtliches Angebot ermöglicht und der Wettbewerb auf Qualität und Preis konzentriert werden. Andererseits sollen kleinere und mittlere Unternehmen durch die Vereinheitlichung ihrer AGB eine stärkere Position gegenüber einem marktstarken Anbieter oder Abnehmer erlangen können. 2.323 Wenn auch die Regelungen des Unionskartellrecht – mehr mittelbar und „reflexartig“ – auch der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Freiheit des Gastwirts zugutekommen, sollte bereits die gegenüber dem AGB-Recht unterschiedliche Schutzrichtung Anlass genug sein, die Wertungsgesichtspunkte der VO Nr. 330/2010 – die im Übrigen nicht zwischen individualvertraglicher und formularmäßiger Vereinbarung differenziert – nicht auf die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle zu übertragen. 2.324 Außerdem ist denkbar, dass die Klausel zwar gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt, aber unabhängig von dem Eingreifen der Gruppenfreistellung jedenfalls unmittelbar die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt. Art. 5 (Abs. 1 a) VO Nr. 330/2010 ist also nicht so zu verstehen, dass von Gesetzes wegen bei Vereinbarung einer entsprechenden Klausel immer das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV und die Nichtigkeitsfolge des Art. 101 Abs. 2 AEUV eingreifen, sondern nur in dem Sinne, dass die Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010 nicht eingreift. Gegen eine Leitbildfunktion der VO Nr. 330/2010 spricht, dass diese gerade kein Verbot normiert, sondern Erlaubnisvoraussetzungen enthält.

___________ 487) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 15. 488) 18. Erwägungsgrund der VO Nr. 1984/83; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036.

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V. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

ee) Die Gruppenfreistellung setzt insofern in der Tat „zwingend“ die Einhal- 2.325 tung der Höchstdauer von fünf Jahren voraus. Im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist aber eine umfassende Wertung aller Interessen beider Parteien vorzunehmen. Die Feststellung der (Un-)Angemessenheit der Vertragsdauer hängt davon ab, welche Leistungen in Form von Darlehen und/oder Ausstattung oder Ausbau der Absatzstätte der Getränkelieferant erbracht hat und ob die Bezugsverpflichtung dem Wirt Raum lässt für eine Anpassung an geänderte Wünsche des Publikums. Im Rahmen dieser Angemessenheitsprüfung kann die kartellrechtliche Antwort nur eine von mehreren sein, die bei der Bilanzierung der Interessen zu beachten ist. Dies entspricht auch allgemeiner kartellrechtlicher Betrachtung. Ebenso wie nach 2.326 § 307 BGB ist auch kartellrechtlich eine Klausel nicht isoliert zu bewerten. Vielmehr ist zu berücksichtigen, wie sie sich in das gesamte Gefüge der Geschäftsbeziehungen eingliedert und ob bei einer zusammenfassenden Betrachtung der beiderseitigen Rechte und Pflichten davon die Rede sein kann, dass die Handlungsfreiheit des abhängigen Unternehmens in unangemessener Weise eingeschränkt und dadurch eigene Interessen des Marktbeherrschers durchgesetzt werden sollen.489) ff) Ergebnis. Folglich kommt Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 keine Indiz-/ 2.327 Leitbildfunktion zu. g) Gleiches gilt im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB. Die Laufzeit ist 2.328 zwar ein wesentliches, aber nicht das alleinige Kriterium und das auch zeitliche Ausmaß der zulässigen Bindung hängt mitentscheidend von den Leistungen des Getränkelieferanten ab.490) h) Verträge auf unbestimmte Zeit. Die Frage, ob Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/ 2.329 2010 über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen auf unbestimmte Zeit Relevanz erlangen kann, ist zu verneinen. Zum einen werden Getränkelieferungsverträge ganz überwiegend auf bestimmte Zeit abgeschlossen. Zum anderen wäre ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Vertrag nichtig, ein Pachtvertrag jedenfalls nach den gesetzlichen Bestimmungen des § 580a BGB i. V. m. § 581 BGB kündbar, entweder nach Tagen oder nach Wochen berechnet, je nachdem nach welchem zeitlichen Raster die zu zahlende Pacht/Miete für die Gastwirtschaft bemessen ist.491) Im Übrigen können die vorstehend zur Fünfjahresgrenze des Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 angeführten (Gegen-)Argumente auch hier fruchtbar gemacht werden.492) ___________ 489) BGH, Urt. v. 1.12.1981 – KZR 37/80, NJW 1982, 644; Bechtold, Kartellgesetz GWB, § 20 Rz. 72. 490) Siehe oben § 10 II 1, 3 b und 5, jeweils m. w. N. 491) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 12. 492) Siehe oben § 10 V 6 f m. w. N.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

VI.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke

1.

Prüfungsmaßstab

2.330 Bei formularmäßigen Festlegungen der Laufzeit ist gegenüber Unternehmern und Existenzgründern wegen §§ 310 Abs. 1, 14 Abs. 1 BGB nicht § 309 Nr. 9 BGB, sondern § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Prüfungsmaßstab.493) 2.

Grundsatz

2.331 Eine langfristige Vertragsbindung benachteiligt dann unangemessen, wenn durch sie allein oder ihre Ausgestaltung die persönliche Selbstständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum des Vertragspartners so beschränkt werden, dass er dem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist,494) ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufzeit durch die Natur des Vertrages vorgegeben ist.495) In Verträgen zwischen Unternehmern gelten großzügigere Maßstäbe, weil von einem Unternehmer erwartet werden kann, dass er abschätzen kann, ob die Vertragslaufzeit seinen Bedürfnissen entspricht.496) 3.

Grundlagen der Beurteilung

2.332 In Ergänzung zu den bisherigen Hinweisen497) sind insbesondere folgende Aspekte zu erinnern: 2.333 a) Prüfungsgrundsätze. aa) Umfassende Einzelfallprüfung. Ob eine die Laufzeit eines Vertrages betreffende Klausel den Vertragspartner des Verwenders in diesem Sinne entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, ist mit Hilfe einer umfassenden Abwägung der schützenswürdigen Interessen beider Parteien im Einzelfall festzustellen.498) 2.334 b) Es bedarf einer Würdigung des Einzelfalls nach Inhalt, Motiv und Zweck des Vertrages sowie den Umständen seines Zustandekommens.499) ___________ 493) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; PalandtGrüneberg, BGB, § 307 Rz. 78. 494) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 495) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 37. 496) BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 497) Siehe oben § 10 II 3 m. w. N. 498) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 499) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

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VI. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke

c) Im Rahmen der Abwägung sind der Zweck und der Gesamtcharakter des 2.335 jeweiligen Vertrages zu berücksichtigen. Abzustellen ist auf die konkrete Ausgestaltung des Vertrages in seinen einzelnen Bestimmungen und insbesondere darauf, welcher Spielraum dem Gastwirt zur selbstständigen und flexiblen Unternehmensführung verbleibt.500) Bei dieser Abwägung sind nicht nur die aufseiten des Verwenders getätigten 2.336 Investitionen, sondern der gesamte Vertragsinhalt zu berücksichtigen. Notwendig ist eine Gegenüberstellung der insgesamt begründeten gegenseitigen Rechte und Pflichten.501) Zu betrachten ist die Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung einschließlich etwaiger verlängernder Nachträge502) sowie etwaiger zurechenbarer Anschlussbindungen.503) 4.

Beurteilungskriterien

Hinsichtlich der relevanten Beurteilungskriterien kann zunächst nach oben ver- 2.337 wiesen werden.504) a) Getränkebezugsverpflichtung. aa) Sortimentsbindung. Die Dauer der zu- 2.338 lässigen Bezugsbindung hängt darüber hinaus wesentlich von dem sachlichen Umfang der Bindung ab.505) Von Bedeutung ist, ob die Bezugsverpflichtung lediglich Bier zum Gegenstand hat.506) bb) Im Rahmen der Prüfung einer Laufzeitklausel kommt der Menge Bedeu- 2.339 tung zu.507) Die Vereinbarung einer Mindestabnahmeverpflichtung stößt grundsätzlich auf keine Bedenken.508) ___________ 500) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 501) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533; BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2007, 818. 502) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 503) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 504) Siehe oben § 10 II 3 m. w. N. 505) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 506) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 507) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 508) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.340 Der BGH sah in dem streitgegenständlichen Zehnjahresvertrag mit einer vereinbarten Mindestabnahmepflicht von 4.000 hl (Mengenvertrag) keine unzumutbare Benachteiligung des Gastwirts. Der Gastwirt hatte nämlich zuvor bereits eine andere Absatzstätte betrieben, auf die im Vertrag ausdrücklich Bezug genommen worden war. Deshalb konnte davon ausgegangen werden, dass er die Absatzmöglichkeiten für die Absatzstätte beurteilen konnte und sich nur auf einen erzielbaren Absatz eingelassen hatte.509) 2.341 cc) Unbedenklich ist die Festsetzung der Abnahmepreise durch den Getränkelieferanten. Hier wie auch im Zusammenhang mit der Mindestabnahmeverpflichtung weist der BGH deutlich darauf hin, dass die vertragliche Erwähnung des Umstandes „Altobjekt“ und „Altkunde“ von besonderer Bedeutung ist.510) Dieses sollte sich also sowohl im Leistungsantrag als auch insbesondere im Vertrag selbst niederschlagen. 2.342 dd) Nachfolgeklausel. Eine Nachfolgeklausel des Inhalts, dass der Gastwirt gesamtschuldnerisch neben dem Nachfolger weiterhaftet, ist jedenfalls dann im Rahmen des § 307 Abs. 1 BGB außer Betracht zu lassen und damit unbedenklich, wenn diese kein Zustimmungserfordernis des Getränkelieferanten vorsieht.511) 2.343 ee) Kündbarkeit. Die Laufzeitverträge schließen naturgemäß eine ordentliche Kündigung für einen oder beide Vertragsparteien für die Vertragsdauer aus, wenn nicht der Vertrag Sonderregelungen enthält. Gleichwohl bedarf es nach ganz h. M. keines Hinweises auf das dem Vertragspartner gleichwohl zustehende außerordentliche Kündigungsrecht. Auch bei kundenfeindlichster Auslegung kann einer Laufzeitklausel nicht der Ausschluss eines außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund entnommen werden.512) Die fehlende Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung führt daher nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung. Der Vortrag des Gastwirts, er werde dadurch in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt, er erlange aus dem Getränkelieferungsvertrag keine wesentlichen Vorteile und habe möglicherweise die Absatzchancen bei Vertragsschluss nicht einschätzen können, ist unerheblich, weil diese Aspekte in seinen Risikobereich fallen. Es gehört zu seinen Obliegenheiten, vor Abschluss des Getränkelieferungsvertrages dessen Konditionen zu prüfen und abzuwägen, ob es sich um einen für ihn günstigen Vertrag handelt. Dies vor allem dann, wenn der streitgegenständliche Vertrag lediglich eine bereits bestehende Regelung verlän___________ 509) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 510) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 511) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 512) BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133.

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VI. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke

gert und ergänzt und der Gastwirt die streitgegenständliche Absatzstätte bereits seit vielen Jahren betreibt.513) b) Leistungen des Getränkelieferanten. aa) Art. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt auch von der Art der erbrachten Leistungen ab.514) Steht der Bezugspflicht als Leistung eine Vergütungsvorauszahlung von 80.000,00 DM netto gegenüber, was einem längerfristigen unverzinslichen Darlehen entspricht, und kommen ein unstreitig „denkbar niedriger Pachtzins“, eine Festschreibung desselben auf zehn Jahre und ein dem Gastwirt günstiger Pachtzinsanpassungsmechanismus – Erhöhung der Festpacht erst dann, wenn der Lebenshaltungskostenindex gegenüber dem Stand von Februar 2001 um mehr als 10 % gestiegen ist – hinzu, so kann das Unwirksamkeitsverdikt des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht angenommen werden.515) Zu einem abzuschreibenden Zuschuss sowie einem niedrigen Entgelt für die Nutzungsüberlassung kann ein Urteil des OLG Frankfurt vom 30.11.2000 berichtet werden.516) bb) Umfang. Bei der Interessenabwägung ist aufseiten des Getränkelieferanten insbesondere das Maß der Investitionen zu betrachten. Von besonderer, allerdings nicht allein maßgeblicher Bedeutung sind die finanziellen oder auch sonstigen geldwerten Leistungen, die der Ausschließlichkeitsbindung gegenüberstehen. cc) Maßgeblich ist, welche Leistungen vertraglich vereinbart sind.517) dd) Da die Bindungen des Gastwirts um so weiter gehen dürfen, als die Leistungen des Getränkelieferanten reichen, ist bei der Zurverfügungstellung eines Darlehens von Bedeutung, zu welchem Zinssatz dieses gewährt wird.518) Liegt dieser beispielsweise deutlich unterhalb des allgemeinen (Zins-)Marktniveaus, so ist dieser Zinsvorteil bei der Wertung von Leistung und Leistung zu berücksichtigen.519) Liegt der vereinbarte Zinssatz unter dem – damals – marktüblichen Zins, so ist er selbst dann als solcher unbedenklich, wenn eine Verzinsung von jährlich 8 % ausbedungen war.520) ___________ 513) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 514) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 515) OLG Nürnberg, Urt. v. 29.6.2001 – 6 U 1762/00. 516) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 517) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 518) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 519) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 520) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

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2.344 2.345

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

2.350 dd) Zur Rückführung einer Finanzierung wird auf die BGH-Entscheidung vom 25.4.2001 verwiesen.521) 2.351 ee) Von Bedeutung kann auch eine etwaige Absicherung einer Darlehensverbindlichkeit sein. Handelt es sich etwa um ein ungesichertes Darlehen oder um ein Darlehen, das lediglich durch eine Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar abgesichert war, so sind engere Bindungen des Gastwirts an den Getränkelieferanten gerechtfertigt. Die Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar stellt nämlich keine ausreichende Sicherung dar, weil dieses relativ rasch an Wert verliert, was auch durch die festgelegte steuerliche Abschreibung mit 0,84 % monatlich nicht ausgeglichen werden kann.522) 5.

Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten

2.352 a) Umfang. Wie auch im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB kommt es auf den Umfang der Leistungen an. Je größer die vertraglich vereinbarten (Gegen-)Leistungen des Getränkelieferanten sind, desto einschneidender können im Einzelfall die Bindungen sein, die der Gastwirt im Interesse einer sachgerechten Risikobegrenzung aufseiten des Getränkelieferanten hinnehmen muss.523) 2.353 b) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts.524) 2.354 c) Umstände in der Person des Verpflichteten. aa) Existenzgründung. Zunächst von Bedeutung ist der Umstand, dass die Finanzierung des Gastwirts häufig dem Aufbau und der Fortführung der Gastwirtschaft dient.525) Es liegt dabei in der Natur der Sache und entspricht den legitimen Interessen der Getränkelieferanten an der Möglichkeit eines wirksamen Durchgreifens bei Leis___________ 521) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 522) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 523) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532;= ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533; BGH, Urt. v. 11.1.2006 – VIII ZR 396/03, NJW-RR 2006, 615; BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 (Wärmelieferungsvertrag); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BGH, VIII ZR 5/01, BeckRS 2014, 10153, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1552. 524) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 525) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

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VI. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke

tungsstörungen, insbesondere in Zeiten einer starken Fluktuation sowie zahlreicher Neueröffnungen und Betriebsübergänge im Gaststättengewerbe, dass der Anfänger, dessen Leistungsfähigkeit und Vertragstreue dem Getränkelieferant noch nicht bekannt sind, u. U. mehr an Bindungen hinnehmen muss als ein bereits etablierter Gastwirt. In einem solchen Fall sind im Regelfall engere Bindungen des Gastwirts an den Getränkelieferanten gerechtfertigt.526) bb) Es entspricht nicht nur praktischer Erfahrung, sondern auch richterlicher 2.355 Einschätzung, dass eine erhebliche Mehrzahl der Gastwirtsdarlehen von Personen nachgefragt wird, denen es an der Kreditwürdigkeit fehlt.527) d) Positiv ist zu berücksichtigen, wenn der Getränkelieferant – wie in der Regel 2.356 – mit seinen Leistungen in Vorleistung tritt und diese Leistung während der Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages amortisiert werden soll.528) Die höchstzulässige Dauer der Vertragslaufzeit ist demzufolge davon abhängig, welcher Kapitalaufwand dem die Vertragslaufzeit vorgebenden Vertragsteil für die Erfüllung dieses Vertrages entsteht. Hohe Entwicklungs- oder Vorhaltekosten, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisieren, rechtfertigen daher regelmäßig eine längerfristige Bindung des anderen Teils. 6.

Zehnjahresgrenze und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Rechtsprechung. aa) Inhalt. Ob der zulässigen Dauer von Getränkeliefe- 2.357 rungsverträgen zwischen Kaufleuten, soweit die Laufzeit ausnahmsweise in AGB vereinbart wurde, nach Inkrafttreten des AGBG engere Grenzen als zuvor gesetzt waren, hatte der BGH zunächst offenlassen können.529) Mit seinem Urteil vom 25.4.2001 hat der BGH entschieden, dass eine AGB-Laufzeit in einem Getränkelieferungsvertrag über zehn Jahre den Gastwirt, der den Vertrag als Unternehmer i. S. d. §§ 310 Abs. 1, 14 Abs. 1 BGB abgeschlossen hat, jedenfalls im Regelfall nicht unangemessen benachteiligt.530) In einer Entscheidung vom 11.1.2006 wurde diese Rechtsprechung ausdrücklich, wenn auch nur obiter, bestätigt.531)

___________ 526) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 527) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 528) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72; BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 529) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80. 530) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; Bühler, Anm. BGHReport 2001, 581. 531) BGH, Urt. v. 11.1.2006 – VIII ZR 396/03, NJW-RR 2006, 615 (Tankstellenvertrag).

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

Entsprechend urteilt auch die vorher bzw. später ergangene obergerichtliche Rechtsprechung.532) 2.358 bb) Begründung. Da dem Gastwirt im Zusammenhang mit einem Getränkelieferungsvertrag regelmäßig ein Darlehen zur Verfügung gestellt wird, das dem Aufbau und der Fortführung der Gastwirtschaft dient und das durch den kontinuierlichen Getränkebezug amortisiert533) wird, ist eine solche Bindung unter Berücksichtigung der im Unternehmerverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche (§ 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB) sowie der beiderseitigen Interessen und Bedürfnisse der Parteien hinzunehmen.534) Allein die Verpflichtung, Getränke ausschließlich von dem Getränkelieferanten zu beziehen, ist – ohne Regelung einer Mindestabnahmemenge – unter Berücksichtigung der Interessen des Getränkelieferanten keine angemessene Gegenleistung. 2.359 Über § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB können die Wertungen der §§ 308 und 309 BGB unter angemessener Berücksichtigung der im Unternehmerverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche im Rahmen der Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 (Nr. 1 und 2) BGB Bedeutung erlangen.535) Eine Inhaltskontrolle ist daher ausgeschlossen, wenn eine Regelung gem. § 346 HGB als Handelsbrauch den Vertragsinhalt bestimmt.536) Ein Handelsbrauch setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass sich eine im Verkehr der Kaufleute untereinander verpflichtende Regelung herausgebildet hat, die auf einer gleichmäßigen, einheitlichen und freiwilligen tatsächlichen Übung beruht, die sich außerhalb eines angemessenen Zeitraumes für vergleichbare Geschäftsvorfälle gebildet hat und der eine einheitliche Auffassung der Beteiligten zugrunde liegt.537) ___________ 532) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Hamm, Urt. v. 28.4.2003 – 5 U 6/03; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080. 533) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. Zum Amortisationsgedanken als Begründungselement der Zulässigkeit einer zehjährigen Laufzeit siehe auch BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626 (Mastkükenbrüterei, bejahend) und BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 (Wärmelieferungsvertrag, verneinend). 534) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; Bühler, Anm. BGHReport 2001, 581. 535) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 536) BGH, Urt. v. 23.4.1986 – IVa ZR 209/84, NJW-RR 1987, 94. 537) BGH, Urt. v. 25.11.1993 – VII ZR 17/93, NJW 1994, 654; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

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VI. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als Laufzeitschranke

b) Schrifttum. In der Literatur sprechen sich einzelne Stimmen dafür aus, bei 2.360 Fehlen Leistung (Darlehen, Leistungen im Übrigen) nur Bindungen bis zu fünf Jahren zu billigen.538) Bei Fehlen einer Darlehensgewährung oder sonstigen Leistung des Getränkelieferanten könne in Anlehnung an § 624 BGB eine Bindungsdauer von mehr als fünf Jahren nur aus besonderen Gründen als angemessen eingestuft werden. 7.

Laufzeiten von mehr als zehn Jahren und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Ausgangspunkt. In der Rechtsprechung des BGH kann man keine einheit- 2.361 liche Linie zu der Frage feststellen, ob generell Vertragslaufzeiten von mehr als zehn Jahren zulässig sind und ob es insofern der Feststellung besonderer Umstände bedarf. Der X. Zivilsenat vertritt die Ansicht, dass selbst bei Vorliegen besonderer Umstände eine derart langfristige Bindung im Regelfall eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners begründe.539) Demgegenüber hat der VIII. Zivilsenat einer derart starren Grenze im hier interessierenden Zusammenhang eine Absage erteilt und verlangt eine unter Berücksichtigung von Inhalt, Motiv und Zweck des jeweiligen Vertrages vorzunehmende Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien im Einzelfall.540) Der XII. Zivilsenat hat die Frage ausdrücklich offen gelassen.541) b) These. Auch Laufzeiten von mehr als zehn Jahren können im Hinblick auf 2.362 die Notwendigkeit einer angemessenen Amortisation von Investitionen, Entwicklungs- oder Vorhaltekosten des Getränkelieferanten wirksam sein.542) c) Begründung. Bei der Vereinbarung von Laufzeiten von 10 Jahren und mehr 2.363 ist zu berücksichtigen, dass es aufseiten des Klauselverwenders in der Regel besonderer Umstände bedarf, die eine Laufzeit von 10 Jahren und mehr rechtfertigen können.543) Dabei könnte der vom BGH nicht nur in der Grundsatzentscheidung zum Getränkelieferungsvertrag angesprochene Amortisationsgedanke fruchtbar gemacht werden. Bei Dauerschuldverhältnissen, die nicht allein auf Warenabsatz gerichtet sind, ist die höchstzulässige Dauer der Vertragslaufzeit davon abhängig, welcher Kapitalaufwand dem die Laufzeit vorgebenden ___________ 538) U. a. Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, Klauseln B Rz. 331. 539) BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 540) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 73/11, BeckRS 2013, 12063. Anders dagegen im Übrigen: BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 541) BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 542) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 543) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533.

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§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

Vertragsteil für die Erfüllung des Vertrages entsteht (Amortisationsgesichtspunkt).544) Abschreibungszeiten kommt in diesem Zusammenhang nur eine eingeschränkte Indizwirkung zu.545) 2.364 d) Rechtsprechung. Es ist anerkannt, dass die formularmäßige Vereinbarung einer 12-jährigen Laufzeit eines Mietvertrages über eine neue Fernsprechnebenstellenanlage rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn ihr entsprechende Vorhaltekosten des bindenden Teils gegenüberstehen.546) 2.365 Bei der Inhaltskontrolle einer 20-jährigen Vertragslaufzeitklausel einer Vereinbarung über Telekommunikationsanlagen kommt es nicht darauf an, ob der Vermarkter bei seiner Kalkulation einen Gewinn erstmals im 15. Vertragsjahr erwirtschaften kann. Bei der Interessenabwägung ist aufseiten des Kabelanschlussanbieters zu berücksichtigen, dass er hohe Entwicklungs- und Vorhaltekosten aufwenden muss, die sich nur bei längerer Vertragsdauer amortisieren. Entscheidend ist, ob generell eine 20-jährige Vertragsbindung erforderlich ist, damit die Vermarktung von Telekommunikationsanlagen in der vorliegenden Weise wirtschaftlich sinnvoll ist. Soweit dies weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich ist, führt dies zur Nichtigkeit der Klausel nach § 307 BGB.547) 2.366 Bei einem Tankstellenvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren sei zu berücksichtigen, dass der Vertragsschluss in den neuen Bundesländern zu einem Zeitpunkt erfolgte (Anfang 1991), als die dortige wirtschaftliche Entwicklung noch nicht absehbar war. Deshalb wurden keine durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken formuliert.548) 2.367 In Vertiefung dieses Gedankens hat sich der BGH in einem nicht veröffentlichten (Prozesskostenhilfe-)Beschluss vom 26.6.2002 zu einem 25 Jahre dauernden Alleinbezugsvertrag zwischen einem Mineralölunternehmen und einem Tank___________ 544) BGH, Urt. v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328; BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3304 = ZIP 1997, 1933; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 (Wärmelieferungsvertrag). 545) BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407. 546) BGH, Urt. v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328; BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133 – Breitbandkabel (12 Jahre); zu einer 10-Jahres-Laufzeitklausel in einem Wartungsvertrag für eine gekaufte Telefonanlage BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. Zu Verbrauchserfassungsgeräten siehe BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 547) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3304 = ZIP 1997, 1933 (20 Jahre); BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407 (25 Jahre). 548) BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1356; BGH, Beschl. v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00 (25 Jahre); OLG Hamburg, Urt. v. 13.4.2000 – 3 U 124/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00 (20 Jahre).

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VII. Rechtsfolgen unwirksamer Laufzeitklauseln

stellenstationär geäußert. Im Hinblick auf die erheblichen Investitionen des Mineralölunternehmens in Höhe von 3,14 Mio. DM äußerte er gegen die Länge der Bezugsdauer keine Bedenken.549) e) Folgerungen. Es spricht einiges dafür, den vom BGH wiederholt genannten 2.368 Amortisationsgedanken als maßgeblichen Faktor im Rahmen der Konkretisierung des im Einzelfall vorzunehmenden Abwägungsprozesses mit einzustellen. Überträgt man diesen Ansatz auf vergleichbare Situationen, etwa auch die des selbst bewirtschaftenden Hauseigentümers, ggf. auch die des nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümers, so ist festzuhalten, dass selbst bei klauselmäßiger Formulierung der Laufzeit Bindungszeiten von über zehn Jahren jedenfalls dann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine unangemessene Benachteiligung des Klauselgegners darstellen, wenn sie zur Amortisation der seitens des Bindenden erbrachten erheblichen (Vor-)Leistungen wirtschaftlich erforderlich sind.550) VII. Rechtsfolgen unwirksamer Laufzeitklauseln 1.

Laufzeitklausel

a) § 309 Nr. 9 a BGB. Eine gegen § 309 Nr. 9 a BGB verstoßende Laufzeitre- 2.369 gelung ist insgesamt nichtig und nicht nur insoweit unwirksam, als die Kündigung für mehr als zwei Jahre ausgeschlossen wird.551) Die Unwirksamkeit der Laufzeitklausel soll nach einer M. M. bewirken, dass ein unbefristeter, jederzeit kündbarer Vertrag vorliege.552) Überwiegend wird nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung eine Laufzeit ermittelt bzw. die Lücke des dispositiven Rechts durch richterliche Rechtsfortbildung geschlossen.553) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Grundsatz. Die Unwirksamkeit der Laufzeit- 2.370 klausel hat zur Folge, dass der Vertrag auf unbestimmte Zeit läuft.554) Wegen des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion sind gegen § 307 BGB ver-

___________ 549) BGH, Beschl. v. 26.6.2002 – VIII ZR 151/00. 550) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399 (11 Jahre); OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837 (20 Jahre). 551) BGH, Urt. v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309; BGH, Urt. v. 4.11.1992 – VIII ZR 235/91, NJW 1993, 326; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.1.1987 – 14 U 166/85, NJW-RR 1987, 438; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36. 552) OLG Frankfurt/M., Urt. v. – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36. 553) Palandt-Grüneberg, BGB, § 309 Rz. 95. 554) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110 (Tankstellenvertrag); BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 (Wärmelieferungsvertrag); OLG Frankfurt/M., Urt. v. – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36, im Zusammenhang mit § 309 Nr. 9 a BGB.

191

§ 10 Dauer der Ausschließlichkeitsbindung

stoßende Bindungen nach § 306 Abs. 1 BGB sind daher regelmäßig insgesamt unwirksam und entfallen ersatzlos.555) 2.371 Zu den gesetzlichen Vorschriften i. S. d. § 306 Abs. 2 BGB gehören zwar auch die §§ 157, 133 BGB über die ergänzende Vertragsauslegung.556) Eine zu lange Vertragsdauer kann sonach auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung gekürzt werden. Die frühere Rechtsprechung des BGH zu Getränkelieferungsverträgen, die vor Inkrafttreten des AGBG geschlossen wurden, wonach Verträge mit unwirksamen Laufzeitklauseln aufrechterhalten wurden, indem die Laufzeiten auf das zulässige Maß reduziert wurden,557) lief im Ergebnis auf eine geltungserhaltende Reduktion hinaus558); sie ist überholt. 2.372 bb) Dispositives Recht. Die ersatzweise Heranziehung dispositiver Vorschriften scheidet hier aus. § 309 Nr. 9 a BGB ist kein tauglicher Maßstab. Dies schon deshalb nicht, weil die Grenzen der Vorschrift für zahlreiche Vertragstypen gar nicht passen und das Risiko, eine nach § 309 Nr. 9 a BGB unwirksame Klausel zu verwenden, auf null reduziert wäre. Vielmehr könnten Laufzeit und Kündigungsfrist ausnahmsweise danach bemessen werden, wie es billigem Ermessen entspreche. Dabei könnten die typischen AGB-Laufzeiten (zehn Jahre) solcher Verträge als Vorlage dienen, sofern diese Zeiten nicht schon Elemente der Sittenwidrigkeit in sich tragen.559) 2.373 cc) Kündbarkeit. Auch wenn sich die Unwirksamkeit der Laufzeitvereinbarung aus § 307 BGB ergibt, führt die Anwendung des § 306 Abs. 2 BGB nicht ___________ 555) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, NJW-RR 2002, 1136, 1137; BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; BGH, Urt. v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09, NJW-RR 2012, 249 (Wärmelieferungsvertrag). A. A. zum Getränkelieferungsrecht noch OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837: geltungserhaltende Redukion auf eine Vertragsdauer von zehn Jahren analog § 139 BGB. 556) BGH, Urt. v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578; BGH, Urt. v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 = NJW 2009, 2662; BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250. 557) Zur älteren Rechtsprechung siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2384-2.386, jeweils m. w. N. 558) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 559) BGH, Urt. v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309; BGH, Urt. v. 6.11.1985 – IVa ZR 96/84, NJW 1986, 1173; BGH, Urt. v. 13.7.1994 – IV ZR 107/93, BGHZ 127, 35 = NJW 1994, 2693 = ZIP 1994, 1358; BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 25/99. a. A. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. Ist die Laufzeit von höchstens zwei Jahren im Zeitpunkt des Prozessierens bereits abgelaufen, so könne der Getränkelieferant keine Rechte mehr geltend machen.

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VII. Rechtsfolgen unwirksamer Laufzeitklauseln

notwendig zu dem Ergebnis, dass ein Getränkelieferungsvertrag, bei dem die gelieferte Menge in Unabhängigkeit von der Vertragsdauer bestimmt wird, als Dauerschuldverhältnis unbefristet und deshalb ordentlich kündbar ist.560) Fehlen bei einem unbefristeten Dauerschuldverhältnis Vorschriften über ein 2.374 ordentliches Kündigungsrecht und haben die Parteien die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, ein solches Dauerschuldverhältnis in entsprechender Anwendung der §§ 584, 624, 723 BGB ordentlich unter Einhaltung einer Frist zu kündigen.561) dd) Kündigungsfrist. Unter Beachtung welcher genauen Frist der Vertrag ge- 2.375 kündigt werden kann, ist dabei abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls und insbesondere den Dispositionen, welche die Parteien zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten getroffen haben. Im Zweifel dürfte aus §§ 584 Abs. 1, 624 Abs. 1 BGB der allgemeine Rechtgedanke abzuleiten sein, dass jedenfalls eine Kündigung zum Ende eines Vertragsjahres mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zulässig ist. 2.

Vertrag im Übrigen

a) Grundsatz. Der Vertrag bleibt im Übrigen bestehen. Im Regelfall ist keine 2.376 Gesamtunwirksamkeit des Vertrags nach § 306 Abs. 3 BGB anzunehmen. Denn der Wegfall der vereinbarten Laufzeit führt im Allgemeinen nicht dazu, dass dem Verwender ein Festhalten am Vertrag unzumutbar wird, zumal er das Risiko der Unwirksamkeit der Klausel trägt. b) Ausnahme. Die Unwirksamkeit einer AGB-mäßig geregelten Laufzeit kann 2.377 nur dann nach § 306 Abs. 3 BGB zur Gesamtunwirksamkeit des Vertrages führen, wenn das Festhalten an dem Vertrag für den Gebundenen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Eine solche kann sich daraus ergeben, dass nach Wegfall der betreffenden Laufzeitklausel der maßgebliche Vertragsinhalt unklar (geworden) ist. Dieses wurde von der Rechtsprechung – allerdings nicht im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen – dann angenommen, wenn Folge des Wegfalls der Laufzeitvereinbarung ein Vertrag auf unbestimmte Zeit war oder aber die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung angenommen werden konnte.562)

___________ 560) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; a. A. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. 561) BGH, Beschl. v. 15.9.2009 – VIII ZR 241/08, BeckRS 2009, 86578; BGH, Urt. v. 22.2.2012 – VIII ZR 34/11, NJW-RR 2012, 690. 562) OLG München, Urt. v. 19.6.2008 – U (K) 4252/07, BeckRS 2008, 12473 (Schmierstofflieferabkommen).

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§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit I.

Verlängerung

1.

Grundsatz

2.378 Soweit gem. § 138 Abs. 1 BGB die Höchstdauer von maximal 20 Jahren erreicht ist, ist eine – wie auch immer geartete – Verlängerungsklausel nicht geeignet, die ohnehin schon überlange Bindungsfrist noch zusätzlich zu verlängern.563) 2.

Nachtrag

2.379 Wird eine (zulässige) Getränkebezugsverpflichtung durch einen Nachtrag um weitere fünf Jahre und damit auf insgesamt 15 Jahre verlängert, so bestehen im Falle einer Individualvereinbarung keine Bedenken. Handelt es sich dagegen um eine klauselartig formulierte Laufzeit, so verstößt diese gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.564) 2.380 Wird durch einen Nachtrag zu einem Pacht- und Getränkelieferungsvertrag klargestellt, dass alle übrigen Bestimmungen des Vertrages fortgelten sollen, so kann nicht von einer Aufhebung und damit Beendigung der Getränkebezugsverpflichtung gesprochen werden.565) 3.

Vertragliche Neugestaltung

2.381 Wird im Rahmen einer vertraglichen Neugestaltung die ursprüngliche Bezugsdauer in der Weise faktisch vertraglich verlängert, dass sie nun zwar ab der erstmaligen Begründung der Bezugspflicht, nicht aber ab dem Zeitpunkt der Vertragsänderung zehn Jahre überschreitet, so hat der Gastwirt jedenfalls die Möglichkeit gehabt, im Hinblick auf einen noch als angemessen anzusehenden Zeitraum eine erneute Entscheidung über seine Bindung zu treffen. Dann bestehen AGB-rechtlich keine Bedenken gegen die insgesamt den Zeitraum von zehn Jahren überschreitende Bezugsverpflichtung.566) 4.

Verlängerungsoption

2.382 a) Begriff. Verlängerungsoptionen begründen ein in der Regel einseitiges Recht, die Vertragslaufzeit zu bestimmen. Insofern sind jedenfalls folgende Fragen zu unterscheiden:

___________ 563) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. 564) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 565) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 566) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036.

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I. Verlängerung

b) Klausel oder Individualabrede. Zunächst ist zu fragen, ob es sich bei der 2.383 Optionsregelung um eine Individualabrede (§§ 305 Abs. 1 Satz 3, 305b BGB) oder um eine AGB-Klausel handelt. aa) In einem zwischen den Parteien geschlossenen Tankstellenvertrag mit Allein- 2.384 bezugsverpflichtung war zunächst eine Laufzeit von fünf Jahren und elf Monaten vorgesehen. Im Anschluss daran bestand eine Option zur Verlängerung des Vertragsverhältnisses um weitere fünf Jahre. Das genaue Ende der Laufzeit musste handschriftlich in durch punktierte Linien gekennzeichnete Freiräume der vorgedruckten Klausel eingefügt werden. Nach Ansicht des BGH war die Optionsklausel unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, weil die Dauer der Verlängerung mit fünf Jahren bereits vorformuliert war. Allein die Möglichkeit der Eintragung der Kalenderdaten rechtfertigt noch nicht die Einschätzung als individualvertragliche Abrede.567) bb) Handelt es sich entweder bei der ursprünglichen Laufzeitregelung oder bei 2.385 der Option um eine AGB-Klausel, so ist die Gesamtregelung der Laufzeit als AGB-Klausel einzuordnen. c) Laufzeit. aa) Grundsatz. Bei der Prüfung, ob eine Optionsklausel den Klausel- 2.386 gegner unangemessen benachteiligt, ist die Gesamtdauer des Vertrages, wie sie sich bei Ausübung der Option ergäbe, zu betrachten. Dies gilt selbst dann wenn die ursprüngliche Laufzeit individualvertraglich vereinbart wurde.568) Je nach Einordnung sind die für Individuallaufzeiten oder AGB-Laufzeiten maßgeblichen Grenzen zu beachten. Dies kann zu einer Summierung der Laufzeiten über das zulässige Maß hinaus führen und hat dann die Unwirksamkeit beider Klauseln zur Folge.569) bb) Im Übrigen. Anders dürfte dann zu entscheiden sein, wenn lediglich dem 2.387 Gebundenen eine Option zur Vertragsverlängerung einräumt ist. Dann hängt die Vertragsdauer allein von seinem Willen ab. cc) Grenzen. Unangemessen benachteiligend sind hingegen Klauseln, die den 2.388 Vertrag bei Ausübung der Option ändern oder den Klauselgegner faktisch nach Belieben des Verwenders an der Ausübung der Option hindern können. Gleiches dürfte für ein Optionsrecht gelten, das zu einer Vertragsbindung der Gegenseite führt, während dem Verwender ein jederzeitiges Kündigungsrecht eingeräumt wird. Zulässig ist es dagegen, die Option von der Bedingung der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung abhängig zu machen. d) Wucherähnliches Rechtsgeschäft. Unabhängig davon stellt sich die weitere 2.389 Frage, ob die Verlängerung der Laufzeit nicht Zweifel hinsichtlich der Ausge___________ 567) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 568) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 569) BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; a. A. noch BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266.

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§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

glichenheit von Leistung und Gegenleistung (nachträglich) aufkommen lassen kann. Dabei ist zu beachten, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Vertrages darstellt, bewirkt.570) Maßgebend für die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung ist daher weiterhin der Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsabschlusses. 5.

Verlängerungsklauseln im Allgemeinen

2.390 a) Begriff. Verlängerungsklauseln verlängern den Vertrag automatisch und damit ohne eine Reaktion des Kunden über den vereinbarten Zeitraum hinaus. 2.391 b) Grundsatz. Klauseln, die eine stillschweigende Vertragsverlängerung vorsehen, sind sowohl in Verträgen mit Verbrauchern als auch mit Unternehmern im Grundsatz zulässig. Sie stellen eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass dem Schweigen als solchem kein Erklärungswert zukommt und es ohne Rechtsfolgen bleibt. 2.392 c) § 309 Nr. 9 b BGB. aa) Persönlicher Anwendungsbereich. § 309 Nr. 9 b BGB ist selbst auf den Existenzgründer nicht unmittelbar anwendbar (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB). Anders dagegen bei Verbrauchern (§ 13 BGB), wie etwa Hauseigentümern, GmbH-Geschäftsführern oder GmbH-Gesellschaftern, (Ehe-)Partnern oder Familienangehörigen, die für eine Getränkebezugsverpflichtung mit entsprechender Verlängerungsklausel eine Mithaftungserklärung etwa im Rahmen eines Schuldbeitritts abgeben. 2.393 bb) Sachlicher Anwendungsbereich. § 309 Nr. 9 (b) BGB gilt nicht für Gebrauchsüberlassungsverträge wie etwa Miete, Pacht und Leihe.571) Dies bedeutet aber nicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für sie strengere Regeln gelten sollen. Der Gesetzgeber hat bewusst alle Mietverträge aus der Regelung ausgenommen mit der Konsequenz, dass er für diese nicht einmal Verlängerungsklauseln um mehr als ein Jahr generell verbieten wollte.572) 2.394 cc) Jahresfrist. Die Dauer etwaiger Verlängerungsklauseln ist gem. § 309 Nr. 9 b BGB mit maximal einem Jahr vorgegeben. Es handelt sich hierbei um eine Höchstfrist, bei deren Überschreitung die Klausel in jedem Fall unwirksam ist. Die Vorschrift enthält aber keine Aussage dazu, dass eine kürzere Laufzeitverlängerung in jedem Fall zulässig ist. Sie gilt auch bei individuell vereinbarter Erstlaufzeit. Das Klauselverbot erfasst nicht nur die unmittelbar der Primärlaufzeit folgende Verlängerungsperiode, sondern jede weitere vorgesehene stillschweigende Vertragsverlängerung. Die Jahresfrist der Nr. 9 b beginnt mit Ablauf der ___________ 570) BGH, Urt. v. 5.11.2014 – XII ZR 15/12, BeckRS 2014, 21973. 571) Siehe oben § 10 V 4 c bb m. w. N. 572) BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 370 = NJW 1987, 2012 = ZIP 1987, 784; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282.

196

I. Verlängerung

Erstlaufzeit bzw. des vorhergehenden Verlängerungszeitraums. Zwar können AGB grundsätzlich auch eine stillschweigende Verlängerung auf unbestimmte Zeit vorsehen. In diesem Fall muss aber für die Kunden die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung spätestens zum Ablauf des ersten bzw. jedes weiteren Verlängerungsjahres gewährleistet werden.573) § 309 Nr. 9 b BGB gilt nicht nur für stillschweigende Vertragsverlängerungen, sondern auch für Klauseln, die dem Verwender eine einseitige Verlängerungsmöglichkeit durch ausdrückliche Erklärung gewähren.574) d) § 308 Nr. 5 BGB. Da hier die Vertragsverlängerung nicht auf einer fiktiven 2.395 Erklärung, sondern auf der schon bei Abschluss des Vertrags einvernehmlich getroffenen Vereinbarung für den Fall des Schweigens beruht, ergibt sich aus § 308 Nr. 5 BGB keine Inhaltsschranke.575) Wollte man die Vorschrift gleichwohl heranziehen, so bliebe für die ausdifferenzierte Regelung des § 309 Nr. 9 b BGB kaum ein eigenständiger Anwendungsbereich. Die wirtschaftlich bedeutenden Verlängerungsklauseln wären fast immer unzulässig und könnten faktisch nicht mehr verwendet werden. Dies stünde in eklatantem Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der solche Klauseln jedenfalls im Grundsatz ausdrücklich akzeptiert hat.576) e) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Zulässigkeit. Verlängerungsklauseln, die nicht 2.396 unter § 309 Nr. 9 b BGB fallen, unterliegen gleichwohl einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.577) Bei der in § 309 Nr. 9 a BGB angeordneten Höchstlaufzeit von zwei Jahren und der Obergrenze von einem Jahr für Verlängerungen nach § 309 Nr. 9 b BGB handelt es sich allerdings um eine gesetzgeberische Wertung, die auch in die Interessenabwägung im Rahmen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB einzubeziehen ist.578) Dabei darf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers, die in den speziellen Inhaltskontrollvorschriften zum Ausdruck kommt, über die Kontrolle nach § 307 BGB nicht geradezu „auf den Kopf gestellt“ werden. Vielmehr sind besondere Gründe festzustellen, um zu einer Unwirksamkeit zu gelangen.579) Dem Kunden ist zuzumuten im Vertrag nachzusehen, wie er diesen beenden kann. § 307 BGB schützt ihn nicht vor derarti___________ 573) Staudinger-Coester-Waltjen, BGB, § 309 Nr. 9 Rz. 19. 574) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110, für den Unternehmerverkehr. 575) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942. 576) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 37. 577) BGH, Urt. v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942. 578) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282; BGH, Urt. v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, BGHZ 153, 148 = NJW 2003, 1313 = ZIP 2003, 407; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942. 579) BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 370 = NJW 1987, 2012 = ZIP 1987, 784.

197

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

gen Nachlässigkeiten. Dies hat schon der Gesetzgeber zur Vorgängervorschrift des AGBG gesehen. Auch besteht an der Verwendung entsprechender Klauseln aus Rationalisierungsgründen ein legitimes Interesse.580) 2.397 bb) Unternehmerverträge. Von Unternehmern kann erwartet werden, dass diese den Bedarf und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vertragsverlängerung überschauen können. Die Jahresfrist des § 309 Nr. 9 b BGB findet daher keine Berücksichtigung.581) Die Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit, die der Kunde aufgrund der Verlängerungsklausel hinnehmen muss, ist für sich allein kein hinreichender Grund, die Klausel nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam anzusehen.582) Im unternehmerischen Rechtsverkehr sind zudem die getätigten Leistungen des Verwenders583) sowie sein Interesse an einer Amortisation seiner Investitionen584) zu berücksichtigen. Damit darf – Einheitlichkeit des (verlängerten) Vertrages vorausgesetzt – die formularmäßig zulässige Höchstfrist im Rahmen einer Verlängerungsklausel nicht überschritten werden dürfen. Die Zehnjahresgrenze für AGB-Laufzeiten ist also insofern als Kappungsgrenze zu betrachten.585) 6.

Verlängerung bei nicht rechtzeitig erklärter Kündigung

2.398 a) Individuallaufzeit. Unwirksam ist eine Regelung, die eine automatische Verlängerung vorsieht, sofern nicht eine der Vertragsparteien innerhalb bestimmter Frist kündigt, in einem Bezugsvertrag, der wegen seiner übermäßig langen Bindungsfrist sittenwidrig ist. Auch wenn die Bindung auf einen zulässigen Zeitraum zurückgeführt werden kann, verlängert sich der Vertrag nach Ablauf der reduzierten Bindungsfrist nicht automatisch mangels Kündigung durch den Gastwirt. Vereinbaren die Parteien eines im Hinblick auf die Laufzeitregelung – 30 Jahre – der Getränkebezugsverpflichtung sittenwidrigen und damit nichtigen Getränkelieferungsvertrag, dass der Vertrag sich nach seinem Ablauf um einen weiteren Zeitraum – hier jeweils fünf Jahre – verlängert, wenn er (der Pachtvertrag) nicht innerhalb bestimmter Frist gekündigt wird, so ist auch diese ___________ 580) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282; BGH, Urt. v. 15.4.2010 – Xa ZR 89/09, NJW 2010, 2942. 581) BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. 582) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739 = ZIP 1997, 282; BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266. 583) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 584) BGH, Urt. v. 8.12.2011 – VII ZR 111/11, NJW-RR 2012, 626. 585) BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; a. A. noch BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266.

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I. Verlängerung

Verlängerungsklausel unwirksam (§ 139 BGB).586) Das ist nur folgerichtig, weil dann, wenn die Reduzierung den Rahmen des zeitlich höchstens Zulässigen ausschöpft, der Gastwirt durch eine automatische Verlängerung doch wieder in den sittenwidrigen Bereich hinein belastet würde. b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sofern die Verlängerung davon abhängig ist, dass 2.399 der Gastwirt ein ihm eingeräumtes Kündigungsrecht nicht ausgenutzt hat, wird man Verlängerungsklauseln von einem Jahr, maximal von zwei Jahren – bezogen auf die Laufzeit von fünf bzw. von zehn Jahren – als mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbar halten dürfen.587) 7.

Kündigungsfristen

Für die Frage der zulässigen Gesamtlaufzeit kommt es auf die für die Vertrags- 2.400 beendigung maßgebliche Frist an. Daher sind Kündigungsfristen der Laufzeit hinzuzurechnen. Klauseln, die eine Kündigung erst nach Ablauf der die jeweiligen Laufzeitschranken ausschöpfenden Vertragslaufzeit ermöglichen, machen die Laufzeitregelung unwirksam.588) Aus dem Vertrag sollte sich daher eindeutig ergeben, dass eine Kündigung zum Ende der zulässigen Bindungsfrist möglich ist. 8.

Offene Posten

Das Reichsgericht hatte einen Fall zu beurteilen, in dem das Darlehen beider- 2.401 seits zehn Jahre unkündbar sein sollte und die entsprechende Bezugsverpflichtung darüber hinaus weiterlaufen sollte, wenn nach Ablauf der zehn Jahre der Wirt noch Beträge an Darlehen, Warenforderungen oder Vertragsstrafen schuldig sein sollte.589) 9.

Darlehensrückführung

Früher wurde die Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung häufig so formu- 2.402 liert, dass unter Angabe einer Mindestlaufzeit auf die Rückzahlung des Darlehens abgestellt wurde.590) Mit Fragen der Laufzeit „bis zur Tilgung des Darlehens und der gesamten restlichen Forderungen, mindestens aber auf die Dauer des Pachtverhältnisses“ befasste sich auch das OLG Hamm in einer Entscheidung vom 27.9.1991. Soll das Darlehen vereinbarungsgemäß durch eine an die verkaufte Menge Getränke anknüpfende Rückvergütung getilgt werden, besteht kein ___________ 586) 587) 588) 589)

BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 24. BGH, Urt. v. 8.12.2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597. RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; ähnlich RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251. 590) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241.

199

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

schutzwürdiges Interesse des Getränkelieferanten daran, die Bezugsbindung über den Tilgungszeitpunkt hinaus aufrechtzuerhalten.591) Ist die Laufzeitregelung unwirksam, kommt eine geltungserhaltende Reduktion nicht in Betracht.592) 2.403 Die Laufzeit eines Vertrages lässt sich nicht mit der Erwägung verlängern, das gewährte Darlehen könne auf dem vertraglich vorgesehenen Wege der Verrechnung mit den Rückvergütungen an den Gastwirt nicht innerhalb von zehn Jahren getilgt werden.593) 10.

Erweiterung der Absatzstätte

2.404 Eine Vertragsverlängerungsklausel für den Fall, dass die (Telekommunikations-) Anlage während der Vertragslaufzeit erweitert wird, genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB jedenfalls dann nicht, wenn keine Begrenzung nach dem Aufwandsvolumen der Erweiterung oder eine maximale Vertragslaufzeit vorgegeben sind.594) 11.

Lieferunmöglichkeit

2.405 Vertragsklauseln des Inhalts, dass sich die Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages bei vorrübergehendem Lieferunvermögen des Getränkelieferanten verlängert, sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen und nichtig. Zwar kann vorgesehen werden, dass der Getränkelieferant bei vorübergehender Unmöglichkeit Erzeugnisse anderer Firmen liefern kann. Eine Verlängerung der Laufzeit darf damit aber nicht verbunden sein.595) 12.

Schließung der Absatzstätte

2.406 Vertragsklauseln, nach denen sich die Getränkebezugsverpflichtung bei vorübergehender längerer Schließung der Absatzstätte um diesen Zeitraum verlängern soll, bedürfen einer differenzierten Betrachtung. Unbedenklich dürften sie dann sein, wenn der Verlängerungsgrund allein im Risikobereich des Gastwirts liegt und auch von ihm zu vertreten ist. Anderenfalls dürften die Kappungsgrenzen für Individuallaufzeiten nach § 138 Abs. 1 BGB von in der Regel 15 Jahren und bei AGB-Laufzeiten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB von in der Regel zehn ___________ 591) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91. 592) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110. 593) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 594) OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.7.2003 – 10 U 171/02, NJW-RR 2003, 1496. 595) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

200

II. Nichterreichen der vereinbarten Menge

Jahren greifen. Im Übrigen könnten entsprechende Regelungen unter dem Damoklesschwert unbefristeter Laufzeiten angreifbar sein. II.

Nichterreichen der vereinbarten Menge

1.

Einführung

Die Vereinbarung, dass die Bezugspflicht nach Abnahme von … Hektoliter 2.407 endet, ist im Grunde kaufmännisch gerechter als eine Vertragszeit. Dauert die Abnahme dieser Menge länger, verlängert sich die Bezugsverpflichtung von allein. Geht es schneller, ist der Gebundene eher wieder frei. Ersteres ist allerdings aus rechtlichen Gründen zweifelhaft. 2.

(Gesamt-)Mengenvertrag

a) Reiner Mengenvertrag. Die von der Rechtsprechung entwickelten Lauf- 2.408 zeitgrenzen gelten auch im Falle des Nichterreichens der Gesamtabnahmemenge. Durch Koppelung einer unkündbaren Bezugszeit mit einer Mindestabnahmemenge kann der Getränkelieferant die zeitliche Begrenzung einer noch zulässigen Bezugsbindung nicht umgehen. Die Bezugsbindung endet mit dem Zeitablauf, ohne dass es darauf ankommt, ob die Menge abgenommen ist.596) b) Koppelung von Mengen- und Zeitvertrag. aa) Formulierung. Gelegent- 2.409 lich finden sich in Getränkelieferungsverträgen neben der Verpflichtung zur Abnahme einer Gesamtabnahmemenge, ggf. auch nach Sorten gesplittet, Formulierungen hinsichtlich der Laufzeit, dass sich die benannte Laufzeit ggf. „mindestens jedoch bis zur Abnahme von … hl …“ verlängere.597)

___________ 596) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 264; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 597) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; ähnlich BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98: zehn Jahre, mindestens jedoch so lange, bis 3.700 hl bezogen worden waren; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05.

201

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

2.410 bb) Grundsatz. Wird die vereinbarte Gesamtabnahmemenge vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit erreicht, so endet grundsätzlich die Bezugsverpflichtung.598) Anders dürfte zu entscheiden sein, wenn die vertraglichen Regelungen ein Weiterlaufen der Bezugsverpflichtung bis zum definierten Vertragsende vorsehen. 2.411 cc) Zulässigkeit. Getränkebezugsverpflichtungen sind nur dann von vorn herein nichtig, wenn es sich um Bindungen von unbegrenzter Dauer handelt.599) Eine solche unbegrenzte Bindung liegt allerdings nur vor, wenn der Gastwirt auf alle Zeiten verpflichtet wird. Von einer unbegrenzten Bindung kann nicht gesprochen werden, wenn die Bindung auflösend bedingt von einer zu erreichenden Gesamtabnahmemenge abhängig ist.600) Soweit Verträge bestimmte Laufzeiten (Zeitvertrag) und gleichzeitig eine Verlängerung bis zur Abnahme einer bestimmten (Gesamt-)Abnahmemenge enthalten, bestehen jedenfalls in den nach § 138 Abs. 1 BGB bzw. § 307 BGB geltenden Laufzeitgrenzen keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Ausschließlichkeitsabrede.601) Damit die Regelung nicht gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Getränkelieferanten ausgelegt werden kann, sollte durch die Verwendung der Worte „mindestens“ oder „längstens“ klargestellt werden, ob der Vertrag mit Abnahme der vereinbarten Menge oder erst mit Zeitablauf erfüllt ist. Ein entsprechender Zusatz vermeidet auch Angriffe im Hinblick auf das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). 2.412 Die vorerwähnte Formulierung soll jedenfalls dann zu keinem automatischen Wegfall der Mindestabnahmeverpflichtung nach Ablauf der benannten Laufzeit führen, wenn eine Zusammenschau mit anderen Regelungen des Getränkelieferungsvertrages ergebe, dass bei Nichterreichen der vereinbarten Abnahmemenge für jeden fehlenden hl eine Deckungsausgleichszahlung zu entrichten sei. Es ergäbe keinen Sinn, einerseits von einer Nichterreichung der Abnahmemenge zu ___________ 598) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98: zehn Jahre, mindestens jedoch so lange, bis 3.700 hl bezogen worden waren; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 599) Siehe oben § 10 III 1 a m. w. N. 600) OLG München, Urt. v. 11.1.1968 – 1 U 2037/67, NJW 1968, 650; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 601) OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98: zehn Jahre, mindestens bis zur Abnahme von 1.500 hl; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; OLG Köln, Urt. v. 13.9.2013 – 1 U 23/12; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551.

202

III. Anschlussverträge

sprechen und dafür eine Ausgleichszahlung zu verlangen, andererseits aber den Gebundenen in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkt an die Mindestabnahmeverpflichtung zu binden.602) dd) Wird dem Abnehmer ein Kündigungsrecht nach Ablauf der Höchstlauf- 2.413 zeit nur eingeräumt, falls eine bestimmte Gesamtmenge abgenommen ist, so ist dies nach § 138 Abs. 1 BGB bzw. § 307 BGB unwirksam.603) 3.

Nichterreichen der vereinbarten periodischen Mindestbezugsmenge

Läuft die Regelung im Ergebnis auf eine Verlängerung der die zulässigen Lauf- 2.414 zeitgrenzen ausschöpfenden Dauer des Getränkelieferungsvertrages hinaus, so endet die Bezugsbindung mit Zeitablauf, ohne dass es darauf ankommt, ob die Menge abgenommen ist.604) Unzulässig ist daher eine Verlängerung der Laufzeit für den Fall des Nichterreichens der vereinbarten periodischen (Mindest-)Abnahmemenge.605) III.

Anschlussverträge

1.

Interessenlage

Angesichts des harten Konkurrenzkampfes zwischen den Getränkelieferanten 2.415 und im Hinblick auf die von der Rechtsprechung vorgenommene Herabsetzung der höchstzulässigen Dauer der Bezugsbindung entspricht es dem verständlichen Anliegen der Getränkelieferanten, Gastwirte im Interesse einer kontinuierlichen Absatzplanung schon vor Ablauf der Bezugsfrist – zumeist gegen weitere Leistungen – zum Eingehen einer neuen Bezugsbindung zu veranlassen und damit einen nahtlosen Übergang sicherzustellen. Dies deckt sich häufig auch mit dem eigenen Anliegen der Gastwirte, nach Ablauf einer gewissen Zeit ihre Bezugsverpflichtung zur Grundlage neuer Kreditgewinnung oder zur Erlangung anderer vermögensmäßiger Vorteile von den Getränkelieferanten zu verwerten.606) ___________ 602) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 603) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266 (zu § 138 Abs. 1 BGB); BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768. 604) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 605) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 606) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.1984 – 13 W 39/84; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87.

203

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

2.

Begriff des Anschlussvertrages

2.416 Die Dauer einer Getränkebezugsverpflichtung, die in mehreren nacheinander abgeschlossenen Verträgen vereinbart wird, ist dann einheitlich zu bewerten, wenn: x

eine Identität zwischen den Parteien des Ausgangsvertrages und des Folgevertrags besteht,

x

zwischen den einzelnen Verträgen ein innerer Zusammenhang festzustellen ist, insbesondere die weitere Bezugsverpflichtung relativ kurz nach Abschluss der ersten Vereinbarung geschlossen wird,

x

und die mehreren Bezugsverpflichtungen nahtlos aneinander anschließen sollen, der Folgevertrag also an das Auslaufen des Ausgangsvertrages unmittelbar anknüpft (Bezugskontinuität).607)

3.

Konsequenzen

2.417 a) Höchstlaufzeiten. Durch den Abschluss eines Anschlussvertrages dürfen insgesamt nicht die von der Rechtsprechung entwickelten Höchstgrenzen für Individuallaufzeiten bzw. AGB-Laufzeiten von Bezugsbindungen überschritten werden.608) Insofern kommt es entscheidend darauf an, ob der Folgevertrag als eigenständiger Vertrag mit einer eigenen (Höchst-)Laufzeit anzusehen ist, oder ob die Laufzeiten beider Verträge unter dem Gesichtspunkt des Anschlussvertrages zusammenzurechnen sind.609) 2.418 b) Weitere Leistungen. Werden die Voraussetzungen eines Anschlussvertrages bejaht, dann ist es allerdings auch konsequent, bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen die Leistungen des Getränkelieferanten insgesamt, d. h. unter Einschluss der späteren Leistungen, zu berücksichtigen. Zu Gunsten des Getränkelieferanten wird deshalb ggf. zu berücksichtigen sein, dass die Verlängerung der Vertragslaufzeit nicht nur im Zusammenhang mit einer bloßen Umschuldung stand, sondern auch neue Darlehen oder sonstige finanzielle Leistungen erbracht wurden.610) ___________ 607) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist, für AGB-Laufzeiten; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 608) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87. 609) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89, Zeller IV, 421. 610) LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11.

204

III. Anschlussverträge

c) Rückführung. Die Rechtsprechung zur Rückführung überlanger Individu- 2.419 allaufzeiten gilt auch insofern.611) 4.

Prüfungsgrundsätze

Im Wege der Auslegung ist zu klären, ob ein Anschlussvertrag vorliegt.612) 2.420 Innerer Grund für eine Zusammenrechnung der Laufzeiten der einzelnen Verträge ist der Umstand, dass der Gastwirt infolge der noch bestehenden längeren Bindung gar nicht in der Lage war, sich im Hinblick auf eine starke Abhängigkeit von dem erstbindenden Getränkelieferanten erfolgreich mit einem Finanzierungswunsch an einen anderen Getränkelieferanten zu wenden.613) Entscheidend für eine einheitliche Beurteilung mehrerer aufeinander folgender 2.421 Bezugsbindungsvereinbarungen sind nicht Äußerlichkeiten wie die, ob jeder Vertrag eine in sich geschlossene Regelung enthält oder im Wortlaut des späteren Vertrages jede Anknüpfung an den früheren fehlt. Vielmehr kommt es auf den inneren Zusammenhang der Vereinbarungen an, der nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.614) Diese Beurteilung ist Sache des Tatrichters.615) 5.

Personenidentität

a) Allgemein. Besteht der Ausgangsvertrag mit einem Gastwirt und wird der 2.422 Folgevertrag mit mehreren Vertragsbeteiligten geschlossen, zu denen der bisher Gebundene nicht rechnet, so scheidet eine einheitliche Betrachtung der Vertragsverhältnisse mangels Personenidentität aus.616) b) Teilidentität. Anders wird zu entscheiden sein, wenn der bisher Gebundene 2.423 auch dem Folgevertrag als Vertragspartner angehört (Beispiel: Familiennachfolge bei Folgevertrag mit weiteren Familienangehörigen, insbesondere Kindern und Geschwistern, bei erneuter Bindung des bisherigen Vertragspartners). Dann ___________ 611) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227. 612) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 613) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; LG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1976 – 7 O. 72/76 (verneinend); LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 614) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227 (zu § 138 Abs. 1 BGB). 615) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Bamberg, Urt. v. 20.4.1978 – 1 U 50/77; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87. 616) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685.

205

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

dürfte insofern eine Zusammenrechnung unter dem Gesichtspunkt der teilweisen personellen Identität möglich sein. 2.424 c) Wechsel der Vertriebsmodelle. Schließt sich der streitgegenständliche Bierlieferungsvertrag vom April 1998 zwischen einer Brauerei und einem selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer an einen Getränkelieferungsvertrag zwischen dem nunmehr benannten Getränkefachgroßhändler und dem Hauseigentümer an, der sich schon seit 1992 zur Abnahme und damit praktisch zum – wenn auch nicht ausschließlichen (85 %) – Vertrieb von Bier der Brauerei verpflichtet hatte, so könnte die Annahme eines Anschlussvertrages gerechtfertigt sein. Aus wirtschaftlicher Sicht handelt es sich um ein Vertragsverhältnis mit der Brauerei selbst. Diese hatte dem Getränkefachgroßhändler nämlich die Gelder bereitgestellt, die dem Hauseigentümer dann im Gegenzug zu seiner Abnahmeverpflichtung darlehensweise überlassen worden waren. Dies kann – zumal der vertragliche Verwendungszweck des von der Brauerei gewährten Darlehens ausdrücklich darin bestand, den noch offenen Kredit des Hauseigentümers bei dem Getränkefachgroßhändler abzulösen – nahelegen, beide Verträge als Einheit zu begreifen, sodass man bei der Addition der jeweiligen Fristen zu einer weit mehr als zehnjährigen Bindungswirkung zu Lasten des Gebundenen gelangte.617) 2.425 d) Einzelrechtsnachfolge Eine Übertragung des Grundeigentums bezüglich der streitgegenständlichen Gastronomie von der Voreigentümerin auf die Nacheigentümerin hindert eine Zusammenrechnung nicht.618) 2.426 e) Abzugrenzen davon sind die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge. Verlängert beispielsweise die Tochter als Erbin eines noch langfristig gebundenen Gastwirts nach dessen Tod die Bezugsbindung unter Aufrechterhaltung der noch bestehenden Leistungen des Getränkelieferanten, so ist der Folgevertrag hinsichtlich einer Laufzeit gesondert zu bewerten.619) 6.

Innerer Zusammenhang

2.427 a) Zeitaspekt. Wird die Bezugsbindung – wenn auch gegen Gewährung weiterer Leistungen, ggf. im Rahmen einer Gesamtfinanzierung – bereits alsbald nach Vertragsabschluss unter entsprechender Neufestsetzung der Gesamtlaufzeit verlängert oder vorgesehen, dass im Anschluss an den bestehenden Vertrag der

___________ 617) 618) 619) 619)

206

OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837 (lässt offen). LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89, Zeller IV, 421.– VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 153.

III. Anschlussverträge

Gastwirt eine weitere Getränkemenge abzunehmen hat, so wird in der Regel ein hinsichtlich der Bezugsdauer einheitlich zu bewertender Vertrag vorliegen.620) Ein erheblicher zeitlicher Abstand zwischen dem Altvertrag und dem Neuab- 2.428 schluss621) sowie fehlende sachliche Verbindungen und Bezugnahmen auf die frühere Vereinbarung werden gegen eine Addition der Laufzeiten sprechen.622) b) Nachträge. Dieser Zusammenhang kann auch dann bestehen, wenn die Ver- 2.429 längerung nicht in einem neuen selbstständigen Vertrag vereinbart, sondern lediglich in einem „Nachtrag“ zu der ursprünglichen Vereinbarung, und auch noch relativ kurz nach dem ersten Vertrag vereinbart wird.623) c) Aufhebung des bisherigen Vertrages. Das OLG Hamm verneinte einen 2.430 inneren Zusammenhang in einem Fall, in dem der vorhergehende Vertrag bereits 12 Jahre Geltung hatte. Die neu vereinbarte Bezugsbindung knüpfte nicht an das Auslaufen des ersten Vertrages an. Vielmehr wurde dessen Auflösung vereinbart. Dies stehe einer Zusammenrechnung der Bezugsbindungslaufzeiten der Verträge entgegen.624) Hilfreich ist es daher, wenn der Folgevertrag eine Regelung des Inhalts enthält, dass mit rechtswirksamem Abschluss die Auflösung des bisherigen oder aller bestehenden älteren Bezugsverträge vereinbart wird.625) d) Haftungsentlassung. Eine Zusammenrechnung scheidet aus, wenn der Ge- 2.431 tränkelieferant den Gastwirt vor Abschluss des zweiten Vertrages ohne Sanktionen aus der alten Verpflichtung entlassen hat.626) ___________ 620) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 621) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77 (sieben bzw. vier Jahre); LG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1976 – 7 O. 72/76; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87 (acht Jahre). 622) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Hamm, Beschl. v. 28.8.1984 – 13 W 39/84. 623) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 624) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U(Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11; a. A. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 625) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 626) OLG Suttgart, Urt. v. 25.11.1988 – 2 U 12/88, Zeller IV, 54; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11.

207

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

2.432 e) Berücksichtigung von Schulden. Der Getränkelieferant hat ein nachvollziehbares Interesse daran, offene Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung, wie etwa aus Finanzierung, Ausgleichsansprüche wegen Nichterfüllung des bezugsrechtlichen Teils des Getränkelieferungsvertrages, Warenlieferung oder Pacht/ Miete i. w. S., ggf. unter Umwandlung (§ 311 Abs. 1 BGB) in ein Darlehen, in die neue Gesamtfinanzierung einzustellen. Als alleiniges Indiz dürfte dies allerdings für die Feststellung eines inneren Zusammenhangs nicht genügen.627) 2.433 f) Abschlussstituation. Auch wird zu fragen sein, auf wessen Initiative es zum Abschluss eines weiteren Vertrages gekommen ist. Zu denken ist an den Fall, dass der Gebundene aus eigenen Stücken und aus eigener Initiative heraus weitere Leistungen bei den Getränkelieferanten nachgefragt hat. Ein Gastwirt kann nach Treu und Glauben nicht erwarten, dass er ein zweites Darlehen ohne Gegenleistung von dem Getränkelieferanten erhält.628) 2.434 g) Aspekte im Übrigen. Die Rechtsprechung fragt in diesem Zusammenhang auch, wann sich die vereinbarte Verlängerung des Ausgangsvertrages auswirkt.629) 7.

Bezugskontinuität

2.435 a) Grundlagen. Entscheidend ist nicht die Vereinbarung der Fortsetzung des Leistungsaustausches aus dem vorhergehenden Vertrag, sondern das Anknüpfen an den regulären Auslauf der Bezugsbindung des vorhergehenden Vertrages zu einem Zeitpunkt, zu dem dieser ohnehin noch lange Geltung hätte und zu dem die Verhandlungsposition des Gebundenen infolgedessen gegenüber dem Bindenden schwach war.630) Eine einheitliche Bewertung der Einzelverträge hinsichtlich der höchst zulässigen Vertragsdauer ist jedenfalls dann geboten, wenn Verträge bereits nach wenigen Jahren Laufzeit und lange vor Ablauf der Bezugsverpflichtung verlängert werden. Dann ist es dem Gebundenen wegen der langen Laufzeit des/der noch bestehenden Vertrages/Verträge gar nicht möglich gewesen, in Vertragsverhandlungen über einen Getränkebezug mit einem anderen Getränkelieferanten zu treten. Dabei ist wie stets für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der jeweilige Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse maßgeblich.631) ___________ 627) A. A. OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543. Die Frage konnte allerdings im Ergebnis offen bleiben, weil es an der Vorausssetzung einer Bezugskontinuität fehlte. 628) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89, Zeller IV, 421; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87. 629) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 630) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; LG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1976 – 7 O. 72/76 (verneinend); LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11; LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 631) LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11.

208

III. Anschlussverträge

b) Fehlende Bezugskontinuität. Eine Zusammenrechnung scheidet aus, wenn 2.436 die Bezugsbindung des älteren Vertrages, soweit sie zeitlich wirksam war, noch vor Abschluss des späteren Vertrages endete.632) 8.

Praxishinweis

Es ist nicht zu verkennen, dass die referierte Rechtsprechung für die Vertragspra- 2.437 xis Schwierigkeiten mit sich bringt: Zum einen wird sich der Getränkelieferant oft gehindert sehen, einen schon relativ kurze Zeit nach Abschluss des Erstvertrages neu auftretenden Investitions- oder Kreditbedarf des Gastwirts zu befriedigen, wenn sich eine Leistung in Form der Verlängerung der Bezugsbindung nicht wirksam realisieren lässt. Zum anderen ist für die Vertragsschließenden schwer abschätzbar, wann im Einzelfall der „innere Zusammenhang“ beider Vereinbarungen und damit die Voraussetzungen für eine Zusammenrechnung von Ursprungs- und Anschlussvertrag bejaht werden müssen. Unter diesen Umständen ist der im Schrifttum gemachte Vorschlag beachtens- 2.438 wert, Verlängerungsverträge grundsätzlich und unabhängig von der bereits verstrichenen Laufzeit des Erstvertrages zuzulassen, die zulässige Dauer der Anschlussvereinbarung jedoch stets auf die Höchstfrist von etwa 15 bis maximal 20 Jahren633) – und zwar unter Einrechnung des noch nicht abgelaufenen Teils des Ursprungsvertrages – zu begrenzen.634) Dies hat den Vorzug der Praktikabilität und Berechenbarkeit. Der denkbare Einwand, dass sich bei der Beurteilung der Wirksamkeit des Anschlussvertrages die schon verstrichene Zeit des Erstvertrages nicht einfach „vergessen“ lasse, verliert an Gewicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es bei der Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB doch in erster Linie – unter dem Gesichtspunkt einer unzumutbaren Beschränkung des Gastwirts und der Unüberschaubarkeit sich wandelnder Verhältnisse – um die Bindung für die Zukunft geht. Die gegenteilige Sicht würde den Einwand provozieren, wieso denn die Rechtsprechung in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Zusammenrechnung von vorhergehendem Vertrag und Anschlussvertrag nicht gegeben sind, den bereits abgelaufenen Teil der Ursprungsvereinbarung ebenfalls außer Betracht lässt. Im Übrigen trägt der Vorschlag nicht einseitig Interessen des Getränkelieferanten Rechnung, sondern kann – im Vergleich zur bisherigen Judikatur – in bestimmten Fällen zu einer Besserstellung des Gastwirts führen: Der noch nicht abgelaufene Teil des Erstvertrages ist danach bei der Bemessung der Höchstfrist der Anschlussvereinbarung auch dann zu berücksichtigen, wenn Anhaltspunkte für eine Addition der Laufzeiten beider Verträge auf der Grundlage der bislang praktizierten Auffassung nicht bestehen.635) ___________ 632) OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543. 633) Heute dürfte die Obergrenze wohl etwas niedriger anzusetzen sein. 634) Götz, BB 1990, 1217; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89, Zeller IV, 421; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46. 635) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 154.

209

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

IV.

Laufzeitbeginn und spätere Geschäftseröffnung

1. Vertragsabschlussdatum 2.439 Bei der Feststellung der relevanten Dauer der Bezugsverpflichtung ist für deren Beginn grundsätzlich auf das Vertragsabschlussdatum und nicht erst den späteren Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen.636) Dies muss auch im Falle einer Vertragsänderung gelten, soweit eine Bezugspflicht durch diese gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung nachträglich verlängert wird.637) 2.

Bestimmbarkeit/Transparenz

2.440 In einer Entscheidung zu einer Laufzeitklausel in einem Wartungsvertrag für eine gekaufte Telefonanlage, die bis zum Ende des zehnten Jahres galt, das auf die Betriebsbereitschaft folgte, hat der BGH keine Wirksamkeitsbedenken hinsichtlich der Bestimmbarkeit angenommen.638) Dies dürfte auf Regelungen des Laufzeitbeginns in Getränkelieferungsverträgen zu übertragen sein, etwa den Fall, dass die Laufzeit erst ab Eröffnung einer noch zu errichtenden bzw. zu renovierenden Absatzstätte beginnt.639) 3.

Annahme

2.441 Zum Vertragsbeginn bei vermeintlich verspäteter Annahme (§ 147 Abs. 2 BGB) des Vertrages kann die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13.11.2009 berichtet werden.640) V.

Laufzeitende

1. Geschäftsaufgabe 2.442 Zur Betriebsaufgabe wird verwiesen auf eine BGH-Entscheidung vom 8.4.1988 und ein Urteil des OLG Frankfurt vom 30.11.2000.641)

___________ 636) BGH, Urt. v. 17.3.1993 – VIII ZR 180/92, BGHZ 122, 63 = NJW 1993, 1651 = ZIP 1993, 684; BGH, Urt. v. 28.10.2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – VIII ZR 163/10, BeckRS 2011, 07723; BGH, Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 14/12, NJW 2013, 926. 637) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 638) BGH, Urt. v. 17.12.2002 – X ZR 220/01, NJW 2003, 886 = ZIP 2003, 533. Zweifel dagegen bei BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16, NJW-RR 2018, 199. 639) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; BGH, Urt. v. 2.11.2005 – XII ZR 212/03, NZM 2006, 54. 640) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 641) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

210

V. Laufzeitende

2.

Veräußerung des Objektes

Die Ausschließlichkeitsverpflichtung endet mit Veräußerung des Objektes.642) 3.

2.443

Tilgung

Der Bezugszeitraum kann mit der Dauer der vereinbarten Tilgung des Darlehens 2.444 in der Weise verknüpft sein, dass die Getränkebezugsverpflichtung mit der Rückzahlung des Darlehens ihr Ende finden soll. Der sich daraus ergebende Tilgungszeitraum ist für die Laufzeit der Bindung maßgeblich.643) 4.

Abschreibung

Enthält der Vertrag eine Abschreibungsregelung hinsichtlich des gestellten In- 2.445 ventars und/oder der Menge des bezogenen Bieres, so können sich daraus Folgerungen für ein vorzeitiges Vertragsende ergeben. Stellt der Getränkelieferant ein zinsloses und damit jederzeit rückzahlbares 2.446 Darlehen (§ 488 Abs. 3 Satz 3 BGB) zur Verfügung, dessen Tilgung durch Gutschrift pro abgenommenen hl Getränke erfolgen soll, und verpflichtet sich der Gastwirt als Gegenleistung zum Getränkebezug bis zur Tilgung der Darlehenssumme auf die vereinbarte Weise, so endet die Getränkebezugsverpflichtung mit vollständiger Rückführung der Darlehensvaluta jedenfalls dann, wenn die Rückführung auf entsprechende Anforderungen durch den Getränkelieferanten hin erfolgte.644) Ergibt sich die Vertragslaufzeit mittelbar aus der vertraglich vereinbarten Ab- 2.447 schreibung des gestellten Inventars und der Menge der bezogenen Getränke, so kann dies im Einzelfall dazu führen, dass die Ausschließlichkeitsbindung nicht erst bei vollständiger, sondern bereits bei teilweiser Abschreibung endet.645) Dem steht nicht entgegen, dass danach die vollständige Abschreibung der von dem Getränkelieferanten zur Verfügung gestellten Gaststätteneinrichtung nicht mehr gesichert wäre. Bis zu dem erst nach vollständiger Abschreibung eintretenden Vertragsablauf verbleibt dem Getränkelieferanten nämlich nach dem Vertrag das Eigentum. Im Falle der fristlosen Kündigung steht ihm nach dem streitgegenständlichen Vertrag ein Anspruch auf Zahlung des noch nicht abgeschriebenen Restbetrages zu. Ebenso müsste sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch statt der Leistung reduzieren.646) ___________ 642) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 643) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 644) LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90. Siehe unten § 33 V 9 m. w. N. 645) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96, zu § 138 Abs. 1 BGB; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 646) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96.

211

§ 11 Weitere Fragen im Zusammenhang mit der Laufzeit

5.

Bayrische Sudjahresregelung

2.448 Ggf. kommt es auf die bayerische Sudjahresregelung (Art. 5 bay. AGBGB) an. 6.

Umzug

2.449 Der Verpflichtete kann sich durch einen Umzug nicht von einer aktuell als lästig empfundenen Bezugsbindung lösen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Name der Absatzstätte, das Personal und die Betriebsart erhalten bleiben.647) VI.

Vertragsübernahme

2.450 Tritt der Käufer einer Gastwirtschaft in der Weise in den Getränkebezugsvertrag des Verkäufers mit einem Getränkelieferanten ein, dass der Vertragspartner unter Aufrechterhaltung der Identität des Vertrages ausgewechselt wird,648) so soll – ohne Rücksicht auf den Eintrittszeitpunkt – die vereinbarte Laufzeit des Ursprungsvertrages (im konkreten Fall 30 Jahre) dafür maßgebend sein, ob die Bezugsbindung allein wegen ihrer Dauer sittenwidrig ist.649) Eine sittenwidrige Gesamtlaufzeit lässt sich also nicht durch die Vertragsübernahme eines Nachfolgers in zwei für sich betrachtet zulässige Laufzeiten aufteilen.650) 2.451 Ob etwas anderes gilt, wenn die Vertragsübernahme durch Aufhebung des alten und Abschluss eines neuen Vertrages erfolgt, hat der V. Zivilsenat des BGH nicht zu entscheiden brauchen. Es könnte als unbefriedigend empfunden werden, wenn allein die Wahl der „rechtstechnischen Konstruktion“ zu unterschiedlichen Rechtsfolgen führen würde. Möglicherweise bietet sich für derartige Fälle eine Prüfung nach ähnlichen Kriterien wie bei den sog. Anschlussverträgen an.651) VII. Laufzeitendivergenzen 2.452 Fraglich erscheint, ob und in welchem Umfang der Getränkelieferant von vornherein eine zeitliche Bindung festlegen kann, die bei normaler Vertragsabwicklung die Darlehensrückzahlung voraussichtlich überdauert. 1.

Interessenlage

2.453 Auch Getränkelieferanten mit einem strikten Forderungsmanagement verzeichnen anhaltend hohe Forderungsausfälle, weil Gastwirte ihren Tilgungsverpflichtungen nicht hinreichend nachkommen. Tilgungsrückstände entstehen infolge verspäteter sowie ganz oder teilweise ausgefallener Zahlungen. Dieses latente Ausfallrisiko realisiert sich nicht erst seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am ___________ 647) 648) 649) 650)

LG Köln, Urt. v. 18.2.1999 – 22 O. 369/98. BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528. BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. 651) Siehe oben § 11 III 8 m. w. N.

212

VII. Laufzeitendivergenzen

1.1.1999, sondern stellt ein bereits seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts bekanntes Problem dar. Getränkelieferanten sind daher daran interessiert, die Darlehensvaluta in kürzeren Zeiträumen als die vereinbarte Laufzeit des Vertrages zurückzuerhalten. In derartigen Fällen kann der Gastwirt in die Lage geraten, nach Darlehensrückzahlung über längere Zeit hinaus weder von dem Getränkelieferanten, an den er noch gebunden ist, noch von einem anderen Getränkelieferanten, an die er sich binden will, Kredite zu erlangen. Andererseits entspricht es praktischer Erfahrung, dass der Getränkelieferant nicht nur zu Beginn oder gegen Ende der vertraglichen Bindung, sondern im Ergebnis mehr oder weniger durchgehend mit Tilgungsaussetzungen bzw. Tilgungsrückständen rechnen muss.652) 2.

Rechtliche Würdigung

Diese Interessenlage gilt es sowohl im Rahmen der Beurteilung nach § 138 2.454 Abs. 1 BGB als auch der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, insbesondere über § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, zu würdigen. Die Beschränkung des legitimen Anliegens des Gastwirts, seine Bezugsbindung in nicht allzu großen Zeitabständen für die Erlangung eines Gegenwertes einzusetzen, gebietet eine sorgfältige Prüfung, ob in derartigen Fällen eine den normalen Rückzahlungszeitraum übersteigende Bezugsbindung gegen die guten Sitten verstößt und damit die Vertragsdauer entsprechend zurückgeführt werden muss.653) Vorrangig kommt es auf die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung an.654) 2.455 Im Rahmen der Interessenabwägung sind Angemessenheit bzw. Ausgewogenheit auf das Verhältnis von Tilgungsdauer zur Vertragslaufzeit zu beziehen. Dazu bedarf es einer Betrachtung im Einzelfall. Keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Bezugsverpflichtung bestehen, wenn diese zweidreiviertel Jahre über den die Darlehenstilgung vertragsmäßig vorgesehenen Zeitraum hinausreicht,655) die Bezugsverpflichtung eine Dauer von zehn Jahren hat, während sich die Verpflichtung zur monatlichen Ratenzahlung lediglich über sieben Jahre hinzieht.656) Jedenfalls unzulässig dürfte es sein, wenn die Vertragsdauer die vorgesehene Tilgungszeit um mehr als das Doppelte überschreitet.657) ___________ 652) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 29. 653) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; RG, Urt. v. 14.1.1938 – VII 107/37; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80. 654) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Hamm, Urt. v. 7.6.2002 – 29 U 88/01. 655) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 656) OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09; LG Duisburg, Urt. v. 26.1.1989 – 8 O. 595/87. Siehe auch BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 657) So LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991 (Automatenaufstellvertrag).

213

§ 12 Lieferweg

Zweiter Abschnitt: Weitere typische Regelungen § 12 Lieferweg I.

Einführung

2.456 Eine Regelung des Liefer- oder Vertriebsweges erfolgt i. d. R. im Getränkelieferungsvertrag.658) Die Belieferung erfolgt unmittelbar durch den Vertragspartner des Kunden (Vertriebsmodell 1) oder durch den Getränkefachgroßhändler oder eine sonstige Vertriebsstelle (Vertriebsmodelle 2 bis 4). Im Vertriebsmodell 2 schließt zwar die Brauerei bzw. ein sonstiger Getränkehersteller den „Getränkelieferungsvertrag“,659) die Belieferung erfolgt aber über benannte selbstständig anbietende und fakturierende Getränkefachgroßhändler.660) II.

Änderungsvorbehalte

1.

Inhalt

2.457 Änderungsvorbehalte gewähren dem Getränkelieferanten ein einseitiges Änderungsrecht, ohne dass es hierzu einer Zustimmung des Vertragspartners bedarf. Sie machen eine Änderungskündigung entbehrlich. 2.

Erforderlichkeit

2.458 In der Praxis ergibt sich sowohl im Vertriebsmodell 1 als auch im Vertriebsmodell 2 die Notwendigkeit, Lieferwegänderungen vertraglich zuzulassen. So möchte sich die Brauerei im Vertriebsmodell 1 die Option vorbehalten, ins Vertriebsmodell 2 zu wechseln und einen selbstständigen Absatzmittler, insbesondere Getränkefachgroßhändler, mit der Belieferung des Kunden zu betrauen. Im Vertriebsmodell 2 können sich sowohl aus Sicht der Brauerei als auch des gebundenen und finanzierten Gastwirts Gründe ergeben, die eine Neuregelung des Lieferweges sinnvoll erscheinen lassen. Im erstgenannten Fall findet man beispielsweise die Formulierung „Die Belieferung erfolgt durch die Brauerei direkt oder durch einen noch zu benennenden Getränkefachgroßhändler.“ Im zweiten Fall wird eine Widerruflichkeit der Lieferantenbenennung durch Formulierungen wie „bis auf Weiteres“, „derzeit“ oder „zur Zeit“ gewählt. Die Interessenlage der Beteiligten ist insbesondere in der letztgenannten Fallkonstellation sehr unterschiedlich. 3.

Individualvertragliche Änderungsvorbehalte

2.459 a) Inhaltskontrolle. Das BGB sieht vor, dass einer Vertragspartei (§ 315 BGB) oder einem Dritten (§ 317 BGB) vertraglich das Recht eingeräumt werden kann, die Leistung oder die Gegenleistung (§ 316 BGB) zu bestimmen, den Preis oder sonstige Konditionen nachträglich zu ändern oder eine andere für das Rechts___________ 658) Siehe oben § 1 II 10 m. w. N. 659) Hier wäre wohl richtiger von „Getränkebezugsvertrag“ zu sprechen. 660) BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 612.

214

II. Änderungsvorbehalte

verhältnis erhebliche Bestimmung zu treffen. In der Rechtsprechung ist auch bezüglich individualvertraglich vereinbarter einseitiger Bestimmungsrechte anerkannt, dass Anlass, Richtlinien und Grenzen der Ausübung möglichst konkret anzugeben sind.661) b) Lückenschließung. Eine entstandene Lücke kann nicht durch ein einseitiges 2.460 Leistungsbestimmungsrecht nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB geschlossen werden. § 316 BGB stellt eine nur im Zweifel eingreifende gesetzliche Auslegungsregel dar, der gegenüber die Vertragsauslegung den Vorrang hat. Eine Vertragslücke kann nicht durch den Rückgriff auf § 316 BGB geschlossen werden, wenn und weil dies dem Interesse der Parteien und ihrer Willensrichtung typischerweise nicht entspricht. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kann allerdings kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 Abs. 1 BGB zugebilligt werden. 4.

Änderungsvorbehalte und AGB-Recht

a) Einbeziehung. Eine überraschende Klausel wird bereits nach § 305c Abs. 1 2.461 BGB nicht Vertragsbestandteil.662) b) Inhaltskontrolle. aa) Lässt sich ein AGB-Verwender ein einseitiges (Leis- 2.462 tungs-)Bestimmungsrecht formularmäßig gewähren, unterliegt die Nebenabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle.663) bb) § 308 Nr. 4 BGB. Das Verbot von Änderungsvorbehalten nach § 308 Nr. 4 2.463 BGB gilt gemäß §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gilt auch im Unternehmerverkehr, wobei aber keine Indizwirkung besteht.664) Der BGH hält die Einräumung und nähere Ausgestaltung einseitiger Leis- 2.464 tungsbestimmungsrechte insbesondere dann für überprüfbar, wenn sie sich auf das Entgelt beziehen und dies auch dann, wenn die Parteien individualvertraglich keine Preisbestimmung getroffen haben.665) Davon geht auch das Gesetz aus, das in § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) und § 309 Nr. 1 BGB (Verbot kurzfristiger Preiserhöhung) zwei Sonderfälle einseitiger Leistungsbestimmungsrechte geregelt hat.666) ___________ 661) BGH, Urt. v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, NJW 1989, 222. 662) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.2.2000 – 10 U 100/98, NJW-RR 2000, 1681. 663) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW-RR 1994, 1060 = ZIP 1994, 461. 664) BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 = NJW 2008, 3348 = ZIP 2008, 1977; BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558. 665) BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1495 = ZIP 2005, 1785 (Kfz-Vertragshändler). 666) BGH, Urt. v. 9.7.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 83/82, ZIP 1983, 825; BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler); BGH, Urt. v. 6.3.1986 – III ZR 195/84, ZIP 1986, 698; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 38/05, NJW-RR 2005, 1717.

215

§ 12 Lieferweg

2.465 Die Vorschrift enthält ein ausdrückliches Verbot von Änderungsklauseln, allerdings nur für die vom Verwender versprochene Leistung. Die Norm ist daher nur auf Änderungsklauseln anwendbar, die einen Einfluss auf die vom Verwender geschuldete Leistung haben.667) Sonst ist § 307 BGB Prüfungsmaßstab.668) Insofern kann auf Wertungen des § 308 Nr. 4 BGB zurückgegriffen werden. Die Änderung darf bei Abwägung der widerstreitenden Interessen dem Vertragspartner nicht unzumutbar sein und ihn nicht unangemessen benachteiligen. 2.466 cc) § 308 Nr. 5 BGB. Auch im Unternehmerverkehr gilt § 308 Nr. 5 BGB. Prüfungsmaßstab ist dann §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 2 Nr. 1, 308 Nr. 5 BGB.669) 2.467 Wenn der Gebundene durch eine ausdrücklich formulierte Klausel sowie aufgrund eines entsprechenden Hinweises i. S. d. § 308 Nr. 5 BGB auf die Befugnis aufmerksam gemacht wird, innerhalb angemessener Frist, der Änderung zu widersprechen oder ein Sonderkündigungsrecht in Anspruch zu nehmen, stellt sich die Frage, ob das angesprochene Konsensprinzip – Schweigen gilt nach § 308 Nr. 5 BGB als Zustimmung – durch das Äquivalenzprinzip und das Merkmal der Zumutbarkeit unterlaufen wird, wie es § 308 Nr. 4 BGB im Auge hat.670) Die Änderung des Äquivalenzverhältnisses kann ein Indiz für die Unzumutbarkeit sein.671) So geht es z. B. nicht an, im Wege der Zustellungsfiktion in die Essentialia des Vertrages einzugreifen bzw. das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zu Lasten der Verwendergegenseite zu verschieben.672) 2.468 dd) Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB könnte zu beachten sein, wonach Leistungsbestimmungsrechte Anlass, Grund und Grenzen der Ausübung festzulegen haben. 2.469 ee) Einräumung und Ausgestaltung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.673) Ein einseitiges Bestimmungsrechts stellt nämlich eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar, dass Rechte und Pflichten einschließlich von Leistung und Gegenleistung nach § 311 Abs. 1 BGB grundsätzlich durch vertragliche Vereinbarungen festgelegt werden. Die Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts muss auch im Unternehmerverkehr durch schwerwiegende ___________ 667) BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558. 668) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134. 669) BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 = NJW 2008, 3348 = ZIP 2008, 1977. 670) BGH, Urt. v. 13.3.1999 – IV ZR 218/97, NJW 1999, 1865. 671) BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558. 672) BGH, Urt. v. 18.12.2008 – I ZR 32/06, NJW 2009, 774. 673) BGH, Urt. v. 9.7.1981 – VII ZR 139/80, NJW 1981, 2351; BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 83/82, NJW 1983, 1854; BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1495 = ZIP 2005, 1785 (Kfz-Vertragshändler); BGH, Urt. v. 30.6.2009 – XI ZR 364/08, NJW-RR 2009, 1641 = ZIP 2009, 1558.

216

II. Änderungsvorbehalte

Gründe gerechtfertigt sein. Voraussetzungen und Umfang des Leistungsbestimmungsrechts sind tatbestandlich hinreichend zu konkretisieren.674) Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bedarf es allerdings einer besonders 2.470 sorgfältigen Abwägung im Einzelfall, ob der Vorbehalt der Lieferantenänderung nicht hingenommen werden muss. Schon die Auswahl des – nachträglich im Vertrag benannten – Getränkefachgroßhändlers erfolgt regelmäßig auf Initiative des Gastwirts. Sein primäres Interesse geht darauf, seinen Finanzierungsbedarf möglichst günstig zu decken. Deshalb wendet er sich insbesondere an ihm bekannte Getränkefachgroßhändler, die im Rahmen eines harten Konditionenwettbewerbs die finanziellen Wünsche des Gastwirts an verschiedene Brauereien rückkoppeln. Dies unabhängig davon, oder der Getränkefachgroßhändler in den Vertriebsmodellen 2, 3 oder 4 arbeitet. Erst wenn das Finanzierungskonzept und vor allen Dingen das vom Gastwirt gewünschte Preiskonzept hinsichtlich der Belieferung durch den Getränkefachgroßhändler und der von diesem gezahlten Rückvergütungen feststehen, ist der Gastwirt abschlussbereit. Die Frage, welche Getränke letztlich Gegenstand der Ausschließlichkeitsbindung sind, ist – aus Sicht der markenführenden Unternehmen leider – oft nachrangig. Dies unabhängig davon, ob – wie häufig – der Getränkefachgroßhändler sich selbst, allerdings mit von seinen Partnern in der Getränkewirtschaft refinanzierten Leistungen (Vertriebsmodell 3, ggf. auch 4) beim Gastwirt finanziell engagiert, oder ob die Brauerei unmittelbar den Bezugsvertrag mit dem Gastwirt schließt (Vertriebsmodell 2). Der Hinweis in einigen Entscheidungen675) die Möglichkeit des Widerrufs zu 2.471 der Lieferantenbenennung könne sich für den Bezugsverpflichteten deshalb besonders nachteilig auswirken, weil er möglicherweise eine langjährig gewachsene und günstig gestaltete Lieferbeziehung zu einem Getränkefachgroßhändler beenden und nun zu einem anderen, von der Brauerei benannten Getränkefachgroßhändler wechseln müsse, der nicht zu denselben günstigen Bedingungen liefern könne, dürfte im Regelfall keine Tatsachengrundlage haben. c) Folgen der Unwirksamkeit. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des 2.472 Klauselverwenders entfällt mit Unwirksamkeit der Klausel ersatzlos. Vorrangig sind die Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung heranzuziehen, wofür die den Gegenstand der Leistung und die das Verhältnis der Parteien prägenden Umstände maßgeblich sind. Denn diese bestimmen den Inhalt der von den Parteien getroffenen Absprachen und bilden in aller Regel eine hinreichende Grundlage für die Festlegung der interessengerechten Gegenleistung. Entscheidend ist danach, welche Regelung von den Parteien in Kenntnis der Unwirksamkeit der vereinbarten Klauseln nach dem Vertragszweck und angemessene Abwägung ihrer beider___________ 674) BGH, Urt. v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11 = NJW-RR 2005, 1495 = ZIP 2005, 1785 (Kfz-Vertragshändler). 675) OLG Koblenz, Urt. v. 18.9.1990 – 3 U 1337/89; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837.

217

§ 12 Lieferweg

seitigen Interessen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) als redliche Vertragspartner gewählt worden wäre.676) III.

Sonderfragen im Vertriebsmodell 2

1.

Anfängliche Benennung

2.473 a) Individualregelung versus Klausel. Regelmäßig liegt eine Individualregelung vor. Auch dann, wenn die Brauerei durch eine offene Formulierung eine zunächst unbestimmte Lieferantenbenennung vorgenommen hat, dürften im Ergebnis durchweg die Voraussetzungen eines Aushandelns i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB festzustellen sein. Bei der Ergänzung handelt es sich um eine selbstständige Ergänzung, der ein eigener Sinngehalt zukommt. Der Gastwirt wird in eigener Kompetenz entscheiden, mit welchem Getränkefachgroßhändler er zusammenarbeiten möchte. Dies schon vor dem Hintergrund des Umstandes, dass die Frage der Konditionen (Preise, Rückvergütungen, Skonto etc.) für ihn von grundlegender wirtschaftlicher Bedeutung ist. Nur äußerst ausnahmsweise dürfte der sachliche Anwendungsbereich des AGB-Rechts (§ 305 Abs. 1 BGB) eröffnet sein. 2.474 b) Inhaltskontrolle. Prüfungsmaßstab ist daher i. d. R. das BGB, insbesondere § 315 BGB. 2.

Lieferantenneubenennung auf Wunsch des Gastwirtes

2.475 a) Hintergrund. Anlass des Wunsches des Gastwirts, den benannten Getränkefachgroßhändler zu wechseln, ist zumeist der Umstand, dass ihm im Vertriebsmodell 2 von Mitbewerbern des benannten Getränkefachgroßhändlers günstigere Konditionen angeboten werden. Die Mitbewerber sind nicht in die Gesamtfinanzierung mit eingebunden, sodass ihre Belastung geringer und damit ihre Verfügungsmasse für Rückvergütungen höher ist. 2.476 b) Praktische Bedeutung. Die Fälle einer nachträglichen Neubestimmung des Lieferanten durch die Brauerei sind in der Praxis äußerst selten. Die Fälle der Rechtsnachfolge auf Getränkefachgroßhändlerseite sind insofern auszuscheiden. 2.477 c) Rechtsgrundlage. Soweit im Getränkelieferungsvertrag oder etwa in einer Partnerschaftsvereinbarung geregelt ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Brauerei von ihrem Lieferantenneubenennungsrecht Gebrauch machen kann, sind entsprechende Regelungen vorrangig heranzuziehen. Im Übrigen dürfte, ggf. auch ergänzend, eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB Abs. 1 BGB) zu prüfen sein. 2.478 d) Geschäftsgrundlage. Maßgeblich ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Dass die zum damaligen Zeitpunkt einvernehmlich oder ___________ 676) BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742.

218

II. Hauptpreisabreden

gar auf Wunsch des Gastwirts vorgenommene Lieferantenbenennung sich nachträglich aus Sicht des Gastwirts ungünstig darstellt, ist juristisch unerheblich. Nachträgliche Angriffe gegen die anfängliche Lieferantenbenennung sind auch deshalb wenig glaubhaft, weil der Gastwirt sich dadurch selbst dem Einwand des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) aussetzt. Die vertragliche Benennung erfolgt auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Er kann auch nicht nachträglich einwenden, dies sei unbewusst geschehen. Seine spätere Motivation, die Regelung als unwirksam darzustellen, überzeugt nicht, ist doch die (Preis-)Bindung an den einvernehmlich benannten Getränkefachgroßhändler eine zwingende Konsequenz der Vorverlagerung seiner unternehmerischen Entscheidung, eine Ausschließlichkeitsbindung auf einen bestimmten Zeitraum hin einzugehen. § 13 Preise I.

Einführung

1.

Preisklauseln

Unter dem Begriff der Preisklausel werden hier alle Klauseln verstanden, die 2.479 Regelungen über das vom Vertragspartner zu zahlende Entgelt enthalten. 2.

Unterscheidung

Man kann vier Gruppen von Preisklauseln unterscheiden, nämlich Hauptpreis- 2.480 abreden, Preisvorbehaltsklauseln sowie Preisnebenabreden im Übrigen und Preisanpassungsklauseln. Als Preisnebenabreden i. w. S. einzuordnen sind Klauseln, welche die Modalitäten 2.481 der Zahlung regeln, Klauseln, die ein Entgelt für Nebenleistungen vorsehen, sowie vor allem Preisanpassungsklauseln.677) II.

Hauptpreisabreden

1.

Begriff

Regelungen zu Art und Umfang der vom Vertragspartner geschuldeten Leis- 2.482 tung werden Hauptpreisabreden genannt. Dies sind Klauseln, die ein Entgelt konkret festlegen wie etwa auch Preislisten.678) Hierzu gehören auch Skonto-679) sowie Rabattvereinbarungen.680) ___________ 677) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = Zeller III, 310; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358 = NJW 1985, 3013 = ZIP 1985, 478; BGH, Urt. v. 14.7.2010 – VIII ZR 46/08, BGHZ 186, 180 = NJW 2011, 50 = ZIP 2010, 2153. 678) BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 679) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 63/04, NJW-RR 2006, 29. 680) BGH, Urt. v. 13.7.2005 – IV ZR 83/04, NJW-RR 2005, 1479.

219

II. Hauptpreisabreden

gar auf Wunsch des Gastwirts vorgenommene Lieferantenbenennung sich nachträglich aus Sicht des Gastwirts ungünstig darstellt, ist juristisch unerheblich. Nachträgliche Angriffe gegen die anfängliche Lieferantenbenennung sind auch deshalb wenig glaubhaft, weil der Gastwirt sich dadurch selbst dem Einwand des widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) aussetzt. Die vertragliche Benennung erfolgt auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin. Er kann auch nicht nachträglich einwenden, dies sei unbewusst geschehen. Seine spätere Motivation, die Regelung als unwirksam darzustellen, überzeugt nicht, ist doch die (Preis-)Bindung an den einvernehmlich benannten Getränkefachgroßhändler eine zwingende Konsequenz der Vorverlagerung seiner unternehmerischen Entscheidung, eine Ausschließlichkeitsbindung auf einen bestimmten Zeitraum hin einzugehen. § 13 Preise I.

Einführung

1.

Preisklauseln

Unter dem Begriff der Preisklausel werden hier alle Klauseln verstanden, die 2.479 Regelungen über das vom Vertragspartner zu zahlende Entgelt enthalten. 2.

Unterscheidung

Man kann vier Gruppen von Preisklauseln unterscheiden, nämlich Hauptpreis- 2.480 abreden, Preisvorbehaltsklauseln sowie Preisnebenabreden im Übrigen und Preisanpassungsklauseln. Als Preisnebenabreden i. w. S. einzuordnen sind Klauseln, welche die Modalitäten 2.481 der Zahlung regeln, Klauseln, die ein Entgelt für Nebenleistungen vorsehen, sowie vor allem Preisanpassungsklauseln.677) II.

Hauptpreisabreden

1.

Begriff

Regelungen zu Art und Umfang der vom Vertragspartner geschuldeten Leis- 2.482 tung werden Hauptpreisabreden genannt. Dies sind Klauseln, die ein Entgelt konkret festlegen wie etwa auch Preislisten.678) Hierzu gehören auch Skonto-679) sowie Rabattvereinbarungen.680) ___________ 677) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = Zeller III, 310; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 61/84, BGHZ 93, 358 = NJW 1985, 3013 = ZIP 1985, 478; BGH, Urt. v. 14.7.2010 – VIII ZR 46/08, BGHZ 186, 180 = NJW 2011, 50 = ZIP 2010, 2153. 678) BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 679) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 63/04, NJW-RR 2006, 29. 680) BGH, Urt. v. 13.7.2005 – IV ZR 83/04, NJW-RR 2005, 1479.

219

§ 13 Preise

2.

Situation

2.483 Bevor auf etwaige rechtliche Hürden hingewiesen wird, ist es hilfreich, sich zunächst die tatsächliche Situation vor Augen zu halten. Angesichts des lebhaften (Preis-)Wettbewerbs nutzt der Gastwirt seine Chance, zu ihm günstigen Bedingungen einkaufen zu können, bereits intensiv in der Verhandlungsphase. Sowohl im Direktgeschäft zwischen direkt beliefernder Brauerei und Gebundenem als auch im Indirektgeschäft – dann zwischen Getränkefachgroßhändler und Betreiber – finden neben den Finanzierungsgesprächen eingehende Gespräche über Preise und damit im Zusammenhang stehende Rückvergütungen statt. Dabei spielt es für den Gebundenen auch eine Rolle, ob und inwieweit der Bindende bzw. der Lieferant zu Serviceleistungen, etwa unentgeltlicher Inventargestellung oder Unterstützung in Fragen der Schankhygiene, bereit und in der Lage ist. Die Benennung des Getränkefachgroßhändlers im Vertrag Brauerei – Gastwirt stellt damit nur einen Schlusspunkt dar. 3.

Erforderlichkeit

2.484 Preisregelungen sind zwar schon aus Gründen der Praktikabilität, insbesondere im Vertriebsmodell 2, sinnvoll.681) Notwendig, insbesondere gesetzlich vorgeschrieben waren und sind sie aber nicht.682) Selbst das kartellrechtliche Schriftformerfordernis des § 34 GWB a. F. stellte insofern keine Inhaltsanforderungen auf.683) 4.

Regelungsort

2.485 a) Grundlagen. Soweit Brauereien den finanzierten und gebundenen Gastwirt selbst beliefern (Vertriebsmodell 1) bzw. Getränkefachgroßhändler entsprechend mit oder ohne Refinanzierung durch die Getränkewirtschaft agieren (Vertriebsmodelle 3 und 4), enthalten die entsprechenden Getränkelieferungsverträge regelmäßig eine Regelung hinsichtlich der vereinbarten Preise und ggf. auch der Rückvergütungen. Teilweise finden sich diese Preisregelungen im Vertrag selbst, häufiger in in Bezug genommenen Preislisten (für Gastronomiekunden, Ganterpreisliste) oder in in Bezug genommenen Sortiments- und Preislisten. Ergänzend gelten in die in Bezug genommenen Liefer- und Zahlungsbedingungen des Getränkelieferanten bzw. seine AGB im Übrigen. 2.486 b) Aus der Praxis. Gelegentlich wird bestritten, überhaupt eine Preisliste erhalten zu haben. Dies ist jedenfalls dann wenig plausibel, wenn im Vertrag verschiedene Anlagen zum Vertrag, u. a. die Anlage Nettopreisliste, aufgeführt ___________ 681) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 682) LG Frankfurt/M., Urt. v. 9.7.1980 – 2/6 0. 167/80. 683) Siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 1970 – 1973, 1999 – 2001, jeweils m. w. N.

220

II. Hauptpreisabreden

wird und hierauf im Vertragstext Bezug genommen wird. Wenig nachvollziehbar ist, einen Vertrag zu unterzeichnen, dem keinerlei Aussagen über die geltenden Preise zu entnehmen wären. Aber selbst wenn, dem Vertrag tatsächlich keine Preisliste beigefügt gewesen sein sollte, können sich die in den Vertrag einbezogenen Preise aus der bis dahin gelebten Abrechnungspraxis ergeben. Zudem ist der skizzierten Konstellation der Schuldner für die Behauptung, dass keinerlei Preislisten dem Vertrag beigefügt waren, darlegungs- und beweispflichtig.684) 5.

Kontrollfähigkeit

Hauptpreisabreden bestimmen ebenso wie (Rück-)Vergütungsvereinbarungen 2.487 unmittelbar Art und Umfang der vom Vertragspartner geschuldeten Leistung. Sie sind nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie und mangels gesetzlicher Vorgaben gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dem kontrollfreien Bereich zuzuordnen.685) Gleiches gilt, wenn der Vertrag selbst keinen Preis nennt und sich ein solcher auch noch nicht – etwa aus einer Preisliste – bestimmen lässt, etwa weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Preislisten noch nicht vorliegen. Kontrollfähig sind hingegen Klauseln über die Beschränkung eines vertraglich gewährten Rabatts.686) 6.

Transparenzgebot

a) Grundlagen. Hauptpreisabreden müssen gleichwohl dem Transparenzge- 2.488 bot, genügen (§ 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB).687) Gefordert wird, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für den Vertragspartner soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen notwendig ist.688) Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein und verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen.689) ___________ 684) LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 685) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 22. BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 63/04, NJW-RR 2006, 29; BGH, Urt. v. 13.7.2005 – IV ZR 83/04, NJW-RR 2005, 1479; BGH, Urt. v. 8.10.2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150; BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 25.9.2013 – VIII ZR 206/12, NJW 2014, 209 = ZIP 2013, 2206; BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW-RR 2015, 114 = ZIP 2015, 134; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328 = ZIP 2015, 833. 686) BGH, Urt. v. 28.1.2010 – Xa ZR 37/09, NJW 2010, 2046. 687) BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 688) BGH, Urt. v. 23.4.2010 – LwZR 15/08, NJW-RR 2010, 1497. 689) BGH, Urt. v. 31.5.2012 – I ZR 73/10, BGHZ 193, 268 = BeckRS 2012, 15227.

221

§ 13 Preise

2.489 b) Auch wenn § 34 GWB a. F.690) für seit dem 1.1.1999 geschlossene Getränkelieferungsverträge nicht mehr gilt,691) so sollte doch die Bestimmbarkeit der jeweils gültigen Preise in jedem Zeitpunkt der Laufzeit des Vertrages gewährleistet sein.692) 2.490 c) Weitere Fragen. Keine Bedenken bestehen, wenn auf Preise Bezug genommen wird, die sich aus bekannten (Sortiments-) und Preislisten ergeben.693) 2.491 Die schriftliche Vereinbarung der „bei dem Getränkelieferanten üblichen Preise“ genügte dem § 34 GWB a. F., solange nicht feststand, dass die Parteien tatsächlich etwas anderes, insbesondere etwas Konkreteres vereinbart hatten.694) Ebenfalls unbedenklich sind vertragliche Formulierungen wie „allgemeine Preise“ oder „ortsübliche Preise“.695) 2.492 d) Vertriebsmodell 2. Erfolgt die Belieferung der Gaststätte im Vertriebsmodell 2 und damit nicht durch die Brauerei, so sind Preise, Rückvergütungen und sonstige Liefer- und Zahlungsbedingungen zwischen dem beliefernden Getränkefachgroßhändler und dem Kunden auszuhandeln. Im Hinblick auf das Kartellverbot des § 1 GWB darf die Brauerei nicht in die Preisgestaltung eingreifen. Eine entsprechende Preisklausel könnte folgenden Wortlaut haben. „Die Preise richten sich nach der jeweils gültigen, schriftlich festgelegten Preisliste des Getränkefachgroßhändlers“.696) 7.

Rückvergütung

2.493 Hinzutreten können Rückvergütungen als Rabatte auf die Listen-/Grundpreise. Der sich daraus errechnende Betrag stellt den vereinbarten Preis dar. Werden Rückvergütungen einvernehmlich neu festgesetzt oder vereinbarungsgemäß einseitig oder aus berechtigtem Grund neu berechnet, so liegt im Ergebnis eine Preisänderung vor. Wegen des individualrechtlichen Hintergrundes ergeben sich keine AGB-rechtlichen Probleme. ___________ 690) Siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 13. Aufl. 2011, Rz. 888 – 894, jeweils m. w. N. 691) Siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 1960 f., jeweils m. w. N. 692) BGH, Urt. v. 1.12.1977 – KZR 6/76, NJW 1978, 822 = Zeller II, 90. Zu den Problemen im Zusammenhang mit dem kartellrechtlichen Schriftformerfordernis des § 34 GWB a. F. siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 1970 – 1973, jeweils m. w. N. 693) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98. 694) BGH, Urt. v. 28.9.1982 – KZR 13/81, WuW/E BGH 1988 = Zeller III, 140. 695) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 = NJW 1999, 3187. 696) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46 zu § 34 GWB a. F.; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

222

III. Preisvorbehaltsklauseln

III.

Preisvorbehaltsklauseln

1.

Begriff

Preisvorbehaltsklauseln räumen dem Verwender die Möglichkeit ein, einen im 2.494 Vertrag noch nicht festgelegten Preis einseitig zu bestimmen. 2.

Fallgruppen

a) Leistungsbestimmungsrecht Fall 1. Zu nennen sind zunächst die Fälle, bei 2.495 denen die Vertragsparteien im Vertrag auf die Vereinbarung eines Preises verzichtet haben oder der Preisvereinbarung eine Verbindlichkeit abgesprochen haben.697) Dann handelt es sich um einseitige Leistungsbestimmungsrechte i. S. d. §§ 315, 316 BGB.698) Der Preis kann damit nach Vertragsschluss einseitig durch eine der Vertragsparteien bestimmt werden kann.699) Ebenfalls hier einzuordnen sind Regelungen einzuordnen, bei denen die Ver- 2.496 tragsparteien sich auf eine Festlegung des Preises durch eine Partei, etwa den Getränkelieferanten, im Zusammenwirken mit einem Dritten, z. B. einem Pächter der Gaststätte, geeinigt haben.700) b) Leistungsbestimmungsrecht Fall 2. Wird in Preisänderungsklauseln hin- 2.497 sichtlich des Ausmaßes der Änderung des geschuldeten Betrages ein Ermessensspielraum eingeräumt, der es ermöglicht, die neue Höhe des zu zahlenden Betrages nach Billigkeitsgrundsätzen festzusetzen, so wird ebenfalls von Preisvorbehaltsklauseln gesprochen.701) 3.

Abgrenzung

Denkbar und praktisch häufig im Vertriebsmodell 2 ist eine Preisklausel, nach 2.498 der Preise und (Rück-)Vergütungen noch zwischen Gastwirt und belieferndem Getränkefachgroßhändler vereinbart werden müssen. Bei der Formulierung „Die Preise richten sich nach der jeweils gültigen, schriftlich festgelegten Preisliste des Getränkefachgroßhändlers“702) dürfte es sich wohl nicht um eine Preisvorbehaltsklausel handeln. Die Preise für das gebundene Sortiment sind im Ver___________ 697) BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603 = ZIP 1983, 828; BGH, Urt. v. 14.11.2003 – V ZR 144/03, NJW-RR 2004, 263. 698) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 699) BGH, Urt. v. 6.3.1979 – KZR 12/78, NJW 1979, 2247 = Zeller II, 111; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 700) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573. 701) BGH, Urt. v. 9.5.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH, Urt. v. 27.6.2012 – VII 93/10, BeckRS 2012, 16299; BGH, Urt. v. 9.5.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187. 702) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

223

§ 13 Preise

triebsmodell 2 zwischen dem Getränkefachgroßhändler und dem Gastwirt unmittelbar und eigenverantwortlich auszuhandeln. Der Brauerei bzw. anderen Getränkeherstellern ist es kartellrechtlich (§ 1 GWB) verwehrt, in diese Preisgestaltungshoheit, etwa durch Vorgaben oder vertragliche Regelungen, einzugreifen.703) 4.

Inhaltskontrolle

2.499 Der BGH musste bislang zur Frage der Kontrollfähigkeit von Preisvorbehaltsklauseln nicht Stellung nehmen, weil er eine entsprechende Einordnung im Einzelfall verneinte oder die Frage offen lassen konnte.704) Da es sich um eine Frage des Ausgangspreises handelt, dürfte wohl eine kontrollfreie Hauptabrede i. S. d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegen.705) 5.

Billigkeitskontrolle

2.500 a) § 315 (Abs. 1) BGB kann nur dann zur Lückenfüllung herangezogen werden, wenn die Parteien ein einseitiges Bestimmungsrecht wirksam vereinbart haben.706) § 315 BGB in unmittelbarer Anwendung ist gegenüber §§ 19 Abs. 2 Nr. 2, 33 GWB nicht subsidiär. § 315 Abs. 3 BGB stellt eine Regelung des Vertragsrechts dar, der ein hoher Gerechtigkeitsgehalt zukommt. Sie ermöglicht es dem der Leistungsbestimmung Unterworfenen, die vorgenommene Bestimmung gerichtlich auf ihre Billigkeit überprüfen und durch (gestaltendes) Urteil neu treffen zu lassen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Demgegenüber ist der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gem. §§ 19 Abs. 2 Nr. 2, 33 GWB ein deliktischer Anspruch. 2.501 b) § 316 BGB. Die gesetzliche Auslegungsregel des § 316 BGB, wonach im Zweifel der verpflichteten Partei die Bestimmung des Umfangs der Gegenleistung zugewiesen ist, setzt voraus, dass die Parteien bei Vertragsschluss noch gar keine Preisabsprache getroffen haben.707) IV.

Preisnebenabreden im Übrigen

1.

Begriff

2.502 Preisnebenabreden im Übrigen sind Abreden, die sich lediglich mittelbar auf Preis und Leistung auswirken, diese aber nicht ausschließlich festlegen, und be___________ 703) Zur Altrechtslage vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.488 f. m. w. N. 704) BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603 = ZIP 1983, 828; BGH, Urt. v. 20.5.1985 – VII ZR 198/94, BGHZ 94, 335 = NJW 1985, 2270 = ZIP 1985, 1081. 705) Ähnlich BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 706) BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343; BGH, Urt. v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, NJW 2009, 504 = ZIP 2009, 323. 707) BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343; BGH, Urt. v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69 = ZIP 1984, 330.

224

V. Preisänderungsklauseln

stehende Rechtsvorschriften, insbesondere Regelungen des dispositiven Gesetzesrechts, ergänzen oder von diesen abweichen.708) Anders als die unmittelbaren Preisabreden bestimmen sie nicht das Ob und den Umfang von Entgelten, sondern treten als ergänzende Regelungen, die lediglich die Art und Weise der zu erbringenden Vergütung und/oder etwaige Preismodifikationen zum Inhalt haben, „neben“ eine bereits bestehende Hauptpreisabrede. Sie weichen von dem das dispositive Recht beherrschenden Grundsatz ab, nach dem die Preisvereinbarung der Parteien bei Vertragsschluss für die gesamte Vertragsdauer bindend ist. 2.

Beispiele

Neben den vorstehend bereits angesprochenen Preisvorbehaltsklauseln und den 2.503 nachfolgend dargestellten Preisänderungsklauseln ist an Klauseln zu denken, welche die Modalitäten der Zahlung bestimmen, auf den Preis selbst aber keinen Einfluss haben. Darunter fallen Klauseln, die bestimmte Zahlungsarten, etwa Lastschriften, vorsehen709) oder – wie Barzahlungen – ausschließen oder (höhere) Entgelt für Zahlungswege festlegen.710) Weiter rechnen hierzu Vereinbarungen über den Zahlungsort und die Fälligkeit711) sowie auch Fremdwährungsklauseln. 3.

Inhaltskontrolle

a) Kontrollfähigkeit. Preisnebenabreden im Übrigen unterliegen in vollem Um- 2.504 fang der Inhaltskontrolle.712) b) Folgen bei Unwirksamkeit. Wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, 2.505 gilt dispositives Gesetzesrecht.713) Fehlt es daran, fällt die Klausel ersatzlos weg.714) V.

Preisänderungsklauseln

1.

Begriff

Preisänderungsklauseln ermöglichen dem Verwender, den vereinbarten Preis 2.506 nachträglich anzupassen.715) Sie werden auch als Preisnebenabreden i. e. S. eingeordnet. ___________ 708) BGH, Urt. v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, NJW 2009, 3570 = ZIP 2009, 2247; BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328 = ZIP 2015, 833. 709) BGH, Urt. v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 = ZIP 1996, 462; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = ZIP 2003, 350. 710) BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW 2010, 2719 = ZIP 2010, 1904. 711) BGH, Urt. v. 10.10.1991 – VII ZR 289/90, NJW 1992, 1107. 712) BGH, Urt. v. 10.10.1991 – VII ZR 289/90, NJW 1992, 1107; BGH, Urt. v. 20.5.2010 – Xa ZR 68/09, BGHZ 185, 359 = NJW-RR 2015, 114 = ZIP 2015, 134. 713) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 714) BGH, Urt. v. 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, NJW 1996, 456 ZIP 1996, 235. 715) BGH, Urt. v. 18.5.1983 – VIII ZR 20/82, NJW 1983, 1603 = ZIP 1983, 828.

225

§ 13 Preise

2.

Formulierung

2.507 In der Formulierung im Einzelnen unterschiedlich wird der Gastwirt zumeist verpflichtet, die Getränke „zu den jeweils gültigen Preisen“,716) „zum Tagespreis“, „gemäß der jeweils gültigen Sortiments- und Preisliste“, „zu den von dem Getränkelieferanten (allgemein) festgesetzten Preisen“ oder „nach der jeweiligen Preisliste“717) zu beziehen. 3.

Praktische Bedeutung und Erforderlichkeit

2.508 Herausragende Bedeutung für beide Vertragsparteien kommt in Getränkelieferungsverträgen, wie auch in sonstigen langfristigen Bezugsverträgen und anderen Dauerschuldverhältnissen, den Preisänderungsklauseln zu. Angesichts der Laufzeit der Verträge sind derartige Klauseln für die Getränkelieferanten kaum verzichtbar, wenn sie nicht den Weg der Individualvereinbarung gehen wollen. Im praktischen Ergebnis bewirkt eine Preisänderungsklausel im Getränkelieferungsvertrag als Rahmenvertrag, dass auch die geänderten Preise Gegenstand der abzuschließenden Einzelkaufverträge werden. Entsprechende Regelungen liegen einerseits im Interesse des Getränkelieferanten, der auf diese Weise seine Gewinnspanne für die Vertragslaufzeit möglichst konstant halten will, andererseits auch im Interesse des Kunden, der so verhindern kann, dass Preiserhöhungen bereits vorsorglich in den Vertrag mit aufgenommen werden.718) Daher besteht für Preisänderungsklauseln insbesondere bei langjährigen Verträgen wie Getränkelieferungsverträgen ein anerkennungswertes Bedürfnis.719) 2.509 Änderungen des Preises bewirken an sich auch eine Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses. Damit bleibt nur das wenig hilfreiche, aufwendige und sehr kundenunfreundliche Instrument einer Änderungskündigung. Diese unterliegt allerdings während der Laufzeit des Vertrages den Restriktionen des § 314 BGB.720) Die Lösung ist in einer AGB-rechtlich zulässigen Preisanpassungsklausel zu sehen. 4.

Kontrollfähigkeit

2.510 a) Grundlagen. Preisänderungsklauseln sind einer Inhaltskontrolle zugänglich. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dieser nicht entgegen.721) § 309 Nr. 1 BGB zeigt dies. Eine Preisänderungsklausel weicht nämlich von dem Grundsatz ab, dass in der Regel Leistung und Gegenleistung im Vertrag für die gesamte Ver___________ 716) 717) 718) 719) 720) 721)

226

BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW 2010, 2719 = ZIP 2010, 1904. BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = Zeller III, 310. BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = Zeller III, 310. BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27. BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708; BGH, Urt. v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025 = ZIP 2015, 1720.

V. Preisänderungsklauseln

tragsdauer bindend sind.722) Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie dem Verwender das Recht zu einer einseitigen Preisänderung einräumen oder eine automatische Preisanpassung zur Folge haben.723) Damit bleibt für die der Überprüfung entzogenen Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne die mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann.724) Ob eine Klausel einen kontrollfähigen Inhalt hat, ist durch Auslegung zu ermitteln, die das Revisionsgericht selbst vornehmen kann.725) b) Unternehmerverkehr. Auch im Unternehmerverkehr sind entsprechende 2.511 Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB entzogen und auch nicht wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam.726) 5.

Transparenzgebot

a) Exkurs Verbraucherverträge. Der Verwender von Preisanpassungsklauseln in 2.512 AGB hat – insbesondere bei auf Dauer angelegten Geschäftsverbindungen – ein anerkennenswertes Bedürfnis daran, seine Preise den aktuellen Kosten- oder Preisentwicklungen anzupassen. Auf Seiten des Kunden ist dagegen dessen Interesse daran zu berücksichtigen, vor Preisanpassungen geschützt zu werden, die über die Wahrung des ursprünglich festgelegten Äquivalenzverhältnisses hinausgehen.727) Dies erfordert als Mindestmaß, dass die Klausel den Anlass der Preisänderung, die Bezugsgrößen sowie den Umfang der Anpassung hinreichend verständlich umschreibt.728) Diese Anforderungen gelten auch für Kostenelementklauseln. Auch hier ist es erforderlich, dass der Vertragspartner vorherse___________ 722) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567 = ZIP 2005, 2262 – Flüssiggas I; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH, Urt. v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578; BGH, Urt. v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 = NJW 2009, 630; BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 723) BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 178/08, NJW 2010, 2789 = ZIP 2010, 1240; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 724) BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 725) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 726) BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW-RR 2015, 114 = ZIP 2015, 134. 727) BGH, Urt. v. 9.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363; BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 728) BGH, Urt. v. 9.5.2012 – XII ZR 79/10, NJW 2012, 2187; BGH, Urt. v. 27.6.2012 – VII 93/10, BeckRS 2012, 16299.

227

§ 13 Preise

hen kann, welche Kostensteigerungen auf ihn zukommen und vom Verwender mitgeteilte Preiserhöhungen überprüfen kann.729) 2.513 b) Unternehmerverträge. Im unternehmerischen Rechtsverkehr sind die Maßstäbe deutlich großzügiger.730) Der BGH hat Preisänderungsklauseln in zwischen Unternehmern (§§ 310 Abs. 1, 14 Abs. 1 BGB) geschlossenen langfristigen Bezugsverträgen selbst dann passieren lassen, wenn in ihnen die Preiserhöhungsfaktoren nicht angegeben, dem Verwender lediglich die Möglichkeit zur Bestimmung neuer Preislisten – ohne jegliche inhaltliche Anpassungskriterien – eingeräumt wurde. Er stellte dabei das eine Mal auf die Gebräuche des Unternehmerverkehrs und die Besonderheiten des – dort geschlossenen – Werkvertrages,731) das andere Mal auf die Langfristigkeit des Bezugsvertrages, die gleichgelagerten und damit einer Festsetzung nicht wettbewerbsgerechter Preise entgegenwirkenden Interessen der Vertragsparteien, weiterhin die erheblichen Vorleistungen des Lieferanten – eines Mineralölunternehmens – und die Besonderheiten bei der Verwendung der Klausel im Unternehmerverkehr (Möglichkeit des sog. seitengleichen Regresses) ab.732) Erlaubt die Klausel es dem Verwender, die Preise im gleichen Umfang zu erhöhen, wie der (Dritt-)Hersteller seine Preise erhöht, so blieb auch dieses ohne Beanstandung.733) Auch bei Kostenelementklauseln sind im unternehmerischen Rechtsverkehr geringere Anforderungen als in Verbraucherverträgen zu stellen, weil es hier nicht in jedem Fall dem Unternehmer zumutbar sein wird, seine Bezugskosten vollständig transparent darzustellen. Für die Wirksamkeit einer derartigen Klausel dürfte es im unternehmerischen Rechtsverkehr genügen, wenn etwa an Steigerungen der Einkaufskosten angeknüpft wird und dargelegt wird, um welche Kosten es sich insoweit handelt. 2.514 Dagegen ist der BGH in einer späteren Entscheidung zu diesem Problemkreis in einem Fall, in dem die vorgenannten Besonderheiten der Vertragsgestaltung allerdings fehlten, auch für den unternehmerischen Geschäftsverkehr dabei geblieben, ___________ 729) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567 = ZIP 2005, 2262 – Flüssiggas I; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH, Urt. v. 11.7.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134 – Internetprovider; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27 – Pay-TV; BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250; BGH, Urt. v. 27.1.2010 – VIII ZR 326/08, NJWRR 2010, 1205. 730) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 731) BGH, Urt. v. 27.9.1984 – X ZR 12/84, BGHZ 92, 200 = NJW 1985, 426 = ZIP 1985, 40 = Zeller III, 304 (Zündholzschachtel). 732) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler). So auch zu Getränkelieferungsverträgen LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 733) BGH, Urt. v. 29.10.1985 – X ZR 12/85, NJW-RR 1986, 211 = Zeller III, 180.

228

V. Preisänderungsklauseln

dass formularmäßige einseitige Leistungsänderungsrechte grundsätzlich nur wirksam sind, wenn die Klausel schwerwiegende Änderungsgründe nennt, also etwa die Preisänderungsfaktoren konkretisiert, und in ihren Voraussetzungen und Folgen erkennbar die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtigt. Auch gegenüber Unternehmern seien Preiserhöhungsklauseln unwirksam, die beliebige Preissteigerungen vorsähen oder der weiteren Gewinnerzielung dienen. Die Änderungsgründe seien jedenfalls dann zu nennen, wenn dies dem Verwender ohne größere Schwierigkeiten möglich sei.734) Auch im Unternehmerverkehr sind entsprechende Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB entzogen und auch nicht wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam.735) 6.

Inhaltskontrolle im Übrigen

a) Exkurs Verbraucherverträge. Eine unangemessene Benachteiligung des 2.515 Kunden liegt vor, wenn die Preisanpassung nicht nur zur Wahrung des Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung dient, sondern dem Unternehmer die Möglichkeit für einen zusätzlichen Gewinn schafft.736) Letzteres wird bei Kostenelementklauseln bejaht, wenn die Klausel keine Begrenzung von Preiserhöhungen auf die Abwälzung konkreter Kostensteigerung vorsieht, sondern dem Verwender eine unbegrenzte Preiserhöhung gestattet, wie dies etwa der Fall ist, wenn die Klausel keine genaue Formel zur Berechnung der Preiserhöhung in Abhängigkeit von den Kostensteigerungen vorsieht.737) Vollziehen sich nach dem Inhalt der Klausel Preissenkungen nicht nach den gleichen Kriterien wie Preiserhöhungen, so liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.738)

___________ 734) BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461 so auch BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358 = NJW 2000, 515 (Vertragshändler). 735) BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW-RR 2015, 114 = ZIP 2015, 134. 736) BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518 = ZIP 1980, 765; BGH, Urt. v. 12.7.1989 – VIII ZR 297/889, NJW 1990, 115; BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567 = ZIP 2005, 2262 – Flüssiggas I; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360; BGH, Urt. v. 9.10.2009 – V ZR 178/08, NJW 2010, 363; BGH, Urt. v. 24.3.2010 – VIII ZR 304/08, NJW 2010, 2793; BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708. 737) BGH, Urt. v. 29.10.1985 – X ZR 12/85, NJW-RR 1986, 211 = Zeller III, 180; BGH, Urt. v. 12.7.1989 – VIII ZR 297/889, NJW 1990, 115; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360. 738) BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250.

229

§ 13 Preise

2.516 b) Unternehmerverträge. Die für Verbraucherverträge entwickelte Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH ist auf den unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht übertragbar. Im unternehmerischen Rechtsverkehr sind die Anforderungen an die Wirksamkeit derartiger Klauseln deutlich geringer.739) 2.517 aa) Rechtsprechung. Die Rechtsprechung des BGH zur Inhaltskontrolle einseitiger Preisbestimmungsrechte setzte mit zwei Entscheidungen zu einer Preiserhöhungsklausel in einem Zeitschriftenabonnementsvertrag ein und zur sog. Tagespreisklausel in den Neuwagen-Verkaufsbedingungen.740) In beiden Fällen verwarf der VIII. Zivilsenat die Klausel, weil ihre uneingeschränkte Fassung dem Verwender beliebige – auch durch einen zwischenzeitlichen Kostenanstieg nicht gedeckte – Preiserhöhungen ermöglichte, ohne dem Vertragspartner unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zu einer Lösung von dem Vertrag einzuräumen. Maßgeblich sei die konkrete Ausgestaltung des Vertrages. Keine hinreichende Kompensation einer unangemessen benachteiligenden Preisanpassungsklausel liege dann vor, wenn dem Kunden das Recht zur Lösung vom Vertrag nicht spätestens gleichzeitig mit der Preiserhöhung, sondern erst nach deren Wirksamwerden zugebilligt werde.741) 2.518 Der BGH stellte dabei auf den konkreten Vertrag ab und billigte sogar eine Anpassungsklausel ohne jegliches inhaltliche Kriterium. Beiden Vertragsparteien ging es um einen möglichst hohen Absatz der Produkte an Endverbraucher, sodass die Interessen beider Parteien gleichgerichtet waren. Hinzu kam, dass der Hersteller den Händlern Darlehen gewährt hatte und diese die erhöhten Preise an die Endverbraucher weitergeben konnten. Des Weiteren war nach Ansicht des BGH bei Vertragsschluss nicht absehbar, wie und aufgrund welcher Faktoren sich die Preise entwickelten, sodass die Formulierung einer Preisanpassungsformel dem Verwender nicht zumutbar gewesen sei.742) ___________ 739) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708, mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler); BGH, Urt. v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103, 316 = NJW 1988, 1785 = ZIP 1988, 815; BGH, Urt. v. 6.4.2011 – VIII 31/09, BeckRS 2011, 12172. BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 27.6.2012 – XII ZR 93/10. 740) BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518 = ZIP 1980, 765; BGH, Urt. v. 7.10.1981 – VIII ZR 229/80, ZIP 1982, 71. 741) BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2518 = ZIP 1980, 765; BGH, Urt. v. 29.10.1985 – X ZR 12/85, NJW 1986, 211 = Zeller III, 180; BGH, Urt. v. 26.5.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134 = ZIP 1986, 919; BGH, Urt. v. 13.12.2006 – VIII ZR 25/06, NJW 2007, 1054 – Flüssiggas II; BGH, Urt. v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJW-RR 2010, 1202 = ZIP 2010, 1250. 742) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler). So auch zu Getränkelieferungsverträgen LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

230

V. Preisänderungsklauseln

Im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist auf die Gewohnheiten und Ge- 2.519 bräuche des Handelsverkehrs (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB) abzustellen. Darüber hinaus ist den Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Der kaufmännische Geschäftsverkehr sei wegen der dort herrschenden Handelsbräuche, Usancen, Verkehrssitten und wegen der zumeist größeren rechtsgeschäftlichen Erfahrung der Beteiligten auf eine stärkere Elastizität der für ihn maßgeblichen vertragsrechtlichen Normen angewiesen als der Letztverbraucher.743) Innerhalb des kaufmännischen Geschäftsverkehrs seien auch die branchentypischen Interessen der Vertragsschließenden zu berücksichtigen.744) Eine Befugnis des Verwenders zu Preissteigerungen durch beliebige Preiserhöhungen wäre aber auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig.745) Hieran fehlte es aber in der BGH-Entscheidung vom 16.1.1985746), weil der Vertragspartner die erhöhten Preise an den Kunden weitergeben konnte. Ähnlich hat sich der BGH in einer Entscheidung vom 8.10.2014 zu einer von 2.520 der DB Netz AG wurde in den AGB verhalten, die auf die „Entgeltliste in der jeweils gültigen Fassung“ verwies. Auch im Unternehmerverkehr sind entsprechende Klauseln gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Angemessenheitskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB entzogen und auch nicht wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB) unwirksam.747) bb) Stellungnahme. Durch die Aufnahme einer Preisänderungsklausel haben 2.521 die Parteien des Getränkelieferungsvertrages gezeigt, dass der Vertragspartner und nicht der Getränkelieferant Preisänderungen tragen soll. Die Parteien haben sich von dem lebensnahen Bewusstsein leiten lassen, dass Preisänderungen im Laufe des auf längere Zeit angelegten Bezugsverhältnisses zu erwarten sind und

___________ 743) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 27.9.1984 – X ZR 12/84, BGHZ 92, 200 = NJW 1985, 426 = ZIP 1985, 40 = Zeller III, 304 (Zündholzschachtel) und BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (KfzVertragshändler); BGH, Urt. v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103, 316 = NJW 1988, 1785 = ZIP 1988, 815; BGH, Urt. v. 6.4.2011 – VIII 31/09, BeckRS 2011, 12172. 744) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708, mit Hinweis auf BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler); BGH, Urt. v. 3.3.1988 – X ZR 54/86, BGHZ 103, 316 = NJW 1988, 1785 = ZIP 1988, 815; BGH, Urt. v. 6.4.2011 – VIII 31/09, BeckRS 2011, 12172. 745) BGH, Urt. v. 14.5.2014 – VIII ZR 114/13, BGHZ 201, 230 = NJW 2014, 2708, mit Verweis auf BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 27.6.2012 – XII ZR 93/10. 746) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler). 747) BGH, Urt. v. 8.10.2014 – XII ZR 164/12, NJW-RR 2015, 114 = ZIP 2015, 134.

231

§ 13 Preise

deshalb der Gefahr einer zukünftigen Äquivalenzstörung in angemessener Weise zu begegnen ist.748) 2.522 Die Zulässigkeit eines einseitigen Preisänderungsrechts, das keine Einschränkungen, insbesondere keine Konkretisierung der Preiserhöhungsfaktoren enthält und dem Partner des Klauselverwenders auch keine Lösungsmöglichkeit einräumt, wird nicht ohne Berücksichtigung der Art des konkreten Vertrages, der typischen Interessen der Vertragschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelungen beurteilt werden können.749) Im Ergebnis hat der BGH die zitierte Preisanpassungsklausel für wirksam gehalten. Er hat dabei auf mehrere Besonderheiten des konkreten Vertragsverhältnisses abgestellt und ausdrücklich angemerkt, dass dieses seiner Struktur nach dem Bierlieferungsvertrag ähnlich sei. Unter anderem hat er ausgeführt, der Schmiermittelhersteller könne sich nicht damit zufrieden geben, sein Produkt den Händlern und Werkstattbetrieben zu verkaufen, sondern müsse im Interesse einer ungestörten und beiderseits wirtschaftlich erfolgreichen Vertragsdurchführung darauf bedacht sein, seinen Abnehmern nicht durch das Verlangen nicht wettbewerbsgerechter Preise den Absatz an den Letztverbraucher zu erschweren. Außerdem habe der Schmiermittelhersteller erhebliche Vorleistungen in Form von Darlehen und Geräteausrüstungen erbracht. Diese fänden ihr Äquivalent in dem Abschluss langfristiger Absatzverträge, die ihrerseits Voraussetzung für eine vorausschauende Produktions- und Investitionsplanung des Schmiermittelherstellers seien. Überdies könne das Gebot, in einer einseitigen Preisänderungsklausel die preisbildenden Faktoren hinreichend zu konkretisieren, nur so weit reichen, wie der Klauselverwender die zumutbare Möglichkeit hierzu habe. Fraglich sei aber bereits, ob die Elemente der zukünftigen Kostenentwicklung in einer den Zeitraum vieler Jahre abdeckenden Klausel zusammengefasst werden könnten. Keinesfalls sei es möglich, dem – nicht von vorne herein unangemessenen – Interesse des Klauselverwenders, die Preisgestaltung auch an der Wettbewerbssituation auf dem Markt auszurichten, in einer solchen Klausel Geltung zu verschaffen.750) 2.523 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zu berücksichtigen, dass die Parteien eine langfristige Bindung über die Lieferung von Getränken eingehen wollten, bei denen von vornherein klar sein musste, dass sich die Preise im Verlauf der Vertragsdauer – auch kurzfristig – ändern würden. Zudem erbringt der Getränkelieferant durchweg erhebliche Vorleistungen zu Gunsten des Gastwirts. Die Preise in jedem Einzelfall neu auszuhandeln, wäre ersichtlich unwirtschaftlich ___________ 748) Zu diesem Aspekt BGH, Urt. v. 23.1.2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991. 749) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = ZIP 1985, 284 = Zeller III, 310 (Kfz-Vertragshändler). 750) BGH, Urt. v. 16.1.1985 – VIII ZR 153/83, BGHZ 93, 252 = NJW 1985, 853 = Zeller III, 310.

232

I. Grundlagen

und nicht interessengerecht. Im Übrigen bleibt dem Gastwirt die Kontrollmöglichkeit des § 315 Abs. 3 BGB.751) cc) Konsequenzen. Nach diesen Maßstäben dürfte gegen die große Mehrzahl 2.524 der derzeit verwendeten Preisanpassungsklauseln nichts zu erinnern sein. Der Getränkelieferant muss im Interesse einer ungestörten und beiderseits wirtschaftlich erfolgreichen Vertragsdurchführung darauf bedacht sein, seinem Vertragspartner das Geschäft nicht durch das Verlangen überhöhter Preise zu erschweren. Durchweg hat er nicht unerhebliche Vorleistungen erbracht. Dies rechtfertigt es, ihm durch eine Bezugsverpflichtung des Gaststättenbetreibers einen langfristigen und wirtschaftlich sinnvollen Absatzweg zu sichern. Dabei muss ihm die Möglichkeit erhalten bleiben, auf Veränderungen der Wettbewerbssituation und der für seine Getränke bedeutsamen preisbildenden Faktoren sachgerecht zu reagieren. Die einschlägigen Parameter in einer Preisänderungsklausel abstrakt und viele Jahre vorher zueinander in Beziehung zu setzen, erscheint schon angesichts der Getränkevielfalt nicht möglich.752) Nach hier vertretener Auffassung sind Preisänderungsklauseln in Getränkelieferungsverträgen daher wirksam. 7.

Kündigung

Eine vom Verwender ausgehende Preisanpassung rechtfertigt kaum jemals den 2.525 Rückgriff auf ein fristloses Kündigungsrecht, um dem Kunden die Möglichkeit, aber auch sozusagen die „Pflicht“ einzuräumen, aus dem Vertrag wegen der Preisanpassung „auszusteigen“.753) § 14 Übertragungsrecht I.

Grundlagen

1.

Interessenlage

Regelungen zur Übertragung der Lieferechte des Getränkelieferanten eröffnen 2.526 aus Sicht des Gastwirts für ihn möglicherweise Optionen, ein umfänglicheres Getränkesortiment als bislang zu erhalten. Vielleicht fürchtet er aber auch, dass der übernehmende Getränkelieferant das bekannte Sortiment nicht mehr (in vollem Umfang) anbieten wird. Auch sind dem Gastwirt die Person des neuen Vertragspartners, insbesondere seine Zuverlässigkeit,754) Kundentreue, sein (ggf. inak___________ 751) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 752) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 753) BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 = ZIP 2008, 1622; BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742. 754) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag).

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I. Grundlagen

und nicht interessengerecht. Im Übrigen bleibt dem Gastwirt die Kontrollmöglichkeit des § 315 Abs. 3 BGB.751) cc) Konsequenzen. Nach diesen Maßstäben dürfte gegen die große Mehrzahl 2.524 der derzeit verwendeten Preisanpassungsklauseln nichts zu erinnern sein. Der Getränkelieferant muss im Interesse einer ungestörten und beiderseits wirtschaftlich erfolgreichen Vertragsdurchführung darauf bedacht sein, seinem Vertragspartner das Geschäft nicht durch das Verlangen überhöhter Preise zu erschweren. Durchweg hat er nicht unerhebliche Vorleistungen erbracht. Dies rechtfertigt es, ihm durch eine Bezugsverpflichtung des Gaststättenbetreibers einen langfristigen und wirtschaftlich sinnvollen Absatzweg zu sichern. Dabei muss ihm die Möglichkeit erhalten bleiben, auf Veränderungen der Wettbewerbssituation und der für seine Getränke bedeutsamen preisbildenden Faktoren sachgerecht zu reagieren. Die einschlägigen Parameter in einer Preisänderungsklausel abstrakt und viele Jahre vorher zueinander in Beziehung zu setzen, erscheint schon angesichts der Getränkevielfalt nicht möglich.752) Nach hier vertretener Auffassung sind Preisänderungsklauseln in Getränkelieferungsverträgen daher wirksam. 7.

Kündigung

Eine vom Verwender ausgehende Preisanpassung rechtfertigt kaum jemals den 2.525 Rückgriff auf ein fristloses Kündigungsrecht, um dem Kunden die Möglichkeit, aber auch sozusagen die „Pflicht“ einzuräumen, aus dem Vertrag wegen der Preisanpassung „auszusteigen“.753) § 14 Übertragungsrecht I.

Grundlagen

1.

Interessenlage

Regelungen zur Übertragung der Lieferechte des Getränkelieferanten eröffnen 2.526 aus Sicht des Gastwirts für ihn möglicherweise Optionen, ein umfänglicheres Getränkesortiment als bislang zu erhalten. Vielleicht fürchtet er aber auch, dass der übernehmende Getränkelieferant das bekannte Sortiment nicht mehr (in vollem Umfang) anbieten wird. Auch sind dem Gastwirt die Person des neuen Vertragspartners, insbesondere seine Zuverlässigkeit,754) Kundentreue, sein (ggf. inak___________ 751) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 752) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 753) BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 = ZIP 2008, 1622; BGH, Urt. v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, NJW 2010, 1742. 754) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag).

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§ 14 Übertragungsrecht

tives) Forderungsmanagement, seine Lieferzuverlässigkeit und sein persönliches Engagement nicht gleichgültig. 2.527 Dem steht das Interesse des Getränkelieferanten gegenüber, durch den Verkauf insbesondere des finanzierten und gebundenen Kundenstammes ein wertiges Lieferrecht zu realisieren. Getränkelieferanten, die stark gastronomieorientiert sind und mit erheblichem finanziellen Aufwand langfristige und auch im Übrigen umfängliche Lieferrechte erworben haben, möchten diese bestmöglich verwerten können. Daher geht deren Interesse dahin, vorsorglich eine Nachfolgeregelung auf ihrer Seite (Übertragungsrecht) aufzunehmen, um im Falle der Aktualisierung der Regelung ohne Komplikationen Kundenbeziehungen reibungslos übertragen zu können. 2.

Anwendungsfälle und Abgrenzung

2.528 Als eine der denkbaren Fallgruppen ist der Verkauf zu nennen.755) Daneben werden weitere Konstellationen praktisch.756) 2.529 Zur Ablösung der Lieferrechte wird verwiesen auf ein Urteil des OLG Hamm vom 8.6.1998.757) 2.530 Zu Fragen des Rechts zur Mitbelieferung wird auf die Rechtsprechung verwiesen.758) 3.

Exkurs Gesamtrechtsnachfolge

2.531 Zunächst ist an eine (aktienrechtliche) Verschmelzung759) zu denken. Gesetzliche Folge ist die gesetzliche Gesamtrechtsnachfolge in das Vermögen der übertragenen Gesellschaft. Sämtliche Aktiva und Passiva des Getränkelieferanten und damit auch etwa bestehende vertragliche Rechte gegenüber Gastwirten gehen über.760)

___________ 755) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080. 756) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441; OLG München, Urt. v. 14.4.1999 – 5 U 5558/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.3.2000 – VIII ZR 274/99. 757) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 758) OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Köln, Urt. v. 26.10.2000 – 12 U 89/00. 759) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241. 760) OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.6.1997 – 5 U 36/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99.

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I. Grundlagen

Gleiches gilt für den Fall der Umwandlung, etwa einer Aktiengesellschaft in eine 2.532 Kommanditgesellschaft auf Aktien.761) 4.

Aktiv-/Passivlegitimation

Zu Fragen der Aktiv- bzw. Passivlegitimation wird auf die Rechtsprechung ver- 2.533 wiesen.762) Dabei ist zu beachten, dass § 265 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 ZPO bei einer Ausgliederung (Umwandlung) nach §§ 123 Abs. 3 Nr. 1, 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG im Prozess des Übertragenden als Kläger anwendbar ist, nicht aber im Prozess des Übertragenden als gesamtschuldnerischen Beklagten.763) 5.

Regelung

a) Erforderlichkeit. Einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung bedarf es 2.534 nicht.764) b) Auslegung. Fehlt es im Vertragstext – der die Vermutung der Vollständigkeit 2.535 und Richtigkeit für sich hat (§ 440 Abs. 2 ZPO) – an eindeutigen Anhaltspunkten etwa für die Auslegung, dass auch ein Rechtsnachfolger die Absatzstätte mit Getränken aus dem Getränkeprogramm des übertragenen Getränkelieferanten beliefern muss, so scheidet eine solche Auslegung aus. Sie würde auch nicht das typische, für den Vertragsgegner erkennbare Interesse des übertragenden Getränkelieferanten berücksichtigen, bestehende Bezugsverpflichtungen in weitgehendem Umfang auf einen etwaigen Rechtsnachfolger übertragen zu können. Die übernommene Verpflichtung stellt nämlich einen nicht unerheblichen Vermögenswert dar, der bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt wird. Dieser Vermögenswert wäre für den übertragenden Getränkelieferanten nicht mehr kalkulierbar, wenn er nicht von der Laufzeit der Bezugsverpflichtung, sondern von dem – bei Vertragsschluss nicht vorhersehbaren – Fortbestand des Getränkelieferanten abhängig gemacht würde.765) Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Übertragungsrechts als Individualabre- 2.536 de ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB insbesondere unter Berücksichtigung der Begleitumstände sowie des mit dem Übertragungsrecht verfolgten individuellen Zwecks und der beiderseitigen Interessenlage der Vertrags___________ 761) OLG Brandenburg, Urt. v. 10.3.1998 – 6 U 159/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.4.1999 – VIII ZR 300/98. 762) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2000 – 8 U 239/99 (Ausgliederung der DB Station & Service AG aus der Deutschen Bahn AG); OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080. 763) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 265 Rz. 12 Stichwort „Umwandlung“. 764) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98. 765) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441.

235

§ 14 Übertragungsrecht

parteien zu ermitteln, ob der Verpflichtete nach Einstellung des Brauereibetriebes grundsätzlich nunmehr Biere und Getränke des Rechtsnachfolgers abzunehmen hat.766) II.

Zustimmung

1.

Erforderlichkeit

2.537 Die Übertragung der Rechte des Getränkelieferanten aus dem Getränkelieferungsvertrag im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession) auf einen Dritten, insbesondere einen anderen Getränkelieferanten, bedarf der Zustimmung des Gastwirts als Schuldner (§ 415 Abs. 1 BGB).767) 2.538 Bei der Gesamtrechtsnachfolge (Übergang auf einen Erben im Erbfall (§ 1922 BGB) sowie einem Rechtsübergang durch Verschmelzung oder Umwandlung) gehen dagegen die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag kraft Gesetzes auf den jeweiligen Rechtsnachfolger über. Es bedarf weder der Zustimmung des Gastwirts noch seiner Mitwirkung im Übrigen.768) Seitens des Getränkelieferanten erfolgen lediglich karstellende Hinweise zur aktuellen Gläubigerstellung. 2.

Inhalt

2.539 Vertragsübertragungsklauseln ersetzen formularmäßig das Genehmigungserfordernis des § 415 Abs. 1 BGB.769) 3.

Form

2.540 Die gem. § 182 Abs. 2 BGB formfreie Genehmigung kann auch durch schlüssige Handlung erfolgen, etwa durch Fortsetzung der Getränkeabnahme nach Anzeige der Brauereiveräußerung.770) III.

AGB-Klausel

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

2.541 Zunächst ist zu prüfen, ob das Übertragungsrecht in den sachlichen Anwendungsbereich des § 305 Abs. 1 BGB fällt. Wenn sich auch aus der äußeren Form ___________ 766) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. 767) BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102 (Gewerbemietraumrecht). 768) OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.6.1997 – 5 U 36/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 769) BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102 (Gewerbemietraumrecht). 770) OLG Nürnberg, Urt. v. 10.5.1965 – 5 U 29/65, NJW 1965, 1919.

236

III. AGB-Klausel

des Vertragstextes sowie aus dem Umstand, dass der Geschäftsführer des beklagten Getränkelieferanten den Vertragstext zu einem Notartermin mitgebracht hatte, eine Vorformulierung ergibt, so steht damit aber noch nicht fest, dass die Rechtsnachfolgeklausel i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden war. Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft werden. Der Umstand, dass die Klausel auch in einem weiteren, von den Parteien abgeschlossenen, später allerdings nicht durchgeführten Vertrag enthalten war, reicht hierfür nicht aus, weil die untere Grenze für eine Vielzahl von Verwendungsfällen jedenfalls nicht unter drei beabsichtigten Verwendungen anzusetzen ist.771) 2.

§ 309 Nr. 10 BGB

a) Persönlicher Anwendungsbereich. Eine Verbrauchereigenschaft ist bei Eigen- 2.542 tümererklärungen oder Mithaftungserklärungen Dritter denkbar. § 309 Nr. 10 BGB gilt allerdings auch im Unternehmerverkehr (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB).772) b) Inhalt. § 309 Nr. 10 BGB missbilligt solche Klauseln nicht allgemein, sondern 2.543 nur dann, wenn die Vertragsübernahme etwa Kauf- und Darlehensverträge betrifft. Für Darlehensverträge gilt dies allerdings erst seit dem 19.8.2008. Auf Schuldbeitritte ist die Vorschrift analog anzuwenden. Danach ist die Klausel nur wirksam, wenn der Nachfolger namentlich benannt wird oder wenn dem anderen Teil bei Eintritt des Nachfolgers ein Recht zur sofortigen Vertragsbeendigung eingeräumt wird. Der Getränkelieferungsvertrag rechnet jedenfalls nicht zu den in dem speziellen Klauselverbot genannten Vertragstypen. Dies könnte allenfalls hinsichtlich der Darlehenskomponente anders zu beurteilen sein. 3.

§§ 310 Abs. 1 Satz 2, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Grundsatz. Bereits ein Umkehrschluss aus § 309 Nr. 10 BGB zeigt, dass for- 2.544 mularmäßige Vertragsübertragungsklauseln gegenüber einem Unternehmer nicht generell eine unangemessene Benachteiligung darstellen. Es ist darauf vielmehr abzustellen, ob der Wechsel des Vertragspartners berechtigte Interessen des anderen Teils beeinträchtigt.773) Im Rahmen einer Interessenabwägung bedarf es einer Prüfung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles. Zugunsten des AGBVerwenders ist das Interesse an einer Bestandsübertragung zu beachten, zugunsten des AGB-Gegners das Interesse, sich über die Zuverlässigkeit und Sol___________ 771) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. 772) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441; BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102 (Gewerbemietraumrecht). 773) BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102.

237

§ 14 Übertragungsrecht

venz des Übernehmers Gewissheit verschaffen zu können.774) Die Zulässigkeit einer nicht von § 309 Nr. 10 BGB gedeckten Vertragsübertragung ist zu bejahen, wenn ein berechtigtes Interesse aufseiten des Verwenders besteht und die Interessen des Partners nicht (wesentlich) beeinträchtigt werden. Das Interesse des AGB-Verwenders ist höher zu bewerten, wenn der Vertrag eine besonders lange (verbleibende) Laufzeit hat und je stärker die Bindung des AGB-Gegners, z. B. durch eine langfristige Ausschließlichkeitsbindung, ist. Eine solche Beeinträchtigung liegt z. B. auch vor, wenn sich der Vertragsinhalt aufgrund des Wechsels des Verwenders ändern würde.775) 2.545 b) Rechtsprechung. aa) Entwicklung. In einem vor Inkrafttreten des AGBG ergangenen Urteil hat der BGH die in einem formularmäßigen Getränkelieferungsvertrag enthaltene Befugnis des Getränkelieferanten, den Vertrag mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf einen anderen Getränkelieferanten zu übertragen, im Hinblick auf seine schützenswerten Interessen, zusammen mit seinem Geschäftsbetrieb auch den vertraglich gebundenen Kundenstamm mit zu übertragen, dann unbeanstandet gelassen, wenn der sonstige Vertragsinhalt – insbesondere hinsichtlich der Braustelle und der Biermarke – unberührt bleibt.776) 2.546 Im Zusammenhang mit einem auf mehrere Jahre abgeschlossenen Automatenaufstellvertrag, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufwies, führte der BGH dagegen aus, dass eine Vertragsübertragungsklausel ohne Widerspruchsrecht des Gastwirts unwirksam sei, weil dieser typischerweise ein besonderes Interesse daran habe, sich über die Zuverlässigkeit und Solvenz des neuen Vertragspartners Gewissheit zu verschaffen. Auch wurde die Einseitigkeit der Klausel zu Lasten des Gastwirts beanstandet.777) 2.547 Ist diese Befugnis des Getränkelieferanten dagegen nicht auf den Fall der Übertragung ihres Geschäftsbetriebes beschränkt und macht die Klausel auch keine Ausnahme für den Fall eines mit der Übertragung der Betriebsrechte auf einen anderen Getränkelieferanten verbundenen Wechsels der Biersorten, hatte der BGH zunächst Bedenken angemeldet, die er allerdings letztlich – weil für die Frage der Gesamtnichtigkeit des Vertrages ohne Bedeutung – offenlassen konnte.778) 2.548 Diese Frage ist vom BGH im Jahre 1998 dahingehend entschieden worden, dass ein formularmäßig vereinbartes generelles unbeschränktes Übertragungsrecht ___________ 774) Siehe oben § 14 I 1 m. w. N. 775) BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102 (Gewerbemietraumrecht). 776) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG München, Urt. v. 31.1.1973 – 7 U 2372/72, MDR 1973, 761 = Zeller I, 321, als Vorinstanz. 777) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, BeckRS 9998, 101023 = ZIP 1984, 1093 = Zeller III, 298 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227 (Automatenaufstellvertrag). 778) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80.

238

III. AGB-Klausel

die Interessen des Gastwirts entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und damit unwirksam ist, weil es Fälle des Rechtsübergangs auf andere Getränkelieferanten einbezieht, bei denen sich die Durchführung des Getränkelieferungsvertrages inhaltlich entscheidend zum Nachteil des Gastwirts ändern würde. Mit der Vertragsklausel „Die Rechte und Pflichten gehen auf die jeweiligen Rechtsnachfolger über und werden von ihnen übernommen.“ werde dem Getränkelieferanten auch die Befugnis eingeräumt, die Rechte ohne jede Einschränkung auf einen Rechtsnachfolger zu übertragen, somit auch bei Einstellung des Braubetriebs, bei Verlegung der Braustelle oder bei Änderung der Biermarke. Jede inhaltlich entscheidende Veränderung der Vertragsdurchführung sei eine unangemessene Benachteiligung des Gastwirts. Sehe der Vertrag die Lieferung der Hauptbiermarke des Verwenders (ohne diese namentlich zu nennen) vor, so wäre dieser Inhalt bei einem anderen Verwender ein anderer. Räumt das Übertragungsrecht die Befugnis ein, die Rechte aus einem Getränkelieferungsvertrag unabhängig davon zu übertragen, ob hiermit ein Wechsel der Biersorte verbunden ist, so verstoße dies gegen § 307 Abs. 1 BGB.779) Der Gastwirt, der sich langfristig an eine bestimmte Brauerei bindet, dürfe dar- 2.549 auf vertrauen, dass auch bei einem von ihm hinzunehmenden Besitzerwechsel aufseiten der Brauerei die Vertragsdurchführung selbst unberührt bleibe. Entscheide die Brauerei sich zur Aufhebung oder zur Verlegung der alten Braustätte und zu einer Änderung der Biermarke, so brauche dies der Gastwirt, selbst wenn das nunmehr angebotene Bier qualitativ gleichwertig ist, in der Regel nicht hinzunehmen. Für den Publikumsgeschmack und damit den Kundenkreis eines Gastwirts seien vor allem die in der Absatzstätte ausgeschenkten Biersorten von maßgeblicher Bedeutung. Dies gelte insbesondere bei kleinen und mittelständischen Brauereien mit begrenztem Einzugsgebiet. Diese Erwägungen träfen in gleicher Weise für den Fall zu, dass eine Brauerei unter Einstellung ihres Braubetriebes von einer anderen Brauerei übernommen wird, sodass nur noch deren Biere geliefert werden können. Auch hier sei dem Gastwirt der Vertrieb einer anderen Biermarke grundsätzlich nicht zuzumuten, weil hierdurch in seine gewachsenen Kundenbeziehungen eingegriffen werde und die Gefahr bestünde, dass es aufgrund des Wechsels der Biermarke zu einem Ausbleiben von Gästen und damit zu einem Umsatzverlust der Absatzstätte komme.780) bb) Die Entscheidung ruft in mehrfacher Hinsicht Kritik hervor. Ein Ver- 2.550 gleich der Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1998 mit der Vorgängerentscheidung aus dem Jahre 1976 macht deutlich, dass es dem BGH weniger auf die ___________ 779) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. Vgl. auch BGH, Urt. v. 9.6.2010 – XII ZR 171/08, NJW 2010, 3708 = ZIP 2010, 2102 (Gewerbemietraumrecht). 780) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441 im Anschluss an BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96.

239

§ 14 Übertragungsrecht

Verlegung der Braustelle oder auf die Einstellung des Braubetriebes ankommt. Entscheidend ist vielmehr der Wechsel der Biermarke (vom BGH als Biersorte bezeichnet). Allein dieser Wechsel begründe nach der Rechtsprechung des BGH die Gefahr des Ausbleibens der Gäste und des Umsatzverlustes für den Gastwirt. Da der Vertrieb einer anderen Biermarke dem Gastwirt nicht zuzumuten sei, falle die Interessenabwägung letztlich zu seinen Gunsten aus. 2.551 Warum der Publikumsgeschmack der ausgeschenkten Biersorten gerade bei kleinen und mittelständischen Brauereien von maßgeblicher Bedeutung sein soll, bleibt unerfindlich. Sollte damit ein besonderer Schutz dieser Brauereien beabsichtigt gewesen sein, so bewirkt die Entscheidung gerade das Gegenteil, nämlich eine weitgehende Unverkäuflichkeit dieser Brauereien. Ohne die Möglichkeit der Sortimentsumstellung lässt sich weder der Kauf betriebswirtschaftlich darstellen noch können später Synergien gehoben werden. 2.552 Wird der Braubetrieb eingestellt und das verpflichtete Bier, das nicht unter einer Herkunftsbezeichnung auf dem Markt ist, von der übernehmenden Brauerei unter Beibehaltung der Rezeptur, der Sorte und der Markenbezeichnung weiterhin eingebraut, so ist auch kein Sachgrund ersichtlich, warum dem Gastwirt ein Sonderkündigungsrecht zustehen sollte. Unter den genannten Voraussetzungen lässt sich nämlich keine geschmackliche Veränderung des Produktes feststellen. Deshalb greift entgegen dem BGH auch nicht das Argument des Publikumsgeschmacks. Im Übrigen liegt weder eine Änderung der Sorte noch der Marke vor. Dies gilt auch dann, wenn die übernehmende Brauerei bei Identität im Übrigen die Markenbezeichnung ändert.781) 2.553 Die vorbezeichneten Entscheidungen beruhen auf einer Verkennung und Verwechslung der Begriffe „Sorte“ und „Marke“. Insofern zutreffend erläuterte Ziffer 40 letzter Satz der Bekanntmachung zur VO Nr. 1984/83, dass die bloße Änderung der Marke oder der sonstigen Benennung eines im Übrigen unverändert bleibenden Getränks keine Ausdehnung der Ausschließlichkeitsverpflichtung darstellt.782) 2.554 Anders zu entscheiden könnten dagegen Sachverhalte sein, in denen sich die Ausschließlichkeitsbindung auf Biere bezieht, die unter einer Herkunftsbezeichnung eingebraut werden. Allerdings bedarf es auch insofern einer besonders sorgfältigen Prüfung im Einzelfall. Selbst dann, wenn nicht die Marke des gebundenen Bieres, sondern das finanzielle Engagement der – ggf. refinanzierenden – Brauerei ausschlaggebendes Motiv für den Abschluss des Getränkelieferungsvertrages gewesen sein sollte, muss die Bedeutung von entlokalisieren___________ 781) A. A. BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96. 782) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89.

240

I. Grundlagen

den Hinweisen beachtet werden. Dies insbesondere bei sog. einfachen geografischen Herkunftsbezeichnungen i. S. d. § 127 Abs. 1 Markengesetz. Soweit es sich um qualifizierte Herkunftsangaben handelt, ist an die Bestimmungen der EG-VO Nr. 2081/92 zum Schutz von geografischen Herkunftsangaben zu denken. Nur in letzterem Fall handelt es sich um Angaben, bei welchen die Herkunft der Ware zugleich auf eine besondere Beschaffenheit schließen lässt. c) Praxishinweis. Will man ein Übertragungsrecht des Getränkelieferanten in den 2.555 Getränkelieferungsvertrag aufnehmen, so muss die Rechtsprechung des BGH vom 15.4.1998 berücksichtigt werden. Die Regelung sollte daher sowohl einen Wechsel der Biermarke ausschließen als auch die Einschränkung enthalten, dass die Qualität der gelieferten Produkte sich nicht zum Nachteil des Gebundenen verändern darf. d) Kündbarkeit. Dem Gastwirt darf weiter ein umfassendes Lösungsrecht nicht 2.556 abgeschnitten sein.783) Die Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund reicht nicht.784) 4.

Exkurs: Wechsel der Braustätte

Ein Wechsel der Braustätte dürfte bei gleich bleibender Qualität des Bieres kei- 2.557 ne Rolle spielen. Darüber hinaus besteht bei Übernahmen praktisch die Möglichkeit, die alte Braustätte noch eine Zeit lang weiterzuführen oder die alte Marke in einem Lohnbrauvertrag weiter herstellen zu lassen. § 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen I.

Grundlagen

1.

Praktische Bedeutung

Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist eine Klausel des Inhalts, dass der 2.558 Kunde, d. h. der Gastwirt oder Hauseigentümer, bei Aufgabe des Betriebs oder Veräußerung der Besitzung seine Vertragspflichten sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Getränkeabnahmeverpflichtung als auch der Verpflichtungen im Übrigen, insbesondere der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens, seinem Rechts-, Geschäfts- oder Besitznachfolger aufzuerlegen hat. 2.

Fallkonstellationen

a) Überblick. Verschiedene Situationen sind zu unterscheiden, wobei die fol- 2.559 genden Hinweise nicht abschließend zu verstehen sind. ___________ 783) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. 784) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag).

241

I. Grundlagen

den Hinweisen beachtet werden. Dies insbesondere bei sog. einfachen geografischen Herkunftsbezeichnungen i. S. d. § 127 Abs. 1 Markengesetz. Soweit es sich um qualifizierte Herkunftsangaben handelt, ist an die Bestimmungen der EG-VO Nr. 2081/92 zum Schutz von geografischen Herkunftsangaben zu denken. Nur in letzterem Fall handelt es sich um Angaben, bei welchen die Herkunft der Ware zugleich auf eine besondere Beschaffenheit schließen lässt. c) Praxishinweis. Will man ein Übertragungsrecht des Getränkelieferanten in den 2.555 Getränkelieferungsvertrag aufnehmen, so muss die Rechtsprechung des BGH vom 15.4.1998 berücksichtigt werden. Die Regelung sollte daher sowohl einen Wechsel der Biermarke ausschließen als auch die Einschränkung enthalten, dass die Qualität der gelieferten Produkte sich nicht zum Nachteil des Gebundenen verändern darf. d) Kündbarkeit. Dem Gastwirt darf weiter ein umfassendes Lösungsrecht nicht 2.556 abgeschnitten sein.783) Die Möglichkeit zur Kündigung aus wichtigem Grund reicht nicht.784) 4.

Exkurs: Wechsel der Braustätte

Ein Wechsel der Braustätte dürfte bei gleich bleibender Qualität des Bieres kei- 2.557 ne Rolle spielen. Darüber hinaus besteht bei Übernahmen praktisch die Möglichkeit, die alte Braustätte noch eine Zeit lang weiterzuführen oder die alte Marke in einem Lohnbrauvertrag weiter herstellen zu lassen. § 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen I.

Grundlagen

1.

Praktische Bedeutung

Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist eine Klausel des Inhalts, dass der 2.558 Kunde, d. h. der Gastwirt oder Hauseigentümer, bei Aufgabe des Betriebs oder Veräußerung der Besitzung seine Vertragspflichten sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Getränkeabnahmeverpflichtung als auch der Verpflichtungen im Übrigen, insbesondere der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens, seinem Rechts-, Geschäfts- oder Besitznachfolger aufzuerlegen hat. 2.

Fallkonstellationen

a) Überblick. Verschiedene Situationen sind zu unterscheiden, wobei die fol- 2.559 genden Hinweise nicht abschließend zu verstehen sind. ___________ 783) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. 784) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag).

241

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen

x

Übertragung von einem selbst bewirtschaftenden Eigentümer auf einen anderen selbst bewirtschaftenden Eigentümer785)

x

Übertragung von einem selbst bewirtschaftenden Eigentümer auf einen nicht selbst bewirtschaftenden Eigentümer786)

x

Verpachtung/Vermietung durch einen bislang selbst bewirtschaftenden Eigentümer787)

x

Übertragung von einem nicht selbst bewirtschaftenden Eigentümer, insbesondere einem Getränkelieferanten, auf einen selbst bewirtschaftenden Eigentümer788)

x

Auferlegungspflichten, die ein nicht selbst bewirtschaftender Eigentümer im Rahmen einer Eigentümererklärung übernommen hat, und Verpachtung/ Vermietung789)

x

Betriebseinstellung durch bislang selbst bewirtschaftenden Eigentümer790)

x

Pächterwechsel.791)

2.560 b) Gemäß §§ 152 f. UmwG kann der Gastwirt sein einzelkaufmännisches Unternehmen auf eine Person- oder Kapitalgesellschaft ausgliedern, ohne dass es ___________ 785) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Schleswig, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 26/98, BeckRS 1999, 06551. 786) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01 (bei anschließender Weiterverpachtung). 787) OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.7.1985 – 2 W 45/85, WRP 1986, 119; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.1988 – 17 U 194/87, NJW-RR 1989, 1082 = Zeller IV, 56. 788) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145. 789) RG, Urt. v. 1.11.1904 – 150/04 III, JW 1905, 19; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 790) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 791) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); OLG München, Urt. v. 1.10.1985 – 25 U 3981/85, NJW-RR 1986, 150 = Zeller III, 96; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05.

242

I. Grundlagen

der Zustimmung des Getränkelieferanten bedarf. Rechtsfolge einer solchen Ausgliederung ist, dass gemäß § 131 UmwG die entsprechende Gesellschaft Vertragspartnerin des Getränkelieferanten wird. Dies ist mit Risiken verbunden, weil dem Getränkelieferanten nicht nur die Haftungsmasse entzogen werden kann, sondern dadurch auch eine Person den Betrieb der Gaststätte übernehmen könnte (als Geschäftsführer der juristischen Person), auf deren Auswahl der Getränkelieferant keinen Einfluss hat. Ob allein aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Maßnahme des Gastwirts dem Getränkelieferanten ein außerordentliches Kündigungsrecht zusteht, ist zweifelhaft. Ein solches dürfte nur dann gegeben sein, wenn zwischen dem Getränkelieferanten und dem Gastwirt ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht. Daher ist präventiv an die Vereinbarung eines Sonderkündigungsrechts zu denken. 3.

Interessenlage

Entsprechende Klauseln scheinen für den Gastwirt eine nicht unerhebliche Ein- 2.561 schränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zur Folge haben. Zunächst scheint es, als sei ihm die Aufgabe der Absatzstätte während der Vertragslaufzeit erschwert und die Weitergabe der Verpflichtungen mit besonderen Risiken verbunden. Auch werde er durch die Nachfolgeverpachtung dadurch besonders belastet, dass auch seine Nachfolger auf Finanzierungen seitens der Getränkelieferanten angewiesen sind. Eine solche erfolgt aber nur, wenn das zur Verfügung stehende (Pacht-)Objekt bindungsfrei ist.792) 4.

Auslegung

Ob die Berechtigung des Gastwirts anzuerkennen ist, ohne ausdrückliche Klau- 2.562 sel die aus dem Darlehensvertrag resultierende Verpflichtung auf seinen Nachfolger zu übertragen, erscheint zweifelhaft und ist im Ergebnis deswegen zu verneinen, weil auch eine Bank immer ein vitales Interesse daran hat, wer ihr Schuldner ist. Gerade die Darlehensgewährung beruht auf einer umfassenden Bonitätsprüfung.793) Zumeist ergibt die Auslegung, dass die Vereinbarung dahin zielt, das Darlehen in erster Linie aus den Erträgen des Betriebs der Absatzstätte zu tilgen. 5.

Kein Recht auf befreiende Schuldübernahme

Dem Betreiber einer Absatzstätte steht kein Recht zu, sich im Wege einer be- 2.563 freienden Schuldübernahme von seinen Verpflichtungen, sei es der eingegange___________ 792) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 793) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987.

243

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen

nen Bezugsverpflichtung, sei es seinen Tilgungs- und Zinsverpflichtungen aus dem gewährten Darlehen, zu entledigen.794) 6.

Abgrenzung

2.564 Ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Vertragspartner des Getränkelieferanten, so dürfte ein Wechsel in der Gesellschafterstruktur der GbR das Rechtsverhältnis nicht beeinflussen. Die Vertragsparteien bleiben auch bei einem Gesellschafterwechsel unverändert.795) II.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Grundlagen

2.565 Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die vertragliche Verpflichtung, die Getränkebezugspflicht an einen Geschäftsnachfolger weiterzugeben.796) 2.566 Eine Rechtsnachfolgeklausel mit der Verpflichtung, sowohl die Bezugsverpflichtung als auch eine noch offene Darlehensrestforderung auf einen Nachfolger in dem Gaststättenbetrieb zu übertragen, kann nur dann sittenwidrig sein, wenn es an einer Leistung für denjenigen fehlt, der sich hinsichtlich der Weitergabeverpflichtungen gebunden hat.797) Etwaige Bedenken kommen dann nicht zum Tragen, wenn der Gebundene das Darlehen als Leistung für der Bezugsverpflichtung erhalten hat, ihm mit der jeweils abgenommenen Getränkemenge die Tilgung des Kredites erleichtert wird und zudem die Beendigung der Bezugspflicht nicht noch zusätzlich von einer Gesamtmindestabnahme abhängig gemacht ist.798) 2.567 Als sittenwidrig anzusehen ist dagegen die Kombination einer Nachfolgeklausel mit einer Vertragsstrafenklausel, durch die dem Gastwirt praktisch die Aufgabe, die Veräußerung oder die Weiterverpachtung der Absatzstätte verwehrt wird. Ggf. ist aber an eine ergänzende Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu denken.799) ___________ 794) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 795) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.2.2015 – 2 U 144/14, BeckRS 2015, 07628, zu einem gewerblichen Mietvertrag. 796) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJWRR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 797) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 798) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 799) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516.

244

III. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

2.

Überprüfbarkeit

Handelt es sich um einen individuell ausgehandelten Vertrag, kann dessen Ausle- 2.568 gung durch den Tatrichter nur eingeschränkt, insbesondere auf die Berücksichtigung aller für die Auslegung erheblichen Umstände, nachgeprüft werden.800) III.

Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

1.

Einbeziehung und Transparenz

a) Um die Einbeziehungshürde des § 305c Abs. 1 BGB und eine Nichtigkeit 2.569 wegen Intransparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Rechts- und Geschäftsnachfolge im Getränkelieferungsvertrag ausdrücklich zu regeln. Dadurch wird dem Kunden die Verpflichtung zur Übertragung deutlich vor Augen geführt. Auch wird er im Übrigen zu einem vertragsgemäßen Verhalten angehalten. b) Auslegung. Enthält der Getränkelieferungsvertrag verschiedene Regelungen 2.570 zur Rechtsnachfolge, so scheitert eine Einbeziehung nach § 305c Abs. 2 BGB nur dann, wenn die Regelungen in ihrem Kernbereich unklar sind. Lässt sich den Klauseln mit ausreichender Deutlichkeit entnehmen, dass sich der Begriff Rechtsnachfolger auf eine Veräußerung, Verpachtung und Überlassung des Wirtschaftsbetriebs oder auf eine Rechtsnachfolge aus sonstigen Gründen bezieht, so bestehen keine Bedenken.801) Zur Frage, ob eine Vereinbarung dahin zu verstehen ist, der Gastwirt habe die 2.571 Verpflichtung übernommen, den ausschließlichen Bezug der Getränke über den Getränkelieferanten auch im Falle der Veräußerung des Gastronomieobjektes zu gewährleisten, kann auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf verwiesen werden.802) 2.

Grundsätzliche Zulässigkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Meinungsstand. aa) Einschränkende Auffassungen. Der BGH hatte Nach- 2.572 folgeklauseln zunächst als besonders drückend, wenn auch nicht schlechthin zu beanstandend bewertet. Für den Gastwirt sei die Rechtsnachfolgeklausel mit einer nicht unerheblichen Einschränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit verbunden, weil ihm die Aufgabe der Gaststätte während der Vertragslaufzeit erschwert werde. Geschäftsnachfolger seien meist auf ein Brauereidarlehen angewiesen und somit nur an einem bindungsfreien Pachtobjekt interes___________ 800) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562. 801) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 802) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

245

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen

siert.803) Im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB komme es nach Auffassung der Instanzrechtsprechung auf alle Umstände des Einzelfalles an, um feststellen zu können, ob eine Nachfolgeklausel wirksam sei.804) Unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles soll auch der Umfang der Bezugspflicht (Bier und/oder alkoholfreie Getränke etc.) von Belang sein, weil sonst der Nachfolger möglicherweise keine Chance habe, seine eigenen Vorstellungen von der Gestaltung einer Absatzstätte durchzusetzen und die Chancen des veräußerungswilligen Gastwirts unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeschränkt würden.805) 2.573 bb) Herrschende Meinung. Nach herrschender Auffassung, insbesondere des BGH, bestehen gegen die Zulässigkeit von Nachfolgeklauseln auf Seiten des Gebundenen grundsätzlich keine Bedenken.806) 2.574 b) Begründung. Entsprechende Regelungen werden für Getränkelieferanten wegen der Fluktuation im Gaststättengewerbe und der Gefahr des Leerlaufens der Bezugsbindung bei Weiterübertragung der Absatzstätte, sei es schuldrechtlich, sei es sachenrechtlich, für unverzichtbar gehalten.807) 2.575 Letztlich entscheidend ist jedoch eine andere Überlegung. Durch die Nachfolgeklausel wird dem Gebundenen keine zusätzliche Belastung auferlegt, weil die Nichtübertragung der Bezugspflicht keine weitergehenden Rechtsfolgen aus___________ 803) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516. Kritisch auch OLG Schleswig, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 26/98, BeckRS 1999, 06551. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217 lässt offen. 804) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 805) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 29. 806) BGH, Urt. v. 18.12.1970 – IV ZR 1082/68, NJW 1971, 505; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02. 807) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.1990 – 12 U 45/89, Zeller IV, 421; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288.

246

III. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

löst als die Nichterfüllung des Vertrages selbst. Vielmehr eröffnet sie dem Gebundenen die Möglichkeit, die Bezugsverpflichtung durch einen Dritten erfüllen zu können. Schon sehr früh hat der BGH nämlich erkannt, dass derartige Klauseln nur formal eine Pflicht des Gebundenen sind, ihn in Wirklichkeit jedoch begünstigen. Hat der Gastwirt nämlich das Recht, aus einem langjährigen (Miet-)Vertrag gegen die Stellung eines – hier – Ersatzmieters auszusteigen, so hat er nicht nur eine entsprechende Verpflichtung, sondern auch das Recht, dies zu tun und damit selbst aus dem (Miet-)Vertrag freizukommen.808) Gibt der Gastwirt die Gastwirtschaft auf, bevor der Getränkelieferungsvertrag 2.576 sein Ende gefunden hat, so wird der Vertragspartner des Getränkelieferanten von seinen Bezugspflichten nach den allgemeinen Grundsätzen des schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts oft nicht befreit werden. In einem solchen Fall stellt die Nachfolgeklausel den Gastwirt nicht schlechter, als er ohne sie stünde. Seine Lage wird im Gegenteil jedenfalls dann verbessert, wenn der Getränkelieferant aufgrund der Klausel einen ihm präsentierten Nachfolger nicht – zumindest nicht ohne sachgerechte Gründe – ablehnen kann. Auf diese Weise erlangt der Gastwirt eine Befreiung von seinen Bezugspflichten, die er nach dem allgemeinen Schuldrecht nicht beanspruchen könnte. Für diesen Fall kann daher auch AGBrechtlich gegen die Nachfolgeklausel ernstlich nichts eingewendet werden. In Wirklichkeit eröffnet eine Rechtsnachfolgeklausel dem Gebundenen die – sonst nicht gegebene – Möglichkeit, sich seiner langfristig übernommenen Ausschließlichkeitsbindung durch eine wirksame Rechtsnachfolgegestaltung zu entledigen. Die Klausel, nach der der Gastwirt bei einer Veräußerung oder Überlassung der Absatzstätte die Bezugsbindung auf einen Dritten zu übertragen hat, hält sonach grundsätzlich einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.809) Nachfolgeklauseln sind im Übrigen auch deshalb nicht grundsätzlich unzumutbar, 2.577 weil es dem Nachfolger unbenommen bleibt, den Vorteil seines Rechtsvorgängers in Gestalt der Leistungen des Getränkelieferanten auf sich zu übertragen, indem er beispielsweise den Aufpreis für die Gaststätte nur um einen etwa noch offenen Darlehensbetrag reduziert akzeptiert.810) 3.

Keine Differenzierung nach der Rechtsstellung des Kunden

Der BGH differenziert im Rahmen der Interessenabwägung zu Recht nicht 2.578 zwischen Grundstückseigentümern einerseits und Pächtern einer Absatzstätte andererseits. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass die Verpflichtung zur Über___________ 808) BGH, Urt. v. 18.12.1970 – IV ZR 1082/68, NJW 1971, 505; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02. 809) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 810) LG Saarbrücken, Urt. v. 7.10.1996 – 1 O. 98/94.

247

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen

tragung der Bezugsverpflichtung auf einen Geschäftsnachfolger für den Eigentümer besonders gravierend ist. Damit geht die aktuelle Rechtsprechung in bewusster Abweichung von früheren Entscheidungen,811) wonach die Belastung für den Pächter größer als für den Eigentümer sei, weil der Pächter für die Fortführung der Absatzstätte nicht sorgen könne, nunmehr von einer gleichartigen Belastung für Eigentümer und Pächter aus. Auch wenn ein Geschäftsnachfolger in aller Regel an der Anpachtung eines bindungsfreien Gaststättenobjekts interessiert sei, um Finanzierungsmittel eines anderen Getränkelieferanten in Anspruch nehmen zu können, falle die Suche nach einem Pächter, der eine bestehende Bezugsbindung zu übernehmen bereit sei, dem Eigentümer des Grundstücks nicht schwerer als dem ausscheidenden Pächter.812) 4.

Zulässigkeitsvoraussetzungen

2.579 a) Überblick. Die Beurteilung erfordert eine Würdigung des Einzelfalls, insbesondere der beiderseitigen Vertragspflichten, im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen der Parteien.813) Nachfolgeklauseln sind zulässig, soweit das Recht zur außerordentlichen Kündigung unberührt bleibt (1) und die sonstige Vertragsgestaltung dem Gastwirt einen ausreichenden Freiheitsraum belässt, was vor allem auch die Möglichkeit einschließt, ohne Zustimmung des Getränkelieferanten die Verpflichtungen auf einen Rechtsnachfolger übertragen zu können (2).814) 2.580 b) Kündbarkeit. Die Wirksamkeit der Nachfolgeklausel wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klausel ein solches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nicht ausdrücklich einräumt. Vielmehr besteht die Möglichkeit zur vorzeitigen Vertragsbeendigung auch dann, wenn eine vertragliche Regelung fehlt.815) ___________ 811) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300 (Automatenaufstellvertrag, Pächter); BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Automatenaufstellvertrag, Pächter). 812) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag, Eigentümer); BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266. 813) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 814) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/71, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 815) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 03163, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98.

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III. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

Ein aus § 314 BGB resultierendes Kündigungsrecht kann dem Gastwirt nicht in 2.581 wirksamer Weise genommen werden, sofern ihm die weitere Erfüllung des Vertrages schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann.816) Ist § 314 (insbesondere § 314 Abs. 1 Satz 2) BGB materiell erfüllt, so läuft die 2.582 Nachfolgeklausel faktisch ins Leere.817) 5.

Anzeigepflicht

Sieht die Rechtsnachfolgeklausel die Verpflichtung vor, eine beabsichtigte Ver- 2.583 äußerung, Vermietung, Verpachtung oder sonstige Überlassung der Absatzstätte an andere Personen dem Getränkelieferanten schriftlich anzuzeigen, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. Der Getränkelieferant hat ein berechtigtes Interesse daran, rechtzeitig über eine anstehende Rechts- oder Geschäftsnachfolge unterrichtet zu werden. Die Verpflichtung zur Anzeige der Nachfolge ist im Regelfall nicht als unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.818) Insofern ist der Getränkelieferant nämlich berechtigt, die sich aus der Aufzwingung eines Nachfolgers ergebende Gefährdung seines Erfüllungsinteresses durch die Anordnung der fortbestehenden (Mit-)Haftung des ausscheidenden Gastwirts berechtigterweise auszugleichen.819) 6.

Mithaftklauseln

a) Auslegung. Tritt ein Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten aus einem 2.584 Getränkelieferungsvertrag ein, so bedingt dies grundsätzlich die Enthaftung des scheidenden Vertragspartners. Enthält der Vertrag keine anderslautenden Passagen, so liegt auch keine möglicherweise angreifbare Gesamtschuldklausel vor.820) b) Inhalt. Vereinzelt finden sich Klauseln, nach denen der Gastwirt selbst dann 2.585 als Gesamtschuldner weiter haften soll, wenn der Getränkelieferant der Nachfolge zugestimmt hat. c) Inhaltskontrolle. Im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB können durch- 2.586 greifende Wirksamkeitsbedenken dann bestehen, wenn der Rechtsvorgänger in der Mithaft für die vom Rechtsnachfolger übernommenen Verbindlichkeiten bleibt und im Ergebnis eine Übersicherung festzustellen ist.821) Eine Klausel, die den Gastwirt selbst dann gesamtschuldnerisch neben dem Nachfolger wei___________ 816) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 817) So im Ergebnis bereits Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 286. 818) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 819) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 290 a. E. 820) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 821) KG, Urt. v. 26.2.1981 – 2 U 3988/80.

249

§ 15 Nachfolge aufseiten des Gebundenen

ter haften lassen will, wenn der Vertragspartner der Nachfolge zugestimmt hat, ist in einem Automatenaufstellvertrag für unwirksam erklärt worden.822) Mithaftklauseln mit Zustimmungsvorbehalt können auch in Getränkelieferungsverträgen formularmäßig nicht wirksam vereinbart werden, weil die tragenden Erwägungen der zitierten Entscheidung zum Automatenaufstellvertrag auch insofern gelten. Gelingt die Verpflichtung des Nachfolgers, so darf der Verwender sich in diesem Fall nicht den ausscheidenden Wirt als Gesamtschuldner mit dem Übernehmer gemeinsam sichern.823) 2.587 Die übermäßige Sicherung des Getränkelieferanten durch „Sammeln“ von immer mehr Vertragsschuldnern, je öfter eine Rechtsnachfolge stattfindet und die unangemessene Belastung des Gastwirts, der auf die Fortführung der Absatzstätte und damit auf die Entstehung von Ansprüchen des Getränkelieferanten keinen Einfluss hat, gelten für den Automatenaufstell- und den Getränkelieferungsvertrag gleichermaßen. Diese Klauseln verstoßen gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Gastwirt dann weiterhin auf Erfüllung haftet und damit das Insolvenzrisiko des Nachfolgers trägt. Hier liegt eine zu beanstandende unangemessene Übersicherung vor. Dabei ist entscheidend, dass das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des Nachfolgers – bei Zustimmungsvorbehalt und erklärter Zustimmung – ausschließlich Sache des Getränkelieferanten ist. Der ausgeschiedene Gastwirt hat hierauf – weder direkt noch indirekt – irgendeinen Einfluss, zumal Gaststätten, wie die Erfahrung lehrt, in ihrem wirtschaftlichen Erfolg in entscheidendem Maße von Ruf und Ansehen des Gastwirts abhängen. 2.588 Der Ansicht der Rechtsprechung ist entgegen gelegentlich zu hörender Kritik zuzustimmen: Die Kumulation von Verpflichtung des Gastwirts zur Weitergabe der Bezugsbindung und fortbestehender (Mit-)Haftung belastet ihn über die gesetzliche Rechtsfolge einer Nichterfüllung der Bezugspflicht hinaus in unangemessener Weise. Er bekommt zwar die Chance, bei vertragsgemäßer Fortsetzung des Bezuges durch den Nachfolger von der eigenen Erfüllungs- und ggf. Schadensersatzpflicht entlastet zu werden, hat aber auch das – in dieser Branche nicht ganz fernliegende – Risiko zu tragen, dass er bei mangelnder Vertragstreue des Nachfolgers selbst in die Haftung genommen wird und mit seinem Ausgleichsanspruch gem. § 426 Abs. 2 BGB ausfällt. Das allein belastet ihn aber jedenfalls nicht mehr als die gesetzliche Schadensersatzpflicht nach § 281 BGB. Hinzu kommt die – von ihm zuvor zu erfüllende – Verpflichtung, einen Nachfolger beizubringen, der die bestehende Bezugspflicht übernimmt, ___________ 822) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag). Vgl. auch den ausdrücklichen Hinweis in BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 823) BGH, Urt. v. 31.1.1973 – VIII ZR 131/17, BeckRS 1973, 31125553 = Zeller I, 220. Siehe auch den ausdrücklichen Hinweis in BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Schleswig, Urt. v. 20.5.1999 – 7 U 26/98, BeckRS 1999, 06551.

250

III. Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

wobei im Rahmen der Angemessenheitsbeurteilung das Gewicht dieser zusätzlichen Verpflichtung für den Fall ihrer Erfüllung und nicht für den ihrer vertragswidrigen Nichterfüllung ins Kalkül zu ziehen ist. Diese Verpflichtung ist dem Gesetz als Sanktionsfolge eines vorzeitigen Bezugsabbruchs fremd, und dem lässt sich nicht entgegenhalten, sie sei nur die Folge des vertragswidrigen Verhaltens des Gastwirts, nicht aber die der Klauselgestaltung; denn bei der Angemessenheitsprüfung sind gerade für den Eintritt des Schadensersatzfalles als Folge einer Vertragswidrigkeit die gesetzliche und die formularvertragliche Regelung miteinander zu vergleichen, und dieser Vergleich ergibt die Mehrbelastung des Gastwirts durch die AGB-Klausel. Der ausscheidende Gastwirt wird nämlich oft einem potenziellen Nachfolger, der in eine bestehende Bezugsbindung eintreten soll, wirtschaftliche Zugeständnisse machen müssen, die er einem Nachfolger, der eine nicht „brauereigebundene“ Absatzstätte übernimmt und sich durch Abschluss eines neuen Getränkelieferungsvertrages eine Kreditgrundlage schaffen kann, nicht einzuräumen braucht.824) Dieser den Gastwirt benachteiligenden Wirkung der Weiterhaftungsklausel steht 2.589 jedenfalls dann kein überwiegendes Verwenderinteresse gegenüber, wenn nach dem Inhalt der Klausel die Zustimmung des Getränkelieferanten zum Eintritt des Nachfolgers erforderlich ist. Denn dann hatte er Gelegenheit, seine Einschätzung der Seriosität und Solvenz des Nachfolgers bereits in seine Zustimmungsentscheidung einzubeziehen. Dem zu missbilligenden „Sammeln“ von immer mehr Gesamtschuldnern für 2.590 jeden neuen Nachfolgefall sollte auch nicht allein mit dem Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) entgegengewirkt werden. Ihm unter Ausschluss der Unwirksamkeitsfolge des § 307 BGB Geltung zu verleihen, erscheint nur dort angebracht, wo der ungerechtfertigte Verwendervorteil und die unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners die ganz außerordentliche mit der Verwendung der Klausel nicht beabsichtigte Folge in besonderen Extremfällen sind. Das ist bei den Mitklauseln anders: Sie sind auf die „Doppelbelastung“ des Gastwirts durch die Pflicht zur Nachfolgerstellung bei fortbestehender Mithaft einerseits sowie Vermehrung der haftenden Gesamtschuldner für jeden Nachfolgefall andererseits geradezu angelegt. Dem muss mit dem scharfen Schwert des § 307 Abs. 1 BGB gegengesteuert werden.825) 7.

Bürgschaftsklauseln

a) Inhalt. Seltener sind Nachfolgeklauseln, bei denen der bisherige Vertrags- 2.591 partner in unterschiedlichen Formen seine Stellung aufgibt und in die Position eines Bürgen einrückt. ___________ 824) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516. 825) So Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 290.

251

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

2.592 b) Einbeziehung. Eine Bürgschaftsklausel wird teilweise als überraschende Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB angesehen.826) Ggf. ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu prüfen.827) 2.593 c) Inhaltskontrolle. Zwar mag es Gründe geben, Bürgschaftsklauseln günstiger als Gesamtschuldnerklauseln zu beurteilen. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage dürften aber die Unterschiede zur Gesamtschuldsituation eher zu vernachlässigen sein. Daher erscheint es angebracht, Bürgschaftsklauseln ähnlich wie Mithaftklauseln kritisch zu sehen.828) 8.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.594 a) § 306 Abs. 1 BGB. Die Unwirksamkeit einer Rechtsnachfolgeklausel berührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht.829) 2.595 b) Teilbarkeit. Wenn eine Nachfolgeklausel sowohl zugunsten des Getränkelieferanten als auch des Gastwirts textiert ist – also sowohl Übertragungsrecht als auch Nachfolgeklausel ist –, stellt sich die Frage, ob im Blick auf die Unwirksamkeit der den Getränkelieferanten begünstigenden Klausel eine Teilbarkeit der Gesamtklausel i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB vorliegt. Die Antwort hängt in erster Linie von dem Wortlaut der Klausel ab, weil es entscheidend darauf ankommt, ob der verbleibende „Rest“ der Klausel aus sich heraus verständlich und einer selbstständigen Inhaltskontrolle zugänglich ist. Dies dürfte im Zweifel zu verneinen sein, weil das Schwergewicht einer Nachfolgeklausel, welche sowohl den Getränkelieferanten als auch den Gastwirt erfassen will, in der Regelung liegt, dass die Interessen beider Vertragsparteien gleichermaßen berücksichtigt werden sollen. Dann aber wäre es im Ergebnis eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion, wenn die Teilbarkeit der Klausel einseitig zum Nachteil des Gastwirts gereicht.830) § 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis I.

Grundlagen

1.

Situation und Interessenlage

2.596 Fragen der Rechts- und Geschäftsnachfolge und damit auch im Zusammenhang mit dem Vollzug von Nachfolgeklauseln haben im Hinblick auf die hohe ___________ 826) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 33; A Rz. 21. 827) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 828) Siehe oben § 15 III 6 m. w. N. 829) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 830) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 32.

252

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

2.592 b) Einbeziehung. Eine Bürgschaftsklausel wird teilweise als überraschende Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB angesehen.826) Ggf. ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu prüfen.827) 2.593 c) Inhaltskontrolle. Zwar mag es Gründe geben, Bürgschaftsklauseln günstiger als Gesamtschuldnerklauseln zu beurteilen. Bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage dürften aber die Unterschiede zur Gesamtschuldsituation eher zu vernachlässigen sein. Daher erscheint es angebracht, Bürgschaftsklauseln ähnlich wie Mithaftklauseln kritisch zu sehen.828) 8.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.594 a) § 306 Abs. 1 BGB. Die Unwirksamkeit einer Rechtsnachfolgeklausel berührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht.829) 2.595 b) Teilbarkeit. Wenn eine Nachfolgeklausel sowohl zugunsten des Getränkelieferanten als auch des Gastwirts textiert ist – also sowohl Übertragungsrecht als auch Nachfolgeklausel ist –, stellt sich die Frage, ob im Blick auf die Unwirksamkeit der den Getränkelieferanten begünstigenden Klausel eine Teilbarkeit der Gesamtklausel i. S. v. § 306 Abs. 2 BGB vorliegt. Die Antwort hängt in erster Linie von dem Wortlaut der Klausel ab, weil es entscheidend darauf ankommt, ob der verbleibende „Rest“ der Klausel aus sich heraus verständlich und einer selbstständigen Inhaltskontrolle zugänglich ist. Dies dürfte im Zweifel zu verneinen sein, weil das Schwergewicht einer Nachfolgeklausel, welche sowohl den Getränkelieferanten als auch den Gastwirt erfassen will, in der Regelung liegt, dass die Interessen beider Vertragsparteien gleichermaßen berücksichtigt werden sollen. Dann aber wäre es im Ergebnis eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion, wenn die Teilbarkeit der Klausel einseitig zum Nachteil des Gastwirts gereicht.830) § 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis I.

Grundlagen

1.

Situation und Interessenlage

2.596 Fragen der Rechts- und Geschäftsnachfolge und damit auch im Zusammenhang mit dem Vollzug von Nachfolgeklauseln haben im Hinblick auf die hohe ___________ 826) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 33; A Rz. 21. 827) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 828) Siehe oben § 15 III 6 m. w. N. 829) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 830) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 32.

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I. Grundlagen

Fluktuation in der Gastronomie große praktische Bedeutung. Ursachen auf Seiten des Gastronomen wie etwa eine Existenzgründereigenschaft oder eine fehlende gastronomische Kompetenz, naturgemäß kurz laufende Konzepte wie etwa in der Szenegastronomie, individuelle persönliche Schwierigkeiten des Betreibers etwa in Form einer Trennung im privaten Bereich und negative Gastronomiemarktentwicklungen im konkreten Einzelfall seien nur beispielhaft genannt. Gelegentlich meinen Gastronome, sich vertraglich übernommener Verpflich- 2.597 tungen durch eine eigene Entscheidung entziehen zu können. Sind aber die rechtlichen Möglichkeiten etwa zum Widerruf oder zur außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht (mehr) gegeben, so gilt auch insofern, dass Verträge zu halten sind. Die im Übrigen angeführten Gründe, seien sie wirtschaftlicher oder persönlicher, etwa gesundheitlicher, Art, die behaupteten scheinbar objektiven Sachgründe wie Notwendigkeit eines Konzeptwechsels, einer Standortverlagerung und ähnliches, fallen aber durchweg in den Risikobereich des Gastwirts.831) Demgegenüber geht das Interesse des Getränkelieferanten zunächst einmal da- 2.598 hin, den ihn bekannten Vertragspartner an der Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen festzuhalten. Ein Durchreichen vertraglicher Bindungen auf Familienangehörige oder sonstige Dritte nicht selten kombiniert mit dem Versuch, durch Unterverpachtungen Erlöse zu erzielen, mag nur aus Sicht des Gastwirts ein gangbarer Weg sein. Ohne Prüfung der Existenz, der gastronomisch-unternehmerischen Eignung und insbesondere der Bonität aufgezeigter Personen, kommt eine Einwilligung des Getränkelieferanten in einen Vertragspartnerwechsel nicht in Betracht. Dagegen sprechen nicht selten auch ein hoher Arbeitsaufwand durch die Vertragsübernahme verbunden mit Erlösausfällen für Zeiträume des Nichtbetriebs des Objektes. Unabhängig von den nachfolgend angesprochenen Gestaltungsoptionen und den dabei zu nehmenden Hürden wird die Nachfolge in Finanzierungs- und Getränkebezugsverpflichtungen seitens der Getränkelieferanten zurückhaltend beurteilt und auch praktiziert. Dies erst recht dann, wenn es sich bei den benannten und in Betracht kommenden Personen um Existenzgründer i. S. d. Verbraucherkreditrechts handelt. Nur zu verständlich ist es aus Sicht des Getränkelieferanten, dass er Nachfolger eher beitreten lassen möchte, um die Haftung des bisherigen Vertragspartners unverändert zu erhalten. 2.

Gestaltungsmöglichkeiten

Unabhängig vom Vorhandensein einer Rechtsnachfolgeklausel stehen verschiede- 2.599 ne Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung. Soll das Schuldverhältnis i. w. S., also der gesamte Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag, erfasst werden, so ist an ___________ 831) Siehe unten § 33 V m. w. N.

253

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

eine Vertragsübernahme zu denken. Geht es dagegen etwa lediglich um die Übernahme der Getränkebezugsverpflichtung und damit des Schuldverhältnisses i. e. S., so kommt eine Schuldübernahme in Betracht. 3.

Abgrenzung und Unterschiede

2.600 Liegt ein Vertragsbeitritt oder ein Schuldbeitritt vor, so übernimmt der Betretende zusätzlich die Pflichtentstellung aus dem Schuldverhältnis i. w. S. oder auch nur i. e. S. Diese Handlungsoptionen haben ebenso wie die Erfüllungsübernahme den Vorteil, dass die Haftung des bisherigen Vertragspartners jedenfalls zunächst unverändert bestehen bleibt. 2.601 Rechtstechnisch ist insbesondere von Bedeutung, dass die Übernahme des Schuldverhältnisses i. w. S., also eine Vertragsübernahme oder ein Vertragsbeitritt, die Einverständniserklärung des bisherigen Vertragspartners und damit seine Unterschrift voraussetzen. Hier ergeben sich gelegentlich praktische Schwierigkeiten, wenn der bisherige Vertragspartner aktuell unbekannten Aufenthaltes ist. II.

Auslegung

2.602 Welche Gestaltungsform im Einzelfall dem Willen der Beteiligten entspricht, ist durch Auslegung der getroffenen Parteiabreden zu ermitteln.832) Als besonders nahe liegende Möglichkeit dürfte eine Vertragsübernahme in Betracht kommen.833) Darüber hinaus kann die Rechtsnachfolgeklausel auf Seiten des Gebundenen die Möglichkeit einräumen, die Verpflichtungen aus dem Vertrag dem Geschäftsnachfolger im Wege der befreienden (privaten) Schuldübernahme gem. § 415 BGB aufzuerlegen. 1.

Vertragsübernahme

2.603 Mit einer Vertragsübernahme wird bezweckt, dass ein bestehender Vertragspartner aufgrund einer Vereinbarung oder ausnahmsweise aufgrund Gesetzes aus dem bestehenden Vertrag ausscheidet und an seiner Stelle an Dritter als Partei in den Vertrag eintritt. Auf den Dritten gehen alle Rechte und Pflichten des bestehenden Vertrages und damit das Schuldverhältnis i. w. S: über. Der Übernehmer rückt in die mit der Stellung als Vertragspartei untrennbar verbundenen Gestaltungsrechte und Zuständigkeiten ein. 2.604 Bei der Übernahme von Getränkebezugsverpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Absatzstätte kommt eine Vertragsübernahme besonders ___________ 832) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, NJW 1998, 531 = ZIP 1998, 391 (Gaststättenmietvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. Zum kreditrechtlichen Teil siehe § 39 VI 2 sowie § 53 II, jeweils m. w. N. 833) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Schleswig, Urt. v. 7.1.2000 – 11 U 204/98.

254

II. Auslegung

oft in Betracht. Eine Vertragsklausel, wonach die eine Partei als Erwerber mit schuldbefreiender Wirkung für den Veräußerer in alle Rechte und Pflichten eintritt, legt, zumal sich der Erwerb von Rechten nur durch Einzelabtretungen bewerkstelligen lässt, eine Vertragsübernahme nahe. Eine Vertragsübernahme wahrt die Interessen beider Seiten, weil der Veräußerer gegenüber dem Gläubiger entpflichtet wird, während der Erwerber neben den Pflichten auch die vertragsgemäßen Rechte erlangt. Für eine Vertragsübernahme spricht auch, dass der beurkundende Notar im Rahmen der Vereinbarung beauftragt wurde, die eine Partei von der „Vertragsübernahme“ in Kenntnis zu setzen und die Annahme der Regelung durch sie herbeizuführen.834) Eine Vertragsübernahme – und nicht nur eine kumulative oder befreiende Schuld- 2.605 übernahme – wird weiter oft dann in Betracht kommen, wenn ein Dritter, etwa ein Erwerber der Absatzstätte, in den Getränkelieferungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten eintritt (Betreiberwechsel),835) denn der Übergang auch der Rechte des bisherigen Eigentümers und Bezugsverpflichteten auf den Dritten lässt sich allein mit einem Schuldbeitritt nicht bewerkstelligen. In einem solchen Fall begründet auch die Übernahmeerklärung für den Eintretenden die Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB. 2.

Schuldübernahme

Bei der (befreienden) Schuldübernahme wird lediglich eine Schuld und damit 2.606 ein Schuldverhältnis i. e. S. des bisherigen Vertragspartners übernommen. Dagegen tritt der Nachfolger nicht an die Stelle des bisherigen Vertragspartners und übernimmt damit nicht das Vertragsverhältnis insgesamt (Schuldverhältnis i. w. S.). Die vertragliche Aktivlegitimation des Altschuldners bleibt unberührt, Gestaltungsrechte gehen nicht mit über. Als abstraktes Rechtsgeschäft bedarf die Schuldübernahme eines Rechtsgrundes. Anderenfalls könnte der Übernehmer seine Leistung, d. h. die Übernahme der Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger, kondizieren. 3.

Erfüllungsübernahme

Bei der Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) verpflichtet sich der Dritte nur ge- 2.607 genüber dem Schuldner, dessen Schuld zu übernehmen. Sie ist also im Zweifel ___________ 834) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94 – 129; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler). 835) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94 – 129.

255

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

ein unechter Vertrag zugunsten Dritter. Die Passivlegitimation des Schuldners im Verhältnis zum Gläubiger bleibt unberührt. Der Gläubiger hat folglich keinen Anspruch gegen den Dritten. Zur Auslegung als Erfüllungsübernahme wird verwiesen auf ein Urteil des OLG Frankfurt vom 12.5.1998.836) 4.

Vertragsbeitritt

2.608 In der Situation des Vertragsbeitritts wird der Beitretende wie bei der anfänglichen Vertragspartnerschaft vollumfänglich Vertragspartner mit allen Rechten und Pflichten. Zentrales Abgrenzungskriterium ist, ob der Beitretende noch über die Verwendung der Valuta mitentscheiden kann oder ob sie schon zweckentsprechend eingesetzt ist.837) Im Übrigen sind die Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Im Rahmen der Auslegung sind u. a. von Bedeutung die vollständige und paritätische Benennung im Rubrum, die Verpflichtung zur Erfüllung sämtlicher bindungsbezogener Pflichten (Betriebspflicht, Öffnungszeiten, Lüften, Qualität, Abnahmemenge, Unterlassung von Fremdbezug etc.) und die eigenhändige Unterschrift. Die Urkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) für sich. 5.

Schuldbeitritt

2.609 a) Grundlagen. Beim Schuldbeitritt tritt der Mitübernehmer zusätzlich neben dem bisherigen Schuldner in das Schuldverhältnis i. e. S. ein. Der Schuldbeitritt bewirkt, dass die dadurch entstandene Verpflichtung den gleichen Inhalt und die gleiche Beschaffenheit wie die des vorherigen Schuldners hat. Beitretender und bisheriger Schuldner sind somit Gesamtschuldner i. S. d. §§ 421 – 426 BGB.838) Ob eine befreiende Schuldübernahme oder ein Schuldbeitritt vorliegt, ist im Wege der Auslegung zu klären. Im Zweifel ist ein Schuldbeitritt anzunehmen, weil er den Gläubiger nicht belastet.839) 2.610 b) Aus der Rechtsprechung. Hat der Anspruchsgegner (Sohn des Hauseigentümers) gemäß Vereinbarung die zwischen dem Getränkefachgroßhändler (Kläger) und einem Vormieter seiner Mutter vereinbarte Getränkebezugsverpflich-

___________ 836) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 837) BGH, Urt. v. 6.10.1998 – XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 = ZIP 1998, 1905; BGH, Urt. v. 13.11.1999 – XI ZR 20/99, NJW 2000, 575 = ZIP 2000, 228; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 1482; BGH, Urt. v. 23.3.2004 – XI ZR 114/03, NJW-RR 2004, 924 = ZIP 2004, 1039. 838) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 839) BGH, Urt. v. 12.4.2012 – VII ZR 12/11, NJW-RR 2012, 741; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

256

III. Vertragsübernahme – allgemeine Fragen

tung in vollem Umfang anerkannt, so ist die Vereinbarung als Schuldbeitritt zu verstehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut („dieser Beitritt“).840) Wird eine Getränkebezugsverpflichtung nach einer Regelung des Pachtvertrages 2.611 vom Pächter „übernommen“, so ist entgegen dem Wortlaut der Vertragsklausel davon auszugehen, dass die Vertrag schließenden Parteien keine befreiende Schuldübernahme, sondern einen Schuldbeitritt vereinbart haben. Eine wirksame Schuldübernahme würde nämlich gemäß § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits daran scheitern, dass der berechtigte Getränkelieferant als Gläubiger der Verpächterin aus der Bezugsbindungsvereinbarung mit dieser der Übernahme nicht zugestimmt hat. Überdies spricht für einen Schuldbeitritt die Regelung im Pachtvertrag, wonach der Pächter gegenüber der Verpächterin eine Freistellungsverpflichtung hinsichtlich der Verpflichtungen aus dem Getränkelieferungsvertrag übernommen hat. Eine solche Vereinbarung macht allein bei einem Schuldbeitritt und der hierdurch begründeten gesamtschuldnerischen Haftung beider Schuldner Sinn.841) III.

Vertragsübernahme – allgemeine Fragen

1.

Anwendbares Recht

Zwar regelt das BGB die Abtretung einzelner Forderungen (§§ 398 – 413 BGB) 2.612 und die Übernahme einzelner Schulden (§§ 414 – 416 BGB). Es fehlt aber an einer ausdrücklichen Regelung über die rechtsgeschäftliche Übertragung eines Schuldverhältnisses im Ganzen, d. h. dem vertraglich vereinbarten Eintritt einer Vertragspartei anstelle einer bisherigen Vertragspartei in die Gesamtheit der Rechte und Pflichten aus einem Schuldverhältnis i. w. S. Im Wege der Rechtsfortbildung ist hierfür die Vertragsübernahme entwickelt worden (§ 311 Abs. 1 BGB).842) 2.

Beteiligte

Die Vertragsübernahme ist nicht eine Kombination von Abtretung und Schuld- 2.613 übernahme, sondern ein einheitliches Rechtsgeschäft. Sie bedarf als eine im Gesetz nicht besonders geregelte Form der Rechtsnachfolge stets der Mitwirkung aller drei daran Beteiligten, also des ausscheidenden, des übernehmenden und des verbleibenden Vertragsteils.843) ___________ 840) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 841) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 842) BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528; BGH, Urt. v. 30.1.2013 – XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083. 843) BGH, Urt. v. 20.4.2005 – XII ZR 29/02, NJW-RR 2005, 985; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641.

257

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

3.

Kontrahierungsformen

2.614 Mehrere Möglichkeiten kommen konstruktiv in Betracht: Zum einen kann der Getränkelieferungsvertrag zwischen den bisherigen Parteien durch Vertrag zwischen diesen beendet und sodann ein neuer Getränkelieferungsvertrag mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen Vertragspartner (Gastwirt, Hauseigentümer etc.) geschlossen werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass der Parteiwechsel durch Vertrag zwischen dem aus dem Getränkelieferungsverhältnis ausscheidenden bisherigen Vertragspartner und dem neu eintretenden mit Zustimmung der verbleibenden Partei (Getränkelieferant) vereinbart wird.844) 4.

Konsequenzen

2.615 Es macht keinen Unterschied, welche der möglichen Kontrahierungsformen („dreiseitiger“ Vertrag“845) Vereinbarung zwischen zwei Beteiligten unter Zustimmung des Dritten) die Parteien wählen.846) 2.616 Eine Vertragsübernahme kann auch in der Weise erfolgen, dass der Dritte den Getränkelieferungsvertrag dadurch übernimmt, dass er den Geschäftsbetrieb seines Vorgängers, etwa einer Gesellschaft, und damit den Getränkelieferungsvertrag übernimmt und der Getränkelieferant diesem zustimmt. 5.

Nachtrag, eine Option?

2.617 a) Einführung. In der Vergangenheit wurde in Nachfolgesituationen häufig mit Nachträgen oder eigenen Übernahme-/Beitrittsformularen gearbeitet. Diesen hatten zwar den Vorteil, als kurze Mustertexte schnell verfügbar zu sein und alsbald unterschriftsreif verhandelt werden zu können. Gleichwohl dürfte diese Gestaltungsvariante aktuell im Regelfall ausscheiden. 2.618 b) Verbraucherschutzrecht. Nicht selten sind die übernehmenden Personen Existenzgründer oder im Hauseigentümerbereich Verbraucher. Dann sind sowohl hinsichtlich des bezugsrechtlichen als auch des kreditrechtlichen Teils die verbraucherkreditrechtlichen bzw. verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen wie vorvertragliche Informationspflichten, Pflichtangaben und Widerrufs___________ 844) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. 845) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, NJW 1998, 531 = ZIP 1998, 391 (Gaststättenmietvertrag); BGH, Urt. v. 30.1.2013 – XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94 – 129. 846) BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528 (Mietvertrag); BGH, Urt. v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, NJW 1986, 918 = ZIP 1986, 164 (Leasingvertrag; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Brandenburg, Urt. v. 15.9.2010 – 3 U 117/09, BeckRS 2010, 26527 (Mietvertrag).

258

III. Vertragsübernahme – allgemeine Fragen

belehrung zu erfüllen. Auch bei Wahl der Gestaltungsalternativen Vertragsbeitritt, Schuldübernahme oder Schuldbeitritt lässt sich die Problematik durchweg nicht vermeiden. c) Schriftformerfordernis. Darüber hinaus sind die allgemeinen Anforderungen 2.619 an Nachträge zu erfüllen, die sich aus gesetzlichen Schriftformerfordernissen ergeben. Daher sollte der Nachtrag konkret auf den zu übernehmenden Vertrag Bezug nehmen. Der in Bezug genommene Vertrag sollte auch als Anlage beigefügt sein. Ggf. mehrere Nachträge sind durchgehend zu nummerieren. Dabei ist jeweils auf die Nennung der konkreten Daten zu achten. Haben die Parteien Schriftform vereinbart, so können auch die entsprechenden 2.620 Erklärungen nur schriftlich abgegeben werden. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen von Vertragsverhandlungen eine Partei ein Angebot ablehnt und ihrerseits ein neues Angebot unterbreitet (§ 150 Abs. 2 BGB). Dieses Angebot muss schriftlich angenommen werden. Eine konkludente Annahme gemäß § 151 BGB scheidet angesichts der vereinbarten Schriftform aus.847) d) Weitere Verträge. Soweit weitere vertragliche Regelungen übernommen 2.621 werden, sind auch diese in Bezug zu nehmen und beizufügen. Beispielhaft zu nennen sind Leihanerkenntnisse und Sicherungsübereignungsverträge. Entsprechendes gilt für die Sicherheiten im Übrigen. e) Im allseitigen Interesse liegt es, den aktuellen Vertragsstatus insbesondere 2.622 in finanztechnischer Hinsicht festzuhalten. Anzugeben sind daher die aktuellen Saldenstände. Soweit es sich um eine Tilgungsfinanzierung handelt, sollten Fragen der Verzinsung, der Tilgung (Art, Umfang, Fälligkeit etc.) jedenfalls mitbedacht werden. Auch über eine Anpassung weiterer Regelungen, etwa der periodischen Mindestabnahmeverpflichtung, ist nachzudenken. Der Getränkelieferant sollte sich im wohlverstandenen eigenen Interesse fragen, ob der Inhalt der Sicherungsabrede noch aktuell ist. Das Thema Leergut sollte auch in den Blick genommen werden. f) Haftungsentlassung. Ob und in wieweit der bisherige Vertragspartner aus 2.623 und wenn ja welchen vertraglichen Verpflichtungen entlassen werden soll und ob dies ggf. nur bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen, etwa dem nicht erklärten Widerruf seitens des Nachfolgers, erfolgen soll, bedarf ebenfalls einer Regelung. Zudem ist an den Abschluss entsprechender Sicherheitensurrogate zu denken. Zu nennen sind insbesondere Privatpersonenbürgschaften und ggf. Grundpfandrechte. Ggf. sollte klarstellend darauf hingewiesen werden, dass sowohl der Vorgänger als auch der Rechtsnachfolger gesamtschuldnerisch (weiter-)haften.

___________ 847) OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1987 – 10 U 126/87, NJW-RR 1988, 948 = Zeller IV, 41.

259

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

6.

Handlungsoption Neuvertrag

2.624 Die vorstehend aufgezeigten Aspekte verdeutlichen, dass eine Nachtragsregelung heute eher der praktische Ausnahmefall sein dürfte, jedenfalls sein sollte. Ein Neuvertrag ist einer nachvertraglichen Regelung vorzuziehen. 2.625 Hat man den Weg über einen rechtskonform gestalteten Neuvertrag zwischen Getränkelieferanten und Nachfolger gewählt, so ist das Schicksal des Altvertrages mit den bisherigen Vertragspartnern zu regeln. Dieser kann kurz schriftlich aufgehoben werden. Auch die Möglichkeit eines Nachtrages kommt insofern in Betracht. In beiden Fällen sollte die Aufgabe des bisherigen Vertragspartners als Haftungsperson unter die aufschiebende Bedingung gestellt werden, dass der Nachfolger seine Vertragserklärungen nicht widerruft, die verhandelten Sicherheiten gestellt sind und ggf. weitere Voraussetzungen vorliegen. 2.626 Soweit eine Verrechnung einer Neuleistung mit benannten noch offenen Forderungen aus der bisherigen Geschäftsbeziehung vereinbart ist, sollte der Getränkelieferant hierzu ausdrücklich ermächtigt werden. Wie stets sind die Fragen der Zahlungsbedingungen wie auch der Abwicklung sorgfältig zu prüfen. 7.

Form nach § 311b Abs. 1 BGB

2.627 a) Grundlagen. Enthält der zu übernehmende Vertrag die Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Grundstücks, ist die Vertragsübernahme gem. § 311b Abs. 1 BGB beurkundungspflichtig. Auch die Übernahme einer Getränkebezugsverpflichtung kann im Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag nach den Grundsätzen zur Beurkundungsbedürftigkeit zusammengesetzter Verträge beurkundungspflichtig sein.848) Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich das Beurkundungserfordernis nämlich auch auf nicht beurkundungsbedürftige Vereinbarungen, wenn sie „nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, dass sie miteinander ‚stehen und fallen‘ sollen“.849) Danach gilt: Hängt der Bestand des Grundstücksgeschäfts von dem an sich nicht beurkundungsbedürftigen Geschäft ab, so sind beide Geschäfte zu beurkunden. Ist das Grundstücksgeschäft vom – isoliert betrachtet – nicht beurkundungsbedürftigen Geschäft unabhängig, umgekehrt aber der Bestand dieses anderen Geschäfts vom Grundstücksgeschäft abhängig, so ist nur das Grundstücksgeschäft beurkundungspflichtig.850) 2.628 b) Grundstücksveräußerung durch Getränkelieferanten. Beim Verkauf eines Gaststättengrundstücks durch einen Getränkelieferanten schließt dieser oftmals mit dem Erwerber einen Getränkelieferungsvertrag ab. Hat der Erstgenannte – für den Erwerber erkennbar – ein evidentes Interesse daran hat, nur an ___________ 848) BGH, Urt. v. 31.5.1974 – V ZR 111/72, BeckRS 1974, 31123412 = Zeller II, 135. 849) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43 = NJW 1980, 829. 850) BGH, Urt. v. 22.7.2010 – VII ZR 246/08, BGHZ 186, 345 = BeckRS 2010, 20506.

260

III. Vertragsübernahme – allgemeine Fragen

einen Interessenten zu veräußern, der auch Getränke von ihm abnehmen wird, muss der Getränkelieferungsvertrag eventuell mitbeurkundet werden.851) Ein Vertrag über Grundstücksinventar ist dagegen auch dann formfrei, wenn die Preishöhe durch den gleichzeitigen Grundstückskaufvertrag beeinflusst wird.852) 8.

Umfang der Übertragung

a) Differenzierung. Nicht selten legen Nachfolgeregelungen den bisherigen 2.629 Kunden auch die Verpflichtung auf, dem Geschäftsnachfolger die Bezugsverpflichtung in der Weise schriftlich aufzuerlegen, dass der Getränkelieferant berechtigt ist, vom Geschäftsnachfolger unmittelbar Erfüllung zu verlangen. Insofern ist zu unterscheiden zwischen der Rechtsnachfolge in die Darlehens- und/ oder sonstigen Leistungsverpflichtungen einerseits und der Rechtsnachfolge in die Bezugsverpflichtung andererseits.853) b) Finanzierung. Im Wege der Auslegung ist zu ermitteln, ob die Übertragung 2.630 neben dem getränkebezugsrechtlichen Teil auch den darlehensrechtlichen Teil der Vereinbarung der Parteien betrifft. Nach dem Wortlaut der Nachfolgeklausel besteht ggf. keine Verpflichtung zur Übertragung bzw. Übernahme der (Alt-)Darlehensverbindlichkeiten des früheren Gaststättenbetreibers auf seinen Nachfolger. Dann ist zu klären, in welchem Umfang der Vertragsübernehmende Altverbindlichkeiten des Übertragenden übernimmt. 9.

Nachträgliche Trennung von Finanzierung und Bindung

a) Einführung. Für den Fall der Veräußerung der Gaststätte oder einer an- 2.631 derweitigen Geschäftsübergabe wird in der Regel vereinbart, dass der Erwerber in den Getränkelieferungsvertrag eintreten kann, während der Darlehensvertrag vom Übergang unberührt bleiben soll. Auch kann im Ergebnis die Ausschließlichkeitsverpflichtung auf den Rechtsnachfolger ohne Zustimmung des Getränkelieferanten wirksam übertragen werden, während die sonstigen (insbesondere Darlehens-)Verpflichtungen mangels Zustimmung des Getränkelieferanten beim Rechtsvorgänger verbleiben. Damit stellt sich die Frage der grundsätzlichen Trennbarkeit beider Teile des Getränkelieferungsvertrages.854) b) Zulässigkeit. Der BGH bejaht diese Möglichkeit. Auch wenn die Gewäh- 2.632 rung des Darlehens und die Bezugsverpflichtung eine wirtschaftliche Einheit bilden und in der Regel in einem (gemischten) Vertrag zusammengefasst sind, ___________ 851) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 (im konkreten Fall verneint). 852) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – VII ZR 313/78, BGHZ 76, 43 = NJW 1980, 829. 853) Siehe oben § 16 I 2 und 3, jeweils m. w. N. BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 854) Siehe auch unten § 40 IV 5 m. w. N.

261

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

ist eine nachträgliche Trennung der zunächst zusammengefassten Vertragsteile und die Erfüllung des darlehens- und des bezugsrechtlichen Teils durch verschiedene Schuldner rechtlich zulässig. Beide Verpflichtungen können ohne Schwierigkeiten von verschiedenen Schuldnern erfüllt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Bezugsverpflichtung eine Leistung für die Bereitstellung und Gewährung des Darlehens darstellt und beide Leistungen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Zwar bleibt dann weiterhin der bisherige Darlehensnehmer zur Rückzahlung verpflichtet, während der Gaststättenübernehmer nunmehr die Bezugsverpflichtung einzuhalten hat. Auch gehen die Vorstellungen der Vertragspartner mit Sicherheit dahin, dass das gewährte Darlehen, das dem Erwerb von Gaststätteneinrichtungen diente, in erster Linie aus den Erträgnissen der Absatzstätte getilgt werden sollte. Allerdings dient schon allein die Übertragung der Bezugsverpflichtung den Interessen des bisherigen Gaststätteninhabers. Durch das Recht zur Übertragung seiner Bezugsverpflichtung wird ihm zumindest die – sonst nicht vorhandene – Möglichkeit eingeräumt, die Absatzstätte zu veräußern oder an Dritte zu überlassen, diese mit der Bezugspflicht zu belasten und sich bei den Getränkelieferanten um eine völlige Entlassung aus seiner Bezugspflicht zu bemühen.855) 10.

Bisheriger Vertrag

2.633 a) Grundsatz. Die Identität des übernommenen Vertrages bleibt auch nach einer Vertragsübernahme erhalten. Daher gelten AGB fort.856) Die Schuld bleibt als solche bestehen und nur die Person des Passivlegitimierten wird ausgewechselt. Damit bleiben auch der Leistungsinhalt sowie die Modalitäten der übernommenen Schuld unverändert. 2.634 b) Vertragsdauer. Insofern kann verwiesen werden.857) 2.635 c) Sollte der Hauptvertrag (Getränkelieferungsvertrag) nichtig sein, so gehen Schuldübernahme, Schuldbeitritt und/oder Vertragsübernahme ins Leere.858) Die schlichte Übernahme eines nichtigen Vertrages kann in der Regel auch nicht als Bestätigung eines solchen i. S. d. § 141 BGB angesehen werden.859) ___________ 855) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 856) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 20.2.1995 – 18 U 43/94, NJW-RR 1996, 172. 857) Siehe oben § 11 VI m. w. N. 858) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1698; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 859) OLG Bamberg, Urt. v. 20.4.1978 – 1 U 50/77.

262

III. Vertragsübernahme – allgemeine Fragen

11.

Einwendungen

Dem Vertragsübernehmer stehen über die Rechte aus § 417 Abs. 1 BGB hinaus 2.636 auch die Gestaltungsrechte des früheren Vertragspartners zu. Etwa kann er sich darauf berufen, dass die Getränkebezugsverpflichtung vor Wirksamwerden der Vertragsübernahme – durch konkludent erteilte Genehmigung des Gläubigers – infolge von ihm nicht zu vertretender Unmöglichkeit erloschen ist.860) 12.

Sicherheiten

Akzessorische Sicherheiten müssen grundsätzlich nicht neu begründet werden. Zu 2.637 beachten ist allerdings, dass gemäß § 418 BGB Bürgschaften und Pfandrechte erlöschen, sofern keine Einwilligung des Sicherungsgebers in die Schuldübernahme vorliegt. Zu fragen ist, ob diese weiterhin und damit unabhängig von dem Wechsel in der Person des bisherigen Vertragspartners als Sicherheit dienen bzw. dienen können. Im Zusammenhang mit Bürgschaften ist zu beachten, dass die Übernahme der Hauptschuld grundsätzlich den Bürgen von seiner Haftung befreit (§ 418 Abs. 1 Satz 1 BGB), es sei denn, dass er in die Schuldübernahme im Vorfeld auch formlos und auch konkludent (§§ 182, 183 Satz 1 BGB) eingewilligt hat und damit gleichsam auf den Schutz des § 418 Abs. 1 Satz 2 BGB verzichtet hat (§ 418 Abs. 1 Satz 3).861) Eine Schuld- und erst recht Vertragsübernahme862) ohne Zustimmung des Bürgen führt folglich zum Untergang bestehender Bürgschaften für den Getränkelieferungsvertrag im Verhältnis zum Vertragsübernehmer. 13.

Haftung nach § 25 HGB

Die Übernahme eines Handelsgeschäfts unter Fortführung einer bloßen Ge- 2.638 schäfts- oder Etablissementsbezeichnung löst keine Haftung für Altverbindlichkeiten nach § 25 Abs. 1 HGB aus. Auf die Fortführung einer Etablissement- oder Geschäftsbezeichnung kann diese Vorschrift auch nicht entsprechend angewandt werden.863) Im Übrigen könnte eine Haftung nach § 25 Abs. 2 HGB durch die Eintragung eines Haftungsausschlusses im Handelsregister oder gemäß § 25 Abs. 3 HGB durch die Änderung der Firma zum Wegfall gekommen sein. Wird ein Handelsgeschäft während des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter veräußert, greift der Tatbestand des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht ein (teleologische Reduktion). Dieselben Gläubiger, die von § 25 Abs. 1 HGB geschützt sind, profitieren von der bestmöglichen Verwertung des Unternehmens. ___________ 860) OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94 – 129. 861) BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872, für den Fall der Sicherungsgrundschuld. 862) BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872. 863) BGH, Hinsweisbeschl. v. 17.12.2013 – II ZR 140/13, BeckRS 2014, 06122; OLG Köln, Urt. v. 2.12.2011 – 20 U 134/10, NJW-RR 2012, 679; FG Münster, Urt. v. 2.4.2012 – 4 K 562/09, BeckRS 2012, 05407.

263

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

IV.

Sonderfall der Vertragsübernahme nach § 415 BGB analog

1.

Keine Verpflichtung zur Zustimmung

2.639 Es fragt sich, ob der Getränkelieferant verpflichtet ist, einer zwischen dem bisherigen Vertragspartner und dem Geschäftsnachfolger vereinbarten Übernahme zuzustimmen. Der BGH lehnt dies zutreffend ab.864) Dem Betreiber einer Gaststätte steht kein Rechtsanspruch zu, sich im Wege einer befreienden Schuldübernahme von seinen Verpflichtungen aus einem gewährten Darlehen oder einer eingegangenen Bezugsverpflichtung zu befreien. Der Getränkelieferant ist in seiner Entscheidung über die Genehmigung einer Schuldübernahme im Hinblick auf die für ihn möglicherweise nachteiligen Folgen frei. Es kann von ihm auch nicht verlangt werden, die (Vertragserfüllungs-)Zuverlässigkeit und Bonität eines ihm unbekannten neuen Vertragspartners überprüfen zu müssen. Er muss auch im Hinblick auf mögliche Risiken einer befreienden Schuldübernahme nicht auf die weitere Haftung seines Vertragspartners verzichten und einen ihm unbekannten Geschäftsnachfolger als künftigen Schuldner akzeptieren. Es widerspräche dem erkennbaren Interesse des Getränkelieferanten, einer Übernahme der (Darlehens-)Schuld durch einen Geschäftsnachfolger bereits dann zustimmen zu müssen, wenn er gegen diesen nichts vorbringen kann. An die Feststellung des Entlassungswillens sind daher strenge Anforderungen zu stellen. Zwar muss der Entlassungswille nicht notwendig ausdrücklich erklärt werden. Er muss sich dann aber unzweideutig feststellen lassen. Dem steht auch nicht entgegen, dass zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeit Gaststätteninventar übereignet worden war. 2.640 Es stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung i. S. d. § 242 BGB dar, wenn der Getränkelieferant auf einer Fortdauer der Haftung des bekannten Gastwirts besteht und sich nicht auf eine befreiende Schuldübernahme durch den ihm bisher unbekannten Geschäftsnachfolger einlässt, wenn bereits seit vielen Monaten aufgrund Minderbezuges eine Kündigung des Darlehens möglich war, für deren Folgen der Rechtsnachfolger hätte einstehen müssen. Dass der ausscheidende Kunde auf das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des Nachfolgers weder direkt noch indirekt Einfluss hat, ist ohne Belang. Der Einwand, der Rechtsvorgänger könne das Darlehen nur deshalb abtragen, weil er mit dem Getränkebezug und dem Betreiben der Absatzstätte Gewinn machen könne, er also den Abtrag des Darlehens weiter erwirtschaften könne, geht fehl. Dies selbst dann, wenn es sich bei dem Darlehen um ein Abschreibungsdarlehen handeln sollte, das durch Getränkebezug abgetragen werden sollte.865)

___________ 864) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 865) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987.

264

IV. Sonderfall der Vertragsübernahme nach § 415 BGB analog

2.

Bedeutung einer Rechts-/Geschäftsnachfolgeklausel

Dies gilt auch für den Fall des Vorhandenseins einer Rechts- oder Geschäftsnach- 2.641 folgeklausel. Darin ist nämlich nicht etwa ein antezipiertes allgemeines Einverständnis des Getränkelieferanten mit einer Übernahme der vertraglichen Verpflichtungen durch wen auch immer zu sehen. Hintergrund der Regelung ist es vielmehr, dass der Getränkelieferant in Kenntnis der dem Gastronomen verbleibenden unternehmerischen Entscheidung zur Weiterführung des Betriebes diesen „lediglich“ vorsorglich an die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erinnert. Dem Gastwirt sollen die Folgen einer Veräußerung bzw. Verpachtung des gastronomischen Betriebes mit entsprechenden Klauseln warnend und damit vorsorglich aufgezeigt werden. Dies dient sowohl der Vermeidung eventueller Schadensersatzansprüche als auch der Absicherung einer zur eventuell durch den Getränkelieferanten begleitenden Übertragung der Verpflichtungen bei Wahrung bestimmter Voraussetzungen.866) 3.

Form

Die Vertragsübernahme bedarf der Form des übernommenen Vertrags,867) wäh- 2.642 rend die Zustimmung des ggf. nicht am Vertragsschluss beteiligten Teils, hier des Getränkelieferanten, entsprechend § 182 Abs. 2 BGB formfrei wirksam ist.868) 4.

Schweigen

Bloßes Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung, sondern das Gegenteil 2.643 einer Erklärung. Wer schweigt, setzt im Allgemeinen keinen Erklärungstatbestand. Vielmehr bringt er weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck. Schweigen auf ein Angebot zur Änderung oder Aufhebung eines Vertrages gilt grundsätzlich nicht als Zustimmung.869) Zwar ist eine konkludente Zustimmung möglich, etwa dadurch, dass der Dritte 2.644 von dem Getränkelieferanten beliefert wird und Warenlieferungen an diesen fakturiert werden. Da an die Auslegung einer Zustimmungserklärung strenge Anforderungen zu stellen sind und der Entlassungswille des Gläubigers unzweideutig hervorgehen muss, begründet die bloße Entgegennahme von Zahlungen des vermeintlichen Übernehmers aber grundsätzlich noch keine konkludente Genehmigung, weil die Zahlungen auch einen andere Grund haben können, etwa weil auch eine Qualifikation als Drittleistung (§ 267 Abs. 1 BGB) in Frage kommt.870) ___________ 866) 867) 868) 869) 870)

BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. Siehe oben § 16 III 7 a m. w. N. BGH, Urt. v. 18.10.1995 – VIII ZR 149/94, MDR 1996, 132. Palandt-Grüneberg, BGB, Einführung vor § 116 Rz. 7, 11. BGH, Urt. v. 9.2.1958 – VIII ZR 80/56, WM 1959, 16; BGH, Urt. v. 25.2.1972 – V ZR 27/70, BGHZ 58, 191 = NJW 1972, 814.

265

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

5.

Freistellung

2.645 Scheitert eine Vertragsübernahme daran, dass der Vertragspartner der ausscheidungswilligen Partei die hierzu erforderliche Zustimmung verweigert, ist der Übernehmer entsprechend § 415 Abs. 3 Satz 2 BGB im Zweifel im Innenverhältnis verpflichtet, den ausscheidungswilligen Vertragspartner von Verbindlichkeiten aus dem mit ihm fortbestehenden Vertragsverhältnis freizustellen (Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB).871) V. 1.

Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht Einführung

2.646 Bei der Übernahme von Getränkebezugsverpflichtungen, sei es im Allgemeinen, sei es in notarieller Form, können verschiedene Sachverhalte aufeinander treffen. Zu unterscheiden ist zwischen der Getränkebezugsverpflichtung als solcher, der Übernahme oder Neugewährung eines kreditrechtlichen Teiles, dem Grundstückskaufvertrag ggf. mit vollständiger oder teilweiser Kreditierung, einer grundbuchmäßigen Absicherung der Kreditierung durch Grundpfandrechte und ergänzend ggf. der Eintragung einer Dienstbarkeit.872) Dies wirft häufig Fragen nach der Anwendbarkeit der verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften auf. 2. Exkurs: Allgemeines Verbraucherschutzrecht 2.647 Eine Vertrags-/Schuldübernahme sowie ein Schuldbeitritt können den Begriff des Vertrages über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB erfüllen. 3. Grundsatz 2.648 Nicht selten handelt es sich bei dem neuen Vertragspartner des Getränkelieferanten um einen Existenzgründer. Dann ist das Verbraucherkreditrecht auch hinsichtlich des finanztechnischen Teils in vollem Umfang (Schriftform,873) Pflichtangaben, vorvertragliche Informationen, aber auch Kündigung etc.) zu beachten. In sachlicher Hinsicht kommt es auf den jeweiligen Hauptvertrag an. Die persönlichen Voraussetzungen sind hingegen allein im Hinblick auf den Übernehmenden und die Übernahmesituation zu prüfen. 4.

Temporaler Anwendungsbereich

2.649 Dabei greift das Verbraucherkreditrecht in dem Umfang ein, in dem er im Zeitpunkt der Vertragsübernahme – nicht bei Abschluss des übernommenen Vertrags – gesetzlich gewährleistet wird.874) ___________ 871) BGH, Urt. v. 1.2.2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718. 872) Zu diesen Fragen eingehend Grziwotz, MittBayNot 1993, 263. 873) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1199. 874) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996.

266

V. Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht

5.

Sachlicher Anwendungsbereich

a) Grundsatz. Bei Getränkelieferungsverträgen sind § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 2.650 BGB bzw. § 491 BGB auf den (verfügenden) Übernahmevertrag aus Schutzzweckgesichtspunkten entsprechend anwendbar; erfasst wird insbesondere die vertragliche Übernahme einer Getränkebezugspflicht.875) Dies gilt unabhängig davon, ob die übernommene Schuld selbst aus einem Verbraucher-/Existenzgründergeschäft stammt.876) b) § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB gilt im Zusammenhang mit Getränkebezugs- 2.651 verträgen grundsätzlich auch für die (notarielle) Vertragsübernahme.877) c) Ohne Bedeutung ist die gewählte Vertragsabschlussform. Es macht daher 2.652 keinen Unterschied, welche der möglichen Kontrahierungsformen („dreiseitiger“ Vertrag“878) Vereinbarung zwischen zwei Beteiligten unter Zustimmung des Dritten) die Parteien wählen.879) d) § 415 BGB analog. aa) Situation. Ob auch in dem Fall, dass die Übernahme 2.653 durch Vertrag zwischen ursprünglichem Vertragspartner des Getränkelieferanten und dem eventuell künftigen Vertragspartner desselben unter Zustimmung des Getränkelieferanten zustande kommen soll (§ 415 BGB analog) eine analoge Anwendung des Verbraucherkreditrechts auf den Übernahmevertrag gerechtfertigt ist, erscheint zweifelhaft. Im Fall der schuldnervertraglichen Vertrags___________ 875) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.4.1984 – 16 U 166/83, WM 1984, 1220 = Zeller III, 50; OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.7.1985 – 2 W 45/85, WRP 1986, 119; OLG München, Urt. v. 1.10.1985 – 25 U 3981/85, NJW-RR 1986, 150 = Zeller III, 96; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.1988 – 17 U 194/87, NJW-RR 1989, 1082 = Zeller IV, 56; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil). 876) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (Vertragsübernahme zum kreditrechtlichen Teil). 877) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99. 878) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.12.1997 – XII ZR 6/96, NJW 1998, 531 = ZIP 1998, 391 (Gaststättenmietvertrag); BGH, Urt. v. 30.1.2013 – XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94 – 129. 879) BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528 (Mietvertrag); BGH, Urt. v. 27.11.1985 – VIII ZR 316/84, NJW 1986, 918 = ZIP 1986, 164 (Leasingvertrag; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Brandenburg, Urt. v. 15.9.2010 – 3 U 117/09, BeckRS 2010, 26527 (Mietvertrag).

267

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

übernahme fehlt es an einem Vertrag zwischen Gläubiger und Neuschuldner. Die befreiende Übernahme erfolgt analog §§ 415, 416 BGB durch Vertrag zwischen Alt- und Neuschuldner zunächst ohne Beteiligung des Gläubigers mit desssen späterer Genehmigung (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB). Dabei handelt es sich um eine in der Praxis der Gastronomiefinanzierung häufige Konstellation.880) Nach der ganz herrschenden Verfügungstheorie enthält der Übernahmevertrag zwischen Altschuldner und Neuschuldner eine Verfügung über die Forderung, die der Genehmigung des Gläubigers bedarf. Dabei handelt der aus dem Vertrag ausscheidende Gastwirt stets als Unternehmer. 2.654 bb) Meinungsstand. Nach h. M.881) ist diese Frage nur dann zu bejahen, wenn die Vertragsübernahme ausnahmsweise auf Initiative des Getränkelieferanten zustande gekommen ist. Nach einer Mindermeinung882) ist der Umgehungstatbestand des § 512 Satz 2 BGB auch dann gegeben, wenn die Vertragsgestaltung nach § 415 Abs. 1 BGB analog nicht vom Gläubiger veranlasst worden ist. Der BGH hat die Frage in einer Entscheidung zum VerbrKrG offen gelassen.883) 2.655 cc) Stellungnahme. Im Regelfall fehlt es hier an der konstitutiven Voraussetzung einer b2c-Situation. Die berichtete ältere Rechtsprechung ist zum AbzG bzw. zum VerKrG ergangen und kaum mehr verwertbar. Das AbzG galt nach h. M. nämlich auch für Verträge zwischen Privatleuten. Anders als zu Zeiten des § 8 AbzG884) und des § 2 VerbrKrG wird nunmehr nur der unternehmerisch handelnde Lieferant, nicht aber der privat handelnde Anbieter erfasst. § 8 AbzG fand lediglich dann keine Anwendung, wenn der Käufer als Kaufmann ins Handelsregister eingetragen war.885) Auch zu § 2 VerbrKrG war umstritten, ob der Anbieter – entsprechend § 1 VerbrKrG – als Unternehmer handeln muss oder ob ein solches Erfordernis – wie beim AbzG – nicht bestand. Nach geltendem Recht kommt es auf die Rolle des Gläubigers an. Beschränkt sich diese darauf, die Vereinbarung zwischen Alt- und Neuschuldner analog § 415 BGB zu genehmigen, ist eine entsprechende Anwendung der Schutzvorschriften des Verbraucherkreditrechts nicht geboten. Ist der Gläubiger dagegen selbst als ___________ 880) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 881) U. a. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491 Rz. 30. 882) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 491 Rz. 78. 883) Für den kreditrechtlichen Teil offen lassend BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169; ablehnend OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641, obgleich der bisherige Schuldner als Gewerbetreibender handelte; ebenso OLG Dresden, Urt. v. 4.10.2006 – 8 U 639/06, BeckRS 2006, 12916. Ablehnend für den bezugsrechtlichen Teil BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641 ((Automatenaufstellvertrag). 884) BGH, Urt. v. 12.6.1991 – VIII ZR 256/90, NJW 1991, 2901 = ZIP 1991, 1218. 885) Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 1289-1301 m. w. N.

268

V. Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht

Vertragspartner einer dreiseitigen Übernahmevereinbarung beteiligt oder ging die Initiative zur zweiseitigen Vereinbarung zwischen Alt- und Neuschuldner nachweisbar von ihm aus, so ist entgegengesetzt zu entscheiden. 6.

Persönlicher Anwendungsbereich

a) Grundlagen. Im Wege einer Einzelbetrachtung ist wie folgt zu unterschei- 2.656 den: Liegen die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen – hier Existenzgründereigenschaft – in der Person des Übernehmenden vor, so ist § 513 BGB anzuwenden.886) Wird die Bezugsverpflichtung von einem Dritten im Rahmen einer bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit übernommen (§ 14 BGB), so scheidet § 513 BGB aus.887) Die Eigenschaft des bisherigen Schuldners als Verbraucher oder Unternehmer ist unerheblich.888) b) c2c-Geschäft. Bei Übernahmen und Beitritten, die zwischen Verbrauchern 2.657 ohne Beteiligung eines Unternehmers geschlossen werden, gilt das Verbraucherschutzrecht nicht. Zu denken ist an Verträge zugunsten Dritter mit Unternehmereigenschaft ohne deren Beteiligung. Ob die Situation des § 415 BGB unmittelbar oder analog dazurechnet, ist umstritten.889) 7.

Vorvertragliche Informationen

Zur umfassenden Information des Übernehmenden sind ihm gegenüber alle In- 2.658 formationen zu erteilen, die auch anlässlich eines Verbraucherdarlehensvertrags oder einer sonstigen Finanzierungshilfe zu erteilen wären. Eine Einschränkung ist nicht angezeigt. Insbesondere sind auch solche Angaben nicht verzichtbar, die einen Vergleich mit den Konditionen anderer Anbieter ermöglichen. Allerdings ist das Muster der Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite nicht auf die Übernahmesituation zugeschnitten. Daher bedarf es einer sprachlichen Umgestaltung und der Aktualisierung der Angaben in einzelnen Positionen der rechten Spalte.

___________ 886) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315. 887) BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 888) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 1442 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. 889) Siehe oben § 16 V 5 d m. w. N.

269

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

8.

Schriftform

2.659 a) Grundlagen. Da das Schutzbedürfnis mithaftender Personen bei einer im Ergebnis schuldnerischern Haftung nicht geringer ist als das des ursprünglichen Vertragspartners, gilt das Schriftformerfordernis im Hinblick auf die ihm innewohnende Informations- und Warnfunktion in gleicher Weise für Übernahmeerklärungen, nicht dagegen auf die entsprechenden Verpflichtungsgeschäfte.890) 2.660 b) Anforderungen. Dem Mithaftenden ist der vollständige Vertragsinhalt schriftlich mitzuteilen, damit ihm vor Augen geführt wird, in welchem Umfang er in Haftung steht. Bei Vereinbarung über einen Parteiwechsel ist die Schriftform gewahrt, wenn der Zweitvertrag auf den Erstvertrag Bezug nimmt und ihm eindeutig zu entnehmen ist, dass es hinsichtlich der nicht in die neue Urkunde aufgenommenen Vertragsbestandteile bei dem früher Vereinbarten bleiben soll. In der Praxis erfolgt dies durch Inbezugnahme und Beifügung des jeweiligen „Ausgangs-/Haupt-/Ursprungsvertrages“.891) 2.661 c) Heilung. Die Frage einer analogen Anwendung des § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB auf den bindungsrechtlichen Teil ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.892) Hinsichtlich des kreditrechtlichen Teils dürfte dagegen wie folgt zu unterscheiden sein: Bei einer Vertragsübernahme übernimmt der Verbraucherdarlehensnehmer die Rechtsstellung seines Vorgängers insgesamt. Ist der Übernehmer/Beitretende ebenfalls Verbraucher bzw. Existenzgründer, so könnte eine Heilung in Betracht kommen.893) Nach der Rechtsprechung soll dies auch gegenüber dem Vorgänger gelten.894) Anders wird zu entscheiden sein, wenn es sich bei dem Übernehmenden bzw. Beitretenden um einen Unternehmer (§ 14 BGB) handelt. Dann kommt eine Heilung nicht in Betracht. Im Ergebnis dürften damit die Rechtsinstitute Vertragsübernahme/-beitritt bzw. Schuldübernahme/beitritt im Zusammenhang mit Darlehens- (und Getränkelieferungs-)Verträgen an Bedeutung verloren haben.

___________ 890) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.1993 – 6 W 46/93, NJW 1994, 867 (Automatenaufstellvertrag). 891) BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642 (zum kreditrechtlichen Teil); BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil). 892) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 893) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 894) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169.

270

V. Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht

9.

Pflichtangaben

Hinsichtlich des bezugsrechtlichen Teils bestehen keine Angabeerfordernisse.895) 2.662 Bezüglich des kreditrechtlichen Teils gilt § 492 Abs. 2 BGB vollumfänglich. Die Übernahmevereinbarung hat daher sämtliche Pflichtangaben zu enthalten.896) Anderenfalls ist sie nichtig (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB) und die Widerrufsfrist beginnt bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen nicht zu laufen (§ 356b Abs. 2 Satz 1 BGB). 10.

Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation

a) Grundsatz. Der Übernehmende/Beitretende eigenständig über sein Wider- 2.663 rufsrecht zu belehren.897) b) Widerrufsadressat. aa) Allgemein. Auch bei der Vertragsübernahme ist 2.664 Widerrufsadressat der Getränkelieferant, weil der Übernehmer allein mit ihm – und nicht mit dem ausscheidenden Vertragspartner – in das für die Anwendung der § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB typische Lieferanten-/Bezieher-Verhältnis tritt.898) bb) § 415 BGB analog. Hinsichtlich der Vertragsübernahme analog § 415 BGB 2.665 wird auf die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.899) c) Im Übrigen. Zur fehlerhaften Widerrufsbelehrung vergleiche weiter die 2.666 Entscheidungen des OLG Koblenz und des OLG Frankfurt.900) 11.

Widerruf

a) Ausschluss des Widerrufsrechts des Altschuldners. aa) Grundsatz. Das Ge- 2.667 setz kennt über § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus keinen Erlöschenstatbestand „Vertragsübernahme“.901) ___________ 895) OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99. 896) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 897) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 898) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH – VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 899) Siehe nachfolgend § 16 V 11 d bb m. w. N. 900) OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 901) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme.

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§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

2.668 bb) Ausnahmen. Anders ist dies nur, wenn innerhalb der Frist des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB die Erklärungen über die Vertragsübernahme eine Bestätigung des alten Vertrages entsprechend §§ 141 Abs. 1, 144 Abs. 1 BGB enthalten oder als Neuabschluss eines Getränkelieferungsvertrages gewertet bzw. in einen solchen umgedeutet werden können.902) Denkbar ist es nämlich, dass in der Situation der Vertragsübernahme die Parteien nicht nur den alten Vertrag in seinen Bestand übernehmen wollten, sondern einen neuen Getränkelieferungsvertrag schließen wollten (Neuabschluss). Dafür müssten jedoch entsprechende Anhaltspunkte gegeben sein. 2.669 b) Widerrufsgegenstand. aa) Übernahmeerklärung. Unabhängig von der Widerruflichkeit des übernommenen Vertrags kann sich ein eigenständiges Widerrufsrecht des übernehmenden Vertragsteils bezüglich des Übernahmevertrages ergeben, wenn der Übernehmer in den persönlichen Schutzbereich des Verbraucherkreditrechts fällt.903) 2.670 bb) Gleiches gilt für die Verpflichtung zur Vertragsübernahme. Dies unabhängig davon, mit wem das Verpflichtungsgeschäft zustande gekommen ist.904) 2.671 cc) Übernommener Vertrag. Darauf, dass der ausscheidende Vertragspartner Verbraucher/Existenzgründer ist und ob ihm ein Widerrufsrecht beim ursprünglichen Vertragsschluss zustand, kommt es nicht an.905) 2.672 Wird die Bezugsverpflichtung von einem Dritten im Rahmen einer bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit als Unternehmer (§ 14 BGB) übernommen, so besteht an sich keine Widerrufsmöglichkeit für den Übernehmer mehr. Insofern stehen die §§ 413, 399 BGB entgegen.906) Nach h. M.907) besteht aber auch bei fehlender Verbraucher-/Existenzgründerqualifikation des Übernehmers die Unwirksamkeit des Vertrages bei noch nicht abgelaufener Widerrufsfrist fort. Da die Vertragsübernahme den Inhalt und die rechtliche Beschaffenheit des übernommenen Vertrages unberührt lässt und das Gesetz einen „Erlöschenstatbestand“ Vertrags___________ 902) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 28.11.1994 – VIII ZR 315/93, WM 1995, 334; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 903) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99. BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil). 904) BeckOGK/Henig BGB § 414 Rz. 81. 905) MünchKomm-Bydlinski, BGB, Vor § 414 Rz. 9. 906) BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012, unter Zurückweisung der Kritik von Bülow, WM 1995, 2089; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.12.1999 – 24 U 186/98, NJW-RR 2001, 641; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 907) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012.

272

V. Vertragsübernahme und Verbraucherkreditrecht

übernahme hinsichtlich des Widerrufsrechts des Altschuldners nicht kennt, geht Letzteres auf den Übernehmer ungeachtet seiner Schutzbedürftigkeit über.908) dd) Vertragsinhalt im Übrigen. Der übernommene Getränkelieferungsvertrag 2.673 wird durch die Übernahme inhaltlich nicht verändert. Weder ändert sich die Laufzeit noch gelten vereinbarte AGB nicht mehr. Die mit der Vertragsübernahme herbeigeführte Einzelrechtsnachfolge bewirkt lediglich die Auswechslung des Vertragspartners unter Aufrechterhaltung der Identität des Vertrags.909) c) Widerrufserklärung. aa) Bezug. Der BGH sah keine Bedenken, die Wider- 2.674 rufserklärung bei Vertragsübernahme einer Getränkebezugsverpflichtung trotz der anderslautenden Formulierung („… widerrufen … den Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag …“.) nicht auf den übernommenen Vertrag, sondern auf die Vertragsübernahme selbst zu beziehen (§§ 133, 157 BGB). Dafür sprach auch, dass die Prozessbeteiligten und die Vorinstanzen ebenso wie die Revisionserwiderung den Widerruf stets in diesem Sinne verstanden hatten. Daneben kann auch der übernommene Vertrag widerrufen werden.910) bb) Teilwiderruf. Hinsichtlich der Frage zu Zulässigkeit eines objektiven Teil- 2.675 widerrufs finden sich an anderer Stelle Ausführungen.911) cc) Ausübung. Sowohl der Hauptschuldner als auch der Übernehmende kön- 2.676 nen ihre etwaigen Widerrufsrechte unabhängig voneinander ausüben.912) d) Widerrufsadressat. aa) Allgemein. Im Falle der vertraglichen Übernahme 2.677 einer bereits bestehenden Bezugsverpflichtung durch einen Dritten ist der Widerruf gegenüber dem Gläubiger der Bezugsverpflichtung zu erklären.913) bb) § 415 BGB analog. Kein anderes Ergebnis sei auch in dem Fall anzunehmen, 2.678 dass der Dritte die Bezugsverpflichtung analog § 415 BGB durch Vereinbarung mit dem bisherigen Schuldner an dessen Stelle übernimmt, etwa durch Übernahme der von dem bisherigen Pächter im Rahmen eines Grundstückpachtvertrages über eine Gaststätte eingegangenen Getränkebezugsverpflichtung durch einen neuen Pächter. Als Begründung dieser noch auf der Rechtslage nach dem AbzG beruhenden Ansicht wird angeführt, dass der Widerruf gegenüber dem Verkäufer ___________ 908) BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 909) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 910) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996. 911) Siehe unten § 25 VI 8 m. w. N. 912) MünchKomm-Fritsche, BGB, § 355 Rz. 31. 913) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH – VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. Siehe oben § 16 V 10 d aa m. w. N.

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§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

zu erklären sei (§ 1b AbzG) und darunter derjenige zu verstehen sei, demgegenüber die Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen eingegangen werde und der seinerseits die Belieferung übernehme.914) Für den letztgenannten Fall (Situation des § 415 BGB) wird die Auffassung vertreten, dass der Verbraucher, solange der Gläubiger die Schuldübernahme nicht genehmigt habe, lediglich im Innenverhältnis gegenüber dem bisherigen Schuldner zum wiederkehrenden Bezug der Sachen verpflichtet sei. Er sei daher nicht gehindert, seine auf Aufnahme dieser Bezugsverpflichtung gerichtete Willenserklärung gegenüber der anderen Vertragspartei, also dem bisherigen Schuldner der Bezugsverpflichtung (§ 415 Abs. 1 Satz 3 BGB) innerhalb der Widerrufsfrist zu widerrufen (teleologische Reduktion des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB).915) Übe der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, scheide eine Genehmigung der Schuldübernahme seitens des Gläubigers aus. Habe dagegen der Gläubiger bereits die Übernahme der Bezugsverpflichtung vor Ablauf der Widerrufsfrist genehmigt, so gelte wieder die Grundregel, dass der Getränkelieferant Widerrufsadressat sei.916) 2.679 cc) Im Übrigen. Der BGH ging zum VerbrKrG davon aus, dass der Widerruf allein der verbleibenden Vertragspartei gegenüber zu erklären sei. Einer Erklärung gegenüber der ausgeschiedenen Partei bedarf es insoweit nicht.917) Allerdings hat der Widerruf auch Auswirkungen für die ausgeschiedene Vertragspartei, die nun wieder Schuldner der Verbindlichkeit wird. Das Verpflichtungsgeschäft zur Vertragsübernahme ist dagegen gegenüber demjenigen zu widerrufen, mit dem es vereinbart wurde, häufig also gegenüber der ausgeschiedenen Partei. Um Unsicherheiten zu vermeiden, empfiehlt es sich aus Gründen unternehmerischer Vorsicht, einen umfassenden Widerruf gegenüber allen übrigen Beteiligten zu erklären.918) 2.680 e) Widerrufsfrist. Mit Übernahme des Vertrages durch einen Existenzgründer oder Verbraucher geht auch das Widerrufsrecht über, aber wegen § 511 BGB mit neuer Frist.919) 2.681 f) Widerrufserstreckung. aa) Andere Beteiligte. § 139 BGB erstreckt die Wirkungen des Widerufs nicht auf andere Vertragspartner. Dies erst recht, wenn diese nicht schutzwürdig sind. ___________ 914) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 915) Erman-Nietsch, BGB, § 510 Rz. 28. 916) So in dem vom BGH mit Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210 entschiedenen Fall. 917) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH – VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 918) BeckOGK/Henig BGB § 414 Rz. 82. 919) OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme.

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VI. Schuldübernahme und Verbraucherkreditrecht

bb) Verpflichtungsgeschäft. Haben die Parteien die Übernahme und das Ver- 2.682 pflichtungsgeschäft als Geschäftseinheit angesehen, erfasst der Widerruf der Übernahme entsprechend § 139 BGB. cc) Hauptvertrag. Die Folgen für den Hauptvertrag bestimmen sich nach § 139 2.683 BGB. Bleibt der Hauptvertrag bestehen, so leben die Ansprüche gegen den Hauptschuldner im Umfang der an den Beitretenden zurückzugewährenden Leistungen wieder auf. Ob der Beitretende dem Urschuldner gegenüber weiterhin zur Freistellung verpflichtet ist, bestimmt sich nach den Vereinbarungen zwischen ihnen.920) VI.

Schuldübernahme und Verbraucherkreditrecht

1.

Grundsatz

Die vorstehenden Hinweise zur Vertragsübernahme gelten grundsätzlich ent- 2.684 sprechend.921) Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen: 2.

Sachlicher Anwendungsbereich

Bei (privativen) Schuldübernahmen bedarf es einer differenzierenden Betrach- 2.685 tung. a) Schuldübernahme mit Gläubigerbeteiligung. Erfolgt die Schuldübernahme durch dreiseitigen Vertrag oder gemäß § 414 BGB dürfte § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB zumindest analoge Anwendung finden, wenn im Hinblick auf den Neuschuldner (Einzelbetrachtung) die Voraussetzungen der §§ 513, 510 BGB vorliegen.922) b) Schuldübernahme ohne Gläubigerbeteiligung. Insofern kann auf die vorhe- 2.686 rigen Ausführungen verwiesen werden.923) 3.

Pflichtangaben

In der Situation des § 414 BGB sind sämtliche Angaben aus dem Katalog des 2.687 § 492 Abs. 2 BGB erforderlich.924) 4.

Widerruf

Hinsichtlich der Widerrufsberechtigung ist zu unterscheiden. a) Altschuldner. 2.688 Ein etwaiges Widerrufsrecht des bisherigen Schuldners bleibt von der Schuld___________ 920) BeckOGK/Henig BGB § 414 Rz. 14. 921) Siehe oben § 16 V m. w. N. 922) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil). 923) Siehe oben § 16 V 5 d m. w. N. 924) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil).

275

§ 16 Rechts- und Geschäftsnachfolge in der Praxis

übernahme unberührt.925) Für das Widerrufsrecht des Altschuldners ändert sich dann nichts, wenn er selbst die Schuldübernahme mit dem Dritten vereinbart und der Unternehmer als Gläubiger genehmigt. Das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Altschuldner bleibt nämlich im Übrigen bestehen. 2.689 b) Neuschuldner. Der Schuldübernehmer ist widerrufsberechtigt, soweit in seiner Person die Voraussetzungen der § 13, 513 BGB gegeben sind.926) VII. Vertragsbeitritt und Verbraucherkreditrecht 2.690 Insofern kann wiederum verwiesen werden.927) 1.

Sachlicher Anwendungsbereich

2.691 Der Vertragsbeitritt bzw. -eintritt unterfällt dem Verbraucherkreditrecht.928) 2.

Widerruf

2.692 a) Widerrufsberechtigung. Beim Vertragsbeitritt steht dem Beitretenden ein eigenes Widerrufsrecht zu, soweit er Existenzgründer oder Verbraucher ist.929) 2.693 b) Widerrufserstreckung. Ein Widerruf des Vertragsbeitritts führt zur Anwendung des § 139 BGB.930) VIII. Schuldbeitritt und Verbraucherkreditrecht 2.694 In Ergänzung der Ausführungen zur Schuldübernahme ist zu berichten: 1.

Sachlicher Anwendungsbereich

2.695 Auch für den Schuldbeitritt zu einer Getränkebezugsverpflichtung gilt § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB.931) Dieser erfolgt i. d. R. zumeist durch Vereinbarung ___________ 925) 926) 927) 928) 929)

Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 66 für die Darlehenssituation. BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012. Siehe oben § 16 V m. w. N. BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012. BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 189 f., 196. 930) MünchKomm-Fritsche, BGB, § 355 Rz. 30. 931) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.1993 – 6 W 46/93, NJW 1994, 867 (Automatenaufstellvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.4.1984 – 16 U 166/83, WM 1984, 1220 = Zeller III, 50; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1987 – 10 U 126/87, NJW-RR 1988, 948 = Zeller IV, 41; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

276

VIII. Schuldbeitritt und Verbraucherkreditrecht

zwischen bisherigem Schuldner und Übernehmer.932) Ersterer handelt auch hier stets als Unternehmer. Die vorstehenden Ausführungen zur Vertragsübernahme gelten für diesen Fall entsprechend.933) 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

Dass die Eintrittsvereinbarung (erst) wenige Wochen nach dem Erwerb einer 2.696 Gaststätte unterzeichnet wurde, sei nach einer Entscheidung des OLG Rostock unschädlich. Das Geschäft (Schuldbeitritt) müsse nicht vor dem Beginn der Tätigkeit abgeschlossen sein, es müsse nur mit der Aufnahme im Zusammenhang stehen. Es komme auch nicht darauf an, ob der Eintretende zuvor schon eine Absatzstätte geführt habe oder aber gleichzeitig eine weitere Absatzstätte führte. Entscheidend sei, dass er mit dem Kauf der Absatzstätte ein neues Geschäft aufgemacht hat.934) Diese Interpretation dürfte allenfalls teilweise treffend sein.935) 3.

Widerruf

a) Beginn der Widerrufsfrist. Bei dem Schuldbeitritt zu künftigen Verbindlich- 2.697 keiten – hier: aufgrund eines Rahmenvertrages zu in der Zukunft abzuschließenden, ratenweise zu erfüllenden Einzelkaufverträgen – beginnt die Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Abgabe der Beitrittserklärung. Der spätere Abschluss der Einzelverbindlichkeiten ist dann ohne Bedeutung, weil es an einer erneuten Willenserklärung des Beitretenden fehlt. Dies kann zwar dazu führen, dass der Beitretende aufgrund des an seine Willenserklärung gebundenen Beginns der Widerrufsfrist unter Umständen ungünstiger gestellt ist, als er stünde, wenn er seinen Schuldbeitritt erst in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss erklären würde. Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass sein Widerrufsrecht erlischt, bevor die Schuld, der er beigetreten ist, entstanden ist. Hieraus kann zugleich folgen, dass die Widerrufsfrist für ihn früher abläuft als für den eigentlichen Vertragspartner, für dessen Verbindlichkeit er haftet, soweit Letzterer gleichfalls dem persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts unterfällt. Dies alles ist jedoch eine notwendige Folge des Umstandes, dass die Widerrufsfrist für jeden der Beteiligten jeweils nur an dessen Willenserklärung anknüpft und von anderen Erklärungen zeitlich unabhängig ist.936) Der Wortlaut des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist insoweit eindeutig und auch das Schutzbedürfnis des Beitretenden legt im Rahmen ___________ 932) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 933) Siehe oben § 16 V 5 a m. w. N. 934) OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. 935) Siehe unten § 22 III 15 m. w. N. 936) BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 120 = NJW 1997, 2865 = ZIP 1996, 1657.

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§ 17 Schadensersatz

der nur entsprechenden Anwendung des § 355 BGB auf den Schuldbeitritt kein anderes Ergebnis nahe. Denn da ein wirksamer Schuldbeitritt zu einer künftigen Verbindlichkeit deren genügend bestimmte Bezeichnung voraussetzt, ist der Beitretende bereits bei Abgabe der Beitrittserklärung in der Lage, die Risiken seiner Willenserklärung abzuschätzen.937) 2.698 b) Erlöschensfrist. Mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung kann der Beitretende seine Erklärung selbst dann noch nach längerer Zeit, allerdings seit dem 13.6.2014 in den zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB, widerrufen, wenn der bisherige Alleinschuldner belehrt worden ist und von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Denn es geht um die Widerruflichkeit der Schuldmitübernahme selbst und nicht um eine irgendwie geartete „Bestandskraft“ des Vertrages, zu dessen Pflichten der Beitritt erklärt wird. Folglich kann es entscheidend auch nur allein auf die Belehrung des Beitretenden ankommen.938) 2.699 c) Widerrufserstreckung. Der Schuldbeitritt ist nicht Teil des Getränkelieferungsvertrages, sondern Sicherungsmittel hinsichtlich der Verpflichtung des Verbrauchers/Existenzgründers. Die Anwendung des § 139 BGB hängt davon ab, ob der Hauptvertrag auch ohne den Schuldbeitritt abgeschlossen worden wäre. Der Widerruf des Beitretenden beseitigt nicht den Vertrag, zu dem beigetreten worden ist, wenn es an einem einheitlichen Rechtsgeschäft fehlt. Dritter Abschnitt: Sanktionsregelungen bei Leistungsstörungen § 17 Schadensersatz I.

Einführung

2.700 Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist Schadensersatzregelungen zur Sanktionierung der praktisch häufigsten Verstöße gegen die Getränkebezugsverpflichtung. Zu nennen sind insbesondere Fremdbezug,939) Nichteinhaltung des vereinbarten Lieferweges,940) Einstellung des Getränkebezugs,941) Aufgabe der Absatzstätte, Minderbezug942) und Nichtweiterübertragung der Bezugsver-

___________ 937) BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VIII ZR 80/56, NJW 1959, 291. 938) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 939) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 940) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 941) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 942) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453.

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§ 17 Schadensersatz

der nur entsprechenden Anwendung des § 355 BGB auf den Schuldbeitritt kein anderes Ergebnis nahe. Denn da ein wirksamer Schuldbeitritt zu einer künftigen Verbindlichkeit deren genügend bestimmte Bezeichnung voraussetzt, ist der Beitretende bereits bei Abgabe der Beitrittserklärung in der Lage, die Risiken seiner Willenserklärung abzuschätzen.937) 2.698 b) Erlöschensfrist. Mangels einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung kann der Beitretende seine Erklärung selbst dann noch nach längerer Zeit, allerdings seit dem 13.6.2014 in den zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB, widerrufen, wenn der bisherige Alleinschuldner belehrt worden ist und von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Denn es geht um die Widerruflichkeit der Schuldmitübernahme selbst und nicht um eine irgendwie geartete „Bestandskraft“ des Vertrages, zu dessen Pflichten der Beitritt erklärt wird. Folglich kann es entscheidend auch nur allein auf die Belehrung des Beitretenden ankommen.938) 2.699 c) Widerrufserstreckung. Der Schuldbeitritt ist nicht Teil des Getränkelieferungsvertrages, sondern Sicherungsmittel hinsichtlich der Verpflichtung des Verbrauchers/Existenzgründers. Die Anwendung des § 139 BGB hängt davon ab, ob der Hauptvertrag auch ohne den Schuldbeitritt abgeschlossen worden wäre. Der Widerruf des Beitretenden beseitigt nicht den Vertrag, zu dem beigetreten worden ist, wenn es an einem einheitlichen Rechtsgeschäft fehlt. Dritter Abschnitt: Sanktionsregelungen bei Leistungsstörungen § 17 Schadensersatz I.

Einführung

2.700 Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist Schadensersatzregelungen zur Sanktionierung der praktisch häufigsten Verstöße gegen die Getränkebezugsverpflichtung. Zu nennen sind insbesondere Fremdbezug,939) Nichteinhaltung des vereinbarten Lieferweges,940) Einstellung des Getränkebezugs,941) Aufgabe der Absatzstätte, Minderbezug942) und Nichtweiterübertragung der Bezugsver-

___________ 937) BGH, Urt. v. 9.12.1958 – VIII ZR 80/56, NJW 1959, 291. 938) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 939) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 940) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 941) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 942) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453.

278

II. Haftung dem Grunde nach

pflichtung943). Weitere – nicht benannte – Vertragsverstöße werden durch Formulierungen wie „insbesondere“ oder „unter anderem“ erfasst. II.

Haftung dem Grunde nach

1.

Abbedingung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 281 BGB und § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

a) Wie auch in anderen Fällen einer Überbürdung einer verschuldensunab- 2.701 hängigen Risikohaftung durch AGB wird auch in Getränkelieferungsverträgen eine Schadensersatzhaftung ohne Verschulden an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB scheitern, weil ein Schadensersatzverlangen des Getränkelieferanten sich regelmäßig nur auf § 281 Abs. 1 BGB gründen lässt und das Verschuldenserfordernis zum gesetzlichen Leitbild dieser Vorschrift gehört (vgl. §§ 280 Abs. 1, 276 BGB).944) Dies gilt naturgemäß auch für Schadensersatzpauschalierungsklauseln.945)

2.702

Da das Verschuldenserfordernis zum Kernbereich der Schadensersatzhaftung 2.703 gehört, ist es auch nicht ausreichend, wenn die Klausel einen Nachweis fehlenden Verschuldens nicht ausdrücklich ausschließt.946) Höherrangige Interessen des Getränkelieferanten, die ausnahmsweise eine Abweichung von dem Verschuldenserfordernis rechtfertigen könnten, sind durchweg nicht anzunehmen.947) Daher genügt die Verwendung des Wortes „vertragswidrig“ nicht. Diese For___________ 943) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266 (Eigentümererklärung); OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 944) BGH, Urt. v. 23.4.1991 – XI ZR 128/90, BGHZ 114, 238 = NJW 1991, 1886 = ZIP 1991, 792; BGH, Urt. v. 1.4.1992 – XII ZR 100/91, NJW 1992, 1761 = ZIP 1992, 625; BGH, Urt. v. 9.7.1992 – VII ZR 7/92, BGHZ 119, 152 = NJW 1992, 3158; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, BGHZ 164, 196 = NJW 2006, 47 = ZIP 2006, 235; BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690; BGH, Urt. v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, BeckRS 2015, 18772; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936, das § 9 Abs. 1 AGBG anwendete; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 945) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 946) BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, BeckRS 2015, 18772; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 947) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.

279

§ 17 Schadensersatz

mulierung bezieht sich auf die Pflichtverletzung und nicht auf das Vertretenmüssen.948) 2.704 b) Dem Getränkelieferanten ist es im Allgemeinen zuzumuten, entsprechend § 281 Abs. 1 BGB zu verfahren; die Obliegenheit zur Mahnung kann daher auch im Unternehmerverkehr nicht formularmäßig abgedungen werden (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 4 BGB).949) 2.705 c) Gleiches gilt für das Erfordernis der Setzung einer angemessenen Nachfrist (§§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB).950) 2.

Transparenzgebot

2.706 Heißt es in einer Kündigungsklausel, dass die Kündigung nicht etwaige Schadensersatzansprüche beseitigt, so bestehen hinsichtlich der Bestimmtheit der Schadensersatzklausel letztlich keine Bedenken.951) 3.

Kumulationsverbot

2.707 a) Kündigung. Grundsätzlich kann der Getränkelieferant den hinsichtlich seines Leistungsinteresses bestehenden Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Auflösung des Dauerschuldverhältnisses kumulativ mit der in der Regel außerordentlichen Kündigung geltend machen.952) Dies folgt jedenfalls aus § 314 Abs. 4 BGB. Auch kann es der Getränkelieferant dabei belassen, entweder den Schadensersatzanspruch gem. § 281 BGB geltend zu machen oder sich auch auf sein Kündigungsrecht zu berufen. 2.708 b) Im Übrigen. Eine Schadensersatzklausel kann nach § 307 Abs. 1 Satz 1 (und 2) BGB unwirksam sein, wenn der Vertrag insgesamt die Geltendmachung verschiedener Sanktionen ermöglicht, ohne das Nebeneinander hinreichend deutlich abzugrenzen.953) Zunächst ist im Wege der Auslegung ein Summierungseffekt festzustellen.954) Sieht der Getränkelieferungsvertrag etwa vor, dass die eine Sanktion ___________ 948) A. A. LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 949) BGH, Urt. v. 18.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842 = ZIP 1986, 371; BGH, Urt. v. 7.3.1991 – I ZR 157/89, NJW-RR 1991, 995; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 950) BGH, Urt. v. 18.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842 = ZIP 1986, 371; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 951) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 952) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 953) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 954) Vgl. zum Zusammentreffen von Klauseln über eine Dekorationspflicht und eine Rückgabepflicht in einem gewerblichen Mietvertrag BGH, Urt. v. 12.3.2014 – XII ZR 108/13, NJW 2014, 1444.

280

III. Schadensersatzpauschalierungen

(Mindermengenausgleich) entfällt, soweit der Getränkelieferant Schadensersatz geltend macht, so bestehen auch insofern keine Bedenken.955) Im Übrigen kommt es nicht auf das tatsächlich kumulative Praktizieren der Sanktionen an.956) 4.

Rechtsfolge

Eine Klauselunwirksamkeit berührt den Getränkelieferungsvertrag im Übrigen 2.709 nicht (§ 306 Abs. 1 Fall 2 BGB). Der Inhalt des Vertrages richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 Fall 2 BGB).957) Durchweg dürfte ein Festhalten an dem Vertrag unter diesen Umständen keine unzumutbare Härte für den Schuldner gemäß § 306 Abs. 3 BGB darstellen.958) Unbenommen bleibt es dem Getränkelieferanten, seinen Schadensersatz dann konkret nach den Vorschriften des BGB zu berechnen.959) III.

Schadensersatzpauschalierungen

1.

Praktisches Bedürfnis

Gegenüber einer konkreten Schadensberechnung hat die Schadensersatzpau- 2.710 schale vor allem den Vorteil, dass Einblicke in die Preiskalkulation des Getränkelieferanten vermieden werden.960) Schadensersatzpauschalierungen hinsichtlich des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) in Formularverträgen sind daher weitgehend üblich. Sie erweisen sich schon wegen der Schwierigkeiten der konkreten Schadensberechnung für eine rationelle Vertragsabwicklung weithin als notwendig.961) Der Schuldner kann dank der Pauschalierung genauer absehen, wozu eine Pflichtverletzung führt (sog. verhaltenssteuernde Wirkung der Schadensersatzpauschalierung). 2.

§ 309 Nr. 5 BGB

a) § 305 BGB. Schadenersatzpauschalierungsklauseln dürften zumeist bereits 2.711 aufgrund ihres abstrakten Inhalts und ihres äußeren Erscheinungsbildes als AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB zu qualifizieren sein.962) ___________ 955) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 956) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 957) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 958) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 959) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 960) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. Vgl. auch OLG München, Urt. v. 29.9.1994 – U(K) 7111/93, NJW 1995, 733. 961) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 297. 962) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09.

281

§ 17 Schadensersatz

2.712 b) § 307 BGB. Aufgrund der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB) sind Abreden, die die Höhe des Schadens pauschalieren, grundsätzlich zulässig.963) Nur dann, wenn Klauseln zugleich eine Pauschalierung vorsehen, sind sie auch – aber nur hinsichtlich dieses Teils der Klausel – nach § 309 Nr. 5 BGB zu kontrollieren. 2.713 c) Bedeutung. § 309 Nr. 5 BGB verdeutlicht im Umkehrschluss, dass die Pauschalierung für sich genommen keine unangemessene Benachteiligung darstellt und sachlich gerechtfertigt werden kann. Eine Schadensersatzpauschalierung kann daher auch formularmäßig vereinbart werden.964) Der Gesetzgeber erkennt an, dass es berechtigte Interessen für eine Pauschalierung des Anspruchs auf Schadensersatz gibt. Anstelle langwieriger Streitigkeiten über die Schadenshöhe sorgt eine angemessene Pauschalierung für schnelle Klarheit. Auch wird dem Partner das Risiko einer Vertragsverletzung schnell deutlich. Das Gesetz zieht nur dort eine Grenze, wo der Verwender eine nicht mehr sachgerechte Höhe der Pauschalierung vorgibt.965) 2.714 d) Zweifache Unwirksamkeitshürde. Der selbstständige Unwirksamkeitsgründe des § 309 Nr. 5 a BGB sichert das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, indem die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eintretende Einbuße zum Prüfungsmaßstab genommen wird; Pauschalen, die darüber hinausgehen, sind unwirksam. Der Unwirksamkeitsgrund des § 309 Nr. 5 b BGB stellt ein formelles Erfordernis auf. Danach muss der Vertragspartner in der Klausel auf die Möglichkeit hingewiesen werden, den Nachweis zu führen, dass die Einbuße entweder überhaupt nicht oder doch in wesentlich geringerer Höhe entstanden. 2.715 e) Unternehmerverkehr. Die – zweifache – Schranke des § 309 Nr. 5 BGB gilt im Unternehmerverkehr entsprechend.966) Über § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist der Rechtsgedanke des § 309 Nr. 5 a BGB heranzuziehen.967) Gleiches gilt für § 309 Nr. 5 b BGB.968) ___________ 963) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080. 964) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 965) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 966) BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; BGH, Urt. v. 22.10.2015 – VII ZR 58/14, BeckRS 2015, 18772. 967) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381; BGH, Urt. v. 28.5.1984 – III ZR 231/82, NJW 1984, 2941; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 = ZIP 1707; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 968) BGH, Urt. v. 14.1.1976 – VIII ZR 203/73, BeckRS 1976, 30382225; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 19.9.2001 – I ZR 343/98, NJW-RR 2002, 1027; BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 = ZIP 2003, 1707; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.1999 – 6 U 13/98, NJW-RR 2000, 720; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Ravensburg, Urt. v. 7.11.2011 – 6 O. 301/11.

282

III. Schadensersatzpauschalierungen

f) Im Übrigen. § 309 Nr. 5 BGB setzt sowohl voraus, dass dem Grunde nach 2.716 ein Schadensersatzanspruch969) als auch ein ersatzfähiger Schade besteht. Eine nach § 309 Nr. 5 a BGB zulässige Klausel befreit daher nur von dem konkreten Nachweis des eingetretenen Schadens. Von den weiteren Voraussetzungen für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs befreit die Klausel nicht.970) § 309 Nr. 5 BGB gilt für Schadensersatzansprüche aller Art.971) Voraussetzung einer vertraglichen Schadensersatzpflicht ist somit, dass diese wirksam begründet worden ist, insbesondere keine Nichtigkeitsgründe nach §§ 134, 138 und 307 BGB vorliegen, und eine zu vertretende Pflichtverletzung festgestellt werden kann. Praktisch wird auch der Fall, dass die Parteien einen nach dem Gesetz gegebenen 2.717 Anspruch lediglich mit Blick auf die Höhe regeln, indem sie eine Pauschale vorsehen.972) 3.

Transparenzgebot

Schadenspauschalierungsklauseln müssen ebenso wie Vertragsstrafenklauseln 2.718 § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhalten. Daher muss die Berechnung eine klare Bezugsgröße aufweisen. Ein nicht von den Vertragsparteien stammender Listenpreis dürfte diese Anforderungen nicht erfüllen.973) 4.

Beweis

Mit der gesetzlich eröffneten Möglichkeit einer Schadensersatzpauschalierung 2.719 ist keine Beweislastumkehr, sondern lediglich eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Getränkelieferanten verbunden. Ihm obliegt es, Tatsachen vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass die vereinbarte Pauschale den branchentypischen Durchschnittsgewinn nicht übersteigt. Anders als bei der konkreten Schadensersatzberechnung muss der Getränkelieferant nicht seinen konkreten Schaden vortragen, insbesondere nicht seine Kostenrechnung und Preiskalkulation offenlegen.974)

___________ 969) BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645 = ZIP 2005, 798. 970) BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen); BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 971) BGH, Urt. v. 17.9.2009 – Xa ZR 40/08, NJW 2009, 3570. 972) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 973) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 974) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. Vgl. auch OLG München, Urt. v. 29.9.1994 – U(K) 7111/93, NJW 1995, 733.

283

§ 17 Schadensersatz

5.

Vorbehalt der Berechnung eines konkret höheren Schadens

2.720 Zumeist findet sich in Getränkelieferungsverträgen die Klausel, dass die Berechnung eines (konkret) höheren Schadens vorbehalten bleibt. Durch eine Schadensersatzpauschalierung wird nicht ausgeschlossen, dass der Getränkelieferant im Einzelfall einen ihm entstandenen konkret höheren Schaden geltend machen kann. Allerdings muss er hierfür die notwendigen Beweise antreten und erbringen. Eine Beschränkung der Rechte des Getränkelieferanten auf die Pauschale würde dem Zweck des Schadensersatzrechts widersprechen. Im Hinblick auf §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist darauf zu achten, dass der Vorbehalt des Nachweises eines höheren Schadens ausdrücklich und deutlich im Vertrag formuliert ist.975) 2.721 Behält sich der Getränkelieferant ein Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der vereinbarten Pauschale und des tatsächlichen Schadens vor, so hält die Klausel einer Inhaltskontrolle stand. Insbesondere liegt keine unbillige Beweiserleichterung zu Gunsten des Getränkelieferanten vor. Zwar mag dem Vertragspartner der Nachweis eines gegenüber der Pauschale niedrigeren Schadens schwer fallen. Aber auch der Getränkelieferant muss einen über die Pauschale hinausgehenden Schaden seinerseits darlegen und ggf. beweisen und dafür seine Kalkulation offenlegen.976) 6.

Abgrenzung zur Vertragsstrafe

2.722 a) Einführung. Bezieht sich die in der Klausel getroffene Pauschalierung auf einen vertraglich begründeten Anspruch, richtet sich die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 5 BGB nach dem Charakter dieses Anspruchs. So bedarf es ggf. sorgfältiger Prüfung, ob eine Schadensersatzpauschalierung nicht tatsächlich ein verdecktes Vertragsstrafenversprechen enthält.977) 2.723 b) Zweck. aa) Schadenspauschalierungen sollen vor allem den Schadensnachweis und damit die Möglichkeit der Schadensregulierung eines als bestehend vorausgesetzten vertraglichen Schadensersatzanspruchs erleichtern und eine ___________ 975) OLG Koblenz, Urt. v. 16.11.1999 – 3 U 45/99, NJW-RR 2000, 871. 976) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. Vgl. auch OLG München, Urt. v. 29.9.1994 – U(K) 7111/93, NJW 1995, 733. 977) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag); OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.

284

III. Schadensersatzpauschalierungen

Schadloshaltung ohne Einzelnachweis eröffnen.978) Dahinter tritt der Nebenzweck der Sicherung der Erfüllung der Hauptverbindlichkeit979) zurück. Praktisch bedeutsam wird dies bei der Sanktionierung von Minderbezügen. Auch wenn allein das Bestehen der Regelung faktisch einen gewissen Druck zur Erreichung der Mindestabnahmemenge erzeugen dürfte, steht die Pauschalierung des Schadensersatzes für den Fall, dass die Abnahmeverpflichtung nicht oder nicht vollständig erfüllt wird, zumeist im Vordergrund.980) bb) Bei der Vertragsstrafe981) besteht der Zweck umgekehrt vorrangig darin, die 2.724 Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als „Druckmittel“ zu sichern.982) Praktisch bedeutsam ist die Vertragsstrafe daher zur Abwehr von Fremdbezügen. Daneben soll sie dem Gläubiger im Falle einer Leistungsstörung den Schadensbeweis ersparen.983) c) Auslegung. Was gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. 2.725 aa) Formulierung. Der gewählte Wortlaut ist für das eine wie für das andere ein gewisses Indiz, ist aber nicht allein entscheidend. So deuten die Formulierungen „Schadensersatz“,984) „entgangener Gewinn“, „… entschädigung“985) und ähnliche auf eine Schadensersatzpauschale hin.986) ___________ 978) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 979) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag). 980) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 981) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 982) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 983) BGH, Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 46/98, NJW 2001, 2106; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 984) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081. 985) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 986) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08.

285

§ 17 Schadensersatz

2.726 Für die Einordnung als Vertragsstrafe spricht die unmissverständliche Bezeichnung mit dem Rechtsbegriff „Vertragsstrafe“. Nennt die Klausel die Voraussetzungen des Anspruchs, so ist dies ein Indiz für eine Vertragsstrafe.987) 2.727 bb) Zweck der Regelung. Lässt sich auf der Grundlage des Wortlauts keine eindeutige Abgrenzung vornehmen, ist auf den erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung abzustellen. Maßgeblich ist, ob die Klausel die Erfüllung der vertraglichen geschuldeten Leistung sichern und auf den Vertragspartner einen möglichst wirkungsvollen Druck ausüben soll, die übernommenen Pflichten einzuhalten – dann liegt eine Vertragsstrafe vor – oder ob sie der vereinfachten Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruches dienen soll – dann handelt es sich um eine Schadenspauschalierungsabrede. Letztlich sind alle Umstände des Einzelfalles heranzuziehen.988) Ausschlaggebend ist letztlich, ob es sich um den ernsthaften Versuch einer antezipierten Schätzung des typischerweise zu erwartenden Schadens – sowohl hinsichtlich der Berechnung als auch hinsichtlich der Höhe – handelt oder nicht.989) 2.728 cc) Weitere Ansatzpunkte. Angesichts dieser Problemlage werden in Rechtsprechung und Literatur weitere Hilfskriterien diskutiert, die vornehmlich auf die Angemessenheit der Rechtsfolge abstellen. Dabei ist zu beachten, dass von der Unterscheidung abhängt, ob die streitige Klausel gem. § 309 Nr. 6 BGB (als Vertragsstrafe) schlechthin unwirksam oder ob sie gem. § 309 Nr. 5 BGB (als Schadensersatzpauschalierung) an sich wirksam und unwirksam nur dann ist, wenn mit ihr „zu viel“ verlangt wird. 2.729 aaa) Nach einer ersten Meinungsgruppe990) sei immer dann eine Vertragsstrafe als vereinbart anzusehen, wenn die streitige Klausel entweder für die durch sie geregelten Fälle als generell unangemessen erscheint oder wenn die Höhe des festgesetzten Betrages von vorne herein keine erkennbare Relation zur Höhe des normalerweise eintretenden Schadens aufweist. Eine Schadensersatzpauschalierung sei dagegen anzunehmen, wenn die Fixierung eines im Falle der Nicht- oder Schlechterfüllung zu zahlenden Betrages nach der Art des Vertrages und den typischerweise gegebenen Interessen der Beteiligten an sich vernünftig ist und deshalb nur die Höhe des Betrages einer richterlichen Kontrolle ___________ 987) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.8.1999 – 15 U 43/98, WRP 2000, 565; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 988) Einerseits BGH, Urt. v. 20.1.2000 – VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106, andererseits BGH, Urt. v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645 = ZIP 2005, 798; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 989) OLG Köln, Urt. v. 24.4.1974 – 16 U 115/73, NJW 1974, 1953; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 990) Beispielhaft MünchKomm-Wurmnest, BGB, § 309 Nr. 5 Rz. 6 m. w. N.

286

III. Schadensersatzpauschalierungen

anhand der Maßstäbe des § 309 Nr. 5 BGB bedürfe. Hiervon könne ausgegangen werden, wenn der Verwender dem Kunden den Gegenbeweis im Einzelfall nach § 309 Nr. 5 b BGB einräumt. Übersteigt eine „Pauschale“ deutlich den mutmaßlichen Schaden, sei sie auch nach der Einschätzung der Parteien nicht als Versuch einer antezipierten Schadensschätzung anzusehen. Es handelt sich dann um eine Vertragsstrafe. bbb) Erfüllt eine Klausel beide Begriffe, so müsse sie nach Auffassung des 2.730 OLG Celle991) auch die Anforderungen von § 309 Nr. 5 und 6 BGB einhalten. Hiergegen spricht, dass der Wortlaut des Gesetzes eine Abgrenzung beider Tatbestände verlangt.992) Zudem sind Vertragsstrafen keine Schadensersatzpauschalierungen und auch in der Höhe nicht auf den typischen Schaden begrenzt. Sie sind vom Gesetzgeber ganz bewusst nicht auf ein bestimmtes Verhältnis zum erwartbaren Schaden festgelegt worden. ccc) Nach einer anderen, in der Literatur vertretenen Auffassung993) sei wegen 2.731 § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel von derjenigen Auslegung auszugehen, bei der die Klausel unwirksam ist. Ist die Klausel weder dem gewählten Wortlaut nach noch ihrem erkennbaren Sinn und Zweck nach eindeutig, sei die Deutung vorzunehmen, die der Verwendergegenseite günstiger ist. Dies werde in der Regel die Schadensersatzpauschale sein. Ist die Klausel also weder als Schadenspauschale noch als Vertragsstrafe unwirksam, so sei nach § 305c Abs. 2 BGB im Zweifel von einer Schadensersatzpauschale auszugehen, weil diese im Gegensatz zur Vertragsstrafe keinen neuen Anspruchsgrund schaffe. ddd) Eine weitere Meinung nimmt bei nicht eindeutiger Formulierung der 2.732 Klausel und nicht behebbaren Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Vertragsstrafen und Schadensersatzpauschalierungen gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders umgekehrt eine Vertragsstrafe an.994) dd) Entscheidungserheblichkeit. Jedenfalls im Unternehmerverkehr dürfte 2.733 eine Abgrenzung zwischen Vertragsstrafe einerseits und Schadensersatz andererseits zumeist nicht entscheidungserheblich sein, weil auch dort Vertragsstrafenregelungen grundsätzlich zulässig sind und für die Überprüfung nach § 307 Abs. 1 BGB dieselben Grundsätze anzulegen sind.995)

___________ 991) 992) 993) 994)

OLG Celle, Urt. v. 12.2.2004 – 11 U 140/03, NJOZ 2004, 991. MünchKomm-Wurmnest, BGB, § 309 Nr. 6 Rz. 6. Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, § 309 Nr. 5 Rz. 38. OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 995) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; von Westphalen, Vertragsrecht und AGBKlauselwerke, B Rz. 26 zu Schadensersatzpauschalen und Rz. 27 zu Vertragsstrafen.

287

§ 17 Schadensersatz

IV.

Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

1.

Durchschnittsschaden als Maßstab

2.734 a) Grundlagen. § 309 Nr. 5 a BGB knüpft in sprachlicher Hinsicht an die Formulierung an, die § 252 Satz 2 BGB zur Umschreibung desjenigen Gewinns verwendet, der als „mit Wahrscheinlichkeit“ entgangen vom Schadensersatzgläubiger ersetzt verlangt werden darf, ohne dass er insoweit einen vollen Beweis zu führen bräuchte.996) Eine Schadensersatzpauschale ist überhöht, wenn der Getränkelieferant sich einen Betrag ausbedingt, der den Schaden übersteigt, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten ist.997) Die Schadensersatzpauschalierung erstreckt sich im Zweifel auf den Ersatz des gesamten bei dem Verwender typischerweise eintretenden Schadens. Entscheidend ist nicht der konkrete Verlauf, sondern welcher Schaden bei Vorliegen des von der Klausel zum Anknüpfungspunkt gemachten Ereignisses üblicherweise einzutreten pflegt (objektiv-generalisierende Betrachtung).998) Daraus folgt, dass der konkret eingetretene Schaden für die Frage der Klauselwirksamkeit ohne Bedeutung ist. Ist dieser niedriger als die Pauschale, obliegt es dem Vertragspartner, dieses nachzuweisen, was auch in der Klausel ausdrücklich gestattet werden muss (Gegenbeweis nach § 309 Nr. 5 b BGB). Wie bei § 252 Satz 2 BGB ist festzustellen, dass es wahrscheinlicher war, dass der Gewinn erzielt wird, als dass er ausbleibt.999) Die Umstände des konkreten Einzelfalles, mögen sie für den Eintritt eines besonders hohen oder auch eines besonders niedrigen Schadens sprechen, bleiben daher außer Betracht. Die besonderen Verhältnisse wie die Ertragssituation des Betriebes, die Person des Geschäftsinhabers oder auch der Einwand, im konkreten Einzelfall sei ein niedrigerer Schaden entstanden, können daher nicht berücksichtigt werden. 2.735 b) Beurteilungsspielraum. Da das Gesetz dem Richter dafür selbst bei einem bereits eingetretenem Schaden gem. § 287 ZPO freies Ermessen zubilligt, kommt den Parteien für die noch schwierigere Beurteilung im Voraus erst recht und ebenso wie bei der Höhe der Vertragsstrafe1000) ein Beurteilungsspielraum zu. Daher kann eine Klausel nicht bereits dann für nichtig erklärt werden, wenn bei nachträglicher Betrachtung eine andere Pauschalierung angemessener erscheint. In aller Regel wird eine Toleranzbreite von 10 % des zu erwartenden Schadens akzeptiert.1001) ___________ 996) BGH, Urt. v. 28.5.1984 – III ZR 231/82, NJW 1984, 2941. 997) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 21.12.1995 – VII ZR 286/94, NJW 1996, 1209 = ZIP 1996, 508. 998) BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690. 999) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, NJW 2002, 825. 1000) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1001) Erman-Roloff, BGB, § 309 Rz. 49.

288

IV. Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

c) Alternativen. Die Pauschale muss sich entweder nach dem branchentypischen 2.736 Durchschnittsschaden1002) oder wahlweise dem typischen Durchschnittsschaden des Unternehmens orientieren.1003) Letzteres kommt insbesondere dann in Betracht, wenn es wie in der Brauwirtschaft nach Größe und betriebswirtschaftlicher Effizienz erheblich abweichende Unternehmensentwicklungen festzustellen gilt. d) Branchentypischer Durchschnittsschaden. Will der Getränkelieferant im 2.737 Rechtsstreit nicht seine Kalkulationsgrundlage offenlegen, so wird er auf den branchentypischen Durchschnittsschaden abstellen.1004) Der erste Anschein spricht dann für eine vergleichbare Gewinnspanne und damit Schäden bei Gewinnausfällen. Im Übrigen ist der Verwender auch bei der Zugrundelegung branchenüblicher Durchschnittsschäden nicht gehindert, unterschiedliche, von ihm bediente Geschäftspachten zu einer einheitlichen Pauschale zusammenzufassen, vorausgesetzt, die Pauschale ist auch für die Geschäftspartei mit der geringsten Schadenshöhe noch angemessen. Das bedeutet, dass der in den AGB festgesetzte Betrag mit dem Durchschnittsgewinn zu vergleichen ist, der nach der Schätzung eines informierten Beobachters in der betreffenden Branche normalerweise entsteht, wenn die Voraussetzungen, an die die Zahlungspflicht des Kunden geknüpft ist, erfüllt sind.1005) e) Praxishinweis. Soweit der Beklagte vorbringt, die Höhe des von dem Geträn- 2.738 kelieferanten geltend gemachten pauschalierten Schadensersatzes stehe in keinem Verhältnis zu einem etwaigen dem Getränkelieferanten tatsächlich entstandenen Schaden, hat der Getränkelieferant unter Antritt von Sachverständigenbeweis vorzutragen, dass die Differenz zwischen dem Vertrags- oder Herstellerpreis unter Ansatz nur der variablen Kosten bei der Getränkeherstellung schon im maßgeblichen Jahr und auch in der Folgezeit über der vereinbarten Pauschale gelegen habe. Einem Beweisantrag des Getränkelieferanten, dass die Pauschalierung sich im Rahmen des gewöhnlichen zu erwartenden Schadens halte, ist nachzugehen.1006) 2.

Ermittlung des Durchschnittsschadens

a) Zeitpunkt. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Einbeziehung in den Vertrag.1007) ___________ 1002) BGH, Urt. v. 16.1.1984 – II ZR 100/83, NJW 1984, 2093; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 14.4.2010 – VIII ZR 123/09, BGHZ 185, 178 = NJW 2010, 2122 = ZIP 2010, 1349. 1003) BGH, Urt. v. 21.12.1995 – VII ZR 286/94, NJW 1996, 1209 = ZIP 1996, 508. 1004) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690. 1005) BGH, Urt. v. 16.1.1984 – II ZR 100/83, NJW 1984, 2093. 1006) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 1007) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 = ZIP 2010, 1072; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231.

289

2.739

§ 17 Schadensersatz

2.740 b) Bereicherungsverbot. Stets ist das Nichterfüllungsinteresse durch das Erfüllungsinteresse begrenzt, weil der Getränkelieferant – auch im Rahmen von § 309 Nr. 5 a BGB – nur das Recht hat, so gestellt zu werden, wie er stände, wenn der Gastwirt ordnungsgemäß seine Abnahmepflichten erfüllt hätte. Eine Pauschalierung, die zu einer Bereicherung führt, weil sie den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt, widerspricht wesentlichen Grundgedanken des Schadensersatzrechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und ist in sachlicher Übereinstimmung mit § 309 Nr. 5 a BGB auch zwischen Unternehmern unwirksam.1008) Ein wesentliches Übersteigen ist nicht erforderlich. Bei der Bemessung der Höhe der Pauschalierung der dem Grunde nach ersatzfähigen oder wirksam ersatzfähig gestellten Schadenspositionen darf der Verwender also stets zu wenig, niemals aber zu viel fordern.1009) 2.741 c) Unternehmerverkehr. Der BGH lehnt es ab, bei der Höhe der Pauschale besondere Bedürfnisse des Unternehmerverkehrs zu berücksichtigen.1010) Vielmehr hat er in einem obiter dictum erklärt, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders nur eine am Durchschnittsschaden orientierte Schadenersatzpauschale gegen sich gelten zu lassen brauche, „und zwar auch dann, wenn er selbst Kaufmann ist“. 2.742 d) Pflichtverletzung. Erfasst die Klausel unterschiedliche Pflichtverletzungen, muss eine Einheitspauschale so gewählt sein, sie sich an dem niedrigsten in Betracht kommenden Durchschnittsschaden auszurichtet.1011) 2.743 e) Schadenspositionen. aa) Ersatzfähigkeit. In die Berechnung des Durchschnittsschadens können nur solche Positionen einfließen, die im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs überhaupt ersatzfähig sind. Die Einbeziehung nicht ersetzbarer Positionen, wie etwa Bearbeitungskosten, macht die Klausel unwirksam.1012) Dazu rechnen nicht etwaige Rechtsverfolgungskosten, deren Anfall und

___________ 1008) BGH, Urt. v. 28.5.1984 – III ZR 231/82, NJW 1984; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Köln, Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083. 1009) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1010) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, BGHZ 124, 351 = NJW 1994, 1060 = ZIP 1994, 461; BGH, Urt. v. 21.12.1995 – VII ZR 286/94, NJW 1996, 1209 = ZIP 1996, 508; BGH, Urt. v. 11.1.1997 – XI ZR 13/97, NJW 1998, 592 = ZIP 1998, 20; BGH, Urt. v. 2.3.1999 – XI ZR 81/98, NJW-RR 1999, 842. 1011) BGH, Urt. v. 16.1.1984 – II ZR 100/83, NJW 1984, 2093; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (Automatenaufstellvertrag). 1012) Palandt-Grüneberg, BGB, § 309 Rz. 26.

290

IV. Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

Höhe in der Regel durch den Einzelfall geprägt sind und die sich deshalb vorab noch nicht verlässlich einschätzen lassen.1013) bb) Unzulässig ist es, der Pauschalierung Schadenspositionen Dritter zugrunde 2.744 zu legen. Daher kann die Brauerei, wenn sie im Vertriebsmodell 2 arbeitet, ihren Schadensersatzpauschalen nicht die Preise bzw. Preislisten des Getränkefachgroßhandels zugrunde legen.1014) cc) Steuern. Auf den Gewinn anfallende Steuern sind vom Schädiger nur dann 2.745 zu ersetzen, wenn der Geschädigte sie auch auf die Schadensersatzleistung entrichten muss. Dies führt zu einer differenzierten Betrachtung. Bei der Pauschale des Schadensersatzes statt der Leistung (früher Nichterfüllungsschaden genannt) entspricht der branchentypische Durchschnittsschaden im Wesentlichen der üblichen Gewinnspanne. Das ist der Bruttogewinn grundsätzlich ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer, weil der Schadensersatzanspruch wegen fehlenden Leistungsaustausches nicht der Umsatzsteuer unterliegt.1015) Die Berücksichtigung der Möglichkeit zum Vorsteuerabzug im Schadenersatzrecht beruht auf dem Prinzip der Vorteilsausgleichung.1016) Demgegenüber ist die Gewerbesteuer zu ersetzen.1017) f) Überhöhung. Auch eine geringfügige Überschreitung macht die Klausel un- 2.746 wirksam. Bei Prozentklauseln ist darauf zu achten, dass die Klausel das richtige Bezugsobjekt gewählt hat. Unwirksam ist eine Klausel, der zufolge der Neuwert zu ersetzen ist, wenn in den von der Klausel geregelten Fällen nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts ein Abzug neu für alt vorzunehmen ist. g) Kappung. Der Unwirksamkeitsgrund des § 309 Nr. 5 a BGB greift nur ein, 2.747 wenn die Pauschale bei genereller Betrachtung ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles überhöht ist. Maßgeblich ist dabei nicht der tatsächlich verlangte Schadensbetrag, sondern derjenige, der nach dem Inhalt der Klausel verlangt werden kann. Eine überhöhte Pauschale bleibt auch dann im Ganzen un___________ 1013) BGH, Urt. v. 14.4.2010 – VIII ZR 123/09, BGHZ 185, 178 = NJW 2010, 2122 = ZIP 2010, 1349. 1014) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1015) BGH, Urt. v. 26.2.1997 – VIII ZR 128/96, ZIP 1997, 734; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453 (hier allerdings nicht abgedruckt); LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; a. A. OLG Jena, Urt. v. 26.4.2005 – 8 U 702/04, DAR 2005, 399: einschließlich Umsatzsteuer. Zu der Frage, inwieweit die Mehrwertsteuer bei Schadensersatzleistungen eingeschlossen ist, wenn sich die Parteien über die Schadenshöhe in einem Vergleich verständigt haben, siehe BGH, Urt. v. 22.5.1989 – X ZR 25/88 NJW-RR 1990, 32 = Zeller IV, 423. 1016) BGH, Urt. v. 15.12.1994 – IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093 = ZIP 1995, 297. 1017) KG, Urt. v. 22.3.1973 – 12 U 1490/72, VersR 1973, 1030.

291

§ 17 Schadensersatz

wirksam, wenn der Verwender sie im Einzelfall auf eine angemessene Höhe reduzieren will.1018) 3.

Anerkannte Pauschalbeträge

2.748 a) Folgende absoluten Beträge sind Brauereien bei Direktbelieferung (Vertriebsmodell 1) als Schadensersatzpauschalen für den entgangenen Gewinn pro hl Bier zuerkannt worden: „20,00 DM/hl“,1019) 30,00 DM/hl“,1020) 40,00 DM je hl Fassbier und 5,00 DM je Kasten Flaschenbier“,1021) „50 DM/hl“,1022) „80 DM/hl“1023), „50,00 €/hl“1024) sowie „60,00 €/hl“1025). 2.748a b) Die letztgenannte Pauschale wurde bei unternehmensbezogener Betrachtung auch für eine im Vertriebsmodell 2 arbeitende Brauerei(-gruppe) ausgeurteilt.1026). 4.

Anerkannte pauschale Prozentsätze

2.749 a) Als prozentuale Schadensersatzpauschalen wurden Brauereien bei Direktbelieferung zugesprochen: „20 % der jeweiligen Einkaufspreise gemäß der jeweils gültigen Preisliste“,1027) 25 % des Brauereiabgabepreises“1028) bzw. des jeweiligen Biereinkaufspreises,1029) bzw. des „jeweiligen Listenpreises1030) für einen hl P-Exportbier im Fass“1031) „28 % des jeweiligen …-Abgabepreises (inklusive der jewei___________ 1018) BGH, Urt. v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, NJW 1982, 870; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.1982 – 11 U 01/82, NJW 1982, 2564. 1019) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266. 1020) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242 (Getränkefachgroßhändler). 1021) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. 1022) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96. 1023) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987, obiter dictum. 1024) OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063. 1025) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 1026) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 1027) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143: für die während der Restdauer zu erwartende Absatzmenge; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 1028) OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 1029) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1030) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; 1031) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210, allerdings bei Annahme einer negativen Umsatzpacht. Der BGH musste im Ergebnis nicht Stellung nehmen.

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IV. Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

ligen Umsatzsteuer)“,1032) „30 %“ des Tagespreises bzw. des gültigen Verkaufsbzw. Listenpreises“1033) sowie „50 % des jeweiligen Einzelhandelslistenpreises für Fassbier der Sorte Pilsener“.1034) b) Soweit vereinzelt eine Pauschale in Höhe von 30 % als unwirksam angese- 2.750 hen wird,1035) wird verkannt, dass die Regelung in der Entscheidung des OLG Karlsruhe nicht 30 % des Bierpreises des Getränkelieferanten, sondern 30 % des Preises der fremdbezogenen Getränke zum Gegenstand hatte. Zutreffend erachtete das OLG Karlsruhe diese Preise als für die Schadensberechnung der Klägerin „völlig untauglich“. Die Bezugnahme auf eine Drittpreisliste ist für die Berechnung des entgangenen Gewinns untauglich. Ob ein Schadensersatz in Höhe von 30 % der Brauereiabgabepreise angemessen wäre, hat das OLG Karlsruhe gar nicht geprüft.1036) 5.

Besonderheiten bei Biermischgetränken und alkoholfreien Getränken

Die vorstehend berichteten absoluten und prozentualen Schadensersatzpauscha- 2.751 len für Bier dürften sich auf Biermischgetränke übertragen lassen, für alkoholfreie Getränke müssten sie naturgemäß deutlich niedriger angesetzt werden.1037) 6.

Darlegung und Beweis

a) Darlegung. Eine schlüssige abstrakte Schadensberechnung setzt zumindest 2.752 voraus, dass der Pauschalbetrag bzw. der Prozentsatz etwa eines Listenpreises dem „gewöhnlichen Lauf der Dinge“ i. S. d. § 252 Satz 2 BGB entspricht. Andernfalls bedarf es einer konkreten Schadensberechnung.1038) Mit der Regelung des § 309 Nr. 5a BGB ist keine Beweislastumkehr, sondern nur eine Beweiserleichterung zugunsten des Verwenders verbunden. Ihm obliegt es, Tatsachen vorzutragen und ggf. unter Beweis zu stellen, dass der Schaden den branchentypischen Durchschnittsgewinn nicht übersteigt. ___________ 1032) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98. 1033) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11 (Schadensersatz); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.1982 – 11 U 1/82 für den Mobelversandhandel. 1034) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; zweifelnd OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024, allerdings musste die Frage nicht entschieden werden. 1035) So von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 26, unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1036) So zutreffend OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 1037) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 209. 1038) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080.

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§ 17 Schadensersatz

2.753 b) Sachvortrag. Gelegentlich wird seitens des Schädigers vorgebracht, die Höhe des von dem Getränkelieferanten geltend gemachten pauschalierten Schadensersatzanspruchs stehe in keinem Verhältnis zu einem etwaigen diesem tatsächlich entstandenen Schaden. Damit stellt sich die Frage, wen die Beweislast für die Unwirksamkeitsvoraussetzung der Überhöhung trifft. 2.754 aa) Rechtsprechung. Nach einer Entscheidung des BGH aus der Zeit vor Inkrafttreten des AGBG müsse der Verwender nachweisen, dass eine Pauschale dem typischen Schadenumfang entspreche. Er brauche aber vor Gericht nicht die Einzelheiten seiner Kostenrechnung und Preiskalkulation offenzulegen, sondern nur den branchenüblichen Durchschnittsgewinn. Insofern genüge der Verwender seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er „im Ansatz nachprüfbare“ Tatsachen vortrage sowie ggf. Beweise, denen entnommen werden könne, dass in der Branche im Allgemeinen ein Gewinn erwirtschaftet werde, der mit dem Pauschalbetrag im Wesentlichen übereinstimme.1039) In späteren Entscheidungen hat der BGH die Frage, ob der Verwender die Angemessenheit der Schadenspauschale oder sein Vertragspartner die Unangemessenheit beweisen muss, ausdrücklich offengelassen. Jedenfalls dann, wenn die Schadenspauschale ungewöhnlich hoch sei, könne das Vorbringen des Klauselverwenders nur unter der Voraussetzung als schlüssig eingestuft werden, dass er die Angemessenheit darlege.1040) Nach der jüngeren Rechtsprechung liegt die Beweislast wieder beim Verwender.1041) 2.755 bb) Literatur. Die Gegenauffassung im Schrifttum will hingegen die allgemeine Beweislastregel anwenden, nach der die Beweislast denjenigen trifft, der sich auf die Unwirksamkeit der Klausel beruft, also den Vertragspartner. Allerdings sieht sie sich wegen der damit verbundenen Beweisschwierigkeiten zu Einschränkungen veranlasst. Habe der Vertragspartner im Falle der fehlenden Zugangsmöglichkeit zu den Rechnungsfaktoren die Überhöhung der Pauschale plausibel dargelegt, so obliege es dem Verwender, die gegen eine Überhöhung sprechenden Gründe vorzutragen und zu beweisen.1042) 2.756 cc) Stellungnahme. Nach dem klaren Wortlaut des § 309 Nr. 5 a BGB trifft den Klauselgegner die Darlegungs- und Beweislast für eine etwaige Überhö___________ 1039) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag). 1040) Im Ergebnis aber offen lassend BGH, Urt. v. 7.10.1981 – VIII ZR 229/80, BGHZ 82, 81 (insoweit nicht abgedruckt) = NJW 1982, 331. Im Übrigen BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Automatenaufstellvertrag Automatenaufsteller–Getränkefachgroßhändler); Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1041) BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690. 1042) U. a. Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, § 309 Nr. 5 Rz. 84 f.

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IV. Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

hung der Pauschale. Die erstgenannte Entscheidung des BGH stammt noch aus der Zeit vor dem Erlass des AGBG.1043) Angesichts des Gesetzeswortlauts und der Entstehungsgeschichte kann die Entscheidung allerdings nicht ohne Weiteres auf § 309 Nr. 5 a BGB übertragen werden. Der ursprüngliche Entwurf zur Vorgängervorschrift des § 11 Nr. 5 AGBG sah eine Regelung vor, die die Beweislast dem Verwender auferlegt hätte. Die dann verabschiedete (heutige) Fassung hat aber das „es sei denn“ durch ein „wenn“ ersetzt, was den Schluss zulässt, dass die Beweislast beim Schädiger liegt. Zu berücksichtigen wird sein, dass in den vergleichbaren Fällen der Abwick- 2.757 lungspauschalen nach § 308 Nr. 7 BGB die Rechtsprechung die Darlegungsund Beweislast der Verwendergegenseite auferlegt.1044) Entscheidend ist grundsätzlich, dass die Verwendergegenseite eine Einwen- 2.758 dung gegen das auf die Schadensersatzpauschale gestützte Anspruchsbegehren des Klauselverwenders erhebt und somit bereits nach den allgemeinen Regelungen für die Einwendung darlegungs- und beweispflichtig ist. Die Bedeutung der Streitfrage relativiert sich zudem in der Praxis. Denn unabhängig von der Stellungnahme hierzu sollte feststehen, dass der Getränkelieferant nicht gezwungen werden kann, im Rechtsstreit seine konkreten Kalkulationsunterlagen offenzulegen – auch nicht über die Grundsätze der sekundären Behauptungsoder Darlegungslast,1045) will man nicht eine maßgebende Motivation der Pauschalierung übergehen.1046) Bei Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen würden Unternehmen benachtei- 2.759 ligt, die betriebswirtschaftlich besonders gut aufgestellt sind und über ein entsprechendes Wissen verfügen. Die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 309 Nr. 5 a BGB darf weder zu einer Ausforschung führen noch dazu zwingen, entweder die Zahlen offenzulegen oder sich an den branchenbetriebstypischen Durchschnittskosten ausrichten zu müssen. In der Rechtsprechung wird eine sekundäre Darlegungslast nur ausnahmsweise angenommen, etwa bei der Veruntreuung anvertrauter Gelder. Vielmehr ist umgekehrt davon auszugehen, dass die Aufdeckung von Betriebsinterna jedenfalls dann, wenn zwischen den Prozessparteien ein Wettbewerbsverhältnis besteht – etwa zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern –, nicht zumutbar ist, weil dadurch die Erfolgsaussichten eines Unternehmens im Wettbewerb nachhaltig beeinträchtigt werden könnten. Aber auch dann, wenn zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis besteht, kann die Offenlegung der Kalkulation nicht zumutbar sein. Es muss nämlich gewährleistet sein, dass die Kalkulation nicht in falsche Hände gerät. Eine Verschwiegenheitspflicht der Prozesspartei___________ 1043) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.1982 – 11 U 1/82, NJW 1982, 2564. 1044) BGH, Urt. v. 29.5.1991 – IV ZR 187/90, NJW 1991, 2763. 1045) OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.1999 – 6 U 13/98, NJW-RR 2000, 720. 1046) BGH, Urt. v. 8.10.1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29.

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§ 17 Schadensersatz

en besteht nicht. Eine Begutachtung in der Form, dass nur der Gutachter Einsicht in die erforderlichen Unterlagen erhält, ist prozessual unzulässig. Diese Vorgehensweise würde gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verstoßen. Im Übrigen spricht gegen eine „Auskunftspflicht“ die Überlegung, dass die Vereinbarung einer Schadenspauschale gerade dazu dienen soll, den Nachweis des tatsächlich entstandenen Schadens zu erleichtern. Es wäre dann widersprüchlich, über den Weg der sekundären Darlegungslast doch wieder den Tatsachenvortrag zu verlangen, den die Vereinbarung der Pauschale ersetzen soll.1047) 2.760 Dies kann vom Getränkelieferanten erst recht nicht verlangt werden, weil es nicht gerade auf den ihm entgangenen Gewinn, sondern auf die Situation in der jeweiligen Branche ankommt. Auch von der Verwendergegenseite kann eine derartige Darlegung bereits wegen Unzumutbarkeit nicht erwartet werden, will man sie nicht in eine aussichtslose Beweislage drängen, die die diesbezügliche Klauselkontrolle ad absurdum führte.1048) 2.761 Auch müssten in kritischen Fällen völlig unterschiedliche Maßstäbe zur Schlüssigkeit i. S. d. §§ 300, 301 ZPO eines auf die Klausel sich stützenden Sachvortrages angelegt werden, je nachdem, ob die Angemessenheit der Pauschale auf den ersten Blick plausibel erscheint oder nicht. 2.762 dd) Praxishinweis. Will der Schädiger die Klausel im Hinblick auf die Höhe angreifen und macht er ihre Unwirksamkeit geltend, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Ein einfaches Bestreiten, dass sich die Pauschale am durchschnittlichen Schaden ausrichte, genügt regelmäßig nicht. Von dem Schädiger kann verlangt werden, dass er ein Mindestmaß an Tatsachen zur Untermauerung seines Vorbringens des Einwandes einer überhöhten Pauschale vorträgt. Hohe Anforderungen an die Erfüllung der Darlegungspflicht sind indes nicht zu stellen. Der belegbare Verweis auf Mitbewerber des Geschädigten, die niedrigere Pauschalen verlangen, dürfte genügen. Anschließend ist es Aufgabe des Geschädigten, anhand nachprüfbarer Angaben die branchenüblichen Gewinne oder Schäden vorzutragen. Pauschalen in Höhe der branchenüblichen Gewinne oder Schäden kann der Verwender nach § 309 Nr. 5 a BGB immer fordern. 2.763 ee) Für die Schlüssigkeit der Klage (als Voraussetzung für den Erlass eines Versäumnisurteils) ist es ausreichend, dass der Verwender sich auf die Pauschale beruft. Fordert der Verwender wesentlich höhere als die branchenüblichen Sätze, muss er deren Berechtigung in jedem Falle und mittels eines detaillierten Sachvortrages nachweisen. Vermag der Geschädigte ein verständlich aufgemachtes ___________ 1047) OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.1999 – 6 U 13/98, NJW-RR 2000, 720. 1048) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag).

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IV. Anforderungen an die Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 a BGB

Zahlenwerk etwa seines Wirtschaftsverbandes vorzulegen, so sollte sich eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erübrigen. Die Geltendmachung ungewöhnlich hoher Pauschalen ist nur unter gleichzeitiger substantiierter Darlegung rechtfertigender Einzelheiten schlüssig.1049) Bloße Zweifel an der Angemessenheit genügen allerdings nicht, weil § 309 Nr. 5 a BGB Pauschalierungsklauseln grundsätzlich positiv bewertet und von ihrer grundsätzlichen Wirksamkeit ausgeht. Zu denken ist an die erkennbare Einbeziehung nicht ersatzfähiger Positionen. ff) Dann bedarf es ggf. einer Beweisaufnahme, soweit nicht die Möglichkeiten 2.764 der Schadensschätzung nach § 287 ZPO gegeben sind. Wird seitens des Schadensersatzschuldners vorgebracht, die Höhe des von dem Gläubiger geltend gemachten pauschalierten Schadensersatzes stehe in keinem Verhältnis zu einem etwaigen, diesem tatsächlich entstandenen Schaden und hat der Gläubiger unter Antritt von Sachverständigenbeweis vorgetragen, dass die Differenz zwischen dem Vertrags- und Herstellungspreis unter Ansatz nur der variablen Kosten bei der Bierherstellung schon im Jahre 1993 und auch in der Folgezeit weit über 80 DM je Hektoliter gelegen habe, so ist dem Beweisantrag des Schadensersatzgläubigers, dass die Pauschalierung sich im Rahmen des gewöhnlich zu erwartenden Schadens halte, nachzugehen.1050) Dann liegt es an der Brauerei unter Antritt von Sachverständigenbeweis vorzutragen, dass die Differenz zwischen dem Vertrags- und dem Herstellungspreis unter Ansatz nur der variablen Kosten bei der Bierherstellung schon vor den abgerechneten Jahren über dem geltend gemachten Pauschalbetrag lag. Einem entsprechenden Beweisantrag der Brauerei, dass sich die Pauschalierung im Rahmen des gewöhnlich zu erwartenden Schadens halte, ist nachzugehen.1051) c) Bürgeninanspruchnahme. Fraglich sein kann, ob der als Bürge in Anspruch 2.765 Genommene die Mindermengen mit Nichtwissen bestreiten darf. Allein seine Stellung als Bürge rechtfertigt diese rein prozessuale Folge wohl jedenfalls dann nicht, wenn er als ehemaliger Geschäftsführer der Hauptschuldnerin die tatsächlichen Liefermengen kennt.1052) 7.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 a BGB führt zur Unwirksamkeit der gesamten 2.766 Pauschalierungsklausel. Eine überhöhte Pauschale kann nicht im Wege einer ___________ 1049) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Automatenaufsteller ./. Getränkefachgroßhändler). 1050) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 1051) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, BGHZ 67, 312 = NJW 1977, 381 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103 = NJW 2000, 1110; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 1052) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080.

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§ 17 Schadensersatz

geltungserhaltenden Reduktion auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Für die Unwirksamkeit genügt allerdings auch bei nicht überhöhten Pauschalen ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 b BGB. Eine fehlerhafte oder fehlende Gestattung des Gegenbeweises führt somit nicht nur dazu, dass der Gegenbeweis möglich ist, sondern lässt auch die Pauschale entfallen (arg. e § 309 Nr. 5a NHN a. E. „oder“).1053) V.

Gestattung des Gegenbeweises und § 309 Nr. 5 b BGB

1.

Temporaler Anwendungsbereich

2.767 Zu beachten ist, dass Pauschalierungsklauseln in Getränkelieferungsverträgen, die vor dem 1.1.2002 geschlossen worden sind, seit dem 1.1.2003 dem aktuell geltenden Recht zu entsprechen haben.1054) Anderenfalls können aus ihnen keine Rechte mehr abgeleitet werden. Allerdings dürfte dies in der Praxis wohl kaum Auswirkungen haben. 2.

Nachweisgestattung

2.768 Schadensersatzpauschalierungen sind im Unternehmerverkehr jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sie dem Schädiger den Gegenbeweis eines nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe entstandenen Schadens ausdrücklich eröffnen und damit der Vorgängerregelung des § 11 Nr. 5 b AGBGB entsprechen. Grund dafür ist, dass der Unternehmer dieses ausdrücklichen Hinweises aufgrund seiner Erfahrung nicht bedarf.1055) 3.

Darlegung und Beweis

2.769 Beweispflichtig für den geringeren Schaden ist der Klauselgegner.1056) 4.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.770 Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 b BGB macht die Klausel im Ganzen unwirksam. 5.

Individualabrede

2.771 Auch bei einer Individualabrede steht dem Schuldner der Nachweis offen, dass dem Gläubiger tatsächlich ein geringerer Schaden entstanden ist.

___________ 1053) BGH, Urt. v. 31.1.1985 – III ZR 105/83, NJW 1986, 376 = ZIP 1986, 466. 1054) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1055) BGH, Urt. v. 19.9.2001 – I ZR 343/98, NJW-RR 2002, 1027; BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056 = ZIP 1707; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1056) OLG Celle, Urt. v. 16.2.1995 – 7 U 51/94, NJW-RR 1996, 50.

298

I. Grundlagen

§ 18 Vertragsstrafe I.

Grundlagen

1.

Funktionen

Vertragsstrafen sind im unternehmerischen Verkehr vielfach unentbehrlich, um 2.772 die Erfüllung übernommener Verpflichtungen sicherzustellen (Sichrungs-, Warn und Druckfunktion).1057) Daneben tritt die Ausgleichsfunktion, je stärker sich die Regelung auf einen tatsächlichen oder vermuteten Schaden bezieht.1058) 2.

Bedeutung

Auch im hier angesprochenen Zusammenhang rechnet die Vertragsstrafe zu 2.773 den branchenüblichen Druckmitteln und Sanktionen bei Verstößen gegen die Bezugsverpflichtung, insbesondere bei Fremdbezug,1059) Einstellung des Getränkebezuges,1060) Nichteinhaltung des Vertriebsweges, Minderbezug1061) sowie Nichtweiterübertragung der Bezugsverpflichtung.1062) ___________ 1057) BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. Siehe oben § 17 III 5 b aa m. w. N. 1058) BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 2208. Siehe oben § 17 III 5 b bb m. w. N. 1059) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJWRR 2002, 917. Zu Eigentümererklärungen u. a. BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155 (mit zusätzlichem Verwaltungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 1060) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1061) OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, BB 1994, 1739 (Automatenaufstellvertrag); OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 1062) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288.

299

§ 18 Vertragsstrafe

3.

Abgrenzung

2.774 Nach den auch für AGB maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen der §§ 157, 133 BGB können Formulierungen wie Schadensersatz1063) oder Entschädigung1064) Vertragsstrafen beinhalten. Umgekehrt kann sich hinter einer als „Vertragsstrafe“ bezeichneten Klausel eine Schadenspauschalierung verbergen.1065) Maßgebend für die Einordnung als Vertragsstrafe ist stets, ob die Klausel eine Sanktion vorsieht, die für eine Pflichtverletzung unabhängig von einem Schaden verhängt werden kann. 4.

Vertragsverletzung

2.775 Eine Vertragsstrafe setzt grundsätzlich eine Pflichtverletzung des Schuldners und damit eine von ihm zu erfüllende Pflicht voraus. Sie scheidet daher aus, wenn bereits die zugrundeliegende Pflicht aufgrund einer AGB-Kontrolle oder aus sonstigen Gründen, etwa nach § 138 Abs. 1 BGB, unwirksam ist (§ 344 BGB). II.

Inhaltskontrolle

1.

§ 309 Nr. 6 BGB

2.776 a) Verbraucherverkehr. Auf Verbraucher ist § 309 Nr. 6 BGB naturgemäß anwendbar.1066) Gegenüber nicht betreibenden Hauseigentümern gilt daher das Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB. Vertragsstrafenregelungen in Getränkelieferungsverträgen mit Hauseigentümern sind daher nur dann wirksam, wenn die Vertragsstrafe individuell ausgehandelt worden ist. 2.777 b) Unternehmerverkehr. Auf den Verkehr zwischen Unternehmern kann die auf den Schutz des Verbrauchers zugeschnittene Vorschrift des § 309 Nr. 6 BGB nicht übertragen werden (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB)1067) Eine Indizwirkung besteht ebenfalls nicht.1068) § 309 Nr. 6 BGB kommt im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch keine Leitbildfunktion zu. 2.

Kontrollfähigkeit

2.778 Zwar kann ein Vertragsstrafenversprechen in einem engen Zusammenhang zu den der Inhaltskontrolle entzogenen Preisvereinbarungen stehen. Dies unter___________ 1063) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 102/98, NJW 1999, 2662 = ZIP 1999, 1266. 1064) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1065) BGH, Urt. v. 19.9.2001 – I ZR 343/98, NJW-RR 2002, 1027. 1066) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 1067) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1068) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658.

300

II. Inhaltskontrolle

wirft das Versprechen aber nicht § 307 Abs. 3 BGB. Wie § 309 Nr. 6 BGB zeigt, ist ein solcher enger Zusammenhang zwischen Vertragsstrafenversprechen und Preisvereinbarung kein Grund, das Vertragsstrafenversprechen der Inhaltskontrolle zu entziehen.1069) 3.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB

a) Grundsatz. Auch im Unternehmerverkehr1070) gilt, der Schuldner soll nicht 2.779 für ein Verhalten verantwortlich gemacht werden, das ihm weder als eigenes noch als fremdes Verschulden zurechenbar ist. Eine von § 339 Satz 1 BGB abweichende verschuldensunabhängige Vertragsstrafenklausel ist daher nur dann wirksam, wenn gewichtige Umstände die Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die Haftung des Vertragsstrafenschuldners also durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.1071) Der Gläubiger wird durch das Verschuldenserfordernis i. d. R. nicht übermäßig belastet, weil der Schuldner die Beweislast für ein fehlendes Verschulden trägt (§§ 286 Abs. 4, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Einer Differenzierung nach Art und Schwere des Verschuldens bedarf es nicht.1072) Die Vertragsstrafenklausel muss das Verschuldenserfordernis (§ 339 Satz 1 BGB, § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht ausdrücklich erwähnen.1073) b) Rechtsprechung zu Getränkelieferungsverträgen. Verschuldensunabhängi- 2.780 ge Vertragsstrafenklauseln halten einer Inhaltskontrolle nicht stand.1074) Ausreichend ist allerdings, wenn das Verschuldenserfordernis des § 339 Satz 1 BGB als Verwirkungsvoraussetzung der Klausel im Wege der Auslegung entnommen werden kann.1075) Nicht ausräumbare Unklarheiten gehen allerdings zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB).1076) ___________ 1069) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP1998, 1049. 1070) BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, NJW 1985, 57 (Gaststättenpachtvertrag); BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP 1998, 1049; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 1071) BGH, Urt. v. 26.9.1996 – VII ZR 318/95, NJW 1997, 135; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 102/98, NJW 1999, 2662 = ZIP 1999, 1266; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158. 1072) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1073) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP1998, 1049. 1074) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); 1075) OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248 (Automatenaufstellvertrag); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1076) BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917.

301

§ 18 Vertragsstrafe

2.781 Ob die Klausel, dass eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ anfallen soll, regelmäßig dahin zu verstehen sei, dass das Element des Verschuldens als „gesetzliches Leitbild“ insoweit vorausgesetzt werde,1077) erscheint zweifelhaft.1078) Das OLG Koblenz hat die Klausel als verschuldensunabhängige Vertragsstrafenabrede ausgelegt und damit für unwirksam erklärt.1079) 2.782 Als gewichtiges Verwenderinteresse genügt jedenfalls nicht schon das allgemeine Interesse an der Sicherung der Vertragserfüllung.1080) Gewichtige Gründe im Übrigen für eine verschuldensunabhängige Haftung sind sowohl bei Getränkelieferungsverträgen1081) als auch bei Automatenaufstellverträgen ausgeschlossen.1082) 4.

Transparenzgebot

2.783 Voraussetzungen sowie Umfang einer Vertragsstrafe müssen für den Schuldner absehbar sein.1083) Das setzt die Bestimmtheit der zugrunde liegenden Klausel und die damit einhergehende Bestimmbarkeit der Vertragsstrafe voraus. Verstöße, die die Vertragsstrafe auslösen, müssen für den betroffenen Kunden konkret aus der Klausel erkennbar sein. 2.784 An der Erkennbarkeit einer Vertragsstrafe fehlt es, wenn die sie anordnende Klausel innerhalb des Vertrages an versteckter Stelle steht, so wenn die Klausel unter einer anderen Überschrift „firmiert“, zugleich aber unter der Überschrift „Vertragsstrafen“ kein Verweis auf sie erfolgt. Die pauschale Formulierung, dass bei Nichteinhaltung des Vertrags eine Vertragsstrafe fällig wird, ist nicht hinreichend.1084) Die Klausel, dass eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ anfallen soll, begründet Zweifel im Hinblick auf die Wirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. ___________ 1077) OLG Köln, Urt. v. 30.3.2007 – 6 U 207/06, NJOZ 2008, 184; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1078) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Koblenz, Urt. v. 30.9.2010 – 2 U 1388/09, BeckRS 2010, 29330. 1079) OLG Koblenz, Urt. v. 30.9.2010 – 2 U 1388/09, BeckRS 2010, 29330. 1080) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1081) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 1082) OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; LG Aachen, Urt. v. 25.7.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948. 1083) BGH, Urt. v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 = ZIP 2014, 1077. 1084) OLG Hamburg, Urt. v. 6.1.1988 – 4 U 36/87, NJW-RR 1988, 651 (Pachtvertrag).

302

II. Inhaltskontrolle

5.

Voraussetzungen einer Vertragsstrafe

a) Unternehmerverkehr. Im Unternehmerverkehr unterliegen Vertragsstra- 2.785 fenklauseln der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1085) § 348 HGB steht der Anwendung des § 307 BGB nicht entgegen.1086) b) Angemessenheit. Bei Vertragsstrafenklauseln handelt es sich um ein reguläres 2.786 vertragliches Gestaltungsmittel. Dass Vertragsstrafen unter Unternehmern zulässig sind und der erwünschten Beschleunigung des kaufmännischen Verkehrs dienen, zeigt § 348 HGB. Vertragsstrafenklauseln sind daher insbesondere im Handelsverkehr keine Benachteiligung, die es zu rechtfertigen gälte.1087) § 348 HGB schießt im kaufmännischen Verkehr die Herabsetzung einer unverhältnismäßigen Strafe aus, was die Verbindlichkeit der Vereinbarung noch einmal erweitert. Dabei ist die größere Geschäftsgewandtheit des Klauselgegners zu berück- 2.787 sichtigen.1088) Für die Angemessenheit eine Vertragsstrafe haben die Parteien einen weiten Beurteilungsspielraum.1089) Grund hierfür sind die Schwierigkeiten, den mit einer Vertragsstrafe abzuwendenden Schaden zu prognostizieren und die verschieden Funktionen einer Vertragsstrafe.1090) Gelegentlich kommt einer Vertragsstrafe auch die Funktion einer Preisvereinbarung zu. Da der Preis keiner Inhaltskontrolle unterliegt,1091) ist auch die Höhe der Vertragsstrafe zurückhaltend zu kontrollieren. c) Rechtsprechung zu Getränkelieferungsverträgen. Zwar gelten diese Grund- 2.788 sätze auch im Zusammenhang mit Vertragsstrafenklauseln im Unternehmerverkehr.1092) Hinsichtlich der formularmäßigen Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall einer Verletzung der Ausschließlichkeitsbindung bestehen aber keine Wirksamkeitsbedenken. Der Getränkelieferant hat das Recht, seine Rechte aus der Bezugsbindung des Kunden durch eine Vertragsstrafe abzusichern.1093) Dies ___________ 1085) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1086) BGH, Urt. v. 7.5.1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 = ZIP 1997, 1240; BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1087) BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 3488 = ZIP 1998, 1049. 1088) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 14. 1089) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1090) Siehe oben § 18 I 1 m. w. N. 1091) Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 22. 1092) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573. 1093) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658; OLG Nürnberg, Urt. v. 22.2.1973 – 2 U 98/72, NJW 1973, 1974. Zu Individualregelungen und § 138 Abs. 1 BGB BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433.

303

§ 18 Vertragsstrafe

hat für den Getränkelieferanten den erheblichen Vorteil, dass er allein den Vertragsverstoß, nicht aber die Höhe des konkreten Schadens nachweisen muss. Der Anspruch besteht auch dann, wenn kein Schaden entstanden ist.1094) 6.

Umfang der Vertragsstrafe

2.789 a) Grundlagen. aa) Grundsatz. Bei der Bewertung der Höhe der Vertragsstrafe sind zum einen die Bedeutung der gesicherten Pflicht und die von einer Pflichtverletzung ausgehende Gefahr für den Gläubiger sowie der ihm drohende Schaden von maßgeblicher Bedeutung. Zum anderen sind sowohl die Form des Verschuldens auf Seiten des Schuldners als auch die Auswirkungen der Vertragsstrafe auf den Schuldner, auch eine etwaige Existenzgefährdung, zu berücksichtigen; diese müssen sich in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen halten.1095) Eine Klausel ist nichtig, wenn sie für eine Pflichtverletzung eine Vertragsstrafe vorsieht, die außer Verhältnis zum Gewicht und der Zahl der sanktionierten Pflichtverletzungen sowie ihren Folgen für die Parteien steht.1096) Ist ein bestimmter Betrag als pauschale Sanktion vorgesehen, ohne dass nach Art, Gewicht und Dauer der Vertragsverstöße differenziert wird, kann die Unangemessenheit schon daraus folgen. Eine solche Sanktion wäre nur dann zulässig, wenn dieser Betrag auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen wäre.1097) 2.790 Mit der Formulierung „für jeden Fall des Verstoßes“ liegt eine undifferenzierte Regelung vor, die weder nach der Schwere oder der Zielrichtung, noch nach der Verschuldensform unterscheidet. Diese benachteiligt den Vertragspartner des Klauselverwenders unangemessen. So, wenn eine nur beispielhafte Aufzählung ohne Anspruch auf Vollständigkeit eine Vielzahl von unterschiedlich gewichtigen Sachverhalten nennt, sowohl die Reichweite des Verstoßes als auch ein möglicher Schaden unüberschaubar sowie das Verschulden des Verletzers im Regelfall als gering anzusehen waren.1098) 2.791 Ist eine Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ vereinbart, so entsteht der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe jeweils neu. Die zu zahlende Gesamtstrafe erhöht sich. Ein formularmäßiges Vertragsstrafenversprechen ist ___________ 1094) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag). 1095) BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 1096) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 1097) BGH, Urt. v. 7.5.1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 = ZIP 1997, 1240; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 1098) OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.

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II. Inhaltskontrolle

auch noch nicht deswegen unangemessen, weil die Klauselgestaltung bei wiederholten Pflichtverletzungen zu einer Erhöhung der verwirkten Strafe führt.1099) Für die Verhältnismäßigkeit der Strafe ist ferner das Entgelt zu berücksichtigen, das der Schuldner für seine Leistung erhält. Hängt die Vertragsstrafe von der Vertragslaufzeit ab, ist für ihren Umfang 2.792 weiter zu berücksichtigen, ob und unter welchen Bedingungen sich die Parteien durch Rücktritt, Kündigung oder auf andere Weise von der Leistungspflicht befreien können. Je länger dieser Zeitraum ist, desto eher kann vom Gläubiger verlangt werden, sich auf andere Weise auf die der Vertragsstrafe zugrundeliegende Vertragsverletzung einzustellen und anderweitige Dispositionen zu treffen (Rechtsgedanke des § 254 Abs. 2 BGB). Schließlich ist zu berücksichtigen, inwieweit andere Klauseln die Vertrags- 2.793 strafenklausel verschärfen oder kompensieren. bb) Bereicherungsverbot. Die Vertragsstrafe darf auch im Unternehmerverkehr 2.794 nicht der Schöpfung neuer Geldquellen des Verwenders dienen.1100) b) Rechtsprechung zu Getränkelieferungsverträgen. aa) Zur Verhältnismä- 2.795 ßigkeit allgemein im Zusammenhang mit § 138 Abs. 1 BGB kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.1101) Von einer unangemessen hoch angesetzten Strafe, die die Unwirksamkeit zur Folge hat, ist auszugehen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und dessen Folgen für den Vertragspartner steht.1102) Dies ist dann der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht an das Gewicht des Vertragsverstoßes anknüpft, wegen fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigt und wenn weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist. Dann liegt die unangemessene Benachteiligung des Vertragsstrafenschuldners vor allem in der Gefahr, dass die ständig wachsende Vertragsstrafe seine eigenen Vertragsansprüche aufzehren, außer Verhältnis zum möglichen Schaden des Vertragsstrafengläubigers geraten und diesem sogar eine von seinem Sachinteresse nicht mehr gedeckten Vermögensquelle eröffnen kann.1103) Entscheidend ist,

___________ 1099) BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (Handelsvertretervertrag). 1100) BGH, Urt. v. 7.5.1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 = ZIP 1997, 1240; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP1998, 1049, im Streitfall allerdings nicht angenommenen; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230. 1101) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88. 1102) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231. 1103) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag).

305

§ 18 Vertragsstrafe

dass der Getränkelieferant in der Klausel eine Abstufung der Vertragsstrafe nach der jeweiligen Schwere der Vertragsverletzung vornimmt.1104) 2.796 Ist in einer Branche ein genereller Missstand festzustellen, so rechtfertigt dies höhere Vertragsstrafen, weil die bisherige Abschreckungswirkung dann offenbar nicht genügt. Umgekehrt lässt sich aber aus der weitgehenden Einhaltung einer bestimmten Art von Verträgen nicht folgern, dass keine hohen Vertragsstrafen erforderlich seien.1105). 2.797 Die Beurteilung der Angemessenheit der Vertragsstrafe hängt auch vom typischerweise zu erwartenden Gewinn des Schuldners ab.1106) 2.798 Bei einem Getränkelieferungsvertrag wurde eine Vertragsstrafe als unangemessen eingestuft, die sich nach einer Vertragslaufzeit von über 13 Jahren bemaß.1107) 2.799 Die Höhe einer Vertragsstrafe in einem Getränkelieferungsvertrag kann auch deshalb unangemessen sein, weil der Gläubiger sich zugleich ein Eintrittsrecht in einen Vertrag des Schuldners mit einem Dritten hat einräumen lassen, wodurch er gleichzeitig den Geschäftswert des Lokals erhält.1108) Zwar müssen innerhalb eines Vertrages Vertragsstrafen für unterschiedliche Pflichtverletzungen nicht aufeinander abgestimmt sein. Ggf. stellt sich aber die Frage, ob die Vertragsstrafen dann noch ihre Funktion erfüllen können und aus diesem Grund unangemessen sind.1109) 2.800 bb) Das Bereicherungsverbot ist zu beachten.1110) 2.801 c) Geltungserhaltende Reduktion. Eine vorformulierte, zu hoch bemessene Vertragsstrafe ist nichtig. Sie kann nicht nach den allein auf Individualvereinbarungen zugeschnittenen Regeln des § 343 Abs. 1 BGB herabgesetzt werden, weil dies eine der AGB-Kontrolle wesensfremde Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erforderte.1111) § 348 HGB schließt die Anwendbar___________ 1104) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 1105) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (Automatenaufstellvertrag). 1106) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076 (Automatenaufstellvertrag). 1107) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1108) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1109) BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243 (§ 138 Abs. 1 BGB). 1110) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 7.5.1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233 = ZIP 1997, 1240; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 = ZIP1998, 1049, im Streitfall allerdings nicht angenommen; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1111) BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.

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II. Inhaltskontrolle

keit von § 343 BGB ohnehin aus.1112) Eine Herabsetzung nach § 343 BGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil diese eine grundsätzlich wirksame, nur für die konkrete Störung zu hohe Vertragsstrafenvereinbarung voraussetzt. Auch bestünde die Gefahr, dass das Gesetz leerlaufen würde.1113) Angesichts der für AGB-Bestimmungen gebotenen abstrakt-generellen Wirksam- 2.802 keitskontrolle führt die zu weit gehende Regelung auch dann zur Nichtigkeit der gesamten Klausel, wenn in der konkreten Fallgestaltung die hohe Vertragsstrafe sogar angemessen sein könnte. Denn eine geltungserhaltende Reduktion auf das noch vertretbare Regelmaß lässt sich nicht durch eine sprachliche Trennung der Klausel herstellen und kommt im Übrigen nicht in Betracht.1114) 7.

Kumulationsverbot

a) Einführung. Die Frage nach der Kumulation einer Vertragsstrafe mit weite- 2.803 ren Vertragsstrafen stellt sich erst, wenn die zugrunde liegenden Handlungen nicht als ein einheitlicher Verstoß anzusehen sind, der nur eine einmalige Vertragsstrafe nach sich zieht. Den Parteien steht es dabei frei, mehrere Handlungen ausdrücklich oder konkludent unter dem Gesichtspunkt des Fortsetzungszusammenhangs zusammenzufassen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass mehrere zusammenhängende Einzelakte nur eine Vertragsstrafe nach sich ziehen sollen. Ein Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs oder auf eine anderweitige Zusammenfassung zusammenhängender Handlungen wäre unwirksam. Die bei Maßgeblichkeit jeden Einzelfalles entstehende Belastung bedarf aber ggf. einer besonderen Rechtfertigung, um der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB standzuhalten.1115) b) Zulässige Kumulation. § 341 Abs. 2 BGB zeigt, dass der Gläubiger die Strafe 2.804 wegen nicht gehöriger Erfüllung (§ 280 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. §§ 286, 437 Nr. 3, 634 Nr. 4 BGB) und Erfüllung abweichend von § 340 BGB nebeneinander fordern kann (Kumulation). c) Grundsatz. Auch im Unternehmerverkehr verstößt eine Klausel, die eine 2.805 kumulative Geltendmachung von Ansprüchen auf Vertragsstrafe und pauschaliertem Schadensersatz ermöglicht, gegen das Anrechnungsverbot des § 340 Abs. 2 BGB (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).1116) Bereits § 309 Nr. 6 BGB läuft auf ein Verbot ___________ 1112) BGH, Urt. v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 = ZIP 2014, 1231; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1984 – 11 U 6/84, Zeller IV, 545. 1113) BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 385; BGH, Urt. v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513. 1114) OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513. 1115) BGH, Urt. v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, NJW 1993, 721 = ZIP 1993, 292. 1116) BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404; BGH, Urt. v. 20.1.2016 – VIII ZR 26/15, NJW 2016, 1230.

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§ 18 Vertragsstrafe

der Kumulierung von Schadensersatzansprüchen und Vertragsstrafen hinaus.1117) Eine entsprechende Regelung kann weder durch AGB noch durch Individualabrede wirksam getroffen werden.1118) Dies auch dann, wenn es für den Verwender besonders schwierig ist, Vertragsverletzungen des anderen Teils festzustellen und den sich hieraus ergebenden Schaden zu berechnen.1119) Der uneingeschränkte Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs macht die Klausel ebenfalls unwirksam.1120) 2.806 d) Ausnahmen. aa) Eine unangemessene Benachteiligung ist zu verneinen, wenn besondere Interessen des AGB-Verwenders, wie etwa der der Durchsetzung eines pauschalierten Schadensersatzes dienende Zweck der Vertragsstrafe, eine Kumulierung bei Mehrverstößen zu rechtfertigen vermögen.1121) 2.807 bb) Ein anzuerkennendes Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatzund Vertragsstrafenansprüchen besteht zudem dann, wenn der Sicherungszweck für die Zukunft nicht entfallen ist.1122) 2.808 e) Rechtsprechung zu Getränkelieferungsverträgen. Das Verbot der Kumulation von Schadensersatz und Vertragsstrafe (§§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB) gilt grundsätzlich auch zwischen Unternehmern und ist nicht abdingbar.1123) Die Anrechnungspflicht nach §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB ist zu beachten, unabhängig davon, ob Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder wegen Schlechterfüllung inklusive entsprechender Pauschalierungen verlangt wird.1124) Anderenfalls käme es zu einer über den Ersatz des erlittenen Schadens hinausgehenden Bereicherung des Verwenders, die dem Schadensersatzrecht fremd ist, und die durch sein Interesse an der Erfüllungssicherung nicht gerechtfertigt werden kann.1125) ___________ 1117) BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096. 1118) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256 = NJW 1975, 163; BGH, Urt. v. 24.6.2009 – VIII ZR 332/07, NJW-RR 2009, 1404. 1119) BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096. 1120) BGH, Urt. v. 1.7.2008 – I ZR 168/05, NJW 2009, 1882. 1121) BGH, Urt. v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, NJW 1993, 721 = ZIP 1993, 292; BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (Handelsvertretervertrag). 1122) BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096. 1123) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, BB 1994, 1739 (Automatenaufstellvertrag); OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1124) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1125) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303 (Automatenaufstellvertrag); OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912.

308

III. Fremdbezug

Ein anzuerkennendes Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatz- und 2.809 Vertragsstrafenansprüchen besteht allerdings dann, wenn der Sicherungszweck für die Zukunft nicht entfallen ist.1126) III.

Fremdbezug

1.

Abgrenzung

Ggf. bedarf es sorgfältiger Prüfung, ob eine (bloße) Schadenspauschale oder 2.810 nicht tatsächlich ein verdecktes Vertragsstrafenversprechen vorliegt.1127) Wird in der Klausel der Begriff „Entschädigung“ verwendet, so kann eine Vertragsstrafenregelung vorliegen. Hierfür kann sprechen, dass dem Getränkelieferanten durch einen Fremdbezug über die Nichtabnahme hinaus entstehender Schaden nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen ist. Nach ihrem Sinn soll die Klausel allein dazu dienen, den Gastwirt durch Androhung einer Vertragsstrafe als Sanktion zu zwingen, nicht bei Dritten Getränke zu beziehen.1128) 2.

AGB und Einbeziehung

a) Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auf die 2.811 Rechtsprechung verwiesen werden.1129) b) Einbeziehung. Die Vertragsstrafenklausel ist nach dem Erwartungshorizont 2.812 eines vernünftigen Gastwirts nicht überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.1130) 3.

§ 309 Nr. 6 BGB

a) Persönlicher Anwendungsbereich. Auf den Verkehr zwischen Unterneh- 2.813 mern kann die auf den Schutz des Verbrauchers zugeschnittene Vorschrift des § 309 Nr. 6 BGB nicht übertragen werden. Ob dies auch dann anzunehmen ist, wenn der Vertragspartner durch den Abschluss eines Formularvertrages erstmals Unternehmer wird (Existenzgründer), konnte im Hinblick auf einen zweiten Vertrag dahinstehen, weil dieser erst abgeschlossen wurde, als die Beklagten bereits seit rund zwei Jahren Gastwirte und Betreiber des Objektes wa___________ 1126) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag). 1127) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1128) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1129) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1130) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.

309

§ 18 Vertragsstrafe

ren.1131) Bei Verträgen mit Verbrauchern (§ 13 BGB), insbesondere mit Hauseigentümern, müssen Vertragsstrafen individuell vereinbart werden. 2.814 b) Sachlicher Anwendungsbereich. § 309 Nr. 6 BGB ist jedenfalls materiell dann nicht anwendbar, wenn der auslösende Grund allein in der Tatsache des vertragswidrigen Bezuges fremder Getränke, nicht aber in der Nichtabnahme der vertraglichen Menge (Minderbezug) liegt.1132) 4.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB

2.815 Eine Vertragsstrafenklausel1133) darf ebenso wie eine Schadensersatzpauschalierungsklausel1134) nicht verschuldensunabhängig gestaltet sein (arg. § 339 Satz 1 BGB „Verzug“).1135) Entgegenstehende besondere Sachgründe, die geeignet wären, die Unwirksamkeitsvermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auszuräumen, sind insofern nicht ersichtlich.1136) Lässt die Klausel dem Wortlaut nach offen, wann „für jeden vertragswidrig bezogenen hl eine Entschädigung zu zahlen ist“, wird also der Begriff „vertragswidrig“ nicht erläutert bzw. eingegrenzt, so geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Getränkelieferanten als Verwender. Folge ist die Einordnung als schuldensunabhängige Vertragsstrafe mit den bekannten Konsequenzen.1137) 5.

Transparenzgebot

2.816 Verstöße, die die Vertragsstrafe auslösen, müssen für den Betroffenen konkret erkennbar sein. Eine Klausel, die pauschal bestimmt, dass bei Nichteinhaltung des Vertrages eine Vertragsstrafe fällig ist, ist daher wegen Unbestimmtheit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.1138) ___________ 1131) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93. 1132) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155. 1133) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, WM 1984, 931 = Zeller III, 342 (Gaststättenpachtvertrag); BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948 (Automatenaufstellvertrag). 1134) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 1135) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1136) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1137) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1138) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 125.

310

III. Fremdbezug

6.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Grundsatz. Eine Klausel, die bei einem Verstoß gegen eine zulässige Be- 2.817 zugs- und Ausschließlichkeitsbindung eine Vertragsstrafe vorsieht, ist grundsätzlich nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden. Ausschließlichkeitsbindungen sichern nämlich nicht nur die Abnahme der Leistung, sondern auch eine Wettbewerbsstellung. Dies gilt insbesondere für den Fall der Sicherung einer Ausschließlichkeitsvereinbarung gegen Fremdbezug.1139) b) Umfang. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit begegnet 2.818 die Vertragsstrafe jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn sie den Gewinn bei vertragsgemäßen Verhalten nicht übersteigt.1140) Eine Vereinbarung in einem Gaststättenpachtvertrag, nach der bei jeder Zuwiderhandlung gegen eine Getränkebezugsverpflichtung eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500,00 € verwirkt sein sollte, wurde als unangemessen angesehen.1141) Wirksamkeitserhaltend ist der Umstand, dass vertraglich bei Überschreiten der 2.819 vereinbarten Mindestabnahmemenge ein Bonus, eine (erhöhte) Rückvergütung oder eine Provision gezahlt wird.1142) Hinsichtlich des Teilaspektes Entgelt soll eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.820 2.500,00 € bei einem Verstoß gegen eine Getränkebezugsverpflichtung: unangemessen sein.1143) Pauschalen in Höhe von 35,00 DM/hl“1144) bzw. in Höhe von 30% des Getränke- 2.821 kaufpreises1145), „25 % des vereinbarten Tagespreises“1146) bzw. des „Biereinkaufspreises“1147) oder „20 % des ortsüblichen Abgabepreise“1148) sind bedenkenfrei. ___________ 1139) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 30.6.1987 – KZR 7/86, NJW-RR 1988, 39; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158; OLG Nürnberg, Urt. v. 22.2.1973 – 2 U 98/72, NJW 1973, 1974. 1140) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1141) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 O. 2007/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1142) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 1143) OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1144) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573. 1145) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1146) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433. 1147) OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1984 – 11 U 6/84, Zeller IV, 545. 1148) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267.

311

§ 18 Vertragsstrafe

2.822 Bereicherungsverbot: Ein Schadensnachweis ist auch insofern nicht entbehrlich.1149) 2.823 c) Kumulation. aa) Grundsatz. Hier will sich der Verwender gegen den Bezug fremder Getränke sichern. Ein Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüchen ist daher grundsätzlich im Geschäftsverkehr der Unternehmer bei Dauerschuldverhältnissen, insbesondere bei Getränkelieferungsverträgen, anzuerkennen. Ebenso wie in den Bereichen des Wettbewerbsrechts sowie bei Patent- und Lizenzverletzungen ist ein Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüchen anzuerkennen, aber nur dann, wenn der Sicherungszweck für die Zukunft nicht entfallen ist.1150) 2.824 bb) Ausnahme. Eine unzulässige Kumulation von Schadensersatzanspruch bei Minderabnahme und Vertragsstrafe bei Fremdbezug liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn in der Vertragsstrafenregelung eine Anrechnung des geschuldeten Schadensersatzes vorgesehen ist.1151) IV.

Einstellung des Getränkebezuges

1.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

2.825 Eine Vertragsklausel des Inhalts, dass die Vertragsstrafe bei Einstellung des Getränkebezugs fällig wird ohne (ausdrücklichen) Hinweis auf das erforderliche Verschulden ist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Leitbild des Verschuldens (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB) unwirksam. Im Übrigen dürfte es bereits an einer wirksamen Einbeziehung i. S. d. § 305c Abs. 2 BGB fehlen.1152) 2.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

2.826 a) Eine einseitige Belastung des Gastwirts wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Nachweis eines geringeren Schadens nicht ausgeschlossen ist. Das bei einer Schadenspauschalierung erhebliche Argument – vgl. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 b BGB – spielt bei der Vertragsstrafe keine Rolle, weil dieser Einwand der Vertragsstrafe nicht entgegengesetzt werden kann. Eine unverhältnismäßige Vertragsstrafe kann, soweit es sich beim Schuldner nicht um einen Kaufmann (§ 348 HGB) handelt, nur gem. § 343 Abs. 1 BGB auf einen angemessenen Betrag herabgesetzt werden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ___________ 1149) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1150) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 21.11.1991 – I ZR 87/90, NJW 1992, 1096. 1151) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 1152) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917.

312

IV. Einstellung des Getränkebezuges

ist der dem Gläubiger entstandene Schaden ein Gesichtspunkt neben weiteren, wie z. B. Verschulden und wirtschaftliche Lage des Schuldners. Dass der Nichtausschluss eines Gesichtspunktes, der möglicherweise im Zusammenhang mit anderen zu einer Herabsetzung der Vertragsstrafe führt, keinen Ausgleich für die unangemessene Benachteiligung darstellt, bedarf keiner weiteren Erörterung.1153) b) Umfang. aa) Entscheidend ist, dass der Getränkelieferant in der Klausel eine 2.827 Abstufung der Vertragsstrafe nach der jeweiligen Schwere der Vertragsverletzung vornimmt. Unangemessen ist es, wenn nach der Klausel jeder, auch nur ein geringer Verstoß gegen den Vertrag zur Rückforderung des gesamten Zuschusses berechtigt, so beispielsweise bei Einstellung des Getränkebezuges kurz vor Ende der Laufzeit.1154) bb) Entgelt. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit begegnet 2.828 eine Vertragsstrafenklausel jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn die Vertragsstrafe den Gewinn bei vertragsgemäßen Verhalten nicht übersteigt.1155) Eine auf 30 % des von der Brauerei festgesetzten Verkaufspreises (Brauereiab- 2.829 gabepreises) abzielende Vertragsstrafe ist angesichts der in dieser Branche üblichen – relativ hohen – Gewinnspannen nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden.1156) Entgegen gelegentlichen Missdeutungen in der Literatur hat das OLG Nürnberg nicht eine Pauschale in Höhe von 30 % für unwirksam erklärt, sondern vielmehr die verschuldensunabhängige Entstehung einer solchen Vertragsstrafe. Dass die streitgegenständliche Schadenspauschale in Höhe von 30 % des Verkaufspreises den der Brauerei tatsächlich entstandenen Schaden, maßgeblich den entgangenen Gewinn, wesentlich übersteigen würde, ist nicht ersichtlich gewesen. Eine solche Spanne ist vor dem Hintergrund der vom BGH für den entsprechenden Schadensersatzanspruch anerkannten Berechnungsgrundsätze, keineswegs unüblich und unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1157) cc) Kumulation. Kann nach dem Getränkelieferungsvertrag ein Verstoß gegen 2.830 die vertraglichen Pflichten sowohl mit einer Rückforderung des Zuschusses in voller Höhe als auch der Geltendmachung eines Vertragsstrafenanspruchs geahndet werden, so liege ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 309 Nr. 5 und 6 BGB vor.1158) Lässt sich ein Getränkelieferant für den Fall der Einstellung des Getränkebezuges formularmäßig eine verschuldensunabhängige Vertrags___________ 1153) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1154) KG, Urt. v. 22.6.1987 – 4 U 4205/86; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJWRR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 1155) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1156) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1157) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 1158) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917.

313

§ 18 Vertragsstrafe

strafe1159) versprechen und behält er sich zudem das Recht vor, bei jeder Einstellung des Getränkebezuges in das Miet-/Pachtverhältnis des Gastwirts mit einem Dritten einzutreten, so könnte er zum einen in das Pachtverhältnis eintreten und zum anderen daneben eine je nach noch offener Laufzeit unter Umständen hohe Vertragsstrafe fordern, ohne dass er sich eventuelle Vorteile aus der weiteren Unterverpachtung anrechnen lassen müsste. Dies verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB.1160) 2.831 c) Eine geltungserhaltende Reduktion ist auch im Unternehmerverkehr unzulässig. Eine vorformulierte, zu hoch bemessene Vertragsstrafe ist daher nichtig. Sie kann nicht nach den allein auf Individualvereinbarungen zugeschnittenen Regeln des § 343 BGB herabgesetzt werden, weil diese eine der AGB-Kontrolle wesensfremde Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles erforderte.1161) V.

Weitere Anwendungsfälle

1.

Verstoß gegen Rechtsnachfolgeklausel

2.832 Trifft den bisherigen Betreiber die – wirksame – Verpflichtung zur Übertragung der Ausschließlichkeitsregelung hinsichtlich des Getränkebezuges auf einen Rechtsnachfolger und hat er diesem eine solche nicht rechtlich wirksam auferlegt, so kann ein auf den pauschalen Mindestschaden gerichteter Vertragsstrafenanspruch gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht bestehen, weil er, ebenso wie ein etwaiger Schadensersatzanspruch statt der Leistung, abweichend vom gesetzlichen Leitbild des Verschuldens nach § 286 Abs. 4 BGB verschuldensabhängig gestaltet sein muss.1162) 2.

Vorzeitige Darlehensrückzahlung

2.833 a) Einbeziehung. Eine entsprechende Vertragsstrafenklausel ist nach dem Erwartungshorizont eines vernünftigen Gastwirts nicht überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.1163) 2.834 b) Inhaltskontrolle. Eine Vertragsstrafenklausel ist im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dann nicht zu beanstanden, wenn sie den Getränkelieferanten für den Fall schützen soll, dass sich der Gastwirt durch vorzeitige Rückzah___________ 1159) Konkret in Höhe von 30 % des Verkaufspreises der noch abzunehmenden Getränkemenge. 1160) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1161) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1162) BGH, Urt. v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, NJW 1993, 721 = ZIP 1993, 292; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93. 1163) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Hamburg, Urt. v. 29.7.1999 – 3 U 171/98, MDR 2000, 513.

314

I. Einführung

lung des von dem Getränkelieferanten gewährten Darlehens aus der Bezugsverpflichtung zu lösen versucht.1164) § 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug I.

Einführung

1.

Wirtschaftlicher Hintergrund

Getränkelieferanten engagieren sich im Absatzweg Gastronomie finanziell, 2.835 indem sie umfängliche Finanz- und Sachleistungen erbringen. Zu nennen sind u. a. Darlehen, Zuschüsse, die Gestellung von Leihinventar und die Zahlung von (Rück-)Vergütungen.1165) Dies alles geschieht, um möglichst langfristige und/ oder umfängliche Getränkeabnahmeverpflichtungen zu erreichen. Dem steht der Wunsch des Gastwirts gegenüber, möglichst umfänglich finanziert zu werden, was sich in optimistischen Einschätzungen seiner gastrogewerblichen Zukunft darstellt. Der Umfang der von Getränkelieferanten gewährten finanziellen Leistungen 2.836 sowie die Konditionen hängen entscheidend von der voraussichtlich erzielbaren Getränkeabnahmemenge ab. Der bisherige oder bei einem neuen Betrieb der voraussichtlich zu erwartende Getränkeabsatz ist für den Getränkelieferanten die wesentliche Kalkulationsgrundlage im Rahmen der Rentabilitätsprüfung des anstehenden Geschäftsabschlusses. Das Streben der Gastwirte geht nicht selten dahin, tatsächlich oder vermeintlich notwendige Finanzierungen durch ebenso überhöhte wie unrealistische Absatzerwartungen zu unterlegen. Sowohl betriebswirtschaftlich als auch juristisch ist es daher angezeigt, unrealistische Absatzprognosen des Gastwirts auf ein vertretbares (erreichbares) Maß zu stutzen, um eine Kapitalfehlleitung in Form der Überfinanzierung zu vermeiden. Betriebswirtschaftlich muss sich das finanzielle Engagement ex ante rechnen 2.837 lassen, was zu entsprechenden (internen) Kalkulationen aufseiten der Getränkelieferanten führt. Im Nachhinein (Nachkontrolle, hl-Soll-Ist-Vergleich) ist zu fragen, ob dem finanziellen Engagement auch die kalkulierten Absätze gegenüberstehen. Immer wieder ergibt die hl-Nachkalkulation ein nicht unerhebliches Abweichen von den Planzahlen des Getränkelieferanten. Das Objekt stellt sich damit als nachträglich überfinanziert dar. Daraus folgt die Frage der Zulässigkeit der Berechnung eines Mindermengenausgleichs (Malus). Ziel ist es, das Vorleistungsrisiko wenigstens teilweise zu kompensieren. Diese überwiegend (betriebs-)wirtschaftlich motivierten Überlegungen der Getränkelieferanten sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

___________ 1164) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93. 1165) Siehe oben § 1 I m. w. N.

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I. Einführung

lung des von dem Getränkelieferanten gewährten Darlehens aus der Bezugsverpflichtung zu lösen versucht.1164) § 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug I.

Einführung

1.

Wirtschaftlicher Hintergrund

Getränkelieferanten engagieren sich im Absatzweg Gastronomie finanziell, 2.835 indem sie umfängliche Finanz- und Sachleistungen erbringen. Zu nennen sind u. a. Darlehen, Zuschüsse, die Gestellung von Leihinventar und die Zahlung von (Rück-)Vergütungen.1165) Dies alles geschieht, um möglichst langfristige und/ oder umfängliche Getränkeabnahmeverpflichtungen zu erreichen. Dem steht der Wunsch des Gastwirts gegenüber, möglichst umfänglich finanziert zu werden, was sich in optimistischen Einschätzungen seiner gastrogewerblichen Zukunft darstellt. Der Umfang der von Getränkelieferanten gewährten finanziellen Leistungen 2.836 sowie die Konditionen hängen entscheidend von der voraussichtlich erzielbaren Getränkeabnahmemenge ab. Der bisherige oder bei einem neuen Betrieb der voraussichtlich zu erwartende Getränkeabsatz ist für den Getränkelieferanten die wesentliche Kalkulationsgrundlage im Rahmen der Rentabilitätsprüfung des anstehenden Geschäftsabschlusses. Das Streben der Gastwirte geht nicht selten dahin, tatsächlich oder vermeintlich notwendige Finanzierungen durch ebenso überhöhte wie unrealistische Absatzerwartungen zu unterlegen. Sowohl betriebswirtschaftlich als auch juristisch ist es daher angezeigt, unrealistische Absatzprognosen des Gastwirts auf ein vertretbares (erreichbares) Maß zu stutzen, um eine Kapitalfehlleitung in Form der Überfinanzierung zu vermeiden. Betriebswirtschaftlich muss sich das finanzielle Engagement ex ante rechnen 2.837 lassen, was zu entsprechenden (internen) Kalkulationen aufseiten der Getränkelieferanten führt. Im Nachhinein (Nachkontrolle, hl-Soll-Ist-Vergleich) ist zu fragen, ob dem finanziellen Engagement auch die kalkulierten Absätze gegenüberstehen. Immer wieder ergibt die hl-Nachkalkulation ein nicht unerhebliches Abweichen von den Planzahlen des Getränkelieferanten. Das Objekt stellt sich damit als nachträglich überfinanziert dar. Daraus folgt die Frage der Zulässigkeit der Berechnung eines Mindermengenausgleichs (Malus). Ziel ist es, das Vorleistungsrisiko wenigstens teilweise zu kompensieren. Diese überwiegend (betriebs-)wirtschaftlich motivierten Überlegungen der Getränkelieferanten sind in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

___________ 1164) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93. 1165) Siehe oben § 1 I m. w. N.

315

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

2.

Bonus und Malus

2.838 Im umgekehrten Fall der Überschreitung der vereinbarten (Mindest-)Abnahmemenge besteht die Möglichkeit, dem Gastwirt die nunmehr nicht mehr vorhandene hl-Belastung in Form einer Vergütung (Bonus, Provision) oder einer höheren Rückvergütung pro abgenommenen (und bezahltem) hl zukommen zu lassen.1166) Ob es bei Abschreibungsdarlehen neben dem Malus auch einen Bonus geben kann, ist zweifelhaft. 2.839 Eine rechtliche Verpflichtung zur Gewährung eines Bonus, insbesondere in Höhe des jeweiligen Malusbetrages, besteht nicht. Dies auch deshalb, weil sich Malus und Bonus unterschiedlich errechnen und daher nicht nur im Vertriebsmodell 2 der Höhe nach voneinander abweichen können.1167) 2.840 Funktionell hat der Bonus eine ähnliche Rolle wie eine Vertragsstrafe. Bei vorzeitiger Erfüllung wird eine zusätzliche Zahlung vorgesehen, bei einer späteren Erfüllung steht sich der Schuldner schlechter. 3.

Denkbare Ausgleichsregelungen

2.841 a) Überblick. Das Nichterreichen der vereinbarten Mindestabnahmemenge kann unterschiedliche vertragliche Sanktionen zur Folge haben. Zu nennen sind Kündigung, Leistungsanpassungen wie Teilkündigung des Darlehens bzw. der Leistungen im Übrigen sowie eine höhere Verzinsung, eine Vertragsverlängerung, die Zahlung von Ausgleichsbeträgen (Malus), Schadensersatz und Vertragsstrafe. 2.842 b) Praktische Bedeutung. Einige Formen des Nachjustierens scheiden in der Praxis zumeist aus.1168) Dies gilt insbesondere für die außerordentliche Kündigung des Getränkelieferungsvertrages. Eine Rückholung von Gaststätteninventar verursacht erhebliche Kosten und begründet einen höheren Neuinvestitionsbedarf. Eine Leistungsanpassung kommt zumeist deshalb nicht in Betracht, weil der Gebundene nicht in der Lage ist, die Vorleistungen des Getränkelieferanten an diesen zurückzuerstatten, insbesondere zurückzuzahlen. Die Umwandlung eines unverzinslichen Gutschriftendarlehens in ein verzinsliches Tilgungsdarlehen setzt die Zustimmung des Gastwirts voraus. Gleiches gilt für die entsprechenden Situationen bei Zuschussfinanzierungen, wenn diese in rückzahlbare, (höher) verzinsliche Darlehen umgewandelt werden sollen. ___________ 1166) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936 (Bonuszins); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 1167) Insofern zutreffend Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1168) Ähnlich OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155.

316

I. Einführung

c) Das Getränkelieferungsrecht kennt eine Vielzahl von Sanktionen bei Un- 2.843 terschreitung der vereinbarten Mindestabnahmemenge zum Ausgleich der effektiven Kapitalfehlleitung. Zu nennen sind Ausgleichsregelungen wie Schadensersatz,1169) Vertragsstrafe,1170) das Recht zur Nachverzinsung1171) sowie zur vollständigen und insbesondere teilweisen Kündigung des Vertrages.1172) Sprachlich wird von „Malus“, „Mindermengenausgleich“, „Mengenausgleich“, „Ausgleichszahlung“,1173) „Deckungsausgleichsbetrag“,1174) „Deckungsbeitragsausgleich“,1175) ___________ 1169) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1170) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 1171) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1172) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03, sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG München, Urt. v. 27.2.2008 – 7 U 4932/07, NJW-RR 2009, 57; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769; LG Hamburg, Urt. v. 13.12.1989 – 5 O. 270/89, Zeller IV, 285; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Köln, Urt. v. 17.6.1993 – 1 S 16/93; LG Dortmund, Urt. v. 9.1.2002 – 10 O. 196/01; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05; LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1173) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 1174) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99, (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler), vgl. hierzu auch BeckRS 1999, 30066756. 1175) BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

317

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

Deckungsbeitragsausgleichszahlung“,1176) „Deckungskostenbeitragsausgleich“, „(Ausfall-)Entschädigung“1177) oder dergleichen gesprochen. Die zu zahlenden Ausgleichsbeträge werden überwiegend in Beträgen/hl,1178) teilweise aber auch prozentual1179) ausgewiesen. Hinzutreten ggf. noch Regelungen über den Vortrag von periodischen Mindermengenansprüchen auf den Zeitpunkt des Vertragsendes, ergänzt durch Verlängerungsklauseln.1180) 4.

Grundsätzliche Zulässigkeit

2.844 Gegenüber Mindermengenausgleichsregelungen im Allgemeinen dürfte grundsätzlich nichts zu erinnern sein, wenn sie juristisch unangreifbar gestaltet sind, insbesondere die Schranken der zulässigen Vertragsgestaltung im Allgemeinen und im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen im Besonderen beachtet wurden. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die inhaltliche Ausgestaltung entsprechender Ausgleichsregelungen in der Praxis sowohl im zeitlichen Rückblick als auch aktuell sehr unterschiedlich ist. Dies zeigt den Weg zu einer differenzierten juristischen Beurteilung.

___________ 1176) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1177) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1178) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266 (20 DM/hl); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Malus/Bonus 53,30 DM zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer); OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517 (12,50 DM); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler: 30 DM/hl); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024 (35 DM/hl); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469 (50 DM/hl). 1179) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210 (25 % des Listenpreises für 1 hl P-Exportbier im Fass); OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (20 % des Einkaufspreises); OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081 (20 % des jeweiligen Einkaufspreises); OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399 (25 % des Tagespreises); OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453 (25 % des Einkaufspreises). 1180) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453.

318

II. Ausgleichsregelung als AGB-Klausel

II.

Ausgleichsregelung als AGB-Klausel

Für eine AGB sprechen zumeist der abstrakte Inhalt und das äußere Erschei- 2.845 nungsbild der Regelung.1181) Zur Subsumtion unter § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Verwendung eines gedruckten Formulars, das ersichtlich für eine Vielzahl von Verträgen bestimmt und von dem Getränkelieferanten gestellt worden war, vergleiche auch die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 25.2.1992.1182) Bei einer vorformulierten Regelung einer „Pachtentschädigung“ in Höhe von 25 % der nicht erreichten Abnahme an Bier durch den Pächtergastwirt liegt eine unselbstständige Ergänzung und damit um eine AGB-Klausel vor.1183) Genauerer Prüfung bedarf die Frage, ob ein „Aushandeln“ i. S. d. § 305 Abs. 1 2.846 Satz 3 BGB vorliegt. Daran dürfte es zumeist fehlen.1184) Das OLG Düsseldorf verneinte dies in einer Entscheidung im Jahre 2009 für eine Malusregelung folgenden Inhalts „Wird diese Mindestbezugsmenge um 15 % jährlich, erstmals nach Ablauf von zwei Vertragsjahren, unterschritten, so zahlt die … zur Ausgleichung der Differenz zwischen Mindestbezugsmenge und tatsächlich bezogener Hektolitermenge an … eine Entschädigung von netto 50,00 DM pro hl Differenz.“1185) Dass dem Gastwirt bei der Wahl der Biermarke eine Wahlfreiheit eingeräumt wird, lässt den Charakter als AGB-Klausel unberührt. Dies schon deswegen, weil Inhalt und Rechtsfolge dieser Vorschrift von der Auswahl der Biermarke unberührt bleiben. Abgesehen davon führt die Einräumung von Wahlmöglichkeiten nur zu einer Klausel mit verschiedenen vorgegebenen Inhalten, ohne an der Eigenschaft als AGB irgendetwas zu ändern.1186) ___________ 1181) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469 (Schadensersatz); insofern zutreffend LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06 (Investitionskostenausgleich); LG Ravensburg, Urt. v. 7.11.2011 – 6 O. 301/11. 1182) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1183) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1184) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923 lässt offen. 1185) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1186) BGH, Urt. v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.

319

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

III.

Schadensersatz

1.

Abgrenzung

2.847 Formulierungen „Schadensersatz“,1187) „entgangener Gewinn“, „Entschädigung“1188) und ähnliche sprechen für eine Schadensersatzpauschale. Gleiches dürfte wohl auch für eine hl-bezogene Pauschalierung, etwa „… €/hl“ oder „… % des Einzelhandelslistenpreises“, gelten.1189) Geht die Regelung von einem anderweitig geregelten Rechtsgrund aus, so spricht viel dafür, dass es sich um eine Schadenspauschalierung handelt.1190) 2.848 Auch die Bezeichnung als „Deckungsbeitragsausgleichszahlung“ oder ähnliche Begrifflichkeiten1191) sprechen für diese Einordnung.1192) Dies gilt insbesondere auch für Getränkebezugsverpflichtungen, die unter anwaltlicher und/oder notarieller Beratung individuell „lange und zäh“ ausgehandelte Regelungen für einen speziellen Einzelfall enthalten.1193) 2.

Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB

2.849 Sieht ein Vertrag bei Nichteinhaltung der Mindestabnahmemenge für den Abnehmer Rechtsnachteile vor, so ist das nicht per se sittenwidrig.1194)

___________ 1187) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081. 1188) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1189) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, WM 1977, 641 = Zeller II, 433; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 1190) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1191) Siehe oben § 19 I 3 c m. w. N. 1192) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1193) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 17.9.2009 – 22 U 3/08. 1194) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080.

320

III. Schadensersatz

3.

AGB-Klausel

Durchweg dürfte es sich bei der Ausgleichsregelung um eine AGB-Klausel 2.850 i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln.1195) Einen interessanten und beifallswürdigen Ansatz vertritt das OLG Düsseldorf 2.851 in einem Urteil vom 13.11.2009.1196) Das Gericht hatte eine Malusklausel zu prüfen, in der der Getränkelieferant eine „Entschädigung“ im Falle des Minderbezuges verlangte, ohne dass die Klausel ein Verschuldenserfordernis nannte. Nach dem äußeren Erscheinungsbild des Getränkelieferungsvertrages war von AGB auszugehen. Das Vorbringen des Getränkelieferanten zur Voraussetzung des Aushandelns (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB) wurde als nicht hinreichend angesehen. Voraussetzung ist nämlich, dass der gesetzesfremde Kern nachweislich inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Verwendungsgegner eine inhaltliche Gestaltung der Regelung ermöglicht worden ist. Zutreffend sah das OLG Düsseldorf in der Einräumung eines Anspruchs auf „Entschädigung“, ohne dass dies an ein Verschulden geknüpft wurde, einen gesetzesfremden Kern. Damit war die Möglichkeit zu einer umfassenden Inhaltskontrolle eröffnet. 4.

Verschuldensabhängigkeit

a) Leitbild. Der Klauselverwender wird gut daran tun, eine formularmäßige 2.852 Schadensersatzpauschale wegen Minderbezuges nicht verschuldensunabhängig auszugestalten. Das Verschuldenserfordernis gehört bei Schadenersatzverlangen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten (§§ 280, 281, 286 Abs. 4 BGB) zum gesetzlichen Leitbild, welches auch im Rahmen von Getränkelieferungsverträgen zu beachten ist. Höherrangige Interessen des Getränkelieferanten, die ausnahmsweise ein Abweichen von dem Verschuldenserfordernis rechtfertigen könnten, sind durchweg nicht ersichtlich. Verschuldensunabhängige Scha-

___________ 1195) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06. 1196) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.

321

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

densersatzregelungen halten daher einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand.1197) 2.853 b) Auslegung. Bedenklich sind daher insbesondere Klauseln, die das erforderliche Verschulden des Vertragspartners nicht nur unerwähnt lassen, sondern sogar ausdrücklich als Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs ausschließen.1198) 5.

Transparenzgebot

2.854 a) Grund. Ist nicht klar, welche von mehreren Klauseln mit dem gleichen Regelungsthema unter welchen Voraussetzungen gelten soll, könnte ein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegen. Zu denken wäre an die Fallgruppe der gleichen Regelungsgegenstände1199) Folge eines Verstoßes wäre, dass beide Regelungen unwirksam sind und sich der Inhalt des Vertrages allein nach den gesetzlichen Vorschriften richtete (§ 306 Abs. 2 BGB).1200) Teilweise wird in der Instanzrechtsprechung auch eine Nichtigkeit wegen Perplexität angenommen. Allerdings muss die Auslegung insofern zur Perplexität der Regelungen führen. Der Getränkelieferant kann dann eine fehlende Unwirksamkeit der Regelungen nicht dadurch umgehen, dass er sich auf die Regelung beruft, die für den in Anspruch Genommenen günstiger ist.1201) 2.855 b) Höhe. Inhalt und Umfang einer Schadensersatzklausel sollten bestimmbar sein.1202) Dies gilt auch für prozentuale Pauschalierungsklauseln.1203)

___________ 1197) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. Ebenso bereits Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 302. Siehe oben § 17 II 1 a m. w. N. 1198) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 1199) Siehe oben § 17 II 1 a m. w. N. 1200) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG München, Beschl. v. 22.3.2012 – 23 U 4793/11, BeckRS 2012, 07024 (Handelsvertretervertrag). 1201) LG Ravensburg, Urt. v. 7.11.2011 – 6 O. 301/11. 1202) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 125. 1203) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266, spricht das Problem nicht an; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschussund Getränkelieferungsvertrag), lässt offen. Anders OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024.

322

III. Schadensersatz

6.

Schranke des § 309 Nr. 5 a BGB

a) Unternehmerverkehr. Die Vorschrift des § 309 Nr. 5 a BGB ist auch im 2.856 Unternehmerverkehr zu beachten.1204) b) Der Berechnung des zu zahlenden Schadensersatzes können die jeweils gül- 2.857 tigen Preise zugrundegelegt werden, wenn der Vertrag eine Abrechnung nach dem jeweiligen Biereinkaufspreis – Preisliste Gastronomie – vorsieht und gegen die Wirksamkeit dieser Preisanpassungsklausel keine durchgreifenden Einwendungen erhoben werden.1205) c) Im Vertriebsmodell 2 darf die Brauerei nicht die Preise des Getränkefach- 2.858 großhändlers zugrunde legen.1206) d) Hinsichtlich einer Pauschalierung auf 25 % des jeweiligen Biereinkaufsprei- 2.859 ses1207) bzw. 30 % des Tagespreises1208) bestehen keine Bedenken. e) Der Anspruch ist um die Umsatzsteuer zu kürzen, denn der dem Getränke- 2.860 lieferanten zustehende Schadensersatzanspruch unterliegt nicht der Umsatzsteuerpflicht.1209) 7.

Nachweis eines geringeren Schadens

a) Nachweis eines geringeren Schadens darf nicht ausgeschlossen sein.1210) Selbst 2.861 wenn die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens nicht explizit ausgeschlossen wird – die ausdrückliche Zulassung des Gegenbeweises eines niedrigeren Schadens ist nicht erforderlich –, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf §§ 310 Abs. 1 Satz 2, 309 Nr. 5 b BGB.1211) Das OLG München hatte in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 keine Bedenken gegen eine Malusklausel in der es hieß, der Getränkelieferant „kann … berechnen“. Hierdurch sei nicht der Eindruck einer endgültigen, einen Gegenbeweis ausschließenden Festlegung erweckt worden. Vielmehr habe die Klausel dem Gast___________ 1204) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. Siehe oben § 17 III 8 c m. w. N. 1205) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1206) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. Siehe oben § 17 IV 2 e bb und 4 b, jeweils m. w. N. 1207) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1208) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1209) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. Siehe oben § 17 IV 2 e cc m. w. N. 1210) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 1211) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

323

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

wirt das Recht eingeräumt, Einwendungen gegen die Höhe des Anspruchs geltend zu machen.1212) 2.862 b) Unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist es, dass der Getränkelieferant die vertragswidrig bezogene Getränkemenge verbindlich festlegen darf, wenn es dem Gastwirt nicht binnen acht Tagen gelungen ist, hierzu beweiskräftige Angaben zu machen.1213) 8.

Rechtsfolge

2.863 a) Auch im Unternehmerverkehr scheidet eine geltungserhaltende Reduktion aus. Damit sind entsprechend gestaltete Klauseln als solche nichtig.1214) 2.864 b) Eine nichtige Mindermengenausgleichsregelung ist nicht wichtig genug, als dass allein ihre mögliche Unwirksamkeit die Rechtsgültigkeit des Getränkelieferungsvertrages in seiner Gesamtheit beeinflussen könnte.1215) IV.

Vertragsstrafe

1.

Abgrenzung

2.865 a) Einführung. Ggf. bedarf es sorgfältiger Prüfung, ob eine (bloße) Schadenspauschale oder nicht tatsächlich ein verdecktes Vertragsstrafenversprechen vorliegt.1216) Während die Schadenspauschalierung allein den Schadensbeweis ersparen soll, hat die Vertragsstrafe einen doppelten Zweck.1217) 2.866 Nach der Auslegungsregel des § 305c Abs. 2 BGB ist im Zweifel von einer Vertragsstrafenklausel auszugehen mit den dann geltenden Inhaltsschranken. Die Parallele zur Vertragsstrafe liegt auf der Hand. Der Minderbezug stellt einen Teil der nicht gehörigen Vertragserfüllung dar. Nach § 341 Abs. 1 BGB kann die Vertragsstrafe statt und nicht neben der Erfüllung verlangt werden. Der Getränkelieferant macht mit dem Anspruch sui generis gerade einen Ausgleichsanspruch neben der Erfüllung des Vertrages geltend. Dieser Ausgleichsanspruch stellt ein Druckmittel dar, den Gastwirt zur gehörigen Erfüllung seiner Vertragspflichten zu veranlassen.1218) Diese Frage kann im Ergebnis allerdings letztlich dahinstehen. ___________ 1212) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 1213) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 1214) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1215) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 1216) Siehe oben § 17 III 6 m. w. N. 1217) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 1218) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912.

324

IV. Vertragsstrafe

b) Einzelfälle. Wird die zu leistende Zahlung ausdrücklich als „Vertragsstrafe“ 2.867 bezeichnet, so ist hiervon auszugehen.1219) Nennt die Klausel die Voraussetzungen des Anspruchs, so soll dies ein Indiz für eine Vertragsstrafe sein.1220) Gleiches soll gelten, wenn keine jährliche Mindestabnahmemenge vereinbart worden ist, sondern ein (Gesamt-)Mengenvertrag vorliegt.1221) Eine Vertragsstrafe ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Regelung als Druckmittel für die Erfüllung der Abnahmeverpflichtung dienen soll.1222) 2.

AGB-Klausel

Zur Subsumtion unter § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Verwendung eines gedruckten 2.868 Formulars, das ersichtlich für eine Vielzahl von Verträgen i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt und von dem Getränkelieferanten gestellt worden war, vergleiche die Entscheidung des OLG Nürnberg vom 25.2.1992.1223) 3.

§ 309 Nr. 6 BGB

Gegenüber Verbrauchern, etwa bei Eigentümererklärungen, gilt die Inhalts- 2.869 schranke des § 309 Nr. 6 BGB.1224) Auf den Verkehr mit Unternehmern und damit auch Gastwirten kann die auf den Schutz des Verbrauchers zugeschnittene Vorschrift des § 309 Nr. 6 BGB dagegen gem. § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht übertragen werden. Prüfungsmaßstab ist dann § 307 BGB.1225) 4.

Verschuldensabhängigkeit

Auch im Zusammenhang mit Minderbezugsausgleichsregelungen, die als Vertrags- 2.870 strafe einzuordnen sind, ist das Leitbild des Verschuldens (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB) zu beachten.1226) 5.

Transparenzgebot

Zur Unbestimmtheit der Formulierung „vorstehende Bestimmung“ kann auf 2.871 eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 4.3.1999 verwiesen werden.1227) ___________ 1219) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1220) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 1221) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 1222) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1223) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1224) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 1225) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1226) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. Siehe oben § 18 II 3 b m. w. N. 1227) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99.

325

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

6.

Unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

2.872 Eine Klausel, die bei einem Verstoß gegen eine zulässige Bezugs- und Ausschließlichkeitsbindung in Form der Minderabnahme eine Vertragsstrafe vorsieht, ist grundsätzlich nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden.1228) 7.

Kumulationsverbot

2.873 a) Das Verbot der Kumulation von Schadensersatz und Vertragsstrafe nach § 340 Abs. 2 BGB gilt auch im Unternehmerverkehr.1229) 2.874 b) Vermeidung einer Kumulation. Eine unzulässige Kumulation scheidet allerdings dann aus, wenn der Vertrag eindeutige Regelungen zum Verhältnis der verschiedenen Sanktionsklauseln zueinander enthält. Klare Anrechnungsbestimmungen können insofern nützlich sein.1230) 2.875 Sieht ein Getränkelieferungsvertrag vor, dass Schadensersatz und ein Mindermengenausgleich nebeneinander geltend gemacht werden können, so ist dies dann unschädlich, wenn der Vertrag ausdrücklich regelt, dass der Mindermengenausgleich entfällt, soweit der Getränkelieferant Schadensersatz geltend macht. Insofern liegt auch kein Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vor. Maßstab ist nämlich insofern ein aufmerksamer und sorgfältiger Vertragspartner.1231) 2.876 c) Unzulässige Kumulation. aa) Grundsatz. Wenn mehrere Sanktionen kumulieren (können), dann gilt die Unwirksamkeitsfolge nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1232) Dies auch dann, wenn sich dahinter faktisch ein sog. Graubezug (Vertrieb der gebundenen Getränke unter Missachtung der im Getränkelieferungsvertrag vorgeschriebenen Einkaufswege, insbesondere des benannten Getränkefachgroßhändlers im Vertriebsmodell 2 verbirgt.1233) Hierzu rechnen aber nicht nur die Sachverhalte der Kumulation i. e. S., wenn wegen der Nichterfüllung des bindungsrechtlichen Teiles des Getränkelieferungsvertrages mehrere Sanktionen, etwa (pauschalierter) Schadensersatz und Mindermengenausgleich (Malus) nebeneinander geltend gemacht werden (können). Auch dürfen die vertraglichen Regelungen nicht dazu führen, dass bei einem Abschreibungsdar___________ 1228) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1229) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 1230) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02. 1231) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 1232) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, BB 1994, 1739 (Automatenaufstellvertrag). Vgl. hierzu bereits oben § 18 II 7 e m. w. N. 1233) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912.

326

V. Negative Umsatzpacht

lehen die vertraglich vorgesehene Abschreibung unterbleibt und gleichzeitig für die Mindermenge Sanktionsregelungen wie etwa Malus und (pauschalierter) Schadensersatz berechnet werden können. Zum Wegfall des Sicherungszwecks für die Zukunft und zu den besonderen 2.877 Belastungen eines Eigentümers und Verpächters einer Absatzstätte aus einer Vertragsstrafenregelung in Verbindung mit dem Vertragsinhalt im Übrigen, insbesondere einer Nachfolgeklausel, vergleiche die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 5.5.1994.1234) bb) Ausnahme. Eine Vertragsstrafenklausel unter dem Vorbehalt eines weiteren 2.878 Schadensersatzanspruchs soll wirksam sein, wenn ein entsprechendes Gleichgewicht aus Finanzierung und Bindung besteht.1235) V.

Negative Umsatzpacht

1.

Inhalt

In einem Gaststättenpachtvertrag aus dem Jahre 1986 hieß es in § 13 unter der 2.879 Überschrift „Vertragsstrafe bzw. „Pacht“-Entschädigung bei Minderung“: „Soweit die von der Verpächterin gem. § 2 vorausgesetzte Jahresabnahme nicht erreicht wird, ist die Verpächterin berechtigt, für jeden an der vorgenannten Umsatzmenge fehlenden hl eine jährlich einmalige „Pacht“-Entschädigung in Höhe von 25 % des jeweiligen Listenpreises für einen hl P-Exportbier im Fass zu erheben.“1236) Aktuell finden sich in Pacht- und Getränkelieferungsverträgen Formulierungen 2.880 eines Pachtaufschlags etwa folgenden Inhalts: „Bei der Bemessung des Pachtzinses gehen die Vertragsparteien übereinstimmend davon aus, dass im Pachtobjekt jährlich mindestens x hl Fassbier umgesetzt werden. Wird diese vorausgesetzte Jahresmindestbezugsmenge nicht erreicht, ist die Brauerei berechtigt, für jeden an der vorgenannten Jahresmindestbezugsmenge fehlenden hl Fassbier einen kalenderjährlich zu berechnenden Pachtaufschlag in Höhe von y € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer zu verlangen.“ 2.

Einordnung

Zur Abgrenzung zwischen Vertragsstrafe, Schadenspauschale und einer „Pacht- 2.881 Entschädigung“ als „negativer Umsatzpacht“ bejahte der BGH im Jahre 1989 das Letztere.1237) Hiervon kann nur dann gesprochen werden, wenn die Höhe des ___________ 1234) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, BB 1994, 1739 (Automatenaufstellvertrag). 1235) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 1236) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1237) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210.

327

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

Pachtzinses an die Bierabnahmemenge gebunden ist und für Mindermengen ein Pachtzinsaufschlag vereinbart ist.1238) 3.

Wirksamkeit des Pacht- und Getränkelieferungsvertrages

2.882 Wiederum ist die Wirksamkeit des Pacht- und Getränkelieferungsvertrages konstitutiv. 4.

Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB

2.883 a) Ist in einem Gaststättenpachtvertrag zwischen Brauerei und Gastwirt die Pachtzinsbemessung mit dem Jahresbezug an Bier verknüpft, so verstößt die Vereinbarung einer „Pacht-Entschädigung“ für den Fall des Unterschreitens einer bestimmten jährlichen Abnahmemenge nicht gegen die guten Sitten.1239) 2.884 b) Der Auffassung des Berufungsgerichts, der Gastwirt dürfe wegen der durch Alkoholgenuss ausgelösten gesellschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Probleme gerade auch junger Menschen nicht durch Vertragsstrafen oder Schadensersatzdrohungen zum Umsatz einer bestimmten Biermenge verpflichtet werden, erteilte der BGH eine deutliche Absage. Die Entscheidung, die Prohibition einzuführen, ist Sache des Gesetzgebers und nicht die des Richters. Sittenwidrigkeit unter dem Gesichtspunkt der – einmal unterstellten – Verletzung der Allgemeinheit oder Dritter kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn alle Beteiligten sittenwidrig handeln, ihnen also die Tatsachen, die die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts begründen, bekannt oder grob fahrlässig unbekannt sind; dazu fehlt es zumeist sowohl an Feststellungen als auch am Tatsachenvortrag.1240) 2.885 c) Ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung (Fallgruppe 1), bei dessen Vorliegen die verwerfliche Besinnung des begünstigten Vertragsteils vermutet werden kann, konnte bei der nach dem Vortrag des beklagten Pächters nach einem „Minderbezug“ von ca. 100 hl sich ergebenden Erhöhung des Pachtzinses um etwas über 80 % nicht angenommen werden.1241) 2.886 d) Die Vereinbarung einer „negativen“ Umsatzpacht ist wirtschaftlich sinnvoll und interessengerecht, wenn der Verpächter einen Teil des von ihm aus der

___________ 1238) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1239) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1240) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 112 a. E. 1241) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210.

328

V. Negative Umsatzpacht

Verpachtung erstrebten Entgelts über den Gewinn aus dem mit dem Pächter getätigten Umsatzgeschäften erhalten soll.1242) 5.

Mindestmengenvereinbarung

Der BGH verneint im Ergebnis eine Mindestabnahmeverpflichtung im Umfang 2.887 von 200 hl/Jahr.1243) 6.

Inhaltskontrolle nach AGB-Recht

a) § 305 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BGB. Wird die Berechnungsgrundlage zwischen 2.888 den Parteien individuell vereinbart und maschinenschriftlich in dem ansonsten vorgedruckten Vertragstext eingesetzt, so liegt keine Formularklausel vor.1244) b) Die Erhöhung des Pachtzinses bei Minderabnahme unterliegt der Inhaltskon- 2.889 trolle nach § 307 BGB grundsätzlich nur, soweit es die Koppelung von Abnahme und Pachtzins betrifft.1245) Dagegen ist eine Kontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB vorbehaltlich des § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeschlossen, soweit es um die Höhe des Pachtzinses geht.1246) c) Im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sah der BGH keine Wirksamkeits- 2.890 bedenken.1247) Immerhin deutete der BGH an, dass die Auferlegung einer unangemessen hohen Pflicht zur Mindestabnahme gegen § 307 BGB verstoßen könne.1248) Er prüfte diese Frage aber nicht eingehend. Ebenfalls ohne Stellungnahme blieb die Höhe der Pachtentschädigung mit 25 % des jeweiligen Listenpreises für einen hl „P-Exportbier“.1249)

___________ 1242) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1243) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. Ebenso bereits BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80. Vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1244) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1245) Offengelassen in BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1246) Offengelassen in BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1247) Ebenso LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923, allerdings ohne Begründung. 1248) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1249) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210.

329

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

7.

Konsequenzen

2.891 Enthält beispielsweise ein Pacht- und Getränkelieferungsvertrag im Rahmen der Vorschriften für den Pachtzins die Formulierung, dass neben dem Pachtzins der Absatz einer jährlichen Mindestmenge von x hl der vereinbarten Getränke Pachtentgelt ist und für den Fall des Nichterreichens dieser Mindestmenge als Ausgleich für entgangenes Pachtentgelt je hl Fehlmenge eine Zahlung in Höhe von y % des jeweils gültigen Listepreises der Verpächterin für einen hl z-Pils zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer zu leisten ist, so bestehen hiergegen keine Rechtsbedenken. VI.

Anspruch sui generis

1.

Meinungsstand

2.892 a) These. Die Problematik der Zulässigkeit von Mindermengenausgleichsregelungen zeigt sich gleichsam im Brennglas dann, wenn die Möglichkeit bestehen soll, auch in Fällen, in denen es an einer vertraglichen Vereinbarung einer (periodischen Mindest-/Gesamt-)Abnahmemenge fehlt, einen Ausgleichsanspruch zu statuieren, der unabhängig davon eingreifen soll, ob der Gebundene das Nichterreichen der kalkulierten Sollbezugsmenge zu vertreten hat, insbesondere die Nichtabnahme verschuldet hat.1250) Bei dem Ausgleichsanspruch soll es sich um einen verschuldensunabhängigen, vertraglich begründeten Anspruch sui generis handeln. 2.893 Begründet wird dieser Ansatz damit, Vertragsregelungen über Ausgleichsforderungen für Minderbezüge seien nach der Rechtsprechung auch dann unbedenklich, wenn keine Mindestbezugspflicht begründet werde, sondern die vereinbarte Mindestbezugsmenge als gemeinsame Kalkulationsgrundlage der erbrachten Leistung festgelegt werde. Nach dem Rechtsgedanken der vorstehend berichteten Entscheidung des BGH vom 6.12.1989 seien Malusforderungen nach §§ 138 Abs. 1, 307 BGB nicht zu beanstanden, wenn der Gastwirt nicht zur Abnahme einer Mindestmenge verpflichtet werde, er aber einen Ausgleich dafür zu zahlen habe, dass sich die gemeinsam festgelegte Absatzerwartung nicht erfüllt habe. Die Malusregelung sei im Übrigen nur dann angemessen i. S. d. § 307 BGB, wenn im Vertrag ausdrücklich eine Anrechnung des Malus auf einen zu leistenden Schadensersatz wegen Fremd- oder Minderbezuges vorgesehen sei.1251) 2.894 b) Gegenthese. Die These vom vertraglichen Ausgleichsanspruch sui generis überzeugt nicht.1252) Dies insbesondere aus folgenden Gründen und unabhängig davon, ob der Vertragspartner ein Gaststättenobjekt als Unternehmer oder Exis___________ 1250) Vgl. u. a. LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 1251) Gödde, in: Martinek/Semmler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 220. 1252) So auch OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13.

330

VI. Anspruch sui generis

tenzgründer betreibt oder als Verbraucher eine Eigentümererklärung abgegeben hat. 2.

Die Entscheidung des BGH vom 6.12.1989

Die als Beleg herangezogene Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1989 trägt 2.895 die These vom Anspruch sui generis nicht. Dies insbesondere aus folgenden Gründen: a) Gemeinsame Kalkulationsgrundlage. aa) Rechtsprechung. Richtig ist ledig- 2.896 lich, dass es in dem damals streitgegenständlichen Vertrag in § 2 Abs. 2 heißt „Bei der Bemessung des Pachtzinses wurde davon ausgegangen, dass über das Pachtobjekt jährlich mindestens 200 hl Bier durch unmittelbaren Bezug von der … (Klägerin, Brauerei) umgesetzt werden.“ Sowohl die Formulierung des § 2 Abs. 2 („… wurde davon ausgegangen, …“) als auch insbesondere des § 13 „Soweit die von der Verpächterin gem. § 2 vorausgesetzte Jahresabnahmemenge nicht erreicht wird, ist die Verpächterin berechtigt, …“) sprechen eher für eine einseitige Kalkulation und nicht etwa – so die These vom Anspruch sui generis – von einer gemeinsamen Kalkulationsgrundlage. Letztlich hat der BGH die Anwendbarkeit des § 313 BGB offengelassen. bb) Kritik. Die Behauptung, es liege eine „gemeinsame Kalkulationsgrundlage 2.897 der erbrachten Leistung“ vor,1253) muss auch tatsächlich hinterfragt werden. Zutreffend daran ist allenfalls, dass der Getränkelieferant sein finanzielles Engagement entsprechend rechnet (kalkuliert). Diese Vorkalkulation entspricht nachvollziehbaren wirtschaftlichen Überlegungen und ist betriebswirtschaftlich darstellbar.1254) Rechtlich handelt es sich aber um einseitige und zumal interne Überlegungen auf der Ebene der bloßen Motivation der Finanzierungsentscheidung. Diese werden regelmäßig nicht – weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung – und schon gar nicht gemeinsam mit erklärt. Eine Anfechtung wegen Irrtums, insbesondere nach § 119 Abs. 1 BGB, scheidet daher aus. Es fehlt jedenfalls an einer nachzuweisenden identischen Geschäftsgrundlage aufseiten des Gastwirts i. S. d. § 313 Abs. 1 BGB. Der Gastwirt hätte auch nicht im Sinne dieser Bestimmung bei Vorhersehung der Minderbezüge auf einen entsprechenden Finanzierungsanteil (freiwillig) verzichtet. Vielmehr hat sich hier gerade das Risiko der Vorleistung realisiert, das die langanhaltende Bindung rechtfertigt. Dies zeigt auch die Formulierung des § 313 Abs. 1 BGB a. E. Im Übrigen müsste dann auch dem Gebundenen ein entsprechendes Leistungsanpassungsrecht, ins___________ 1253) Gödde, in: Martinek/Semmler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 220 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, spricht zwar zunächst von „gemeinsamer Festlegung“ und „gemeinsamer Kalkulationsgrundlage“. Im unmittelbaren Anschluss wird aber nur die Kalkulation des Getränkelieferanten genannt. Die inzident behauptete „Gegenkalkulation“ des Gebundenen wird nicht erwähnt. 1254) Siehe oben § 19 I 1 m. w. N.

331

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

besondere das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung, eingeräumt werden. 2.898 cc) Übertragbarkeit. Der streitgegenständliche Vertrag datierte aus dem Jahre 1986. Zum damaligen Zeitpunkt mag es zwar bei einigen (eher größeren) Brauereien erste Überlegungen gegeben haben, die Ergebnisse der Deckungsbeitragsrechnung als Teil des internen Rechnungswesens „auf die juristische Ebene anzuheben“, um damit nachträgliche Erhöhungen der kalkulierten hl-Belastung „nachjustieren“ zu können. Die Ausführungen des BGH sind aber in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht verallgemeinerungsfähig. 2.899 Erstens gelten sie nur für Pacht- und Getränkelieferungsverträge. Damals war dieser Ansatz weder branchenüblich noch wurde er im Zusammenhang mit Leistungs- und Getränkelieferungsverträgen in Form der Darlehens-, Kaufoder Leih- und Getränkelieferungsverträge praktiziert. Zweitens liegen in den aktuell relevanten Fallgestaltungen durchweg Jahresmindestbezugsmengenvereinbarungen oder Gesamtmengenvereinbarungen vor. Drittens geht es nicht um die Kalkulation der Pachtzinshöhe, sondern den Ausgleich für fehlgeschlagene Finanzierungskosten. Viertens dürfte der Ansatz des BGH nicht im Vertriebsmodell 2 anwendbar sein. Fünftens dürfte dem BGH die aktuell diskutierte Problematik wohl kaum bei seiner Entscheidungsfindung bewusst gewesen sein. Daher handelt es sich um eine singuläre Ausnahmeentscheidung, die nicht auf andere Sachverhalte übertragbar ist. Erhellenderweise heißt es in der von der Gegenmeinung mit als Beleg angeführten Entscheidung des OLG Köln vom 9.1.20071255) auch ausdrücklich, dass die von der klagenden Brauerei1256) zur Stützung ihrer Auffassung zitierte Entscheidung des BGH vom 6.12.1989 einen nicht mit dem zu beurteilenden Sachverhalt vergleichbaren Fall betreffe, in dem die Parteien die Höhe des Pachtzinses an die Bierabnahmemengen gebunden und für Mindermengen einen Pachtzinsaufschlag vereinbart hatten. 2.900 dd) Würde man die These von der „gemeinsamen Kalkulationsgrundlage“ im Übrigen ernst nehmen, so müssten sich die Getränkelieferanten konsequenterweise auch dem Rechtsfolgenregime des § 313 BGB unterwerfen. Dieses sieht in § 313 Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Vertragsanpassung und bei Unmöglichkeit derselben bzw. Unzumutbarkeit für einen der Beteiligten die Möglichkeit des Rücktritts (§ 313 Abs. 3 Satz 1 BGB) bzw. bei Dauerschuldverhältnissen wie hier das Recht zur Kündigung (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB) vor. Die Rechtsfolge Deckungs- (kosten-)beitragsausgleich kennt § 313 BGB nicht.

___________ 1255) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1256) DOM-Brauerei.

332

VI. Anspruch sui generis

b) Höhe. Der Begriff der „Entschädigung“1257) in § 13 des streitgegenständlichen 2.901 Vertrages der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1989 stellt entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 14 Abs. 3 GG ein Minus zum Schadensersatz dar. Diese durch den Getränkelieferanten verursachte Unsicherheit geht im Rahmen einer Anspruchskappung im Zweifel nach § 305c Abs. 2 BGB zu seinen Lasten. Im Rahmen einer Mindermengenausgleichsregelung können die Grundsätze 2.902 über die Anhebung des Streitwertes um im Regelfall 15 % bei Fremdbezug nicht gelten.1258) 3.

Das Urteil des OLG Köln vom 9.1.2007

Die These vom Ausgleichsanspruch sui generis kann sich weiter nicht auf ein 2.903 Urteil des OLG Köln vom 9.1.20071259) stützen. Im Gegenteil kann die Entscheidung als Beleg für die hier vorgetragene Kritik angeführt werden. Der streitgegenständliche Getränkelieferungsvertrag enthielt zunächst eine (wirk- 2.904 same) Verpflichtung zur Abnahme einer bestimmten Getränkebezugsmenge (§ 4 des Vertrages) (Mengenvereinbarung). Zwar wird hier (§ 5 des Vertrages) ein pauschalierter Deckungsbeitragsausgleich in Höhe von 25 % der für den Gastwirt jeweils geltenden Biereinkaufspreise geprüft. Ausdrücklich verneint das Gericht aber die These, der zu beurteilende Sachverhalt sei mit dem der BGH-Entscheidung aus dem Jahre 1989 vergleichbar. Die Deckungsbeitragsausgleichsregelung in § 5 wird zudem als pauschalierter Schadensersatz eingeordnet.1260) Grund ist die zutreffende Einschätzung, dass mit diesem Anspruch Nachteile des Getränkelieferanten durch die Abnahme einer geringeren als der vorausgesetzten Menge Bier, also der insoweit diesem entstandene Schaden, ausgeglichen werden sollte. Daher prüft das Gericht die Ausgleichsklausel nach den einschlägigen Bestimmungen (§§ 310 Abs. 1 Satz 2, 309 Nr. 5 (b) BGB) auf ihre Wirksamkeit, ohne die Unwirksamkeit feststellen zu können.1261) Da das OLG Köln die Frage des Vertretenmüssens ungeprüft gelassen hat, kann daraus nichts zugunsten der These vom Anspruch sui generis abgeleitet werden.

___________ 1257) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler): 15,00 €/hl.; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1258) Siehe unten § 30 VII 5 a m. w. N. 1259) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 1260) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1261) Ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469.

333

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

4.

Inhaltskontrolle

2.905 a) Grundsatz. Zwar gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 BGB). Zu beachten sind aber die schrankenziehenden Bestimmungen über die Inhaltskontrolle, insbesondere § 138 Abs. 1 BGB sowie §§ 307 – 310 BGB. Zu den nicht abdingbaren Vorschriften i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB rechnen auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB.1262) 2.906 b) § 307 Abs. 3 BGB. Die Mindestabnahmeverpflichtung konkretisiert bzw. erweitert im Zweifel die vertragliche Getränkebezugsverpflichtung. Sie ist eine Ergänzung der Bezugsverpflichtung, nicht dagegen eine Hauptleistungspflicht i. S. d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Dies mag anders sein bei Getränkelieferungsverträgen zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern. 2.907 c) Soweit die These vom Anspruch sui generis, sei es tatbestandlich, sei es hinsichtlich der Rechtsfolgen, hinter dem Regime des § 313 BGB zurückbleibt, ist bereits eine Klauselnichtigkeit gem. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 313 BGB anzunehmen. Besondere Beachtung findet dabei das in § 313 Abs. 3 BGB gesetzlich vorgegebene Rechtsfolgenregime der vorrangigen Leistungsanpassung und hilfsweise des Kündigungsrechts bei Dauerschuldverhältnissen. Mag ersteres nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar sein, so verbleibt bei Dauerschuldverhältnissen das Recht zur Kündigung. Anderenfalls ist die Ausgleichsklausel nichtig gem. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 313 BGB. 2.908 d) Pflicht. Ausschließlichen Bezugsbindungen über Getränke ist eine Mindestabnahmeverpflichtung zwar nicht immanent.1263) Jedenfalls bei einer „vereinbarten Mindestbezugsmenge als gemeinsamer Kalkulationsgrundlage der erbrachten Leistung“ ist aber von einer entsprechenden Pflicht (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) zur Getränkeabnahme auszugehen. Bei einer Pflichtverletzung ist das gesetzliche Rechtsfolgenregime maßgebend.1264) 2.909 e) Einordnung. Die verwendeten Begriffe „Deckungsbeitragsausgleich“, „Deckungskostenbeitragsausgleich“ etc. legen eine Schadensersatzklausel nahe.1265) 2.910 f) Verschuldenserfordernis. Eine entsprechende Ausgleichsregelung könnte gem. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 286 Abs. 4 BGB auch dann unwirksam sein, weil sie einen Ausgleichsanspruch unabhängig vom Verschulden statuiert. Eine in AGB enthaltene Verpflichtung zum Schadensersatz bzw. zur Zahlung einer Vertrags___________ 1262) Palandt-Grüneberg, BGB, § 307 Rz. 32 m. w. N. 1263) Siehe oben § 1 II 6 m. w. N. 1264) BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen) = Zeller III, 349; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. Siehe unten § 31 IV 1 c und 2, jeweils m. w. N. 1265) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. Siehe oben § 19 III 1 m. w. N.

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VI. Anspruch sui generis

strafe, die verschuldensunabhängig gestaltet ist, verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie weicht von wesentlichen Rechten und Pflichten der gesetzlichen Regelungen ab, weil nach den generellen Grundsätzen des Haftungsrechts der Schuldner nur haftet, wenn er den Schaden bzw. den Anfall der Vertragsstrafe zu vertreten hat. Dieser Grundsatz ist ein wesentlicher Grundgedanke des Bürgerlichen Rechts und gilt als Ausdruck der Gerechtigkeit. Das Verschuldenserfordernis gehört bei Schadensersatz- und Vertragsstrafenverlangen wegen Verletzung vertraglicher Pflichten (§§ 280, 281 BGB) zum gesetzlichen Leitbild, welches auch im Rahmen von Getränkelieferungsverträgen zu beachten ist. Ist in Getränkelieferungsverträgen vorgesehen, dass der Getränkelieferant berechtigt ist, für nicht abgenommene Getränke einen Ausgleichsbetrag zu berechnen, liegt ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, wenn die Zahlungspflicht verschuldensunabhängig bestehen soll.1266) Knüpft die Malusklausel lediglich an den Minderbezug an, so setzt sie ein Ver- 2.911 schulden des Gastwirts nicht voraus. Dieser würde danach selbst dann haften, wenn eine Bewirtung etwa infolge von Feuer-, Wasser- oder Sturmschäden nicht möglich gewesen wäre. Im Hinblick darauf, dass das Verschuldenserfordernis zum Kernbereich der Schadensersatzhaftung gehört, ist es auch nicht ausreichend, dass die Klausel einen Nachweis fehlenden Verschuldens nicht ausdrücklich ausschließt. Höherrangige Interessen des Getränkelieferanten, die ausnahmsweise ein Abweichen von dem Verschuldenserfordernis rechtfertigen könnten, müssten vorgetragen und festgestellt werden. Ersichtlich sind sie jedenfalls nicht.1267) Wenn die Rechtsprechung verschuldensunabhängige Deckungsausgleichsan- 2.912 sprüche im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler als sittenwidrig und nichtig angesehen hat,1268) dann muss dies erst recht im Verhältnis Getränkelieferant-Gastwirt gelten. Da sowohl die Ausgleichsregelung als auch der Abrechnungsschriftverkehr und 2.913 entsprechende Klagebegehren durchweg, wenn nicht ausdrücklich dann doch ___________ 1266) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936, das § 9 Abs. 1 AGBG anwendete; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 1267) OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.2014 – VIII ZR 130/13; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 1268) BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Naumburg, Urt. v. 7.9.1995 – 2 U 6/93, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 281/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).

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§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

konkludent, auf Minderbezug und nicht Fremdbezug gestützt werden, kann dahinstehen, ob für den graviererenden Fall des Fremdbezuges hiervon eine Ausnahme zu machen ist. 2.914 g) Folgenbetrachtung. Auch im Ergebnis dürfte es kaum denkbar sein, extra wenn nicht kontra legem einen Vertragsanspruch sui generis zu postulieren. Er liefe im Ergebnis auf eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung mit geringeren Voraussetzungen als ein Schadensersatzanspruch hinaus.1269) Eine solche strikte Rechtsfolge kann grundsätzlich nur vom Gesetzgeber statuiert werden. Individualvertraglich setzt sie eine ausdrückliche Garantiererklärung voraus. Hierfür ist Voraussetzung, dass der Kunde dafür einstehen will, in jedem Fall pro Jahr oder insgesamt ein bestimmtes hl-Volumen Getränke abzusetzen. Dies ist regelmäßig nicht anzunehmen.1270) Im Übrigen wird man auf den Deckungsausgleichsanspruch argumentum a maiore ad minus und damit erst recht die für Schadensersatzansprüche und Schadensersatzpauschalierungen geltenden Inhaltsschranken anwenden müssen. 2.915 Zwar kann eine Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden versprochen werden.1271) Sie ähnelt aber dann einem Garantieversprechen. Erforderlich ist hierfür grundsätzlich eine Individualvereinbarung. Im Übrigen kann das Verschuldenserfordernis durch AGB nur abbedungen werden, wenn bei dem betreffenden Vertragstyp gewichtige Gründe für eine verschuldensunabhängige Haftung vorliegen. Dies ist beim Getränkelieferungsvertrag nicht der Fall.1272) Als gewichtiges Verwenderinteresse genügt jedenfalls nicht schon das allgemeine Interesse an der Sicherung der Vertragserfüllung.1273) 2.916 Für den Fall des Fremdbezuges mag dies anders zu beurteilen sein. Für den hier in Rede stehenden „minder schweren Fall“ des Minderbezuges ist kein vorrangiges Verwenderinteresse erkennbar. Sollte sich hinter dem festgestellten Minderbezug ein Fremdbezug verbergen, sei es ein „echter Fremdbezug“ durch den Bezug nicht zugelassener Getränke (Schwarzbezug)1274) oder ein „unechter Fremd___________ 1269) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 1270) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 1271) BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 42/96, NJW-RR 1997, 686. 1272) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Aachen, Urt. v. 25.7.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948 (Automatenaufstellvertrag). 1273) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.6.2007 – 24 U 207/06, BeckRS 2007, 19902 (Pacht- und Getränkelieferungsvertrag). 1274) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98.

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VI. Anspruch sui generis

bezug“ durch den Bezug der gebundenen Getränke über andere Lieferanten (Graubezug)1275), so stehen dem Getränkelieferanten die für den Fall des Fremdbezuges vorgesehenen Rechtsbehelfe (Abmahnung, einstweilige Verfügung, (Unterlassungs-, Wiederaufnahme-, Schadensersatz-)Klage) zur Verfügung.1276) Daneben verbleiben dem Getränkelieferanten die übrigen Möglichkeiten der Ver- 2.917 tragsanpassung. So können Zuschüsse in rückzahlbare Darlehen umgewandelt werden, an die Stelle von Darlehen, die durch Abschreibung oder Rückvergütungsgutschriften zurückgeführt werden, können Tilgungsdarlehen treten, nicht verzinsliche finanzielle Leistungen können verzinst werden, verzinsliche Leistungen können höher verzinst werden etc. Diese Optionen muss der Getränkelieferant durch AGB-rechtlich zulässige Klauseln im Vertrag antezipieren. Anderenfalls bedarf er einer vertragsändernden Zustimmungserklärung des Gastwirts. h) Bilanz. Kein hinreichender Sachgrund ist jedenfalls die ggf. individuell auf 2.918 Seiten des Getränkelieferanten offenkundig werdende Notwendigkeit, eine drohende Insolvenz durch „Bilanzkosmetik“ dadurch vorerst abzuwenden, dass Ausgleichsforderungen gegen Dritte postuliert werden. i) Leitbild des § 281 BGB. Im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 2.919 BGB bedarf es im Übrigen grundsätzlich auch der Einhaltung des Nachfristerfordernisses. § 281 BGB setzt für den Schadensersatzanspruch „Schadensersatz statt Leistung“ eine erfolglose Fristsetzung voraus. Hierauf kann nicht verzichtet werden.1277) Sieht die Malusklausel nur vor, dass die Minderabnahmen zum Ende des Jahres abzurechnen sind und die sich daraus ergebenden Rechnungsbeträge sofort zur Zahlung fällig sein sollen, so greift das Unwirksamkeitsverdikt des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.1278) j) Kompensation. aa) Die unangemessene Benachteiligung des Gastwirts durch 2.920 eine verschuldensunabhängige Deckungsbeitragsausgleichsklausel wird nicht dadurch vermieden, dass ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht ausgeschlossen wird. Ebenfalls wird die einseitige Belastung des Gastwirts nicht dadurch aufgehoben, dass der Nachweis eines geringeren Schadens nicht ausgeschlossen ist.1279) ___________ 1275) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1276) Siehe unten § 30 II-V, jeweils m. w. N. 1277) BGH, Urt. v. 18.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842 = ZIP 1986, 371; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. Siehe oben § 17 II 1 c m. w. N. 1278) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 1279) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912.

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§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

2.921 bb) Da im Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 307 BGB grundsätzlich keine Kompensation mit etwaigen Vorteilen, insbesondere Preisvorteilen wie Rückvergütungen oder Boni, stattfindet,1280) kann ein Entgegenkommen des Getränkelieferanten bei Übererfüllung in Form eines Bonus bzw. einer (Rück-) Vergütung auch dann nicht „gegengerechnet“ werden, wenn sich Deckungsausgleichsbetrag und Bonus betragsmäßig decken sollten. 2.922 j) Höhe. aa) Einführung. Da der Hintergrund des von der Mindermeinung postulierten Lösungsansatzes weniger rechtliche Überlegungen als vielmehr betriebswirtschaftlich-kalkulatorische Ziele sind, stellt sich die tatsächliche Problematik, dass in der Getränkebranche hinsichtlich der Höhe der von den Getränkelieferanten zu erbringenden Leistungen keine verbindlichen Vorgaben bestehen.1281) 2.923 Im Rahmen des Gastronomie-Mikromarketings ist eine konkret-individuelle Finanzierungsentscheidung seitens des Getränkelieferanten unter Berücksichtigung der Objekt-Lage-Konzept-Subjekt-Situation zu treffen. Hinzu kommt, dass ein eventuell für den Fall des Mehrbezuges vorgesehener Bonus der Höhe nach nicht etwa einem Malus in der Situation des Minderbezuges zu entsprechen hat.1282) Je nach Ausgestaltung des Absatzes in den verschiedenen Vertriebsmodellen mit und ohne Einschaltung des Getränkefachgroßhandels und damit mit und ohne Berücksichtigung der verschiedenen Formen der zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern praktizierten internen Refinanzierungsausgleiche ergäben sich sowohl für den Gastwirt als auch für die angerufenen Gerichte nicht nachprüfbare und damit nicht verifizierbare Unsicherheiten. 2.924 bb) Zulässigkeit. Rechtlich stellt sich die Frage der Beachtung des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Soweit pauschaliert werden sollte, sind die entsprechenden gesetzlichen Grenzen zu beachten (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a und b BGB). Im Übrigen wären ggf. die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Berechnung des konkreten Nichterfüllungsschadens1283) sowie über die Darlegungs- und Beweislast1284) einschließlich der Besonderheiten bei Pauschalierungen1285) entsprechend zu beachten. 2.925 k) Möglichkeit des Gegenbeweises. Sollte die These vom Ausgleichsanspruch sui generis im Ergebnis darauf hinausläuft, dass der Gebundene unabhängig vom Vertretenmüssen, insbesondere verschuldensunabhängig und auch ohne Möglichkeit des Gegenbeweises gleichsam garantieartig in Anspruch genommen wer-

___________ 1280) Siehe oben § 7 V 6 a m. w. N. 1281) Siehe oben § 9 IX 4 a m. w. N. 1282) Siehe oben § 19 I 2 m. w. N. 1283) Siehe unten § 29 II m. w. N. 1284) Siehe unten § 29 III m. w. N. 1285) Siehe oben § 17 IV 6 m. w. N.

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VII. These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich

den könnte, so müsste eine Klauselnichtigkeit nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a und/oder b, 309 Nr. 6, 339 Satz 1 BGB geprüft werden.1286) l) Entscheidungserheblichkeit. Naturgemäß bedarf die vorstehend dargestellte 2.926 Streitfrage keiner Entscheidung, wenn die Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB festgestellt werden können.1287) VII. These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich 1.

Meinungsstand

a) These. Im Schrifttum wurde vereinzelt postuliert, der Getränkelieferant habe 2.927 einen Anspruch auf Zahlung eines Investitionskostenausgleichs, wenn das Mengenziel nicht erreicht worden sei. Die Frage des Verschuldens „an der Störung der Geschäftsgrundlage spiele dabei keine Rolle.“1288) Im Unterschied zur These vom Anspruch sui generis setzt diese Auffassung allerdings die Vereinbarung einer Sollbezugsmenge voraus.1289) Dabei sei das Lösungsmodell „weniger im rechtlichen Bereich anzusiedeln, sondern es sei eine kaufmännisch-kalkulatorische Regelung vorzunehmen“.1290) Als Beispiel wird folgende Klausel angeführt: „Der Gastwirt und die Brauerei 2.928 gehen einvernehmlich davon aus, dass in der Absatzstätte jährlich mindestens x hl Bier abgesetzt werden können. Bei Unterschreitung dieser Bezugsmenge ist die Brauerei unabhängig von einem Verschulden des Gastwirts zur Wiederherstellung der Angemessenheit ihrer bereits erbrachten vertraglichen Leistungen berechtigt, für jeden hl Bier, um den die Bezugsmenge unterschritten wird, eine Ausgleichszahlung in Höhe von y € zu verlangen. Wird die Bezugsmenge überschritten, erhält der Gastwirt einen Bonus von z € pro mehr bezogenem hl.“1291) b) Kritik. Der vorgeschlagene Weg mag betriebswirtschaftlich sinnvoll sein. 2.929 Juristisch kann er keinen Bestand haben. Die vorgetragene Argumentation ist nicht nur mangels hinreichender Belege nicht nachprüfbar, sondern auch durchgängig angreifbar. Sie beruht auf einem Wunschdenken und läuft nicht selten ___________ 1286) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936 (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB); OLG Naumburg, Urt. v. 7.9.1995 – 2 U 6/93, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 281/95 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469, LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1287) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. Siehe unten § 31 VII m. w. N. 1288) Nöller, Brauwelt 2011, 1184, 1185, 1186. 1289) Nöller, Brauwelt 2011, 1184. 1290) Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1291) Nöller, Brauwelt 2011, 1184; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJWRR 1995, 1517. Ähnlich OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024, allerdings ohne Bezugsverpflichtung.

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§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

auf Zirkelschlüsse hinaus. Unverständlich ist, dass die dem Verfasser wohl bekannt sein dürfende Entscheidung des OLG Frankfurt hierzu vom 13.11.20071292) weder berichtet noch berücksichtigt wird. 2.

Grundsatz

2.930 Es ist zwar richtig, dass im Rahmen der Vertragsfreiheit auch „nicht normierte Vertragsgestaltungen“1293) denkbar sind. Aber auch insofern gelten die Schranken der Inhaltskontrolle im Allgemeinen und im Besonderen. 3.

Parallele zur These vom Anspruch sui generis

2.931 Soweit diese Ansicht inhaltsgleiche Begründungen wie die These vom Anspruch sui generis enthält, kann auf die vorstehenden Ausführungen, insbesondere zur behaupteten gemeinsamen Kalkulation, zum Vorrang des Rechtsfolgenregimes des § 313 BGB – hier Kündigung und nicht Ausgleichszahlung – sowie der Verschuldensabhängigkeit,1294) verwiesen werden.1295) 4.

Abgrenzung

2.932 Selbst das OLG Frankfurt nimmt in seiner Entscheidung vom 13.11.2007 eine Schadensersatzpauschale an.1296) 5.

Ausschluss der Inhaltskontrolle

2.933 Die These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich läuft im Ergebnis auf einen Ausschluss der Inhaltskontrolle der zugrunde liegenden AGB-Klausel hinaus. Dieses ist nur im Rahmen des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB denkbar. 2.934 Unter § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB fallen nach der Rechtsprechung weder Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung regeln, noch solche, die das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen.1297) Hat die Regelung hingegen kein Entgelt für eine Leistung, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicherweise Grundlage erbracht wird, zum Gegenstand, sondern wälzt der Verwender durch die Bestimmung allgemeine Betriebskosten, den Aufwand zur Erfüllung seiner Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab, so ist sie kontrollfähig. Solche (Preis-)Nebenabreden werden durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der AGB___________ 1292) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1293) So die Formulierung von Nöller, Brauwelt 2011, 1184. 1294) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1295) Siehe oben § 19 VI 4 f m. w. N. 1296) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1297) BGH, Urt. v. 7.6.2011 – XI ZR 388/10, NJW 2011, 2640 = ZIP 2011, 1299.

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VII. These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich

Kontrolle entzogen.1298) Im Übrigen liefe es im Ergebnis auf eine Kontrollfreiheit praktisch jeder neben die Hauptleistung tretende Entgeltregelung hinaus. Entscheidend ist, ob es sich bei der in Rede stehenden „Gebühr“ um die Festlegung des Preises für eine vom Klauselverwender angebotene vertragliche Leistung handelt.1299) 6.

Verstoß gegen die vertragstypische Risikoverteilung

Zu fragen ist, ob die These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich 2.935 nicht bereits deshalb fehl geht, weil sie gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstößt. a) Grundlagen. Die Vorschrift gilt auch im Verkehr zwischen Unternehmern. 2.936 Sie greift tatbestandlich ein, wenn die grundsätzliche Lasten- und Risikoverteilung in Frage gestellt ist.1300) Der Vertragszweck ist gefährdet, wenn der Verwender durch eine Klauselgestaltung versucht, sich von wesentlichen Risiken freizuzeichnen, die nach dispositivem Recht oder diesem gleichzustellenden Richterrecht in seinen Gefahrenbereich fallen.1301) b) Risikoverteilung. Dass der Getränkelieferant zu Beginn der Geschäftsbe- 2.937 ziehung in Vorleistung geht und damit auch das entsprechende Vorleistungs-/ Investitionsrisiko trägt, mag zwar betriebswirtschaftlich bedenklich sein. Juristisch ist es aber der Rechtfertigungsgrund dafür, dass Getränkelieferanten überhaupt langfristige Ausschließlichkeitsverträge über Getränke abschließen dürfen. Der Umstand der Vorleistungen seitens der Getränkelieferanten und der Gedanke der Amortisation dieser Leistungen sind prägend für die gesamte Rechtsprechung zum Getränkelieferungsrecht. Er spiegelt sich auch in dem Umstand, dass das Vorleistungsrisiko ursprünglich durchweg durch die Getränkelieferanten schon deshalb getragen wurden, weil die finanziellen Leistungen nicht getilgt, sondern über Abschreibungen pro Getränkeeinheit bzw. gewährte und einbehaltene Rückvergütungen zurückgeführt wurden.1302) Zu fragen ist, ob der Getränkelieferant einen Anspruch darauf hat, sein Vor- 2.938 leistungsrisiko zu reduzieren,1303) innerhalb der Laufzeit des Vertrages seine Investition zu amortisieren oder jedenfalls bei Vertragsende als „fehlgeleitete ___________ 1298) Ständige Rechtsprechung, u. a. BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = NJW 2009, 2379 = ZIP 2009, 908; BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263; BGH, Urt. v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13, BGHZ 199, 281 = NJW 2014, 922 = ZIP 2014, 259; BGH, Urt. v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, BeckRS 2015, 03939. 1299) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801 = ZIP 2011, 263. 1300) Siehe oben § 7 III 3 m. w. N. 1301) Palandt-Grüneberg, BGB, § 307 Rz. 31 – 38. 1302) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 1303) So Nöller, Brauwelt 2011, 1184.

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§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

Leistung“1304) wegen Zweckverfehlung zurückzufordern. Allerdings ist das Rechtsfolgenregime des § 313 BGB vorrangig zu § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB.1305) Dass der Getränkelieferant das Vorleistungsrisiko zu tragen hat, ist für den Getränkelieferungsvertrag konstitutiv, weil nur für diesen Fall eine (Ausschließlichkeits-)Bindung zulässig ist. Anderenfalls wäre der Vertrag bereits von Anfang an nichtig (§§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).1306) Mit der Minderabnahme realisiert sich das unternehmerische Risiko des Getränkelieferanten.1307) Dies auch dann, wenn es sich nicht um eine Abschreibungs- oder Rückvergütungsgutschriftenfinanzierung, sondern um eine Tilgungsfinanzierung handelt. 2.939 c) Folgenbetrachtung. Nimmt man die von der Gegenmeinung genannte Begründung, es ergebe sich aus der Natur der Sache, dass keiner der Vertragspartner genau wisse, ob der Wiederverkäufer als Gegenleistung die vereinbarte Getränkemenge während der Vertragszeit auch abnehme,1308) dann liefe diese Auffassung auf eine Garantiehaftung hinaus. Auch insofern bestehen die bereits angeführten Bedenken.1309) 2.940 Hinzu kommt, dass in der Praxis nicht selten lediglich ein Minderbezug in Form des Graubezuges vorliegt. Dabei werden die gebundenen Getränke unter Nichteinhaltung des (im Vertriebsmodell 2) vorgegebenen Vertriebsweges unter Vermeidung von Kostenbelastungen des Getränkefachgroßhändlers durch Zahlung von hl-bezogenen Kostenbeteiligungen geliefert. Damit werden Rückvergütungspotentiale im Verhältnis Getränkefachgroßhändler-Gastwirt gehoben. Zu fragen ist, ob die wirtschaftliche Nichteffektivität der gewählten Vertriebsart verschuldensunabhängig zu Lasten des Gebundenen abgesichert werden darf. Dies ist zu verneinen. 2.941 Sollte sich hinter einer verschuldensunabhängigen Mindermengenausgleichsregelung tatsächlich ein Fremdbezug verbergen, so dürfte das Vorgenannte erst recht gelten. 7.

Transparenzgebot

2.942 a) Wird die Art und Weise der Anpassung der vertraglichen Leistungen offengelassen1310) oder unklar geregelt, so liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. ___________ 1304) So Nöller, Brauwelt 2011, 1184, unter Hinweis auf das Bereicherungsrecht, allerdings ohne Belege. 1305) Ständige Rspr. des BGH, u. a. BGH, Urt. v. 17.6.1992 – XII ZR 253/90, NJW 1992, 2690. 1306) Siehe oben u. a. § 9 I m. w. N. 1307) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 12, zum Automatenaufstellvertrag; OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588 (Automatenaufstellvertrag). 1308) So Nöller, Brauwelt 2011, 1184. 1309) Siehe oben § 19 VI 4 g m. w. N. 1310) So richtig Nöller, Brauwelt 2011, 1185 f.

342

VII. These vom Anspruch auf Investitionskostenausgleich

b) Kumulation. Zwar muss der Vertragspartner wissen, ob er neben einer Scha- 2.943 denspauschale einen weiteren konkreten Schadensersatz zu zahlen hat. Zu weit dürfte aber die Forderung gehen, anderenfalls wegen Intransparenz eine Unwirksam anzunehmen.1311) 8.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

a) Der nicht belegte Hinweis auf Regelungen beim Leasing von Kraftfahrzeugen 2.944 geht mangels Vergleichbarkeit fehl. Weiterhin ist er den vorstehend angesprochenen Bedenken ausgesetzt. b) Eine Kompensation durch die Gewährung eines Bonus hilft insofern nicht. 2.945 Zum einen gibt es im Rahmen der Inhaltskontrolle nach AGB-Recht grundsätzlich keine Kompensation.1312) Zum anderen könnten und sollten die Beträge von Malus und Bonus deutlich voneinander abweichen.1313) Häufig dürfte es insofern an einer transparenten Klauselgestaltung fehlen. c) Anrechnung. Nach der Gegenauffassung soll der Getränkelieferant bei einem 2.946 verschuldeten Minderbezug stets Schadensersatz verlangen können.1314) Eine Anrechnung sieht die zugrunde gelegte Klausel aber nicht vor. Da in beiden Fällen die Finanzierungskosten eingestellt werden, führt auch dies zur Klauselnichtigkeit. 9.

Höhe der Ausgleichszahlung

a) AGB-Klausel. Entgegen der These vom Anspruch auf Investitionskosten- 2.947 ausgleich ist die Findung der Höhe der Ausgleichszahlung nicht zwingend individuell ausgehandelt.1315) In der Praxis finden sich auch insofern Pauschalierungsklauseln. Die Ausgleichsregelung erfüllt durchweg die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Angabe zur Höhe derselben muss unter den Voraussetzungen der §§ 305b, 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nachweislich und anfänglich individuell ausgehandelt worden sein. b) Grenzen der §§ 309 Nr. 5 a und b BGB. Wenn aus Gründen der Verein- 2.948 fachung gerundete oder angenäherte Malusbeträge angenommen werden, sind die Grundsätze über eine zulässige Pauschalierung über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB erst recht zu beachten.1316) ___________ 1311) So aber OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; Nöller, Brauwelt 2011, 1186 f. 1312) Siehe oben § 7 V 6 a sowie § 19 VI 4 j, jeweils m. w. N. 1313) Insofern zutreffend Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1314) Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1315) So aber die Annahme von Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1316) Kritisch zur 50 %-Pauschale OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; im Ergebnis blieb die Frage offen.

343

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

10.

Verjährung

2.949 Zu Fragen der Verjährung wird auf die Rechtsprechung verwiesen.1317) VIII. Kumulative Sanktionen 1.

Inhalt

2.950 Gelegentlich finden sich Klauseln, in denen ein Malus in ein umfassenderes Sanktionensystem eingebettet ist.1318) 2.951 Zu denken ist auch an die Formulierung „Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben vorbehalten.“1319) 2.

Einbeziehung

2.952 Enthalten Getränkelieferungsverträge sowohl eine Regelung zum Mindermengenausgleich als auch zum Schadensersatz und wird das Verhältnis der Klauseln nicht eindeutig geregelt, so könnte es bereits wegen Widersprüchlichkeit an einer wirksamen Einbeziehung fehlen (§ 305c Abs. 2 BGB).1320) 3.

Verschuldenserfordernis

2.953 Unabhängig davon, ob man die Mindermengenausgleichsregelung als Schadensersatz1321) oder als Vertragsstrafe1322) einordnet, ist das Leitbild des Verschuldens zu beachten.1323) Dies muss erst Recht in der Situation der Kumulation von Sanktionen gelten. 2.954 Ein Nicht- oder Fremdbezug muss nicht per se schuldhaft sein. Jedenfalls ist für den Tatbestand des Nichtbezuges nicht absehbar, aus welchen Gründen der Getränkebezug unterblieb. Es kann durchaus Fälle geben, in denen der Gastwirt nicht einmal aus Fahrlässigkeit keine Getränke von dem Getränkelieferan___________ 1317) LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06. 1318) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1319) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1320) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 1321) Siehe oben § 19 III 1 m. w. N. 1322) Siehe oben § 19 IV 1 m. w. N. 1323) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024.

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VIII. Kumulative Sanktionen

ten bezieht. Dabei ist es auch nicht Sache des Vertragspartners des Verwenders, derartige Sachverhalte im Vorhinein theoretisch zu konstruieren. Entscheidend ist vielmehr, dass die angesprochene Bestimmung eine Prüfung des Verschuldens nicht voraussetzt und sich eine solche auch nicht im Wege der Auslegung ergibt.1324) 4.

Tranparenzgebot

Manche Mindermengenausgleichsregelungen lassen auch nicht klar erkennen, 2.955 in welchem Verhältnis etwa eine Schadensersatzverpflichtung zu einer Zahlungsverpflichtung wegen Minderbezuges steht. Das Transparenzgebot verlangt insofern, dass der Verwender die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darstellt.1325) Unerheblich ist, ob der Getränkelieferant in der Vergangenheit nur nach einer der denkbaren Anspruchsgrundlagen abgerechnet hat. Dem Transparenzgebot entspricht es nämlich nicht, wenn nach dem Wortlaut zwei oder mehrere Klauseln kumulativ anwendbar sind, wenn der Gastwirt kein Bier bezogen hat.1326) Kann der Getränkelieferant für den Fall, dass die Mindestabsatzerwartungen unterschritten wurde, sowohl eine Ausgleichszahlung als auch Schadensersatz verlangen und lässt der Wortlaut der Vereinbarung offen, wie die Sanktionen zueinander stehen, ob eine Anrechnung stattfindet und ob ein zwingendes Oder-Verhältnis zwischen den Klauseln besteht, so liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.1327) 5.

Kumulationsverbot

a) Grundsatz. Insbesondere im Zusammenhang mit der Vertragsstrafe ist an- 2.956 erkannt, dass mehrere Sanktionsmöglichkeiten nicht kumulieren dürfen.1328) Das Nebeneinander von Klauseln, die Schadensersatz wegen Minderabnahme und pauschalierten Schadensersatz beinhalten, ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB kann dann vorliegen, wenn die Sanktionen für den Fall der Nicht-/Schlechterfüllung des Getränkelieferungsvertrages (Schadensersatz, Vertragsstrafe, Kündigung) so aus-

___________ 1324) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1325) BGH, Urt. v. 9.5.2001 – IV ZR 121/00, BGHZ 147, 354 = NJW 2001, 2014 = ZIP 2001, 1052. Siehe oben § 19 III 5 a m. w. N. 1326) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1327) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266, spricht das Problem nicht an; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag), konnte offen lassen. Wie hier OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 1328) Siehe oben § 19 IV 7 m. w. N.

345

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

gestaltet sind, dass sie zwar nicht tatsächlich, aber theoretisch kumulativ geltend gemacht werden können.1329) 2.957 Auch wenn die Zielsetzung der Vereinbarung eines Bonus bzw. Malus bei Überbzw. Unterschreitung einer bestimmten Abnahmemenge darin besteht, einen Anreiz zum Bezug der Getränke zu schaffen und damit den Gewinn zu sichern, so kommt es gleichwohl beim Zusammentreffen des Malus wegen Minderbezuges mit der Schadensersatzverpflichtung bei Fremdbezug, für die gleichfalls berechtigte Interessen des Getränkelieferanten bejaht werden können, zu einem nicht gerechtfertigten Vorteil des Getränkelieferanten und einem entsprechenden Nachteil des Vertragspartners dadurch, dass der Getränkelieferant sowohl den Ersatz seines Schadens als auch die Zahlung des Malus beanspruchen kann. Der Vertrag müsste daher nach Treu und Glauben einer Anrechnung des Malus auf den zu leistenden Schaden vorsehen. Ist dies nicht der Fall, so ist die Malusregelung unwirksam.1330) 2.958 b) Die in einem Abrechnungsschreiben vorgenommene Beschränkung auf die Geltendmachung eines Schadensersatzes steht dem Unwirksamkeitsverdikt nicht entgegen. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass es auf die Handhabung und Auswirkungen der Bestimmung im Einzelfall nicht ankommt. Maßgeblich ist allein, welche Verfahrensmöglichkeiten die unwirksame Bestimmung nach Wortlaut und Sinn erlaubt.1331) 2.959 Es kommt also nicht darauf an, dass der Getränkelieferant der Auffassung ist und diese ggf. im Prozess auch vorträgt, dass eine Anrechnung vorzunehmen wäre. Bei der Überprüfung der Klausel spielt nur der Wortlaut eine Rolle, der ggf. für eine Anrechnung nichts hergibt. Selbst wenn das dem Wortlaut nach unklar wäre, ginge dies gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Getränkelieferanten.1332) IX.

Vorbehalt der Gesamtmengenabrechnung bei Vertragsablauf

1.

Situation

2.960 Einige Ausgleichsregelungen sehen vor, dass während der Vertragslaufzeit angefallene Mindermengen allgemein oder auch nur auf Wunsch des Gastwirts1333) vorgetragen werden und eine Verlängerung des Vertrages verlangt werden kann. Nicht selten verzichtet der Getränkelieferant dann jedenfalls faktisch auf die Geltendmachung periodischer Mindermengenausgleichsbeträge und verlangt ___________ 1329) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02. 1330) LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02. 1331) Siehe oben § 7 V 8 b m. w. N. 1332) AG Frankfurt/M., Urt. v. 23.8.2002 – 301 C 572/02 (98) als Vorinstanz zu LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02. 1333) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453.

346

IX. Vorbehalt der Gesamtmengenabrechnung bei Vertragsablauf

diese erst bei Vertragsende, häufig für mehrere Jahre rückwirkend, indem er sich auf die neben der jährlich vereinbarten Jahresmindestbezugsmenge auch vereinbarte und mit dieser ggf. nicht zwingend identische Gesamtabnahmemenge stützt. 2.

Abgrenzung

Unbedenklich sind insofern Minderausgleichsregelungen, die sich auf eine (Ge- 2.961 samt-)Menge beziehen ohne Unterlegung durch periodisch (jährliche) Mindestabnahmeverpflichtungen.1334) 3.

Abrechnung

Grundsätzlich begründet das Periodenende die Verpflichtung des Getränkeliefe- 2.962 ranten, etwaige Fehlmengen zeitnah zu ermitteln und abzurechnen. In diesem Zusammenhang finden sich gelegentlich Klauseln, nach denen die Abrechnung des Mindermengenausgleichs nicht nur bei Mengenverträgen, sondern auch bei Verträgen mit Kalender-/Vertragsjahresbezug erst mit Ende des Vertrages erfolgen kann. Teilweise sind entsprechende Regelungen an verschiedenen Stellen und damit wiederholt zu finden. Soweit es sich nicht um reine (Gesamt-)Mengenverträge handelt, können sich rechtliche Bedenken erheben.1335) 4.

Einbeziehung

Es könnte bereits an einer wirksamen Einbeziehung fehlen. Zu denken ist an die 2.963 Einbeziehungshürde der überraschenden Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB, im Übrigen an die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. 5.

Hinausschieben der Fälligkeit

Die vertraglich vereinbarte Gesamtmengenabrechnung am Laufzeitende gibt 2.964 dem Getränkelieferanten das Recht, Minderbezüge insgesamt erst am Vertragsende abzurechnen. Dem Gebunden räumt sie ggf. hinsichtlich der Teilperioden die „Einrede späterer Erfüllung“ ein. Ausgleichsansprüche wegen jährlich vereinbarten Mindestbezuges werden mit 2.965 Ablauf eines jeden Jahres fällig (§ 271 Abs. 1 BGB).1336) Zwar könnte man insofern an die Möglichkeit der Leistungsbestimmung und damit des Hinausschiebens des Zeitpunkts für die Leistung nach § 271 Abs. 1 Fall 1 BGB denken. Ggf. ist auch im Unternehmerverkehr § 308 Nr. 1 BGB zu beachten.1337)

___________ 1334) Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1335) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081. 1336) OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081. 1337) Erman-Roloff, BGB, § 309 Rz. 12.

347

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

2.966 Aber auch gegenüber Unternehmern müssen sich gem. §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Klauseln im Rahmen des Angemessenen halten. Dies dürfte jedenfalls deshalb zweifelhaft sein, weil einerseits Bezugspunkt ein Zeitraum ist, der beispielsweise bei einem Zehnjahresvertrag einem Zehntel der Gesamtlaufzeit entspricht, die Klausel aber andererseits dem Getränkelieferanten die Option eröffnet, den Ausgleichsbetrag insgesamt erst zum Vertragsende nach zehn Jahren abzurechnen. Der in der Abrechnung des jährlichen Minderbezuges liegende Appell an den Gastwirt, sich vertragskonform zu verhalten, verhallt daher ggf. ungehört. Dieser läuft Gefahr, sich am Ende der vertraglich vereinbarten Zeit der Zusammenarbeit einem hohen, weil kumulierten Ausgleichsanspruch des Getränkelieferanten für die Gesamtlaufzeit ausgesetzt zu sehen. Dies erscheint nicht interessengerecht und ist zudem unangemessen.1338) 6.

Gesetzliches Leitbild

2.967 a) Vorbehalt. Soweit es sich bei der Malusklausel um eine Vertragsstrafe handeln sollte,1339) dürfte § 341 Abs. 3 BGB zu beachten sein. Eine Klausel, die in Abweichung von § 341 Abs. 3 BGB auf das Erfordernis des Vorbehalts der Vertragsstrafe völlig verzichtet, hält der Inhaltskontrolle nicht stand.1340) Da die Rechtsprechung § 341 Abs. 3 BGB hinsichtlich des Zeitpunktes allerdings nur als Zweckmäßigkeitsvorschrift ansieht,1341) ist eine Regelung in AGB, die den Vorbehalt auch noch nach der Erfüllungsannahme bis zur Schlusszahlung zulässt, wirksam.1342) 2.968 b) Verjährung. Jedenfalls seit der Schuldrechtsreform gehört das gesetzliche Verjährungsrecht mit der Regelverjährung von drei Jahren zum gesetzlichen Wertungsmodell.1343) Gibt die Mindermengenausgleichsregelung dem Getränkelieferanten die Option, nach seiner Wahl die Ausgleichszahlung entweder jährlich oder bei Beendigung des Vertrages in Rechnung zu stellen, so wird dem Gebundenen im Ergebnis die Möglichkeit genommen, gegenüber einzelnen Abrechnungen den Verjährungseinwand mit Erfolg zu erheben. Dies dürfte im Hinblick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig sein. Die Klausel ermöglicht es dem Getränkelieferanten, noch viele Jahre nach Ende der jeweiligen Abrechnungsperiode längst abgelaufene Abrechnungszeiträume in Ansatz zu bringen.

___________ 1338) Palandt-Grüneberg, BGB, § 308 Rz. 10. 1339) Siehe oben § 19 IV 1 m. w. N. 1340) BGH, Urt. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 = NJW 1983, 385. 1341) BGH, Urt. v. 12.10.1978 – VII ZR 139/75, BGHZ 72, 222 = NJW 1979, 212. 1342) BGH, Urt. v. 12.10.1978 – VII ZR 139/75, BGHZ 72, 222 = NJW 1979, 212; BGH, Urt. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 = NJW 1983, 385. 1343) Palandt-Grüneberg, BGB, § 307 Rz. 29.

348

IX. Vorbehalt der Gesamtmengenabrechnung bei Vertragsablauf

7.

Transparenzgebot

Wird die Art und Weise der Anpassung der vertraglichen Leistungen während 2.969 der Gesamtlaufzeit offengelassen oder unklar geregelt, so liegt ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.1344) 8.

Malus-Bonus-Verrechnung

Eine Verpflichtung zum Ausgleich über längere Zeiträume besteht nur bei einem 2.970 (Gesamt-)Mengenvertrag. Sieht der Getränkelieferungsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vor, so besteht kein Anspruch des Gebundenen, dass in einem Jahr angefallene Malusbeträge mit eventuellen, zumal potentiellen Bonusbeträgen aus dem Folgejahr verrechnet werden. Auch aus §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich nichts anderes. Dies ist eine zwingende Folge des Umstandes der Wahl der jeweiligen Abrechnungsperiode. Im Übrigen begründet eine unternehmerische Fehlentscheidung des Gastwirts weder eine Unwirksamkeit des Vertrages noch ein Recht zu dessen Kündigung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Nichterreichbarkeit der Abnahmemenge für den Getränkelieferanten bei Vertragsabschluss offensichtlich gewesen sein sollte. Hierfür ist der Gastwirt darlegungs- und beweispflichtig.1345) Im Übrigen steht auch bei periodischen Mindestbezugsmengen, insbesondere 2.971 jährlichen Mindestbezugsmengen, der Anfall eines Bonus unter der Voraussetzung, dass die Gesamthektoliterbelastung des Getränkelieferanten zum Wegfall gekommen ist. Dies setzt naturgemäß das Erreichen der Gesamtmindestabnahmemenge voraus, die sich ggf. aus einer Multiplikation der vereinbarten Jahresmindestbezugsmenge mit der Laufzeit ergibt. 9.

Verlängerung

a) Läuft die Regelung im Ergebnis auf eine Verlängerung der die zulässigen 2.972 Laufzeitgrenzen ausschöpfenden Dauer des Getränkelieferungsvertrages hinaus, so endet die Bezugsbindung mit Zeitablauf, ohne dass es darauf ankommt, ob die Menge abgenommen ist.1346) Unzulässig ist daher eine Verlängerung der Laufzeit für den Fall des Nichterreichens der vereinbarten periodischen (Mindest-)Abnahmemenge.1347) ___________ 1344) A. A. Nöller, Brauwelt 2011, 1186. 1345) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. Insofern zutreffend Nöller, Brauwelt 2011, 1184. 1346) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 1347) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. Siehe oben § 11 II 3 m. w. N.

349

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

2.973 b) Einbeziehung und Transparenz. Zweifel gehen insofern gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Getränkelieferanten. Im Übrigen wäre auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt.1348) 2.974 c) Das Kumulationsverbot dürfte jedenfalls dann verletzt sein, wenn aufgrund der Mindermengenausgleichsregelung in Verbindung mit anderen Regelungen des Vertrages eine Verpflichtung des Gastwirts sowohl zur Zahlung des Mindermengenausgleichs als auch zur Abnahme der in Rede stehenden Menge (Erfüllung) anzunehmen ist.1349) 2.975 Unangemessen benachteiligend ist beispielsweise eine Kumulation von Sanktionen bei Unterschreitung der jährlichen Mindestabnahmemenge, konkret einer Ausfallentschädigung in Höhe von 15,00 €/hl je nicht abgenommenen hl, das Recht zur Teilkündigung des Darlehens sowie eine Verlängerung der Abnahmeverpflichtung bis zum Erreichen der Gesamtmindestabnahmemenge.1350) X.

Nachverzinsung

1.

Situation

2.976 Gelegentlich sehen Getränkelieferungsverträge für den Fall der Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten (Jahres-/Gesamt-)Mindestabnahmemenge die Möglichkeit einer Nachverzinsung vor.1351) Praktisch wird diese Frage insbesondere bei Abschreibungs- und Zuschussfinanzierungen.1352) 2.

Einbeziehung

2.977 Wird in einem Getränkelieferungsvertrag die Finanzierung ggf. auch wiederholt als „zinslos“ bezeichnet und eröffnet der Vertrag gleichwohl die Möglichkeit, die (interne) Zinsbelastung zu berechnen, so ergibt bereits die Auslegung (§§ 133, 157; § 305c Abs. 1 BGB), dass es an einer wirksamen Einbeziehung fehlt. 3.

Transparenz

2.978 Tritt eine Verzinsungspflicht für einen Investitionskostenzuschuss erst dann ein, wenn bei Vertragsende bzw. vorzeitigem Vertragsende dieser nicht voll-

___________ 1348) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912. 1349) LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02; zu einer Vertragsstrafenklausel mit einer Mindestabnahmeverpflichtung von 1.000 hl. 1350) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler). 1351) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1352) LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287.

350

X. Nachverzinsung

ständig abgeschrieben sein sollte, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).1353) 4.

Inhaltskontrolle

a) Rechtsprechung. Für den Fall, dass eine Kündigungsklausel das Recht der 2.979 Nachverzinsung vorsieht, ohne dass die Getränkebezugsverpflichtung mit der Kündigung zum Wegfall kommt, wurden Wirksamkeitsbedenken geäußert.1354) Ebenso entschied das OLG Koblenz in einem Fall, in dem der Gastwirt im Falle einer zu geringen Bierabnahme Zinsen nicht nur auf den – mangels ausreichender Abnahme – nicht ordnungsgemäß getilgten (abgeschriebenen) Darlehensteil, sondern auch auf den Darlehenssaldo insgesamt und damit rückwirkend zu zahlen hatte.1355) Das OLG München ließ es dagegen dahingestellt bleiben, ob die bei Unterschreitung des vorausgesetzten Bezugs eintretenden vertraglichen Folgen (Verzinsung des Darlehens, pauschalierter Schadensersatz) bereits zu einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (§ 138 Abs. 1 BGB) führen können. Die Frage, ob bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Abnahmeverpflichtung eine Zinsanpassung für die gesamte Restlaufzeit des Darlehens auszulösen vermag, konnte das OLG München ebenfalls offenlassen, weil jedenfalls ein mehrmonatiger Minderbezug anzunehmen war.1356) b) Stellungnahme. Grundsätzlich können gegenüber Ansprüchen auf Nachver- 2.980 zinsung keine durchgreifenden Wirksamkeitseinwände erhoben werden. Wird ein Abschreibungsdarlehen oder ein Zuschuss innerhalb der Vertragslaufzeit durch Getränkebezug nicht vereinbarungsgemäß getilgt, so erscheint es interessengerecht, auf den nicht zurückgeführten Darlehensteil bzw. den nicht abgeschriebenen Zuschuss ab Auszahlung Zinsen berechnen zu können. Allerdings ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Nachverzinsungsklausel das geltende Verjährungsregime berücksichtigt. Ggf. dürften sich über § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dieselben verjährungsrechtlichen Einwände erheben, die gegen den Vorbehalt der Gesamtfehlmengenabrechnung vorgetragen werden können. Dies jedenfalls dann, wenn die Regelung es ermöglicht, nicht abgerechnete und damit auch verjährungseinredebehaftete Teilperioden am Vertragsende kumulativ abzurechnen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).1357) Ist die Klausel dagegen eindeutig – sonst könnte § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eingreifen – so zu verstehen, dass sich die Nachverzinsung nur auf die letzten drei Jahre bezieht, hält sie einer In___________ 1353) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 1354) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. Zu denken ist an §§ 305b, 305c Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 2, 307 Abs. 1 Satz 2 und Satz 1 BGB. 1355) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 1356) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. Dort auch zur Frage einer eventuellen Verjährung oder Verwirkung. Ebenso LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1357) Siehe oben § 19 IX 6 b m. w. N.

351

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

haltskontrolle stand. Eine entsprechende Abrechungspraxis ist wie stets nicht ausreichend. 5.

Prozessuales

2.981 Ggf. ist durch Auslegung der Klageschrift zu ermitteln, ob es sich nicht um gesetzliche Zinsen handelt. Für ersteres kann eine vertragliche Regelung, für letzteres die Koppelung an den Basiszinssatz sprechen.1358) XI.

Leistungsanpassung

1.

Grundlagen

2.982 Eine Leistungsanpassung kommt zumeist deshalb nicht in Betracht, weil der Gebundene nicht in der Lage ist, die Vorleistungen des Getränkelieferanten an diesen zurückzuerstatten, insbesondere zurückzuzahlen.1359) 2.

Einbeziehung

2.983 Getränkelieferungsverträge sehen bei Unterschreitung der vereinbarten Jahresmindestbezugsmenge gelegentlich verschiedene Sanktionsmöglichkeiten vor, etwa das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung, das Recht zur Leistungsanpassung oder das Recht zur Teilkündigung. Ausnahmsweise kann es sich um überraschende bzw. versteckte Klauseln handeln.1360) 3.

Inhaltskontrolle

2.984 Keinen Bedenken im Hinblick auf § 138 Abs. 1 BGB bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB begegnet eine Regelung zur Leistungsanpassung, mit Hilfe derer dem Getränkelieferanten ein Teilkündigungsrecht hinsichtlich seiner finanziellen Vorleistungen bei entsprechender Anpassung des Bindungsumfangs ((vereinbarte Jahres-/Gesamt-)Menge und/oder Dauer) eingeräumt wird.1361)

___________ 1358) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 1359) Siehe oben § 19 I 3 b m. w. N. 1360) LG Köln, Urt. v. 17.6.1993 – 1 S 16/93. 1361) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 16.10.1996 – VIII ZR 54/96, WM 1997, 131 (Tankstellenvertrag); KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Duisburg, Urt. v. 7.6.1998 – 17 O. 134/89; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551.

352

XII. Teilkündigung

XII. Teilkündigung 1.

Einführung

Gelegentlich finden sich (vertragliche) Teilkündigungsklauseln, nach denen Ver- 2.985 stöße gegen die (Mindest-)Abnahmeverpflichtung den Getränkelieferanten berechtigen sollen, unter unveränderter Fortgeltung der Bezugsbindung die gewährte Leistung (leihweise Inventargestellung, Darlehen etc.) vollständig oder auch nur teilweise zurückzufordern. Fraglich ist, ob solche Regelungen Bestand haben können. 2.

Inhaltskontrolle

a) Äquivalenzprinzip. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 2.986 BGB ist das Äquivalenzprinzip von Bedeutung. Dagegen wird verstoßen, wenn infolge einer von dem Getränkelieferanten erklärten (Teil-)Kündigung die Leistung desselben vorzeitig zurückzugewähren wäre, ohne dass sich die Bezugsbindung, sei es zeitlich, sei es mengenmäßig, änderte. Im Ergebnis würde dann der Bezugsbindung keine Leistung mehr gegenüberstehen, was zu einer Störung der zwischen Leistungsgewährung und Bezugsverpflichtung bestehenden Äquivalenz (wirtschaftliche Einheit) führte. Eine formularvertragliche Teilkündigungsklausel, nach der der Getränkeliefe- 2.987 rant für den Fall der Nichteinhaltung der Getränkebezugsverpflichtung, insbesondere den Fall des Minderbezuges, zur Kündigung bzw. Fälligstellung der noch offenen Darlehensvaluta bzw. eines gewährten Zuschusses bei gleichzeitigem Fortbestand der Getränkebezugsverpflichtung berechtigt sein soll, soll unangemessen sein (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).1362) Allerdings dürften nach hier vertretener Auffassung keine Wirksamkeitsbedenken gegen die Teilkündigungsklausel vorgebracht werden können, solange diese den Fortbestand der Getränkebezugsverpflichtung unter den Vorbehalt der vollständigen finanz- und sicherheitstechnischen Abwicklung des Finanzierungsteils des Getränkelieferungsvertrages stellt. Für den Fall eines (Gesamt-)Mengenvertrages mit automatischer Verlängerung 2.988 der Abnahmeverpflichtung bei Nichterreichen der Gesamtabnahmemenge blieben bei Unwirksamkeit der Teilkündigungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Interessen des Getränkelieferanten gewahrt. Im Übrigen stehe es diesem ggf. frei, den Verpflichteten auf Abnahme und Bezahlung in Anspruch zu nehmen und bei einem entsprechenden Verzug Ersatz zu verlangen.1363) ___________ 1362) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03, sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; LG Hamburg, Urt. v. 13.12.1989 – 5 O. 270/89, Zeller IV, 285; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 1363) LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551.

353

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

2.989 b) Reichweite. aa) Objektive Reichweite. Gem. § 139 BGB beschränkt sich die Unwirksamkeit allerdings auf die betreffende Vertragsregelung und erfasst nicht den Vertrag im Ganzen.1364) Etwas anderes ergebe sich – äußerst ausnahmsweise – nur dann, wenn die Getränkebezugsverpflichtung durch eine berechtigte Kündigung (§ 314 BGB) seitens des Gastwirts entfallen sei.1365) 2.990 bb) Subjektive Reichweite. Ist der Getränkelieferungsvertrag insgesamt kündbar, so können die Kündigungen auch nur einheitlich gegenüber sämtlichen Vertragspartnern wirksam ausgesprochen werden. Bei der Kündigung handle es sich nicht um eine bloße Fälligstellungskündigung, sondern um ein in ein Dauerschuldverhältnis eingreifendes und dieses verändernde Gestaltungsrecht, das nur einheitlich allen Vertragspartnern gegenüber ausgeübt werden könne. Sei die Kündigung also nicht gegenüber sämtlichen Vertragspartnern wirksam erklärt worden, so sei sie ggf. bereits aus diesem Grunde unwirksam.1366) XIII. Kündigung 1.

Einführung

2.991 Viele Darlehens- und Getränkelieferungsverträge enthalten wegen der großen praktischen Bedeutung des Minderbezuges ein entsprechendes ausdrückliches Kündigungsrecht. Bei Unterschreitung der vereinbarten periodischen, insbesondere jährlichen, Mindestabnahmemenge ist der Getränkelieferant berechtigt, das Tilgungs- oder Abschreibungsdarlehen, ggf. auch den gewährten Zuschuss, mit einer bestimmten Frist zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Verzicht auf seine Lieferrechte zu kündigen und die Restvaluten zur sofortigen Rückzahlung fällig zu stellen. 2.

Einbeziehung und Transparenz

2.992 Ein Kündigungsrecht wegen Unterschreitung der vereinbarten Mindestbezugsmenge wird im Getränkelieferungsvertrag regelmäßig im Zusammenhang mit den Kündigungsrechten im Übrigen geregelt. Dies ist auch sachlich geboten, weil die Mehrzahl der dort genannten Kündigungsrechte im Zusammenhang mit der Nicht- oder Schlechterfüllung des getränkebezugsrechtlichen Teiles des Vertrages stehen. Eines Hinweises im Zusammenhang mit der Vereinbarung der Mindestabnahmemenge oder gar im Zusammenhang mit der Leistungsgewährung bedarf es auch im Hinblick auf §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht.1367) ___________ 1364) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 1365) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 1366) LG Hamburg, Urt. v. 13.12.1989 – 5 O. 270/89, Zeller IV, 285. 1367) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769.

354

XIII. Kündigung

3.

Inhaltskontrolle

a) Grundsatz. Kündigungsklauseln wegen Unterschreitung der wirksam ver- 2.993 einbarten Getränkeabnahmemenge sind jedenfalls dann rechtlich unbedenklich, wenn sie dem Getränkelieferanten das Recht zur Aufkündigung des Vertrages bei Unterschreitung der vereinbarten Getränkemenge um den vertraglich festgelegten Prozentsatz mit angemessener Frist zur Rückzahlung der Darlehensvaluta geben und die Getränkebezugsverpflichtung mit (vollständiger) Rückzahlung der erbrachten Leistung erlischt. Hinreichend ist, wenn die Klausel jedenfalls die Auslegung zulässt, dass die Getränkebezugsverpflichtung mit Rückführung der erbrachten Leistungen erlischt (Vollkündigung). Diese Kündigungsklausel ist interessengerecht. Der Gastwirt kann sich dann bei anderen Getränkelieferanten gegen Übernahme einer neuen Getränkebezugsverpflichtung ein finanzielles Engagement zur Fortführung seines Betriebes beschaffen. Eine entsprechende Regelung stellt sich nicht als nach §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässige Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirts dar.1368) b) Schwere der Pflichtverletzung. aa) Grundlagen. Nicht jede Unterschrei- 2.994 tung der Mindestabnahmeverpflichtung rechtfertigt – auch AGB-rechtlich – eine außerordentliche Kündigung. Ein Getränkelieferungsvertrag kann allein schon deshalb sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) sein, weil der Getränkelieferant sich in ihm die Befugnis ausbedungen hat, selbst bei geringen Vertragsverletzungen das in dem Vertrag vorgesehene Darlehen einzuziehen und trotzdem den Gastwirt an der Getränkebezugsverpflichtung festzuhalten. Nur schwerwiegende Verstöße gegen die (Mindest-)Abnahmepflicht rechtfertigen daher ein fristloses Kündigungsrecht des Getränkelieferanten.1369) bb) Abweichungsgrad. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit einer entspre- 2.995 chenden Klausel bestehen jedenfalls dann nicht, wenn die vereinbarte Menge um den im Vertrag festgelegten Prozentsatz, etwa 25 %, unterschritten worden ist und die Klausel jedenfalls die Auslegung zulässt, dass die Getränkebezugs-

___________ 1368) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 1369) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; LG Köln, Urt. v. 17.6.1993 – 1 S 16/93.

355

§ 19 Sanktionsregelungen bei Minderbezug

verpflichtung mit Rückführung der erbrachten Leistungen erlischt (Vollkündigung).1370) 2.996 Keine Wirksamkeitsbedenken bestehen auch hinsichtlich der Möglichkeit, das Darlehen anteilig zu kündigen, wenn die auf 150 hl Fassbier pro Halbjahr festgelegte Mindestabnahmemenge um mehr als 20 % unterschritten wird. Auch diese Regelung dient dem berechtigten Interesse des Getränkelieferanten an einer Absicherung des Darlehens und hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand.1371) 2.997 cc) Dauer. Die Unterschreitung der vereinbarten Mindestbezugsmenge muss auch zeitlich einen gewissen Umfang erreicht haben.1372) Keine Wirksamkeitsbedenken bestehen gegen Regelungen, wonach der Abweichungsgrad bezogen auf die vereinbarte Abrechnungsperiode erreicht sein muss. In dem häufigen Fall der Vereinbarung einer jährlichen Mindestabnahmeverpflichtung dürfte aber auch eine Unterschreitung der vereinbarten Mindestbezugsmenge im Durchschnitt eines Zeitraums von sechs Monaten zulässig sein. Dies jedenfalls dann, wenn der Abweichungsgrad mindestens 25 % beträgt. 2.998 dd) Mehrmaliger Verstoß. Hinsichtlich einer Klausel, die den Getränkelieferanten bei mehrmaligem Verstoß des Gastwirts gegen eine Mindestabnahmeverpflichtung zur Leistungsanpassung berechtigte, äußerte der BGH keine Bedenken.1373) 2.999 c) Zurechnung. Eine außerordentliche Kündigung (nach § 314 Abs. 1 BGB) setzt nicht zwingend eine Vertrags- bzw. Pflichtverletzung der anderen Seite voraus. Grundsätzlich genügt auch ein sonstiger Grund i. S. d. § 314 Abs. 1 BGB.1374) Selbst dann, wenn der Getränkelieferant den Fall des Minderbezuges selbstständig vertraglich geregelt hat, lässt sich gegen die Wirksamkeit einer entsprechenden Kündigungsregelung im Rahmen der vorstehend skizzierten Aspekte nichts erinnern. Wird dagegen Schadensersatz geltend gemacht (§ 314 Abs. 4 BGB), so haben entsprechende Regelungen das Verschuldenserfordernis zu beachten.1375) 2.1000 In Getränkelieferungsverträgen findet sich vielfach eine vertragliche Regelung des Inhalts, dass die Rechte aus dem Getränkelieferungsvertrag und insbeson___________ 1370) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; LG Dortmund, Urt. v. 9.1.2002 – 10 O. 196/01; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 1371) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 1372) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 1373) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag). 1374) OLG München, Urt. v. 27.2.2008 – 7 U 4932/07, NJW-RR 2009, 57. 1375) Siehe oben § 19 III 4 m. w. N.

356

I. Grundlagen

dere die Bezugsverpflichtung bestehen bleiben, wenn der Gastwirt die Kündigung aus wichtigem Grund zu vertreten hat. Diese Vertragsklausel dürfte auch im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB Bestand haben.1376) d) Rückzahlungsfrist. Bei der Formulierung eines solchen Kündigungsrechts 2.1001 (für den ganzen Vertrag) ist zu bedenken, ob man dem Kunden zwei oder drei Monate Zeit für die unerwartete Rückzahlung des valutierenden Restdarlehens einräumen sollte.1377) Zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist dies aber nicht. Vierter Abschnitt: Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Verbraucherkreditrechts § 20 Das maßgebliche Recht im Zeitablauf I.

Grundlagen

1.

Bedeutung der Alt- und Übergangsvorschriften

Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Getränkelieferungsvertrages als Dauerschuld- 2.1002 verhältnisse und die praktische Bedeutung von Vertrags-/Schuldübernahmen kommt der Ermittlung des zeitlichen Anwendungsbereiches und damit der Abgrenzung der Geltungsbereiche der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben sowie den jeweiligen Übergangsvorschriften besondere praktische Bedeutung zu.1378) Zu denken ist auch an wesentliche Vertragsänderungen, die entweder auf einer Änderungskündigung beruhen oder durch Neuverhandlungen veranlasst worden sind. 2.

Maßgeblicher Zeitpunkt

Mangels besonderer anderer Anordnung im EGBGB gelten die allgemeinen 2.1003 Grundsätze des intertemporalen Rechts. Danach gilt, dass ein Vertrag nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht untersteht, das zur Zeit seiner Entstehung galt.1379) Abzustellen war/ist auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages. Maßgeblich ist daher der Zeitpunkt des Zugangs der jeweils letzten Willenserklärung, sei es des Getränkelieferanten, sei es des Kunden. 3.

Fokussierung

Die rechtliche Ausgestaltung der in diesem Zusammenhang interessierenden 2.1004 Regelungen war immer mangelhaft. Lange Zeit herrschte ein schwer durchschau___________ 1376) LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06. 1377) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287. 1378) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2011 – 7 O. 285/09, BeckRS 2011, 24525. 1379) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB).

357

I. Grundlagen

dere die Bezugsverpflichtung bestehen bleiben, wenn der Gastwirt die Kündigung aus wichtigem Grund zu vertreten hat. Diese Vertragsklausel dürfte auch im Hinblick auf § 307 Abs. 1 BGB Bestand haben.1376) d) Rückzahlungsfrist. Bei der Formulierung eines solchen Kündigungsrechts 2.1001 (für den ganzen Vertrag) ist zu bedenken, ob man dem Kunden zwei oder drei Monate Zeit für die unerwartete Rückzahlung des valutierenden Restdarlehens einräumen sollte.1377) Zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung ist dies aber nicht. Vierter Abschnitt: Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des Verbraucherschutzrechts, insbesondere des Verbraucherkreditrechts § 20 Das maßgebliche Recht im Zeitablauf I.

Grundlagen

1.

Bedeutung der Alt- und Übergangsvorschriften

Im Hinblick auf die Rechtsnatur des Getränkelieferungsvertrages als Dauerschuld- 2.1002 verhältnisse und die praktische Bedeutung von Vertrags-/Schuldübernahmen kommt der Ermittlung des zeitlichen Anwendungsbereiches und damit der Abgrenzung der Geltungsbereiche der maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben sowie den jeweiligen Übergangsvorschriften besondere praktische Bedeutung zu.1378) Zu denken ist auch an wesentliche Vertragsänderungen, die entweder auf einer Änderungskündigung beruhen oder durch Neuverhandlungen veranlasst worden sind. 2.

Maßgeblicher Zeitpunkt

Mangels besonderer anderer Anordnung im EGBGB gelten die allgemeinen 2.1003 Grundsätze des intertemporalen Rechts. Danach gilt, dass ein Vertrag nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seinen Wirkungen dem Recht untersteht, das zur Zeit seiner Entstehung galt.1379) Abzustellen war/ist auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Vertrages. Maßgeblich ist daher der Zeitpunkt des Zugangs der jeweils letzten Willenserklärung, sei es des Getränkelieferanten, sei es des Kunden. 3.

Fokussierung

Die rechtliche Ausgestaltung der in diesem Zusammenhang interessierenden 2.1004 Regelungen war immer mangelhaft. Lange Zeit herrschte ein schwer durchschau___________ 1376) LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06. 1377) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287. 1378) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2011 – 7 O. 285/09, BeckRS 2011, 24525. 1379) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB).

357

§ 20 Das maßgebliche Recht im Zeitablauf

bares Durcheinander.1380) Folgende ausgewählte Hinweise zu den zahlreichen Gesetzesänderungen müssen genügen. Ausgangspunkt der Darstellung ist jeweils das Datum des Inkrafttretens der Änderung. Dabei liegt der Fokus auf dem hinsichtlich des Bindungsteils von Getränkelieferungsverträgen maßgeblichen Regelungen. II.

Rechtsänderungen seit dem 2. November 2002

1.

2. November 2002

2.1005 a) Inkrafttreten und Inhalt. Am 2.11.2002 traten Änderungen u. a. der §§ 355, 495, 505 und 506 BGB a. F. in Kraft (Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) (OLG-VertretungsänderungsG). Damit wurde auch § 495 Abs. 2 BGB a. F. gestrichen, wonach ein Widerruf als nicht erfolgt galt, den der Darlehensnehmer erst nach Empfang des Darlehens erklärte, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht innerhalb von zwei Wochen zurückzahlte. Gravierende Auswirkungen hatte die Einfügung des § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a. F. (dauerhaftes Widerrufsrecht bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung). 2.1006 Die Zweite Verordnung zur Änderung der BGB-InfoV führte ein Formular für die Widerrufsbelehrung ein. Gem. § 14 Abs. 1 BGB-InfoV sollte das Muster (hier gemäß Anlage 2), das nach den Gestaltungshinweisen der BGB-InfoV formuliert worden war, den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a. F. und den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB genügen (Schutzfunktion). Im Übrigen beurteilte sich die Frage der Fehlerhaftigkeit bei Einsatz individuell gestalteter Belehrungen weiterhin nach den gesetzlichen Vorgaben des BGB.1381) 2.1007 b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Für Getränkelieferungsverträge war § 355 BGB a. F. in der Fassung vom 1.8.2002 anwendbar, wenn diese ab dem 2.11.2002 abgeschlossen worden waren (Art. 25 OLG-VertretungsänderungsG). Verträge, die bis zum 1.11.2002 abgeschlossen worden waren, blieben von der Gesetzesänderung unberührt. Die §§ 355, 358 BGB a. F. in der Fassung des OLG-VertrÄndG fanden aufgrund Art. 229 § 9 EGBGB, der Art. 229 § 5 EGBGB vorgeht,1382) auf alle seit dem 2.11.2002 geschlossenen Verträge Anwendung. 2.1008 c) Konsequenzen. Folglich standen Getränkelieferungsverträge, die seit dem 2.11.2002 unter Nichtbelehrung oder fehlerhafter Belehrung abgeschlossen worden sind, unter dem Damoklesschwert der dauerhaften Widerruflichkeit nach § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a. F.

___________ 1380) Palandt-Grüneberg, BGB, Vorbem. vor § 355 Rz. 1. 1381) BT-Drucks. 14/9266, S. 46. 1382) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – XI ZR 94/05, NJW 2006, 3349 = ZIP 2006, 1942.

358

II. Rechtsänderungen seit dem 2. November 2002

2.

11. Juni 2010

a) Inkrafttreten und Inhalt. Vorschriften, die in Umsetzung der (zweiten) 2.1009 Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG1383) durch das VerbrKrRL-UG geändert worden sind, aber nicht Zahlungsdienste betrafen, traten am 11.6.2010 in Kraft (Art. 229 § 22 Abs. 1 EGBGB). Art. 247 EGBGB regelt seitdem die Einzelheiten der umfangreichen Informations-, Unterrichtungs- und Belehrungspflichten vor und während des Vertragsverhältnisses (§ 491a BGB i. V. m. Art. 247 §§ 1 – 5 EGBGB, § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB). Das Gesetz änderte u. a. auch die Bestimmungen der §§ 355, 359 BGB und fügte die §§ 359a, 360 BGB ein. Der Regelungsgehalt von § 14 Abs. 1 – 3 BGB-InfoV fand sich nunmehr in § 360 Abs. 3 BGB a. F. Das für Getränkelieferungsverträge hinsichtlich der bezugsrechtlichen Komponente ggf. maßgebliche Belehrungsmuster wurde als Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB normiert. Die §§ 1, 3 und 14 BGB-InfoV sowie die Anlagen 2 und 3 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGBInfoV wurden aufgehoben. b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB bestimmt 2.1010 als Grundsatz, dass für Verbraucherdarlehensverträge und Ratenlieferungsverträge die bis dahin geltenden Bestimmungen des BGB und der BGB-InfoV anzuwenden sind. Also ist grundsätzlich von einem Bestandsschutz für Altverträge auszugehen. Wie die Formulierung „entstanden“ zeigt, musste die letzte Willenserklärung bis zum 10.6.2010 zugegangen (§ 130 BGB) sein. Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB gilt für die vor dem 11.6.2010 entstandenen Schuldverhältnisse, die von dem vorgenannten Gesetz erfasst werden, aber nicht die Ausführung von Zahlungsvorgängen (Art. 229 § 22 Abs. 1 EGBGB) zum Gegenstand haben, insbesondere Verbraucherverträge mit Widerrufsrecht und Ratenlieferungsverträge.1384) Als Ausnahme dazu ordnet Art. 229 § 22 Abs. 3 EGBGB an, bestimmte neue 2.1011 Vorschriften auch auf vor dem 11.6.2010 entstandene Verbraucherdarlehensverträge anzuwenden, wenn diese unbefristet sind. Hierzu zählen auch Abschreibungsfinanzierungen, bei denen die Vertragsbeendigung ausschließlich von der Abnahme abhängt. Erfasst werden Informations- und Auskunftspflichten des Darlehensgebers wie § 492 Abs. 5 BGB sowie die Rechte des Darlehensgebers und des Verbrauchers gem. §§ 499 und 500 Abs. 1 BGB.1385)

___________ 1383) Diese ersetzte zum 10.6.2010 die erste Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG mit Änderungsrichtlinien 90/88/EWG und 98/7/EG. 1384) Palandt-Ellenberger, BGB, Art. 229 § 22 EGBGB Rz. 3. 1385) Palandt-Ellenberger, BGB, Art. 229 § 22 EGBGB Rz. 3.

359

§ 20 Das maßgebliche Recht im Zeitablauf

3.

30. Juli 2010

2.1012 a) Inkrafttreten und Inhalt. Das VerbrKrRLUÄndG änderte mit Wirkung zum 30.7.2010 insbesondere Art. 247 EGBGB und fügte ein von der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG nicht gefordertes Muster für eine Information über das Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge mit Gesetzlichkeitsfiktion ein. Hinzu kamen insbesondere Anpassungen beim Widerrufsrecht (§§ 492 Abs. 6, 494 Abs. 7, 495 BGB) und Klarstellungen. Erneut geändert wurden die §§ 358 Abs. 2 und 359a BGB. 2.1013 b) Auslauffrist. Um den Darlehensgebern die Verwendung schon gefertigter Muster zu ermöglichen, wurde eine Auslauffrist bis zum 31.12.2010 gesetzt. In diesem Zeitraum fingierte das Gesetz, dass der Kreditgeber seinen Unterrichtungspflichten sowohl durch Verwendung der alten als auch der neuen Muster nachkam (Art. 247 § 2 Abs. 3 Satz 3 EGBGB a. F.). 4.

13. Juni 2014

2.1014 a) Inkrafttreten und Inhalt. Am 13.6.2014 trat das Gesetz zur Umsetzung insbesondere der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (nachfolgend VRRL) vom 20.9.2013 (VRRL–UG) in Kraft. Geändert wurden u. a. die §§ 491, 492, 494, 495, 496, 506, 507, 508 und 510 BGB sowie die Art. 247 §§ 2, 5, 6, 10 – 14 EGBGB und die Anlagen hierzu. Insbesondere wurde das Muster für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge von Anlage 6 zu Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB. Weiter erfolgte aufgrund zahlreicher vorzunehmender Änderungen eine Neufassung der Anlagen. Darüber hinaus sei auf Folgendes hingewiesen: 2.1015 Erstens wurden die Regelungen zu den besonderen Vertriebsformen (§§ 312b ff. BGB) neu geordnet. Der neu eingeführte Begriff „Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ trat an die Stelle der bis dahin vertrauten Haustürgeschäfte. Eingeführt wurden Informationspflichten für alle Verbraucherverträge und besondere Informationspflichten für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, für Fernabsatzverträge und für Verträge über Finanzdienstleistungen (§§ 312a Abs. 2, § 312d und Art. 246, 246a und 246b EGBGB). 2.1016 Zweitens wurde das Widerrufsrecht neu strukturiert und für alle Verbraucherverträge zentral in den Vorschriften der §§ 355 – 361 BGB zusammengeführt, teilweise aber auch grundlegend geändert. § 355 BGB wurde zur Grundnorm des Widerrufsrechts. Als „vor die Klammer gezogene“ Vorschrift trifft sie allgemeine Aussagen zur Widerrufserklärung, zur Widerrufsfrist und zu den Rechtsfolgen des Widerrufs. Nach den einzelnen Vertragstypen differenziert sehen die §§ 356 – 357c BGB Modifikationen hinsichtlich der Widerrufserklärung, der Widerrufsfrist und der Rechtsfolgen des Widerrufs vor. Hinsichtlich der Widerrufsfolgen wurde auf einen Verweis auf das Rücktrittsrecht verzich-

360

II. Rechtsänderungen seit dem 2. November 2002

tet. Ferner hat das „ewige Widerrufsrecht“ grundsätzlich ein Ende gefunden. Von besonderem Interesse sind hier die Regelungen der §§ 355, 356c, 357c BGB. Vorschriften zum verbundenen Geschäft sind in §§ 358 – 360 BGB enthalten nebst einigen ergänzenden Bestimmungen in § 361 BGB. Die Vorschriften des BGB werden durch zahlreiche Einzelvorschriften in Art. 246 EGBGB ergänzt. Nach neuem Recht besteht die Gesetzlichkeitsfiktion unverändert bei Verwendung des Musters der Anlage 7 für die Widerrufsinformation bei Verbraucherdarlehensverträgen. Für Widerrufsbelehrungen gilt diese nur noch für Verträge außerhalb von Geschäftsräumen und für Fernabsatzverträge (Anlage 1 und Anlage 3). Bei allen anderen Belehrungen hat der Unternehmer einen eigenen Text zu verwenden, mit dem der Verbraucher über seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach dem Vorbild der Muster zu Art. 246a und 246b EGBGB belehrt wird. Drittens war die nach § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. bestehende Sonderrege- 2.1017 lung zum Widerruf von Ratenlieferungsverträgen aufzugeben, weil im Direktvertrieb geschlossene Ratenlieferungsverträge von der VRRL erfasst werden. § 510 BGB wurde daher neu gefasst, im Wesentlichen aber nur redaktionell geändert. Die Regelung entspricht § 510 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 BGB a. F. § 510 Abs. 1 BGB enthält nur noch die Definition des Ratenlieferungsvertrages und die grundsätzlich erforderliche Schriftform (§ 510 Abs. 1 Satz 1 BGB a. A.). Nach der Begründung des Gesetzgebers handele es sich um eine maßgeschneiderte Regelung für Ratenlieferungsverträge nach § 510 BGB.1386) Mit der Vorschrift soll ein möglichst weitgehender Gleichlauf von Ratenlieferungsverträgen im Wege besonderer Vertriebsformen und im stationären Handel erreicht werden.1387) Von Bedeutung ist, dass das Verhältnis des Widerrufsrechts aus § 510 BGB zum Fernabsatzrecht und zum Recht der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge umgekehrt wurde. b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Nach Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB ist auf 2.1018 Altverträge grundsätzlich das bisherige Recht anwendbar. Die Altvorschriften hatten noch bis zum 12.6.2014 Gültigkeit. Maßgeblich war wiederum das Wirksamwerden der Annahmeerklärung. Durch die Sonderregelungen in Art. 229 § 32 Abs. 2 und 3 EGBGB wird zur Gleichbehandlung mit Neuverträgen und aus Gründen der Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 43) der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Altverträge übertragen. Das nach Altrecht zeitlich unbefristete Widerrufsrecht (§ 355 Abs. 4 Satz 3 BGB a. F.) erlosch spätestens am 27.6.2015. ___________ 1386) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 74. Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 60 vom 28.2.2014/34. 1387) Begründung Regierungsentwurf BT-Drucks. 17/12637, S. 62. BGBl 2016 Teil I Nr. 12, S. 396 – 441.

361

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

5.

21. März 2016

2.1019 a) Inkrafttreten und Inhalt. Am 21.3.2016 trat das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU1388) in Kraft.1389) § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält eine Legaldefinition von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen. Eine Legaldefinition für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge findet sich in § 491 Abs. 3 Satz 1 BGB. § 491 Abs. 2Satz 2 Nr. 6 BGB soll die Unterscheidung verdeutlichen. In den §§ 505a – 505d BGB sind die Pflichten eines Darlehensgebers zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehensverträgen und die Folgen eines Verstoßes geregelt. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehen gelten erweiterte vorvertragliche Informationspflichten. Nur bei diesen erlischt das Widerrufsrecht bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung nach zwölf Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss (§ 356b Abs. 2 Satz 4 BGB). Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen bleibt das ewige Widerrufsrecht nach § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB bestehen. Der bisherige § 512 BGB a. F. wurde durch § 513 BGB ersetzt. 2.1020 b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Gem. Art. 229 § 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Änderungen im BGB grundsätzlich nur auf Schuldverhältnisse Anwendung, die ab dem 21.3.2016 entstanden sind. 6.

10. Juni 2017

2.1021 Am 10.6.2017 trat das FinanzaufsichtsrechteergänzungsG in Kraft.1390) Von Interesse sind in diesem Zusammenhang die Neufassung des § 505b Abs. 2 Satz 3 BGB sowie die Einfügung einer Ermächtigungsgrundlage in § 505e Abs. 1 BGB und § 18a Abs. 10a KWG zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen.1391) § 21 Sachlicher Anwendungsbereich I.

Ratenlieferungsverträge und Verbraucherkreditrecht

1.

Europarechtliche Vorgaben

2.1022 a) Verbraucherkreditrichtlinie. Die aktuell geltende Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG1392) erfasst Ratenlieferungsverträge nicht. Auch die Vorgänger___________ 1388) Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 60 vom 28.2.2014/34. 1389) BGBl 2016 Teil I Nr. 12, S. 396 – 441. 1390) BGBl 2017 I Nr. 34, S. 1495. 1391) Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung (ImmoKWPLV), Referentenentwurf einer gemeinsamen Verordnung des BMF und BMJV, Stand 21. Juli 2017. 1392) Art. 3 c Halbs. 2, Erwägungsgrund 12.

362

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

5.

21. März 2016

2.1019 a) Inkrafttreten und Inhalt. Am 21.3.2016 trat das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU1388) in Kraft.1389) § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält eine Legaldefinition von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen. Eine Legaldefinition für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge findet sich in § 491 Abs. 3 Satz 1 BGB. § 491 Abs. 2Satz 2 Nr. 6 BGB soll die Unterscheidung verdeutlichen. In den §§ 505a – 505d BGB sind die Pflichten eines Darlehensgebers zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehensverträgen und die Folgen eines Verstoßes geregelt. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehen gelten erweiterte vorvertragliche Informationspflichten. Nur bei diesen erlischt das Widerrufsrecht bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung nach zwölf Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss (§ 356b Abs. 2 Satz 4 BGB). Bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen bleibt das ewige Widerrufsrecht nach § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB bestehen. Der bisherige § 512 BGB a. F. wurde durch § 513 BGB ersetzt. 2.1020 b) Zeitlicher Anwendungsbereich. Gem. Art. 229 § 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Änderungen im BGB grundsätzlich nur auf Schuldverhältnisse Anwendung, die ab dem 21.3.2016 entstanden sind. 6.

10. Juni 2017

2.1021 Am 10.6.2017 trat das FinanzaufsichtsrechteergänzungsG in Kraft.1390) Von Interesse sind in diesem Zusammenhang die Neufassung des § 505b Abs. 2 Satz 3 BGB sowie die Einfügung einer Ermächtigungsgrundlage in § 505e Abs. 1 BGB und § 18a Abs. 10a KWG zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Festlegung von Leitlinien zu den Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen.1391) § 21 Sachlicher Anwendungsbereich I.

Ratenlieferungsverträge und Verbraucherkreditrecht

1.

Europarechtliche Vorgaben

2.1022 a) Verbraucherkreditrichtlinie. Die aktuell geltende Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG1392) erfasst Ratenlieferungsverträge nicht. Auch die Vorgänger___________ 1388) Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.2.2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010, ABl. L 60 vom 28.2.2014/34. 1389) BGBl 2016 Teil I Nr. 12, S. 396 – 441. 1390) BGBl 2017 I Nr. 34, S. 1495. 1391) Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung (ImmoKWPLV), Referentenentwurf einer gemeinsamen Verordnung des BMF und BMJV, Stand 21. Juli 2017. 1392) Art. 3 c Halbs. 2, Erwägungsgrund 12.

362

I. Ratenlieferungsverträge und Verbraucherkreditrecht

richtlinie 87/102/EWG enthielt keine Regelungen für Ratenlieferungsverträge i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 3) BGB. Allerdings sind die Mitgliedstaaten gem. Art. 22 Abs. 1 Richtlinie 2008/48/EG nicht gehindert, weitergehende Bestimmungen zum Schutz des Verbrauchers zu erlassen oder aufrechterhalten, soweit die Richtlinie insoweit keine harmonisierten Vorschriften enthält. Der deutsche Gesetzgeber war und ist damit nicht gehindert, diese Verträge nach seinem Ermessen auszugestalten. Er kann sie insbesondere teilweise wie Kreditgeschäfte behandeln.1393) Die Bestimmung des § 510 BGB ist ebenso wie ihre Vorgängerregelungen (§ 505 BGB a. F., § 2 VerbrKrG, § 1c AbzG) europarechtlich unangreifbar. b) Verbraucherrechterichtlinie. Demgegenüber fallen Ratenlieferungsverträge 2.1023 und damit auch Getränkelieferungsverträge in den sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU. 2.

Rückblick

Ausweislich des Regierungsentwurfs zum VerbrKrG1394) bestand ursprünglich 2.1024 nicht die Absicht, den Regelungsinhalt des § 1c (Nr. 3) AbzG in das neue Gesetz aufzunehmen. Vielmehr sollte die Bestimmung wie das AbzG insgesamt zum 31.12.1990 auslaufen. Diese Überlegung stieß aber auf den Widerstand des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf1395) kritisierte, dass das Haustürwiderrufsgesetz keinen dem § 1c AbzG vergleichbaren Schutz biete, weil es den Verbraucher nicht vor einer Überrumpelung allgemein, sondern lediglich in bestimmten Sachfallskonstellationen bewahre. Eine Verschlechterung des Verbraucherschutzes sei abzuwenden. Daher sprach der Bundesrat sich für die Einfügung des späteren § 2 VerbrKrG in den ursprünglichen Gesetzesentwurf aus. Die Bundesregierung stimmte dem in ihrer Gegenäußerung zu. Allerdings machte sie den Vorbehalt, dass vom Verbraucher im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit abgeschlossene Verträge nicht einbezogen werden sollten. Auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sprach sich in seinem Bericht für die Aufnahme der zusätzlichen Vorschrift aus. Ausschlaggebend für die Nichtstreichung der Sondervorschriften hier für Getränkelieferungsverträge war, dass sich der Gesetzgeber nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, hinter das erreichte Verbraucherschutzniveau zurückzugehen. 3.

Schutzzweck

Der Verbraucher soll vor übereilter Bindung in Fällen langfristiger Erwerbs- 2.1025 verpflichtungen geschützt werden, in denen ihn die sich insgesamt ergebende ___________ 1393) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 3. 1394) BT-Drucks. 11/5462. 1395) BT-Drucks. 11/5462, S. 35.

363

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

finanzielle Belastung nicht sofort in voller Höhe trifft, sondern sich entsprechend dem Empfang der einzelnen Leistungen auf die Vertragslaufzeit verteilt.1396) Durch Einräumung eines Widerrufsrechts (§ 510 Abs. 2 BGB) wird ihm eine Überlegungsfrist gegeben, wenn er sich nach besserer Einsicht vom Vertrag lösen will. Außerdem soll er durch das Schriftformerfordernis des § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB informiert und gewarnt werden.1397) 2.1026 Vor einer langen Bindung schützt § 510 BGB nicht. Insoweit können § 138 Abs. 1 BGB oder §§ 309 Nr. 9, 307 BGB helfen.1398) 4.

Umfang der entsprechenden Anwendung

2.1027 Der sachliche Anwendungsbereich der verbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften wird durch § 510 BGB erweitert.1399) Da es sich bei Ratenlieferungsverträgen nicht um echte Darlehensverträge handelt, wurden sie diesen lediglich gleichgestellt und dies auch nur insofern, als es um die Rechtsfolgen aus den Vorschriften ging, die in § 510 BGB im Einzelnen aufgeführt waren. Diese zweifache Einschränkung gilt es auch bei der Auslegung zu beachten.1400) 2.1028 § 510 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 BGB statuiert ein gesetzliches Schriftformerfordernis. § 510 Abs. 2 a. E. BGB ordnet grundsätzlich ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB an. Da es sich um eine abschließende gesetzliche Regelung handelt, sind alle weiteren Bestimmungen für Verbraucherdarlehensverträge auf Verträge nach § 510 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 3) BGB nicht anwendbar. Angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung scheidet eine analoge Anwendung aus.1401) Hierfür spricht auch die Rechtsprechung zur Auslegung der Vorgängervorschrift des § 2 VerbrKrG. Insbesondere sind inhaltliche Änderungen gegenüber dieser Vorschrift nicht beabsichtigt. So gelten die speziellen auf „echte“ Kreditverträge zugeschnittenen Anforderungen der §§ 492 Abs. 1 und 2, 507 Abs. 2 BGB nicht.

___________ 1396) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68. 1397) BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97. 1398) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 1. 1399) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 961. 1400) Begründung Regierungsentwurf zum SchuldrechtsmodernisierungsG, BT-Drucks. 14/6040, S. 258. 1401) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 961.

364

II. Abgrenzung

II.

Abgrenzung

1.

Lieferung von Teilleistungen

a) Begriff. Wird eine von vornherein fest bestimmte Menge geschuldet, die in 2.1029 Teilleistungen/Teilmengen zu liefern ist (sog. gestrecktes Schuldverhältnis), so handelt es sich um einen Ratenlieferungsvertrag i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB.1402) Voraussetzung ist der Verkauf einer funktionellen Sachgesamtheit in einem Vertrag. Hieran fehlt es, wenn die Gesamtlieferung aufgrund einzelner Verträge über die jeweiligen Teillieferungen erfolgt.1403) b) Einordnung. Dies dürfte im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen 2.1030 nur äußerst ausnahmsweise der Fall sein. Zwar mag man an (Gesamt-)Mengenverträge denken. Aber auch insofern wird weder eine Sachgesamtheit verkauft noch liegt ein einzelner Kaufvertrag vor. Von „Teillieferungen“ kann nicht gesprochen werden. 2.

Regelmäßige Lieferung von Sachen gleicher Art

a) Begriff. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB erfasst Verträge, die dazu bestimmt 2.1031 sind, ein regelmäßig neu entstehendes Bedürfnis des Verbrauchers durch wiederholte Lieferungen zu befriedigen.1404) Den Schwerpunkt bilden unbefristete oder befristete Sukzessivlieferungsverträge,1405) in denen sich der Verkäufer zur regelmäßigen Lieferung gleichartiger Sachen nach im Voraus festgelegten oder nach im Einzelnen festzulegenden Terminen verpflichtet. Der vorherigen Festlegung einer Gesamt- oder Höchstmenge bedarf es wohl nicht. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzung Sachen gleicher Art ist bei Liefe- 2.1032 rung von Warensortimenten zu beachten, dass die unterschiedliche Zusammensetzung der Einzellieferungen je nach den Bedürfnissen des Käufers der Anwendung des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht entgegensteht.1406) Eine „Regelmäßigkeit“ der Lieferung setzt wie bei § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2.1033 BGB notwendig eine mehrmalige Leistung des Verkäufers voraus Das Merkmal der Regelmäßigkeit ist – ebenso wie von der h. M. zu § 1c AbzG – in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 197 BGB a. F. (= § 197 Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass die einzelnen Lieferungen nach Zusammensetzung, Qualität und Umfang nicht einer Regel unterworfen sein müssen, aber zu im Voraus bestimmten wiederkehrenden Terminen zu erbringen sind. Verträge, bei denen sich Zeitpunkt und Häufigkeit der Lieferungen nach dem schwankenden Bedarf des Kunden richten, werden daher nicht von Nr. 2, sondern bei Vorliegen ___________ 1402) Palandt-Grüneberg, BGB, Überblick vor § 311 Rz. 27. 1403) MünchKomm-Schürnbrand, BGB § 510 Rz. 18. 1404) BGH, Urt. v. 2.2.1977 – VIII ZR 320/75, NJW 1977, 714. 1405) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 19. 1406) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 21.

365

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

der Voraussetzungen der Nr. 3 von dieser Vorschrift erfasst.1407) Die abweichende, erweiternde Auslegung von § 309 Nr. 9 BGB, die als „regelmäßig“ eine dauernde oder in bestimmten Zeitabständen erfolgende Lieferung auch dann ansieht, wenn die Zeitabstände nicht von gleicher Dauer sind,1408) ist für § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB nicht zu übernehmen, weil hier mit Rücksicht auf die Auffangvorschrift des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB für eine weite Auslegung kein Bedürfnis besteht. Am Erfordernis fester, periodisch wiederkehrender Liefertermine ist in Übereinstimmung mit § 197 Abs. 2 BGB daher auch für § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB festzuhalten.1409) 2.1034 b) Einordnung. Die Annahme eines (echten) Sukzessivlieferungsvertrages i. e. S. dürfte im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen nur eine seltene Ausnahme darstellen.1410) Deshalb handelt es sich regelmäßig bei Getränkelieferungsverträgen nicht um Verträge i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB. III.

Getränkebezugsverpflichtungen und § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB

1.

Rechtsnatur

2.1035 Entgegen dem historischen Willen des Gesetzgebers1411) enthält § 510 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 3) BGB keine Legaldefinition. Vielmehr wird lediglich der sachliche und persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift – Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher bzw. einem Existenzgründer – festgestellt. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB enthält einen die beiden anderen Tatbestände ergänzenden Unterfall des § 510 BGB (Auffangtatbestand).1412) 2.

Voraussetzungen

2.1036 a) Grundlagen. Entscheidend ist allein die wiederkehrende Erwerbs- oder Bezugsverpflichtung, bei der es sich um die wesentliche Vertragspflicht handeln muss.1413) Dagegen kommt es nicht auf die Regelmäßigkeit der Lieferung an. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Verbraucher das Entgelt in Teilzahlungen zu erbringen hat.1414) 2.1037 b) Art der Willenserklärung. Gleichgültig ist insoweit, ob der Verbraucher ein Angebot gem. § 145 BGB abgibt oder eine Annahmeerklärung oder eine modifizierte Auftragsbestätigung gem. § 150 Abs. 2 BGB, in der ein neues Angebot des Verbrauchers liegt. ___________ 1407) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 18. 1408) Palandt-Grüneberg, BGB, § 309 Rz. 86. 1409) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 40. 1410) Siehe oben § 2 V 3 m. w. N. 1411) BT-Drucks. 15/6040, S. 258. 1412) LG Krefeld, Beschl. v. 17.8.2017 – 1 S 40/17, NJW-RR 2017, 1332. 1413) BGH, Urt. v. 22.12.2005 – VII ZR 183/04, BGHZ 165, 325 = NJW 2006, 904. 1414) LG Krefeld, Beschl. v. 17.8.2017 – 1 S 40/17, NJW-RR 2017, 1332.

366

III. Getränkebezugsverpflichtungen und § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB

c) Fehlt es an einer rechtlichen Bindung fehlt und damit an einer Abschluss- 2.1038 pflicht, so entsteht ein bloßes Wiederkehrschuldverhältnis, das nicht unter § 510 BGB fällt.1415) d) Es reicht aus, wenn die vertragliche Verpflichtung zum Erwerb oder Bezug 2.1039 mittelbar besteht.1416) 3.

Einordnung des Vertrages

a) Den Hauptanwendungsfall des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Alt. 2 BGB bilden 2.1040 Rahmenverträge wie Getränkelieferungsverträge, sofern und soweit – wie hier durchweg – damit die Verpflichtung des Absatzmittlers zum Bezug von Waren des Vertragspartners, d. h. zum Abschluss selbstständiger Kaufverträge, verbunden ist.1417) b) Unerheblich ist, ob die Getränkelieferungen aufgrund eines Rahmen- oder 2.1041 eines Sukzessivlieferungsvertrages erbracht werden.1418) c) Gemischte Verträge. Bei Getränkelieferungsverträgen handelt es sich i. d. R. 2.1042 um gemischte Verträge.1419) Das BGB, insbesondere § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB, enthält keine Regelung für die Bewertung gemischter Verträge. Dies steht aber im Hinblick auf den Schutzzweck des § 510 BGB einer Heranziehung der Norm nicht entgegen.1420) d) Aufspaltung in zwei Verträge. Die nur formelle Aufspaltung funktionell zu- 2.1043 sammengehöriger Vertragsgegenstände in mehrere Vertragsurkunden steht unter Berücksichtigung des § 512 Satz 2 BGB der Anwendung des § 510 BGB nicht entgegen.1421) Wenn der Ratenlieferungsvertrag darlehensfinanziert ist und Darlehensvertrag 2.1044 und Ratenlieferungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit bilden (§ 358 Abs. 3 BGB) ___________ 1415) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.4.1990 – 6 U 72/89, NJW-RR 1990, 1081; OLG Schleswig, Urt. v. 26.9.2013 – 16 U (Kart) 50/13, BeckRS 2013, 21955. 1416) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 6/88, NJW-RR 1988, 1322. 1417) BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, NJW 1986, 1697 = ZIP 1986, 505 = Zeller III, 102, dazu EWiR 1986, 313 (Paulusch); BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 1418) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 23. 1419) Siehe oben § 2 VII 2 m. w. N. 1420) BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127 = NJW 1986, 1697 = ZIP 1986, 505 = Zeller III, 102; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 3.11.1988 – I ZR 242/86, NJW 1989, 456; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884. 1421) So bereits zu § 2 VerbrKrG OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.2.1993 – 14 U 115/92, NJW-RR 1993, 635 = ZIP 1993, 341.

367

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

bilden oder einer der Tatbestände des § 360 Abs. 2 BGB vorliegt, findet § 358 Abs. 1 BGB Anwendung. Die Regeln über verbundene Verträge (§§ 358, 360 BGB) gelten. Einer besonderen Verweisung bedarf es nicht, weil ein Ratenlieferungsvertrag insofern wie ein gewöhnlicher Kaufvertrag behandelt wird.1422) 4.

Tatbestand

2.1045 a) Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug. aa) Grundsatz. Schon nach dem Wortlaut muss eine Verpflichtung zum wiederkehrenden Erwerb oder Bezug von Sachen begründet sein, was bei Getränkelieferungsverträgen durchweg anzunehmen ist.1423) Angesichts der inhaltlichen Identität des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB mit § 1c Nr. 3 AbzG und § 2 Nr. 3 VerbrKrG sowie § 505 BGB a. F. und § 510 BGB a. F. sind Entscheidungen zur Altrechtslage weiterhin von Bedeutung.1424) Für einen wiederkehrenden Bezug ist es nicht erforderlich, dass die Leistungen in von vornherein bestimmten Terminen fortlaufend zu erbringen sind. Vielmehr kann der Bezug von einem wechselnden Bedarf des Verpflichteten abhängig sein.1425) 2.1046 bb) Vertraglich sanktionierte Verbote eines Fremdbezugs werden ebenso wie vertragliche Absatzförderungspflichten des Verpflichteten gegenüber dem Lieferanten erfasst. 2.1047 cc) Beteiligung Dritter. Die Beteiligung Dritter an einem Getränkelieferungsvertrag in Form einer Bürgschaft, ein wohl eher theoretischer Fall, ist dem Schutzbereich der Vorschrift entzogen.1426) ___________ 1422) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 28. 1423) Zum AbzG BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; BGH, Urt. v. 11.3.1981 – VIII ZR 296/79, WM 1981, 589; BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, NJW 1986, 1697; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224. Zum VerbrKrG BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97. 1424) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 2. 1425) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108. 1426) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 10.

368

III. Getränkebezugsverpflichtungen und § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB

b) Sachbegriff. aa) Grundsatz. Gegenstand eines Ratenlieferungsvertrags gem. 2.1048 § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB können auch unbewegliche Sachen und damit Grundstücke sein. bb) Grundstückskaufvertrag. Auch die in einem Grundstückskaufvertrag dem 2.1049 Käufer als Leistung für die Stundung eines Kaufpreisteils auferlegte Getränkebezugsverpflichtung wird erfasst.1427) cc) Der Anwendbarkeit steht nicht entgegen, dass Gegenstand des Übergabe- 2.1050 vertrages ein gewerbliches Unternehmen ist.1428) c) Unerheblich und damit abweichend von der Inhaltskontrolle nach §§ 138 2.1051 Abs. 1, 307 BGB sind der Wert der dem Bezugsverpflichteten zufließenden Leistungen und seine persönliche Schutzbedürftigkeit.1429) 5.

Vertragsinhalt

a) Einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung bedarf es nicht.

2.1052

b) Die Vorschrift greift daher auch dann ein, wenn der Bezug nach dem wech- 2.1053 selnden Bedarf des Verpflichteten zu erfolgen hat.1430) c) Vertragspartner und Preise oder die Möglichkeit, jederzeit zu kündigen,1431) 2.1054 müssen noch nicht feststehen.1432) Wenn auch die Person des Vertragspartners ___________ 1427) Zu § 1c Nr. 3 AbzG BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127 = NJW 1986, 1697 = ZIP 1986, 505 = Zeller III, 102; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012; OLG München, Urt. v. 18.1.1989 – 3 U 3888/88, Zeller IV, 136; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJWRR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 19/97. Zu der Nachfolgeregelung des § 2 Nr. 3 VerbrKrG siehe die zutreffenden Ausführungen von Grziwotz, MittBayNot 1993, 263. 1428) BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127 = NJW 1986, 1697 = ZIP 1986, 505 = Zeller III, 102; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 1429) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 1430) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; BGH, Urt. vf. 6.7.1988 – VIII ZR 6/88, NJW-RR 1988, 1322; BGH, Urt. v. 3.11.1988 – I ZR 242/86, NJW 1989, 456; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1431) BGH, Urt. v. 15.3.1990 – I ZR 53/88, NJW-RR 1990, 1011; LG Krefeld, Beschl. v. 17.8.2017 – 1 S 40/17, NJW-RR 2017, 1332. 1432) OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673.

369

§ 21 Sachlicher Anwendungsbereich

und der nähere Umfang der Bezugsverpflichtung noch nicht feststehen, so haben die Parteien doch keine Möglichkeit mehr, die Getränke auf dem freien Markt zu erwerben. Dies spricht dafür, die Vorschrift des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB zumindest entsprechend heranzuziehen.1433) 2.1055 d) § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB setzt nicht voraus, dass eine Mindestabnahmeoder Gesamtabnahmemenge auferlegt worden ist.1434) § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB erfasst also sowohl Verträge mit vereinbarter periodischer Mindestabnahmemenge als auch (Gesamt-)Mengenverträge.1435) Der Umfang der Mindestverpflichtung ist lediglich im Rahmen der §§ 510 Abs. 3 Satz 1, 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 BGB von Bedeutung.1436) 6.

Darlegung und Beweis

2.1056 Darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 510 Abs. 1 Satz 1 (Nr. 3) BGB in Bezug auf den konkreten Vertrag ist der Verbraucher. Sodann ist es Sache des Unternehmers, bei Überschreiten der Größengrenze von 75.000,00 € (§ 513 BGB) nachzuweisen.1437) 7.

Praktische Bedeutung

2.1057 a) Überblick. Häufige Typenkombination sind Darlehens- und Getränkelieferungsverträge,1438) (Inventar-)Kauf- und Getränkelieferungsverträge,1439) Leih___________ 1433) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1434) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1435) BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, NJW 1986, 1697; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 158. 1436) LG Krefeld, Beschl. v. 17.8.2017 – 1 S 40/17, NJW-RR 2017, 1332. 1437) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 43. 1438) BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 – 3 O. 63/11. A. A. OLG München, Urt. v. 26.4.1977 – 14 U 431/77, NJW 1977, 1691, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum AbzG. Danach sollten Getränkelieferungsverträge nach Absicht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages nicht unter diese Vorschrift fallen. 1439) BGH, Urt. v. 19.2.1986 – VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127 = NJW 1986, 1697 = ZIP 1986, 505 = Zeller III, 102; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Celle, Urt. v. 1.6.1999 – 2 U 227/98, NJW-RR 2000, 873.

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I. Grundlagen

und Getränkelieferungsverträge,1440) Pacht- und Getränkelieferungsverträge,1441) Miet- und Getränkelieferungsverträge1442) sowie Grundstücksverkauf- und Getränkelieferungsverträge.1443) b) Konsequenzen. Bei gemischten Verträgen, wie Getränkelieferungsverträgen, 2.1058 gelten die Verbraucherschutzbestimmungen nur für den Teil des Vertrages, der die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, nicht aber für die sonstigen Bestandteile des (einheitlichen) Vertrages.1444) Die Wirksamkeit der übrigen Vertragsteile richte sich dann nach § 139 BGB. Soweit Geschäfte i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB im Einzelfall zugleich die Voraussetzungen eines Verbraucherdarlehensvertrages (§§ 491 – 505 BGB) oder einer sonstigen Finanzierungshilfe (§§ 506 – 508 BGB) erfüllen, kommen die jeweils geltenden Schutzvorschriften zusätzlich zur Anwendung. § 22 Persönlicher Anwendungsbereich I.

Grundlagen

1.

Grundsatz

§ 510 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt durch die Verwendung der Begriffe Unternehmer 2.1059 und Verbraucher klar, dass die Tradition von § 1c AbzG, der keine entsprechende Einschränkung kannte, nicht fortgesetzt wird. Maßgebend sind die Legaldefinitionen der §§ 13, 14 BGB.1445) ___________ 1440) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1441) BGH, Urt. v. 8.10.1990 – VIII ZR 176/89, ZIP 1990, 1406; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.1996 – 24 U 189/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.1999 – 24 U 26/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1442) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1443) Siehe oben § 22 III 5 b bb m. w. N. 1444) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540, in BGHZ 137, 114 nicht abgedruckt (Franchisvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1445) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94.

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I. Grundlagen

und Getränkelieferungsverträge,1440) Pacht- und Getränkelieferungsverträge,1441) Miet- und Getränkelieferungsverträge1442) sowie Grundstücksverkauf- und Getränkelieferungsverträge.1443) b) Konsequenzen. Bei gemischten Verträgen, wie Getränkelieferungsverträgen, 2.1058 gelten die Verbraucherschutzbestimmungen nur für den Teil des Vertrages, der die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, nicht aber für die sonstigen Bestandteile des (einheitlichen) Vertrages.1444) Die Wirksamkeit der übrigen Vertragsteile richte sich dann nach § 139 BGB. Soweit Geschäfte i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB im Einzelfall zugleich die Voraussetzungen eines Verbraucherdarlehensvertrages (§§ 491 – 505 BGB) oder einer sonstigen Finanzierungshilfe (§§ 506 – 508 BGB) erfüllen, kommen die jeweils geltenden Schutzvorschriften zusätzlich zur Anwendung. § 22 Persönlicher Anwendungsbereich I.

Grundlagen

1.

Grundsatz

§ 510 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt durch die Verwendung der Begriffe Unternehmer 2.1059 und Verbraucher klar, dass die Tradition von § 1c AbzG, der keine entsprechende Einschränkung kannte, nicht fortgesetzt wird. Maßgebend sind die Legaldefinitionen der §§ 13, 14 BGB.1445) ___________ 1440) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 1441) BGH, Urt. v. 8.10.1990 – VIII ZR 176/89, ZIP 1990, 1406; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.1996 – 24 U 189/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.1999 – 24 U 26/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1442) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1443) Siehe oben § 22 III 5 b bb m. w. N. 1444) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540, in BGHZ 137, 114 nicht abgedruckt (Franchisvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1445) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94.

371

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

2.

Konsequenzen

2.1060 a) b2b-Geschäfte. Verträge zwischen zwei Unternehmern sind folglich nicht einbezogen. Zu denken ist an Getränkelieferungsverträge zwischen zwei Unternehmern (Brauereien, anderen Unternehmen der Getränkebranche und Getränkefachgroßhändlern). Anders als zu Zeiten des § 8 AbzG und des § 2 VerbrKrG1446) wird nur der unternehmerisch handelnde Lieferant, nicht aber der privat handelnde Anbieter erfasst.1447) 2.1061 b) Vertragsänderungen. Auf Vertragsänderungen ist § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB bei Personenidentität mangels Vorliegens einer Verbrauchereigenschaft im Regelfall nicht anwendbar. Hier steht in der Regel die nunmehrige Unternehmereigenschaft des Gastwirts entgegen.1448) 3.

Aufbau

2.1062 Hinsichtlich der Auslegung des Unternehmerbegriffs kann verwiesen werden.1449) Nachstehend werden zunächst Fragen der Zusammenarbeit mit Verbrauchern angesprochen. Hinzu tritt die Sondervorschrift des § 513 BGB für Existenzgründer, die eine Vielzahl praktisch relevanter Fragen aufwirft.1450) II.

Verbraucher

1.

Praktische Bedeutung

2.1063 Die Frage, ob beim Abschluss von Getränkelieferungsverträgen den Getränkelieferanten Verbraucher gegenüberstehen können, stellt sich bei der Zusammenarbeit mit Hauseigentümern, Schuldbeitretenden/-übernehmenden und bei der Gestellung von Sicherheiten, wenn dritte Personen als Bürgen oder sonstige Sicherungsgeber auftreten. 2.

Zweck des Rechtsgeschäfts

2.1064 a) Grundlagen. Das entscheidende – zweite – Kriterium ist der Zweck des Rechtsgeschäfts. Das Rechtsgeschäft muss zu einem Zweck abgeschlossen werden, der überwiegend weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Daher scheidet eine Verbrauchereigenschaft bei Gewerbetreibenden aus, die ein Rechtsgeschäft in Ausübung ihrer Tätigkeit abschließen. Handelt aber etwa ein Kaufmann oder ein sonstiger Unternehmer im privaten Bereich, ist er insoweit nicht Unternehmer, ___________ 1446) BGH, Urt. v. 12.6.1991 – VIII ZR 256/90, NJW 1991, 2901 = ZIP 1991, 1218. 1447) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 29. 1448) Siehe hierzu die nicht überzeugende Entscheidung des OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 1449) Siehe oben § 5 I m. w. N. 1450) Nachfolgend § 22 III und IV, jeweils m. w. N.

372

II. Verbraucher

sondern Verbraucher. Der BGH folgert aus der negativen Formulierung des zweiten Halbsatzes des § 13 BGB, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist.1451) b) Bestimmung. Der Wortlaut des § 13 BGB lässt nicht erkennen, ob für die 2.1065 Abgrenzung von Verbraucher- und Unternehmerhandeln allein objektiv auf den von der handelnden Person verfolgten Zweck abzustellen ist oder ob es für die Zurechnung des Handelns auf die dem Vertragspartner erkennbaren Umstände ankommt.1452) Für ersteres spricht, dass der Verbraucherschutz der Disposition der Vertragsparteien weitgehend entzogen ist, was aber unterlaufen werden könnte, wenn man den Geschäftszweck nach dem erklärten Parteiwillen und nicht nach objektiven Kriterien bestimmen würde.1453) c) Im Zweifel. Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast da- 2.1066 für, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt. Aus der vom Gesetzgeber gewählten negativen Formulierung des § 13 a. E. BGB wird aber deutlich, dass rechtsgeschäftliches Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen ist und etwa verbleibende Zweifel, welcher Sphäre das konkrete Handeln zuzuordnen ist, zugunsten der Verbrauchereigenschaft zu entscheiden sind.1454) d) Maßgeblicher Zeitpunkt. Entscheidend für die Zuordnung des Geschäfts- 2.1067 zwecks ist allein der Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Eine zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich abweichende Verwendung ist daher unbeachtlich. 3.

Darlegung und Beweis

Nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen trägt derjenige, der sich auf die Schutz- 2.1068 vorschriften beruft, die Beweislast für deren Vorliegen.1455) 4.

Mehrheit von Vertragsparteien

Handeln mehrere Personen, von denen aber nur ein Teil von ihnen Verbrau- 2.1069 cher ist, gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Hier zwingt § 13 BGB zur

___________ 1451) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 = ZIP 2007, 1611; BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334. 1452) Für ersteres BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; wohl auch BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334. 1453) BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334. 1454) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 = ZIP 2007, 1611; BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334. 1455) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 = ZIP 2007, 1611.

373

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

Anwendung des Verbraucherrechts auf die Handelnden, die Verbraucher sind. Für die anderen Teile gilt das Verbraucherrecht nicht.1456) 5.

Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

2.1070 a) Innengesellschaft. Gesellschaften bürgerlichen Rechts in der Ausgestaltung als Innengesellschaft sind Verbraucher und damit potentiell Existenzgründer. 2.1071 b) Außengesellschaft. aa) Fall 1. Jedenfalls eine als Außengesellschaft rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter eine natürliche Person und eine juristische Person sind, ist unabhängig davon, ob sie lediglich zu privaten Zwecken und nicht gewerblich oder selbstständig beruflich tätig ist, dagegen nicht Verbraucherin i. S. d. § 13 BGB.1457) 2.1072 bb) Fall 2. Ob eine als Außengesellschaft rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebenfalls einem Verbraucher gleichzustellen ist, wenn Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen sind, ist umstritten. 2.1073 aaa) Meinungsstand. Nach bislang h. M. konnte die Außer-GbR im Übrigen Verbraucher sein.1458) Anders dagegen die Rechtsprechung des BGH im Übrigen. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei keine natürliche Person. Als Außengesellschaft bilde sie vielmehr eine rechtsfähige Personengesellschaft i. S. d. § 14 Abs. 2, Abs. 1 BGB.1459) 2.1074 bbb) Entscheidungserheblichkeit. Praktische Bedeutung erlangt die Frage insbesondere bei Verwaltungs- und Besitzgesellschaften In dem hier interessierenden Zusammenhang bedarf es sorgfältiger Prüfung, ob nicht im Einzelfall, wenn nicht sogar im Regelfall das Vorliegen eines gemeinsamen kommerziellen Zwecks bejaht werden kann. Dann dürfte es wohl auf eine Entscheidung des Meinungsstreits nicht ankommen. Die kommerzielle Außengesellschaft wäre als Unternehmer i. S. d. § 14 Abs. 2 BGB einzuordnen. 2.1075 cc) Werden BGB-Gesellschaften zu kommerziellen Zwecken gegründet, so liegt auch kein Fall der Umgehung i. S. d. § 512 Satz 2 BGB vor.1460) ___________ 1456) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209. 1457) BGH, Urt. v. 30.3.2017 – VII ZR 269/15, NJW 2017, 2752 = ZIP 2017, 917. Die Entscheidung ist zwar zu der bis zum 13.6.2016 geltenden Rechtslage ergangen. Sie dürfte aber auf die aktuelle Rechtslage anwendbar sein. 1458) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224 (§ 1 VerbrKrG); OLG Koblenz, Urt. v. 17.10.2002 – 5 U 263/02, NJOZ 2002, 2732; LG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2011 – 7 O. 285/09, BeckRS 2011, 24525. 1459) BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/01, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 = ZIP 2001, 330; BGH, Urt. v. 30.3.2017 – VII ZR 269/15, NJW 2017, 2752 = ZIP 2017, 917. 1460) BGH, Urt. v. 18.7.2006 – XI ZR 143/05, NJW 2006, 2980 = ZIP 2006, 1622; BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 = NJW 2007, 759 = ZIP 2007, 235.

374

II. Verbraucher

6.

Zusammenschlüsse natürlicher Personen ohne eigene Rechtsfähigkeit

Bei Mehrheiten natürlicher Personen ohne gesellschaftsrechtliche Verbindung 2.1076 ist hinsichtlich jeder einzelnen Person (Einzelbetrachtung) zu prüfen, ob die Voraussetzungen der §§ 13, 513 BGB erfüllt sind. 7.

Nichtrechtsfähiger Verein

Die Rechtsprechung des BGH zur Verbrauchereigenschaft der Außen-GbR lässt 2.1077 sich auf den nicht rechtsfähigen Verein nicht übertragen. Insofern steht dessen körperschaftliche Verfassung analog §§ 21 ff. BGB entgegen. 8.

Wohnungseigentümergemeinschaft

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Interesse des Verbraucherschutzes 2.1078 der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen dann einem Verbraucher gem. § 13 BGB gleichzustellen, wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbstständigen beruflichen Tätigkeit dient. Zu den gewerblichen Tätigkeiten gehört die Verwaltung eigenen Vermögens nicht. Von letzterem ist aber bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft in der Regel auszugehen.1461) 9.

Kommanditist

Dass der Gastwirt eingetragener Kaufmann ist, ergibt sich weder aus seiner 2.1079 Stellung als Kommanditist einer GmbH & Co. KG noch als Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.1462) Auch nach geltendem Recht dürfte selbst ein Kommanditist mit Verwaltungsbefugnissen als Verbraucher einzuordnen sein. 10.

Anteilserwerb bzw. Beteiligung an einer Gesellschaft

Gelegentlich werden Kredite auch aufgenommen, um damit Anteile an einer 2.1080 Gesellschaft zu erwerben bzw. darin eine unternehmerische Position zu bekleiden. Der Kredit ist dann für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit bestimmt und als Existenzgründerdarlehen einzuordnen, solange der Kreditnehmer nicht vorher bereits unternehmerisch, sondern nur mit Kapital an einer Gesellschaft beteiligt war, und die Voraussetzung des § 513 BGB vorliegen.1463) ___________ 1461) BGH, Urt. v. 25.3.2015 – VIII ZR 243/13, BGHZ 204, 325 = NJW 2015, 3228 = ZIP 2015, 979; OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 118/08, NJW 2008, 3574. 1462) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099. 1463) OLG Celle, Urt. v. 22.9.2010 – 3 U 75/10, ZIP 2011, 70.

375

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

11.

Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH

2.1081 a) Einführung. Gesellschafter und/oder Geschäftsführer insbesondere einer GmbH übernehmen nicht selten persönlich (privat) für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft eine eigene Haftung nicht nur in Form der anfänglichen Vertragspartnerschaft, sondern auch im Wege der kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) in Bezug auf die Darlehensrückzahlung oder der Übernahme einer Bürgschaft für diese. Sind sie eigengewerblich selbstständig tätig, so sind sie Unternehmer oder auch Existenzgründer. Im letztgenannten Fall oder bei angestellter beruflicher Tätigkeit fragt es sich, ob das Verbraucherschutzrecht analog anzuwenden ist. 2.1082 b) Herrschende Meinung. Die gewerbliche Zweckbindung des aufgenommenen Darlehens steht der analogen Anwendung des § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Beitrittserklärungen i. w. S. nicht entgegen. Der Beitritt des privat handelnden GmbH-Geschäftsführers als Sicherungsgeber zu einem gewerblich motivierten Kreditvertrag der eigenen Gesellschaft stellt nach h. M. Verbraucherhandeln dar,1464) unabhängig davon, ob jener als Mitdarlehensnehmer auftritt (Vertragspartnerschaft) oder im Wege des kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt) eine Mitverpflichtung in Bezug auf die Darlehensrückzahlung übernimmt. Dies gilt auch dann, wenn der GmbH-Geschäftsführer zur Verbindlichkeit der eigenen Gesellschaft im Wege einer Anschubfinanzierung beitritt oder sich für sie verbürgt.1465) Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird nicht danach differenziert, ob der Mithaftende Mehrheitsgesellschafter oder gar Alleingesellschafter der GmbH ist und welche Beteiligungsquote und Kompetenzen er hat.1466) Ob der Beitretende geschäftserfahren oder Verbraucher i. S. d. § 304 Abs. 1 InsO ist, ist ebenfalls unerheblich.1467) § 513 BGB soll dann nicht, auch nicht über § 512 Satz 2 BGB, gelten, wenn lediglich eine Einmann-GmbH das Geschäft vornimmt, wohl aber, wenn ihr Gesellschafter für das Existenzgründungsgeschäft den Schuldbeitritt erklärt. Der ___________ 1464) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133 = ZIP 2000, 1493; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. Zu Recht kritisch u. a. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 491 Rz. 54, m. w. N. 1465) BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 1466) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642; BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133 = ZIP 2000, 1493; BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68. 1467) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NJW 2006, 917.

376

III. Existenzgründer

GmbH-Geschäftsführer ist allerdings auch nach der h. M. dann nicht als Verbraucher anzusehen, wenn „der Kredit nach dem Inhalt des Vertrages für (seine) bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit bestimmt ist“.1468) c) Begründung. Die Geschäftsführung einer GmbH ist keine gewerbliche oder 2.1083 insbesondere keine selbstständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit.1469) Ein GmbH-Geschäftsführer, der im eigenen Namen ein Geschäft abschließt, sei es auch im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer, ist danach Verbraucher.1470) Das bloße Halten eines GmbH-Geschäftsanteils ist unabhängig von dessen relativer Größe der Beteiligung, dem Stimmgewicht und den Kompetenzen keine gewerbliche Tätigkeit, sondern nur Vermögensverwaltung und die Geschäftsführung einer GmbH keine selbstständige, sondern eine angestellte berufliche Tätigkeit.1471) Wegen der gebotenen typisierenden Betrachtung ist es ohne Bedeutung, dass der Geschäftsführer einer GmbH in aller Regel geschäftserfahren ist. Denn auch geschäftskundige Verbraucher, die einen Kredit nicht zu Zwecken des Konsums, sondern zu investiven Zwecken, wie etwa zum Erwerb einer Immobilienfondbeteiligung, aufnehmen, genießen den Schutz des Verbraucherkreditrechts.1472) III.

Existenzgründer

1.

Praktische Bedeutung

Die Frage des personellen Anwendungsbereichs des Verbraucherkreditrechts 2.1084 im Rahmen der Existenzgründervorschrift des § 513 BGB stellt sich sowohl bei Einzelpersonen, die Getränkelieferungsverträge mit Getränkelieferanten abschlie___________ 1468) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 1469) BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.7.2009 – 6 U 79/09, BeckRS 2009, 25264. 1470) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 1471) BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67 = NJW 2007, 759 = ZIP 2007, 235; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; OLG Brandenburg, Urt. v. 13.12.2017 – 4 U 4/17, BeckRS 2017, 138591. 1472) So bereits zum VerbrKrG BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133 = ZIP 2000, 1493; BGH, Urt. v. 4.9.2002 – VIII ZR 251/01, NJW 2002, 3464; BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850 (Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG); OLG Stuttgart, (Hinweis-)Beschl. v. 17.7.2009 – 6 U 79/09, BeckRS 2009, 25264.

377

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

ßen, als auch in der Situation der Vertragspartnerschaft, der Vertragsübernahme, des Vertragsbeitritts und des Schuldbeitritts. 2.

Der Existenzgründer im Wandel der Zeit

2.1085 Die Ausdehnung des persönlichen Schutzbereichs der §§ 491 – 510 BGB und die damit verbundene Anerkennung eines vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf Seiten der Existenzgründer entspricht der verbraucherkreditrechtlichen Tradition in Deutschland. 2.1086 a) Nach § 8 AbzG nur eingetragene Kaufleute vom Schutzbereich ausgenommen. Nicht eingetragene Existenzgründer waren daher erfasst. 2.1087 b) Das hatte sich bereits seit der Geltung des VerbrKrG geändert. Sofern diese Verträge – wie wohl regelmäßig – der gewerblichen Tätigkeit des Gastwirts zuzurechnen sind, wurden sie in Abweichung von §§ 1c, 8 AbzG nur noch insoweit erfasst, als die Summe aller vom Existenzgründer bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen 50.000,00 € nicht überstieg. Im Vergleich zu §§ 1c, 8 AbzG bedeutet dies eine wesentliche Einschränkung, waren doch nach § 8 AbzG nur eingetragene Kaufleute vom Schutzbereich ausgenommen. 2.1088 c) BGB. Ausweislich der Beratungen im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung sollte der Existenzgründer nach § 507 BGB a. F. zwar weiterhin, allerdings vermindert geschützt werden.1473) Eine wesentliche Änderung war und ist, dass die Existenzgründungsphase nach der seit dem 1.1.2002 geltenden Rechtslage bereits mit der Aufnahme einer gewerblichen (oder selbstständigen beruflichen) Tätigkeit endet. Einer „bereits ausgeübten“ gewerblichen etc. Tätigkeit wie noch nach § 1 Abs. 1 VerbrKrG bedarf es also seitdem nicht mehr. Die aktuelle Entsprechung findet sich nach § 512 BGB a. F. nunmehr in § 513 BGB mit einem Schwellenwert von 75.000,00 €. 3.

Europarechtlicher Hintergrund

2.1089 Im Unionsrecht findet die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs keine Entsprechung. Damit geht der deutsche Gesetzgeber über das von der Richtlinie Geforderte hinaus. Die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG erfasste nach ihren Art. 2 Abs. 1, 3a nur Verbraucher. Die überschießende Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG ist gleichwohl unionsrechtskonform. Zwar schreibt deren Art. 22 Abs. 1 eine Vollharmonisierung vor. Die Richtlinie enthält aber keine Vorgaben für Personen, die keine Verbraucher sind. Da die Richtlinie aber auch einen Schutz weiterer Personenkreise nicht ausschließen will, liegt eine bewusste Regelung. Vor diesem Hintergrund ist die ___________ 1473) BT-Drucks. 11/8274, S. 20 f.

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III. Existenzgründer

überschießende Umsetzung der Vorgaben auf Existenzgründer europarechtlich unbedenklich.1474) 4.

Bedeutung des § 513 BGB

a) Einführung. Der Verbraucherbegriff des § 13 BGB erfasst den Existenz- 2.1090 gründer nicht.1475) § 513 BGB dehnt demgegenüber den persönlichen Anwendungsbereich der §§ 491 – 510 BGB auf natürliche Personen aus, die sich ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit gewähren lassen oder zu diesem Zweck einen Ratenlieferungsvertrag schließen, es sei denn, der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis übersteigt 75.000,00 €. b) Unternehmereigenschaft. Ein Existenzgründer wird durch § 513 BGB nicht 2.1091 zum Verbraucher (§ 13 BGB),1476) sondern ist bei der Existenzgründung bereits Unternehmer (§ 14 BGB), wird aber einem Verbraucher lediglich in der rechtlichen Behandlung gleichgestellt.1477) c) Keine Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs. § 513 BGB ver- 2.1092 langt ebenso wie § 13 BGB ein Handeln einer natürlichen Person. Angesichts des klaren Wortlauts beider Vorschriften scheidet mangels Regelungslücke eine analoge Anwendung auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Idealvereine oder weitere Verbände in der Gründungsphase aus. 5.

Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit

a) Gewerbegriff. Soweit vereinzelt überlegt worden ist, beim Begriff der „ge- 2.1093 werblichen Tätigkeit“ anzusetzen und einen einheitlichen Gewerbebegriff im öffentlichen Recht (Gewerberecht), Steuerrecht und Handelsrecht zur Abgrenzung heranzuziehen,1478) konnte dem weder damals wie heute zugestimmt werden. Erstens dürften die verschiedenen Gewerbebegriffe in den jeweiligen Rechtsgebieten unterschiedliche Begriffsinhalte aufweisen, sodass es bereits an einer Übertragbarkeit fehlt. Zweitens dürften dem die unterschiedlichen Schutzzwecke des Gewerbebegriffs entgegenstehen. b) Unternehmensbezug. Der Existenzgründer schließt den Getränkelieferungs- 2.1094 vertrag zu dem Zweck ab, in einem Objekt eine Gastronomie zu betreiben. Dabei ist die objektive Zweckrichtung auf unternehmerisches Handeln ausge___________ 1474) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 1a. 1475) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZR 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622. Siehe oben § 5 II 1 m. w. N. 1476) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1477) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1478) Vortmann, ZIP 1992, 229.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

richtet. Für die Abgrenzung ist nicht der innere Wille des Handelnden entscheidend, sondern es gilt ein objektiver Maßstab.1479) Ob eine Tätigkeit als selbständige zu qualifizieren ist, richtet sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die erforderlichenfalls die Begleitumstände einzubeziehen sind.1480) 2.1095 c) Geschäftsaufnahme. Die Tatsache der geplanten Geschäftsaufnahme muss nach außen deutlich werden.1481) Das gilt auch für die Gründungsphase einer OHG oder KG, die ihre Geschäfte noch nicht begonnen hat (§ 123 Abs. 2 HGB). Es müssen – nach außen erkennbar – Umstände (Indizien) festgestellt werden können, welche sowohl von einiger Dauer als auch von einiger Intensität waren/sind. Die Existenzgründungsphase muss daher zu einem gewissen Abschluss gekommen sein. Nur dann ist der Schluss gerechtfertigt, es handele sich um die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit. Maßgebend kommt es deshalb auch nicht auf die Sicht des Unternehmers, sondern auf die Verkehrsanschauung an. Hierzu bedarf es einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall. 2.1096 Eine gewerbliche Tätigkeit soll aufgenommen sein, wenn der Existenzgründer nach außen hin seine Bereitschaft signalisiert, am Markt aufzutreten (erste Voraussetzung) und die angebotene Leistung potentiell verfügbar ist (zweite Voraussetzung). Weder der Abschluss eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages noch die Darlehensauszahlung oder die spätere Erfüllung der Bezugspflicht dürften insofern hinreichend sein.1482) 2.1097 d) Geschäftserfahrenheit. Konsequenz der objektiv zu ermittelnden Zweckrichtung des Handelns ist, dass subjektive Merkmale, insbesondere die Geschäftserfahrenheit, irrelevant sind. Ebenso wie für die Verbrauchereigenschaft (§ 13 BGB) stellt das Gesetz nicht darauf ab, ob die Person geschäftsunerfahren ist oder durch gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit Geschäftserfahrung erworben hat.1483) Es kommt allein darauf an, ob das konkrete Geschäft der privaten oder gewerblichen bzw. selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Daher sind Existenzgründer auch dann Unternehmer (§ 14 ___________ 1479) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 17; OLG Stuttgart, Urt. v. 17.7.2009 – 6 U 79/09, BeckRS 2009, 25264. 1480) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Getränkehandel); BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 17; BGH, Beschl. v. 24.2.2011 – 5 StR 514/09, NJW 2011, 1236; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1995 – 17 U 191/95, WM 1995, 1142. 1481) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224; OLG Oldenburg, Urt. v. 11.4.2000 – 12 U 54/99, WM 2000, 1935; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 1482) A. A. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 62. 1483) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27.

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III. Existenzgründer

BGB), wenn ihnen jegliche kaufmännische Erfahrung fehlt. Ob der Existenzgründer im Einzelfall tatsächlich geschäftserfahren ist oder nicht, spielt keine Rolle.1484) e) Beurteilungszeitpunkt. aa) Grundsatz. Bei der Frage, ob die aufgrund einer 2.1098 Bezugsverpflichtung i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB zu erwerbenden Sachen für eine bereits ausgeübte gewerbliche Tätigkeit bestimmt sind, ist für die beiden Voraussetzungen Gewerblichkeit und Gründungsphase der Abschluss des (Kredit- bzw.) Ratenlieferungsvertrags durch Zugang der Annahmeerklärung maßgebend. bb) Konsequenzen. Wird ein Existenzgründergastwirt in der Phase der Exis- 2.1099 tenzgründung mit dem Versprechen einer künftigen Darlehensgewährung geworben, so ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Existenzgründereigenschaft nicht der später abgeschlossene Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag, sondern der Zeitpunkt der vorhergehenden (ersten) Ansprache. Gleiches dürfte für Vorverträge in diesem Zusammenhang gelten. So wie noch dürfte auch an einen Umgehungstatbestand i. S. d. § 512 Satz 2 BGB zu denken sein. Damit kommt es etwa auf den Zeitpunkt des Schuldbeitritts an.1485) Da entscheidend auf den Abschluss des Verbraucherkreditvertrages bzw. die Be- 2.1100 gründung der Getränkebezugsverpflichtung abzustellen ist, kommen sowohl die Darlehensauszahlung als auch die spätere Erfüllung der Bezugsverpflichtung nicht in Betracht.1486) Bei Vertragsverlängerungen ist auf den Zeitpunkt der Verlängerungsverein- 2.1101 barung abzustellen. Da die Existenzgründungsphase zu diesem Zeitpunkt längst abgeschlossen ist, ist das Verbraucherkreditrecht nicht erneut anwendbar.1487) Dies dürfte unabhängig davon gelten, welche Form der Verlängerung (Neuvertrag unter Aufhebung des Altvertrages, Nachtrag, Optionsausübung etc.) vorliegt. Auch die abweichende tatsächliche Verwendung des Darlehens ist für die Be- 2.1102 urteilung unerheblich.1488) Allerdings kann die anderweitige Verwendung ein Indiz dafür sein, dass die Absicht, die Mittel zum Zweck der Existenzgründung zu verwenden, bereits ursprünglich fehlte. f) Scheinexistenzgründer. Ist der Kredit für eine gewerbliche Tätigkeit be- 2.1103 stimmt, die eine natürliche Person als Strohmann für einen anderen aufnimmt, ist der Strohmann grundsätzlich nicht Verbraucher und damit auch nicht Exis___________ 1484) BGH, Urt. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, NJW 2006, 917; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; a. A. OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1485) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1486) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105 (Franchisevertrag). 1487) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 1488) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 513 Rz. 3.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

tenzgründer. Denn das Vorschieben eines Strohmanns erfolgt im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht zum Schein; vielmehr ist das Strohmanngeschäft ernstlich gewollt, weil sonst der damit erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht wird.1489) 2.1104 g) Darlegung und Beweis. § 513 BGB enthält keine eine Beweislastumkehr andeutende Formulierung. Hinsichtlich der Existenzgründereigenschaft trifft die Beweislast aufgrund der bewussten Rechtsänderung1490) den Existenzgründer. Er muss also darlegen und beweisen, dass der Kredit der Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit dient und er Existenzgründer ist.1491) 6.

Gründungsphase

2.1105 a) Vorüberlegungsgeschäfte. Rechtsgeschäfte, die die Entscheidung, ob es überhaupt zu einer Existenzgründung kommen soll, erst vorbereiten sollen, indem die betriebswirtschaftlichen Grundlagen ermittelt werden und etwa ein Steuerberater zur Einschätzung der steuerlichen Situation beauftragt wird, sind noch der Existenzgründungsphase zuzurechnen. Richtigerweise liegt hier noch ein Verbraucherhandeln vor. Da es auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt, ist es unerheblich, ob der Existenzgründer subjektiv bereits fest zu einer Existenzgründung entschlossen war. Entscheidend ist vielmehr, dass die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst gewesen war, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegte. Die Erstellung eines „Existenzgründungsberichts“ fällte hingegen bereits unter § 14 BGB.1492) 2.1106 b) Vorbereitungshandlungen und Hilfstätigkeiten zum eigentlichen Geschäft, wie das Anmieten von Räumen, das Eröffnen eines Geschäftskontos, das Einstellen von Personal, die Auftragsvergabe hinsichtlich von Drucksachen wie Werbematerial oder Briefpapier, die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen oder Fahrzeugen sowie der Abschluss erster Kaufverträge etc. markieren den Beginn der Gründungsphase. reichen aber nicht aus, die Existenzgründungsphase bereits als abgeschlossen zu qualifizieren. Solche Handlungen gehören nicht zur eigentlichen Ausübung des angestrebten Geschäftes. Es liegt Verbraucherhandeln vor.1493) 2.1107 c) Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Anschaffung der Grundausstattung zumeist eine eingehende Beratung durch einen Unterneh___________ 1489) Siehe oben § 5 I 13 m. w. N. 1490) BT-Drucks. 14/6857, S. 33 und 65. 1491) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 9. 1492) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27; BGH, Beschl. v. 24.2.2011 – 5 StR 514/09, NJW 2011, 1236. 1493) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 512 Rz. 7. Anders noch zum AbzG OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99.

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III. Existenzgründer

mensberater oder die Industrie- und Handelskammer vorausgegangen sei, was auf eine ausreichende Erfahrung des Existenzgründers schließe und ihn somit nicht mehr schutzbedürftig erscheinen lasse.1494) Erstens handelt es sich um typische Vorbereitungshandlungen. Zweitens muss es nicht zu der angenommenen Beratung durch Dritte gekommen sein. Drittens ist die interne vorbereitende Erkundigung zu trennen von der Aufnahme der Geschäftstätigkeit nach außen. So mag die Kalkulation der Preise nicht nur sinnvoll und durch ggf. kompetente Berater vorbereitend begleitet worden sein. Solange die Preise aber nicht in entsprechenden Unterlagen (Getränke- und Speisekarte etc.) vorliegen und einem potentiellen Gast zugänglich sind, bleiben sie noch im Bereich des forum internum. Viertens kann die rein vorbereitende Informationsgewinnung unter Einschaltung von kompetenten Dritten nicht zwingend mit tatsächlich gewonnenen Kenntnissen kaufmännischen Wissens gleichgestellt werden. Anderenfalls wäre jede Person, die sich vorbereitend zu einer etwaigen Existenzgründung beraten lässt oder auch nur entsprechend (im Internet) recherchiert, allein schon deshalb aus dem Anwendungsbereich des § 513 BGB ausgenommen. Fünftens ist das Kriterium der Erfahrenheit zu unbestimmt und damit ungeeignet. 7.

Ende der Gründungsphase

§ 513 BGB nimmt nicht zu der Frage Stellung, wann der Zeitraum der Existenz- 2.1108 gründungsphase endet. Diese Frage ist zwar Gegenstand der Reformdiskussionen des Jahres 2010 gewesen.1495) Im Hinblick auf die Abgrenzungsschwierigkeiten1496) sah der Gesetzgeber aber von einer Regelung ab. Die Frage der relevanten Beurteilungskriterien ist daher umstritten. a) Aus einer unterlassenen Gewerbeanmeldung kann nicht hergeleitet werden, 2.1109 dass die Existenzgründungsphase noch andauert oder bereits beendet ist.1497) b) Auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Gewerbes ist nicht abzustellen, 2.1110 weil dieser Zeitpunkt nicht hinreichend aussagekräftig ist.1498) c) Die Konzessionserteilung hatte schon nach dem VerbrKrG nur eine be- 2.1111 schränkte Aussagekraft in Bezug darauf, ob die angestrebte Tätigkeit bereits aufgenommen ist. Zunächst handelt es sich um ein formales Kriterium. Im Rahmen der Prüfung nach § 513 BGB fordern aber Wortlaut und Normzweck eine materielle Betrachtung. Gegen das Kriterium spricht auch, dass ggf. noch eine gewisse Zeit vergeht, bis die Tätigkeit nach der Konzessionserteilung tatsächlich aufgenommen wird. Diese These ist auch im Hinblick auf die unter___________ 1494) So aber Vortmann, ZIP 1992, 229. 1495) Begründung Regierungsentwurf BT-Drucks. 16/11643, S. 82 ff. 1496) BR-Drucks. 848/08, S. 12 f. 1497) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 3. 1498) OLG Brandenburg, Urt. v. 31.8.2005 – 3 U 17/05, NJW 2006, 159; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

schiedlichen Arten der Konzession und die Rechtsschutzmöglichkeiten kaum sachgerecht.1499) Im Rahmen des § 513 BGB ist nicht nach der Konzessionsträgerschaft zu fragen, sondern danach, ob die in Rede stehende Person jedenfalls auch (Mit-)Betreiber ist bzw. ihr eine vertragliche Betriebspflicht obliegt. 2.1112 d) Das Geschäft (der Vertrag) muss nicht vor dem Beginn der Tätigkeit abgeschlossen sein. Es muss nur mit der Aufnahme in Zusammenhang stehen, z. B. die Ergänzung der Erstausstattung einer Werkstatt in angemessen kurzer Zeit nach Eröffnung. Die Beurteilung braucht sich folglich nicht mit der derjenigen gem. § 123 Abs. 2 HGB zu decken, bei der bereits Verhandlungen über den Kauf eines Betriebsgrundstückes oder die Vorbereitung des Abschlusses eines notariellen Kaufvertrages genügen.1500) 2.1113 e) Abzulehnen ist auch die Meinung, wonach es auf die Eintragung im Handelsregister ankomme. Schon im Zusammenhang mit § 8 AbzG, der die Eintragung ins Handelsregister als formales Kriterium hinsichtlich der Anwendbarkeit des Gesetzes statuierte, war Kritik hinsichtlich dieses formalen Ansatzes geäußert worden. Heute steht die Eintragung ins Handelsregister bei gewerblicher Tätigkeit in Frage. In den Fällen des § 1 Abs. 1 HGB hat sie nur deklaratorische Bedeutung. Ggf. vergeht auch noch eine gewisse Zeit, bis die Tätigkeit nach der Konzessionserteilung tatsächlich aufgenommen wird.1501) 2.1114 f) Noch nicht hinreichend sein sollen ebenfalls operative Funktionen wie bloße Werbeaktivitäten, die Versendung von Prospektmaterial, das Freischalten einer Angebotsseite im Internet oder Kundenbesuche.1502) Anders wird dagegen möglicherweise zu entscheiden sein, wenn zwischen der Geschäftseröffnung und den Werbeaktivitäten ein direkter raumzeitlicher Zusammenhang dergestalt besteht, dass gleichzeitig die entsprechende unternehmerische Leistung angeboten werden kann. Letzteres dürfte erst recht dann gelten, wenn die Werbung auf das Kerngeschäft des Unternehmens bezogen ist. 2.1115 g) Die Aufnahme der Produktion kann ein Indiz dafür sein, dass das Ende der Existenzgründungsphase erreicht ist.1503) Allerdings muss insofern differenziert werden. Dient die Produktion noch nicht der angestrebten künftigen Tätigkeit, sondern werden lediglich Materialien vorbereitet, so liegen lediglich vorbereitende Hilfstätigkeiten vor und die Gründungsphase ist noch nicht beendet. Anders dagegen, wenn die Produktionsaufnahme bereits der Abarbeitung der ersten Aufträge dient und diese auch Gegenstand der Hauptleistung ___________ 1499) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 1500) BGH, Urt. v. 26.4.2004 – II ZR 120/02, BeckRS 2004, 1208 = ZIP 2004, 1208. 1501) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 1502) BGH, Urt. v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 = ZIP 2002, 930 (Leasingvertrag) lässt offen. 1503) OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224.

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III. Existenzgründer

des angestrebten Geschäftes sind; dann ist die Existenzgründungsphase abgeschlossen. h) Ob der erste Geschäftsabschluss, z. B. erster Kaufvertrag etc., unabhängig 2.1116 von seiner zivilrechtlichen Wirksamkeit (§ 158 Abs. 1 BGB), bereits getätigt worden ist, erscheint noch nicht hinreichend. Dabei handelt es sich um typische Vorbereitungshandlungen. Dies gilt insbesondere für die Erstbestellung von Getränken, vor allem, wenn es sich um Gratisware handelt. i) Abzustellen ist vielmehr auf den Beginn des planmäßigen Anbietens von 2.1117 Dienstleistungen, die nach außen manifestierte Bereitschaft, am Markt aufzutreten und die potentielle Verfügbarkeit der angebotenen Leistung.1504) Die gewerbliche Tätigkeit ist spätestens mit der Eröffnung des Ladenlokals aufgenommen und damit ist die Existenzgründungsphase jedenfalls dann nach außen erkennbar abgeschlossen.1505) Für dieses Verständnis spricht der Wortlaut des § 513 BGB, der die Kredite 2.1118 zum Ausgangspunkt nimmt, die für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit bestimmt sind. Eine Tätigkeit ist aufgenommen, wenn der Gegenstand, auf den sie sich bezieht, auf Verlangen Dritter am Markt erhältlich ist. Nach dem Normzweck der §§ 491 – 510 BGB ist darauf abzustellen, ob der Kredit den bislang nicht oder unselbstständigen Kreditnehmer in die Lage versetzen soll, sich durch Gründung eines eigenen Unternehmens selbstständig zu machen bzw. durch Gesellschaftsbeitritt eine Unternehmerstellung zu erlangen, oder ob er dem weiteren Ausbau, eines bereits begonnenen, nach außen in Erscheinung getretenen Geschäftsbetriebes dienen soll. Dieser Ansatz ermöglicht auch eine flexible Handhabung und Abgrenzung unter Berücksichtigung branchenspezifischer Besonderheiten. Wer sein Geschäftslokal der Öffentlichkeit zugänglich macht und Produkte oder Dienstleistungen anbietet, ist nicht mehr schutzbedürftig i. S. d. § 513 BGB. Sollte der Kreditnehmer aus Übermut seine Räumlichkeiten ohne entsprechende Vorbereitung zu früh öffnen, so wäre er ebenfalls nicht schutzwürdig, weil das Verbraucherkreditrecht mit § 513 BGB zwar den Unerfahrenen, nicht aber den Ungeduldigen oder Unfähigen schützen will. j) Eine mehr oder weniger lange, möglichst schon nachhaltige Erfahrungen 2.1119 vermittelnde Tätigkeit in der gewählten Branche ist schon nach dem Wortlaut des § 513 BGB nicht erforderlich. Dieses Kriterium ist unbestimmt und daher nicht praktikabel. Anderenfalls würde der Schutzzweck des § 513 BGB mehr als notwendig überdehnt. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein notwendiges Kriterium.

___________ 1504) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 1505) OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

2.1120 k) Abzulehnen ist die These, dass bereits Umsätze aus dem Gewerbebetrieb gemacht worden sein müssen, um vom Abschluss der Gründungsphase ausgehen zu können. Anderenfalls könnte sich letztlich derjenige, der aufgrund mangelnder Befähigung oder anderer Umstände keinen Umsatz generiert, im Ergebnis auf unbestimmte Zeit auf den Schutz des § 513 BGB berufen. Dies würde dem Wortlaut der Vorschrift widersprechen, weil zu deren Anwendung die betreffende Tätigkeit noch nicht ausgeübt werden darf. 2.1121 l) Der Ansatz, darauf abzustellen, ob die Existenz des neuen Unternehmens dauerhaft gesichert ist, insbesondere die Ertrags- und Gewinnschwelle überschritten ist,1506) ist ebenfalls wenig weiterführend.1507) Das Kriterium der „Gewinnschwelle“ war bereits mit dem Wortlaut der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG nicht zu vereinbaren, unbestimmt und unpraktikabel, weil die handelsrechtlichen Wahlmöglichkeiten zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Auch stellte sich die Frage, wie mit defizitär agierenden Unternehmern zu verfahren wäre, wenn auf den Gewinn abgestellt wird. Vom Wortlaut des § 513 BGB dürfte dieser Ansatz erst recht nicht gedeckt sein.1508) 2.1122 m) Zweifelhaft ist auch, den Abschluss der Existenzgründungsphase auf den Zeitpunkt festzulegen, zu dem das Unternehmen dauerhaft gesichert ist. Ein solcher Ansatz dürfte mit dem Wortlaut des § 513 BGB nicht zu vereinbaren sein, weil die Existenzgründungsphase zu weit nach vorne verlagert würde. Der Ansatz ist auch unpraktikabel und fördert die Rechtsunsicherheit, weil nicht klar ist, ab wann eine entsprechende Sicherung des Geschäftes gegeben ist. Im Ergebnis würde ein defizitär handelnder Unternehmer dauerhaft Existenzgründer bleiben.1509) 2.1123 n) Ebenso wenig kann maßgeblich sein, ob bereits der deliktische Schutz aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Anspruch genommen werden kann. Dass der Existenzgründer bereits über einen nach § 823 Abs. 1 BGB schutzfähigen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verfügt, d. h. über eine aus sachlichen und persönlichen Mitteln gebildete, nach außen in Erscheinung tretende funktionale Einheit verfügt, bietet zwar eine Orientierungshilfe, ist aber angesichts der deliktischen Funktion dieses Begriffs letztlich nicht entscheidend. Während § 823 Abs. 1 BGB dem Schutz der Fortführung einer bereits ausgeübten Tätigkeit auf der Basis der bereits durchgeführten Betriebsabläufe dienen soll, setzt das Verbraucherkreditrecht wesentlich früher an, in dem es den unerfahrenen1510) Exis___________ 1506) Scholz, DB 1993, 261. 1507) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 8. 1508) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 1509) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 1510) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96.

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III. Existenzgründer

tenzgründer bei der Aufnahme seiner Tätigkeit vor vorschnellen Kreditentscheidungen schützen soll. o) Zeitfenster. aa) Rechtsprechung. Liegt der Zeitpunkt der Gewerbean- 2.1124 meldung im Zeitpunkt der (Beitritts-)Vereinbarung (zu einem Leasingvertrag) schon sieben Wochen zurück, so soll die Existenzgründungsphase zumindest dann abgeschlossen sein, wenn die Gewerbeanmeldung dem Zweck diene, dem Lebensgefährten die Fortführung seiner Geschäfte nach der Insolvenz seines Unternehmens zu ermöglichen.1511) Demgegenüber stellte das KG auf den Ablauf von sechs Monaten seit dem Kauf eines Geschäftslokals ab und verneinte die erneute Existenzgründereigenschaft.1512) bb) Stellungnahme. Im Zusammenhang mit Zeitfenstern ist vor einer Verall- 2.1125 gemeinerung zu warnen. Die zitierte Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2002 dürfte wohl nicht übertragbar sein, sondern sich nur vor dem Hintergrund der Umstände des zu entscheidenden Einzelfalles rechtfertigen lassen. Allenfalls mag in den genannten Fällen der Ablauf der angeführten Zeiträume ein – wenn auch wohl nur schwaches – Indiz für die Annahme des Abschlusses der Existenzgründungsphase gewesen sein. Da es je nach Art der angestrebten Tätigkeit und individuellen Situation des Existenzgründers sehr unterschiedlich lange und komplexe Aufnahmephasen zur Existenzgründung geben kann, eignet sich die Festlegung eines allgemein gültigen Zeitraumes für die Annahme der Beendigung der Existenzgründungsphase nicht. 8.

Wiederholte Existenzgründung

a) Grundlagen. Wenn der Existenzgründer bereits zuvor tätig war, seine Tä- 2.1126 tigkeit aber zwischenzeitlich endgültig aufgegeben hat, etwa durch Einstellung des Geschäftsbetriebes oder Unternehmensveräußerung, fallen erneute Existenzgründungen wiederum in den Anwendungsbereich von § 513 BGB.1513) Der Wortlaut von § 513 BGB legt nämlich keine Beschränkung auf erstmalige Existenzgründungen nahe und die Geschäftserfahrenheit oder -unerfahrenheit in der Situation einer Existenzgründung spielt für die Anwendbarkeit der Vorschrift keine Rolle.1514) Allerdings verlangt die Rechtsprechung bei erneuter Existenzgründung eine Zäsur zwischen früherer und erneuter Existenzgründung ___________ 1511) BGH, Urt. v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 = ZIP 2002, 930 (Beitritt Leasingvertrag); OLG Brandenburg, Urt. v. 27.4.1995 – 8 U 55/94, OLGReport 1995, 141; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749 (Beitritt Leasingvertrag). 1512) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422 (Darlehen). 1513) BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540, in BGHZ 137, 114 nicht abgedruckt (Franchisvertrag); OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, NJW-RR 1995, 816 = ZIP 1994, 1931; OLG Celle, Urt. v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, NJW-RR 1996, 119. 1514) Siehe oben § 22 III 5 d m. w. N.

387

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

im Sinne eines erheblichen zeitlichen Abstands zwischen den beiden Tätigkeitsphasen von einem Jahr.1515) 2.1127 b) Hinweis. Nachfolgend werden ausgewählte Fallgruppen angesprochen. Dabei besteht die Besonderheit, dass die Rechtsprechung überwiegend noch aus der Zeit der Geltung des VerbrKrG stammt und im Hinblick auf den damals abweichenden Wortlaut nur begrenzt übertragbar sein dürfte.1516) 2.1128 c) Wiederholte Existenzgründung in unterschiedlichen Branchen. aa) Meinungsstand. Von der h. M. wird die Anwendung des § 513 BGB bejaht.1517) Dafür könnte sprechen, dass sich spezifische rechtliche Kenntnisse des Verbrauchers, z. B. hinsichtlich der Widerruflichkeit des Vertrages, oder das Vorhandensein oder Fehlen geschäftlicher Erfahrung, auf den Verbraucherstatus einer natürlichen Person nicht auswirken.1518) 2.1129 Teilweise wird eine teleologische Reduktion des § 513 BGB vertreten.1519) Vereinzelt wird differenziert: Eine teleologische Reduktion sei dann angezeigt, wenn ein seit Jahren – eventuell sogar in mehreren Branchen – sehr erfolgreicher Unternehmer ein weiteres Unternehmen gründet und dafür ein Darlehen in Höhe von 70.000,00 € aufnimmt. Etwas anderes sei es aber, wenn ein geschäftlich unerfahrener Kleingewerbetreibender mit geringen eigenen Mitteln nur für kurze Zeit sein Glück in der Selbstständigkeit gesucht habe und binnen kurzer Zeit gescheitert sei. Wenn er dann später einen zweiten Anlauf unternehme und auf anderem Gebiet ein neues Unternehmen gründe und dafür einen Existenzgründungskredit aufnehme, sei der Anwendungsbereich des § 513 BGB eröffnet. Das Gleiche gelte, wenn jemand nach langjähriger, vielleicht jahrzehntelanger unternehmerischer Abstinenz unter völlig anderen persönlichen Voraussetzungen und gänzlich anderen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein weiteres Mal in seinem Leben ein Unternehmen gründet.1520) 2.1130 bb) Stellungnahme. Zustimmung verdient die These von der telologischen Reduktion. Der von der ersten Meinung jedenfalls auch vertretene transaktionsbezogene Ansatz lässt sich dem Wortlaut des § 513 BGB nicht entnehmen. Auch stellt sich die Frage, ob die These vom transaktionsbezogenen Ansatz nicht im Ergebnis einen Zirkelschluss darstellt. Da der Wortlaut beide Interpretationen zulässt, ist er letztlich nicht entscheidend. Aus dem anderslautenden Wortlaut ___________ 1515) OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, NJW-RR 1995, 816 = ZIP 1994, 1931; OLG Celle, Urt. v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, NJW-RR 1996, 119. 1516) Siehe oben § 22 III 2 c m. w. N. 1517) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1518) BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435 = ZIP 2008, 27. Zur Rechtslage nach VerbrKrG vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1155 – 2.1158 m. w. N. 1519) U. a. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 7. 1520) NK-BGB/Müller, § 512 Rz. 9.

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III. Existenzgründer

des § 1 Abs. 1 a. E. VerbrKrG kann nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Daher ist auch die Rechtsprechung zum früheren VerbrKrG nicht mehr heranzuziehen. Der offene Wortlaut auch des § 513 BGB („einer“) zwingt nicht zu der Auslegung der h. M. Die historische Interpretation zeigt, dass nach der formalen Betrachtungsweise 2.1131 des § 8 AbzG1521) eine Voreintragung im Handelsregister auch dann schadete, wenn sie sich auf eine andere Branche bezog. Der Mehrfachexistenzgründer war also nicht geschützt. Der Gesetzgeber des VerbrKrG hatte ebenfalls nicht vor, eine erneute Exis- 2.1132 tenzgründung zu schützen. Vielmehr hatte er im Auge, speziell die erste Kreditaufnahme oder den ersten Abschluss eines Ratenlieferungsvertrages für die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit als Risikofaktor zu sehen, vor dem der Kreditnehmer geschützt werden solle.1522) Der These, auch die mehrfache Existenzgründung falle immer wieder unter den 2.1133 Verbraucherschutz, sofern nur für die Neugründung spezifische Kenntnisse erlernt werden müssten, ist zu widersprechen. Ein Textilhändler, der nun in die Computerbranche wechseln will, handelt gewiss nicht mehr „von seiner Rolle als Verbraucher her“, sondern sollte inzwischen zumindest allgemeine Geschäftserfahrung und kaufmännisches Know-how erworben haben. Eine solche Überdehnung des Verbraucherschutzes ist nicht gerechtfertigt. Geschützt wird nur der Unerfahrene. d) Wiederholte Existenzgründung in derselben Branche. aa) Praktische Be- 2.1134 deutung. Die rechtliche Beurteilung der Wiederaufnahme einer unterbrochenen gewerblichen Tätigkeit in derselben Branche, also bei Gewerbeidentität, ist ebenfalls umstritten. Diese Fallgruppe hat angesichts der Fluktuation im Gastronomiegewerbe besondere Bedeutung. bb) Meinungsstand. Während der Geltung des VerbrKrG bejahte die h. M. 2.1135 grundsätzlich eine erneute Existenzgründung. Hatte der Verbraucher eine gleichartige Tätigkeit, z. B. Einzelhandel, innerhalb derselben Branche schon ausgeübt, diese aber wieder aufgegeben und bestand bei der Neugründung keine Kontinuität, so war erneut eine Existenzgründungssituation gegeben.1523) Ob ausnahmsweise Kontinuität zwischen der durch den Kredit geförderten und einer früher bereits ausgeübten Tätigkeit noch als gegeben angesehen werden konnte, sei von Fall zu Fall aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles zu be-

___________ 1521) Zur Altrechtslage nach AbzG Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1154 m. w. N. 1522) BR-Drucks. 848/08, S. 12; BT-Drucks. 11/8274, S. 20 f; Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96. 1523) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

urteilen gewesen. Ein Handelnder konnte sonach mehrfach in den Genuss verbraucherschützender Normen kommen.1524) 2.1136 In der Rechtsprechung fanden sich auch Entscheidungen, die danach fragten, ob der Gastwirt lediglich kurze Zeit eine Absatzstätte betrieben hatte, sodass in diesem Bereich noch keine ausreichende Erfahrungen gesammelt werden konnten oder ob zwischen der Aufgabe der einen und Eröffnung einer neuen Absatzstätte ein längerer Zeitraum lag. So in Extremsituationen, wenn z. B. der Existenzgründer nach mehrjähriger Abstinenz wieder unternehmerisch tätig wurde. Hatte er noch keine ausreichenden Erfahrungen sammeln können, so erlangte er wieder den Status des Existenzgründers.1525) 2.1137 Das OLG Celle sah auch im Falle wiederholter Existenzgründung grundsätzlich den persönlichen Anwendungsbereich des VerbrKrG als eröffnet an. Die Entstehungsgeschichte des VerbrKrG gab keinen unmittelbaren Aufschluss. Allerdings könnte unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und damit des engen Zusammenhangs zwischen der früheren Tätigkeit (hier Aufgabe des früheren Gaststättenbetriebes vor eineinhalb Jahren) und der aktuellen Kreditgewährung etwas anderes im Einzelfall anzunehmen sein.1526) 2.1138 Vereinzelt wurde danach differenziert, ob bereits Erfahrungen im Zusammenhang mit einer Kreditaufnahme gemacht worden waren. War dies nicht der Fall, so konnte dem in dieser Hinsicht erstmaligen Kreditnehmer nicht von vornherein die Schutzwürdigkeit versagt werden.1527) 2.1139 Andere bejahten eine erneute Existenzgründung dann, wenn der Gastwirt die erste Tätigkeit aus persönlichen Gründen (Krankheit), nicht aus wirtschaftlichen Gründen, aufgegeben hatte und einige Zeit später eine neue Absatzstätte wie-

___________ 1524) BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, NJW-RR 1995, 816 = ZIP 1994, 1931; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Nürnberg, Urt. v. 17.1.1995 – 11 U 2737/94, BeckRS 1995, 31333635; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1525) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 – Getränkehandel; BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94 (Zeitraum von vier Jahren (vorher) eine Gaststätte geführt und diese Tätigkeit erst vier bis fünf Wochen vor seiner Beitrittserklärung beendet hat); OLG Celle, Urt. v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, NJW-RR 1996, 119 (Aufgabe des früheren Betriebes lag eineinhalb Jahre zurück); OLG Nürnberg, Urt. v. 17.1.1995 – 11 U 2737/94, BeckRS 1995, 31333635; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1995 – 17 U 191/95, WM 1995, 1142; OLG Brandenburg, Urt. v. 27.4.1995 – 8 U 55/94, OLGReport 1995, 141 (offen lassend); OLG Schleswig, Urt. v. 21.11.1997 – 14 U 90/96, OLGZ 1998, 41. 1526) OLG Celle, Urt. v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, NJW-RR 1996, 119; insofern ähnlich BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540. 1527) OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224.

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III. Existenzgründer

dereröffnete. Dies selbst für den Fall, dass er sich als besonders erfahrener Gastwirt bezeichnete.1528) Das Meinungsbild zu § 513 BGB entspricht im Wesentlichen dem zur früheren 2.1140 Rechtslage, wobei in der Literatur die erneute Existenzgründung als nicht schutzwürdig angesehen wird (teleologische Reduktion), weil der Gründer bereits durch seine vorherige Geschäftsaufnahme erste gewerbliche Kenntnisse erworben habe.1529) cc) Entscheidungserheblichkeit. Die zum VerbrKrG vertretene h. M. und die 2.1141 Lehre von der teleologischen Reduktion des § 513 BGB führen nicht selten zu gleichen Ergebnissen. Hintergrund ist das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Parallelproblem der wiederholten Existenzgründung in unterschiedlichen Branchen statuierte Erfordernis eines sachlichen Zusammenhangs und einer klaren Abgrenzung der Tätigkeiten.1530) Lehrreich dazu ist eine Entscheidung des LG Köln vom 15.3.2011.1531) dd) Stellungnahme. Das Gesetz spricht von „die Aufnahme“ und nicht von 2.1142 „einer Aufnahme“ oder „Aufnahmen“. Damit ist schon zweifelhaft, ob die erneute Existenzgründung (Wiederaufnahme bzw. Neuaufnahme) darunter zu subsumieren ist. Nach dem Wortlaut kommt es auch nicht auf die individuelle Schutzbedürftigkeit an. Das Gesetz fordert explizit keine fortdauernde Schutzbedürftigkeit. Das Gesetz zielt auf die Person und ihre Erfahrungen ab und nicht auf die Tätigkeit der Existenzgründung. Wenn sich auch die Frage der Geschäftserfahrenheit in diesem Zusammenhang 2.1143 an sich nicht stellt, so ist aber gleichwohl festzuhalten, dass der Existenzgründer nicht mehr „von seiner Rolle als Verbraucher her“ agiert. In derselben Branche ergeben sich ohnedies keine neuartigen Risiken. Das Gesetz sieht speziell die Kreditaufnahme oder den Abschluss von Ratenlieferungsverträgen als Risi___________ 1528) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 68/94, NJW-RR 1995, 816 = ZIP 1994, 1931; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; ablehnend OLG Nürnberg, Urt. v. 17.1.1995 – 11 U 2737/94, BcckRS 1995, 31333635. 1529) Statt vieler Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 7. 1530) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105 (Franchisevertrag); BGH, Urt. v. 5.2.1997 – VIII ZR 14/96, WM 1997, 1353 (Franchisvertrag); BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540, in BGHZ 137, 114 nicht abgedruckt (Franchisvertrag); BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJWRR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 – Getränkehandel; BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; BGH, Urt. v. 13.3.2002 – VIII ZR 292/00, NJW 2002, 2030 = ZIP 2002, 930, OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Celle, Urt. v. 4.1.1995 – 2 U 262/93, NJW-RR 1996, 119; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 1531) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

kofaktor, vor dem der Existenzgründer geschützt werden müsse. Nicht dagegen kommt es auf das allgemeine (Lebens-)Risiko an. Insofern bedarf es keines Schutzes mehr, wenn der Kreditnehmer sich lediglich innerhalb der Risiken der ihm bereits bekannten Branche bewegt. Nach der teleologischen Auslegung des Gesetzes fehlt es in dieser Fallgruppe erst recht an der Schutzbedürftigkeit.1532) Diese teleologische Reduktion setzt allerdings voraus, dass ein Zusammenhang zwischen den bestehenden gewerblichen Unternehmen nicht nur im Sinne einer Branchenidentität, sondern auch Statusidentität (selbstständiger Gastwirt) festgestellt werden kann.1533) 2.1144 Soweit auf den Zeitfaktor abgestellt wird und § 513 BGB jedenfalls dann wieder für anwendbar erklärt wird, wenn der Handelnde nach jahrelanger Abstinenz wieder unternehmerisch tätig werde,1534) ist dem entgegenzuhalten, dass der Wortlaut des § 513 BGB keinen Hinweis auf eine zeitliche Komponente gibt. Auch sind die bislang hierzu genannten Zeitrahmen – von wenigen Wochen bis hin zu „jahrelanger Abstinenz“ – derart unbestimmt, dass sie der Rechtsunsicherheit Vorschub leisteten und damit als nicht praktikabel abzulehnen sind. 2.1145 Für die Anwendung des § 513 BGB ist es auch unerheblich, ob die Betriebsaufgabe aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen erfolgt ist. Gründe für eine entsprechende Differenzierung ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch dem Normzweck. Im Übrigen ändert die Geschäftsaufgabe gleich aus welchem Grunde nichts daran, dass bereits Erfahrungen durch die vormalige selbstständige gewerbliche Tätigkeit gesammelt worden sind. Auch erscheint eine entsprechende Unterscheidung wenig praktikabel, selbst wenn man berücksichtigt, dass den Existenzgründer die Darlegungs- und Beweislast hierfür treffen würde. Anderenfalls könnte sich jeder Existenzgründer, unabhängig davon, wie lange auch sein früheres Unternehmen bereits bestanden hat und wie erfolgreich er tätig gewesen ist, bei späteren Neugründungen auf den Schutz des Verbraucherkreditrechts berufen.1535) 2.1146 e) Wiederholte Existenzgründung bei bestehender Unternehmerschaft. Zu fragen ist, wie Sachverhalte zu beurteilen sind, in denen eine Person bereits gewerblich tätig ist und nunmehr parallel dazu in derselben oder einer anderen Branche oder in einer anderen Art, z. B. Handel, ein weiteres Geschäft gründet. 2.1147 bb) Meinungstand. Nach h. M. wird diese Fallgruppe ebenfalls von § 513 BGB erfasst und zwar selbst dann, wenn die neu aufzunehmende und die früher ausgeübte Tätigkeit gleichartig sind. Dies ergebe sich aus Schutzzweckgesichts___________ 1532) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1533) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97. 1534) NK-BGB/Müller, § 512 Rz. 9. 1535) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622.

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III. Existenzgründer

punkten.1536) Nach zutreffender Auffassung fällt die wiederholte Existenzgründung bei bestehender Unternehmerschaft so wie noch nicht in den Schutzbereich des § 513 BGB.1537) cc) Stellungnahme. Das Gesetz zielt auf die Person und ihre Erfahrungen ab 2.1148 und nicht auf die Tätigkeit der Existenzgründung. Unter Geltung des § 8 AbzG war der Prüfungsmaßstab strenger; eine Voreintragung ließ den – erneuten – Schutz nicht entstehen. Betrachtet man das gesamte unternehmerische Handeln und nicht nur das einzelne neu hinzu kommende Geschäft, so liegt lediglich eine Ausweitung der unternehmerischen Tätigkeit vor. Der Unternehmer, der Neuunternehmen errichtet, erschafft sich einen kleinen Konzern und besitzt typischerweise gerade die Geschäftsgewandheit, wie sie in der Phase der Existenzgründung fehlen mag. Den Mehrfachgründer als Verbraucher anzusehen, bedeutete einen überschießenden Schutz, der über das gesetzgeberische Anliegen hinausginge. In diesen Fällen besitzt der Handelnde gerade über hinreichende unternehmerische Erfahrungen. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorgängerregelung zum heutigen § 513 BGB gerade die Konzernbildung mit Hilfe von Existenzgründerkrediten ausschließen.1538) Zwar bezieht sich diese Erwägung in erster Linie auf die Wertgrenze. Man wird aber wohl annehmen können, dass sich dieser Gedanke im Grundsatz auf die gesamte Regelung erstrecken soll. 9.

Geschäfte nach Abschluss der Existenzgründungsphase

Nach Abschluss der Existenzgründungsphase geschlossene Verträge werden nicht 2.1149 erfasst. Dies unabhängig davon, ob die Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit erst kurze Zeit zurückliegt oder nicht.1539) 10.

Geschäftserweiterung

a) Abgrenzung. Zunächst ist zu fragen, inwieweit sich eine Geschäftserweite- 2.1150 rung von einer Existenzgründung unterscheidet. Eine Geschäftserweiterung ist gegeben, wenn der Handelnde die bisherige, beschränkte Angebotspalette seines Gewerbebetriebes in vergleichsweise geringfügigen Umfang durch eine Produktvariation oder Produktdiversifikation erweitert. Demgegenüber kann man von Existenzgründung erst dann sprechen, wenn die bereits ausgeübte Tätigkeit mit der neuen Tätigkeit nicht im Zusammenhang steht und davon klar abgegrenzt ist. Ein Indiz für eine bloße Erweiterung ist z. B. das Unterschreiben nicht nur mit eigenem Namen, sondern auch mit dem Namen des bestehenden ___________ 1536) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. Zur Rechtslage nach VerbrKrG vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1179 f. m. w. N. 1537) U. a. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 7. 1538) BT-Drucks. 11/8274, S. 20 f. 1539) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Getränkehandel); OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1995 – 17 U 191/95, WM 1995, 1142.

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§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

Betriebes.1540) Hierzu bedarf es einer umfänglichen Prüfung anhand von Indizien und Hilfskriterien wie gemeinsamen Gattungsbegriffen oder Teilbranchen für die verschiedenen Tätigkeiten.1541) 2.1151 b) Meinungsstand. Stellt sich die neue Tätigkeit des Gastwirts lediglich als Erweiterung seiner bisherigen Tätigkeit dar, so liegt Unternehmerhandeln vor. Auf Geschäfte, die im Rahmen einer Erweiterung einer schon bestehenden Geschäftes getätigt werden, findet § 513 BGB keine Anwendung. Der weitere Ausbau eines bestehenden Geschäftsbetriebes, seine räumliche Erweiterung und jedwede – erkannte oder unerkannte bzw. bewusste oder unbewusste – Betriebsänderung – Beispiel: Abschluss eines Leasingvertrages über Getränkeautomaten durch einen Getränkehändler – fallen ebenso wenig wie die Übernahme eines zusätzlichen Betriebs – wo auch immer – nicht erneut unter den Existenzgründerbegriff des § 513 BGB.1542) 2.1152 c) Stellungnahme. Für diese Interpretation sprechen der Wortlaut des § 513 BGB, der nur die Aufnahme einer entsprechenden Tätigkeit erfasst, sowie die Gesetzesbegründung, die auf die Gründung einer einfachen gewerblichen Tätigkeit, nicht dagegen auf die Bildung von Konzernen unter dem Schutz des Verbraucherkreditrechts abstellt.1543) 2.1153 Die Zweckbestimmung bezieht sich hier nicht auf die „Aufnahme“ einer Tätigkeit i. S. d. § 513 BGB. Bei einer Erweiterung hat der Handelnde, der bereits Unternehmer i. S. d. § 14 BGB ist, die Vorbereitungsphase hinter sich gebracht. Der Vorgang birgt ein geringeres Risiko als eine Existenzgründung, weil der Unternehmer die Erweiterung einerseits ausreichend planen kann und andererseits beim Aufbau des Unternehmens hinreichend unternehmerische Kenntnisse erlangt hat. Es besteht kein Anlass, die Person zu schützen, die bereits ein Unternehmen betreibt und dieses lediglich erweitert. Bei einem solchen Geschäft geht es nicht um die „Aufnahme“ einer Tätigkeit i. S. d. § 513 BGB. Die ___________ 1540) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Getränkehandel). 1541) Existenzgründung: BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105: Einzelhändler für Schreib- und Spielwaren, der einen Franchisevertrag für ein Gebäudereinigungskonzept eingeht; OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224: freiberufliche „Stil- und Farbberaterin“, die ein Damenbekleidungsgeschäft eröffnet; dagegen bloße Geschäftserweiterung im Fall BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670. 1542) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 – Getränkehandel; BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1995 – 17 U 191/95, NJW-RR 1996, 759; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97; OLG Brandenburg, Urt. v. 15.12.1998 – 6 U 1/98, OLGReport 1999, 137; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826. 1543) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96.

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III. Existenzgründer

Privilegierung von Existenzgründern hat den Zweck, diese aufgrund ihrer Unerfahrenheit zu schützen. Bei einer Erweiterung hatte der Gastwirt aber schon Gelegenheit, Kenntnisse zu erwerben. Somit erscheint eine andauernde Privilegierung nicht angemessen. Dafür können im Einzelfall sowohl die Vertragsformulierung („seit dem 1.1.1990 als … gewerblich … tätig“) als auch eine Gewerbeummeldung mit dem Inhalt „Erweiterung der Betriebstätigkeit“ sprechen. 11.

Umfang der gewerblichen Tätigkeit

Schon nach dem AbzG war die Art der Kaufmannstätigkeit unbeachtlich.1544) 2.1154 Aktuell gilt: Auch dann, wenn die bisherige gewerbliche Tätigkeit nur einen geringen Umfang gehabt hat, wird nicht erneut der Anwendungsbereich des § 513 BGB eröffnet. Es reicht aus, wenn die bisherige Tätigkeit überhaupt geeignet gewesen ist, zu einer Erfahrenheit im geschäftlichen Verkehr zu führen. Daher ist es irrelevant, ob das gastronomische Konzept bzw. der Betriebstyp in welche Richtung auch immer geändert wird und/oder die Ausstattung oder der gewerbliche Auftritt verändert werden. Ausschlaggebend ist allein, dass die bisherige geschäftliche Tätig geeignet war, Kenntnisse und Erfahrungen in der Führung eines gastronomischen Betriebes zu gewinnen.1545) 12.

Umstrukturierung

Dient die Kreditaufnahme zur Umstrukturierung einer bereits ausgeübten ge- 2.1155 werblichen Tätigkeit, ist der Schutzbereich des § 513 BGB nicht erneut eröffnet. Dies auch dann, wenn der Sachverhalt sich weder als Geschäftserweiterung noch als Vergrößerung des Umfangs der gewerblichen Tätigkeit darstellt. Zunächst kann insofern bereits nicht von einer „Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit“ i. S. d. § 513 BGB gesprochen werden, weil der Betrieb bereits besteht. Auch bezieht sich die Umstrukturierung in aller Regel lediglich auf die innere Struktur, etwa personelle und/oder organisatorische Maßnahmen. 13.

Umwandlung bzw. Änderung der Rechtsform

a) Denkbar ist, dass die Rechtsform eines bestehenden gastronomischen Be- 2.1156 triebes umgewandelt wird und im Zuge dieser Umwandlung ein Kredit aufgenommen wird, etwa bei Überführung eines einzelkaufmännischen Gewerbes in eine GmbH. b) Die Umwandlung in eine andere Rechtsform bzw. die Änderung der Rechts- 2.1157 form eines Unternehmens fallen schon dem Wortlaut nach nicht unter § 513 BGB, weil hier keine Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit vorliegt. Im Fall einer Umwandlung wird die bereits vorhandene Existenz mit einem anderen ___________ 1544) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71 = Zeller IV, 47. 1545) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 512 Rz. 10.

395

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

„Mantel“ versehen. Es ändert sich lediglich die Erscheinungsform, in der das Unternehmen nach außen auftritt. Jedoch repräsentieren weiterhin dieselben Personen die Gesellschaft und vertreten diese.1546) 2.1158 Auch aus Schutzzweckerwägungen ist die Anwendung des § 513 BGB nicht geboten. Die handelnde Person ist bereits Unternehmer i. S. d. § 14 BGB. Ob durch eine Umwandlung bzw. Änderung der Rechtsform Risiken, etwa Haftungs- oder Beteiligungsrisiken entstehen, kann offenbleiben. Jedenfalls agiert hier ein Unternehmer selbst bei kreditfinanzierten Maßnahmen nicht mehr aus der Position eines Existenzgründers heraus. Im Gegenteil versucht er nicht selten – etwa durch die Umwandlung in eine GmbH – Haftungsrisiken zu minimieren. 14.

Änderung der Etablissementbezeichnung

2.1159 Auch dann, wenn ein bereits bestehender gastronomischer Betrieb mit einer neuen Etablissementbezeichnung versehen wird und in diesem Zusammenhang ein Kredit aufgenommen wird, bleibt § 513 BGB nicht anwendbar. Zwar mag das Risiko begründet sein, dass infolge der Änderung der Etablissementbezeichnung der Kundenzuspruch nachlässt. Dies ist aber zum einen ein aus Sicht des Handelnden voraussehbares Risiko. Dem kann er auch durch geeignete Maßnahmen entgegensteuern. Jedenfalls hat er die Änderung der Etablissementbezeichnung zu vertreten (§ 276 BGB). Zum anderen lässt sich die Umbenennung schon dem Wortlaut nach nicht unter § 513 BGB subsumieren. Eine andere Auslegung würde die Grenzen des möglichen Wortsinns überschreiten. Ein eventuell sich abzeichnendes Risiko ist auch nicht hinreichend, um eine erneute Existenzgründungssituation annehmen zu können. Hier liegt eine freiwillige und bewusste unternehmerische Entscheidung vor. Anderenfalls könnte der Gastwirt durch kreditfinanzierte Änderungen der Etablissementbezeichnungen wiederholt in den Schutzbereich des Verbraucherkreditrechts gelangen. Dieses ist vom Normzweck nicht erfasst. 15.

Standortverlagerung

2.1160 Verlagert ein Gastwirt mit oder ohne Mitnahme der Etablissementbezeichnung sein Unternehmen an einen anderen Standort und nimmt er hierzu finanzielle Mittel auf, so ist § 513 BGB im Regelfall nicht anwendbar. Dem stehen sowohl der Wortlaut der Vorschrift („Aufnahme“ im Gegensatz zur „Weiterführung“) als auch der Umstand entgegen, dass es sich insofern um eine wenn auch räumlich verlagerte Fortsetzung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit handelt. Auch verfügt der Gastwirt über ausreichende Erfahrungen, um die Risiken einer Neuerschließung des Marktes abschätzen zu können. Daher ist ihm kein er___________ 1546) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 512 Rz. 10.

396

III. Existenzgründer

neuter Schutz einzuräumen. Zwar mag es dem Gastwirt einige Mühe kosten, einen neuen Markt zu erschließen. Dieser Befund basiert aber auf einer wiederum eigenen unternehmerischen Entscheidung, die er in eigener Verantwortung nach Abwägung des Für und Widers getroffen hat. Dies auch dann, wenn ihn äußere Umstände, wie etwa ein Umsatzrückgang, hierzu veranlasst haben mögen. Insofern wird man die Rechtsprechung zum außerordentlichen Kündigungsrecht entsprechend heranziehen können.1547) 16.

Geschäftsaufgabe

§ 513 BGB schützt die Vorbereitungsphase einer Unternehmensgründung, nicht 2.1161 dagegen die Geschäftsaufgabe. Insoweit handelt es sich um Unternehmergeschäfte. 17.

Folgeverträge

Folgebindungen oder Anschlussfinanzierungen werden bei Personenidentität 2.1162 aufseiten des Kunden nicht erfasst. Auch insofern gilt der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Ob dies auch dann gilt, wenn ausnahmsweise ein Anschlussvertrag im Rechtssinne vorliegt,1548) dürfte keinen Unterschied machen. Eine etwaige Zusammenrechnung nach § 138 Abs. 1 BGB hat andere Voraussetzungen und einen abweichenden Normzweck als § 513 BGB. Daher dürfte es nicht möglich sein, „Rosinen zu picken“ und über eine Zusammenrechnung der Laufzeit(en) erneut in den Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts zu gelangen. 18.

Saisonverträge

Im Regelfall werden Saisonbetriebe mit „durchlaufenden“ Getränkelieferungs- 2.1163 verträgen finanziert und gebunden. Besonderheiten dieser Objekttypen wird dann etwa bei Fälligkeitszeitpunkten der Tilgungsraten und/oder der Pacht Rechnung getragen. Dann bestehen keine Abweichungen im Zusammenhang mit § 513 BGB. Im Übrigen, wenn ausnahmsweise mit kurzlaufenden „Saisonverträgen“ gearbeitet wird, ist zu beachten, dass eine auf Dauer angelegte und planvolle gewerbliche Tätigkeit i. S. d. § 14 BGB auch dann vorliegt, wenn sich regelmäßige Tätigkeitsabschnitte mit Ruhepausen abwechseln.1549) 19.

Bestandsgastronomen

Die Zusammenarbeit mit Unternehmern (§ 14 BGB) fällt nicht unter das Ver- 2.1164 braucherschutzrecht (b2b-Geschäft).1550) Betreibt der Gastwirt bei Abschluss ___________ 1547) Siehe unten § 33 V 4 b – 6, jeweils m. w. N. 1548) Siehe oben § 11 III 2 , 5 – 7 , jeweils m. w. N. 1549) Erman-Saenger, BGB, § 14 Rz. 11. 1550) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224 (§ 1 VerbrKrG); LG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2011 – 7 O. 285/09, BeckRS 2011, 24525. Siehe oben § 22 I 2 a m. w. N.

397

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

des streitgegenständlichen Vertrages und Übernahme einer Getränkebezugsverpflichtung schon eine Absatzstätte, dient der Vertrag einer bereits ausgeübten gewerblichen Tätigkeit und erfüllt nicht die persönlichen Voraussetzungen des Verbraucherkreditrechts.1551) 20.

Bindung durch mehrere Getränkelieferanten

2.1165 Schließen verschiedene Getränkefachgroßhändler jeweils mit ein- und demselben Kunden als Existenzgründer Getränkelieferungsverträge, so ist im Zeitablauf zu prüfen, ob bei Abschluss des zweiten Vertrages die Existenzgründungsphase bereits abgeschlossen ist.1552) IV.

Geschäftsvolumen über 75.000,00 €

1.

Einführung

2.1166 Der die Verbrauchereigenschaft im Allgemeinen ausschließende Bezug zu einer (hier) gewerblichen Tätigkeit ist nach § 513 BGB unerheblich, wenn die Gewährung des Darlehens oder die Finanzierungshilfe oder der Abschluss des Ratenlieferungsvertrages für die Aufnahme einer solchen Tätigkeit bestimmt ist und der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis 75.000,00 € übersteigt Ein Betrag von 75.000,01 € genügt. 2.

Europarechtlicher Hintergrund

2.1167 Da die Erweiterung des Verbraucherbegriffs auf Existenzgründer nicht in der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG angelegt ist, bewegt sich die Höchstgrenze von 75.000,00 € möglicherweise jenseits der durch Art. 15 der Richtlinie eingeräumten Option, sodass Art. 2 Abs. 1 f nicht berührt ist. Die Regelung des deutschen Rechts ist jedenfalls grundfreiheitenkonform.1553) 3.

Normzweck

2.1168 Mit der 75.000,00 €-Grenze des § 513 BGB soll die Ausweitung der Norm verhindert werden (teleologische Restriktion), insbesondere sollen gewerbliche Großkredite in Verbindung mit der Gründung von Handelsgesellschaften nicht erfasst werden.1554) In Anlehnung an die Altregelung des § 8 AbzG sollen kleingewerbliche Kreditnehmer, etwa Landwirte, Freiberufler und sonstige Kleingewerbetreibende, das Gesetz für sich beanspruchen können.1555) § 513 BGB ___________ 1551) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 12.5.1998 – 11 U (Kart) 54/97; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826. 1552) Siehe oben § 22 III 9 m. w. N. 1553) BT-Drucks. 11/8274, S. 20 f. Siehe oben § 22 III 3 m. w. N. 1554) BT-Drucks. 11/8274, S. 24. 1555) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96.

398

IV. Geschäftsvolumen über 75.000,00

will den Existenzgründer nicht vor den Risiken bewahren, die mit jeder neuen Tätigkeit verbunden sind, sondern betrachtet speziell die Kreditaufnahme oder den Abschluss des Ratenlieferungsvertrages als Risikofaktor. 4.

Darlegung und Beweis

Ist streitig, ob das Mindestvolumen von 75.000,00 € überschritten ist, trägt der 2.1169 Unternehmer, nicht aber der Existenzgründer die Beweislast.1556) Dies folgt aus der Gesetzesformulierung „es sei denn“, die den zweiten Halbsatz einleitet und diesen als Ausnahmetatbestand kennzeichnet.1557) Gleiches gilt für die Frage, ob der Kredit der Fortsetzung oder Erweiterung 2.1170 einer bereits aufgenommenen gewerblichen Tätigkeit dient. 5.

Anwendbarkeit auf Verbraucher

§ 513 BGB und damit auch die Wertgrenze von 75.000,00 € gelten nicht für 2.1171 Verbraucher. Die Regelung ist nach zutreffender h. M. nicht Ausdruck einer allgemeinen Grundentscheidung des Gesetzgebers und kann daher auch nicht auf andere Fälle angewandt werden. Bei der § 513 BGB handelt es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift ausschließlich für Existenzgründer.1558) 6.

Anwendbarkeit auf Getränkelieferungsverträge

In deutlicher Distanzierung von der unter Geltung des VerbrKrG h. M. ent- 2.1172 zieht § 513 BGB ebenso wie die Vorgängerregelung des §§ 507, 512 BGB a. F. im Rahmen der Existenzgründung geschlossene Ratenlieferungsverträge und damit auch Getränkelieferungsverträge dem Schutzbereich des § 510 BGB, wenn ihr Volumen den Betrag von 75.000,00 € übersteigt.1559) Die Formulierung „Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis“ stützt die hier vertretene Auffassung. Die Entstehungsgeschichte des nunmehrigen § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB zeigt, dass die Regelung auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen Anwendung finden soll. Mit der ausdrücklichen Verankerung der Ratenlieferungsverträge im Wortlaut des § 513 BGB hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen.1560) Im Übrigen ist weder aus Schutzzweckgesichtspunkten noch mangels einer Vergleichbarkeit mit Franchiseverträgen eine einschränkende Interpretation geboten. ___________ 1556) BT-Drucks. 14/6857, S. 65; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1557) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 82 f., 96. 1558) BGH, Beschl. v. 24.2.2005 – III ZB 36/04, BGHZ 162, 253 = NJW 2005, 1273 = ZIP 2005, 622; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850. 1559) BT-Drucks. 14/7052, S. 203; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1560) BT-Drucks. 14/7052, S. 203.

399

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

7.

Zweifache Anwendung

2.1173 a) Einführung. Damit stellt sich die auch praktisch bedeutsame und bislang in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht behandelte Frage, ob bei Getränkelieferungsverträgen § 513 BGB für das Finanzierungs- und das Bindungsvolumen jeweils Bedeutung erlangen kann. 2.1174 b) Meinungsstand. Man könnte die These vertreten, § 513 BGB sei nur dann anwendbar, wenn sowohl hinsichtlich des Finanzierungsbetrages als auch des Bindungsvolumens jeweils die Grenze von 75.000,00 € überschritten sei.1561) Demgegenüber steht der Ansatz, bei Getränkelieferungsverträgen den Schwellenwert gesondert, also sowohl im Hinblick auf den Finanzierungsteil (Übersteigen etwa des Nettodarlehensbetrages von 75.000,00 €) als auch hinsichtlich des Bindungsteils (Mindestauftragsvolumen von 75.000,00 € (§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB)), zu prüfen. 2.1175 c) Stellungnahme. Für die zweifach-getrennte Anwendung spricht die Formulierung „oder“ in § 513 BGB. Auch ist § 513 BGB an die Stelle von zwei nach VerbrKrG getrennte Vorschriften – einerseits §§ 3 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 1 VerbrKrG, andererseits § 2 (Nr. 3) VerbrKrG – getreten. Gegen die erstgenannte These lässt sich zudem anführen, dass sie entgegen dem Gesetzeswortlaut des § 513 BGB auf eine Verdoppelung des Schwellenwertes auf 150.000,00 € hinausliefe. Folglich ist ein Übersteigen der Wertgrenze sowohl für den Getränkebezugsteil als auch für den Finanzierungssteil gesondert zu prüfen. 2.1176 d) Konsequenzen. Der hier vertretene Ansatz einer zweifach-getrennten Anwendung des § 513 BGB bei Getränkelieferungsverträgen kann im Ergebnis dazu führen, dass entweder der finanztechnische Teil oder der bezugstechnische Teil oder auch beide Teile nicht unter das Verbraucherkreditrecht fallen. 8.

Verbundene und zusammenhängende Verträge

2.1177 a) Einführung. Bei der Frage, ob der Schwellenwert des § 513 BGB im Rahmen verbundener Geschäfte i. S. d. § 358 BGB Anwendung findet, sind verschiedene Aspekte voneinander abzugrenzen. 2.1178 b) Personelle Anwendbarkeit. Die §§ 358 Abs. 2, 360 BGB sind auch auf mit Existenzgründern geschlossene Verträge anwendbar.1562) Dies wird durch die Neufassung des § 358 Abs. 2 BGB („aufgrund des § 495 Abs. 1 BGB“) nunmehr auch ausdrücklich klargestellt und durch die §§ 513, 506 Abs. 1 Satz 1 BGB bestätigt.

___________ 1561) Ähnlich Paulusch, 8. Aufl. 1994, S. 103, zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG. 1562) Staudinger-Herresthal, BGB, § 358 Rz. 81; Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 3.

400

IV. Geschäftsvolumen über 75.000,00

c) Zusammenrechnung. Damit stellt sich die Frage, ob der Schwellenwert des 2.1179 § 513 BGB für die verbundenen Verträge jeweils getrennt erreicht werden muss oder ob eine Zusammenrechnung möglich ist.1563) § 513 BGB stellt durch seinen Verweis auf das Verbraucherkreditrecht nach 2.1180 §§ 491 – 512 BGB erkennbar auf das Widerrufsrecht des § 355 BGB ab. Dies wird durch § 510 Abs. 2 a. E. BGB bestätigt. Die Widerrufsrechte rekurrieren auf den jeweiligen Vertrag. Zudem hat die Judikatur im Zusammenhang verschiedener Finanzierungen für die Feststellung der für den Wegfall des Verbraucherschutzes maßgeblichen Wertgrenze des § 513 BGB jede auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung gesondert bewertet.1564) Für eine Einzelbetrachtung in sachlicher Hinsicht sprechen auch die Regelungen über die Widerrufserstreckung in § 358 Abs. 1 und 2 BGB sowie in § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die §§ 358 – 360 BGB sollen den Verbraucher gerade vor Risiken schützen, die 2.1181 ihm durch die Aufspaltung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrages in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohen.1565) Sowohl dem Schutzgedanken des § 513 BGB als auch dem der §§ 358 – 360 BGB dürfte es widersprechen, im Wege der Addition „überschießende“ Volumina auf den jeweils anderen (verbundenen Vertrag) aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts herauszuheben. Dies dürfte wohl auch dann anzunehmen sein, wenn man sich insofern ergänzend für eine Verdopplung des Schwellenwertes auf 150.000,00 € ausspräche. Im Ergebnis bleibt es daher bei einer Einzelbetrachtung mit den bereits weiter oben für den Getränkelieferungsvertrag aufgezeigten – ggf. unterschiedlichen – Konsequenzen.1566) 9.

Zusammenrechnung von Finanzierungs- und Bindungsvolumen

a) Einführung. Getränkelieferungsverträge weisen mit ihrer von der Recht- 2.1182 sprechung seit Jahrzehnten im Hinblick auf eine Vermeidung der Nichtigkeitssanktionen der §§ 138 Abs. 1, 307 BGB geforderten hinreichenden Leistung des Getränkelieferanten und der daraus resultierenden Rechtsnatur eines gemischten Vertrages eine gewisse Ähnlichkeit zu verbundenen Verträgen auf. Beim Getränkelieferungsvertrag müssen die Finanzierungs- bzw. Bindungskomponenten allerdings nicht in einem einheitlichen Vertrag (einer Vertragsurkunde) formuliert sein. Denkbar ist es durchaus, dass die Finanzierung des Existenzgründers im Rahmen eines Darlehensvertrages erfolgt, der Bindung dagegen ein separater Getränkebezugs-/lieferungsvertrag zugrunde liegt. Dabei können Kreditgeber und Bindender identisch sein, sie müssen es aber nicht. ___________ 1563) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 1. 1564) OLG Brandenburg, Urt. v. 31.8.2005 – 3 U 17/05, NJW 2006, 159. 1565) Palandt-Grüneberg, BGB, § 358 Rz. 1. 1566) Siehe oben § 22 IV 7 d m. w. N.

401

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

Letzteres ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Bindung durch den Getränkelieferanten, die Finanzierung durch ein Kreditinstitut erfolgt (Umwegfinanzierung). In all diesen Fallgruppen besteht eine Parallele zu § 358 Abs. 3 Satz 2 Fall 1 BGB.1567) 2.1183 Aber auch im Regelfall des Getränkelieferungsvertrages in der Form einer einheitlichen Urkunde könnte der Rechtsgedanke des § 358 Abs. 3 Satz 2 Fall 1 BGB effektuiert werden. Der Zusammenhang zwischen Finanzierung und Bindung ist nicht lediglich ein wirtschaftlicher, sondern ein rechtlicher. Ohne Finanzierung gibt es keine wirksame Bindung. Auch aus Sicht des Existenzgründers stehen Finanzierung und Bindung in einem untrennbaren Zusammenhang. Der Existenzgründer weiß, dass der Getränkelieferant nur gegen Übernahme einer Ausschließlichkeitsbindung über Getränke bereit ist, sich finanziell zu engagieren. Der Existenzgründer sieht sehr wohl die ihn mit Vertragsabschluss treffende doppelte Belastung sowohl im finanztechnischen als auch insbesondere im bezugstechnischen Sinn. 2.1184 b) These. Es erscheint daher denkbar, diese rechtlich gebotene Verbindung in einem Vertragswerk hinsichtlich der Anwendung des § 513 BGB auch (binnen-) gesamtheitlich zu betrachten. 2.1185 c) Stellungnahme. Dem können nicht die vom OLG Brandenburg,1568) vorgetragenen Argumente entgegengehalten werden. Wiederum besteht eine Gesetzeslücke. Der Gesetzgeber hat die nahe liegende Zusammenrechnung unbewusst nicht angeordnet.1569) 2.1186 Das Argument, Umgehungen des Verbraucherschutzes müssten abgewendet werden, trägt insofern nicht. Hier fordert die Rechtsprechung selbst seit Jahrzehnten eine Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung und dies im Regelfall in einem Vertrag. Von einer insbesondere gewillkürten Aufspaltung kann nicht die Rede sein. Entscheidend dürften aber die im Zusammenhang mit dem verbundenen Geschäft und § 513 BGB vorgetragenen Gegenargumente sein.1570) 2.1187 Sonach bleibt es bei dem bereits skizzierten Ergebnis der getrennten, aber zweifachen Anwendung des § 513 BGB auf den Getränkelieferungsvertrag, einerseits hinsichtlich der Finanzierungskomponente, andererseits hinsichtlich der Bezugskomponente.1571)

___________ 1567) Siehe oben § 2 VIII m. w. N. 1568) OLG Brandenburg, Urt. v. 5.5.1999 – 13 U 135/98, BeckRS 1999, 04274; OLG Brandenburg, Urt. v. 31.8.2005 – 3 U 17/05, NJW 2006, 159. 1569) Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8274, S. 24. 1570) Siehe oben § 22 IV 8 c m. w. N. 1571) Siehe oben § 22 IV 7 d m. w. N.

402

IV. Geschäftsvolumen über 75.000,00

10.

Einzelbetrachtung

Auch für die Frage des Geschäftsvolumens (des beitretenden Mitverpflichteten) 2.1188 bedarf es einer isolierten Prüfung (Einzelbetrachtung). 11.

Vertraglich vorgesehenes Mindestauftragsvolumen

a) An die Stelle des Barzahlungspreises (§ 506 Abs. 4 Satz 2 BGB, § 507 Abs. 2 2.1189 Satz 4 BGB, Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a, Abs. 2 Satz 3 EGBGB) muss insoweit in entsprechender Anwendung des § 510 Abs. 3 Satz 2 BGB das vertraglich vorgesehene Mindestauftragsvolumen treten. Damit ist die vertraglich vorgesehene Mindestverpflichtung gemeint.1572) Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen kann die Vorschrift jeden- 2.1190 falls dann herangezogen werden, wenn es sich entweder um Laufzeitverträge mit periodischen Mindestabnahmemengen oder (Gesamt-)Mengenverträge handelt. Soweit es sich bei Getränkelieferungsverträgen um Laufzeitverträge handelt und diese eine vereinbarte periodische Mindestbezugsmenge haben, ist der Berechnung vereinfacht die Formel „periodische Mindestbezugsmenge x Laufzeit x „Nettopreis“ (Gastronomiegrundpreisliste abzüglich erlösschmälernder Elemente wie Rückvergütungen etc.) zugrunde zu legen.1573) Da insofern von Nettopreisen auszugehen ist, handelt es sich um einen „Netto-netto-Preis“. Bei Mengenverträgen tritt an die Stelle der beiden ersten Faktoren die vertragliche Gesamtmenge. Lässt sich ein „Gesamtentgelt“ nicht ermitteln, weil die Laufzeit des Vertrages unbestimmt ist, so ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt dem Gastwirt etwa auch unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten ein Kündigungsrecht hätte zugebilligt werden müssen. Im Zweifel findet der Ausnahmetatbestand keine Anwendung. Verlängert sich der Vertrag „automatisch“ um einen weiteren Zeitraum, so soll die Mindestlaufzeit maßgebend sein.1574) Bei der Distribution über selbstständige Getränkefachgroßhändler (Vertriebs- 2.1191 modell 2) sind die jeweiligen „Netto-netto-Preise“ des Getränkefachgroßhändlers einzustellen. b) § 510 Abs. 3 Satz 2 BGB stellt klar, dass an die Stelle des Nettodarlehensbe- 2.1192 trages die Summe aller bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen tritt.1575) ___________ 1572) BT-Drucks. 14/7052, S. 203. 1573) So grundsätzlich auch für einen Getränkelieferungsvertrag zwischen Getränkefachgroßhändler und Gastwirt das LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1574) Vgl. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 510 Rz. 4. 1575) BGH, Urt. v. 3.7.2003 – I ZR 270/01, NJW 2003, 3202; BGH, Urt. v. 5.2.2004 – I ZR 90/01, NJW 2005, 66 = NJW-RR 2004, 841; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

403

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

2.1193 Welcher Kündigungszeitpunkt anzunehmen ist, bestimmt das Gesetz nicht. Maßgeblich kann nur eine ordentliche Kündigung sein, weil von vornherein bestimmbare Kriterien der Vertragswirksamkeit feststehen müssen. Abzustellen ist daher nicht auf eine außerordentliche Kündigung nach § 314 BGB.1576) 12.

Kündigungsrecht

2.1194 a) Ein Kündigungsrecht kann sich aus einer Vereinbarung ergeben.1577) Ohne Anhaltspunkte für eine entsprechende Regelung kann davon aber nicht ausgegangen werden. Wird dem Gebundenen ein vertragliches Sonderkündigungsrecht eingeräumt, kommt es für die Wertgrenze allein auf den Zeitraum bis zur ersten vertraglichen Kündigungsmöglichkeit an.1578) 2.1195 b) Ein gesetzliches, ordentliches Kündigungsrecht speziell für Getränkelieferungsverträge besteht nicht.1579) 2.1196 c) Zwar gelten die Vorschriften des Verbraucherkreditrechts (§§ 491 – 512 BGB) für Existenzgründer entsprechend. Hierzu rechnet aber § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach Wortlaut und Systematik nicht.1580) Im Übrigen sind Getränkelieferungsverträge nach ständiger Rechtsprechung des BGH gerade im Hinblick auf die Vorleistungen von Getränkelieferanten grundsätzlich nicht ordentlich kündbar.1581) 2.1197 d) Fraglich ist, ob insofern § 500 Abs. 1 Satz 1 BGB analog heranzuziehen ist.1582) Dafür könnte die systematische Nähe der Ratenlieferungsverträge des § 510 BGB zu den Finanzierungshilfen sprechen. Selbst dann verlangte der Wortlaut der Norm aber einen unbestimmten Rückzahlungszeitpunkt. Davon ist im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen zumeist nicht auszugehen, weil diese Verträge durchweg nicht auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden.1583) Auch die Gesetzesmaterialien enthalten für eine entsprechende Anwendung keine Anhaltspunkte.1584) 2.1198 e) Zu prüfen ist, ob § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB bei der Berechnung des Mindestauftragsvolumens heranzuziehen ist. Diese Vorschrift begründet das Recht des Darlehensnehmers, einen unbefristeten oder befristeten Verbraucherdarlehensvertrag auch ohne Kündigung vorzeitig vollständig oder teilweise zu erfüllen. ___________ 1576) BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 42/96, NJW-RR 1997, 686; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694. 1577) BGH, Urt. v. 3.7.2003 – I ZR 270/01, NJW 2003, 3202; BGH, Urt. v. 5.2.2004 – I ZR 90/01, NJW 2005, 66 = NJW-RR 2004, 841. 1578) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1579) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 510 Rz. 4. 1580) Ausführlich Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1228 f. m. w. N. 1581) Siehe unten § 33 V 9 m. w. N. 1582) So MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 38. 1583) Siehe unten § 33 II 3 b m. w. N. 1584) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 85.

404

IV. Geschäftsvolumen über 75.000,00

Dieses Recht bezieht sich nicht nur auf die Rückzahlungsforderung, sondern auch auf andere Verpflichtungen, die Verbindlichkeiten aus dem Verbraucherdarlehensvertrag sind. Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist und auch nicht die Voraussetzungen des § 314 BGB zugunsten des Existenzgründers vorliegen, steht diesem kein Recht entsprechend § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB zu. Auch aus dieser Vorschrift kann daher keine Kappung des berechneten Geschäftsvolumens abgeleitet werden. 13.

Umsatzsteuer

a) Einführung. Bei der Berechnung der Wertgrenzen im Verbraucherkredit- 2.1199 recht ist umstritten, in wie fern die Umsatzsteuer zu berücksichtigen ist. Wenn das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 7.1.2015 auf den Nettowarenwert der Getränkebezugsverpflichtung abgestellt hat,1585) so vermag dies als Beleg nicht zu genügen, lässt die Entscheidung doch weder eine Problemerkenntnis noch eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Fragestellung erkennen. Im Rahmen des § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 2.1200 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 EGBGB ermittelt sich der Nettodarlehensbetrag grundsätzlich aus dem Gesamt-/Bruttodarlehensbetrag. Beim Zahlungsaufschub gem. § 506 Abs. 1 BGB kommt es auf den Betrag an, den der Verbraucher bei sofortiger Zahlung zu entrichten hätte. Bei Teilzahlungsgeschäften ist der Barzahlungspreis als Bezugspunkt für die Berechnung der Bagatellgrenze heranzuziehen (§ 506 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB). Darunter versteht man den Preis, den der Verbraucher zu zahlen hätte, wenn kein Zahlungsaufschub vereinbart worden wäre. Dazu ist auch die Umsatzsteuer zu zählen. Handelt es sich um sonstige Finanzierungshilfen, so ist auf den Anschaffungspreis abzustellen, den der Verbraucher für den Erwerb der Sache hätte aufwenden müssen (§ 506 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB); auch insofern ist die Umsatzsteuer mit einzubeziehen. b) Zwar geht bei Ratenlieferungsverträgen i. S. d. § 510 BGB der Verweis auf 2.1201 die Bagatellgrenze gem. § 510 Abs. 3 Satz 1 BGB ins Leere, weil sich bei dieser Art von Verträgen weder ein Nettodarlehensbetrag noch ein Barzahlungspreis ermitteln lässt. Gerade aus diesem Grund legt aber § 510 Abs. 3 Satz 2 BGB fest, dass der Nettodarlehensbetrag die Summe aller vom Verbraucher bis zum frühestmöglichen Kündigungszeitpunkt zu entrichtenden Teilzahlungen entspricht. c) Meinungsstand. Der BGH hat zum AbzG entschieden, dass der Barzah- 2.1202 lungspreis die Umsatzsteuer beinhalten müsse.1586) Nach anderer Ansicht habe ___________ 1585) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1586) BGH, Urt. v. 17.4.1991 – VIII ZR 12/90, NJW-RR 1991, 1011; BGH, Urt. v. 12.12.1973 – VIII ZR 183/72, NJW 1974, 365; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.5.1973 – 5 U 179/72, NJW 1973, 2067; jeweils zum AbzG sowie OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.7.1998 – 1 U 49/98, BeckRS 1998, 10674, zum VerbrKrG.

405

§ 22 Persönlicher Anwendungsbereich

die umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Barzahlungspreises in § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 513 BGB unterschiedlich stattzufinden.1587) Demgegenüber zieht die wohl h. M. die Umsatzsteuer in die Berechnung der Wertgrenze des § 513 BGB mit ein. Maßgeblich für die Wertfeststellung sei der Anschaffungswert der dem Existenzgründer zum Gebrauch überlassenen Sache, den er bei eigenem Erwerb der Sache gegen Barzahlung und damit einschließlich Umsatzsteuer hätte entrichten müssen. Dies gelte auch dann, wenn der Käufer zum Vorsteuerabzug berechtigt sei, was bei Verbrauchern, die sich in der Existenzgründungsphase befinden, denkbar wäre, und ihm die Umsatzsteuer im Ergebnis wirtschaftlich nicht belaste, weil sie lediglich einen Durchlaufposten darstelle. Entscheidend sei, dass die Umsatzsteuer vom Verbraucher aufzubringen sei und Teil des von ihm zu finanzierenden Betrages sei. Auch spreche die einheitliche Handhabung des Begriffs des Barzahlungspreises innerhalb des BGB für die Einbeziehung der Umsatzsteuer.1588) 2.1203 d) Stellungnahme. Der Gesetzeswortlaut gibt keine Anhaltspunkte für eine Interpretation in die eine oder andere Richtung. Der Begriff des Barzahlungspreises sollte innerhalb des Gesetzes (BGB) einheitlich gehandhabt werden. Barzahlungspreis ist der Preis, den der Verbraucher zu entrichten hätte, wenn er bei Übergabe der Sache oder Erbringung der Leistung sofort in voller Höhe fällig würde (§ 1a Abs. 1 Satz 3 AbzG, § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 a VerbrKrG, Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a EGBGB). Der Barzahlungspreis muss die vom Verbraucher zu zahlende Umsatzsteuer enthalten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV) und dies auch dann, wenn der Verbraucher zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. In jedem Fall ist seitens des Existenzgründers der Bruttopreis aufzubringen, unabhängig davon, ob er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Die Umsatzsteuer ist regelmäßig Teil des zu finanzierenden Betrages. Insofern handelt es sich um allgemeine und damit analogiefähige Erwägungen. 2.1204 Auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ist bei Schadensersatz lediglich Voraussetzung, dass die Umsatzsteuer tatsächlich angefallen ist. Es genügt, wenn die Verpflichtung zur Zahlung die Umsatzsteuer umfasst. Nicht erforderlich ist, dass die Umsatzsteuer bereits gezahlt worden ist. Ist der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt, so besteht wegen Vorteilsausgleichung keine Ersatzpflicht. Dem Verbraucherkreditrecht ist der Gedanke der Vorteilsausgleichung jedoch fremd. 2.1205 Der vermeintliche Schutzzweckansatz, die Vorschrift sei weit auszulegen, verfängt nicht. Zum einen ist § 513 BGB als Ausnahmeregelung nach allgemeinen Grundsätzen eher eng auszulegen. Die von der h. M. bereits im Zusammenhang mit den subjektiven Voraussetzungen des Existenzgründerbegriffs vertretene weite Interpretation kann nicht ein weiteres Mal dadurch erweitert und im ___________ 1587) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 513 Rz. 17. 1588) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB., § 512 Rz. 3.

406

IV. Geschäftsvolumen über 75.000,00

Ergebnis überdehnt werden, dass die begrenzende Einschränkung über den Schwellenwert des § 513 BGB erneut extensiv ausgelegt wird. Hinzu kommt, dass die ursprünglich mit 100.000,00 DM/50.000,00 € angesetzte Grenze seit dem 30.7.2010 auf 75.000,00 € erhöht worden ist. Gerade dem Schutzzweck des § 513 BGB würde es widersprechen, wenn dem 2.1206 Kreditnehmer nicht der gesamte Umfang dessen, was er in seine Finanzierungsüberlegungen einzubeziehen hat, deutlich würde. Dies zeigt auch der Umstand, dass der Existenzgründer sich den berechtigten Forderungen seiner Gläubiger auf Zahlung des Bruttopreises ausgesetzt sieht und diesen auch nicht entgegenhalten kann, dass er irgendwann einmal Vorsteuer ziehen könne. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Vorsteuererklärungen und damit entsprechende Erstattungen nicht selten erst im Rahmen des gesetzlich Möglichen nach Monaten abgegeben werden bzw. erfolgen. Auch insofern kennt das Recht keine „Einrede zu erwartender Vorsteuererstattung“. Außerdem wird das Betriebsstättenfinanzamt intern Verrechnungen mit Steuerforderungen vornehmen, sodass es faktisch häufig nicht zu einer tatsächlichen Erstattung kommt. 14.

Anwendbarkeit auf Geschäftsvolumina über 75.000,00 €

Ausgenommen vom Schutzbereich sind solche Existenzgründungsgeschäfte, 2.1207 bei denen das Mindestauftragsvolumen 75.000,00 € übersteigt. Nach der Ausnahmeregelung des § 513 Halbs. 2 BGB ist nicht jeder Existenzgründer schutzbedürftig. In Anlehnung an die alte Regelung von § 8 AbzG ist nur der kleingewerbliche Kreditnehmer geschützt. Wer in der Existenzgründungsphase Kredite in größerem Umfang – hier über 75.000,00 € –, aufnimmt, wird kraft Gesetzes als nicht schutzbedürftig angesehen. Insofern kommt es bei der pauschalen Betrachtung nicht auf einen durchaus denkbaren kleingewerblichen Zuschnitt des zu gründenden Unternehmens im Einzelfall an. Der Gesetzgeber mag zwar bestimmte Anschauungsfälle im Sinn gehabt haben, hat es aber gleichwohl und aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität zu Recht bei einem umfassenden Ausnahmetatbestand bewenden lassen, welcher nunmehr nicht im Wege teleologischer Reduktion seines wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt werden darf. Anderenfalls würden auch Handelsgesellschaften unter den Schutz des § 513 BGB fallen. Auch die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG steht dem nicht entgegen, sieht sie einen Schutz der Existenzgründer gar nicht vor.1589)

___________ 1589) Siehe oben § 22 III 3 m. w. N.

407

§ 23 Form und Inhalt

§ 23 Form und Inhalt I.

Schriftformerfordernis

1.

Einführung

2.1208 Getränkelieferungsverträge mit Verbrauchern (§ 13 BGB) sowie Existenzgründern (§ 513 BGB) bedürfen auch nach Wegfall des kartellrechtlichen Schriftformerfordernisses (§ 34 GWB a. F.) zum 1. Januar 1999 weiterhin gem. § 510 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 BGB der Schriftform des § 126 BGB.1590) Unabhängig davon sollten Getränkelieferungsverträge auch mit Unternehmern, für die das gesetzliche Schriftformerfordernis nicht gilt, schon aus Gründen der Beweissicherung und der erleichterten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen schriftlich abgeschlossen und der gesamte Inhalt der Abreden in einer Vertragsurkunde dokumentiert werden. 2.

Schutzzweck

2.1209 Das gesetzliche Schriftformerfordernis für Ratenlieferungsverträge soll sowohl über die Vertragskonditionen informieren als auch ihn vor übereilten und unüberlegten Vertragsschlüssen warnen und ihm damit die Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts erleichtern.1591) 3.

Anwendungsbereich

2.1210 Erfasst wird der wiederkehrende Bezugspflichten begründende Rahmenvertrag, nicht auch die zu seiner Durchführung geschlossenen Einzelverträge.1592) 4.

Umfang

2.1211 Anders als nach der Rechtslage nach dem AbzG bedarf aktuell auch die Willenserklärung des Getränkelieferanten der Schriftform. Die Schriftform gilt für den gesamten Vertragsinhalt des Getränkelieferungsvertrages, insbesondere auch für die Getränkebezugsverpflichtung. Der Vertrags-/Verwendungszweck ist dagegen nicht anzugeben. Es handelt sich dabei nämlich nur um ein Handlungsmotiv.

___________ 1590) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 28. 1591) BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1592) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 29.

408

I. Schriftformerfordernis

5.

Vollmacht

Von den Ausnahmen nach § 492 Abs. 4 Satz 2 BGB insbesondere für notariell 2.1212 beurkundete Vollmachten abgesehen, erstreckt § 492 Abs. 4 Satz 1 BGB in Abweichung von § 167 Abs. 2 BGB das Schriftformerfordernis des § 492 Abs. 1 BGB ebenso wie die Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Inhaltsangaben nach § 492 Abs. 2 BGB auf den verbraucherdarlehensrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages. Aus Gründen unternehmerischer Vorsicht dürfte entweder auf die Einschaltung von Bevollmächtigen verzichtet werden oder insgesamt ein strenger Maßstab zugrunde gelegt werden. 6.

Anforderungen

a) Inhalt. Das Schriftformerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB ist gewahrt, wenn 2.1213 die Vertragsurkunde den übereinstimmenden Willen der Parteien erkennen lässt. Die Getränkebezugsverpflichtung muss dazu nicht näher bezeichnet werden. Es stellt keinen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis dar, wenn aus der Urkunde nicht ersichtlich ist, auf welche Getränke sich die Bezugsverpflichtung bezieht. Zwar müssen grundsätzlich alle (als essentialia) regelungsbedürftigen oder sonst rechtsgeschäftlich geregelten Punkte in der Urkunde selbst zu finden sein. Unklarheiten können aber durch Auslegung behoben werden. Dabei können auch Umstände berücksichtigt werden, die außerhalb der Urkunde liegen, sofern wenigstens ein Anhalt in der Urkunde selbst zu finden ist (sog. Andeutungstheorie). Eine bloße Andeutung genügt nur dann nicht, wenn im Einzelfall der Gesetzeswortlaut oder Schutzzweck des Schriftformerfordernisses eine ausdrückliche Regelung in der Urkunde erfordert. Einen solchen bestimmten Mindestinhalt sieht das Gesetz in § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB aber nicht vor.1593) b) Erforderlich ist die eigenhändige Unterschrift beider Vertragspartner oder 2.1214 ihrer Vertreter unter der Vertragsurkunde, in der die Erklärungen beider Vertragsparteien enthalten sein müssen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB).1594) c) Anforderungen bei Vertrag. aa) Zur Wahrung der Schriftform müssen An- 2.1215 gebot und Annahme schriftlich erklärt werden und dem anderen Vertragspartner in der Form des § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB zugehen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 BGB). bb) Wirksamkeitsvoraussetzung für den Vertragsschluss ist der formgemäße 2.1216 Zugang der Erklärung bei der jeweils anderen Vertragspartei.1595) ___________ 1593) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 1594) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil); BGH, Urt. v. 18.12.2002 – XII ZR 253/01, NJW 2003, 1248. 1595) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224.

409

§ 23 Form und Inhalt

2.1217 cc) Wird die Annahmeerklärung per Telefax übermittelt, so ist das Formerfordernis des § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gewahrt mit der Nichtigkeitsfolge des § 125 Satz 1 BGB.1596) 2.1218 dd) Bei gleichlautenden Urkunden genügt die Unterzeichnung auf der für die andere Partei bestimmten Urkunde (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dabei ist eine gleichzeitige Unterzeichnung in Gegenwart des Vertragspartners nicht erforderlich. 2.1219 ee) Abweichend von § 126 Abs. 2 BGB ist ein formgültiger Vertragsschluss durch Briefwechsel möglich (§ 127 Abs. 2 Satz 1 BGB). 2.1220 ff) Für die Wahrung der Schriftform genügt die Anfertigung einer von beiden Parteien unterschriebenen Urkunde, ohne dass es darauf ankommt, in wessen Besitz diese anschließend verbleibt.1597) 2.1221 gg) Die Aushändigung der gegengezeichneten Urkunde (§ 492 Abs. 3 Satz 1 BGB) ist nicht Teil des Formerfordernisses, sondern ggf. eine Frage des Zustandekommens des Vertrages. Sie gehört nicht zum Vertragsabschlusstatbestand, der durch Unterschrift des Verbrauchers und Erklärung des Getränkelieferanten vollzogen ist. Die Wirksamkeit des Getränkelieferungsvertrages wird dadurch nicht berührt, auch wenn der Getränkelieferant die Aushändigung nicht beweisen kann.1598) 2.1222 hh) Auch bei einer Rückdatierung bestehen keine Wirksamkeitsbedenken, soweit der Vertrag die Schriftform im Übrigen wahrt.1599) 2.1223 ii) Ebenso wie in dem Fall, in dem blanko geleisteten Unterschriften nachträglich ein Text vorangestellt wird, ist der Formvorschrift auch dann genügt, wenn eine schon unterzeichnete Urkunde nachträglich durch einen Zusatz bzw. eine Änderung ergänzt wird, der einvernehmlich in den Text eingefügt wird und räumlich der Unterschrift der Vertragsparteien vorausgeht.1600) Jedenfalls sollten textliche Änderungen, die vor, bei oder nach der Unterzeichnung des Vertrages erfolgen, von sämtlichen Vertragspartnern abgezeichnet (parafiert) werden. Aus Beweisgründen sollte auch das Datum angegeben werden. 2.1224 d) Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht berührt nicht die Schriftform, sondern führt nach § 356c Abs. 1 BGB dazu, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt.1601) ___________ 1596) BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 1597) BGH, Urt. v. 14.7.2004 – XII ZR 68/02, NJW 2004, 2962 = ZIP 2004, 2142. 1598) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 20. 1599) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336. 1600) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336. 1601) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 29.

410

I. Schriftformerfordernis

e) Praxishinweis. Entsprechend dem Schutzzweck des Schriftformerforder- 2.1225 nisses wird dem Verbraucher in der Vertragspraxis der Getränkelieferanten der vollständige Vertragsinhalt schriftlich mitgeteilt. Nur so kann er zuverlässig beurteilen, auf welche Verpflichtungen er sich einlässt. 7.

Formerleichterungen

a) Grundsatz. Die Erleichterungen der § 492 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB sind auf 2.1226 Getränkelieferungsverträge mit Verbrauchern nicht (analog) anwendbar. Anderes gilt gem. § 513 BGB für die Zusammenarbeit mit Existenzgründern. b) Der Abschluss eines Getränkelieferungsvertrages ist nach dem Grundsatz 2.1227 des § 126 Abs. 3 BGB auch in elektronischer Form (§ 126a BGB) möglich. § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB schließt dies nicht aus.1602) c) Nach § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB kann vom Schriftformerfordernis abgewichen 2.1228 werden, wenn dem Verbraucher die Möglichkeit verschafft wird, die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.1603) 8.

Abdingbarkeit

Ein formularmäßiger Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung in AGB 2.1229 zu Verbraucherkreditverträgen ist jedenfalls dann wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sich der Kreditgeber nicht zugleich verpflichtet, den Kreditnehmer unverzüglich Mitteilung über die Annahme des Vertragsangebots oder dessen Verweigerung zu machen.1604) 9.

Heilung

a) Grundsatz. Heilungstatbestände sind nicht vorgesehen.

2.1230

b) Konsequenzen. aa) Empfang oder Inanspruchnahme. Ein formnichtiger 2.1231 Getränkelieferungsvertrag wird nicht dadurch geheilt, dass die vereinbarten Leistungen erbracht werden. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht entsprechend anwendbar.1605) bb) Beiderseitige vollständige Erfüllung. Zunächst dürfte es in diesem Zu- 2.1232 sammenhang regelmäßig an dem Erfordernis der beiderseitig vollständigen Leistungserbringung fehlen. Im Übrigen dürfte sich aktuell aus § 507 Abs. 2 Satz 2 BGB analog eine Heilung des Formmangels nicht ableiten lassen. Dies ___________ 1602) BGH, Urt. v. 5.2.2004 – I ZR 90/01, NJW 2005, 66 = NJW-RR 2004, 841, zur Altrechtslage. 1603) BT-Drucks. 14/6857, S. 34 f. 1604) OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.2002 – 24 U 174/01, NJW-RR 2003, 126, 127; OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.1999 – 24 U 44/98, OLG-Report 2000, 91. 1605) Erman-Nietsch, BGB, § 510 Rz. 21.

411

§ 23 Form und Inhalt

vermag aber nichts daran zu ändern, dass sich der von § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB bezweckte Übereilungsschutz mit beiderseits vollständiger Erfüllung erledigt hat. Unter der genannten Voraussetzung ist allenfalls in der Geltendmachung des Formmangels eine nach § 242 BGB unzulässige missbräuchliche Rechtsausübung zu sehen.1606) 10.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.1233 § 510 BGB enthält keine eigene Regelung für den Fall eines Formmangels. Daher sind die Rechtsfolgen heranzuziehen, die der Gesetzgeber im Übrigen an Formverstöße knüpft. Der Mangel der Schriftform führt somit nach § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit des formbedürftigen Vertrages.1607) 11.

Verwirkung

2.1234 Die Verwirkungsgrundsätze gelten jedenfalls für Einwendungen nicht, die sich aus der Verletzung gesetzlicher Formvorschriften ergeben. Dies folgt daraus, dass die Einhaltung gesetzlicher Formerfordernisse im Interesse der Rechtssicherheit liegt und es deshalb nicht angeht, sie aus allgemeinen Billigkeitserwägungen unbeachtet zu lassen.1608) 12.

Unzulässige Rechtsausübung

2.1235 Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann bei fehlender Heilung des Vertrags nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) unbeachtlich sein. Ein solcher Ausnahmefall wird dann bejaht, wenn eine Partei sich unter Berufung auf den Formmangel ihren vertraglichen Verpflichtungen entziehen will, obwohl sie aus dem nichtigen Vertrag längere Zeit beträchtliche geldwerte oder auch mittelbare Vorteile gezogen hat1609) oder es sich um ein beiderseits vollständig abgewickeltes Vertragsverhältnis handelt. 2.1236 Der Unternehmer kann treuwidrig handeln, wenn er gegenüber dem Verbraucher, der die Erfüllung des formnichtigen Vertrages – wohl für die Zukunft – verlangt, die Formnichtigkeit geltend macht, weil § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB allein dem Schutz des Verbrauchers dient.1610) ___________ 1606) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 31. 1607) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1608) BGH, Urt. v. 16.7.2004 – V ZR 222/03, NJW 2004, 3330. 1609) BGH, Urt. v. 28.1.1993 – IX ZR 259/91, ZIP 1993, 424; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169 (zum kreditrechtlichen Teil); OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1610) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 510 Rz. 2.

412

IV. Mitteilung des Vertragsinhaltes in Textform

13.

Rückabwicklung

a) Grundsatz. Die Rückabwicklung richtet sich nach §§ 812 ff. BGB, nicht nach 2.1237 § 357c BGB.1611) b) Wahlrecht. Allerdings kann der Verbraucher auch widerrufen.1612) Dann 2.1238 gilt § 357c BGB. II.

Vorvertragliche Informationspflichten

Hinsichtlich der bezugsrechtlichen Komponente des Getränkelieferungsver- 2.1239 trages gibt es keine vorvertraglichen Informationspflichten. Zwar scheint hierfür der umfassende Verweis in § 513 BGB auf die §§ 491 – 512 BGB zu sprechen. Nach dem Normzweck bezieht sich § 513 BGB aber lediglich auf die Vorschriften der § 510 BGB (teleologische Reduktion). Auch gibt es insofern keine Standardinformationen i. S. d. § 491a Abs. 1 BGB. III.

Vertragliche Pflichtangaben

Das Schriftformerfordernis des § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB,1613) das im Übrigen 2.1240 nicht für Getränkelieferungsverträge zwischen zwei Unternehmern gilt, stellt keine Anforderungen an einen bestimmten Inhalt des Vertrages auf.1614) Aus § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt nichts anderes. Der Getränkelieferungsvertrag muss daher keinen bestimmten Inhalt aufweisen. Ein abweichender Vertragsinhalt, insbesondere durch AGB, ist daher mit den Einschränkungen der §§ 307 – 309 BGB zulässig. § 510 BGB verweist nämlich nicht auf § 492 Abs. 2 BGB. Die Mindestangabeerfordernisse der §§ 492 Abs. 2, 507 Abs. 2 Satz 1 BGB finden daher keine Anwendung. IV.

Mitteilung des Vertragsinhaltes in Textform

1.

Auslegung

§ 510 Abs. 1 Satz 3 BGB bezieht sich auch auf § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn 2.1241 der Vertrag in Schriftform geschlossen wurde. § 510 BGB nimmt nicht mehr Bezug auf § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die vormalige gesetzliche Regelung sollte indes nicht verändert werden. Richtigerweise wird man § 510 Abs. 1 Satz 3 BGB so zu verstehen haben, dass der Unternehmer dem Verbraucher den Vertragsinhalt nicht nur in dem Fall, dass gem. § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB das Schriftformerfordernis nach Satz 1 nicht zu beachten ist, sondern stets – zu___________ 1611) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 11. 1612) Siehe unten § 25 II 2 m. w. N. 1613) Zur Altrechtslage nach AbzG, VerbrKrG und zu § 505 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB a. F. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 13. Aufl. 2011, Rz. 1667 – 1669, jeweils m. w. N. 1614) OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99.

413

§ 24 Widerrufsbelehrung

mindest – in Textform nach § 126b BGB mitzuteilen hat.1615) Diese Pflicht besteht damit nicht allein beim Schriftformsurrogat nach § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2.

Umfang

2.1242 Die Mitteilung muss die Vertragserklärungen beider Parteien enthalten.1616) Hierzu rechnen auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 3.

Zeitpunkt und Durchsetzung

2.1243 Die Mitteilungspflicht ist nach Vertragsschluss zu erfüllen. Damit handelt es sich bei ihr nicht um ein Formerfordernis. 4.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.1244 Das Unterlassen der Mitteilung führt weder zur Vertragsnichtigkeit noch hat es nach geltendem Recht Einfluss auf den Lauf der Widerrufsfrist.1617) Ferner kann der Verbraucher vom Unternehmer verlangen, dass dieser die unterbliebene Mitteilung nachholt. Einer Zahlungsklage des Unternehmers kann der Verbraucher seinen klagbaren Anspruch einredeweise (§ 273 Abs. 1 BGB) entgegenhalten. Bei Verschulden besteht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.1618) § 24 Widerrufsbelehrung I.

Problemfeld nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

1.

Maßgebliches Recht

2.1245 Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung richtet sich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren Recht. Dieses hat in den vergangenen Jahren wiederholte Änderungen erfahren.1619) Soweit nachfolgend kein anderer Hinweis erfolgt, wird auf die seit dem 13.6.2014 geltende Rechtslage (Art. 229 § 32 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) abgestellt. 2.

Erforderlichkeit einer Widerrufsbelehrung

2.1246 Aus der Formulierung in § 510 Abs. 2 BGB „weder … noch“ ist wohl zu schließen, dass es keine nicht mehr belehrungsbedürftigen Ratenlieferungsverträge geben soll. Bei Ratenlieferungsverträgen soll der Verbraucher bzw. Existenzgründer wohl immer belehrt werden, sei es nach § 510 Abs. 2 BGB, sei es nach der Spezialvorschrift des § 312g Abs.1 BGB.1620) ___________ 1615) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1616) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1617) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1618) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 32. 1619) Siehe oben § 20 II m. w. N. 1620) Palandt-Grüneberg, BGB, § 356c Rz. 1. Vgl. auch Begründung Regierungsentwurf, BTDrucks. 17/12637, S. 71.

414

§ 24 Widerrufsbelehrung

mindest – in Textform nach § 126b BGB mitzuteilen hat.1615) Diese Pflicht besteht damit nicht allein beim Schriftformsurrogat nach § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB. 2.

Umfang

2.1242 Die Mitteilung muss die Vertragserklärungen beider Parteien enthalten.1616) Hierzu rechnen auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. 3.

Zeitpunkt und Durchsetzung

2.1243 Die Mitteilungspflicht ist nach Vertragsschluss zu erfüllen. Damit handelt es sich bei ihr nicht um ein Formerfordernis. 4.

Rechtsfolgen bei Verstoß

2.1244 Das Unterlassen der Mitteilung führt weder zur Vertragsnichtigkeit noch hat es nach geltendem Recht Einfluss auf den Lauf der Widerrufsfrist.1617) Ferner kann der Verbraucher vom Unternehmer verlangen, dass dieser die unterbliebene Mitteilung nachholt. Einer Zahlungsklage des Unternehmers kann der Verbraucher seinen klagbaren Anspruch einredeweise (§ 273 Abs. 1 BGB) entgegenhalten. Bei Verschulden besteht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB.1618) § 24 Widerrufsbelehrung I.

Problemfeld nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

1.

Maßgebliches Recht

2.1245 Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung richtet sich nach dem im Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren Recht. Dieses hat in den vergangenen Jahren wiederholte Änderungen erfahren.1619) Soweit nachfolgend kein anderer Hinweis erfolgt, wird auf die seit dem 13.6.2014 geltende Rechtslage (Art. 229 § 32 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) abgestellt. 2.

Erforderlichkeit einer Widerrufsbelehrung

2.1246 Aus der Formulierung in § 510 Abs. 2 BGB „weder … noch“ ist wohl zu schließen, dass es keine nicht mehr belehrungsbedürftigen Ratenlieferungsverträge geben soll. Bei Ratenlieferungsverträgen soll der Verbraucher bzw. Existenzgründer wohl immer belehrt werden, sei es nach § 510 Abs. 2 BGB, sei es nach der Spezialvorschrift des § 312g Abs.1 BGB.1620) ___________ 1615) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1616) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1617) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 7. 1618) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 32. 1619) Siehe oben § 20 II m. w. N. 1620) Palandt-Grüneberg, BGB, § 356c Rz. 1. Vgl. auch Begründung Regierungsentwurf, BTDrucks. 17/12637, S. 71.

414

I. Problemfeld nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

Nach der seit dem 13.6.2014 geltenden Rechtslage ist damit zunächst festzu- 2.1247 stellen, in welcher Vertriebsart der bezugsrechtliche Teil des Getränkeliefertungsvertrages zustande gekommen ist. Nachfolgend werden zunächst Fragen der Widerrufsbelehrung und des Widerrufs von Getränkelieferungsverträgen besprochen, die im stationären Handel geschlossen werden. Anschließend werden die entsprechenden Fragen für die Abschlusssituation des Direktvertriebs behandelt.1621) Im Zusammenhang mit dem bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages muss daher ggf. mit zwei unterschiedlichen Widerrufsbelehrungen gearbeitet. 3.

Entbehrlichkeit einer Widerrufsbelehrung

a) Bagatellgrenze. Nach aktuell geltender Rechtslage greift die Bagatellklausel 2.1248 der §§ 510 Abs. 3 Satz 1, 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB auch für Getränkelieferungsverträge. Sie dürfte aber kaum praktisch werden.1622) b) Notariell beurkundete Verträge. Notariell beurkundete Getränkebezugs- 2.1249 verpflichtungen haben große praktische Bedeutung.1623) Die Frage der Erforderlichkeit einer Widerrufsbelehrung für notariell beurkundete Getränkelieferungsverträge wird unterschiedlich beantwortet. Einerseits wird vertreten, § 510 Abs. 3 Satz 1 BGB verhelfe der Wertung zum Durchbruch, dass der Verbraucher bei notariell beurkundetem Abschluss eines Getränkelieferungsvertrages nicht schutzwürdiger sei als bei Abschluss einer Finanzierungshilfe. Entsprechend § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB entfalle daher weiterhin das Widerrufsrecht.1624) Mehrheitlich wird eine Widerrufsbelehrung gefordert.1625) § 510 BGB verweise, was zutreffend ist, nicht auf § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Ausnahmeregelung des § 510 Abs. 3 Satz 1 BGB regelt den angesprochenen Sachverhalt gerade nicht. Damit liegt eine Abweichung von den Vorgängerbestimmungen der §§ 505 Abs. 1 Satz 2, 491 Abs. 3 Nr. 1 BGB a. F.1626) vor. Mit der Reform 2010 ist die Ausnahme gestrichen worden. Folglich sollte jedenfalls aus Gründen unternehmerischer Vorsicht auch notariell beurkundeten Getränkelieferungsverträgen hinsichtlich des bezugsrechtlichen Teils eine Widerrufsbelehrung beigegeben werden. 4.

Gesetzlicher Rahmen

Aktuell beurteilt sich die Gestaltung von Widerrufsbelehrungen im Zusammen- 2.1250 hang mit Getränkelieferungsverträgen im Regelfall des stationären Handels ___________ 1621) Siehe unten § 26 VI. 1622) Ebenso bereits Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/7052, S. 203. 1623) Vgl. hierzu nur die unter § 21 III 4 b bb berichtete Rechtsprechung. 1624) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 40. 1625) U. a. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 510 Rz. 4. 1626) Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 13. Aufl. 2011, Rz. 1431.

415

§ 24 Widerrufsbelehrung

nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB.1627) § 357c Satz 3 BGB verdeutlicht dies. Art. 246 Abs. 3 EGBGB begründet selbst kein Widerrufsrecht, sondern setzt ein solches voraus. Dieses folgt hier aus § 510 Abs. 2 BGB. Art. 246 Abs. 3 EGBGB greift allerdings nur ein, wenn nicht die besonderen Regelungen des § 312d BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 und 3 EGBGB i. V. m. den Anlagen 1 und 2 oder Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 12, § 2 Abs. 3 EGBGB i. V. m. Anlage 3 einschlägig sind. Voraussetzung ist somit, dass weder ein Geschäft i. S. d. § 312b BGB noch ein Fernabsatzvertrag noch ein Vertrag über eine Finanzdienstleistung anzunehmen ist (§ 312a Abs. 2 Satz 3 BGB). 5.

Fehlen eines gesetzlichen Musters

2.1251 Jedenfalls seit dem 13.6.2014 gibt es für Getränkelieferungsverträge im stationären Handel keine mit einer Gesetzlichkeitsfiktion ausgestattete Musterwiderrufsbelehrung mehr. Die gesetzlichen Musterbelehrungn der Anlagen 1 und 3 zu Art. 246a und 246b EGBGB beziehen sich nur noch auf die besonderen Vertriebsformen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge bzw. auf das Fernabsatzgeschäft (§ 312d Abs. 1 BGB, § 312g Abs. 1 BGB), nicht mehr auf den Regelfall eines Getränkelieferungsvertrages. Die zum früheren Recht diskutierten Fragen im Zusammenhang mit der Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV1628) und zur Gesetzlichkeitsfiktion des § 360 Abs. 3 Satz 1 BGB a. F.1629) haben sich damit durchweg erledigt. Der Getränkelieferant muss daher einen eigenen Text verwenden, mit dem er den Verbraucher/Existenzgründer deutlich über dessen wesentliche Rechte und Pflichten belehrt. 6.

Lösungsansatz und Kritik

2.1252 Dafür sollen die Muster zu den Anlagen 1 und 3 zu Art. 246a und b EGBGB eine Orientierung bieten können.1630) Dem ist allerdings entgegenzuhalten,1631) dass das Muster nach Anlage 1 auf einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB oder einen Dienstleistungsvertrag abstellt. Der Gestaltungshinweis 1 verdeutlicht dies, indem er auf den Lieferzeitpunkt rekurriert. Dies passt weder für die Vertriebsmodelle 2 bis 4, bei denen die Belieferung nicht über Brauereien, sondern über selbstständige Getränkefachgroßhändler erfolgt. Bei Lieferungen an einen Gastwirt liegt aber ein b2b-Geschäft vor, sodass § 474 BGB nicht einschlägig ist. Die Regelung der Rechtsfolgen zur Rücksendung und zu den Liefer- und Transaktionskosten passen hier ebenfalls nicht. Würde man sich an ___________ 1627) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 74. 1628) Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1339-2.1347 m. w. N. 1629) Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1348-2.1370 m. w. N. 1630) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 12. 1631) Vgl. im Übrigen Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1317 m. w. N.

416

I. Problemfeld nicht ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung

dem Text der Anlage 1 orientieren, so verursachte dies Irritationen beim Kunden. Dieses würde gegen die gesetzlichen Regeln des Deutlichkeitsgebots (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB) verstoßen. Nähme man angezeigte Textänderungen vor, so ginge möglichweise der Vorteil der Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB verloren. 7.

Damoklesschwert Widerruflichkeit

a) Allgemein. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB erst 2.1253 mit Vertragsschluss und nicht bevor der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 EGBGB; § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB). Fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrungen führen hinsichtlich des bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages zur Widerruflichkeit. Diese endet allerdings spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356c Abs. 2 Satz 2 BGB). b) Verträge seit dem 13.6.2014. Steht im Zusammenhang mit Getränkeliefe- 2.1254 rungsverträgen einem Verbraucher (§§ 13, 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB) bzw. einem Existenzgründer (§§ 513, 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB) ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu, so ist er hierüber im stationären Handel vom Getränkelieferanten, einem Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB), gem. § 510 Abs. 2 BGB zu belehren. Bei einem Getränkelieferungsvertrag, der weder im Fernabsatz noch außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wird, beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher gem. Art. 246 Abs. 3 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356c Abs. 1 BGB).1632) Neben den Vertragsschluss (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB) tritt als weitere Voraussetzung und damit kumulativ das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung in Textform (§ 356c Abs. 1 BGB; vgl. auch § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB). Anders als nach bisherigem Recht erlischt das Widerrufsrecht bei Vertrags- 2.1255 schluss im stationären Handel (§ 356c Abs. 2 Satz 2 BGB)1633) unabhängig davon, ob eine Widerrufsbelehrung erteilt worden ist oder ob diese ordnungsgemäß ist, spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages. Im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gibt es daher kein dauerhaftes Widerrufsrecht mehr. Ausgenommen sind lediglich Verträge über Finanzdienstleistungen (§ 356 Abs. 3 Satz 3 BGB), für die es bei der alten Rechtslage verbleibt.

___________ 1632) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 62. 1633) Gleiches gilt für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge nach § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB.

417

§ 24 Widerrufsbelehrung

2.1256 c) Altverträge. Soweit in dem hier interessierenden Zusammenhang fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrungen aus der Vergangenheit festgestellt werden, gilt: Gem. Art. 229 § 32 Abs. 2 und 3 EGBGB wird der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Altverträge übertragen. Jedenfalls seit dem 27.6.2015 besteht kein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht mehr (§ 356c Abs. 2 Satz 2 BGB). Früher begründete Widerrufsrechte sind damit erloschen. Das Damoklesschwert dauerhafter Widerruflichkeit, das die Durchsetzung von Ansprüchen aus Getränkelieferungsrechten gefährdete und die Diskussion in Rechtslehre und Rechtspraxis umfänglich befasst hat, gehört insofern der Vergangenheit an.1634) 8.

Darlegung und Beweis

2.1257 Der Getränkelieferant trägt die Darlegungs- und Beweislast für alle Tatsachen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist und damit vor allem den Beginn der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere für die Belehrung, ihre Ordnungsgemäßheit, ihren Zeitpunkt und ihre Mitteilung (§§ 361 Abs. 3 BGB).1635) 9.

Verzicht

2.1258 a) Grundsatz. Bei den gesetzlichen Vorgaben sowohl für das Widerrufsrecht als auch für die formelle und inhaltliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung einschließlich der Regelungen zur vollständigen und deutlichen Information die Bedingungen des Widerrufsrechts handelt es sich um halbzwingendes Recht zu Gunsten des Verbrauchers.1636) Ein Verzicht auf die Widerrufsbelehrung oder auf das Widerrufsrecht selbst ist unwirksam (§§ 361 Abs. 2 Satz 1, 512 Satz 1 BGB). Entgegen der Gesetzesüberschrift („Abweichende Vereinbarungen“) ist unerheblich, ob der Verzicht auf einer Vereinbarung (konsensual) beruht oder einseitig erklärt worden ist. Bei dem Gestaltungsrecht Widerruf handelt es sich um einen Verzicht auf dessen Ausübung. 2.1259 b) Zeitpunkt. Im Gegensatz zu § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB, der nur die Zeit vor Mitteilung eines Mangels erfasst, sieht der Wortlaut des § 512 Satz 1 BGB keine zeitliche Beschränkung der Unabdingbarkeit vor. Erfasst werden daher sowohl vorhergehende als auch spätere Verzichte, z. B. Vergleiche nach § 779 BGB. Unstreitig kann aber faktisch durch Nichtausübung des Widerrufsrechts darauf verzichtet werden. ___________ 1634) Zur Altrechtslage Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.13132.1316 m. w. N. 1635) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 1636) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16; BGH, Urt. v. 15.5.2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 = ZIP 2014, 1485; BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 = ZIP 2017, 809.

418

II. Die eigenformulierte Widerrufsbelehrung, Grundlagen

10.

Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung

Die gesetzliche Regelung des § 355 BGB, insbesondere dessen Abs. 2 Satz 1, 2.1260 lässt nicht eindeutig erkennen, zu welchem Zeitpunkt die Belehrung zu erteilen ist. Das mit der Widerrufsbelehrung verfolgte Ziel, dem Verbraucher klar und deutlich vor Augen zu führen, dass ihm ein Widerrufsrecht zusteht und dass er dieses Recht innerhalb einer bestimmten Frist ausüben kann, wird nur erreicht, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung bezieht. Die wirksame Widerrufsbelehrung muss deshalb nach oder zumindest zeitgleich mit der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers erteilt werden. Eine vorher erteilte Belehrung entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen, denn mit einem größeren zeitlichen Abstand zwischen Belehrung und Vertragserklärung ist das Risiko verbunden ist, dass der Belehrte nicht mehr an die Möglichkeit des Widerrufs denkt. Eine vorher erteile Widerrufsbelehung ist unwirksam. Unerheblich ist es dagegen, ob die Vertragserklärung bereits zu einem Vertragsabschluss geführt hat oder noch der Annahme durch den Unternehmer bedarf.1637) II.

Die eigenformulierte Widerrufsbelehrung, Grundlagen

1.

Die gesetzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung im stationären Handel im Überblick

Bei Getränkelieferungsverträgen, die im stationären Handel und damit insbe- 2.1261 sondere nicht außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher nach § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB gem. Art. 246 Abs. 3 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356c Abs. 1 BGB). Die Belehrungspflicht nach Art. 246 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EGBGB orientiert sich im Wesentlichen an der Rechtsprechung zu § 360 Abs. 1 BGB a. F.1638) Dies bedeutet im Einzelnen: x

dem Verbraucher ist eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB)

x

in Textform (§ 126b BGB, Art. 246 Abs. 3 Satz 1 EGBGB) mitzuteilen,

x

die ihm seine wesentlichen Rechte in einer dem benutzten Kommunikationsmittel angepassten Weise deutlich macht (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB).

x

Die Belehrung muss enthalten einen Hinweis auf das Recht zum Widerruf (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EGBGB),

___________ 1637) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730 (§ 312 BGB); BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052 (§ 312b BGB). Eingehend zu den Fragen in diesem Zusammenhang Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1328 – 2.1333 m. w. N. 1638) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 74.

419

§ 24 Widerrufsbelehrung

x

einen Hinweis darauf, dass der Widerruf durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer erfolgt und keiner Begründung bedarf (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EGBGB),

x

den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EGBGB),

x

einen Hinweis auf Dauer und Beginn der Widerrufsfrist (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 a. A. EGBGB)

x

sowie einen Hinweis darauf, dass zur Fristwahrung bereits die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung genügt (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 a. E. EGBGB).

2.

Transparenzgebot

2.1262 Enthält beispielsweise eine Widerrufsbelehrung keinen ausreichenden Hinweis auf den Beginn der Widerrufsfrist und trägt sie damit nicht den gesetzlichen Anforderungen Rechnung, die an eine Belehrung gestellt werden, so begründet die formularmäßige Verwendung der nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprechenden Belehrung zudem die Gefahr der Irreführung der Verbraucher und benachteiligt diese unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).1639) 3.

Nachträgliche Belehrung

2.1263 a) Inhaltsanforderungen. An die nachträgliche Belehrung sind inhaltlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an eine rechtzeitige Belehrung. Sie muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Daher sind sämtliche Regelungen nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB zu beachten. Eine Unterschrift des Verbrauchers ist nicht erforderlich.1640) 2.1264 b) Bezug. Von einer wirksamen nachträglichen Belehrung kann allerdings nur die Rede sein, wenn die nachträglich abgegebene Erklärung überhaupt einen für den Verbraucher erkennbaren Bezug zu der früheren Vertragserklärung aufweist, deren Belehrungsmangel im Nachhinein ausgeglichen werden soll. Das ergibt sich schon aus dem Begriff der „Nachbelehrung“, folgt aber auch aus dem Deutlichkeitsgebot des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, das nicht nur die äußerliche Gestaltung, sondern auch die inhaltliche Abfassung der Widerrufsbelehrung betrifft und für die nachträgliche Belehrung ebenso gilt wie für die rechtzeitige.1641) ___________ 1639) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734. 1640) BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16; BGH, Beschl. v. 15.2.2011 – XI ZR 148/10, BeckRS 2011, 06776; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858. 1641) BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16.

420

IV. Deutlichkeitsgebot und äußere Gestaltung

III.

Deutlichkeitsgebot

1.

Schutzzweck

Wie insbesondere die doppelte Anführung des Wortes „deutlich“ in Art. 246 2.1265 Abs. 3 Satz 2 BGB zeigt, hat das Deutlichkeitserfordernis wieder an Bedeutung gewonnen. Die vorgeschriebene (früher drucktechnisch) deutliche Gestaltung soll ebenso wie früher die gesonderte Unterschrift des Verbrauchers unter der Widerrufsbelehrung die erhöhte Aufmerksamkeit desselben hervorrufen und ihn unübersehbar auf sein Widerrufsrecht hinweisen. 2.

Geltungsbereich

Die nach der früheren Rechtsprechung zur deutlichen Gestaltung geltenden 2.1266 Grundsätze sind weiterhin für Art. 246 Abs. 3 EGBGB i. V. m. § 510 Abs. 2 BGB und damit für Getränkelieferungsverträge einschlägig. 3.

Geltungsanspruch

a) Widerrufsbelehrung. Gestaltet der Unternehmer eigenständig Widerrufsbe- 2.1267 lehrungen, gilt das Deutlichkeitsgebot uneingeschränkt. b) Vertragstext, Bestätigungen. Das Erfordernis der deutlichen Gestaltung 2.1268 bezieht sich nur auf die Widerrufsbelehrung, nicht auf den Vertragstext oder Empfangs- bzw. Aushändigungsbestätigung.1642) 4.

Beurteilungszeitpunkt

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Widerrufsbelehrung deutlich gestaltet ist, 2.1269 ist allein auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Verbraucher von der Belehrung anlässlich ihrer Aushändigung Kenntnis nehmen kann.1643) IV.

Deutlichkeitsgebot und äußere Gestaltung

1.

Grundsatz

Die Widerrufsbelehrung muss gem. der Auffangsvorschrift des Art. 246 Abs. 3 2.1270 Satz 2 EGBGB, einer Ausnahmeregelung, deutlich gestaltet sein und dem Verbraucher seine wesentlichen Rechte in einer dem benutzten Kommunikationsmittel angepassten Weise deutlich machen. Dies erfordert, dass der Verbraucher durch die formale Gestaltung der Belehrung auf sein Widerrufsrecht unübersehbar aufmerksam gemacht wird. 2.

Verbundene Verträge

Praktische Bedeutung erlangt die Verpflichtung zur deutlichen Heraushebung 2.1271 auch im Zusammenhang mit verbundenen Verträgen, weil hier zwei Verträge vor___________ 1642) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884. 1643) BGH, Urt. v. 31.10.2002 – I ZR 132/00, NJW-RR 2003, 1481.

421

§ 24 Widerrufsbelehrung

liegen. Mit dem Deutlichkeitsgebot ist es erst recht unvereinbar, wenn eine Belehrung, die erst in der Gesamtschau eine unmissverständliche und lückenlose Information ergibt, auf die Urkunden zweier Verträge aufgespalten wird. Dies wird besonders deutlich, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrages und des finanzierten Geschäftes etwa mehrere Wochen beträgt.1644) Mit zunehmendem zeitlichen Abstand steigt das Risiko, dass die Belehrung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages bereits in Vergessenheit geraten ist.1645) 3.

Standort

2.1272 Der Verbraucher ist über sein Widerrufsrecht im Anschluss an den Getränkelieferungsvertrag gesondert zu belehren. 4.

Formale Anforderungen an die Deutlichkeit

2.1273 a) Lesbarkeit und deutliche Hervorbehung. Die Widerrufsbelehrung muss als solche lesbar sein (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 2 EGBGB analog). Im Gegensatz zur Widerrufsinformation (Art. 247 § 6 EGBGB)1646) muss die Widerrufsbelehrung sich in ihrer äußeren Gestaltung weiterhin deutlich aus dem gesamten Vertragstext herausheben und so die Rechtslage unübersehbar zur Kenntnis bringen.1647) 2.1274 b) Eine bestimmte Art der Hervorhebung ist gesetzlich aber nicht vorgeschrieben. 2.1275 c) Anforderungen. Erforderlich ist eine ausreichend große Schrift (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 2 EGBGB analog) und eine (Unter-)Gliederung des Textes.1648) Es ist nicht nur eine räumliche Trennung vom übrigen Vertragstext erforderlich, sondern auch die besondere Kenntlichmachung durch ein auffälliges Druckbild, etwa durch Einrahmung oder Fettdruck. Eine deutliche Gestaltung ist dann zu verneinen, wenn sich die Widerrufsbelehrung harmonisch und kaum auffällig in das optische Bild der gesamten Vertragsurkunde einfügt.1649) ___________ 1644) BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 1645) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 1646) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 549/14 und 101/15, becklink 2002516 = ZIP 2016, 856. 1647) BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178; OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 123/91. 1648) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178. 1649) BGH, Urt. v. 7.5.1986 – I ZR 95/84, NJW 1987, 125 = ZIP 1986, 1279 = Zeller III, 110; BGH, Urt. v. 20.12.1989 – VIII ZR 145/88, NJW-RR 1990, 368; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138; BGH, Urt. v. 12.5.1998 – XI ZR 285/97, NJW 1998, 2438 = ZIP 1998, 1185; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512.

422

IV. Deutlichkeitsgebot und äußere Gestaltung

5.

Mittel der Hervorhebung

a) Allgemein. Die Aufmerksamkeit des Verbrauchers kann beispielhaft durch 2.1276 eine die Abgrenzung vom übrigen Vertrag durch eine breite durchgezogene Trennungslinie, die Überschrift „Widerrufsbelehrung“, durch Fettdruck oder Farbdruck, durch große Lettern, Sperrschrift, Unterstreichung, durch gegenüber dem sonstigen Vertragstext deutlich vergrößerte Buchstaben sowie eine gesondert zu leistende Unterschrift erzielt werden.1650) Bei einem gleichförmigen Schriftbild sind ein größerer Abstand zum Vertragstext, ein geringerer Randabstand oder die drucktechnisch hervorgehobene Überschrift der Belehrung nicht ausreichend.1651) Eine „Hervorhebung“ gerade durch Wahl einer deutlich kleineren Drucktype als in den anderen Teilen des Formulars hat die Judikatur jedenfalls nicht akzeptiert.1652) Befindet sich in geringem Abstand ein anderer Text, der aufgrund seiner Gestaltung stärker ins Auge springt als die Belehrung, so ist Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB verletzt.1653) b) Überschrift. Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz “Verbrau- 2.1277 cher haben das folgende Widerrufsrecht“ verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot.1654) Allein die Hervorhebung der Überschrift genügt aber nicht.1655) c) Eine Belehrung auf der ansonsten leeren Rückseite eines Bestellformulars 2.1278 ist ausreichend, selbst wenn der Vertragstext auf der Vorderseite keinen Hinweis auf die Belehrung enthält.1656) d) Anlage. Der Abdruck der Belehrung auf einem besonderen, mit der Ver- 2.1279 tragsurkunde verbundenem oder dieser beigefügtem Blatt dürfte – zumal, wenn es mit einem auffälligen Druckbild versehen oder seine Überschrift unterstrichen ist – in der Regel ausreichen, weil auch die räumliche Trennung vom übrigen Vertragstext eine der Möglichkeiten zur deutlichen Hervorhebung darstellt.1657)

___________ 1650) BGH, Urt. v. 24.6.2004 – III ZR 104/03, NJW 2004, 3183 = ZIP 2004, 1605; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1651) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; OLG Stuttgart, Urt. v. 31.8.1992 – 6 U 69/92, NJW 1992, 3245. 1652) BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138. 1653) BGH, Urt. v. 20.12.1989 – VIII ZR 145/88, NJW-RR 1990, 368; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138; OLG Naumburg, Urt. v. 7.1.1994 – 3 U 84/93, NJW-RR 1994, 337. 1654) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 = ZIP 2012, 981 (§ 312c BGB). 1655) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.8.1992 – 6 U 69/92, NJW 1992, 3245. 1656) BGH, Urt. v. 31.10.2002 – I ZR 132/00, NJW-RR 2003, 1481. 1657) OLG Stuttgart, Urt. v. 31.8.1992 6 U 69/72, NJW 1992, 3245; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46.

423

§ 24 Widerrufsbelehrung

2.1280 e) Umrahmung. Eine Umrahmung der Widerrufsbelehrung ist zwar hilfreich,1658) aber nicht zwingend.1659) Zwar mögen die Musterbelehrungen in den Anlagen 2 und 3 der früheren BGB-InfoV ebenso wie die Musterbelehrungen nach den Anlagen 1 und 3 zu Art. 246a und 246b EGBGB sowie das Muster einer Widerrufsinformation nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB als Form der Hervorhebung eine Umrahmung vorsehen. Auch mag dies bei der Würdigung nach Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB Bedeutung erlangen. Wer sich aber – was nicht nur möglich, sondern teilweise auch notwendig ist – bei der Gestaltung der Widerrufsbelehrungen außerhalb gesetzlicher Vorgaben bewegt, hat „lediglich“ den Anforderungen des Deutlichkeitsgebots (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB) zu genügen. Ob sich die Umrahmung der Widerrufsbelehrungen durchsetzen wird, mag die Zukunft erweisen. Eine Umrahmung verfehlt ihr Ziel, wenn noch andere Vertragsteile in derselben Weise oder sogar noch stärker hervorgehoben wurden.1660) V.

Form

2.1281 Die Belehrung muss in Textform (§ 126b BGB) erteilt werden (Art. 246 Abs. 3 Satz 1 EGBGB). Diesen Anforderungen genügt auch eine Belehrung, die dem Verbraucher per E-Mail oder Telefax zugeht. VI.

Recht zum Widerruf

1.

Schutzzweck

2.1282 Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EGBGB fordert einen Hinweis auf das Recht zum Widerruf. Der Gesetzeszweck geht zum einen dahin, dass dem Verbraucher Kenntnis vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts zu verschaffen ist.1661) Zum anderen soll der Verbraucher durch eine möglichst umfassen-

___________ 1658) BGH, Urt. v. 20.12.1989 – VIII ZR 145/88, NJW-RR 1990, 368. 1659) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB). 1660) OLG Naumburg, Urt. v. 7.1.1994 – 3 U 84/93, NJW-RR 1994, 377. 1661) BGH, Urt. v. 14.6.1984 – III ZR 110/83, ZIP 1984, 932 = Zeller III, 67; BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, ZIP 1987, 699; BGH, Urt. v. 17.12.1992 – I ZR 73/91, ZIP 1993, 361; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 = NJW 2007, 1946 = ZIP 2007, 1067; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052; BGH, Urt. v. 9.6.2011 – I ZR 17/10, BeckRS 2011, 27329; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254.

424

VI. Recht zum Widerruf

de, unmissverständliche und für ihn eindeutige Belehrung auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben.1662) 2.

Grundfragen

a) Voraussetzungsloses Recht. Die Belehrung muss den Verbraucher darüber 2.1283 informieren, dass ihm überhaupt ein Widerrufsrecht zusteht.1663) Nach dem Gesetzeswortlaut kann das Recht des Verbrauchers zum Widerruf nicht an Voraussetzungen geknüpft werden. Die Widerrufsbelehrung muss das Recht zum beliebigen und an keine Voraussetzungen gebundenen Widerruf geben.1664) In den Formulierungen der Musterbelehrungen (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB „Sie haben das Recht, …“; Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB „Sie können Ihre Vertragserklärung … widerrufen.“) kommt dies deutlich zum Ausdruck. b) Umfang. Schon dem Wortlaut des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB („we- 2.1284 sentliche Rechte“) nach ist die Belehrungspflicht in zweifacher Hinsicht beschränkt. Zum einen bezieht sich das Belehrungserfordernis nur auf die Rechte, nicht dagegen auf die Pflichten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung.1665) Zum anderen muss auch nur über die „wesentlichen“ Rechte informiert werden. Daher muss der Unternehmer die Rechtslage nicht vollständig und umfassend darstellen. Es genügt, wenn er dem Verbraucher dessen wesentliche Rechte vor Augen führt. Die Belehrung muss (nur) das an Informationen umfassen, was erforderlich ist, um dem Berechtigten seine Rechte deutlich zu machen. Dazu gehört alles, was für seine Entscheidung über einen Widerruf Bedeutung haben kann. Zugleich darf die Belehrung nichts enthalten, was die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Widerrufsrechts beeinträchtigen könnte. Weder

___________ 1662) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 = NJW 2007, 1946 = ZIP 2007, 1067; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 1/11, NJW-RR 2012, 1197; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme; OLG Düsseldorf, (Hinweis)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1663) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1664) BGH, Urt. v. 17.12.1992 – I ZR 73/91, ZIP 1993, 361; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319. 1665) Siehe unten § 24 VII m. w. N.

425

§ 24 Widerrufsbelehrung

der Unternehmer noch der Verbraucher sollen durch eine in jeder Hinsicht vollständige und umfassende Darstellung der Rechtslage überfordert werden.1666) 2.1285 c) Anforderungen. Bestimmte Anforderungen, wie über das „Recht zum Widerruf“ zu belehren ist, enthält der Wortlaut des Gesetzes nicht. Daher sollte nach altem Recht auch der Hinweis genügen, dass die Willenserklärung des Käufers erst wirksam werde, wenn sie nicht widerrufen werde.1667) Von der älteren Rechtsprechung wurden an die Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung keine übertriebenen Anforderungen gestellt.1668) 3.

Überschrift

2.1286 Das Gesetz fordert nicht, dass die Belehrung mit „Widerrufsbelehrung“ überschrieben wird, wie dies die Musterbelehrung vorsieht. Die hinreichende Klarheit und Deutlichkeit einer Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Unternehmer die Überschrift „Verbraucher haben das folgende gesetzliche Widerrufsrecht“ voranstellt.1669) Es handelt sich auch nicht um einen unzulässigen Zusatz, sondern um eine zulässige Ergänzung, die den Inhalt der Widerrufsbelehrung verdeutlicht. Die Überschrift ist auch nicht Teil der Widerrufsbelehrung.1670) 4.

Widerrufsberechtigung

2.1287 a) Allgemein. Nach OLG Hamm handelte es sich bei dem fehlenden Hinweis, dass es um den Widerruf der Willensklärung des Gastwirts gehe, um eine unschädliche Auslassung. Auch Widerrufsbelehrungen seien auslegungsfähig (§§ 133, 157 BGB). Die Unklarheit könne im Wege der Auslegung geklärt werden. Der Umstand, dass der Käufer auf die Widerruflichkeit gerade seiner Erklärung hingewiesen werden soll, konnte danach auch einer – nahe liegenden – Auslegung der Vertragsurkunde entnommen werden.1671) Diese Rechtsauffassung dürfte aktuell im Hinblick auf die gesetzlichen Vorschriften im Besonderen (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB „Sie“, Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB „Sie“) und im Allgemeinen (§§ 305c Abs. 2, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht mehr vertretbar sein. 2.1288 b) Personale Eingrenzung. Bedenken bestehen gegen einen vorangestellten Zusatz „Verbraucher/Existenzgründer haben folgendes Widerrufsrecht“. Dann ___________ 1666) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 74. 1667) Nicht beanstandet in BGH, Urt. v. 7.5.1986 – I ZR 95/84, NJW 1987, 125 = ZIP 1986, 1279 = Zeller III, 110. 1668) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884. 1669) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB). 1670) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB). 1671) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46.

426

VI. Recht zum Widerruf

muss zumindest erläutert werden, unter welchen Voraussetzungen der Kunde als Verbraucher anzusehen ist.1672) Hierfür spricht auch die Formulierung in der Musterbelehrung zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB Anlage 1 („Sie“ können …). Im Übrigen sind das Deutlichkeitsgebot (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB) sowie die Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Zusätzen zu beachten.1673) c) Benennung. Wenn schon im Zusammenhang mit gesetzlichen Musterin- 2.1289 formationen Formulierungen in der Ich-Form nicht schaden,1674) dann gilt dies erst recht für eigenverantwortlich gestaltete Widerrufsbelehrungen. Dies gilt auch in der umgekehrten Situation, bei der anstelle von „Darlehensgeber“ „wir“ formuliert wird. 5.

Bezug

a) Konkreter Vertrag. Aus der Belehrung sollte ersichtlich sein, auf welchen 2.1290 Vertrag sie sich bezieht (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB „diesen Vertrag“, Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB „Ihre Vertragsklärung“, § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB „eindeutig“).1675) Demnach ist eine Belehrung für mehrere oder künftige Verträge unwirksam. b) Nur Bezugsverpflichtung. Fehlerhaft kann eine Widerrufsbelehrung dann 2.1291 sein, wenn sie nicht lediglich die erfasste Bezugsverpflichtung (§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB), sondern den gesamten Vertrag als widerruflich bezeichnet. Beispielsweise ist der Pachtvertrag – nach dem Verbraucherkreditrecht – gar nicht widerruflich, weil er kein Kreditgeschäft darstellt.1676) Die Widerrufsbelehrung soll den Verbraucher über seine gesetzlichen Rechte aufklären. c) Durchschlagsklausel. Will der Unternehmer in der Weise voneinander ab- 2.1292 hängig machen, dass die wegen des Widerrufs unwirksam gewordene Bezugsverpflichtung auch das andere Geschäft gem. § 139 BGB unwirksam machen soll (Durchschlagsklausel), dann gehört eine solche Erklärung nicht in die Widerrufsbelehrung, sondern ist Teil des Vertrages. Solche Verknüpfungen in der Widerrufsbelehrung sind gesetzeswidrig, weil sie geeignet sind, den Verbraucher von der Ausübung seiner Rechte abzuhalten.1677) 6.

Inbezugnahme von Gesetzen

Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt, 2.1293 wenn der Gesetzestext – wie etwa das BGB und die BGB-InfoV – für jeder___________ 1672) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178. 1673) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB). 1674) OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2015 – 31 U 126/14, BeckRS 2015, 08481 (§ 491 BGB). 1675) BGH, Urt. v. 7.5.1986 – I ZR 95/84, NJW 1987, 125 = ZIP 1986, 1279 = Zeller III, 110; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552. 1676) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1677) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087.

427

§ 24 Widerrufsbelehrung

mann ohne Weiteres zugänglich ist, keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot dar, sondern dient im Gegenteil der Verständlichkeit, Übersichtlichkeit und Vollständigkeit der Belehrung.1678) Die Inbezugnahme des nicht mehr geltenden AbzG machte die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.1679) 7.

Widerrufsausübung

2.1294 a) Die Belehrung muss darüber informieren, dass die Erklärung ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EGBGB). 2.1295 b) Muster-Widerrufsformular. Die für Ratenlieferungsverträge im stationären Handel einschlägige Vorschrift des Art. 246 Abs. 3 EGBGB sieht keine Pflicht des Unternehmers vor, den Verbraucher über ein Muster-Widerrufsformular zu informieren bzw. dieses im Rahmen der vorvertraglichen Information des Verbrauchers beizufügen. § 356c Abs. 2 Satz 1 BGB verweist lediglich auf die Kannvorschrift des § 356 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. Daher kann der Getränkelieferant gem. §§ 356c Abs. 2 Satz 1, 356 Abs. 1 Satz 1BGB dem Verbraucher die Möglichkeit einräumen, zur Ausübung des Widerrufsrechts ein Formular zu nutzen. Eine Gesetzlichkeitsfiktion kommt dem Muster selbst bei korrekter Verwendung nicht zu. Macht der Verbraucher von dem Muster Gebrauch, hat der Getränkelieferant den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen.1680) 8.

Zusätze

2.1296 a) Verständlichkeit. Die Belehrung muss insgesamt gut verständlich sein.1681) Verwirrende, ablenkende oder zu Missverständnissen führende Zusätze sind unzulässig.1682) Maßstab ist ein unbefangener durchschnittlicher Verbraucher.1683) ___________ 1678) BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 = ZIP 2017, 911 (§ 491 BGB). 1679) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; LG Berlin, Urt. v. 9.12.1993 – 58 S 99/93, NJW-RR 1994, 692. Siehe oben § 24 XI 8 b m. w. N. 1680) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 18. 1681) BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 = NJW 2007, 1946 = ZIP 2007, 1067; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734. 1682) BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552; BGH, Urt. v. 11.3.2008 – XI ZR 317/06, NJW 2008, 1728; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734; BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16. 1683) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734.

428

VI. Recht zum Widerruf

Es genügt die Gefahr einer Ablenkung oder Irreführung. Darauf, dass der Verbraucher im Einzelfall tatsächlich irregeleitet wurde, kommt es nicht an.1684) b) Ergänzungen. Ergänzungen waren und sind dagegen zulässig, soweit dem 2.1297 Deutlichkeitsgebot des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB Rechnung getragen wird. Als zulässige Zusätze können solche Ergänzungen hingenommen werden, die die Widerrufsbelehrung in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlichen und für ihr Verständnis und ihre Wirksamkeit maßgeblich sind, und die den Verbraucher zumindest nicht verwirren oder ablenken.1685) Eine erteilte Widerrufsbelehrung genügt auch dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie inhaltlich richtige, vom Gesetz her jedoch nicht erforderliche Erläuterungen enthält.1686) c) Leistungsvorbehalt. Stellt der Getränkelieferant die Erbringung seiner Leis- 2.1298 tungen unter den Vorbehalt der Nichtausübung des Widerrufsrechts, so darf dieser Leistungsvorbehalt nicht in die Widerrufsbelehrung aufgenommen werden. Der zutreffende Standort ist der Getränkelieferungsvertrag. 9.

Ort und Datum

Eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe von Ort oder Datum besteht nicht.1687) 2.1299 Bei schriftformbedürftigen Verträgen wie Getränkelieferungsverträgen (§ 510). Der Verbraucher kann den Beginn der Widerrufsfrist auch ohne Angabe des Da- 2.1300 tums bestimmen. Er weiß, wann ihm die Belehrung ausgehändigt worden ist. Soweit er befürchten muss, dieses Datum innerhalb der Widerrufsfrist zu vergessen, steht es ihm frei, es sich zu notieren (§ 277 BGB, § 254 BGB analog).1688) 10.

Unterschrift

Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB verlangt keine Unterschrift des Verbrauchers 2.1301 unter der Widerrufsbelehrung. Dies hindert den Unternehmer aber nicht daran, eine Unterschrift des Verbrauchers unter der Widerrufsbelehrung zu verlangen (vgl. die Musterbelehrung nach Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB ___________ 1684) BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 1685) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552; BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 11.3.2008 – XI ZR 317/06, NJW 2008, 1728; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB). 1686) BGH, Urt. v. 11.11.2008 – XI ZR 269/06, NJW-RR 2009, 769 = ZIP 2009, 64. 1687) Zutreffend können nach Gestaltungshinweis 8 der Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB Ort, Datum und Unterschriftenleiste entfallen. Dort auch zu den ersatzweise vorzunehmenden Angaben. 1688) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 11.6.2007 – 9 U 109/06, BeckRS 2007, 10183.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

i. V. m. Gestaltungshinweis 8). Die Unterschrift lenkt den Verbraucher nicht vom Inhalt der Belehrung ab.1689) Daher kann die Widerrufsbelehrung auch heute noch eine Unterschrift des Verbrauchers vorsehen.1690) Hinzu kommt, dass eine Unterschrift auch für die Frage der deutlichen Gestaltung und Erkennbarkeit der Widerrufsbelehrung von Vorteil ist.1691) Wegen der Darlegungs- und Beweislast ist es aber zudem zweckmäßig, dass der Unternehmer eine bei ihm verbleibende Kopie der Belehrung vom Kunden mit Datumsangabe gesondert und damit getrennt von der Empfangsbestätigung unterzeichnen lässt.1692) 11.

Empfangs-/Aushändigungsbestätigung

2.1302 a) Inhaltskontrolle. Empfangs-/Aushändigungsbestätigungen unterliegen der richterlichen Inhaltskontrolle.1693) Sie dürfen nicht Bestandteil der Widerrufsbelehrung sein, sondern müssen hiervon deutlich abgesetzt sein (§ 309 Nr. 12 Satz 1 b, Satz 2 BGB).1694) Dies gilt auch im Unternehmerverkehr.1695) Die Empfangsbestätigung muss daher weiterhin gesondert unterschrieben oder gem. § 126a BGB mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, um wirksam zu sein (§ 309 Nr. 12 Satz 2 BGB). Die Unterschrift muss den Anforderungen des § 126 Abs. 1 BGB genügen. Das zusammen mit der Widerrufsbelehrung unterschriebene Empfangsbekenntnis ist unwirksam. Die unter der Empfangsbestätigung zu leistende Unterschrift darf sich daher weder zugleich auf die vertragliche Vereinbarung noch zugleich auf die Widerrufsbelehrung beziehen. Wird mehr als der bloße Empfang bestätigt, so ist die Bestätigung nach § 309 Nr. 12 Satz 1 b BGB nichtig.1696) Dass das Empfangsbekenntnis „gesondert“ zu unterschreiben ist, bedeutet aber nicht, dass darüber eine besondere Urkunde errichtet werden muss, die andere Vereinbarungen nicht enthalten darf. 2.1303 Unzulässig ist somit ein mit der Widerrufsbelehrung verbundenes Empfangsbekenntnis jedenfalls dann, wenn für den durchschnittlichen Kunden für die konkrete Ausgestaltung der Vertragsurkunde der Eindruck erweckt wird, es handle sich um eine einheitliche, ihrem Inhalt nach näher bestimmte Wider___________ 1689) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 508/07, BeckRS 2009, 05418; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 509/07, BeckRS 2009, 05536. 1690) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 26.5.2009 – XI ZR 242/08, BeckRS 2009, 16010. 1691) BGH, Urt. v. 31.10.2002 – I ZR 132/00, NJW-RR 2003, 1481. 1692) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1693) BGH, Urt. v. 15.5.2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 = ZIP 2014, 1485. 1694) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1695) BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47. 1696) BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552.

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VI. Recht zum Widerruf

rufsbelehrung, und die Bestätigung deshalb geeignet ist, von der Belehrung als solche abzulenken. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn durch die drucktechnische Gestaltung der im Fließtext abgefassten, d. h. nicht weiter untergliederten Widerrufsbelehrung, insgesamt der Charakter einer einheitlichen Erklärung erweckt wird, der durch das Vorhandensein lediglich einer einzigen, sowohl die eigentliche Belehrung als auch die Empfangsbestätigung abdeckenden Unterschriftszeile innerhalb einer den gesamten Textblock umgebenden Umrandung noch verstärkt wird.1697) b) Kenntnisnahmevermerk/Empfangsbestätigung im Übrigen. Mit entspre- 2.1304 chenden Erklärungen wird der Verbraucher auf die Widerrufsbelehrung lediglich gesondert hingewiesen und um die Erklärung gebeten, dass er um sein Widerrufsrecht weiß.1698) Der Text könnte beispielsweise lauten „Der Empfang wird hiermit bestätigt.“ Ein Kenntnisnahmevermerk oder eine Empfangsbestätigung stehen der Ord- 2.1305 nungsgemäßheit der Widerrufsbelehrung nicht entgegen. Die Widerrufsbelehrung darf zwar grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten, um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen. Hierzu gehört aber der Zusatz, der Verbraucher habe von der Widerrufsbelehrung Kenntnis genommen, nicht. Ihm kommt kein weiterer Erklärungsinhalt zu, als dass der Verbraucher auf die Widerrufsbelehrung – neben dem eigentlichen Vertragsinhalt – gesondert hingewiesen worden ist und er um sein Widerrufsrecht weiß.1699) Daher empfiehlt der BGH einen Kenntnisnahmevermerk aus Beweisgründen ausdrücklich.1700) 12.

Doppelbelehrung

Jedenfalls seit dem 30.7.2010 steht fest, dass es bei einem Getränkelieferungsver- 2.1306 trag im Regelfall des einheitlichen (gemischten) Vertrages nur dann mehrerer „Belehrungen“ bedarf, wenn sowohl für den bezugsrechtlichen Teil (Widerrufsbelehrung) als auch für den kreditrechtlichen Teil (Widerrufsinformation) jeweils eine Widerruflichkeit besteht, weil die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen des Verbraucherschutzrechts erfüllt sind. Nach geltendem Recht besteht auch im Regelfall des einheitlichen Darlehens- und Getränkelieferungsver-

___________ 1697) BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, NJW 1993, 2868 = ZIP 1993, 1552; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16. 1698) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1699) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1700) BGH, Urt. v. 26.5.2009 – VI ZR 191/08, NJW 2009, 3572.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

trages grundsätzlich eine Doppelbelehrungspflicht. Konsequenterweise ist jeweils der Schwellenwert des § 513 BGB zu prüfen.1701) 13.

Sprache

2.1307 In welcher Sprache die Widerrufsbelehrung abgefasst werden muss, ist in Art. 246 Abs. 3 EGBGB nicht ausdrücklich geregelt. In aller Regel wird nur eine Belehrung in deutscher Sprache dem Deutlichkeitsgebot genügen. Auch bei Ausländern besteht keine Verpflichtung, den Vertragstext und insbesondere die Widerrufsbelehrung in deren jeweiliger Landessprache abzufassen. Die Verwendung eines Textes in einer anderen Sprache ist nur zulässig, wenn der Verbraucher die Sprache beherrscht und die Verhandlungen in dieser Sprache geführt worden sind oder der Vertrag in dieser Sprache abgefasst ist.1702) 2.1308 Grundsätzlich muss man eine Erklärung, die in bewusster Unkenntnis ihres Inhalts unterzeichnet wird, gegen sich gelten lassen. Dies gilt auch für einen Ausländer, der einen Vertrag unterzeichnet, obschon er der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Auch derjenige hat kein Anfechtungsrecht, der einen Vertrag unterschreibt, obwohl er einzelne Regelungen nicht verstanden hat.1703) 14.

Unklarheiten

2.1309 Unklarheiten gehen zu Lasten des Unternehmers, weil dies einen Fall unzureichender Belehrung darstellt. 15.

Nichtbestehen eines Widerrufsrechts

2.1310 Über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts muss nicht unterrichtet werden. Anders ist dies nur bei Finanzdienstleistungen und Fernabsatzverträgen (§ 312d Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB). VII. Rechtsfolgen des Widerrufs 1.

Vertragspartnernschaft

2.1311 Einer Differenzierung zwischen den Folgen des Widerrufs nur eines Verbrauchers oder sämtlicher Vertragspartner bedarf es nicht.1704) 2.

Im Übrigen

2.1312 a) Meinungsstand. Umstritten ist im Übrigen, ob die Widerrufsbelehrung für Getränkebezugsverpflichtungen zwingend einen Hinweis auf die tatsächlichen ___________ 1701) Siehe oben § 22 IV 7 m. w. N. 1702) LG Köln, Urt. v. 8.3.2002 – 32 S 66/01, NJW-RR 2002, 1491. 1703) OLG Brandenburg, Urt. v. 16.4.2014 – 4 U 54/12, BeckRS 2014, 11107. 1704) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB).

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VII. Rechtsfolgen des Widerrufs

materiellen Rechtsfolgen und die damit verbundenen Pflichten des Verbrauchers voraussetzt. Einige sehen einen entsprechenden Hinweis als nicht erforderlich an.1705) Andere fordern bei Ratenlieferungsverträgen einen überblickartigen Hinweis auf die Hauptrechtsfolgen und damit die wesentlichen Eckpunkte der Regelung.1706) Im Übrigen wird in Anlehnung an das Muster nach Anlage 1 zu Art. 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB a. F. eine auf die dort in den Sätzen 1 und 2 sowie 7 und 8 angesprochene Rechtsfolgen reduzierte Widerrufsbelehrung verlangt.1707) b) Stellungnahme. § 356c Abs. 1 BGB verweist für im stationären Handel ge- 2.1313 schlossene Getränkelieferungsverträge auf Art. 246 Abs. 3 EGBGB. Nach Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB muss die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher seine „wesentlichen Rechte“ (Hervorhebung durch den Verfasser) deutlich machen.1708) Auch der Aufzählungskatalog des Art. 246 Abs. 3 Satz 3 EGBGB schreibt eine Aufklärung über die den Verbraucher betreffenden Pflichten nicht vor. Vielmehr bedarf es nach Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EGBGB lediglich eines Hinweises auf das Recht zum Widerruf. Dass nach Art. 246 Abs. 3 Satz 3 EGBGB ein Hinweis auf die Rechtsfolgen 2.1314 kein zwingendes Element einer Widerrufsbelehrung ist, lässt sich mit dem abschließenden Charakter der Vorschrift begründen. Der Zweck des Art. 246 Abs. 3 Satz 3 EGBGB, dem Unternehmer vorbehaltlich ergänzender Spezialregelungen einen umfassenden Überblick über die Belehrungserfordernisse zu geben,1709) spricht für eine abschließende Regelung. In diese Richtung weist auch die Entstehungsgeschichte zu der Vorgängervorschrift des § 360 BGB a. F., weil der Gesetzgeber die früheren Belehrungserfordernisse nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. in ihrer Auslegung durch die Gerichte lediglich übersichtlich zusammenfassen, nicht jedoch inhaltlich ausdehnen wollte.1710) Auch eine richtlinienkonforme Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. 2.1315 In systematischer Hinsicht liegt weiter ein Umkehrschluss aus § 357 Abs. 6 und Abs. 8 BGB nahe, weil anderenfalls die Spezialregelung nicht erforderlich gewesen wäre.1711) Aus dem fehlenden Verweis auf § 357 Abs. 6 BGB ergibt sich, dass die Pflicht 2.1316 des Verbrauchers zur Tragung der Rücksendekosten nach § 357c Satz 2 BGB ___________ 1705) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 141. 1706) Staudinger-Kaiser, BGB, § 360 Rz. 58. 1707) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Formularsammlung Vertriebsrecht, § 21 Rz. 121. Wohl aufgegeben ders., in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 138. 1708) Siehe oben § 24 VI m. w. N. 1709) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 71, 73, zur Vorgängerregelung des § 360 BGB a. F. 1710) Begründung Regierungsentwurf, 16/11643, S. 74, zur Vorgängerregelung des § 360 BGB a. F. 1711) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 141.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

weder die vorherige Information des Verbrauchers über diese Rechtsfolge noch überhaupt eine Information über das Widerrufsrecht voraussetzt. Grund ist, dass eine entsprechende Informationspflicht für Ratenlieferungsverträge nicht besteht und die Sonderregelung des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB nicht passt.1712) Hintergrund ist, dass eine Verpflichtung zur Tragung etwaiger Rücksendekosten (§ 357c Satz 2 BGB) im hier interessierenden Zusammenhang nicht praktisch wird. 2.1317 Der Zweck der Widerrufsbelehrung steht dem ebenfalls nicht entgegen. Ein Interesse des Verbrauchers an der Belehrung über Widerrufsfolgen kann nur bestehen, wenn und soweit diese Folgen tatsächlich eintreten können. Hierfür spricht auch die Rechtsprechung des BGH zur Schutzfunktion des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV a. F. Nach ihr ist ein in der Widerrufsbelehrung fehlender Hinweis auf die Widerrufsfolgen bei Überlassung von Sachen unschädlich, weil dieser Zusatz nach dem mit dem Muster veröffentlichten Gestaltungshinweis bei Leistungen, die nicht in der Überlassung von Sachen bestehen, entfallen kann.1713) 2.1318 Der Unternehmer muss auch die komplizierte Rechtslage nicht vollständig und umfassend darstellen. Das Wort „wesentliche“ verdeutlicht vielmehr, dass die Belehrung keine in jeder Hinsicht vollständige und umfassende Darstellung der Rechtslage erfordert.1714) Eine vollständige Information begründete im Gegenteil die Gefahr, den Verbraucher mit einer Vielzahl von für ihn nicht verständlichen Informationen zu überfordern und dadurch zu verwirren. Daher lässt sich auch keine umfassende Verpflichtung begründen, über die Rechtsfolgen des Widerrufs im Zusammenhang mit Ratenlieferungsverträgen zu belehren. 2.1319 Soweit eine Belehrung in eingeschränktem Umfang über die sogenannten „Hauptrechtsfolgen“ gefordert wird, ist dem über die vorgenannte Argumentation hinaus entgegenzuhalten: Zunächst ist zu fragen, was unter „Hauptrechtsfolgen“ zu verstehen sein soll. Darunter soll die Pflicht zur Nutzungsherausgabe oder (Unterstreichung vom Verfasser) zum Nutzungsersatz zu verstehen sein.1715) Auch ergeben sich keine sachlichen Differenzierungsansätze für eine auch nur auf die „Hauptrechtsfolgen“ begrenzte Informationspflicht. Zudem sind die Ergebnisse dieser Auffassung befremdlich. So wäre zu fragen, ob im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen die Gewinne aus dem Bierverkauf herauszugeben wären. Dagegen spricht aber bereits, dass die infolge des Rahmenvertrages abgeschlossenen Einzelkaufverträge nicht widerruflich sind.1716) Schließlich könnte ___________ 1712) Palandt-Grüneberg, BGB, § 357c Rz. 1. 1713) BGH, Urt. v. 18.3.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 = ZIP 2014, 913. 1714) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 74, zur Vorgängerregelung des § 360 BGB a. F. 1715) Staudinger-Kaiser, BGB, § 360 Rz. 76. 1716) Siehe unten § 25 XI 5 a m. w. N.

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VII. Rechtsfolgen des Widerrufs

sich ein Rechtsfolgenbelehrungserfordernis insofern kontraproduktiv auswirken, als der durch die §§ 510 Abs. 2, 355 BGB Geschützte von einem Widerruf abgehalten werden könnte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass Getränkelieferungsverträge zumeist eine 2.1320 Leistungsvorbehaltsklausel i. S. d. § 308 Nr. 1 BGB enthalten. Dann werden die Leistungen beider Vertragsparteien erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht. Daraus könnte gefolgert werden, dass bei entsprechender Vertragsgestaltung ein Rechtsfolgenhinweis nicht erforderlich ist.1717) Allerdings könnte dies im Lichte eines Urteils des BGH vom 2.2.20111718) anders zu beurteilen sein. Danach kommt es nicht darauf an, ob vertragliche Leistungen nach der beabsichtigten Vertragsgestaltung vor Ablauf der Widerrufsfrist ausgeschlossen sein sollten, sondern ob sie nach der tatsächlichen Vertragsgestaltung und insbesondere der Vertragsabwicklung auch ausgeschlossen waren. Kann der Getränkelieferant nicht mit Sicherheit ausschließen, dass er oder auch der Vertragspartner Leistungen vor Ablauf der Widerrufsfrist erbringen, wie dies beispielsweise bei vorzeitiger Zahlung der Darlehensvaluta der Fall ist, so könnte es aus unternehmerischer Vorsicht angezeigt sein, eine Widerrufsfolgenbelehrung aufzunehmen. Der sich so ergebende Text ist allerdings vor dem Hintergrund eines Darle- 2.1321 hens- und Getränkelieferungsvertrages nicht nachvollziehbar. Die hier in Rede stehende Rechtsfolgenbelehrung kann sich lediglich auf den bezugsrechtlichen Teil beziehen. Soweit der Vertrag hinsichtlich der Darlehenskomponente belehrungsbedürftig ist, muss der Vertrag eine entsprechende Widerrufsinformation mit einem Rechtsfolgenteil enthalten. Logischerweise kann es die hier angesprochenen Rechtsfolgen wie Leistungsrückgewähr und Nutzungsherausgabe, insbesondere Verzinsung sowie Ersatz von Gebrauchsvorteilen (§ 818 Abs. 2 BGB), nicht geben.1719) Auch gibt es keine Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen. Insbesondere sind die bereits abgewickelten Einzelkaufverträge vom Widerruf des bezugsrechtlichen Teils nicht umfasst.1720) 3.

Freiwillige Rechtsfolgenbelehrung

Gleichwohl bleibt es dem Unternehmer unbenommen, ohne gesetzliche Ver- 2.1322 pflichtung und damit freiwillig eine Rechtsfolgenbelehrung vorzunehmen. Diese darf sich allerdings nicht auf die Pflichten des Verbrauchers beschränken, sondern muss auch seine Rechte umfassen. Anderenfalls liegt ein Verstoß gegen das ___________ 1717) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 69. 1718) BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 (§ 312b BGB). 1719) Vgl. zum Widerruf im Rahmen eines Pacht- und Getränkelieferungsvertrages OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1720) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

Transparenzgebot vor.1721) Eine erteilte Widerrufsbelehrung genügt auch dann den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie inhaltlich richtige, vom Gesetz her jedoch nicht erforderliche Erläuterungen enthält. Dies gilt für inhaltlich sinnvolle Ergänzungen der Widerrufsbelehrung, die den rechtsunkundigen Verbraucher auf die weiteren Rechtsfolgen seines Widerrufs hinweisen und ihm somit dessen besondere Tragweite und Bedeutung verdeutlichen.1722) 4.

Rückzahlung

2.1323 Enthält die Belehrung einen Hinweis auf Rechtsfolgen, die der Widerruf gar nicht auslöst, wie etwa auf eine nicht bestehende Rückzahlungspflicht, so ist die Belehrung wegen Verstoßes gegen das Deutlichkeitsgebot des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB unwirksam. Beispiel: „Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn das Darlehen nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt wird.“1723) 5.

Wertersatz

2.1324 a) Einführung. An die Stelle der nur für Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträge einschlägigen Information des Verbrauchers über das Widerrufsrecht nach Art. 264a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB tritt die entsprechende Information des Verbrauchers nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB. Fraglich ist, ob diese neben der Information über das Bestehen des Widerrufsrechts als solchem auch einen Hinweis auf die Rechtsfolge der Wertersatzpflicht umfassen muss. Zu denken ist an die Zurverfügungstellung beweglicher Sachen etwa aufgrund eines Leih- oder ausnahmsweise Pachtvertrages. 2.1325 b) Meinungsstand. Nach einer Meinung bedarf es keines konkreten Hinweises auf die Ersatzpflicht.1724) Danach dürfte keine Notwendigkeit zur Belehrung über eine Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB für den Fall einer durch eine übermäßige Nutzung entstandenen Verschlechterung der Gegenstände in Verbindung mit dem Text des Gestaltungshinweises 5c der Muster-

___________ 1721) BGH, Urt. v. 12.4.2007 – VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 = NJW 2007, 1946 = ZIP 2007, 1067 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 233/10, BeckRS 2012, 17066 (Schuldbeitritt); OLG Dresden, Urt. v. 28.5.2009 – 8 U 1530/08, BeckRS 2010, 29023 (Verbraucherdarlehen). 1722) BGH, Urt. v. 11.11.2008 – XI ZR 269/06, NJW-RR 2009, 769 = ZIP 2009, 64 (§ 312b BGB). 1723) BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 395/04, NJW 2004, 2731; BGH, Urt. v. 24.4.2007 – XI ZR 191/06, NJW 2007, 2762; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403 = ZIP 2011, 16; OLG Jena, Urt. v. 28.9.2010 – 5 U 57/10, BeckRS 2010, 25722; LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 – 3 O. 63/11. 1724) Etwa MünchKomm-Fritsche, BGB, § 357c Rz. 9.

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VII. Rechtsfolgen des Widerrufs

widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB bestehen. Dies wird aber auch anders gesehen.1725) c) Stellungnahme. Bei Ratenlieferungsverträgen beteht keine Informations- 2.1326 pflicht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. An deren Stelle tritt die Unterrichtung nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB. Eine entsprechende Unterrichtungspflicht des Unternehmers wird in Art. 246 Abs. 3 Satz 3 EGBGB nicht eigens erwähnt. Zwar ging der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 357c BGB speziell in diesem Punkt von einem Gleichlauf zwischen den Rechtsfolgen des Widerrufs von Ratenlieferungsverträgen und den Rechtsfolgen des Widerrufs von Außergeschäftsraum- und Fernabsatzverträgen aus.1726) Hier ist aber ein Gegenschluss gerechtfertigt. Konkret besteht nur hinsichtlich der Bindungskomponente ein Widerrufsrecht, nicht dagegen im Übrigen.1727) Anderenfalls würde das Ergebnis der auf den Einzelfall abstellenden Prüfung der noch festzustellenden Voraussetzungen einer Widerrufserstreckung nach § 139 BGB1728) unzulässig vorweggenommen. Weiter handelt es sich bei den überlassenen Sachen nicht um Waren bzw. Gegenstände. § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB ist eindeutig auf Warenumsatzgeschäfte, insbesondere Kaufverträge, zugeschnitten. Der Gestaltungshinweis 5 c der Musterwiderrufsbelehrung nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 EGBGB enthält nur für verbundene Verträge einen zumal fakultativen Hinweis auf die Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 BGB. Zudem dürfte die karge, nicht auf den konkreten Rückgabegegenstand abstellende Formulierung schwerlich eine ausreichende Information gewährleisten. Im Übrigen ist selbst für den Fall der unmittelbaren Anwendung des § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB streitig, ob es einer konkreten Belehrung über die Verpflichtung zum Wertersatz bedarf.1729) Jedenfalls bedarf es dann eines Hinweises nicht, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden – so zumeist bei Getränkelieferungsverträgen.1730) 6.

Rücksendekosten

Aus dem fehlenden Verweis auf § 357 Abs. 6 BGB in § 357c Satz 1 BGB ergibt 2.1327 sich, dass die Pflicht des Verbrauchers zur Tragung der Rücksendekosten nach § 357c Satz 2 BGB weder die vorherige Information des Verbrauchers über diese Rechtsfolge noch überhaupt eine Information über das Widerrufsrecht voraus___________ 1725) Etwa BeckOGK/Mörsdorf BGB § 357c Rz. 8. 1726) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 66. 1727) Siehe unten § 35 II 4 m. w. N. für den Pachtvertrag. 1728) Siehe unten § 25 XI 4 m. w. N. 1729) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 63, insbesondere rechte Spalte. Siehe unten § 26 VI 5 c ee bbb m. w. N. 1730) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 69. BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

setzt. Grund ist, dass eine entsprechende Informationspflicht für Ratenlieferungsverträge nicht besteht und die Sonderregelung des § 357 Abs. 6 Satz 3 BGB nicht passt.1731) Hintergrund ist, dass eine Verpflichtung zur Tragung etwaiger Rücksendekosten (§ 357c Satz 2 BGB) im hier interessierenden Zusammenhang nicht praktisch wird. VIII. Widerrufserstreckung 1.

Personale Reichweite

2.1328 a) Grundlagen. Zwar wirkt der Widerruf nur eines Verbrauchers nicht zugleich für und gegen die anderen, weil der Widerruf nicht unter die Sondervorschriften der §§ 422 – 425 BGB fällt. Nach § 139 BGB führt er aber regelmäßig dazu, dass sich der Vertrag im Verhältnis zu sämtlichen Darlehensnehmern in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt. Gibt die Widerrufsbelehrung dies der Sache nach wieder, ist sie ordnungsgemäß und wirksam.1732) 2.1329 b) Vertraglichen Regelung. Es bleibt den Parteien unbenommen, den Widerruf eines Gesamtschuldners mit Einzel- oder Gesamtwirkung auszustatten. Angesichts der Vielgestaltigkeit der Abschlusssituationen und der nur schwer einschätzbaren Widerrufssituationen bedarf die Gestaltung einer entsprechenden Regelung größter Sorgfalt. Im Zweifel erscheint es sinnvoll, darauf zu verzichten und eine Lösung über § 139 BGB zu suchen. Gangbar ist auch der Weg, zugunsten des Getränkelieferanten ein Kündigungsrecht zu vereinbaren. Im Übrigen gilt § 139 BGB.1733) 2.

Sachliche Reichweite

2.1330 Ebenfalls sollten in der Widerrufsbelehrung Hinweise zu den sachlichen Auswirkungen des Widerrufs unterbleiben.1734) Die Erstreckung des Widerrufs auf andere Teile des Getränkelieferungsvertrages ist nämlich nicht gesetzlich vorgesehen, sondern beurteilt sich nach § 139 BGB. Insofern bedarf es einer Prüfung nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts. Auch muss ein Einheitlichkeitswille der Parteien festgestellt werden. Diese auf den Einzelfall abstellenden Grundsätze würden nicht beachtet, wenn man über die gesetzlichen Erfordernisse hinaus auch ein Belehrungserfordernis hinsichtlich der Widerrufserstreckung nach § 139 BGB statuieren würde. Daher sind im Ergebnis ent___________ 1731) Siehe oben § 25 VII 2 b m. w. N. 1732) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB). 1733) Siehe unten § 25 XI 3 – 6 m. w. N. 1734) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087, zu den Auswirkungen des Widerrufs auf den Pachtvertrag.

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IX. Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist

sprechende Regelungen nicht in den Text der Widerrufsbelehrung aufzunehmen. Zutreffender Ort ist der Getränkelieferungsvertrag. IX.

Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist

1.

Belehrungserfordernis

Zum notwendigen Inhalt einer Widerrufsbelehrung gehören die Angabe von 2.1331 Dauer und Beginn der Widerrufsfrist (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 a. A. EGBGB in Ergänzung des Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 EGBGB). 2.

Schutzzweck

Zweck der 14-tägigen Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es zum ei- 2.1332 nen, dem Verbraucher eine hinreichend bemessene Frist einzuräumen, um seine Vertragsabschlussentscheidung überprüfen und ggf. rückgängig machen zu können. Zum anderen soll der Unternehmer möglichst schnell Gewissheit darüber erhalten, ob sich der Verbraucher vom Vertrag lösen will. 3.

Geltendes Fristenregime

Der Verbraucher kann die auf den Abschluss des Getränkelieferungsvertrages 2.1333 gerichtete Willenserklärung im Fall anfänglicher ordnungsgemäßer Belehrung binnen einer Frist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) widerrufen. Dies gilt auch für den Fall der nachträglichen Widerrufsbelehrung. 4.

Voraussetzungen des Fristbeginns

a) Doppeltatbestand. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 Abs. 2 Satz 2 2.1334 BGB erst mit Vertragsschluss und nicht bevor der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 3 EGBGB; § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB). Fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrungen führen hinsichtlich des bezugsrechtlichen Teils des Getränkelieferungsvertrages zur Widerruflichkeit. Diese endet allerdings spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss (§ 356c Abs. 2 Satz 2 BGB). b) Anforderungen. Erforderlich ist die eindeutige Benennung der maßgeb- 2.1335 lichen Ereignisse, die die Frist in Lauf setzen1735) und auch vom Verbraucher ermittelt werden können.1736) Maßstab ist die Sicht eines unbefangenen durch___________ 1735) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1736) BGH, Urt. v. 24.3.2009 – XI ZR 456/07, NJW-RR 2009, 1275 = ZIP 2009, 1054.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

schnittlichen Verbrauchers unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs.1737) Hinsichtlich der Einzelheiten kann verwiesen werden.1738) 2.1336 c) Nachweis. Der Zeitpunkt des Zugangs sollte durch eine Empfangsbestätigung bei persönlicher Übergabe des Vertrags dokumentiert werden. Bei Übersendung mit der Post ist die Zustellung per Einschreiben mit Rückschein empfehlenswert (§ 175 ZPO).1739) Auch mit Einwurfeinschreiben kann der Beweis des Zugangs geführt werden, wenn der Briefkasteneinwurf ordnungsgemäß dokumentiert worden ist.1740) 5.

Fallstricke im Zusammenhang mit dem Hinweis auf den Fristbeginn

2.1337 a) Wenn nähere Angaben über den Fristbeginn gemacht werden, so müssen sie rechtlich zutreffend sein und dürfen zu keinen Missverständnissen Anlass geben. So legt die Formulierung, die Widerrufsfrist beginne „ab heute“ (= Tag der Vertragsaushändigung), das unrichtige Verständnis nahe, dieser Tag werde bei der Berechnung der Wochenfrist wie im Falle des § 187 Abs. 2 BGB mitgezählt, während tatsächlich die Widerrufsfrist nach § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem auf die Aushändigung der Vertragsurkunde folgenden Tag beginnt (§ 188 Abs. 2 BGB).1741) 2.1338 b) Frühestens. aa) Grundsatz. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er vermag der Formulierung lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristablaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird im Unklaren gelassen, welche etwaigen Umstände dies sind. Eine entsprechende Belehrung ist daher insuffizient.1742) 2.1339 bb) Einzelfälle. Die Formulierung „frühestens mit (dem) Erhalt dieser Belehrung (in Textform)“ führt in die Irre. Eine entsprechende Belehrung ist hinsichtlich des Beginns der Frist unzureichend und kann den Lauf der Frist nicht gem. § 356c Abs. 1 BGB in Gang setzen. Es müssen vielmehr sämtliche ___________ 1737) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734. 1738) Siehe unten § 25 VII 3 m. w. N. 1739) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 120. 1740) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262. 1741) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1742) BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 19.7.2012 – III ZR 252/11, BGHZ 194, 150 = NJW 2012, 3428 (§ 312c BGB); BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012, 1918; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (§ 312c BGB).

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IX. Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist

für den Fristbeginn erforderlichen Ereignisse genannt werden. Nur dann ist der Verbraucher richtig über den Beginn der Widerrufsfrist nach §§ 355 Abs. 2 Satz 2, 356c Abs. 1 BGB belehrt.1743) Nicht gegen das Deutlichkeitsgebot (Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB) verstößt 2.1340 dagegen die Formulierung „Der Lauf der Frist beginnt frühestens, wenn Ihnen diese Belehrung über Ihr Widerrufsrecht ausgehändigt worden ist, jedoch nicht bevor Sie die von uns gegengezeichnete Ausfertigung des Darlehensvertrags erhalten haben.“1744) Während bei Verwendung des Wortes „frühestens“ in der Belehrung zum Be- 2.1341 ginn des Widerrufsrecht unklar bleibt, wann die Frist beginnen soll, bestehen bei Verwendung der Worte „nach Erhalt der Vertragsunterlagen“ keine Bedenken hinsichtlich einer hinreichend genauen Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist.1745) c) Hinreichend ist der knappe Hinweis mit den Worten „des Erhalts dieser 2.1342 Belehrung in Textform“, wie er sich in der geänderten Anlage 3 zu § 14 Abs. 2 und 3 BGB-InfoV in der Fassung vom 4.3.2008 fand.1746) d) Wenn als Beginn der Widerrufsfrist die „Aushändigung der Durchschrift 2.1343 dieser Information über das Recht zum Widerruf“ bezeichnet wurde, so lag darin nicht etwa deshalb eine Irreführung, weil keine „Durchschrift“, sondern eines der drei Formulare übersandt worden war.1747) e) Die Formulierung „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, 2.1344 nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrags zur Verfügung gestellt wurde.“ genügt nicht. Der Fehler in der Belehrung über den maßgeblichen Fristbeginn liegt darin, dass der Belehrung nicht eindeutig i. S. d. Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB zu ___________ 1743) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 66/08, NJW 2010, 3566 = ZIP 2010, 2249 (§ 507 BGB); BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 19.7.2012 – III ZR 252/11, BGHZ 194, 150 = NJW 2012, 3428 (§ 312b BGB). 1744) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 26.5.2009 – VIII ZR 142/08, BeckRS 2009, 16010 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858 (§ 312b BGB). 1745) BGH, Urt. v. 11.2.2015 – IV ZR 311/13, NJW-RR 2015, 655. 1746) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734 (§ 312c BGB). 1747) BGH, Urt. v. 12.5.1998 – XI ZR 285/97, NJW 1998, 2438 = ZIP 1998, 1185 (§ 491 BGB); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

entnehmen ist, dass der Lauf der Widerrufsfrist erst beginnt, wenn der Verbraucher nicht nur die Belehrung ausgehändigt erhält, sondern auch im Besitz seiner eigenen Vertragserklärung ist. Die Formulierung lege das Verständnis nahe, die Widerrufsfrist beginne, unabhängig von der eigenen Willenserklärung (Annahme des Darlehensangebots) des Verbrauchers, schon einen Tag, nachdem ihm das mit der Widerrufsbelehrung versehene Darlehensangebot zugegangen sei.1748) 2.1345 f) Die Belehrung, die Widerrufsfrist beginne „einen Tag … nach Zugang des Antrags“, reicht unabhängig davon, ob der Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Vertragsteile als Präsenzgeschäft geschlossen wurde, nicht aus, weil der Darlehensnehmer darüber irren kann, dass es entscheidend auf die Abgabe seiner Willenserklärung ankommt.1749) 2.1346 Die Verständlichkeit soll nach einer Entscheidung des OLG Hamm durch die Formulierung „Der Lauf der Frist beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer die Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde oder der schriftliche Darlehensantrag zur Verfügung gestellt wurde.“ nicht gewahrt werden, weil danach der Fristbeginn vor der Vertragserklärung des Verbrauchers liegen könnte.1750) Dem ist das OLG Düsseldorf zu Recht entgegengetreten.1751) 2.1347 g) Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung. Aus den dargestellten Grundsätzen1752) folgt: 2.1348 aa) Annahmeerklärung durch den Unternehmer. Irreführend ist wenn die Formulierung der Belehrung nahe legt, der Beginn der Widerrufsfrist setzte die Annahme des Angebots des Verbrauchers durch den Unternehmer voraus.1753) 2.1349 bb) Vorherige Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers. Eine Belehrung des Inhalts, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, bevor die auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung vom Verbraucher abgegeben wird, erweckt den unzutreffenden Eindruck, dass die Belehrung auch vor Abgabe der Vertragserklärung erteilt werden kann.1754) 2.1350 h) Die Formulierung in einer notariellen Urkunde, der Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag werde „mit Abschluss dieses Vertrages“ verbindlich, ___________ 1748) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952, (§ 491 BGB). 1749) BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 = ZIP 2017, 809 (§ 491 BGB). 1750) OLG Hamm, Urt. v. 14.5.2009 – 4 U 16/09, NJW-RR 2010, 700 (§ 312c BGB). 1751) OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104 (§ 491 BGB). 1752) Siehe oben § 24 I 11 m. w. N. 1753) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052 (§ 312b BGB). 1754) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730 (§ 312b BGB). Eingehend Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1328 – 2.1333 m. w. N.

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IX. Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist

genügt den Anforderungen wohl nicht. Dies gilt erst recht dann, wenn die Belehrung zwei verschiedene Zeitpunkte für den Beginn der Widerrufsfrist nennt. Dann ist die Belehrung über den Fristbeginn widersprüchlich und irreführend. i) Missverständlich ist es, wenn ein Vertrag von mehreren Personen unter- 2.1351 schrieben wird und auf Grund der Formulierung („ab Unterzeichnung“) und der Positionierung der Unterschriftszeilen auf einem die Belehrung enthaltenen Formular für den einzelnen Verbraucher unklar bleibt, ob die Frist mit seiner Unterzeichnung, mit der Unterzeichnung durch den Vertragspartner, bereits mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung1755) oder mit der „Annahme durch die Beteiligungsgesellschaft“1756) zu laufen beginnt. j) Nicht hinreichend ist die Formulierung „Fristbeginn ab Eingang der Ver- 2.1352 tragsurkunde beim Unternehmer“.1757) Wenn in der Belehrung der Begriff „Vertragsurkunde“ verwendet wird, ist ein- 2.1353 deutig das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete schriftliche Original des Vertrags gemeint.1758) Deshalb ist es unschädlich, wenn in der Widerrufsbelehrung das Datum des Entwurfs des Vertrags, nicht aber das Datum des tatsächlichen Vertragsschlusses genannt ist.1759) k) Unterschriftenzeile. Wird nicht im Text, sondern erst in der Unterschrifts- 2.1354 zeile nach „Ort, Datum“ mit dem Zusatz: „Beginn der Widerrufsfrist“ auf diese hingewiesen, wird der irreführende Eindruck erweckt, die Frist beginne mit der Unterzeichnung und nicht erst mit der Aushändigung der Belehrung.1760) l) Widersprüchlich und fehlerhaft ist es, wenn hinsichtlich des Fristbeginns auf 2.1355 die Aushändigung der Vertragsurkunde respektive Genehmigung des Vertrages abgestellt wird.1761) Dies gilt insbesondere nach geltendem Recht (§ 356c Abs. 1 BGB, Art. 246 Abs. 3 EGBGB), weil danach die Widerrufsfrist beginnt, ohne dass dem Verbraucher die Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt worden sein muss. ___________ 1755) BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 224/04, NJW-RR 2005, 1217 = ZIP 2005, 1124. 1756) BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319 (§ 312b BGB). 1757) BGH, Urt. v. 18.4.2005 – II ZR 224/04, NJW-RR 2005, 1217 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 24.3.2009 – XI ZR 456/07, NJW-RR 2009, 1275 = ZIP 2009, 1054 (§ 312b BGB). 1758) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952 (§ 491 BGB). 1759) BGH, Beschl. v. 25.4.2017 – XI ZR 264/16, BeckRS 2017, 110560 (§ 491 BGB). 1760) BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319 (§ 312b BGB). 1761) BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319 (§ 312b BGB); OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525 (§ 491 BGB), rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087 (§ 491 BGB).

443

§ 24 Widerrufsbelehrung

2.1356 m) Mehrere widersprüchliche Widerrufsbelehrungen. Die Belehrung ist auch dann missverständlich, wenn mehrere widersprüchliche Belehrungen erteilt werden.1762) 6.

Konkretes Datum des Fristbeginns

2.1357 a) Grundsatz. Konkrete Kalenderdaten oder Wochentage des Fristbeginns brauchen nicht genannt zu werden, selbst wenn dies ausnahmsweise möglich ist.1763) Der genaue Zeitpunkt des Fristbeginns (0:00 Uhr am nachfolgenden Tag) muss sonach nicht genannt werden.1764) 2.1358 b) Einzelfälle. Unbedenklich ist, wenn in der Widerrufsbelehrung an zwei Stellen das Datum „8.8.1994“ genannt ist. Dadurch wird nicht der Eindruck erweckt, dass die Widerrufsfrist entgegen § 187 Abs. 1 BGB schon an diesem und nicht erst am darauf folgenden Tag zu laufen beginnt.1765) 7.

Grundsätze der Fristberechnung

2.1359 Über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben, ist nicht zusätzlich zu belehren. Insbesondere muss nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Widerrufsfrist erst einen Tag nach Erhalt der Unterlagen laufen beginnt.1766) 8.

Hinweis auf rechtzeitige Absendung

2.1360 a) Erforderlichkeit. Die Widerrufsbelehrung den Hinweis enthalten, dass zur Fristwahrung gem. § 355 Abs. 1 Satz 5 BGB die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung genügt (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 4 EGBGB).1767)

___________ 1762) BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319 (§ 312b BGB). 1763) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1764) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46 (nicht abgedruckt); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme. 1765) BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540. 1766) BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052; BGH, Urt. v. 11.2.2015 – IV ZR 311/13, NJW-RR 2015, 655; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2015 – 6 U 21/15, BeckRS 2015, 17268 zu § 187 Abs. 1 BGB. 1767) Vgl. aktuell Nr. 4 der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB.

444

IX. Dauer und Beginn der Widerrufs(-erklärungs-)frist

b) Ereignis. Die Belehrung muss das Ereignis, durch welches der Fristlauf in 2.1361 Gang gesetzt wird, eindeutig benennen,1768) damit der Verbraucher den Fristbeginn ermitteln kann.1769) c) Absendung. Zum Begriff der „Absendung“ in der Widerrufsbelehrung führt 2.1362 das LG Stuttgart1770) im Zusammenhang mit dem inhaltsgleichen Begriff des früheren § 2 Abs. 1 Satz 1 HWiG aus, dass dieser nicht durch das Wort „Einsendung“ ersetzt werden könne. c) Der bloße Hinweis, das Widerrufsschreiben sei „binnen Wochenfrist abzu- 2.1363 senden“, reicht nicht aus.1771) 9.

Widerrufsgrund

Hält sich die Widerrufsbelehrung an die gesetzlichen Vorgaben insbesondere 2.1364 dergestalt, dass der Widerruf auch „ohne Begründung“ ausgeübt werden kann, so wird dadurch nicht der Eindruck erweckt, es müsse sehr wohl ein Grund zum Widerruf genannt werden, dieser brauche nur nicht ausgeführt zu werden („Grund ohne Begründung“). Eine entsprechende Lesart ist abwegig und widerspricht dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Gesetzes.1772) 10.

Form der Widerrufserklärung

Die Anforderungen an die Ausübung des Widerrufsrechts wurden zum 13.6.2014 2.1365 dahingehend geändert, dass ein Widerruf nun nicht mehr in Textform erforderlich ist, sondern formfrei und damit auch mündlich erfolgen kann.1773) Weist die Widerrufsbelehrung für den Widerruf ein Schriftformerfordernis auf, ergänzt durch einen Klammerzusatz „(z. B. Brief, Fax, E-Mail)“, so entspricht dies nicht der Gesetzeslage (§ 355 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB). Die Widerrufsbelehrung ist zudem widersprüchlich und damit nicht deutlich i. S. d. Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB. Wird für den Widerruf eine bestimmte Form genannt, z. B. Fax, E-Mail oder Text- 2.1366 form, muss der entsprechende Begriff, z. B. Textform, nicht erläutert werden.1774) ___________ 1768) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1769) BGH, Urt. v. 24.3.2009 – XI ZR 456/07, NJW-RR 2009, 1275 = ZIP 2009, 1054. 1770) LG Stuttgart, Urt. v. 15.12.1994 – 16 S 233/94. 1771) BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138. 1772) OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 1773) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60. 1774) BGH, Urt. v. 10.6.2015 – IV ZR 105/13, BeckRS 2015, 11031, zu einer Widerrufsbelehrung nach § 5a VVG; OLG München, Urt. v. 22.6.2004 – 13 U 2315/04, NJW-RR 2005, 57.

445

§ 24 Widerrufsbelehrung

X.

Name und ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers

1.

Grundsatz

2.1367 Die Belehrung hat den Verbraucher darüber zu informieren, wem gegenüber und wie er seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung widerrufen kann (Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EGBGB). 2.

Widerrufsempfänger

2.1368 Widerrufsempfänger kann auch ein anderer als der im Verbrauchervertrag unmittelbar beteiligte Unternehmer sein.1775) Zu denken ist z. B. an verbundene Verträge i. S. d. § 358 BGB oder Pachtverträge mit Bezugsverpflichtung zugunsten eines Getränkelieferanten. Eine wesentliche Erschwerung für den Verbraucher, seinen Widerruf dem richtigen Adressaten zuzuleiten, wird dadurch nicht begründet. Es steht im betriebswirtschaftlichen Belieben des Unternehmers, wie er die Abwicklung organisiert und dabei die Empfangszuständigkeit für Widerrufe bestimmt. Der Privatautonomie sind bei dieser Bestimmung keine Grenzen gesetzt. Es können auch mehrere Erklärungsempfänger genannt werden. 3.

Name

2.1369 Ob die nach älterer Rechtsprechung noch zulässige Bezeichnung einer Brauerei mit „B.“1776) nach geltendem Recht noch zulässig wäre, erscheint zweifelhaft. Allerdings war in der Widerrufsbelehrung in Wirklichkeit die Brauerei konkret benannt gewesen. Lediglich aus Gründen der Neutralisierung (Schwärzung) war daraus „B.“ geworden. 4.

Ladungsfähige Anschrift

2.1370 a) Grundsatz. Die Widerrufsbelehrung muss gem. Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EGBGB die ladungsfähige Anschrift desjenigen enthalten, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist. Die Angabe der Anschrift des Widerrufsempfängers ist erforderlich, damit der Verbraucher, insbesondere wenn der am Vertrag beteiligte Unternehmer einen Dritten als Empfangsvertreter oder Empfangsboten benannt hat, keinem Zweifel unterliegt, an wen er den Widerruf zu richten hat.1777) 2.1371 Bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften erfordert die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift i. S. d. §§ 253 Abs. 2 Nr. 1, 130 Nr. 1 ZPO ___________ 1775) BGH, Urt. v. 14.6.1984 – III ZR 110/83, ZIP 1984, 932 = Zeller III, 67; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, BGHZ 131, 66 = NJW 1995, 3386 = ZIP 1995, 1808; BGH, Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 306/99, NJW 2002, 2391; BGH, Urt. v. 25.1.2012 – VIII ZR 95/11, NJW 2012, 1065. 1776) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71 = Zeller IV, 47. 1777) BGH, Urt. v. 25.1.2012 – VIII ZR 95/11, NJW 2012, 1065; BGH, Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 306/99, NJW 2002, 2391.

446

XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

an sich auch die Benennung einer vertretungsberechtigten Person. Im Hinblick auf den Zweck der Belehrung, es dem Verbraucher zu ermöglichen, sein Widerrufsrecht auszuüben, dürfte diese Angabe im Rahmen von Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EGBGB jedoch entbehrlich sein. b) Standort. Die ladungsfähige Anschrift muss vollständig in der Widerrufsbe- 2.1372 lehrung genannt werden. Dass sie an anderer Stelle des die Belehrung enthaltenden Vertragsformulars steht, genügt nicht.1778) c) Postfachanschrift. Die Angabe eines Postfachs genügt nicht, wie sich aus 2.1373 Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EGBGB ausdrücklich ergibt.1779) d) Telefonnummer. Die Angabe der Telefonnummer war nach früherem Recht 2.1374 irreführend.1780) Da der Widerruf nunmehr aber auch mündlich erklärt werden kann (arg. e § 355 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB), ist der Widerruf per Telefon nach neuem Recht zulässig. Die Telefonnummer, aber auch die Telefaxnummer oder die E-Mail-Adresse können zusätzlich angegeben werden (Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Der Hinweis auf die Telefonnummer ergibt sich allerdings nicht aus Art. 246 bzw. 246a EGBGB. XI.

Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

1.

Hintergrund

Die Verwendung einer an sich nicht erforderlichen Widerrufsbelehrung (Über- 2.1375 belehrung)1781) kann sowohl rechtliche als auch betriebswirtschaftliche Gründe haben. Rechtlich will der Verwender „auf der sicheren Seite“ sein. Betriebswirtschaftlich mag es sinnvoll erscheinen, auf die zeitaufwändige Prüfung des sachlichen und insbesondere des persönlichen Anwendungsbereichs des Verbraucherschutzrechts zu verzichten. 2.

Betroffenheit

Im Recht des Getränkelieferungsvertrages i. w. S. lässt sich eine vielfache Be- 2.1376 troffenheit feststellen. a) Getränkelieferungsverträge. Die Problematik stellt sich zum einen, wenn 2.1377 eine Widerrufsbelehrung im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen erteilt wird, ohne dass dem Belehrten nach den gesetzlichen Regelungen ein ___________ 1778) OLG Bamberg, Urt. v. 19.7.2000 – 3 U 205/99, BeckRS 2000, 14328; überholt OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71 = Zeller IV, 47. 1779) OLG Koblenz, Urt. v. 9.1.2006 – 12 U 740/04, NJW 2006, 919; OLG Saarbrücken, Urt. v. 12.8.2010 – 8 U 347/09, BeckRS 2010, 28227. 1780) Zur Altrechtslage vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1394 und 2.1466, jeweils m. w. N. 1781) Einführend Ebnet, NJW 2011, 1029.

447

§ 24 Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht zusteht.1782) Zwei Sachverhaltskonstellationen sind zu unterscheiden. Einerseits fehlt es am persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts bei Widerrufsbelehrungen von Gastwirten, die bereits Unternehmer sind oder als Existenzgründer über § 513 BGB nicht belehrungsbedürftig sind. Andererseits ist in diesem Zusammenhang an Getränkelieferungsverträge mit nicht betreibenden Hauseigentümern zu denken, bei denen die Unternehmereigenschaft zweifelhaft ist. Als ähnlicher Sachverhalt ist die Situation zu nennen, in denen Pacht- oder Mietverträge geschlossen werden und hinsichtlich des Abschlusses des Nutzungsvertrages eine Außer-GeschäftsraumSituation vorliegt. Allerdings bedarf es insofern im Regelfall keiner eingehenden Prüfung, weil die Annahme eines Verbrauchervertrages im Hinblick auf die vorherige Besichtigung ausgeschlossen ist (arg. § § 312 Abs. 4 Satz 2 BGB). 2.1378 b) Haftungserklärungen. Praktische Bedeutung erlangt das Problemfeld der nicht geschuldeten Belehrung zum anderen im Zusammenhang mit Haftungserklärungen von Drittsicherungsgebern, insbesondere bei Bürgschaften,1783) Schuldbeitritten1784) und Grundschuldbestellungen. Hier sieht sich der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer bzw. Kreditgeber aus Gründen der Vorsicht ggf. veranlasst, ohne nähere Prüfung der Voraussetzungen des § 312b BGB und/oder Finanzierungssituation (§§ 491 Abs. 1 – 3, 506, 507 BGB) vorsorglich eine Widerrufsbelehrung beizufügen. 3.

Fallgruppen

2.1379 Erstens sind Fälle zu nennen, in denen es am persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherschutzrechts fehlt, weil der Vertragspartner nicht Verbraucher oder Existenzgründer ist (§§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 14, 13, 513 BGB) oder erstere (§ 312 Abs. 1 BGB) bzw. die 75.000,00 €-Grenze des § 513 BGB über___________ 1782) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 115/81, NJW 1982, 2313 = ZIP 1982, 1212; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rechtskräftig durch Nichtannahmebeschl. des BGH vom 21.10.1992 – VIII ZR 223/81; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Naumburg, Urt. v. 8.1.2008 – 9 U 129/07; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1783) OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628 (Bürgschaft); OLG Naumburg, Urt. v. 8.1.2008 – 9 U 129/07 (Bürgschaft); OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1784) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 – 27 U 5/09, BeckRS 2009, 86422; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.9.2011 – 9 U 53/10, BeckRS 2011, 24261; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727.

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XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

schritten ist oder vorsorglich die Anwendbarkeit des § 312 BGB auf Existenzgründer angenommen wird (personal nicht geschuldete Belehrung).1785) Für eine zweite Fallgruppe ist typusbestimmend, dass die sachlichen Vorausset- 2.1380 zungen eines Widerrufsrechts nach dem Verbraucherschutzrecht nicht oder möglicherweise nicht gegeben sind (sachlich nicht geschuldete Belehrung).1786) Zu nennen sind insbesondere Widerrufsbelehrungen aus unternehmerischer Vorsicht im Zusammenhang mit Bürgschaften und Schuldbeitritten, bei denen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 312b BGB zweifelhaft sein könnte, notarielle Verträge mit Getränkebezugsverpflichtungen sowie Hauseigentümerbindungen ohne eigene Bezugsverpflichtung. Drittens treten Kombinationen der vorgenannten Fallgruppen auf.1787) 4.

2.1381

Rechtsnatur der Widerrufsbelehrung

a) Vertragsbestandteil. Widerrufsbelehrungen hinsichtlich einer Bezugsver- 2.1382 pflichtung sowie einer Bürgschafts- oder Schuldbeitrittserklärung zu einer Bezugsverpflichtung sind im Gegensatz zu der Widerrufsinformation hinsichtlich der Finanzierung (§ 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB) nicht Bestandteil der eigentlichen Vertragserklärungen und damit nicht Teil des Vertragsabschlusstatbestandes. Insofern fehlt es an der Äußerung eines rechtsgeschäftlichen Willens. Die jeweiligen Verträge kommen unabhängig von der Belehrung, wenn auch nur schwebend wirksam, zustande. b) Geschäftsähnliche Handlung. Bei der Belehrung handelt es sich entgegen 2.1383 einer vereinzelt vertretenen M. M.1788) nicht lediglich um eine geschäftsähnliche Handlung i. S. einer geschäftlichen Information ohne rechtliche Bedeutung. c) Wissenserklärung. In der Instanzrechtsprechung wurde teilweise die Mei- 2.1384 nung vertreten, eine vom Unternehmer rechtsirrtümlich oder auch vorsorglich erteilte Widerrufsbelehrung habe generell keine Rechtswirksamkeit. Möchte ___________ 1785) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Naumburg, Beschl. v. 24.10.2008 – 1 W 11/08, BeckRS 2008, 25865; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1786) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 115/81, NJW 1982, 2313 = ZIP 1982, 1212; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628; OLG Naumburg, Urt. v. 8.1.2008 – 9 U 129/07; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734; LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 O. 367/01. 1787) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422. 1788) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 116.

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§ 24 Widerrufsbelehrung

der Unternehmer nur seine vermeintliche Informationspflicht erfüllen, so liege keine Willenserklärung, sondern lediglich eine Wissenserklärung1789) vor bzw. eine Hinweis auf die Rechtslage.1790) Sie begründe weder ein Widerrufsrecht noch entfalte sie weitergehende Wirkungen. Die Mitteilung über ein gesetzliches Widerrufsrecht gehe ins Leere, wenn es ein solches nicht gibt. Belehre der Getränkelieferant über ein Widerrufsrecht, obwohl er dazu mangels gesetzlicher Vorgabe nicht verpflichtet ist, insbesondere der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts über § 513 BGB nicht eröffnet ist, so führe eine solche nicht geschuldete Belehrung über ein tatsächlich nicht bestehendes Recht nicht zu dessen Entstehung. Damit stehe dem Gastwirt weder ein gesetzliches noch ein vertragliches Widerrufsrecht zu.1791) 2.1385 d) AGB. Vorformulierte Widerrufsbelehrungen einschließlich darin enthaltener Fußnoten sind AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB.1792) Ein Verstoß gegen die §§ 307 – 309 BGB scheidet aus.1793) Daher spielen Umstände des Einzelfalls, etwa der Vertragsschluss im Prasenzgeschäft, bei der Bewertung der Widerrufsbelehrung keine Rolle.1794) Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen.1795) 5.

Vertragliche Begründung eines gesetzlich nicht vorgesehenen Widerrufsrechts

2.1386 a) Meinungsstand. aa) BGH-Rechtsprechung. Die BGH-Rechtsprechung bietet kein einheitliches Bild. Einerseits finden sich zur Frage der Möglichkeit einer ___________ 1789) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1790) LG Saarbrücken, Urt. v. 8.9.2017 – 1 O. 90/17, BeckRS 2017, 124317. 1791) OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998; LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 O. 367/01; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1792) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Beschl. v. 15.12.2009 – XI ZR 141/09, BeckRS 2010, 01712; BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 20.6.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 = ZIP 2017, 1755; OLG Schleswig, Urt. v. 24.5.2017 – 5 U 23/17, BeckRS 2017, 117184 (§ 491 BGB); LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 1793) LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 1794) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 (§ 491 BGB). 1795) LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 136004.

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XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

vertraglichen Einräumung eines Widerrrufsrechts zurückhaltende Entscheidungen. So hat der BGH offengelassen, ob die bei unklarer Rechtslage in einem Getränkelieferungsvertrag aufgenommene „Belehrung über das Widerrufsrecht“ als Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auszulegen sei.1796) In einer späteren Entscheidung nahm er dagegen ein vertragliches Rücktrittsrecht an.1797) Urteile aus den Jahren 2011 und 2012 lassen die Frage im Zusammenhang mit Schuldbeitrittserklärungen wieder offen. Eine Nachbelehrung im Rahmen eines Prolongationsangebots könne jedenfalls nach dem Grundsatz der objektiven Auslegung nicht so verstanden werden, dass dem Darlehensnehmer ohne jeden äußeren Anlass, quasi „aus heiterem Himmel“, ein neues selbstständiges Recht eingeräumt werde, sich voraussetzungslos aus dem laufenden Vertragsverhältnis zu lösen.1798) Andererseits hat der BGH auch keine Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Zulässigkeit der Vereinbarung vertraglicher Widerrufsrecht geäußert.1799) bb) Instanzrechtsprechung. Insbesondere die Instanzsrechtsprechung bejaht die 2.1387 Möglichkeit der Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts. Bei dem Hinweis auf das Widerrufsrecht handele es sich nicht lediglich um eine für den Vertragsinhalt bedeutungslose Belehrung. Der Vertragspartner dürfe annehmen, er schließe ein Geschäft ab, das er widerrufen kann. Dies unabhängig davon, ob der konkrete Vertrag nach den gesetzlichen Bestimmungen widerruflich ist. Zumeist wird er die gesetzlichen Widerrufsregeln gar nicht kennen, sodass er auch keinen Bezug zu diesen herstellen wird. Nach dem Empfängerhorizont werde somit mit einer – auch irrtümlichen – Widerrufsbelehrung ein vertragliches Rücktritts- oder Widerrufsrecht eingeräumt.1800) Allerdings dürften insbeson___________ 1796) BGH, Urt. v. 15.10.1980 – VIII ZR 192/79, BGHZ 78, 248 (insoweit nicht abgedruckt) = NJW 1981, 230 = ZIP 1980, 1094 = Zeller II, 68. 1797) BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 115/81, NJW 1982, 2313 = ZIP 1982, 1212. 1798) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122. 1799) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734; BGH, Beschl. v. 15.12.2009 – XI ZR 141/09, BeckRS 2010, 01712; BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt). 1800) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336 (AbzG); OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91; OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Naumburg, Urt. v. 8.1.2008 – 9 U 129/07, im konkreten Fall aber angenommen; OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 – 27 U 5/09, BeckRS 2009, 86422 (Schuldbeitritt); OLG Hamm, Urt. v. 4.2.2010 – 27 U 14/09; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt).

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§ 24 Widerrufsbelehrung

dere Unternehmer und damit (auch Minder-)Kaufleute im Sinne des HGB einen solchen Hinweis nach ihrem objektiven Erklärungshorizont häufig nicht als dahingehendes Angebot verstehen können.1801) Eine bereits im Rahmen des Vertragsschlusses durch Einbeziehung in die AGB des Verwenders erfolgte Belehrung gegenüber einem Verbraucher soll dieser, mangels Rechtskenntnis, regelmäßig als Vertragsangebot unter Einräumung eines Widerrufsrechts werten dürfen.1802) 2.1388 b) Stellungnahme. Aufgrund der Privatautonomie (Vertragsfreiheit) und der Regelung des § 346 Abs. 1 BGB, die ein einseitiges Recht zur Vertragsauflösung voraussetzt, bleibt es den Vertragsparteien unbenommen, ein Widerrufsrecht auch für nicht unter §§ 312b, 355 BGB fallende Rechtsgeschäfte vertraglich zu vereinbaren.1803) § 312g Abs. 2 Satz 1 vor Nr. 1 BGB stellt dies seit dem 13.6.2014 klar. 2.1389 Ob aber immer dann, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, aus der Erteilung einer Widerrufsbelehrung auf die Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts geschlossen werden kann, erscheint durchaus zweifelhaft. Dies insbesondere, wenn die Widerrufsbelehrung keine Beschränkung darauf enthält, dass sie nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen gelten soll.1804) Folge wäre, dass es auf die Voraussetzungen des gesetzlichen Widerrufsrechts nicht mehr ankäme und die betreffenden Vorschriften letztlich leerliefen. Ein solches Ergebnis dürfte mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen des Widerrufsrechts, die an bestimmte tatbestandliche Merkmale anknüpfen, zumindest Bedenken begegnen.1805)

___________ 1801) OLG München, Urt. v. 28.6.2001 – 24 U 129/00, BeckRS 2011, 06628. 1802) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2011 – 9 U 43/10, BeckRS 2011, 16037 = ZIP 2011, 2016; der BGH lässt insofern offen, BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt). A. A. OLG Schleswig, Urt. v. 24.5.2017 – 5 U 23/17, BeckRS 2017, 117184 (§ 491 BGB). 1803) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (Schuldbeitritt); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1804) Zu dieser Problematik BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 115/81, NJW 1982, 2313, insoweit in BGHZ 78, 248 nicht abgedruck; BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt) lässt offen; OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 – 27 U 5/09, BeckRS 2009, 86422 (Schuldbeitritt). 1805) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt).

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XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

c) Zwischenergebnis. Beschränkt sich das Handeln des Unternehmers auf die 2.1390 Erteilung einer Widerrufsbelehrung nach Vorgaben des Gesetzes, z. B. einer Musterbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB oder nach Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, so ist im Allgemeinen vorbehaltlich besonderer Umstände im konkreten Einzelfall nicht von der Begründung eines vertraglichen Widerrufsrechts auszugehen. Vielmehr soll auch nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont des Gegenübers die Erklärung nur für den Fall Bedeutung haben, dass ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht, nicht aber die Einräumung eines rechtsgeschäftlichen Widerrufsrechts darstellen.1806) 6.

Annahme eines vertraglich begründeten Widerrufsrechts

a) Grundlagen. aa) Es gilt der Grundsatz der objektiven Auslegung. Die Vor- 2.1391 schriften der §§ 133, 157 BGB gelten damit nicht. Auszugehen ist von den Interessen, Vorstellungen und Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden. Dabei ist zu fragen, wie die Regelung von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden kann. Außer Betracht zu bleiben haben dabei Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend und nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen sind.1807) bb) Unklarheiten. Ist die Widerrufsbelehrung – wie zumeist – als Allgemeine 2.1392 Geschäftsbedingung des Unternehmers einzuordnen,1808) kann die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu beachten sein.1809) Ist etwa streitig, ob sich die Widerrufsbelehrung auch auf die streitgegenständliche Verpflichtungserklärung

___________ 1806) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 233/10, BeckRS 2012, 17066 (Schuldbeitritt). 1807) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1808) Siehe oben § 24 XI 4 d m. w. N. 1809) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Beschl. v. 15.12.2009 – XI ZR 141/09, BeckRS 2010, 01712; BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 28.5.2013 – XI ZR 6/12, BeckRS 2013, 11011 = ZIP 2013, 1372 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417 (§ 491 BGB); OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734; OLG Schleswig, Urt. v. 24.5.2017 – 5 U 23/17, BeckRS 2017, 117184 (§ 491 BGB).

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§ 24 Widerrufsbelehrung

erstreckt, so ist damit bei fortbestehenden Zweifeln im Zweifel ein Widerrufsrecht eingeräumt.1810) 2.1393 b) Konsequenzen. aa) Erstbelehrung. Insbesondere das Erklärungsbewusstsein bedarf einer besonderen Prüfung.1811) Ist dies nach Lage des Einzelfalls ausnahmsweise anders und damit die nicht gebotene Widerrufsbelehrung vom rechtsgeschäftlichen Willen des Unternehmers umfasst, sodass er seinem Vertragspartner ein vertragliches Widerrufsrecht anbieten wollte, so muss dieses noch angenommen werden, jedenfalls nach § 151 BGB. 2.1394 bb) Nachträgliche Belehrung. Eine nach Vertragsschluss erfolgte Belehrung über ein nicht bestehendes gesetzliches Widerrufsrecht begründet im Regelfall kein vertragliches Widerrufsrecht, weil diese aus Sicht der anderen Vertragspartei, selbst eines Verbrauchers, offensichtlich nur der (verspäteten) Erfüllung einer vermeintlichen gesetzlichen Pflicht dient.1812) Es fehlt dann in der Regel sowohl am Geschäftswillen als auch am (potentiellen) Bewusstsein, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben zu wollen (Erklärungsbewusstsein) und damit bereits an der erforderlichen Willenserklärung des Unternehmers. Mit der nachträglichen Zusendung einer objektiv nicht gebotenen Widerrufsbelehrung wird daher im Regel- und Zweifelsfall kein vertragliches Widerrufsrecht begründet.1813) 7.

Vorbehalt der personalen Anwendbarkeit

2.1395 a) Einführung. Um sicher zu gehen, dass keine Nichtverbraucher/-existenzgründer begünstigt werden, nimmt der Unternehmer gelegentlich in den Text der Widerrufsbelehrung oder auch in den Vertragstext einschließlich der AGB einen Hinweis auf, dass nur Verbrauchern bzw. Existenzgründern ein Widerrufsrecht zusteht (eingeräumt werden soll). Die belehrende Vertragspartei versucht dadurch das Risiko einer dahingehenden Fehldeutung ihrer Erklärung zu mi___________ 1810) OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). 1811) Verneinend OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1812) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt). 1813) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491; BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336 (AbzG); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Naumburg, Urt. v. 8.1.2008 – 9 U 129/07, im konkreten Fall aber angenommen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734; LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 O. 367/01.

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XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

nimieren, dass sie die Belehrung auf Verbraucher-/Existenzgründergeschäfte beschränkt. Ist der Vertragspartner weder Verbraucher (§ 13 BGB) noch Existenzgründer (§ 513 BGB), sondern Unternehmer (§ 14 BGB), handelt es sich um die Fallgruppe der personal nicht geschuldeten Belehrung.1814) b) Zulässigkeit. In diesem Fall darf der entsprechende Hinweis wegen der 2.1396 strengen formellen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung allerdings nicht Teil der eigentlichen Belehrungsformel sein. Eine der Belehrungsformel vorangestellte Einleitung „Verbraucher haben das folgende Widerspruchsrecht“ genügt hingegen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung.1815) Enthält eine Widerrufsbelehrung den einleitenden Satz “Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht …“, so enthält die Überschrift keine Abänderung von etwaigen gesetzlichen Mustern, weil sie sich außerhalb des eigentlichen Textes der Belehrung befindet. Die Überschrift ist nicht Teil der Widerrufsbelehrung selbst. Die Widerrufsbelehrung wird auch nicht dadurch unklar oder unverständlich, dass der Vertragspartner auf den persönlichen Geltungsbereich des Widerrufsrechts hingewiesen wird. Für einen Hinweis auf den persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechts gilt das Deutlichkeitsgebot des Art. 246 Abs. 3 Satz 2 EGBGB nicht. Dieses bezieht sich nach dem Wortlaut und nach Sinn und Zweck nur auf die eigentliche Widerrufsbelehrung und nicht darauf, wem ein Widerrufsrecht zusteht. Der Unternehmer hat auch nicht dafür einzustehen, dass ein Verbraucher sich irrtümlich nicht für einen Verbraucher und damit für nicht widerrufsberechtigt hält. Der Verbraucher muss die Belehrung ohne Weiteres und ohne Behinderung zur Kenntnis nehmen können. Wie er sie interpretiert und ob er sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmers. Der Unternehmer braucht nicht zu prüfen, ob die Adressaten der Widerrufsbelehrung Verbraucher oder Unternehmer sind.1816) 8.

Vorbehalt der Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs

a) Grundlagen. Die Vertragsparteien können auch ein Widerrufsrecht nach den 2.1397 für das gesetzliche Widerrufsrecht geltenden Vorschriften vereinbaren.1817) Soll das vertraglich eingeräumte Widerrufsrecht nur dann gelten, wenn auch der sachliche Anwendungsbereich des Verbraucherschutzrechts eröffnet ist, so bedarf es

___________ 1814) Siehe oben § 24 XI 3 m. w. N. 1815) OLG Hamburg, Urt. v. 3.6.2010 – 3 U 125/09, BeckRS 2010, 26142. 1816) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 (§ 312c BGB). Siehe oben § 24 VI 3 m. w. N. 1817) OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 – 27 U 5/09, BeckRS 2009, 86422 (Schuldbeitritt); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2011 – 9 U 43/10, BeckRS 2011, 16037 = ZIP 2011, 2016; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt).

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§ 24 Widerrufsbelehrung

einer eindeutigen Regelung in diesem Sinne. Anderenfalls ist dem Verbraucher ein uneingeschränktes, voraussetzungsloses Widerrufsrecht eingeräumt worden.1818) 2.1398 b) Normennennung. Umstritten ist, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ggf. einzelne Rechtsvorschriften genannt oder auch nur allgemein auf Regelungen des aktuell oder früher geltenden Rechts hingewiesen wird; ggf. unter Verweis auf nicht mehr geltende Gesetze (AbzG, VerbrKrG), ggf. unter konkreter Inbezugnahme einzelner Bestimmungen dieser Gesetze.1819) 2.1399 Zunächst zu nennen ist der Ansatz, die Inbezugnahme des nicht mehr geltenden AbzG mache die Widerrufsbelehrung fehlerhaft.1820) Nach überwiegend vertretener Auffassung ist auch die Vereinbarung eines Widerrufsrechts nach den für das gesetzliche Widerrufsrecht geltenden Vorschriften möglich; dies sei aber nicht generell anzunehmen.1821) Verweise die Widerrufsbelehrung etwa auf die Vorschriften der §§ 312d, 355 Abs. 3 BGB a. F., so sei davon auszugehen, dass ein Widerrufsrecht nur dann eingeräumt werden solle, wenn sich ein solches nach den gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass ein darüber hinausgehendes vertragliches Widerrufsrecht, unabhängig von dem Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, vereinbart werden solle. Der Verbraucher messe der Nennung von Normen keine nähere Bedeutung bei. Bei den Erklärungen handele es sich lediglich um reine Wissenserklärungen ohne rechtsgeschäftlichen Gehalt. Auch der Erklärungsempfänger könne dies nicht anders verstehen. Die vorsorglich erteilte Widerrufsbelehrung stehe also unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit derselben und begründe damit kein rechtsgeschäftliches Widerrufsrecht.1822) Der Hinweis in der Überschrift, dass die Widerrufsbelehrung „für Haustürgeschäfte“ gelte, ___________ 1818) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066; OLG Köln, Urt. v. 22.7.2009 – 27 U 5/09, BeckRS 2009, 86422 (Schuldbeitritt); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.9.2011 – 9 U 53/10, BeckRS 2011, 24261 (Schuldbeitritt); OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). 1819) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734; LG Berlin, Urt. v. 9.12.1993 – 58 S 99/93, NJW-RR 1994, 692. Siehe oben § 24 VI 6 m. w. N. 1820) BGH, Urt. v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401 = ZIP 2007, 1200. 1821) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.12.2009 – 23 U 16/08, BeckRS 2010, 01864, als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). Vgl. im Übrigen OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91; Vorinstanz zu BGHZ 119, 283, wo allerdings zu dem Problem nicht Stellung genommen worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1822) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734.

456

XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

reicht somit zur Unterstellung unter die entsprechenden Rechtsvorschriften nicht aus.1823) 9.

Geltung des Regelungsregimes der §§ 355 – 357c BGB

a) Aktuelle Rechtsprechung. aa) Auslegung. Nach übereinstimmenden Urtei- 2.1400 len des BGH vom 22.5.2012 bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass bei Fehlen der Voraussetzungen eines gesetzlichen Widerrufsrechts, die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer dem Verbraucher zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht. Für die Annahme, dass der Fristbeginn auch im Falle eines möglicherweise vereinbarten vertraglichen Widerrufsrechts von einer den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht genügenden Belehrung abhängig sein soll, reicht es nicht aus, dass sich der Unternehmer bei der Formulierung der Widerrufsbelehrung an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat und im Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechts mit der Belehrung die gesetzlichen Anforderungen erfüllen wollte. Vielmehr bedarf es einer entsprechenden Parteivereinbarung.1824) Wird dem Vertragspartner vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt, das ihm nach dem Gesetz nicht zusteht, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass sich die Vertragspartner gleichwohl in einer solchen Situation begegnen. Sie sind vielmehr grundsätzlich als vom Gesetz gleichgewichtig eingeschätzte Vertragspartner anzusehen. Dann bestimmt sich der Inhalt des Widerrufsrechts aber auch ausschließlich durch Auslegung ihrer vertraglichen Vereinbarung.1825) Ob konkrete Anhaltspunkte in der getroffenen Vereinbarung vorliegen, dass 2.1401 zwar das Widerrufsrecht als solches von den gesetzlichen Voraussetzungen unabhängig sein soll, gleichwohl aber die für die Ausübung des Widerrufsrechts vereinbarte Frist nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer eine Widerrufsbelehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entsprechen, bedarf besonderer Feststellung. Ein vernünftiger ___________ 1823) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.12.2009 – 23 U 16/08, BeckRS 2010, 01864, als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). 1824) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); a. A. die nachfolgende Entscheidung des OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998 (Bürgschaft und § 312b BGB), allerdings wohl ohne Problembewusstsein. Zur älteren Rechtsprechung wird verwiesen auf Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014 Rz. 2.1271 – 2.1274 m. w. N. 1825) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.11.2012 – II ZR 176/12, BeckRS 2012, 04615; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (Schuldbeitritt).

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§ 24 Widerrufsbelehrung

Empfänger der Widerrufsbelehrung kann den Formulierungen der Widerrufsbelehrung zumeist nicht entnehmen, dass ihm der Unternehmer für den Fall, dass ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, vertraglich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräumen wollte. Für die gegenteilige Auslegung reicht es nicht aus, dass sich der Unternehmer bei den Formulierungen an den Vorgaben des gesetzlichen Widerrufsrechts orientiert hat. Dies ist ersichtlich lediglich dem Umstand geschuldet, dass die Widerrufsbelehrung für den Fall des Eingreifens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Belehrung in das Formular aufgenommen wurde, und besagt deshalb nichts für einen Willen des Unternehmers, nicht bestehende Belehrungspflichten übernehmen und erfüllen zu wollen. Ebenso folgt aus der Tatsache, dass der Unternehmer selbstverständlich beabsichtigte, im Falle des Eingreifens eines gesetzlichen Widerrufsrechts mit der Belehrung die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Anhaltspunkt dafür, dass er sein (möglicherweise vertragliches) Widerrufsrecht unter anderen als den formulierten Voraussetzungen werde ausüben können.1826) 2.1402 bb) Ausnahme. Anders war dagegen zu entscheiden, wenn es sich um eine nachträgliche Belehrung i. S. v. § 355 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BGB a. F. handelte. Ließ die Auslegung eine entsprechende Auslegung zu, so musste den gesetzlichen Anforderungen genügt werden.1827) 2.1403 b) Stellungnahme. Der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist zuzustimmen. Aufgrund der Vertragsfreiheit können die Vertragspartner zunächst ein Widerrufsrecht für Situationen vertraglich vereinbaren, in denen kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht. § 312g Abs. 2 Satz 1 vor Nr. 1 BGB macht dies mit der Formulierung „soweit die Parteien nicht anderes vereinbart haben“ deutlich. Voraussetzung ist ein entsprechender rechtgeschäftlicher Wille der Parteien, der ggf. nach den §§ 133, 157 BGB festzustellen ist (erste Auslegung).1828) Dann und erst dann bedarf es der Prüfung, ob das vertraglich vereinbarte Widerrufsrecht in Voraussetzungen und Rechtsfolgen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen soll oder diese ganz oder teilweise gelten sollen (zweite Auslegung).1829) ___________ 1826) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt). 1827) BGH, Beschl. v. 15.2.2011 – XI ZR 148/10, BeckRS 2011, 06776. 1828) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt). 1829) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066 = ZIP 2012, 262 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 442/10, BeckRS 2012, 03073 (Schuldbeitritt); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734.

458

XI. Nicht geschuldete Widerrufsbelehrung

Liegt ein gesetzlicher Belehrungsfall vor, so hat die Belehrung den gesetzlichen 2.1404 Vorgaben zu genügen.1830) Daraus folgt im Gegenschluss, dass im Übrigen der Geltungsbereich des Verbraucherschutzrechts nicht eröffnet ist. d) Konsequenzen. Folglich gelten beispielsweise für den Fristablauf des ver- 2.1405 traglichen Widerrufsrechts die vereinbarten Widerrufsbedingungen und nicht die strengeren formellen Voraussetzungen des Art. 246 Abs. 3 EGBGB. Anders ist nur für den Fall zu entscheiden, dass die Modalitäten für die Ausübung des Widerrufs und die Rechtsfolgen des Widerrufs in der Belehrung nicht konkretisiert sind oder nur auf gesetzliche Vorschriften verwiesen wird; dann bestimmen sich diese nach den gesetzlichen Regelungen für dasjenige Widerrufsrecht, von dessen Bestehen bei der Belehrung ausgegangen wurde bzw. welches am ehesten in Betracht zu ziehen war.1831) 10.

Anwendbarkeit weiterer Verbraucherschutzvorschriften

Ob mit der vertraglichen Einräumung eines Widerrufsrechts die Geltung einiger 2.1406 oder gar sämtlicher den Verbraucher schützenden Rechtsnormen der §§ 491 – 513 BGB, etwa Schriftform, Pflichtangaben oder Kündigungsvorschriften, verbunden ist,1832) erscheint fern liegend. Im Regelfall dürfte sich ein entsprechender Rechtsfolgenwille nicht ermitteln lassen.1833) Zwar können die Parteien die Ausübung eines vertraglich eingeräumten Widerrufsrechts an die Vorschriften des gesetzlichen Widerrufsrechts binden, insbesondere den Fristbeginn von einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung abhängig machen. Zu denken ist an den Fall, dass die Parteien vereinbaren, dass das Widerrufsrecht „nach den gesetzlichen Vorgaben“ bestehen soll.1834) Fehlt es allerdings an konkreten Anhaltspunkten dafür, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das gesetzliche Regelwerk zu berücksichtigen sei. Dann markiert die – wenn auch insuffiziente – Widerrufsbelehrung den Fristbeginn.1835)

___________ 1830) BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1831) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122; OLG Hamm, Urt. v. 4.2.2010 – 27 U 14/09, BeckRS 2010, 13096; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2011 – 9 U 43/10, BeckRS 2011, 16037 = ZIP 2011, 2016; OLG Brandenburg, Urt. v. 6.4.2011 – 7 U 137/10, BeckRS 2011, 08302. 1832) So LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 1833) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491. 1834) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.5.2011 – 9 U 43/10, BeckRS 2011, 16037 = ZIP 2011, 2016. 1835) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 = ZIP 2012, 1509 (Schuldbeitritt). Siehe oben § 24 XI 9 m. w. N.

459

§ 24 Widerrufsbelehrung

2.1407 Ein Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben im Übrigen kann ebenfalls nicht festgestellt werden, sodass eine Nichtigkeit nach § 494 Abs. 1 BGB ausscheidet.1836) Tragfähige Differenzierungsgründe zwischen den Fallgruppen insbesondere der Entbehrlichkeit einer Widerrufsbelehrung aus persönlichen oder sachlichen Gründen sind nicht ersichtlich. Eine Kompensation des Fehlers beim Inhalt der Belehrung durch die Einräumung eines Widerrufsrechts scheidet zwar aus.1837) Dies kann aber nur in den Fällen gesetzlich geforderter Widerrufsbelehrungen gelten. Somit bleibt die nicht geschuldete Belehrung auch dann folgenlos, wenn sie den Inhaltsanforderungen der gesetzlichen Vorgaben nicht entspricht. 11.

Rückdatierung

2.1408 Auf ein vertragliches Widerrufsrecht kann sich der Gastwirt nur stützen, wenn ihm ein solches eingeräumt worden ist. Rückdatierungen dienen in diesem Zusammenhang gerade umgekehrt dazu, ein etwa gegebenes gesetzliches Widerrufsrecht auszuschließen. Ob das gesetzliche Widerrufsrecht durch eine Rückdatierung umgangen (§ 512 Satz 2 BGB) werden kann, ist letztlich unerheblich, wenn ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht gegeben ist. Entscheidend ist allein, dass der gemeinsame, von den Vertragsparteien erklärte Wille, ein vermeintliches gesetzliches Widerrufsrecht nicht wirksam werden zu lassen, ausschließt, dass dem Gastwirt ein vertragliches Recht zum Widerruf eingeräumt worden ist. In dieser Fallkonstellation kann nicht ein vertragliches Widerrufsrecht angenommen werden.1838) 12.

Widerrufsfrist

2.1409 Soll die Frist für die Ausübung des gesetzlichen Widerrufsrechts erst beginnen, nachdem dem Kunden ein Exemplar der Widerrufsbelehrung und eine Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde, beginnt sie auch im Falle eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts erst, wenn dem Kunden die maßgeblichen Unterlagen zum dauerhaften Verbleib ausgehändigt wurden.1839) Zu diesen Fragen des Anlaufens der Widerrufsfrist bei Vereinbarung gesetzlich nicht vorgeschriebener Pflichtangaben kann verwiesen werden.1840)

___________ 1836) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491. 1837) So zutreffend Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 511 Rz. 3. 1838) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336 (AbzG). 1839) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (Bürgschaft), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1840) Siehe unten § 43 IV 5 c und § 48 V 5 b, jeweils m. w. N.

460

I. Widerrufsrecht

13.

Praxishinweis

Selbst wenn dem Gastwirt vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt worden 2.1410 sein sollte, müsste dieses innerhalb der in der Widerrufsbelehrung genannten Frist aus geübt werden. Jedenfalls daran wird es zumeist fehlen.1841) § 25 Widerruf I.

Widerrufsrecht

1.

Grundsatz

Die Blankettnorm des § 355 BGB begründet ebenso wie Art. 246 Abs. 3 EGBGB 2.1411 kein Widerrufsrecht, sondern setzt ein solches voraus. Die Funktion des § 355 BGB beschränkt sich darauf, einheitliche Grundsätze für die Ausübung und die Rechtsfolgen eines Widerrufsrechts nach § 355 BGB aufzustellen. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten das Wie des Widerrufs, den rechtlichen Rahmen und seine Rechtsfolgen. 2.

Bedeutung des § 510 Abs. 2 BGB

Für Getränkelieferungsverträge mit Verbrauchern und Existenzgründern sieht 2.1412 § 510 Abs. 2 BGB unabhängig von der Vertriebsform ein unionsrechtlich nicht gefordertes Widerrufsrecht vor. Die Vorschrift war aus Gründen der Richtlinienkonformität erforderlich, denn sowohl Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, als auch Fernabsatzverträge fallen unter die voll zu harmonisierende Verbraucherrechterichtlinie (Art. 4 Richtlinie 2011/83/EU). Eigenständige nationale Regelungen sind insoweit nicht mehr zulässig. Insoweit gelten die allgemeinen Regelungen.1842) Ratenlieferungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b BGB) oder im Fernabsatz (§ 312c BGB) geschlossen werden, sind daher vom Anwendungsbereich des § 510 Abs. 2 BGB ausgenommen. Das Widerrufsrecht folgt dann allein aus der Spezialvorschrift des § 312g BGB. Das Widerrufsrecht nach § 510 Abs. 2 BGB ist somit in den vorgenannten Vertragsabschlusssituationen anders als nach der bis zum 20.3.2016 subsidiär zu dem Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB. Dies auch dann, wenn ein Widerrufsrecht wegen § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.

___________ 1841) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); OLG Naumburg, Beschl. v. 24.10.2008 – 1 W 11/08, BeckRS 2008, 25865; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). 1842) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 71.

461

I. Widerrufsrecht

13.

Praxishinweis

Selbst wenn dem Gastwirt vertraglich ein Widerrufsrecht eingeräumt worden 2.1410 sein sollte, müsste dieses innerhalb der in der Widerrufsbelehrung genannten Frist aus geübt werden. Jedenfalls daran wird es zumeist fehlen.1841) § 25 Widerruf I.

Widerrufsrecht

1.

Grundsatz

Die Blankettnorm des § 355 BGB begründet ebenso wie Art. 246 Abs. 3 EGBGB 2.1411 kein Widerrufsrecht, sondern setzt ein solches voraus. Die Funktion des § 355 BGB beschränkt sich darauf, einheitliche Grundsätze für die Ausübung und die Rechtsfolgen eines Widerrufsrechts nach § 355 BGB aufzustellen. Die Vorschrift regelt mit anderen Worten das Wie des Widerrufs, den rechtlichen Rahmen und seine Rechtsfolgen. 2.

Bedeutung des § 510 Abs. 2 BGB

Für Getränkelieferungsverträge mit Verbrauchern und Existenzgründern sieht 2.1412 § 510 Abs. 2 BGB unabhängig von der Vertriebsform ein unionsrechtlich nicht gefordertes Widerrufsrecht vor. Die Vorschrift war aus Gründen der Richtlinienkonformität erforderlich, denn sowohl Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, als auch Fernabsatzverträge fallen unter die voll zu harmonisierende Verbraucherrechterichtlinie (Art. 4 Richtlinie 2011/83/EU). Eigenständige nationale Regelungen sind insoweit nicht mehr zulässig. Insoweit gelten die allgemeinen Regelungen.1842) Ratenlieferungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b BGB) oder im Fernabsatz (§ 312c BGB) geschlossen werden, sind daher vom Anwendungsbereich des § 510 Abs. 2 BGB ausgenommen. Das Widerrufsrecht folgt dann allein aus der Spezialvorschrift des § 312g BGB. Das Widerrufsrecht nach § 510 Abs. 2 BGB ist somit in den vorgenannten Vertragsabschlusssituationen anders als nach der bis zum 20.3.2016 subsidiär zu dem Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB. Dies auch dann, wenn ein Widerrufsrecht wegen § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.

___________ 1841) BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (Schuldbeitritt); BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122 (Schuldbeitritt); OLG Naumburg, Beschl. v. 24.10.2008 – 1 W 11/08, BeckRS 2008, 25865; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727 (Schuldbeitritt). 1842) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 71.

461

§ 25 Widerruf

3.

Fallgruppen

2.1413 a) Stationärer Handel. In der Regel werden Getränkelieferungsverträge im stationären Handel geschlossen. Für diese Situation gelten die §§ 356c, 357c BGB. Die Vorschriften regeln ausweislich ihrer Überschriften den Widerruf und die Rechtsfolgen des Widerrufs bei weder im Fernabsatz noch außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Ratenlieferungsverträgen. Sie beziehen sich auf das Widerrufsrecht aus § 510 Abs. 2 BGB und damit auf Vertragsschlüsse im stationären Handel.1843) 2.1414 b) Direktgeschäft. Das Widerrufsrecht für Verträge im Direktgeschäft folgt aktuell nicht mehr aus § 510 BGB. Es ergibt sich für Ratenlieferungsverträge, die insbeondere in der Situation des § 312b BGB geschlossen wurden (§ 312g Abs. 3 BGB) aus §§ 312g Abs. 1, 356 BGB.1844) Anders als nach bisherigem Recht besteht also kein Konkurrenzverhältnis mehr zwischen dem Widerrufsrecht bei einem im Direktvertrieb geschlossenen Vertrag und dem Widerrufsrecht bei einem Ratenlieferungsvertrag. Möglicherweise handelt es sich bei der Regelung des § 312g Abs. 3 BGB (Verweisung auf § 510 BGB), die einen Vorrang dieses Widerrufsrechts festlegt, vor dem Hintergrund der Regelung des § 510 Abs. 2 BGB, die umgekehrt dem Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB in seinem Anwendungsbereich den Vorrang einräumt, um ein gesetzgeberisches Versehen. 4.

Verzicht

2.1415 Ist dem Verbraucher eine ordnungsgemäße Belehrung auf sein Widerrufsrecht erteilt worden, kann er auf sein Widerrufsrecht nicht verzichten.1845) II.

Verhältnis zu anderen Vorschriften

1.

Verbraucherdarlehen oder entgeltliche Finanzierungshilfen

2.1416 Wenn ein Ratenlieferungsvertrag gleichzeitig ein Verbraucherdarlehen (§ 491 BGB) oder eine entgeltliche Finanzierungshilfe (§§ 507, 506 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB) enthält, dann bestehen idealkonkurrierende Widerrufsrechte.1846) 2.

Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe

2.1417 Das Widerrufsrecht des Verbrauchers besteht grundsätzlich auch bei einem unwirksamen bzw. vernichtbaren Vertrag (Wahlrecht).1847) Nach h. M. kann ___________ 1843) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 62. 1844) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 71. Siehe unten § 26 VIII 1 m. w. N. 1845) Siehe oben § 24 I 9 a m. w. N. 1846) BGH, Urt. v. 22.12.2005 – VII ZR 183/04, BGHZ 165, 325 = NJW 2006, 904; LG Mannheim, Urt. v. 28.7.1995 – 1 S 112/95, NJW-RR 1996, 118. 1847) BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 = NJW 2010, 610 = ZIP 2010, 136.

462

II. Verhältnis zu anderen Vorschriften

ein wegen Verstoßes gegen eine Verbotsnorm (§ 134 BGB) oder infolge von Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) nichtiger Verbrauchervertrag vom Verbraucher nach § 355 BGB dennoch widerrufen werden. Begründet wird dies mit dem Schutzzweck des Widerrufsrechts, welcher nicht ausreichend Berücksichtigung fände, wenn die Rückabwicklung verwährt bliebe. Sinn des Widerrufsrechts nach Verbraucherschutzrecht ist es gerade, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben,1848) das neben den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt. Damit hat der Verbraucher auch die Möglichkeit, die gegenüber einer kondiktionsrechtlichen Rückabwicklung günstigeren Rechtsfolgen nach Widerrufsrecht zu wählen. Zudem stimmt diese Auffassung mit der Lehre von der Doppelwirkung im Recht überein, wonach bei unterschiedlichen Nichtigkeits- bzw. Vernichtbarkeitsgründen auf beide oder nach Wahl des Rechtsausübungsberechtigten auch nur auf einen abgestellt werden kann. Für den Widerruf eines nichtigen Vertrages gilt unter dogmatischen Gesichtspunkten nichts anderes als auch für dessen Anfechtung.1849) Ergibt sich aus dem Vorbringen des Verbrauchers nicht eindeutig, auf welches 2.1418 Lösungsrecht er sich stützt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass er den für ihn günstigeren Rechtsbehelf wählt. Dies dürfte regelmäßig das Widerrufsrecht sein. Allerdings setzt das Eindeutigkeitspostulat des § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB Grenzen. 3.

Kündigung und Aufhebung

Zweck des Widerrufsrechts ist es, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, 2.1419 sich von dem geschlossenen Vertrag auf einfache Weise durch Widerruf zu lösen, ohne die mit sonstigen Nichtigkeits- oder Beendigungsgründen verbundenen, ggf. weniger günstigen Rechtswirkungen in Kauf nehmen zu müssen. Deshalb kann der Verbraucher seine auf Abschluss eines Verbrauchervertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, auch wenn der Vertrag zuvor gekündigt wurde.1850) Gleiches gilt, wenn die Parteien den Vertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts einvernehmlich beendet haben, ohne sich zugleich über das Widerrufsrecht zu vergleichen.1851) ___________ 1848) BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB). 1849) BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 = NJW 2010, 610 = ZIP 2010, 136. 1850) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 (§ 491 BGB). 1851) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 (§ 491 BGB).

463

§ 25 Widerruf

III.

Widerrufsberechtigter

1.

Vertragspartnerschaft

2.1420 Das Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen ist. Dieses Bedürfnis besteht ohne Rücksicht darauf, ob der Verbraucher allein oder mit anderen Verbrauchern einen Verbrauchervertrag schließt. Dass sich der Widerruf eines Verbrauchers auf den Bestand des Verbrauchervertrags auch im Verhältnis zu anderen auf seiner Seite kontrahierenden Verbrauchern auswirken kann, steht dem nicht entgegen. Denn der Übereilungsschutz jedes einzelnen Verbrauchers überwiegt das Interesse aller anderen am Fortbestand des Verbrauchervertrags. Dass Gegenstand eines Verbrauchervertrags eine unteilbare Leistung ist, führt in Fällen, in denen Vertragspartner eines Unternehmers neben einem Verbraucher ein weiterer Unternehmer ist, nicht dazu, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers ausgeschlossen ist. In solchen Fällen kann der Verbraucher seine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung widerrufen, obwohl dem weiteren Vertragspartner ein Widerrufsrecht nicht zusteht. Aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergibt sich nichts anderes, wenn Mitvertragspartner nicht Unternehmer, sondern ein zweiter Verbraucher ist. Bei Vertragspartnerschaft hat damit jeder Vertragspartner ein eigenständiges Widerrufsrecht (isoliertes Widerrufsrecht, Rechtsgedanke der §§ 425, 429 Abs. 3 BGB), soweit er Verbraucher ist, das er ohne Rücksicht darauf ausüben kann, ob noch ein anderer Verbraucher neben ihm Vertragspartner des Unternehmers ist. § 351 Satz 1 BGB steht dieser Interpretation nicht entgegen.1852) 2.

Abtretung

2.1421 Wenn der Verbraucher den Anspruch abtritt und der Zessionar nicht Verbraucher ist, bleibt das Widerrufsrecht beim Verbraucher (Zedenten). Die Widerrufsberechtigung kann nur mit allen Rechten und Pflichten aus dem Vertrag, nicht aber isoliert, übertragen werden, weil es sich um ein unselbstständiges Gestaltungsrecht handelt.1853) In jedem Falle ausgeschlossen ist ein Übergang des Widerrufsrechts auf einen Unternehmer i. S. v. § 14 BGB. Insofern stehen die §§ 413, 399 BGB entgegen.1854)

___________ 1852) BGH, Urt. v. 26.4.1994 – XI ZR 184/93, ZIP 1994, 793; BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB); OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99. 1853) Palandt-Grüneberg, BGB, § 355 Rz. 2. 1854) Siehe oben § 16 V 6 a m. w. N.

464

V. Widerrufsgegenstand

3.

Gesamtrechtsnachfolge

Da die Erben, auch wenn sie nicht Verbraucher sind, an die Stelle der Vertragspar- 2.1422 tei des Verbrauchervertrages treten, steht auch ihnen das Widerrufsrecht zu.1855) IV.

Widerrufsadressat

1.

Grundsatz

Der Widerruf ist gegenüber dem Unternehmer zu erklären (§ 355 Abs. 1 Satz 2 2.1423 BGB). Der Widerruf hat somit gegenüber dem Getränkelieferanten als Gläubiger der Getränkebezugsverpflichtung zu erfolgen.1856) 2.

Benannte Dritte

Widerrufsempfänger kann über den Wortlaut des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB hin- 2.1424 aus auch ein anderer als der im Verbrauchervertrag unmittelbar beteiligte Unternehmer sein. Unter Umständen kann der Verkäufer als benannter Empfangsbote des Unternehmers diesem den Zugang eines Widerrufs vermitteln.1857) Es können auch alternativ, nicht kumulativ mehrere Personen benannt werden. Die Angabe ist bindend.1858) Ein Widerruf muss daher auch gegenüber einem fehlerhaft benannten Adressaten erklärt werden. V.

Widerrufsgegenstand

1.

Grundlagen

a) Grundsatz. Gegenstand des Widerrufs ist die auf den Abschluss des Ge- 2.1425 tränkelieferungsvertrages gerichtete Willenserklärung (§§ 510 Abs. 2, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB),1859) die die Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen zum Gegenstand (§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB) hat, nicht der Getränkelieferungsvertrag im Ganzen bzw. die zu seiner Durchführung geschlossenen Einzelverträge.1860) b) Vertragsschluss. Darauf, ob die Willenserklärung – durch Annahme seitens 2.1426 des Unternehmers – bereits zum Vertragsschluss geführt hat oder ob schon vor der Annahme eine einseitige Bindung des Verbrauchers an sie nach allgemeinen ___________ 1855) Palandt-Grüneberg, BGB, § 355 Rz. 2. 1856) BGH, Urt. v. 18.10.1989 – VIII ZR 325/88, NJW 1990, 320 = ZIP 1990, 1138 = Zeller IV, 88. 1857) BGH, Urt. v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, BGHZ 131, 66 = NJW 1995, 3386 = ZIP 1995, 1808; BGH, Urt. v. 25.1.2012 – VIII ZR 95/11, NJW 2012, 1065. Siehe oben § 24 X 2 m. w. N. 1858) OLG Hamm, Urt. v. 28.9.2009 – 4 U 13/09, NJW-RR 2009, 1707. 1859) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187/97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052. 1860) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 510 Rz. 29.

465

§ 25 Widerruf

Grundsätzen eingetreten ist, kommt es nicht an. Zur Erreichung des Schutzzwecks der Regelung ist es gleichgültig, ob die vom Verbraucher zu widerrufende Willenserklärung bereits vom Gewerbetreibenden (Unternehmer) angenommen worden ist oder ob der Verbraucher lediglich nach § 147 Abs. 2 BGB an seinen Antrag gebunden ist. Hat der Verbraucher eine solche für ihn bindende, auf den Vertragsabschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben und ist ihm bei der Abgabe eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt worden, in der er ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist, hat er ab diesem Zeitpunkt ausreichend Gelegenheit, ohne (den) Druck (einer Haustürsituation) seine Entscheidung zu überdenken.1861) Dies ergibt auch der Umkehrschluss aus § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB. 2.

Gemischte Verträge

2.1427 Bei gemischten Verträgen gelten die in § 510 BGB genannten Bestimmungen des Gesetzes nur für den Vertragsteil, der die Tatbestandselemente des § 510 (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3) BGB erfüllt, nicht aber für die sonstigen Bestandteile des (einheitlichen) Vertrages.1862) 3.

Getrennte Verträge

2.1428 Werden mehrere, aber voneinander abhängige (getrennte) Verträge, ggf. auch verbundene Verträge, geschlossen, von denen der eine Darlehensvertrag (§ 495 Abs. 1 BGB), der andere Ratenlieferungsvertrag (§ 510 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist, so liegen zwei Widerrufsgegenstände vor.1863) 4.

Gesamtschuldnerschaft

2.1429 Bei Bestehen einer Gesamtschuldnerschaft ist Widerrufsgegenstand die auf den Vertragsabschluss gerichtete Willenserklärung des jeweiligen Gesamtschuldners (Einzelbetrachtung).1864)

___________ 1861) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052. 1862) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106 (Grundstückskaufvertrag und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124 (Darlehensvertrag und Getränkelieferungsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224. 1863) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 1864) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657.

466

VI. Widerrufserklärung

VI.

Widerrufserklärung

1.

Rechtsnatur

Der Widerruf hat gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB durch eine einseitige, empfangs- 2.1430 bedürftige (§ 130 Abs. 1 BGB)1865) Willenserklärung zu erfolgen. 2.

Bezug

Der Widerruf muss den Vertrag so bezeichnen, dass dieser identifiziert werden 2.1431 kann.1866) Auch muss die Person des Erklärenden zweifelsfrei erkennbar sein, um die Identität der widerrufenden Person deutlich zu machen.1867) 3.

Eindeutige Erklärung

a) Grundsatz. Der Verbraucher braucht das Wort „widerrufen“ nicht zu ver- 2.1432 wenden. Es genügt, wenn der Erklärende deutlich zum Ausdruck bringt, er wolle den Vertrag von Anfang an nicht gelten lassen,1868) bzw., dass er den Vertrag nicht durchführen will.1869) Dabei kommt es im Rahmen der Auslegung auf die Umstände des Einzelfalls an.1870) Ob die bisherige Rechtsprechung einer Modifizierung im Hinblick darauf bedarf, dass der Gesetzgeber in § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB in der seit dem 13.6.2014 geltenden Fassung angeordnet hat, dass aus der Widerrufserklärung der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen muss, ist bislang noch nicht entschieden worden.1871) Die nachstehend berichteten Entscheidungen können daher nicht unbesehen auf die geltende Rechtslage übertragen werden. Aktuell bedarf es einer (schriftlichen oder mündlichen) sprachlichen Äußerung, was eine Erklärung des Widerrufs durch rein tatsächliches Verhalten ausschließen dürfte. b) Kündigung/Rücktritt. Wegen der für den Verbraucher ggf. günstigeren 2.1433 Rechtsfolgen kann je nach den Umständen des Einzelfalles auch eine Kündi___________ 1865) Siehe unten § 25 VI 4 m. w. N. 1866) Siehe oben § 24 VI 5 a m. w. N. 1867) Staudinger-Kaiser, BGB, § 355 Rz. 35. 1868) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 143/91, NJW 1993, 128; BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138; BGH, Urt. v. 18.3.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 = ZIP 2014, 913; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1869) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884; BGH, Urt. v. 25.4.1996 – X ZR 139/94, NJW 1996, 1964 = ZIP 1996, 1138. 1870) BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337. 1871) BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337, konnte offen lassen.

467

§ 25 Widerruf

gungs- oder Rücktrittserklärung1872) genügen. Beispielsweise ist eine „sofortige Kündigung“ als Widerruf auszulegen.1873) 2.1434 Umgekehrt hat der BGH entschieden, dass ein nicht fristgerecht erklärter Widerruf ggf. als Rücktrittserklärung (§ 348 BGB)1874) bzw. als Kündigung1875) qualifiziert werden könne (Umdeutung), sofern die entsprechenden sonstigen Voraussetzungen des Rücktritts bzw. der Kündigung vorliegen.1876) 2.1435 c) Anfechtung. Auch eine „Anfechtungserklärung“ des Verbrauchers wegen arglistiger Täuschung und Irrtums soll als Widerrufserklärung ausgelegt werden können, weil der Verbraucher hiermit zugleich hinreichend deutlich mache, dass er einen etwaigen Vertrag nicht gelten lassen will.1877) Dies mag zwar im Ergebnis zutreffend sein, nicht immer aber in der Begründung. Liegt eine eindeutige „Anfechtungserklärung“ vor, so scheidet eine Auslegung als Widerrufserklärung aus. In Betracht kommt dann eine Umdeutung gem. § 140 BGB. Da der Widerruf wegen seiner bloßen Wirkung für die Zukunft (ex nunc) gegenüber der Anfechtung als inhaltliches Minus anzusehen ist, kann eine Anfechtungserklärung grundsätzlich auch in eine Widerrufserklärung umgedeutet werden. 2.1436 d) Rückgabe/Rücksendung. aa) Anwendungsbereich. Die konkludenten Widerrufsformen der Rückgabe der Sache oder Rücksendung der Ware kommen nur bei beweglichen Sachen in Betracht.1878) 2.1437 bb) Eindeutige Erklärung. Eine konkludente Widerrufserklärung durch Rückgabe der überlassenen Sache oder Rücksendung der Ware genügt dem Erfordernis einer eindeutigen Erklärung (§ 355 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB) nicht.1879) Anders wird dagegen zu entscheiden sein, wenn die Parteien zuvor über einen Widerruf gesprochen haben und für den Unternehmer aufgrund der kommentarlosen Rückgabe/Rückendung eindeutig erkennbar ist, dass der Verbraucher ___________ 1872) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337. 1873) BGH, Urt. v. 29.1.1986 – VIII ZR 49/85, ZIP 1986, 507; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254; OLG München, Urt. v. 22.6.2004 – 13 U 2315/04, NJW-RR 2005, 573. 1874) BGH, Urt. v. 30.6.1982 – VIII ZR 115/81, ZIP 1982, 1212. 1875) BGH, Urt. v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82, NJW 1983, 1489. 1876) OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91. 1877) BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337. 1878) Begründung der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-InfoV, Bundesanzeiger v. 14.3.2008, S. 963 unter Ziff. III 1 a. 1879) Zu den Problemen nach der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Rechtslage vgl. Bühler, Brauereiund Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1470, 2.1522 – 2.1526, jeweils m. w. N.

468

VI. Widerrufserklärung

damit den Widerruf erklären will. Auch können die Parteien vertraglich vereinbaren, dass die bloße Rücksendung für einen Widerruf ausreichend ist.1880) Ein (konkludenter) Widerruf durch Rückgabe der Sache kommt allenfalls bei Leih- und Getränkelieferungsverträgen in Betracht. Im Rahmen der Auslegung dürfte es in der Regel am Erfordernis einer eindeutigen Erklärung (§ 355 Abs. 1 Satz 3 BGB), insbesondere auch an einem Erklärungsbewusstsein des angeblich Widerrufenden, fehlen. Weiter muss für den Getränkelieferanten erkennbar sein, auf welchen Vertrag sich der Widerruf bezieht und wer einen Widerruf erklären möchte.1881) Das dürfte durchweg nicht festzustellen sein. Hinsichtlich der Getränke gilt: Weder die einzelne Bestellung noch alle vorhergehenden Einzelkaufverträge über Getränke können widerrufen werden.1882) Die Rücksendung bzw. Rückgabe von Vollgut, wie etwa bei Reklamationen oder Kommissionsware, kann im Übrigen auch aus nicht verbraucherschutzrechtlichen Gründen erfolgen. e) Prozess. Auch in dem klageweise verfolgten Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Bezugsvereinbarung ist ein Widerruf der auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärung gesehen worden.1883) Gleiches wurde bei einem Widerspruch gegen einen Mahnbescheid,1884) etwa im Fall der Geltendmachung eines Malusbetrages, angenommen.1885)

2.1438

2.1439

2.1440

2.1441

Die Erklärung der Verteidigungsbereitschaft ist anders als eine Widerrufser- 2.1442 klärung eine Prozesserklärung, die die allgemeine Erklärung enthält, der Klage entgegentreten zu wollen (§ 276 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und die zur Folge hat, dass kein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO ergehen kann. Sie kann nicht als Widerruf ausgelegt werden.1886) Sowohl in einer Klageerwiderung1887) als auch der Übergabe eines Schriftsatzes 2.1443 in der mündlichen Verhandlung vor Gericht wurde eine Widerrufserklärung gesehen.1888) ___________ 1880) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60. 1881) Siehe oben § 25 VI 2 m. w. N. 1882) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Siehe unten § 25 XI 5 a m. w. N. 1883) BGH, Urt. v. 17.4.1996 – VIII ZR 44/95, NJW 1996, 2094 = ZIP 1996, 1012. 1884) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.2.1997 – 8 U 32/96, WM 1997, 1340. 1885) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209. Im Hinblick auf die Entscheidung BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337, zweifelhaft. 1886) BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337. 1887) BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148; BGH, Urt. v. 12.1.2017 – I ZR 198/15, NJW 2017, 2337. 1888) BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657.

469

§ 25 Widerruf

2.1444 Lässt die Berufungsbegründung hinreichend deutlich den Willen erkennen, dass die Klage auch auf ein Widerrufsrecht (nach dem AbzG) gestützt sein soll, so ist auch dies als ausreichende Widerrufserklärung anzusehen.1889) 4.

Zugang

2.1445 Der Widerruf wird als empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 130 BGB erst wirksam, wenn er dem Unternehmer zugegangen ist. Dies ergibt sich aus § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Verbraucher hat daher gem. § 130 Abs. 1 BGB den Zugang seines Widerrufs gegenüber dem Unternehmer herbeizuführen 5.

Bedingung

2.1446 Als Gestaltungsrecht ist der Widerruf bedingungsfeindlich. Zulässig ist dagegen ein Eventualwiderruf für den Fall, dass die vom Verbraucher primär geltend gemachte Rechtsverteidigung, z. B. der Vertrag sei nichtig, erfolglos bleibt. Allerdings ist auch insofern das Eindeutigkeitspostulat des § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB zu beachten. 6.

Motive

2.1447 Das Gesetz setzt, wie das Fehlen einer Begründungspflicht zeigt (§ 355 Abs. 1 Satz 4 BGB, Art. 246 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 EGBGB), für die Ausübung des Widerrufsrechts kein berechtigtes Interesse des Verbrauchers voraus. Allein dessen freier Wille ist entscheidend. Auf die Beweggründe kommt es nicht an. Auch ein willkürlicher Widerruf ist grundsätzlich beachtlich.1890) Daher berechtigen sowohl formale Verstöße gegen die Grundsätze über eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung als auch sachfremde Motive zum Widerruf. Gleiches gilt für die Abstandnahme wegen nachträglich erkannter Preisdifferenzen.1891) 7.

Begründung

2.1448 Gerade weil dem Verbraucher der Widerruf möglich sein soll, ohne dass hierfür ein besonderer Grund vorliegt, braucht dieser keine Begründung zu enthalten (§ 355 Abs. 1 Satz 4 BGB).1892) ___________ 1889) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562. 1890) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1891) BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB). 1892) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562. BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 1/11, NJW-RR 2012, 1197; BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB).

470

VI. Widerrufserklärung

8.

Objektiver Teilwiderruf

a) Fragestellung. Gemischte Verträge wie Getränkelieferungsverträge können 2.1449 sowohl sachlich als auch persönlich (§§ 513, 13 BGB) dem Verbraucherkreditrecht unterfallen. Daher bedarf es ggf. hinsichtlich der finanztechnischen Komponente einer Widerrufsinformation als auch hinsichtlich der bezugsrechtlichen Verpflichtung einer Widerrufsbelehrung.1893) Denkbar ist es, dass der Verbraucher nur die Getränkebezugsverpflichtung oder nur die kreditrechtlichen Verpflichtungen widerruft. Fraglich ist, ob dies rechtlich möglich ist. b) Meinungsstand. Teilweise wird vertreten, eine nur teilweise Ausübung des 2.1450 Widerrufsrechts komme nicht in Betracht, wenn ein Widerrufsrecht für den gesamten Vertrag oder für einen Vertragsteil eines einheitlichen gemischten Vertrages gegeben sei.1894) Das Gesetz habe den Widerruf als Vertragslösungsrecht, nicht als Vertragsänderungsrecht ausgestaltet. Wäre ein allgemeines Teilwiderrufsrecht anerkannt, dann hätte es der Verbraucher in der Hand, die von den Parteien vereinbarten Vertragszusammenhänge zu zerreißen und das Äquivalenzgefüge des Vertrages zu zerstören; dem Unternehmer würde dadurch ein Vertrag mit einem Inhalt aufgezwungen, den er so nie abgeschlossen hätte (Folgenbetrachtung). Dass ein Teilwiderruf wegen der vertragshindernden Wirkung nicht zulässig sei, zeigten auch § 311 Abs. 1 BGB, der für die Inhaltsänderung eines Vertrages einen Vertrag vorschreibe, und § 315 BGB, nach dem ein Gestaltungsrecht zur näheren Bestimmung des Vertragsinhalts voraussetze, dass die Parteien ein solches Leistungsbestimmungsrecht vereinbart haben.1895) Nach h. M.1896) ist ein (objektiver) Teilwiderruf nur hinsichtlich des dem Ver- 2.1451 braucherkreditrecht unterfallenden Teiles des (Getränkelieferungs-)Vertrages möglich und auch erforderlich. Der Widerruf erstreckt sich nur auf den widerruflichen Vertragsteil. Die Vertragswirksamkeit im Übrigen beurteilt sich nach § 139 BGB. Diese Auffassung wird im Zusammenhang mit gemischten Verträgen teilweise auch von denjenigen vertreten, die im Übrigen der vorgenannten Mindermeinung zuzurechnen sind.1897) ___________ 1893) Siehe oben § 24 VI 12 m. w. N. 1894) So Staudinger-Kaiser, BGB, § 355 Rz. 27, 28. 1895) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124. 1896) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106 (Grundstückskaufvertrag und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124 (Darlehensvertrag und Getränkelieferungsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224. Im Übrigen siehe unten § 25 XI 4 m. w. N. 1897) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 46.

471

§ 25 Widerruf

2.1452 c) Stellungnahme. Für die h. M. spricht der Umstand, dass sie eine größere Einzelfallgerechtigkeit herbeiführt. 9.

Subjektiver Teilwiderruf gegenüber mehreren Unternehmern

2.1453 Der Widerruf kann gegenüber mehreren Unternehmern nur einheitlich ausgeübt werden. Er muss gegenüber allen Unternehmern erklärt werden, um wirksam zu werden. Der Widerruf wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem die Widerrufserklärung dem Letzten der Widerrufsgegner zugeht.1898) 10.

Form

2.1454 a) Grundsatz. Der Widerruf ist seit dem 13.6.2014 an keine bestimmte Form gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Textform des § 126b BGB ist nicht mehr vorgeschrieben. Damit kann die Erklärung auch per Telefax, E-Mail erfolgen. 2.1455 b) Mündliche Erklärung. Auch eine mündliche Erklärung ist nicht ausgeschlossen. Die Formulierung „Absendung des Widerrufs“ in § 355 Abs. 1 Satz 5 BGB deutet zwar darauf hin, dass ein Widerruf durch mündliche Erklärung unzulässig sein könnte.1899) Eine mündliche Erklärung kann nicht „abgesandt“ werden. § 355 Abs. 1 Satz 5 BGB bezieht sich aber wohl lediglich auf den Widerruf in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger. Indessen betrifft dies lediglich die Rechtzeitigkeit der Erklärung, nicht aber ihre Form. Zudem räumt Art. 11 Abs. 1 Satz 2 b VRRL Verbrauchern die Möglichkeit ein, eine „Erklärung in beliebiger (…) Form“ abzugeben. Des Weiteren wird die Möglichkeit eines Widerrufs durch fernmündliche Erklärung in Erwägungsgrund 44 Satz 5 VRRL ausdrücklich erwähnt. Damit dürfte eine mündliche Erklärung genügen. 2.1456 c) Unterschrift. Die Erklärung bedarf weder einer eigenhändigen Unterschrift i. S. v. § 126 Abs. 1 BGB noch – wie auch der Umkehrschluss aus § 126a Abs. 1 BGB deutlich macht – einer elektronischen Signatur. 2.1457 d) Nachweis. Der Widerruf muss zwar nicht mehr in Textform erklärt werden. Da aber zur Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerrufs genügt (§ 355 Abs. 1 Satz 5 BGB), ist dem Verbraucher zur Sicherung des Nachweises zu raten, ausschließlich in Textform auf einem dauerhaften Datenträger, z. B. Brief, Telefax, E-Mail, zu widerrufen.1900)

___________ 1898) Staudinger-Kaiser, BGB, § 355 Rz. 44. 1899) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60 Sp. 1. 1900) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60.

472

VII. Widerrufsfrist

e) Es genügt, wenn der Widerruf in Anwesenheit des Vertragspartners münd- 2.1458 lich zu Gerichtsprotokoll erklärt wird1901) oder in einem in mündlicher Verhandlung dem Gericht übergebenen Schriftsatz erfolgt, von dem der Getränkelieferant, ggf. sein Anwalt, Kenntnis erhalten hat.1902) 11.

Widerruf des Widerrufs

Ist der Widerruf durch Zugang einer entsprechenden Erklärung wirksam ge- 2.1459 worden, kann er nicht mehr einseitig zurückgenommen werden. Es gibt also beispielsweise keinen „Widerruf einer Kündigung“, keinen „Widerruf eines Widerrufs“ oder etwa einen „Rücktritt vom Rücktritt“. Nach Vornahme des Gestaltungsrechts ist dieses verbraucht.1903) 12.

Rückgewähr erbrachter Leistungen

Die Wirksamkeit des Widerrufs hängt nicht von einer Rückgewähr erbrachter 2.1460 Leistungen ab.1904) VII. Widerrufsfrist 1.

Frist

Die für alle Widerrufsrechte einheitliche Frist beträgt 14 Tage (§ 355 Abs. 2 2.1461 Satz 1 BGB). 2.

Abdingbarkeit

Eine Verlängerung der Widerrufsfrist, etwa durch Hinausschieben des Fristbe- 2.1462 ginns, ist möglich, nicht dagegen eine Abkürzung der Frist (§ 361 Abs. 2 Satz 1 BGB).1905) 3.

Fristbeginn

a) Voraussetzungen. Der Beginn der Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 2.1463 Satz 1 BGB) hängt bei Getränkelieferungsverträgen im stationären Handel von ___________ 1901) BGH, Urt. v. 24.4.1985 – VIII ZR 73/84, BGHZ 94, 226 = NJW 1985, 1544 = ZIP 1985, 807. 1902) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657. 1903) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491); BGH, Urt. v. 7.11.2017 – XI ZR 369/16, NJW-RR 2018, 301 = ZIP 2017, 2454 (§ 491 BGB). 1904) Siehe oben § 24 VII 4 m. w. N. 1905) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 15.5.2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 = ZIP 2014, 1485.

473

§ 25 Widerruf

zwei Voraussetzungen ab. Die Widerrufsfrist beginnt nach § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB erst mit Vertragsschluss und nicht bevor der Unternehmer den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356c Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 3 EGBGB; § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB). Wird die ordnungsgemäße Belehrung erst nachträglich erteilt, so beginnt die Frist erst mit Erhalt der Belehrung. Auch dann beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage. 2.1464 b) Vertragsschluss. Maßgeblich für den Vertragsschluss ist der Zugang der Vertragsannahmeerklärung. Unerheblich ist, ob der Unternehmer oder der Verbraucher diese abgibt. Die in der Vertriebspraxis der Getränkelieferanten praktizierten gestreckten Vertragsabschlussformen lassen sich damit problemlos subsumieren. 2.1465 c) Ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. aa) Grundsatz. Bei im stationären Handel abgeschlossenen Getränkelieferungsverträgen hängt der Beginn der Widerrufsfrist gem. § 356c Abs. 1 BGB von einer ordnungsgemäßen Information über das Widerrufsrecht gem. Art. 246 Abs. 3 Satz 1 EGBGB in Textform (§ 126b BGB) ab. 2.1466 bb) Dies erfordert auch den Zugang der Belehrung in Textform. Das bloße Einstellen in das Internet kann daher nicht genügen, solange nicht der Kunde den Text herunterlädt und ausdrücklich oder in dauerhafter Weise, etwa auf der Festplatte seines Computers, speichert.1906) 2.1467 d) Vertragsbeleg. Nach geltendem Recht ist bei schriftlich abzuschließenden Verträgen wie dem Getränkelieferungsvertrag (§ 510 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 BGB) nicht mehr Voraussetzung für den Fristbeginn, dass dem Verbraucher Vertragsunterlagen zur Verfügung gestellt worden sind. Voraussetzung ist lediglich die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung (§ 356c Abs. 1 BGB, Art. 246 Abs. 3 EGBGB). Das Unterlassen der nach § 510 Abs. 1 Satz 3 BGB erforderlichen Mitteilung hat nach geltendem Recht keinen Einfluss auf den Lauf der Widerrufsfrist. 4.

Fristberechnung

2.1468 a) Maßgebliche Vorschriften. Die Fristberechnung erfolgt nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1, 193 BGB.1907) 2.1469 b) Fristbeginn. Für die Berechnung des Fristbeginns ist es unerheblich, um welchen Wochentag es sich handelt. Die Widerrufsfrist beginnt mit dem Beginn des folgenden Tages (0:00 Uhr), unerheblich, ob er auf einen Werk-, Sonn- oder Feiertag fällt. § 193 BGB findet keine Anwendung. ___________ 1906) BGH, Urt. v. 29.4.2010 – I ZR 66/08, NJW 2010, 3566 = ZIP 2010, 2249. 1907) BGH, Urt. v. 23.9.2010 – VII ZR 6/10, BGHZ 187, 97 = NJW 2010, 3503 = ZIP 2010, 2052 (§ 312b BGB).

474

VIII. Erlöschen des Widerrufsrechts

c) Fristende. Die 14-Tage-Frist endet mit dem Ablauf des 14. Tages beginnend 2.1470 mit dem Folgetag des Tages, an welchem die letzte für den Fristbeginn erforderliche Voraussetzung erfüllt wird. Der Tag des Fristendes ist sonach grundsätzlich der gleichnamige Wochentag wie derjenige, an welchem das die Frist auslösende Ereignis eintritt, jedoch 14 Tage später. § 193 BGB ist zu beachten. 5.

Fristwahrung

a) Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des 2.1471 Widerrufs vor Fristablauf (§§ 355 Abs. 1 Satz 5, 121 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Zeitpunkt des Zugangs ist mithin nicht erheblich. Absendung ist mehr als die Abgabe der Erklärung. b) Verlustrisiko. Geht der rechtzeitig abgesandte Widerruf auf dem Postwege 2.1472 verloren, so bleibt die Widerrufsfrist gewahrt, wenn der Verbraucher den Widerruf unverzüglich wiederholt – hier einen Tag später, nachdem er vom fehlenden Zugang Kenntnis erlangt hat.1908) VIII. Erlöschen des Widerrufsrechts 1.

Ausschlussfrist

a) Grundsatz. Die 14-tägige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ist eine 2.1473 Ausschlussfrist. Innerhalb dieser Frist muss das Widerrufsrecht ausgeübt werden. Erklärt der Verbraucher den Widerruf nicht bis zum Fristablauf, entfällt das Widerrufsrecht. Das Widerrufsrecht besteht also nur innerhalb der Frist. b) Genehmigung. Ist die Erklärung von einem vollmachtlosen Vertreter ab- 2.1474 gegeben worden, so beginnt die Ausschlussfrist ausnahmsweise nicht schon mit der Erklärung des Vertreters, sondern erst mit der Genehmigung durch den Verbraucher. Diese Ausnahme sollte jedoch auf die Fallgestaltung beschränkt werden, dass die Genehmigung vom Vertretenen oder dem Berechtigten nach § 185 Abs. 2 BGB zu erteilen ist, weil nur deren Willensentschließung innerhalb der Frist erfolgen muss. So liegt es auch bei der Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB,1909) wobei davon auszugehen ist, dass die Frage der Genehmigungsrückwirkung für die Fristen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenso wie für § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB – ungeachtet der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte für den Fristbeginn – nicht differenzierend beantwortet werden kann. Die Genehmigung kann nicht durch Rückwirkung die Folgen der Versäumung 2.1475 einer Ausschlussfrist oder des Fristablaufs bei fristgebundenen Rechtsgeschäften außer Kraft setzen, sondern muss innerhalb der vorgesehenen Frist erfolgen. ___________ 1908) OLG Dresden, Urt. v. 20.10.1999 – 8 U 2081/99, NJW-RR 2000, 354 = ZIP 2000, 362. 1909) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996.

475

§ 25 Widerruf

2.

Erlöschensfrist

2.1476 Für den Fall des hinausgezögerten Fristbeginns wegen nicht ordnungsgemäßer Information zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ordnet § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB ein Erlöschen des Widerrufsrechts spätestens nach Ablauf einer absoluten Höchstfrist von zwölf Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss an, und zwar auch bei unterbliebener oder nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung.1910) Das Damoklesschwert der dauerhaften Widerruflichkeit besteht daher nicht mehr. Die spezielle Neuregelung in § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht der allgemeinen Regel des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB. 3.

Faktische Beendigung

2.1477 Es versteht sich von selbst, dass bei einer ungenügenden Widerrufsbelehrung der Gastwirt seine Abschlusserklärung, allerdings seit dem 13.6.2014 in den zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB, selbst dann noch widerrufen kann, wenn der Pachtvertrag über die Absatzstätte „faktisch beendet“ ist und die Vertragsparteien nur noch über Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüche des Getränkelieferanten streiten.1911) Dazu bedarf es nicht der in der zitierten Entscheidung bemühten Schutzbedürftigkeit des Gastwirts noch im Stadium der Vertragsabwicklung. Ersatzansprüche statt der Leistung können dem Getränkelieferanten schon deshalb nicht zugestanden haben, weil der Gastwirt wegen der Widerruflichkeit seiner Vertragserklärung nie etwas geschuldet hat, sodass ihm im Rechtssinne auch nichts „unmöglich werden“ und er die Erfüllung ebenso wenig „unberechtigt verweigern“ konnte. 4.

Verwirkung

2.1478 Auch wenn das Gesetz nunmehr in § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB und insbesondere in § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB einen Erlöschenstatbestand regelt, kann das Widerrufsrecht auch aus sonstigen Gründen wegfallen oder sich im Einzelfall als undurchführbar erweisen.1912) Die praktische Bedeutung dürfte allerdings im Hinblick auf die seit dem 13.6.2014 geltenden zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB (einzelfallbezogene Erlöschensfrist von einem Jahr und 14 Tagen) und Art. 229 § 32 Abs. 2 – 4 EGBGB (absolute Erlöschensfrist, 27.6.2015) nur gering sein. Soweit der BGH die Verwirkung eines Widerrufsrechts erörtert hat, hat er sie abgelehnt.1913) ___________ 1910) BT-Drucks. 17/13951, S. 101. 1911) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 18.3.1993 – 6 U 191/91, rkr. durch Nichannahmebeschl. d. BGH v. 27.4.1994 – VIII ZR 124/93. 1912) OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, BGH, Beschl. v. 16.4.2013 – XI ZR 52/12, BeckRS 2014, 09545. 1913) BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR 327/04, NJW 2006, 497 = ZIP 2006, 221 (HWiG).

476

VIII. Erlöschen des Widerrufsrechts

Hinsichtlich des allgemein-verbraucherkreditrechtlichen Teils eines Getränke- 2.1479 lieferungsvertrages stellt sich dagegen die Problematik angesichts der Regelungen über den Nichtbeginn der Widerrufsfrist nach § 356b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB mit der Folge eines ewigen Widerrufsrechts weiterhin mit voller Schärfe.1914) 5.

(Rechts-)Missbrauch im Übrigen

a) Grundsatz. Der Widerruf kann nach der älteren Rechtsprechung ausge- 2.1480 schlossen, wenn die Voraussetzungen einer missbräuchlichen Rechtsausübung i. S. d. § 242 BGB erfüllt sind.1915) Angesichts der seit dem 13.6.2014 geltenden zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB (einzelfallbezogene Erlöschensfrist von einem Jahr und 14 Tagen) und Art. 229 § 32 Abs. 2 – 4 EGBGB (absolute Erlöschensfrist, 27.6.2015) dürfte die praktische Bedeutung aber äußerst gering sein. b) Einzelfragen. aa) Ein Ausschluss des verbraucherschützenden, vorausset- 2.1481 zungslosen Widerrufsrechts aus § 355 BGB wegen eigener Vertragsuntreue des Verbrauchers kommt nur ganz ausnahmsweise in Betracht, etwa dann, wenn der Unternehmer besonders schutzwürdig ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, z. B. indem er eine Schädigung des Unternehmers beabsichtigt oder schikanös handelt. Zu denken ist an die Nichterteilung einer Widerrufsbelehrung durch die wahrheitswidrige Erklärung, Unternehmer zu sein.1916) Stellt beispielsweise der Käufer nach Vertragsschluss fest, dass er die Ware bei 2.1482 einem anderen Anbieter günstiger bekommt und bietet er dem Verkäufer deshalb an, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stellt dies kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Es ist vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Sicherungsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen darf.1917) bb) Da es auf die Motive des Gastwirts für die Ausübung des Widerrufsrechts 2.1483 nicht ankommt,1918) liegt insofern keine unzulässige Rechtsausübung vor.1919) ___________ 1914) Siehe unten § 44 I 11 m. w. N. 1915) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536; AG Bielefeld, Urt. v. 20.8.2008 – 15 C 297/08, BeckRS 2009, 76016. 1916) 312c BGB); BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB); OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099 (zur Kaufmannseigenschaft nach AbzG). 1917) BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB). 1918) Siehe oben § 25 VI 6 m. w. N. 1919) OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099 (zur Kaufmannseigenschaft nach AbzG).

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§ 25 Widerruf

2.1484 cc) Erst recht reicht das Fehlen eines Sachgrundes für den Widerruf nicht aus. Wie das Fehlen einer Begründungspflicht für den Widerruf1920) zeigt, soll der Verbraucher in seiner Entscheidung über das Festhalten am Vertrag frei sein. Auch ein willkürlicher Widerruf ist grundsätzlich beachtlich.1921) 6.

Prozessuale Präklusion

2.1485 a) Widerruf in der Berufungsinstanz aa) Meinungsstand. Auch auf der Grundlage des Konzepts der schwebenden Wirksamkeit wird vereinzelt1922) vertreten, das Widerrufsrecht unterliege prozessualen Restriktionen. Bei einem erst nach Abschluss der ersten Instanz während des Laufs der Berufungs(-begründungs-)frist ausgeübten verbraucherrechtlichen Widerruf handele es sich nicht um eine erstmals im Berufungsrechtszug „vorgetragene“ neue Tatsache, die dem eingeschränkten Novenausschluss des § 531 Abs. 2 ZPO unterfalle, sondern um eine erst in der Berufungsinstanz „geschaffene“ neue Tatsache, die nicht mehr berücksichtigt werden könne, weil das Berufungsverfahren nach der ZPO-Reform keine vollständige Tatsacheninstanz mehr sei, sondern vor allem der Fehlerkontrolle und -beseitigung diene. Dieser Rechtsprechung wird in der Literatur widersprochen. Habe der Verbraucher zunächst keinen Gebrauch von seinem Widerrufsrecht gemacht und sich auf die Erhebung anderer Einwände gegen den Erfüllungsanspruch des Unternehmers beschränkt, so bleibe er auch nach einer etwaigen Verurteilung in erster Instanz zum Widerruf berechtigt, sofern die Frist hierfür noch nicht abgelaufen sei.1923) 2.1486 bb) Stellungnahme. Praktische Bedeutung erlangt der Meinungsstreit in Fällen fehlender bzw. nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung, soweit nicht die seit dem 13.6.2014 geltenden zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB (einzelfallbezogene Erlöschensfrist von einem Jahr und 14 Tagen) und Art. 229 § 32 Abs. 2 – 4 EGBGB (absolute Erlöschensfrist, 27.6.2015) greifen. Der zweitgenannten Auffassung dürfte zu folgen sein. § 531 Abs. 2 ZPO steht der Berücksichtigung des diesbezüglichen Tatsachenvortrags im Berufungsverfahren nicht entgegen, weil es sich nicht um ein „neues Angriffs- und Verteidigungsmittel“ im Sinne dieser Vorschrift handelt. Die zivilprozessualen Präklusionsvorschriften können den Verbraucher nämlich nur dazu anhalten, auf ein bereits ausgeübtes Widerrufsrecht rechtzeitig hinzuweisen. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass er die Widerrufsfrist nicht voll ausschöpfen kann. Wenn dem nicht oder nicht richtig belehrten Verbraucher das Widerrufsrecht aus Gründen ___________ 1920) Siehe oben § 25 VI 7 m. w. N. 1921) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; OLG Koblenz, Urt. v. 25.3.1994 – 2 U 1573/92, NJW 1994, 2099; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1922) OLG München, Beschl. v. 15.10.2009 – 17 U 3897/09, BeckRS 2010, 01802. 1923) Rohlfing, NJW 2010, 1787.

478

IX. Darlegung und Beweis

des Verbraucherschutzes nicht schon im Wege der Rechtskraftpräklusion entzogen werden darf, dann muss die Ausübung des Widerrufsrechts erst recht auch nach Abschluss der ersten Instanz und vor Eintritt der Rechtskraft möglich sein. b) Widerruf und Zwangsvollstreckung. Selbst nach rechtskräftiger Verurtei- 2.1487 lung kann der Verbraucher sein Widerrufsrecht noch ausüben, sofern die Widerrufsfrist noch läuft. Auch diese Frage hat bei fehlenden oder fehlerhaften Widerrufsbelehrungen Bedeutung. Auf den Widerruf kann er sich dann ggf. im Wege der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO berufen, ohne dass § 767 Abs. 2 ZPO dem entgegensteht.1924) Trotz Widerruflichkeit bleibt der Vertrag zunächst voll wirksam. Erst die Ausübung des Widerrufsrechts begründet eine (rechtsvernichtende) Einwendung gegen den Erfüllungsanspruch des Unternehmers.1925) Hinzu kommt, dass es dem Schutzzweck der Regelungen über die Widerrufsfrist widerspräche, dem Verbraucher im Erkenntnisverfahren zu einer Entscheidung über den Widerruf zu zwingen, solange die Widerrufsfrist fortdauert. Die praktische Bedeutung dürfte allerdings im Hinblick auf die seit dem 13.6.2014 geltenden zeitlichen Grenzen des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB (einzelfallbezogene Erlöschensfrist von einem Jahr und 14 Tagen) und Art. 229 § 32 Abs. 2 – 4 EGBGB (absolute Erlöschensfrist, 27.6.2015) nur sehr gering sein. IX.

Darlegung und Beweis

1.

Unternehmer

Der Unternehmer trägt nach § 361 Abs. 3 BGB die Beweislast für alle Tatsa- 2.1488 chen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere für die Belehrung, ihren Inhalt, insbesondere ihre Ordnungsgemäßheit, ihren Zeitpunkt und ihre Mitteilung, sowie die ihm günstige Tatsache, dass das Widerrufsrecht erloschen ist.1926) 2.

Verbraucher/Existenzgründer

Verbraucher bzw. Existenzgründer haben die Beweislast für:

2.1489

x

das Eingreifen des Widerrufsrechts, insbesondere auch für die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners und die eigene Qualifikation als Verbraucher/ Existenzgründer;1927)

x

die Ausübung des Widerrufsrechts (Inhalt, fristgerechte Absendung, Form) und den Zugang der Widerrufserklärung beim Unternehmer.

___________ 1924) Staudinger-Kaiser, BGB, § 355 Rz. 38. 1925) Siehe unten § 25 X 1 m. w. N. 1926) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 107. 1927) BGH, Urt. v. 30.9.2009 – VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780 = ZIP 2010, 334.

479

§ 25 Widerruf

X.

Folgen des Widerrufs

1.

Rechtsnatur

2.1490 Das Widerrufsrecht ist ein Gestaltungsrecht und damit eine rechtsvernichtende Einwendung,1928) die von Amts wegen zu beachten ist. Liegt bereits ein wirksamer Vertrag vor, so erlöschen mit Erklärung des Widerrufs die vertraglichen Leistungspflichten. Hat der Verbraucher bis zum Widerruf nur ein Angebot zum Vertragsschluss gemacht, endet seine Pflicht zum Abschluss des Vertrages. 2.

Wirkung

2.1491 Nach dem Konzept der schwebenden Wirksamkeit ist ein Vertrag, für den ein Widerrufsrecht besteht, bis zur Ausübung des Widerrufsrechts schwebend wirksam, verbunden mit einem einseitigen Auflösungsrecht mit ex-nuncWirkung (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB „nicht mehr gebunden“).1929) Die primären gegenseitigen Leistungspflichten entfallen ex nunc, soweit diese bis zum Zeitpunkt des wirksamen Widerrufs noch nicht erfüllt sind.1930) Insbesondere wirkt der Widerruf nicht dinglich. Er hebt weder den Vertrag noch etwaige Verfügungen auf, sondern beendet lediglich die beiderseitigen primären Leistungspflichten. 3.

Beiderseitige Erfüllungsansprüche etc. vor Fristablauf

2.1492 Die Bindung beider Vertragsparteien (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB „… und der Unternehmer“) tritt nicht erst mit Ablauf der Widerrufsfrist, sondern unmittelbar mit Vertragsschluss ein (§ 271 Abs. 1 BGB), vorbehaltlich des Lösungsrechts des Verbrauchers durch fristgerechten Widerruf. Die Erfüllungspflicht gilt auch zu Lasten des Verbrauchers. Damit sind sämtliche Ansprüche, also Primäransprüche (Erfüllungsansprüche) sowie Sekundäransprüche (Schadensersatzansprüche), gegeneinander vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an gegeben, solange der Widerruf nicht erklärt worden ist. 4.

Leistungsverweigerungsrecht

2.1493 a) Unternehmer. aa) Grundsatz. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers begründet für den Unternehmer grundsätzlich kein Leistungsverweigerungsrecht.1931)

___________ 1928) BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 220/10, BGHZ 189, 196 = NJW 2011, 2278 = ZIP 2011, 1317. 1929) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60. 1930) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/09, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656; OLG Koblenz, Urt. v. 9.1.2006 – 12 U 740/04, NJW 2006, 919. 1931) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 18.

480

XI. Widerrufserstreckung

bb) Abbedingung. Hinsichtlich einer Vertragsklausel des Inhalts, dass der Ge- 2.1494 tränkelieferant seine vertraglich geschuldete Leistung erst erfüllt, wenn die Widerrufsfrist verstrichen ist und feststeht, dass der Vertrag zur Durchführung gelangt, (Leistungsvorbehalt), bestehen keine Bedenken. Sie ist bei Getränkelieferungsverträgen üblich. Ihre Zulässigkeit ergibt sich aus § 308 Nr. 1 Halbs. 2 BGB.1932) Ein Verstoß gegen § 512 Satz 1 BGB liegt darin nicht. b) Verbraucher. Dem Verbraucher steht nach zutreffender Ansicht bis zum 2.1495 Ablauf der Widerrufsfrist kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Sein Widerrufsrecht gibt ihm keine dilatorische Einrede, solange er davon keinen Gebrauch macht.1933) Ist dem Verbraucher allerdings noch keine Widerrufsbelehrung erteilt worden, so kann er ein Leistungsverweigerungsrecht auch auf seinen Anspruch auf Aushändigung einer Widerrufsbelehrung stützen. XI.

Widerrufserstreckung

1.

Einführung

Folgeprobleme bringt der wirksame Widerruf einer Bezugsverpflichtung immer 2.1496 dann mit sich, wenn diese in einen Gesamtzusammenhang mit weiteren, ihrerseits nicht unter das Verbraucherkreditrecht fallende gegenseitige Rechte und Pflichten eingebettet ist. So bei gemischten Verträgen wie Getränkelieferungsverträgen insbesondere dann, wenn der Vertrag nur hinsichtlich des bezugsrechtlichen oder des kreditrechtlichen Teils widerruflich ist.1934) Dann fragt es sich, ob das Widerrufsrecht sich auf den ganzen Vertrag oder nur auf den in § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB genannten Teil bezieht. Es besteht Einigkeit, dass nur die Teile des Vertrages von dem Widerruf erfasst werden, die kreditrechtlicher oder kreditähnlicher Natur i. S. d. § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB sind.1935) 2.

Sonderfall des verbundenen Geschäftes

In der Situation des verbundenen Geschäfts sind die Regelungen des § 358 2.1497 Abs. 1 und 2 BGB vorrangige Spezialvorschriften zu § 139 BGB.1936) Soweit dies im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen ausnahmsweise der Fall ist,1937) ist wie folgt zu unterscheiden: Wird der bezugsrechtliche Teil des ___________ 1932) Staudinger-Kaiser, BGB, § 355 Rz. 26. 1933) MünchKomm-Fritsche, BGB, § 355 Rz. 39. 1934) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 46. 1935) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106 (Grundstückskaufvertrag und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124 (Darlehensvertrag und Getränkelieferungsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1992, 1224. 1936) NK-BGB/Faust,§ 139 Rz. 14. 1937) Dazu Grziwotz, MittBayNot 1993, 263.

481

§ 25 Widerruf

Getränkelieferungsvertrages (zu Recht) widerrufen, so erstreckt sich die Widerrufswirkung gem. § 358 Abs. 1 BGB auf einen damit verbundenen Darlehensvertrag. Insofern ist zu beachten, dass die Vorschrift in der seit dem 4.8.2011 geltenden Fassung nicht mehr von „Verbraucherdarlehen“, sondern nur noch von „Darlehen“ spricht. Gleiches gilt in der Situation der Inventarvorfinanzierung gem. §§ 507, 506 Abs. 1, 358 Abs. 1 BGB. Ggf. ist § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB heranzuziehen.1938) Widerruft der Gastwirt einen Verbraucherdarlehensvertrag, so folgt die Widerrufserstreckung (gesamtwirkung) auf den Getränkelieferungsvertrag (im engeren Sinne) aus § 358 Abs. 2 BGB.1939) Gleiches ist anzunehmen, wenn das finanzierte Geschäft notariell beurkundet ist.1940) 3.

Getränkelieferungsverträge und § 139 BGB

2.1498 a) Abgrenzung. Wird die bezugsrechtliche Komponente eines einheitlichen (gemischten) Getränkelieferungsvertrages (zu Recht) widerrufen, so scheidet ein Einwendungsdurchgriff nach § 358 Abs. 1 BGB mangels Vorliegens eines verbundenen Vertrages aus.1941) 2.1499 b) Grundlagen. Das Gesetz enthält keine Regelung für die Bewertung gemischter Verträge. Die Wirksamkeit der übrigen, nicht widerrufenen Vertragsteile richtet sich auch bei gemischten Verträgen grundsätzlich nach § 139 BGB.1942) 2.1500 Die Unwirksamkeit eines Vertragsteils führt im Zweifel nach § 139 BGB zur Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt (Gesamtwirkung), wenn nach dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien und ihrer Interessenlage davon auszugehen ist, dass Leistung und Gegenleistung in einem untrennbaren Verhältnis zueinander stehen. Auch Gestaltungsrechte, wie insbesondere Rücktritt und Kündigung, wirken sich in der Regel auf die Vertragseinheit aus.1943) Etwas anderes gilt, wenn die Parteien hierüber eine abweichende vertragliche Regelung getroffen haben. 2.1501 Allerdings dürfte insofern die Besonderheit bestehen, dass wegen des Verbraucherschutzzwecks entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB in richtlinien___________ 1938) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 9. 1939) Vgl. hierzu aus der allgemeinen Rechtsprechung BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/09, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 1940) BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 165, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940, zu einem finanzierten Geschäft in der Situation des § 312b BGB. 1941) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 16. 1942) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105. Zum objektiven Teilwiderruf siehe oben § 25 VI 8 m. w. N. 1943) BGH, Urt. v. 30.4.1976 – V ZR 143/75, NJW 1976, 1931.

482

XI. Widerrufserstreckung

konformer Auslegung ggf. vom Fortbestand des Vertrages im Übrigen auszugehen sein könnte.1944) c) Salvatorische Erhaltungsklausel. Zu beachten ist, dass die Bestimmung des 2.1502 § 139 BGB durch eine salvatorische Klausel, nach der die Unwirksamkeit einzelner Regelungen die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt, zulässigerweise abbedungen worden sein kann, wenn auch nicht stets und zwingend abbedungen sein wird.1945) Allerdings kann ein Vertrag trotz salvatorischer Klausel gem. § 139 BGB insgesamt nichtig sein, wenn eine wesentliche Vertragsbestimmung unwirksam ist und durch die Teilnichtigkeit der Gesamtcharakter des Vertrages verändert werden würde.1946) Auf Vertragsbestimmungen, die den Leistungsumfang, hier Bezugsverpflichtung, festlegen, kann daher eine salvatorische Klausel nicht angewandt werden, wenn der nichtige Teil eines Vertrages dem übrigen Teil des Rechtsgeschäfts den Boden entzieht. Das ist dann der Fall, wenn die widerrufene Bezugsverpflichtung nicht ersetzt werden kann.1947) d) Treu und Glauben. Die Berufung des Widerrufenden auf die Rechtswir- 2.1503 kungen des § 139 BGB kann in Bezug auf einen Pachtvertrag gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen.1948) e) Revisibilität. Ob ein i. S. d. § 139 BGB einheitliches Rechtsgeschäft vor- 2.1504 liegt, hat der Tatrichter danach zu beurteilen, ob die Vereinbarungen inhaltlich so eng miteinander verbunden waren, dass sie nach dem Willen der Vertragsparteien miteinander stehen und fallen sollten.1949) f) Praxishinweis. Die Getränkebezugsverpflichtung steht mit den finanziellen 2.1505 Leistungen des Getränkelieferanten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Wird ein Teil des Schuldverhältnisses i. w. S. widerrufen, so dürfte dies regelmäßig zur Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt führen (Gesamtwirkung). Eine Aufrecht___________ 1944) Vgl. auch BGH, Urt. v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, ZIP 1992, 933, zu der Frage, ob die Bestimmung des § 306 Abs. 1 BGB nach dem VerbrKrG widerrufene Willenserklärungen überhaupt erfasst und nicht jedenfalls dann unanwendbar ist, wenn anderenfalls § 139 BGB zum Nachteil des Kunden verdrängt und damit der Schutzzweck des § 306 Abs. 1 BGB gefährdet würde; BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105. 1945) BGH, Urt. v. 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, NJW 1996, 793; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1946) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347 = ZIP 2003, 126; BGH, Urt. v. 15.3.2010 – II 84/09, NJW 2010, 1660 ZIP 2010, 925; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1947) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1948) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.1999 – 24 U 26/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1949) BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 51/82, NJW 1983, 2027 = Zeller III, 39; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593.

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§ 25 Widerruf

erhaltung des Getränkelieferungsvertrages nach dem hypothetischen Parteiwillen wird im Regelfall ausscheiden, weil die mit dem Teilwiderruf einhergehende Änderung des Vertragsgefüges für den Getränkelieferanten nicht hinnehmbar wäre. Im Zweifel sind damit auch die sonstigen Vertragsbestandteile des Getränkelieferungsvertrages nach erfolgtem Widerruf unwirksam.1950) 2.1506 g) Folgen. Die Aufteilung eines gemischten Vertrages in einen widerrufsfähigen Teil und einen regelmäßig nichtigen Rest, kann dazu führen, dass derselbe Vertrag teils nach § 357 BGB, teils bereicherungsrechtlich (§ 812 BGB) abzuwickeln wäre.1951) Eine solche gespaltene Rückabwicklung ist durchführbar, wenn das Entgelt auf die Leistungsteile aufgeschlüsselt werden kann.1952) Schwierig wird es, wenn die Entgeltteile nicht zugeordnet werden können. 4.

Sachliche Reichweite des Widerrufs

2.1507 a) Eine Gesamtwirkung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die tatrichterliche Würdigung ergibt, dass der Bindende dem Gebundenen das Darlehen nicht gewährt hätte, wenn dieser nicht als Gegenleistung die Bezugsverpflichtung eingegangen wäre. Da die ausschließliche Getränkebezugsverpflichtung Gegenleistung des Gebundenen für das finanzielle Engagement des Getränkelieferanten ist, stehen beide Elemente im Synallagma. Eine Nichtigkeit des die Getränkelieferung regelnden Vertragsteils hat daher grundsätzlich die Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts zur Folge (§ 139 BGB).1953) 2.1508 b) Bei der Vereinbarung einer Getränkebezugspflicht unter gleichzeitigem Abschluss etwa eines Pachtvertrages über die Absatzstätte wird oft die Annahme nahe liegen, dass kein Teil ohne den anderen vorgenommen sein würde;1954) dies jedenfalls dann, wenn der Getränkelieferant Zwischenpächter ist.1955) War die ___________ 1950) BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1951) Siehe unten § 25 XIII m. w. N. 1952) BGH, Urt. v. 3.10.1973 – VIII ZR 181/72, NJW 1973, 2200. 1953) BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 – 3 O. 63/11. 1954) BGH, Urt. v. 8.10.1990 – VIII ZR 176/89, ZIP 1990, 1406; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.10.1996 – 24 U 189/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.3.1999 – 24 U 26/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1955) OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673.

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XI. Widerrufserstreckung

pachtweise Überlassung der Absatzstätte nicht widerruflich, sondern lediglich nach § 139 BGB unwirksam, dann ist der Pachtvertrag mit dem Widerruf der Bezugspflicht von Anfang an unwirksam.1956) c) In der Regel ist wohl davon auszugehen, dass der Vermieter den Mietvertrag 2.1509 nicht ohne Übernahme des Getränkebezugsrechts abgeschlossen hätte, jedenfalls dann, wenn er sich ansonsten gegenüber einem Getränkelieferanten schadensersatzpflichtig gemacht hätte.1957) d) Ob im Falle des Widerrufs nicht nur die Bezugsverpflichtung isoliert weg- 2.1510 fällt, sondern auch der Grundstückskaufvertrag hinfällig wird, ist an § 139 BGB zu messen.1958) e) Zu Gaststättenpacht- und Inventarkaufverträgen vergleiche das OLG Celle 2.1511 in seinem Urteil vom 1.6.1999.1959) f) Bei Verbindung einer Bezugsverpflichtung mit einer Sicherungsdienstbar- 2.1512 keit i. S. d. §§ 1018, 1019, 1090 BGB, die ein Getränkevertriebsverbot für andere Marken enthält, gilt ebenfalls § 139 BGB.1960) g) Ist bei Abschluss eines Getränkebezugs- und Darlehensvertrages auf dem 2.1513 Gaststättengrundstück zugunsten des Getränkelieferanten eine Grundschuld „als Sicherheit für sämtliche Verpflichtungen aus diesem Vertrag“ eingetragen worden, so hängt nach Widerruf der Bezugsverpflichtung und Wegfall der Darlehensvereinbarung gem. § 139 BGB der Anspruch auf Löschung der Grundschuld von der – vom Tatrichter zu treffenden – Feststellung ab, ob die Grundschuld auch der Sicherung der Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistungen dienen sollte.1961) 5.

Einzelkaufverträge über die Lieferung von Getränken

a) Keine Rückwirkung. Die Einordnung des Getränkelieferungsvertrages als 2.1514 Rahmenvertrag1962) hat zur Folge, dass die Nichtigkeit des Vertrages, etwa nach § 138 Abs. 1 oder § 307 Abs. 1 BGB, oder hier der Widerruf des Getränkelieferungsvertrages nicht etwa unmittelbar auf die über die Lieferung von Getränken abgeschlossenen Einzelkaufverträge durchschlagen. Zutreffend hat der BGH ___________ 1956) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.2002 – 24 U 167/01, BeckRS 2002, 30271254. 1957) OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 1958) BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243. 1959) OLG Celle, Urt. v. 1.6.1999 – 2 U 227/98, NJW-RR 2000, 873. 1960) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441. 1961) BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124. 1962) Siehe oben § 2 III 2 m. w. N.

485

§ 25 Widerruf

entschieden, dass der Getränkelieferungsvertrag (als Rahmenvertrag) und die bereits vollzogenen Einzelkaufverträge kein einheitliches Rechtsgeschäft i. S. d. § 139 BGB bilden. Insofern besteht in der Regel nur ein eingeschränktes Abhängigkeitsverhältnis. Daher scheidet eine Rückabwicklung der Einzelkaufverträge bei Nichtigkeit oder im Falle des Widerrufs aus.1963) § 357 Abs. 1 sowie § 357c Satz 1 BGB greifen nicht, weil sie nur die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages regeln. 2.1515 Der Widerruf der Bezugsverpflichtung und damit des Rahmenvertrages lässt folglich ebenso wie die Nichtigkeit des Getränkelieferungsvertrages bereits abgewickelte Liefer-/Kaufverträge unberührt. Die Parteien setzen mit jedem in Erfüllung der Bezugsverpflichtung abgeschlossenen Einzelkaufvertrag einen eigenständigen Rechtsgrund für den Austausch der jeweiligen beiderseitigen Leistungen. Dieser begründet für beide Vertragspartner das Recht, die Leistung des anderen einschließlich eines darin enthaltenen Gewinns zu behalten. Die gegenteilige Ansicht geht auch über den Zweck des Verbraucherkreditrechts (damals AbzG) hinaus, das den Käufer nur vor wiederkehrenden zukünftigen Zahlungspflichten schützen will und deshalb den Widerruf und die Rückabwicklung selbst eines zunächst widerruflichen Vertrages ausschloss, wenn die beiderseits geschuldeten Leistungen erbracht seien (§ 1b Abs. 2 Satz 5 AbzG).1964) Dies gilt auch für den Fall, dass die Belieferung der Absatzstätte nicht zu marktüblichen Preisen erfolgt ist.1965) 2.1516 b) Ausnahmen. Einzelkaufverträge können im Übrigen nur dann unwirksam sein, wenn sie mit dem Rahmenvertrag ein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, also nach dem Parteiwillen miteinander stehen und fallen sollten. Folge wäre dann eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang reicht dafür aber nicht aus.1966) Ein Indiz gegen die Annahme der Einheitlichkeit ist insbesondere, dass bei Abschluss des Rahmenvertrages noch nicht absehbar ist, in welchem Umfang Lieferverträge im Laufe der Geschäftsbeziehung geschlossen werden. 2.1517 Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage der Einzelkaufverträge durch den Widerruf der Bezugsverpflichtung könnte allenfalls insoweit in Betracht kommen, als der Verbraucher die erworbenen Sachen noch in Besitz hat und ihm eine Verwertung nach dem Wegfall der Bezugsverpflichtung nicht zumutbar ist.1967) ___________ 1963) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 1964) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; BGH, Urt. v. 23.7.1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304. 1965) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 1966) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108. 1967) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593.

486

XII. Konsequenezen für den Getränkelieferungsvertrag im Übrigen

c) Künftige Verträge. Die Verpflichtung zum künftig fällig werdenden Bezug 2.1518 und damit zum Abschluss von Kaufverträgen über Getränke entfällt. Der Widerrufende ist von künftigen Abnahme- und Leistungspflichten befreit. d) Umgekehrte Situation. Die Unwirksamkeit oder Fehlerhaftigkeit eines 2.1519 Einzelvertrages im Anwendungsbereich eines Rahmenvertrages berührt nicht die Wirksamkeit des Rahmenvertrages. Ob eine Vertragsverbindung gewollt ist, hat die Auslegung zu ergeben.1968) Die Niederlegung der Verträge in einer Urkunde ist ein gewichtiges Indiz bzw. eine widerlegliche Vermutung für eine gewollte Einheit.1969) Die Niederlegung in getrennten Urkunden begründet dagegen die Vermutung, dass keine Einheit beabsichtigt ist.1970) Lässt sich eine vertragliche Einheit nicht feststellen, kommt immerhin noch in Betracht, dass der eine Vertrag Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) für den anderen ist.1971) 6.

Personale Reichweite

Wurde der Getränkelieferungsvertrag fristgerecht widerrufen, so sind sowohl 2.1520 der bzw. die Verbraucher/Existenzgründer als auch der Getränkelieferant an ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB).1972) Die Fragen, ob der Vertrag mit einem anderen Gesamtschuldner, der nicht widerrufen hat, bestehen bleibt, sowie nach der Sinnhaftigkeit personaler Durchschlagsklauseln dürften sich damit nicht mehr stellen.1973) XII. Konsequenezen für den Getränkelieferungsvertrag im Übrigen 1.

Einführung

Ergibt die Auslegung, dass der Widerruf des bezugsrechtlichen Teils auf den 2.1521 Getränkelieferungsvertrag im Übrigen durchschlägt (Gesamtwirkung),1974) so fragt es sich, ob und wenn ja, welchen Konsequenzen für den Vertrag im Übrigen die Folge sind. Dargestellt werden soll dies am praktisch besonders relevanten Fall des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages.

___________ 1968) BGH, Urt. v. 10.1.1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442. 1969) BGH, Urt. v. 22.5.1970 – V ZR 130/67, NJW 1970, 1414; BGH, Urt. v. 9.7.1992 – IX ZR 209/91, NJW 1992, 3237. 1970) BGH, Urt. v. 20.11.1953 – V ZR 124/52, NJW 1954, 308; BGH, Urt. v. 14.7.1961 – VIII ZR 57/60, NJW 1961, 1764. 1971) BGH, Urt. v. 23.2.1977 – VIII ZR 124/75, NJW 1977, 848. 1972) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60. 1973) Zur Altrechtslage vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1606 f. m. w. N. 1974) Siehe oben § 25 XI m. w. N.

487

§ 25 Widerruf

2.

Anspruchsgrundlage

2.1522 Steht und fällt der nicht widerrufene Vertrag(-steil) mit dem widerrufenen Vertrag(-steil) i. S. d. § 139 BGB (Gesamtwirkung), so wird der mitfallende, nicht widerrufene Vertrag(-steil), insbesondere der Finanzierungsteil, nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) rückabgewickelt.1975) Die allgemeinen Vorschriften der §§ 812 ff., 819 Abs. 1, 818 Abs. 2 – 4, 292, 987 ff. BGB – und ggf. § 816 Abs. 1 BGB bei anderen Vertragsverhältnissen – erlauben hier einen sachgerechten Interessenausgleich.1976) Es findet also im Ergebnis eine gespaltene Rückabwicklung, sei es nach § 357c BGB, sei es nach Bereicherungsrecht, statt. 3.

Ansprüche des Darlehensgebers

2.1523 a) Der Darlehensnehmer hat die Nettodarlehenssumme empfangen und muss diese, soweit das Darlehen noch valutiert, an den Darlehensgeber herausgeben. Zurückzuzahlen ist unstreitig der noch nicht getilgte bzw. sonst zurückgeführte Teil des Darlehens. Dies gilt auch bei Abschreibungs-/Rückvergütungsdarlehen. Die bei Abschreibungsfinanzierungen übliche Tilgungsbestimmung schließt es aus, die sich aus dem Getränkebezug ergebenden Abschreibungsbeträge nachträglich auf die Zinsforderungen zu verrechnen. 2.1524 b) Zinsen. Zwar besteht ein allgemeiner Anspruch auf Entschädigung für die Nutzung des Vertragsgegenstandes seit dem 13.6.2014 nicht mehr. Im Sonderfall des Darlehens hat der Getränkelieferant als Darlehensgeber aber gegen den Verbraucher nach § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB einen Anspruch auf den Vertragszins (vereinbarten Sollzins) für die Zeit zwischen Auszahlung (Valutierung) und Rückzahlung des Darlehens, ggf. bis zum Eintritt des Verzuges. Dies gilt auch dann, wenn der Wert der Nutzungsmöglichkeit für den Verbraucher niedriger war.1977) 2.1525 Auf die noch offene Darlehensvaluta sind Zinsen zu entrichten. Ob und in welchem Umfang die §§ 812, 818 BGB einen Zinsanspruch des Getränkelieferanten für die Zeit rechtfertigen, in der ihm das Kapital ohne Rechtsgrund vorenthalten wird, ließ der BGH in dem vorgenannten Urteil ausdrücklich offen. Zu ersetzen ___________ 1975) BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 51/82, NJW 1983, 2027 = Zeller III, 39; BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 11.3.1988 – V ZR 27/87, NJW 1988, 3011; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 8.10.1990 – VIII ZB 176/89, NJW 1991, 105; BGH, Urt. v. 26.10.1990 – V ZR 22/89, BGHZ 112, 376 = NJW 1991, 917 = Zeller IV, 106; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, NJW 1995, 922 = ZIP 1995, 105; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; BGH, Urt. v. 5.11.1997 – VIII ZR 351/96, NJW 1998, 540; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1976) BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 51/82, NJW 1983, 2027 = Zeller III, 39; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124. 1977) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 224.

488

XII. Konsequenezen für den Getränkelieferungsvertrag im Übrigen

sind aber jedenfalls die aus dem Kapital tatsächlich gezogenen Nutzungen. Dabei besteht eine Vermutung dafür, dass Nutzungen im Wert der sonst üblicherweise zu zahlenden Zinsen gezogen worden sind, wenn das Kapital, wie etwa bei dessen Einsatz als Betriebsmittel, in einer Art und Weise verwendet worden ist, die nach der Lebenserfahrung einen bestimmten wirtschaftlichen Vorteil erwarten lässt.1978) 4.

Ansprüche des Darlehensnehmers

a) Der Verbraucher hat gegen den Unternehmer gem. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB 2.1526 Anspruch auf Rückgewähr von Geldleistungen, die er zur Erfüllung des widerrufenen Vertrages an den Unternehmer erbracht hatte. Empfangene Leistungen auf Seiten des Darlehensgebers sind die vom Darlehensnehmer entrichteten Tilgungs- und Zinszahlungen sowie etwaige Anzahlungen.1979) Der Darlehensnehmer kann daher nach Widerruf die aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Tilgungs- und Zinsleistungen zurückfordern. b) Überlassungsvergütung. Umstritten war nach der bis zum 12.6.2014 gel- 2.1527 tenden Rechtslage, ob der Darlehensgeber eine Überlassungsentschädigung für die an ihn geleisteten Tilgungen und Zinsen schuldete.1980) Ein entsprechender Anspruch auf Entschädigung für die Nutzung des Vertragsgegenstands (§ 100 BGB: Gebrauchsvorteil) besteht nicht mehr. Wegen des abschließenden Charakters des § 357 BGB hinsichtlich der widerrufsbedingten Verpflichtung des Verbrauchers (§ 361 Abs. 1 BGB) kann eine solche Verpflichtung auch nicht mehr aus anderen Vorschriften hergeleitet werden. c) Sicherheiten. Zu denken ist an die Rückabtretung gewährter Sicherheiten, 2.1528 etwa der Rechte aus einer Kapitallebensversicherung.1981) Ob Sicherheiten, die vereinbarungsgemäß vom Verbraucher bestellt worden sind, zurückzugewähren sind, richtet sich nach dem Sicherungszweck. Ergibt die Auslegung des Sicherungsvertrages, dass der Sicherungsgegenstand auch Ansprüche des Getränkelieferanten für den Fall des Widerrufs sichern sollte, so ist der Sicherungszweck noch nicht erledigt und die Sicherheit nicht zurückzugewähren.1982) Bezog sich der Sicherungszweck, wohl eher ausnahmsweise,1983) lediglich auf die Ansprüche des Getränkelieferanten für den Fall des endgültigen Wirksamwerdens des Vertrages, ist die Sicherheit zurückzugewähren. Umgekehrt ist dagegen die Si___________ 1978) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 1979) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 1980) Siehe unten § 44 II 3 b m. w. N. 1981) BGH, Urt. v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401 = ZIP 2007, 1200. 1982) BGH, Urt. v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00, NJW 2003, 885 = ZIP 2003, 247. 1983) BGH, Urt. v. 28.10.2003 – XI ZR 263/02, NJW 2004, 1583, 885 = ZIP 2004, 64.

489

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

tuation bei einem Eigentumsvorbehalt, konkret etwa bei einem Kauf- und Getränkelieferungsvertrag. Hier fällt das Besitzrecht des Verbrauchers durch den Widerruf weg (§ 986 Abs. 1 BGB). Damit kann der Getränkelieferant Herausgabe des Gegenstandes verlangen. 5.

Saldierung

2.1529 Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sind Leistung und Gegenleistung zu saldieren, d. h. der Bereicherungsanspruch ist auf Herausgabe oder Wertersatz des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten gerichtet. 2.1530 Als Aktivposten zugunsten des Getränkelieferanten sind in den bereicherungsrechtlichen Saldo neben der Darlehensforderung die marktüblichen Zinsen1984) für den Betriebsmittelkredit als Wert der aus dem Kapital gezogenen Nutzungen einzustellen. Letzteres unabhängig davon, ob die konkrete Absatzstätte mit geschäftlichem Erfolg geführt wurde. 2.1531 Passivposten zugunsten des Darlehensnehmers sind die tatsächlichen Tilgungsraten, die vereinbarte Abschreibung je hl sowie eine übliche Vergütung für die dem Getränkelieferanten mit dem Abschluss des Liefervertrages eingeräumten Werbemöglichkeiten in und an der Absatzstätte.1985) Die Einräumung der Werbemöglichkeit wird nämlich regelmäßig mit der Darlehensgewährung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Dabei ist auf den Wert der Werbemöglichkeiten und nicht auf den möglicherweise geringeren Wert der von der Brauerei tatsächlich durchgeführten Werbung abzustellen. Welche Werbemöglichkeiten in Betracht kommen, hängt vom jeweiligen Vortrag der Parteien ab.1986) 6.

Darlegung und Beweis

2.1532 Die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang der vom Widerrufenen rechtsgrundlos erlangten Gebrauchsvorteile liegt beim Getränkelieferanten.1987) § 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern I.

Allgemeines

1.

Einführung

2.1533 Am 13.6.2014 trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU1988) (nachfolgend VRRL) in Kraft. Durch vorgenannte Richtlinie ___________ 1984) BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 = NJW 2003, 422 = ZIP 2003, 64; LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 – 3 O. 63/11. 1985) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 1986) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 1987) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1988) ABl. EU L 304/64 vom 22.11.2011.

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§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

tuation bei einem Eigentumsvorbehalt, konkret etwa bei einem Kauf- und Getränkelieferungsvertrag. Hier fällt das Besitzrecht des Verbrauchers durch den Widerruf weg (§ 986 Abs. 1 BGB). Damit kann der Getränkelieferant Herausgabe des Gegenstandes verlangen. 5.

Saldierung

2.1529 Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sind Leistung und Gegenleistung zu saldieren, d. h. der Bereicherungsanspruch ist auf Herausgabe oder Wertersatz des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten gerichtet. 2.1530 Als Aktivposten zugunsten des Getränkelieferanten sind in den bereicherungsrechtlichen Saldo neben der Darlehensforderung die marktüblichen Zinsen1984) für den Betriebsmittelkredit als Wert der aus dem Kapital gezogenen Nutzungen einzustellen. Letzteres unabhängig davon, ob die konkrete Absatzstätte mit geschäftlichem Erfolg geführt wurde. 2.1531 Passivposten zugunsten des Darlehensnehmers sind die tatsächlichen Tilgungsraten, die vereinbarte Abschreibung je hl sowie eine übliche Vergütung für die dem Getränkelieferanten mit dem Abschluss des Liefervertrages eingeräumten Werbemöglichkeiten in und an der Absatzstätte.1985) Die Einräumung der Werbemöglichkeit wird nämlich regelmäßig mit der Darlehensgewährung im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Dabei ist auf den Wert der Werbemöglichkeiten und nicht auf den möglicherweise geringeren Wert der von der Brauerei tatsächlich durchgeführten Werbung abzustellen. Welche Werbemöglichkeiten in Betracht kommen, hängt vom jeweiligen Vortrag der Parteien ab.1986) 6.

Darlegung und Beweis

2.1532 Die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang der vom Widerrufenen rechtsgrundlos erlangten Gebrauchsvorteile liegt beim Getränkelieferanten.1987) § 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern I.

Allgemeines

1.

Einführung

2.1533 Am 13.6.2014 trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU1988) (nachfolgend VRRL) in Kraft. Durch vorgenannte Richtlinie ___________ 1984) BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 = NJW 2003, 422 = ZIP 2003, 64; LG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2011 – 3 O. 63/11. 1985) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 1986) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 1987) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 1988) ABl. EU L 304/64 vom 22.11.2011.

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I. Allgemeines

wurden u. a. die Richtlinien 93/13/EWG und 1999/44/EG geändert und die Richtlinie 85/577/EWG (Haustürwiderrufsrichtlinie) aufgehoben. Den Kern der Richtlinie und der Umsetzung bildet die Neuordnung der Regelungen über die besonderen Vertriebsformen gegenüber Verbrauchern. Das Gesetz stellt den größten Einschnitt ins Vertragsrecht des BGB seit der Schuldrechtsmodernisierung zum 1.1.2002 dar. Neben den Begriffsbestimmungen der Verbraucher und Unternehmer (§§ 13, 14 BGB) bilden die §§ 312 – 312k BGB gleichsam den Allgemeinen Teil des Verbraucherrechts. 2.

Vertriebsformen

Zu den Neuerungen der VRRL gehört es, dass erstmals eine Reihe von Vor- 2.1534 schriften eingeführt wurden, welche für alle Verbraucherverträge ohne Rücksicht auf die konkrete Vertriebsform und damit auch für das sog. das Präsenzgeschäft (= stationärer Handel = innerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge) (§§ 312, 312a BGB) gelten.1989) Hinzutreten Sonderregelungen für den Direktvertrieb d. h. insbesondere für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sowie Fernabsatzverträge (§§ 312b – 312h BGB).1990) 3.

Betroffenheit

Unter Berücksichtigung der im Getränkelieferungsrecht maßgeblichen Ver- 2.1535 triebs- und Vertragssituationen lässt sich vereinfachend und nicht abschließend folgendes Betroffenheitsszenario aufzeigen: a) Getränkelieferungsverträge und andere Verträge. Zu denken ist insbe- 2.1536 sondere an den Abschluss von Getränkelieferungsverträgen mit nicht betreibenden privaten Hauseigentümern, ggf. auch Leihverträge sowie Pacht- und Mietverträge1991), einschließlich etwaiger Schuld- und Vertragsübernahmen. b) Sicherheiten. Das allgemeine Verbraucherschutzrecht kann weiter im Zusam- 2.1537 menhang mit der Absicherung von Gastronomiefinanzierungen dann praktisch werden, wenn nicht aktiv im Geschäft tätige Personen, wie etwa (Ehe-)Partner, Familienangehörige, Gesellschafter oder Geschäftsführer einer GmbH1992), als Drittsicherungsgeber und Verbraucher (§ 13 BGB) auftreten. Zu nennen sind insbesondere die Fälle des Schuldbeitritts, der Bürgschaft, der Garantie, der Abgabe von Schuldanerkenntnissen, an schuldrechtliche Abreden zur Gestellung ___________ 1989) Siehe nachfolgend § 26 II – III. 1990) Siehe nachfolgend § 26 IV – VIII. 1991) Zur Einordnung von Mietveträgen über Wohnraum siehe § 312 Abs. 4 BGB sowie BGH, Urt. v. 17.5.2017 – VIII ZR 29/16, NJW 2017, 2823. Da der Mieter die Wohnung durchweg zuvor besichtigt hat wird, dürfte es sich um einen seltenen Ausnahmefall handeln. 1992) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734.

491

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

von (Grund-)Pfandrechten sowie zur Sicherungsabtretung von Ansprüchen aus Sparguthaben oder von Rückkaufswerten bei Lebensversicherungen. 4.

Anknüpfungspunkt

2.1538 Anders als bei den Vorschriften über den Verbraucherkredit wird nicht der Schutz vor einem für den Verbraucher riskanten Vertragsinhalt bezweckt, sondern auf die besondere Art des Zustandekommens des Vertrages abgestellt.1993) 5.

Temporaler Anwendungsbereich

2.1539 Gem. Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB ist auf vor dem 13.6.2014 (Stichtag) abgeschlossene Verbraucherverträge das bis zu diesem Tag geltende bisherige Recht anzuwenden. Ausnahmen davon enthält Art. 229 § 32 Abs. 2 – 4 EGBGB.1994) 6.

Darlegung und Beweis

2.1540 Der Unternehmer trägt die Beweislast für die Erfüllung der Informationspflichten und damit auch für den Zugang der Widerrufsbelehrung (§ 312k Abs. 2 BGB). Die Beweislastumkehr gilt über den Wortlaut hinaus auch für Rechtsstreitigkeiten mit Dritten, etwa für Unterlassungsansprüche nach §§ 3, 5a, 8 UWG und § 2 UKlaG. II.

Verbrauchervertrag

1.

Persönlicher Anwendungsbereich

2.1541 a) Grundsatz. Zunächst ist nach § 312 Abs. 1 BGB zu prüfen, ob ein Verbrauchervertrag i. S. d. ausdrücklich in Bezug genommenen Vorschrift des § 310 Abs. 3 (vor Nr. 1) BGB vorliegt. Vertragspartner des Unternehmers muss also ein Verbraucher i. S. d. § 13 BGB sein.1995) 2.1542 b) Situation des Hauptschuldners. Im Zusammenhang mit der Bestellung akzessorischer Sicherungsrechte, insbesondere Bürgschaften, durch Verbraucher ist zu beachten, dass es nach der Rechtsprechung des BGH nicht (zusätzlich) auf die Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners ankommt.1996) Die ___________ 1993) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 1994) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 1995) Vgl. hierzu oben § 22 II m. w. N. 1996) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363 (Verpfändung eines Wertpapierdepots); BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18 (Schuldbeitritt). Zur Situation bei der Bürgschaft siehe unten § 52 VII 1 a bb m. w. N.

492

II. Verbrauchervertrag

Bestellung eines Pfandrechts und anderer akzessorischer Sicherungsrechte fällt auch dann unter § 312 Abs. 1 BGB, wenn sie der Absicherung eines gewerblichen Kredits diene.1997) Entgegen der Ansicht des EuGH1998) ist sonach allein entscheidend, ob sich der Vertrag für den Drittsicherungsgeber als ein Verbrauchergeschäft darstellt. Für diese erweiternde Auslegung spricht, dass die Gefahr der Überrumpelung gerade bei gewerblichen Krediten tendenziell größer anzusetzen ist. Ob die Rechtsprechung des BGH nach Inkrafttreten der VRRL und ihrer Umsetzung weiterhin gelten kann, ist zweifelhaft. c) Unternehmer. Vertragsschlüsse mit Unternehmern (§ 14 BGB), etwa tätigen 2.1543 Gastronomen, Getränkefachgroßhändlern oder Automatenaufstellern, fallen damit nicht unter § 312 BGB. Wegen der auf typische Fälle zugeschnittenen Regelungen des allgemeinen 2.1544 Verbraucherschutzrechts kommt es ebenso wie im Zusammenhang mit § 13 BGB nicht darauf an, ob der selbstständig erwerbstätige Kunde im Einzelfall wegen seiner Unerfahrenheit schutzwürdig ist oder den Vertrag in einer konkreten Überrumpelungssituation abgeschlossen hat.1999) d) Existenzgründer. Die Frage, ob das allgemeine Verbraucherschutzrecht auf 2.1545 Existenzgründer anzuwenden ist, dürfte nach geltendem Recht mangels Regelungslücke zu verneinen sein. Zwar bleibt es den Mitgliedstaaten unbenommen, die Vorschriften der VRRL auf von ihr nicht unmittelbar erfasste Bereiche anzuwenden, sei es auf Rechtsanwender, die keine Verbraucher sind, sei es auf andere als die explizit angesprochenen Vertriebsformen oder Vertragstypen. Dagegen steht aber nach geltendem Recht der eindeutige Wortlaut des § 312 BGB mit der Verweisung auf § 310 Abs. 1 (vor Nr. 1) BGB. Im AGB-Recht wird der Existenzgründer zu Recht als Unternehmer eingeordnet.2000) Auch ist der Existenzgründer an sich Unternehmer.2001) In den §§ 312 – 312k BGB findet sich keine § 513 BGB entsprechende Regelung. Der Verweis in § 513 BGB bezieht sich lediglich auf die §§ 491 – 512 BGB. § 510 BGB wurde zwar geändert, allerdings nicht insofern. Aus § 510 Abs. 2 BGB folgt nichts Anderes. e) Vertragsübernahme. Vereinbart ein Verbraucher eine Vertragsübernahme mit 2.1546 einem anderen Verbraucher, insbesondere einem nicht gewerblich tätigen Hauseigentümer oder einem nicht mehr gewerblich handelnden ehemaligen Betreiber, und stimmt der Getränkelieferant als verbleibende Partei zu (§ 415 BGB analog), so fehlt an der von § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB vorausgesetzten gleichzeitigen kör___________ 1997) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363 (Bürgschaft); OLG Koblenz, Urt. v. 29.1.1998 – 11 U 1690/96, NJW-RR 1999, 1178 (Grundschuld). 1998) EuGH, Urt. v. 17.3.1998 – Rs. C-45/96, NJW 1998, 1295 – Dietzinger. 1999) BGH, Urt. v. 4.5.1994 – XII ZR 24/83, NJW 1994, 2759 = ZIP 1994, 1189. 2000) Siehe oben § 4 II 1 m. w. N. 2001) Siehe oben § 22 III 4 b m. w. N.

493

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

perlichen Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers. Nur äußerst ausnahmsweise dürfte § 312k Abs. 1 Satz 2 BGB einschlägig sein. 2.1547 f) Schuldbeitritt. Vereinbart der beitretende Verbraucher den Schuldbeitritt mit dem Urschuldner und handelt dieser auch als Verbraucher, so findet § 312b BGB grundsätzlich keine Anwendung. Allerdings liegt ein Umgehungsgeschäft (§ 312k Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn der Schuldbeitritt vom Gläubiger veranlasst wurde und dieser als Unternehmer handelt.2002) 2.

Vertrag über eine entgeltliche Leistung des Unternehmers

2.1548 a) Grundsatz. Der sachliche Anwendungsbereich der §§ 312 – 312k BGB ist nur dann eröffnet, wenn Gegenstand des Verbrauchervertrages eine entgeltliche Leistung des Unternehmers ist (§ 312 Abs. 1 BGB).2003) Die VRRL sieht die Voraussetzung der Entgeltlichkeit allerdings nicht vor. Die „Leistung“ muss vom Unternehmer kommen, das „Entgelt“ vom Verbraucher. 2.1549 b) Im Wesentlichen unstreitige Voraussetzungen. aa) Voraussetzung ist grundsätzlich, aber nicht zwingend ein gegenseitiger Vertrag. 2.1550 bb) Die Verpflichtung des Verbrauchers muss nicht in einem synallagmatischen Verhältnis i. S. d. § 320 BGB stehen. Vielmehr genügt eine kausale Verknüpfung mit den vom Verbraucher übernommenen Verpflichtungen, etwa das Versprechen des Verbrauchers, eine Leistung an einen Dritten zu erbringen. 2.1551 cc) Rahmenvertrag. Nach der Gesetzesbegründung werden nur Fälle erfasst, in denen sich der Unternehmer zur Lieferung einer Ware oder Erbringung einer Dienstleistung und der Verbraucher zur Zahlung eines Entgelts verpflichtet.2004) Damit dürften auch Rahmenverträge erfasst sein. 2.1552 dd) Auch gemischte Verträge rechnen hierzu, soweit sie entgeltliche Vertragsbestandteile enthalten. 2.1553 ee) Im Übrigen. Unerheblich ist die Natur des Vertrages etwa als Dauerschuldverhältnis oder Sukzessivlieferungsvertrag. 2.1554 c) Vertrag zugunsten Dritter. aa) Wissenserklärung. Möglicherweise fehlt es bei Verträgen zugunsten Dritter dann bereits an einem Vertrag, wenn sich die Erklärung des Verbrauchers nicht als Willenserklärung, sondern lediglich als Wissenserklärung darstellen sollte. Zu denken ist an Bezugsverpflichtungen in Miet- oder Pachtverträgen zugunsten eines Getränkelieferanten. Zweifel an einer Willenserklärung könnte man dann haben, wenn lediglich auf die Vermittlung desselben durch den Getränkelieferanten Bezug genommen wird. Eine Wissenserklärung ist keine widerrufliche Willenserklärung. Die Beweiswirkung einer ___________ 2002) BeckOGK/Henig BGB § 414 Rz. 13. 2003) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 45. 2004) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 45.

494

II. Verbrauchervertrag

bloßen Wissenserklärung kann auch nicht nachträglich mit einem Widerruf beseitigt werden. Die Urkunde begründet unabhängig von einem Widerruf Beweis für die in ihr abgegebenen Erklärungen (§ 415 Abs. 1 ZPO). Die §§ 312 – 312k BGB sind darauf zugeschnitten, den Verbraucher davor zu schützen, dass er unüberlegt oder ohne ausreichende Information rechtsgeschäftliche Verpflichtungen zu seinen Lasten gegenüber Unternehmern übernimmt. Auf bloße Wissenserklärungen sind die Vorschriften ihrem Schutzzweck nach nicht anwendbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 309 Nr. 12 b BGB. bb) Im Übrigen. Ob ein Vertrag zugunsten Dritter, etwa in Pacht- und Miet- 2.1555 verträgen zugunsten eines Getränkelieferanten, als Verbrauchervertrag anzusehen ist, ist noch nicht abschließend geklärt. An sich kommt der Vertrag zwischen zwei Verbrauchern zustande und der Unternehmer (Getränkelieferant) ist am Vertragsschluss nicht beteiligt, sondern nur ein begünstigter Dritter außerhalb des Vertrages. Lediglich dann, wenn die Regelung auf direkte Veranlassung des Unternehmers in den Vertrag einfließt, ließe sich ein Vertrag zwischen Unternehmer (Getränkelieferant) und Verbraucher annehmen. Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, wie der Getränkelieferant die ihm obliegenden Informationspflichten nach EGBGB erfüllen kann, wenn der Vertrag nicht unmittelbar unter seinem Einfluss geschlossen wird. Dagegen lässt sich einwenden, dass von einem „Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“ auch dann gesprochen werden kann, wenn in einem Vertrag zwischen zwei Verbrauchern ein Anspruch zu Gunsten eines Unternehmers begründet wird. Dafür spricht auch, dass der Vertrag zugunsten Dritter eine vertragliche Sonderrechtsbeziehung zu einem Unternehmer schafft. Hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft kommt es auf die Verhältnisse des Verpflichteten und nicht auf die des begünstigten Dritten an, weil der Dritte wegen seines Ablehnungsrechts nach § 333 BGB nicht belastet wird. d) Entgeltlichkeit der Leistung. Da der Begriff des Entgelts richtlinienkon- 2.1556 form weit auszulegen ist, genügt nach h. M. irgendeine (Gegen-)Leistung des Verbrauchers, sofern diese nicht gänzlich fehlt.2005) Eine solche liegt immer dann vor, wenn sich der Verbraucher zu irgendeiner Gegenleistung verpflichtet. Damit sind auch nicht pekuniäre Gegenleistungen des Verbrauchers umfasst, soweit sie einen Marktwert haben. Dies ist nicht nur bei einer Zahlungsverpflichtung anzunehmen, sondern auch dann, wenn der Verbraucher eine Sicherheit leistet. Die Gleichwertigkeit von Leistung und Entgelt ist ohne Bedeutung. Auf die Gleichzeitigkeit von Leistung und Entgelt kommt es nicht an. Ebenso bedarf es nicht einer genauen Bezeichnung des „Entgelts“ (Preis, Lohn, Gebühr, Honorar, Vergütung etc.). ___________ 2005) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13951, S. 72. Enger und mit beachtlichen Argumenten Loewenich, NJW 2014, 1409; ders., WM 2015, 113.

495

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

2.1557 Auch eine Leistung an einen Dritten ist hinreichend.2006) Lediglich Verträge, bei denen überhaupt keine Gegenleistung geschuldet wird, insbesondere also Schenkungsverträge, sind vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.2007) Entscheidend ist, ob der Verbraucher eine Verpflichtung eingeht. 3.

Ausnahmetatbestände nach § 312 Abs. 2 BGB

2.1558 a) Bedeutung. Angesichts des vorstehend skizzierten weiten Anwendungsbereichs der Bestimmung des § 312 Abs. 1 BGB und der sich daraus ergebenden Konsequenzen fragt es sich, ob das allgemeine Verbraucherschutzrecht in den genannten Konstellationen durchweg zu beachten ist. Möglicherweise helfen die Ausnahmebestimmungen nach § 312 Abs. 2 BGB. § 312 Abs. 2 BGB benennt Verträge, die trotz Vorliegens eines Verbrauchervertrages grundsätzlich von den Vorschriften über die Informationspflichten im Direktvertrieb ausgenommen sind. Insofern muss kein Widerrufsrecht eingeräumt werden. 2.1559 b) Umfang. Dabei ist zu beachten, dass kein Vertragstyp gänzlich vom Anwendungsbereich der allgemeinen Pflichten und Grundsätze bei Verbraucherverträgen nach § 312a BGB ausgenommen ist. Auch auf die in § 312 Abs. 2 BGB genannten Vertragstypen bleiben die allgemeinen Pflichten und Grundsätze aus § 312a Abs. 1, 3, 4 und 6 BGB anwendbar. 2.1560 c) Notariell beurkundete Verträge. aa) Grundlagen. Die sich nicht leicht erschließende gesetzliche Regelung ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 BGB, wobei im Rahmen von § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB zunächst zwischen Verträgen über Finanzdienstleistungen (§ 312 Abs. 5 BGB) und sonstigen Verträgen zu unterscheiden ist. 2.1561 bb) Normzweck. Für das Widerrufsrecht besteht in diesen Fällen keine Notwendigkeit, weil die Beurkundung durch den Notar als unabhängigen und unparteiischen Betreuer der Beteiligten erfolgt (§ 14 Abs. 1 BNotO)2008) und daher weiß, welche Risiken mit dem Vertragsabschluss verbunden sind.2009) Hinzu kommt, dass dem Verbraucher regelmäßig zwei Wochen vor der Beurkundung der Vertragstext übermittelt werden muss, damit dieser ausreichend Gelegenheit erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinander zu setzen (§ 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG). Weiter wäre ein Widerrufsrecht gerade bei den hier oftmals wirtschaftlich umfangreichen Geschäften wie beispielsweise Immobilienkaufverträgen angesichts der aufwändigen Rückabwicklung wenig hilfreich. ___________ 2006) BGH, Beschl. v. 7.1.2003 – X ARZ 362/02, NJW 2003, 1190, 845 = ZIP 2003, 2090. 2007) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13951, S. 110. 2008) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 57. 2009) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49.

496

II. Verbrauchervertrag

cc) Freiwillige notarielle Beurkundung. In dem hier interessierenden Zu- 2.1562 sammenhang könnte an eine freiwillige Beurkundung gedacht werden.2010) Dies insbesondere, wenn der geschlossene Vertrag als „sonstiger notariell beurkundeter Vertrag“ eingeordnet werden kann. Voraussetzung ist, dass der Notar darauf hinweist, dass die Informationspflichten des Unternehmers und das Widerrufsrecht des Verbrauchers entfallen (§ 312 Abs. 2 Nr. 1 b Halbs. 2 BGB). Fehlt es hingegen an der Belehrung, so sind die Regeln über Widerrufsrechte grundsätzlich anwendbar. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 BGB lässt das Widerrufsrecht allerdings dann sogleich wieder entfallen. dd) Bloße notarielle Beglaubigungen fallen nicht unter die Ausnahmetatbe- 2.1563 stände. d) Grundstücksverträge. Verträge über die Begründung, den Erwerb oder die 2.1564 Übertragung von Eigentum an Grundstücken i. S. d. § 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB sind sowohl schuldrechtliche Verträge, durch die sich eine Partei zur Übertragung oder zum Erwerb von Grundstückseigentum i. S. d. § 311b Abs. 1 BGB verpflichtet wird, als auch das dingliche Erfüllungsgeschäft. Unter den Begriff der anderen Rechte an Grundstücken sind grundstücksgleiche Rechte (z. B. das Erbbaurecht, § 11 Abs. 1 ErbbauRG), das Wohnungseigentum (§ 1 WEG) sowie beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten wie etwa Grunddienstbarkeiten, Hypotheken und Grundschulden zu fassen. Die Ausnahme gilt dagegen nicht für Verträge, die lediglich eine schuldrechtliche Berechtigung an einem Grundstück zum Gegenstand haben wie etwa Miet- und Pachtverträge. Verträge zur Errichtung von Anbauten sowie zur Instandsetzung bzw. Renovierung von Gebäuden sind ebenfalls nicht erfasst.2011) Die Bereichsausnahme gilt unabhängig davon, ob für den Vertrag eine notariel- 2.1565 le Beurkundung gesetzlich vorgeschrieben ist. Besteht eine gesetzliche Beurkundungspflicht (etwa nach § 311b Abs. 1 BGB), so ist zugleich die Bereichsausnahme aus Abs. 2 Nr. 1 b BGB einschlägig. Die Anwendungsbereiche der Ausnahme aus § 312 Abs. 2 Nr. 1 b und Abs. 2 Nr. 2 BGB überschneiden sich daher weitgehend. Bei zusammengesetzten Rechtsgeschäften können für den nicht grundstücksbezogenen Teil die §§ 312 – 312k BGB anwendbar sein. Bei Grundstücksverträgen, die eine Einheit mit einem Vertrag über eine Finanzdienstleistung bilden, bleiben die in § 312d Abs. 2 BGB genannten Informationspflichten bestehen.2012) e) Bauverträge. Maßgeblich im Rahmen des § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind Um- 2.1566 fang und Komplexität des Eingriffs und das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes. Der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen ___________ 2010) Vgl. BT-Drucks. 17/13951, S. 62. 2011) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 46. 2012) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 46.

497

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

ist im Sinne des Verbraucherschutzes eng auszulegen,2013) sodass hierunter nur solche Umbaumaßnahmen fallen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar sind, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bleibt, nicht dagegen die bloße Instandsetzung oder Renovierung des Gebäudes, wie z. B. der Einbau einer neuen Heizungsanlage.2014) Ob die Vorschriften des Rechts der wesentlichen Bestandteile, etwa § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB, erfüllt sind, ist ohne Bedeutung. 4.

Finanzdienstleistungen

2.1567 a) Inhalt. § 312 Abs. 5 Satz 1 BGB schränkt die Anwendung der §§ 312 – 312h BGB für Dauerschuldverhältnisse über Bankdienstleistungen und wiederkehrende Finanzdienstleistungen ein. Die §§ 312b–312h BGB sind auf Folgevorgänge nicht anwendbar. Die für die erste Vereinbarung noch bestehenden Informationspflichten nach § 312d Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB gelten ebenso wenig wie das Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB. Auf Folgevorgänge anwendbar bleiben gem. § 312 Abs. 5 Satz 2 BGB die Regelungen in § 312a Abs. 1, 3, 4 und 6 BGB. 2.1568 b) Bankdienstleistung. § 312 Abs. 5 Satz 1 Fall 1 BGB spricht Bankdienstleistungen als einen Sonderfall der Finanzdienstleistungen an. Die Vorschrift bezieht sich nur auf Bankdienstleistungen. Aus den Gesetzesmaterialien zum VRRL–UG ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber das bisherige Verständnis ändern wollte. Bei Getränkelieferanten handelt es sich allerdings nicht um Banken, insbesondere benötigen sie für ihre Kreditgeschäfte, hier an Verbraucher, keine Banklizenz. 2.1569 c) Finanzdienstleistung. Eine allgemein gültige Erläuterung des (Ober-)Begriffes „Finanzdienstleistung“ (§ 312 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB) gibt es zwar nicht. Die Sicherheitenbestellung und die Abgabe von Sicherungszweckerklärungen werden aber allgemein nicht als Finanzdienstleistung eingeordnet, wenn sie – wie hier – von Verbrauchern erklärt werden. 2.1570 aa) Verbraucherdarlehen. Da der Begriff der Finanzdienstleistung weit auszulegen ist, umfasst er auch Verbraucherdarlehensverträge (arg. e. § 357a BGB).2015) Allerdings sind die Vorschriften der §§ 312 – 312k BGB nachrangig zum spezielleren Verbraucherkreditrecht (§ 312g Abs. 3 BGB). Dies gilt auch für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.

___________ 2013) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 46. 2014) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 46. 2015) BT-Drucks. 15/2946, S. 19; BGH, Urt. v. 9.4.2002 – IXI 91/99, BGHZ 150, 248 = NJW 2002, 1881 = ZIP 2002, 1075.

498

III. Vorvertragliche Informationspflichten im stationären Handel

bb) Sicherheiten. Vereinbarungen über die Bestellung von Sicherheiten sind 2.1571 keine Finanzdienstleistungen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit Bürgschaften.2016) cc) Im Übrigen. Für wiederkehrende vertragliche Vorgänge, die keine Finanz- 2.1572 dienstleistungen betreffen, sondern etwa die Lieferung einer Ware, z. B. aufeinander folgende Getränkelieferungen, gelten die Erleichterungen hinsichtlich der Informationspflichten und des Widerrufsrechts nicht.2017) Allerdings fehlt es in dieser Phase der Zusammenarbeit an der Verbrauchereigenschaft. d) Konsequenzen. Zu den Konsequenzen bei der Einordnung als Finanzdienst- 2.1573 leistung gehört u. a., dass: x

nach § 312d Abs. 2 BGB weitergehende vorvertragliche Informationspflichten mit dem Pflichtenkatalog des Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 19 EGBGB (Art. 246b § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB) bestehen;

x

auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts belehrt werden muss (§ 312d Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB);

x

die AGBs des Unternehmers mitzuteilen sind (Art. 246b § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB);

x

für die Widerrufsbelehrung das Muster der Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB heranzuziehen ist;

x

das Widerrufsrecht nicht erlischt (§ 356 Abs. 3 Satz 3 BGB);

x

Besonderheiten hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Widerruf bestehen (§ 357a BGB).

III.

Vorvertragliche Informationspflichten im stationären Handel

1.

Geltungsbereich

Für jeglichen in den Anwendungsbereich der § 312 Abs. 1 BGB fallenden Ver- 2.1574 brauchervertrag gelten im stationären Handel (§ 312a Abs. 2 Satz 3 BGB) umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten (§ 312a Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 1 Nr. 1 – 8 und ggf. auch nach Abs. 3 Nr. 1 – 4 EGBGB), sofern keine weitergehenden, spezielleren Regelungen (Informationspflichten nach § 312d BGB i. V. m. Art. 246a, 246b EGBGB) eingreifen und sofern die Verträge nicht einem speziellen Informationsregime (AGV-Verträge (§ 312d BGB), Verbraucherdarlehensverträge (§ 491a BGB)) unterliegen.2018)

___________ 2016) Siehe unten § 52 VI 1 b m. w. N. So auch der BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148, für den Schuldbeitritt. 2017) BeckOGK/Busch BGB § 312 Rz. 87.1. 2018) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312a Rz. 3.

499

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

2.

Information

2.1575 a) Zeitpunkt. Die Identität und der geschäftliche Zweck müssen zu Beginn des Gesprächs und damit vor Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers zum Vertragsschluss mitgeteilt werden (§ 312a Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 1 vor Nr. 1 EGBGB). Dem Verbraucher muss in zumutbarerer Weise die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Informationen eingeräumt werden, bevor er seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung abgibt. Ob es sich bei seiner Willenserklärung rechtstechnisch um das Angebot oder die Annahme handelt ist unerheblich. 2.1576 b) Rechtzeitigkeit. Das allerdings nicht ausdrücklich im Gesetzestext genannte Kriterium der Rechtzeitigkeit der Information folgt aus Sinn und Zweck. Der Unternehmer soll den Verbraucher nicht dadurch unter Druck setzen können, dass er z. B. die Gültigkeitsdauer seines Angebots so kurz bemisst und dem Verbraucher die notwendigen Informationen erst so spät übermittelt, dass diesem keine angemessene Zeit für eine Entscheidungsfindung bleibt. Eine Mindestfrist lässt sich aber weder aus dem Gesetz noch aus der VRRL ableiten.2019) Die Informationen müssen dem Verbraucher jedenfalls so rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, dass er sie vor Abgabe seiner Willenserklärung in zumutbarer Weise zur Kenntnis nehmen und eine informierte Vertragsentscheidung treffen kann. Ob der Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und die Informationen tatsächlich zur Kenntnis nimmt, liegt nicht in der Verantwortung des Unternehmers. 3.

Transparenzgebot

2.1577 Für alle vom Unternehmer geschuldeten Informationen gilt das Transparenzgebot.2020) Dies folgt aus der Formulierung „klar und verständlich“ in Art. 246 Abs. 1 vor Nr. 1 EGBGB. Eine Pflicht zur Hervorhebung gesteht dagegen nicht.2021) 4.

Sprache

2.1578 Ist Deutsch Verhandlungssprache und untersteht der Vertrag deutschem Recht, sind die Informationen in Deutsch zu erteilen.2022) Im Übrigen darf sich der Unternehmer darauf verlassen, dass derjenige Verbraucher, der sich auf eine bestimmte Sprache als Verhandlungssprache einlässt, auch die Informationen nach Art. 246a EGBGB in dieser Sprache versteht. ___________ 2019) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 3. 2020) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 4. 2021) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856. 2022) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 4.

500

III. Vorvertragliche Informationspflichten im stationären Handel

5.

Vorvertragliche Informationspflichten

a) Allgemeines. § 312a Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB 2.1579 führen erstmalig einen acht Punkte umfassenden Katalog an allgemeinen vorvertraglichen Informationspflichten für Verbraucherverträge ein, die weder im Fernabsatz noch außerhalb von Geschäftsräumen und damit im stationären Handel geschlossen werden. Die Formulierung in Art. 246 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 EGBGB „sofern sich diese Informationen nicht aus den Umständen ergeben“ schränkt die Informationsverpflichtung allerdings auf Angaben ein, die für den konkreten Vertrag relevant sind oder die sich nicht bereits aus dem Vertragsinhalt ergeben. b) Identität und Anschrift des Unternehmers. Der Umfang der Pflicht zur 2.1580 Offenlegung der Identität nach Art. 246 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ist im Einzelnen streitig. Wer nichts falsch machen möchte, sollte den Namen (Firma, § 17 Abs. 1 HGB) des Unternehmens, bei Handelsgesellschaften die Rechtsform, die Identität des Anrufers, d. h. des Mitarbeiters, der den Anruf tätigt, sowie die Person, in deren Auftrag der Anruf erfolgt, angeben. Weitergehende Informationen, insbesondere die Adresse des Unternehmers, müssen in dieser Phase der Kontaktaufnahme noch nicht mitgeteilt werden. Eine ladungsfähige Anschrift (§§ 253 Abs. 2 Nr. 1, 130 Nr. 1 ZPO) des Ortes ist anzugeben. Eine Postfachanschrift genügt nicht, wie sich aus Art. 246 Abs. 3 Nr. 3 EGBGB ausdrücklich ergibt.2023) Ist der Unternehmer eine juristische Person, OHG oder KG, muss er unter Umständen auch Namen und ladungsfähige Anschrift eines Vertretungsberechtigten angeben; die Angabe eines Prokuristen oder Generalbevollmächtigten genügt.2024) Ebenfalls anzugeben ist eine Telefonnummer. Nicht zwingend erforderlich ist die Angabe einer E-Mail-Adresse. c) Vertragslaufzeit oder die Bedingungen der Kündigung. Mitzuteilen sind 2.1581 nach Art. 246 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen die Laufzeit des Vertrages und, wenn zur Beendigung eines unbefristeten Vertrages oder sich automatisch verlängernden Vertrages eine Kündigung erforderlich ist, auch die Voraussetzungen für eine Kündigung einschließlich der Dauer der Kündigungsfrist und etwaiger Formerfordernisse für eine Kündigungserklärung, nicht dagegen über die Rechtsfolgen einer Kündigung. Enthält der Vertrag keine Mindestlaufzeit, muss der Unternehmer auch dies mitteilen.2025) Aufzuklären ist lediglich über die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung.2026)

___________ 2023) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 6. 2024) Str., vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 6. 2025) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246 EGBGB Rz. 10. 2026) Erman-Koch, BGB, § 312a Rz. 15.

501

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

6.

Sanktionen bei Verletzung

2.1582 a) Vertragswirksamkeit. Der Vertrag ist – wie immer bei der Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten – wirksam.2027) Die Ausnahmetatbestände des § 312a Abs. 2 – 6 BGB dürften in dem hier interessierenden Zusammenhang keine Bedeutung haben. 2.1583 b) Schadensersatz. Vorrangig ist an die §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu denken.2028) IV.

Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

1.

Schutzzweck

2.1584 Ein Verbraucher, der sich freiwillig in Geschäftsräume eines Unternehmers begibt, ist mental auf eine Verhandlungs- und Vertragsschlusssituation vorbereitet. Er kann sich dieser Situation durch Verlassen der Geschäftsräume relativ einfach entziehen. Anders ist die Situation, wenn der Verbraucher etwa in seiner Privatwohnung aufgesucht. Der Verbraucher soll vor nachteiligen Verträgen geschützt werden, die er möglicherweise unter physischem Druck oder in einem Überraschungsmoment abgeschlossen hat, folglich in einer Situation, in der er sich nicht unbeeinflusst entscheiden konnte. Für die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ist es ohne Belang, ob der Unternehmer seine Vertragserklärung außerhalb seiner Geschäftsräume abgibt.2029) Entscheidend für die Druck- und Überrumpelungsgefahr ist die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer.2030) 2.

Abgrenzung zum Fernabsatzvertrag

2.1585 a) Allgemeines. § 312b BGB setzt eine gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Parteien voraus. Ein Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB) hingegen verlangt einen Vertragsschluss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln. Damit kommt es für die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts nicht nur auf den juristischen Moment des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist vielmehr, dass während des gesamten zeitlichen Kontinuums zwischen Anbahnung und Abschluss des Vertrages kein persönlicher Kontakt zwischen den Vertragsparteien bestanden hat, der es dem Verbraucher ermöglicht hätte, die fernabsatztypische Informationsasymmetrie zu beseitigen. Folglich schließen sich wohl die beiden Vertragsformen in der Regel aus.2031) Ein Konkurrenzproblem besteht danach nicht.2032) ___________ 2027) Palandt-Grüneberg, BGB, Einführung vor Art. 238 EGBGB Rz. 3. 2028) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 51. 2029) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49. 2030) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312b Rz. 5. 2031) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148, konnte offen lassen. 2032) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49.

502

IV. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

b) Konkret. Im hier interessierenden Zusammenhang ist an die Situation zu 2.1586 denken, dass während der Phase der Vertragsanbahnung ein persönlicher Kontakt zwischen den Parteien stattfindet, der Vertrag letztendlich aber über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. Insofern besteht kein Bedarf für die Anwendung der fernabsatzrechtlichen Schutzvorschriften. 3.

Praktische Relevanz

Angesichts der weiten Gesetzesfassung könnten nicht wenige Fälle der Gast- 2.1587 ronomiefinanzierung, einschließlich der Bestellung von (Dritt-)Sicherheiten, aber auch Verträge mit nicht betreibenden Hauseigentümern erfasst sein.2033) 4.

Erweiterter Anwendungsbereich

a) Begrifflichkeit. Die Begriffsbestimmung des § 312b Abs. 1 BGB knüpft 2.1588 erstens mit Ausnahme von § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht ausschließlich an das Vorliegen besonderer, für das Direktvertriebsgeschäft typischer Situationen ab. Vorrangig maßgeblich sind nunmehr die örtlichen Verhältnisse, nur ausnahmsweise wird der situative Kontext berücksichtigt (vgl. § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BGB).2034) b) Bestellte Besuche. Zweitens ist der Anwendungsbereich der Vorschrift auch 2.1589 dadurch erweitert, dass nunmehr ebenfalls Verträge erfasst werden, die anlässlich eines vom Verbraucher bestellten Besuchs des Unternehmers geschlossen werden.2035) c) Negative Umschreibung. Drittens folgt eine Erweiterung des Anwendungs- 2.1590 bereichs insbesondere daraus, dass § 312b BGB den maßgeblichen Ort des Vertragsschlusses negativ umschreibt. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind demnach Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit von Verbraucher und Unternehmer an einem Ort abgeschlossen werden, der „kein Geschäftsraum des Unternehmers“ ist (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) oder bei denen der Verbraucher dort sein verbindliches Angebot abgegeben hat (§ 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB). Damit werden auch Vertragsschlüsse auf „neutralem“ Boden sowie Vertragsschlüsse, die der Verbraucher selbst angebahnt hat, erfasst. d) Weitere Fallgruppen. Viertens erweitern die von § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2.1591 und 3 BGB erfassten Sachverhalte ebenfalls den sachlichen Anwendungsbereich des § 312b BGB.

___________ 2033) Siehe oben § 26 I 3 m. w. N. 2034) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49. 2035) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49.

503

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

5.

Geschäftsräume des Unternehmers

2.1592 a) Anforderungen. Entscheidend ist, ob der fragliche Raum rein tatsächlich üblicherweise für Geschäftskontakte mit Kunden genutzt wird und dies objektiv erkennbar ist. Nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB sind Geschäftsräume insbesondere unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft, d. h. ständig, bzw. gewöhnlich, auch saisonal oder auch regelmäßig wiederkehrend, ausübt. Auf eine öffentlich-rechtliche Widmung als Gewerberaum kommt es nicht an, solange der Raum eben als Geschäftsraum genutzt wird und für den Verbraucher objektiv als solcher erkennbar ist. 2.1593 b) Abgrenzung. Nicht als Geschäftsrum einzuordnen sind insbesondere Privatwohnungen2036) auf beiden Seiten, bei Vertragsschlüssen am – nicht unbedingt eigenen – Arbeitsplatz des Verbrauchers oder in einem Restaurant (das nicht Geschäftsraum des Unternehmers ist) oder auf einer allgemein zugänglichen Verkehrsfläche.2037) Dabei kann es sich um entsprechende Örtlichkeiten des Verbrauchers, eines anderen Verbrauchers sowie die Privatwohnung des Unternehmers handeln. Privatwohnungen des Unternehmers können Geschäftsräume sein, wenn die geschäftliche Tätigkeit erkennbar dort ausgeübt wird. Auf die nach früherem Recht2038) erforderliche Bestimmung der Privatwohnung kommt es nicht mehr an. Entscheidend ist nur der Ort des Besuchs. Ebenfalls ist unerheblich, ob dort regelmäßig Geschäfte abgeschlossen werden. 6.

Zugerechnete Geschäftsräume von Hilfspersonen

2.1594 a) Handeln im Namen oder im Auftrag des Unternehmers. Die Tätigkeit in dem betreffenden Gewerberaum muss nicht vom Unternehmer, hier Getränkelieferanten, selbst ausgeübt werden. Es genügt, dass eine andere Person dies in seinem Namen oder Auftrag tut (§ 312b Abs. 2 Satz 2 BGB).2039) Diese Frage kann sich allenfalls bei der Einschaltung von Getränkefachgroßhändlern in den Vertriebsmodellen 2 und 3 stellen. Allerdings muss nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB ein Geschäftsraum „des“ und nicht „eines“ Unternehmers festgestellt werden. 2.1595 b) Anwaltskanzleien und Notariate. Außerhalb eines Geschäftsraums kann ein Vertrag auch dann geschlossen sein, wenn er in den Büroräumen eines Notars beurkundet wird.2040) Gleiches dürfte für Rechtsanwaltskanzleien gelten. Allerdings kommt es insofern auf die Umstände des Einzelfalls an. ___________ 2036) Erwägungsgrund 22 der VRRL; Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 50. Praktisch könnten dies bei Beitritts-, Übernahme- oder Bürgschaftserklärungen von Familienangehörigen oder sonstigen Drittsicherungsgebern werden. 2037) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49. 2038) Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 3.999 f. m. w. N. 2039) Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13951, S. 72. 2040) Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 17/13951, S. 61.

504

IV. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

7.

Situative Tatbestandsvoraussetzungen

Praktische Bedeutung dürften in dem hier interessierenden Zusammenhang al- 2.1596 lenfalls die drei ersten Tatbestandsalternativen des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB haben. a) Abschluss außerhalb von Geschäftsräumen. aa) Vertragsschluss. § 312b 2.1597 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB verlangt, dass der Vertragsschluss unter den genannten Umständen stattfindet. Damit müssen sowohl die Willenserklärung des Verbrauchers als auch die des Unternehmers außerhalb von Geschäftsräumen abgegeben werden. Wird der Vertrag in der Privatwohnung des Kunden endverhandelt und vom Kunden und dem Mitarbeiter des Getränkelieferanten unterzeichnet, so ist zu fragen, wie die Formulierung „geschlossen“ zu verstehen ist. Juristisch kann von einem Vertragsschluss nur gesprochen werden, wenn der (Außendienst-)Mitarbeiter des Getränkelieferanten (alleinige) Abschlussvollmacht hätte, ein wohl eher seltener Fall. Vielmehr nimmt der Mitarbeiter des Getränkelieferanten das Angebot des Kunden im Regelfall mit und erst nachfolgend zeichnet der Getränkelieferant gegen. Der juristische Vertragsschluss liegt dann erst bei Zugang der gegengezeichneten Willenserklärung beim Verbraucher vor. Gleiches gilt für Annahmeerklärungen unter Abänderung (§ 150 Abs. 2 BGB). bb) Ort des Vertragsschlusses. § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB stellt auf den Ort 2.1598 des Vertragsschlusses ab. Nicht (mehr) relevant sind Ort und Zeitpunkt der Verhandlungen. cc) Gleichzeitige körperliche Anwesenheit. Die unabdingbare Tatbestands- 2.1599 voraussetzung „bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort …, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist“ gilt nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB („unter den in Nummer 1 genannten Umständen“) für beide ersten Nummern des § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB. Gleichzeitige körperliche Anwesenheit bedeutet normalerweise Sicht- und Hörkontakt ohne Zuhilfenahme von Fernkommunikationsmitteln.2041) dd) Hilfspersonen. Nach § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB ist es unerheblich, ob der 2.1600 Unternehmer selbst handelt oder andere Personen für ihn tätig werden. Es genügt nicht, dass dritte Personen zwar im objektiven Interesse des Unternehmers, nicht aber in seinem Auftrag bzw. mit Vertretungsmacht gehandelt und einen kausalen Beitrag zum Vertragsschluss geleistet haben. Erfasst sind jedenfalls die für Getränkelieferanten auftretenden Außendienstmitarbeiter. Notare sind unabhängige und unparteiische Betreuer der Parteien (§ 14 BNotO). Sie fallen daher im Gegensatz zu vom Unternehmer mandatierten Rechtsanwälten nicht unter § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB. ___________ 2041) MünchKomm/Wendehorst BGB § 312b Rz. 36.

505

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

2.1601 b) Angebot des Verbrauchers außerhalb von Geschäftsräumen. aa) Willenserklärung des Verbrauchers. Ob es sich bei der Erklärung des Verbrauchers, wie der Wortlaut des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB suggeriert, um ein Angebot oder eine antezipierte Annahme handelt, ist unerheblich. Gleiches dürfte für die Fallgruppen des § 150 Abs. 2 BGB gelten. 2.1602 Regelmäßig reicht die Unterschrift des Kunden unter dem Getränkelieferungsvertrag oder etwa des Bürgen unter der Bürgschaftserklärung in den Privat- oder Geschäftsräumen des Verbrauchers aus, um in den Anwendungsbereich des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB zu fallen. Dass der Getränkelieferant seine Willenserklärung erst später und möglicherweise in seinen Geschäftsräumen abgibt, ist unerheblich. 2.1603 bb) Körperliche Anwesenheit des Unternehmers. In der Fallgestaltung des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB genügt es, dass der Unternehmer oder sein Gehilfe i. S. d. § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB bei der Angebotsabgabe des Verbrauchers körperlich anwesend ist, weil nur dann die Druck- oder Überrumpelungsgefahr, vor der § 312b BGB schützen will, gegeben ist. Auf den Ort der Annahme durch den Unternehmer kommt es dagegen nicht entscheidend an.2042) Auf diese Weise wird es dem Unternehmer unmöglich gemacht, seine eigene Willenserklärung später abzugeben und so den durch Nr. 1 gewährten Schutz zu unterlaufen. Anders als nach früherem Recht ist es nicht ausreichend, wenn lediglich Verhandlungen in der von Nr. 1 bezeichneten Situation stattgefunden haben. Bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Verhandlungen, die vom Unternehmer außerhalb von Geschäftsräumen initiiert wurden, und einem später erfolgten Vertragsschluss innerhalb von Geschäftsräumen (oder unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln) kann jedoch Nr. 3 in Betracht kommen. 2.1604 c) Persönliches oder individuelles Ansprechen. aa) Ansprechen außerhalb von Geschäftsräumen. § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB erfasst insbesondere das persönliche und individuelle Ansprechen des Verbrauchers durch den Unternehmer oder seinen Gehilfen i. S. d. § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers, etwa auch in den Geschäftsräumen eines anderen Unternehmers. Der Vertragsschluss erfolgt erst unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln (§ 312c Abs. 2 BGB). Die Voraussetzungen der persönlichen und individuellen Ansprache dürften zwar in dem hier interessierenden Zusammenhang zumeist erfüllt sein. Häufig gehen aber längere Verhandlungen voraus. 2.1605 bb) Zeitlicher Zusammenhang. Der Vertragsschluss muss unmittelbar nachfolgen. Dies bedeutet, dass ein sehr enger zeitlicher Zusammenhang zwischen ___________ 2042) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49.

506

IV. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

Ansprechen und Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung des Verbrauchers bestehen muss. Eine feste Zeitgrenze besteht nicht; vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls maßgebend. Entscheidend ist, ob das Überraschungsmoment noch fortbesteht. Zudem muss der Verbraucher „unmittelbar zuvor“ angesprochen worden sein. Erfolgt der Vertragsschluss nicht unmittelbar nach dem Ansprechen, so fehlt es an dem erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang und ein Überraschungsmoment besteht nicht fort. Je mehr Zeit der Verbraucher hatte, seinen beabsichtigten Vertragsschluss zu überdenken, umso weniger steht er bei seiner finalen Willensäußerung noch unter dem Einfluss des Unternehmers.2043) Deshalb fehlt die erforderliche Unmittelbarkeit, wenn beispielsweise der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers nur eine Einschätzung vorzunehmen, und der Vertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Prüfung in den Geschäftsräumen des Unternehmers auf der Grundlage der Einschätzung abgeschlossen wird.2044) Ein solcher zeitlicher Zusammenhang ist wohl noch gegeben, wenn der Verbraucher sich zwar zunächst entfernt, jedoch nach kurzer Zeit zurückkehrt und eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abgibt, nicht mehr dagegen bei Vertragsschlüssen am Folgetag oder räumlicher und zeitlicher Distanz. Eine Kausalität zwischen der Einwirkung auf den Verbraucher in einer der Schutzsituationen und dem späteren Vertragsschluss ist nicht erforderlich. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten.2045) Im Übrigen dürften hier dieselben Grundsätze gelten, wie sie bei den vorver- 2.1606 traglichen Informationen im Verbraucherkreditrecht zu beachten sind.2046) d) Praxishinweis. Sachverhalte, in denen der Vertrag in Anwesenheit beider 2.1607 Parteien im Unternehmen des Getränkelieferanten, etwa in einem Büro des Mitarbeiters des Verkaufsaußen-/innendienstes, verbindlich geschlossen wird (sog. Präsenzgeschäft) werden von § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB in keiner Alternative erfasst. Damit dürfte der Tatbestand des § 312b Abs. 1 Satz 1 (Nr. 2) BGB in folgen- 2.1608 der Konstellation nicht erfüllt sein: Zunächst wird der Vertragsentwurf in den Räumen des Verbrauchers (eingehend) erörtert, ohne dass eine Unterschrift von wem auch immer geleistet wird. Dann wird dem Verbraucher eine Überlegungszeit eingeräumt, um den Vertragsentwurf in Abwesenheit des Mitarbei___________ 2043) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312b Rz. 6. 2044) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49. 2045) BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB); BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886 (§ 491 BGB). 2046) Siehe unten § 42 II 9 c m. w. N.

507

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

ters des Getränkelieferanten zu prüfen bzw. prüfen zu lassen. Anschließend erfolgt die Übersendung des übergebenen Vertragsentwurfs nach Unterzeichnung durch den Kunden mit der Post an den Getränkelieferanten mittels eines von diesem zur Verfügung gestellten, adressierten und frankierten Rückumschlages. Nach Gegenzeichnung erfolgt die Rückvermittlung des mit Zugang beim Verbraucher wirksam werdenden Vertrages.2047) 8.

Darlegung und Beweis

2.1609 Mangels gesonderter Beweislastregeln gelten die allgemeinen Grundsätze.2048) Danach ist vom Verbraucher zu beweisen, dass die Anbahnung des Vertrags in einer Situation des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 4 BGB erfolgt ist. Zu beweisen hat er weiter die Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB, wobei diese bei Handeln einer natürlichen Person grundsätzlich anzunehmen ist.2049) Ist der Vertrag dem äußeren Anschein nach nicht in einem Geschäftsraum abgeschlossen worden, muss der Unternehmer beweisen, dass er dort seine Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt.2050) Soweit die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln beim Vertragsschluss feststeht, hat der Unternehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Vertragsschluss ein persönlicher Kontakt vorausgegangen ist.2051) V.

Besondere vorvertragliche Informationspflichten

1.

Rechtsgrundlage

2.1610 § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB begründet die Pflicht zur unaufgeforderten Offenlegung bestimmter Informationen für Verträge i. S. d. § 312b BGB, die keine Finanzdienstleistungen betreffen. Der notwendige Inhalt der Informationen ergibt sich aus Art. 246a §§ 1 – 4 EGBGB. Folge ist ein entsprechender Erfüllungsanspruch des Verbrauchers. 2.

Rechtsnatur

2.1611 Die Informationspflichten sind Rechtspflichten des Unternehmers, auf deren Erfüllung der Verbraucher einen Erfüllungsanspruch hat (§ 312d Abs. 1 Satz 1 GB). ___________ 2047) So auch Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 145. 2048) BGH, Urt. v. 22.9.2008 – II ZR 257/07, NJW 2009, 431 = ZIP 2008, 2359. 2049) BGH, Urt. v. 11.7.2007 – VIII ZR 110/06, NJW 2007, 2619 = ZIP 2007, 1611; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 14/10, NJW 2013, 155 = ZIP 2012, 1504 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (§ 312c BGB); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631 (§ 312b BGB), rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 2050) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312b Rz. 3. 2051) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (§ 312c BGB).

508

V. Besondere vorvertragliche Informationspflichten

3.

Abgrenzung

a) AGV-Situation. Bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dar- 2.1612 lehensverträgen müssen weder die allgemeinen Informationspflichten nach §§ 312a Abs. 2 i. V. m. Art. 246 EGBGB noch die besonderen Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB erfüllt werden (§ 312a Abs. 2 Satz 3 BGB). b) Finanzdienstleistung. Nach Art. 247 § 2 Abs. 4 Satz 2 EGBGB gelten mit 2.1613 der Übermittlung des entsprechend ausgefüllten Musters der Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite auch die Anforderungen des § 312d Abs. 2 BGB als erfüllt. 4.

Informationen als Vertragsinhalt

a) Voraussetzungen. Alle in Erfüllung dieser Informationspflichten gemachten 2.1614 Angaben werden neben den Individualabreden und den AGB Vertragsbestandteil (§ 312d Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Dies gilt insbesondere für den Verbraucher günstige Informationen. Da ein solcher Verweis in § 312d Abs. 2 BGB fehlt, gilt dies wohl nicht für entsprechende Verträge über Finanzdienstleistungen. Die erteilten Informationen werden auch dann Vertragsinhalt, wenn sie unvollständig, unrichtig oder im Übrigen nicht ordnungsgemäß sind.2052) Für die Einbeziehung der Informationen in den Vertrag ist es allein erforderlich, dass die Informationen dem Verbraucher so zur Verfügung gestellt werden, dass der Verbraucher hiervon Kenntnis nehmen kann; einer tatsächlichen Kenntnisnahme bedarf es nicht. b) Abweichende Vereinbarung. Eine von den vorvertraglichen Angaben ab- 2.1615 weichende Vereinbarung kann nur ausdrücklich (vgl. § 312a Abs. 3 BGB) getroffen werden (§ 312d Abs. 1 Satz 2 a. E. BGB).2053) Eine Einbeziehung der AGB durch schlüssiges Handeln oder durch Schweigen des Verbrauchers ist daher nicht möglich. Sofern der Unternehmer bereits gleichzeitig mit der Informationserteilung dem Verbraucher abweichende AGB überreicht oder übermittelt, haben die in Erfüllung der Pflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 246a EGBGB erteilten Informationen Vorrang. Insoweit greift das Verbot des venire contra factum proprium (§ 242 BGB), d. h. der Unternehmer kann sich nicht auf die abweichenden Bestimmungen in den AGB berufen.2054) c) Verhältnis zu AGB. Die Einbeziehung von AGB hängt allein davon ab, ob 2.1616 der Unternehmer seine Obliegenheiten aus § 305 BGB erfüllt. Die Einhaltung der Informationspflichten aus § 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB ist ___________ 2052) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312d Rz. 2. 2053) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312d Rz. 2. 2054) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 54.

509

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

zur Einbeziehung weder erforderlich noch ausreichend. Die Verletzung einer Informationspflicht kann aber zur Anwendung von § 305c BGB führen.2055) Bei Übersendung abweichender AGB des Unternehmers muss der Verbraucher ausdrücklich zustimmen.2056) Werden Informationen und davon abweichende AGB gleichzeitig überreicht oder übersandt, verhält sich der Unternehmer widersprüchlich, sodass er sich insoweit nicht auf seine AGB berufen kann.2057) 5.

Formale Anforderungen an die Erfüllung der Informationspflichten

2.1617 a) Einführung. Inhalt, Form und Zeitpunkt der Information richten sich nach Art. 246a § 4 EGBGB. Die Vorschrift enthält ein allgemeines Transparenzgebot, das sowohl für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge als auch für Fernabsatzverträge gilt. Abs. 2 konkretisiert die formalen Anforderungen für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. 2.1618 b) Zeitpunkt und Rechtzeitigkeit. Der Verbraucher ist vor Abgabe seiner Vertragserklärung und damit seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu informieren (Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB). Ob es sich dabei rechtstechnisch um das Angebot oder die Annahme handelt, ist unerheblich. Der Verbraucher muss somit die Informationen erhalten, bevor er sich endgültig für den Vertragsschluss entscheidet.2058) 2.1619 c) Verständlichkeit. Sämtliche Informationen nach Art. 246a §§ 1 – 3 EGBGB müssen dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung gestellt werden (Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB). Die Erfordernisse der Klarheit und Verständlichkeit beziehen sich sowohl auf die Darstellung der Informationen auf dem jeweiligen Medium als auch darauf, dass die Informationen in einer für den Verbraucher klaren und verständlichen Sprache abgefasst sind.2059) Zu fragen ist, ob der Unternehmer vernünftigerweise damit rechnen kann, dass die Verbraucher die Angaben verstehen werden. Dies betrifft Druckbild, Aufbau bzw. Übersichtlichkeit und Umfang der Angaben. Weiter kommt es auf die Lesbarkeit an (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 3 Satz 2 EGBGB). Die Beurteilung richtet sich nach den jeweils angesprochenen Verkehrskreisen. 2.1620 d) Vermittlung. Die Zurverfügungstellung dürfte im Regelfall in Papierform erfolgen. Für die „Papierform“ gelten geringere Anforderungen als für die Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB. Eine eigenhändige Unterschrift des Ausstellers ist nicht erforderlich. Lediglich die Person des erklärenden Unternehmers muss genannt werden. Bei Zustimmung des Verbrauchers kann die Information ___________ 2055) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312d Rz. 4. 2056) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 54. 2057) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312d Rz. 2. 2058) Im Übrigen siehe oben § 26 III 2 m. w. N. 2059) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 75.

510

V. Besondere vorvertragliche Informationspflichten

auch auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen (Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1 EGBGB).2060) 6.

Ausgewählte allgemeine vorvertragliche Informationspflichten

a) Einführung. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nennt insgesamt 16 ggf. zu 2.1621 erfüllende Pflichten. b) Identität. Nr. 2 verlangt nicht Angaben zum Namen des Unternehmerre- 2.1622 gisters, der Registernummer, der Identität des Vertreters des Unternehmens, bei juristischen Personen den Namen des Vertretungsberechtigten und einen Hinweis zum Zustandekommen des Vertrages.2061) c) Vertragslaufzeit, Bedingungen der Kündigung. Nach Nr. 11 sind ggf. die 2.1623 Vertragslaufzeit oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge anzugeben.2062) d) Mindestdauer der Verpflichtungen des Kunden. Die Verpflichtung zur 2.1624 Mitteilung der Mindestdauer der Verpflichtungen des Kunden (Nr. 12) dürfte sich weitgehend mit der Verpflichtung zur Information über die Vertragslaufzeit gem. Nr. 11 decken. Die Information wird nur dann Vertragsinhalt, wenn sie den Anforderungen der §§ 307, 308 Nr. 4 und 8 sowie 309 Nr. 9 BGB entspricht.2063) e) Finanzielle Sicherheiten. Mitzuteilen sind nach Nr. 13 u. a. die Art der 2.1625 Kaution, z. B. Barkaution, Voraussetzungen und Form der Rückzahlung, und andere finanzielle Sicherheiten. f) Widerrufsbelehrung. Der Unternehmer hat den Verbraucher entsprechend 2.1626 den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht zu unterrichten.2064) 7.

Rechtsfolgen bei Verstoß

a) Beginn der Widerrufsfrist. Verletzt der Unternehmer die Pflicht zur In- 2.1627 formation über das Widerrufsrecht, so hindert dies nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB den Beginn der Widerrufsfrist. b) Im Übrigen. Sieht man in § 312d BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB bzw. 2.1628 Art. 246b EGBGB ein Schutzgesetz, so ist auch ein auf § 823 Abs. 2 BGB gestützter deliktischer Schadensersatzanspruch zu prüfen. Hinsichtlich weiterer Rechtsfolgen einer Nichtinformation bzw. einer fehlerhaften Information kann verwiesen werden.2065) ___________ 2060) Siehe Art. 246b § 2 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 EGBGB für Finanzdienstleistungen. 2061) Siehe oben § 26 III 5 b m. w. N. 2062) Siehe oben § 26 III 5 c m. w. N. 2063) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 5. 2064) Ausführlich nachfolgend § 26 VI. 2065) Siehe oben § 26 III 6 und § 43 VI, jeweils m. w. N.

511

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

VI.

Widerrufsbelehrung

1.

Belehrungspflicht

2.1629 a) Grundsatz. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB begründet kein Widerrufsrecht, sondern setzt ein solches nach § 312g Abs. 1 BGB voraus. Dann ist der Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB zu informieren. 2.1630 b) Rechtspflicht. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB stellen ausdrücklich klar, dass es sich um eine Rechtspflicht des Unternehmers handelt.2066) Das Recht zum Widerruf ist nicht abdingbar (§ 312k Abs. 1 Satz 1 BGB). 2.

Information über Ausnahmen vom Widerrufsrecht

2.1631 a) Grundlagen. Der Unternehmer ist grundsätzlich nicht zu einer umfassenden Aufklärung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts verpflichtet. Eine Ausnahme gilt nach Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB. Dann muss der Unternehmer sowohl über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB i. V. m. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2, 5, 7 – 13 BGB) als auch über die Erlöschensgründe (Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB i. V. m § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4 und 6 BGB, § 356 Abs. 4 oder 5 BGB) unterrichten. 2.1632 b) Prüfung. Gem. Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB hat der Unternehmer die Voraussetzungen der Norm in eigener Verantwortung zu prüfen. War seine Prüfung rechtlich fehlerhaft, ist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung u. a. § 356 Abs. 3 BGB anwendbar.2067) 2.1633 c) Umfang der Unterrichtung. Die bloße Aufzählung der gesetzlichen Ausschlusstatbestände des § 312g Abs. 2 BGB genügt.2068) Nach Nr. 2 muss der Unternehmer nur über die Umstände informieren, unter denen nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4, und 6 BGB oder § 356 Abs. 4 und 5 BGB das Widerrufsrecht vorzeitig erlischt. Hierzu genügt die bloße Mitteilung des Gesetzeswortlauts.2069) Ein Hinweis auf einen Ausschluss des Widerrufsrechts aufgrund einer der Bereichsausnahmen (§ 312 Abs. 2 BGB) ist demgegenüber nicht erforderlich. 2.1634 d) Darlegung und Beweis. Besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen eines Ausschlusstatbestandes vorliegen, so trägt der Unternehmer die Beweislast.2070) ___________ 2066) So bereits zur früheren Rechtslage: BGH, Urt. w. 19.9.2006 – XI ZR 204/04, BGHZ 169, 109 = NJW 2007, 357 = ZIP 2006, 2262; BGH, Urt. v. 26.2.2008 – XI ZR 74/06, NJW 2008, 1585 = ZIP 2008, 686. 2067) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 10. 2068) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734. 2069) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 10. 2070) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312g Rz. 3.

512

VI. Widerrufsbelehrung

3.

Gesetzliches Muster oder eigen gestaltete Widerrufsbelehrung

a) Optionen. Dem Getränkelieferanten stehen zwei Wege zur Verfügung, seine 2.1635 Verpflichtung zur Belehrung zu erfüllen. Zum einen kann er seine gesetzlichen Informationspflicht über das Widerrufsrecht dadurch erfüllen, dass er das Muster für die Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ebenso wie ggf. das Muster nach Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB verwendet.2071) Zum anderen kann er auch weiterhin auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Rechtsprechung eigene Muster verwenden und auf die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB verzichten.2072) Eine abweichende Belehrung über das Widerrufsrecht ist daher nicht schon wegen der Abweichung unwirksam.2073) In beiden Alternativen muss die Belehrung spätestens bei Vertragsschluss in Textform (§ 126b BGB) erfolgen (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). b) Verzichtet der Unternehmer auf die durch das Muster vorgegebene Orien- 2.1636 tierung und damit auch auf die Schutzwirkung des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB, so bleibt ihm der Einwand, das vorgelegte Muster entspreche jedenfalls den von der Rechtsprechung im Übrigen entwickelten Kriterien. Eine Widerrufsbelehrung ist also nicht schon wegen ihrer Abweichung von dem Muster, sondern nur bei Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB und der hierzu ergehenden Rechtsprechung unwirksam.2074) Diese Situation stellt sich insbesondere dann, wenn die strengen Voraussetzungen der Fiktionstatbestände nicht erfüllt sind.2075) 4.

Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB

a) Grundsatz. Gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB genügt der Unterneh- 2.1637 mer seinen gesetzlichen Informationspflichten zum Widerrufsrecht (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 3 EGBGB), wenn er dem Verbraucher das in Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend entsprechend den Gestaltungshinweisen ausgefüllt und in Textform übermittelt hat. Wird das gesetzliche Belehrungsmuster gewählt, so wird eine rechtmäßige Widerrufsbelehrung unwiderleglich vermutet (Indizwirkung). Dies gilt allerdings nicht für Fern___________ 2071) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 75. BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; OLG Koblenz, Urt. v. 21.7.2005 – 2 U 44/05, NJW 2005, 3430; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 2072) BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012, 1918. 2073) OLG Koblenz, Urt. v. 21.7.2005 – 2 U 44/05, NJW 2005, 3430. 2074) BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012, 1918. 2075) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178; BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572.

513

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

absatzverträge. Das Muster darf nicht verändert werden und ist entsprechend den Gestaltungshinweisen auszufüllen. Eine Belehrung unter Verwendung der Musterinformation nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB setzt den Fristenlauf nicht in Gang.2076) 2.1638 b) Rang. Bei der Regelung in Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB handelt es sich einschließlich der Anlage 1 um ein formelles Gesetz. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass das Muster in einzelnen Punkten nicht hinreichend ist, besteht eine Gesetzlichkeitsfiktion.2077) 2.1639 c) Schutzzweck. Durch die Bereitstellung von Mustern soll es dem Unternehmer zur Vereinfachung der Geschäftspraxis, mittelbar aber auch zur Entlastung der Rechtspflege, erleichtert werden, dem Verbraucher eine fehlerfreie Belehrung zu erteilen.2078) Zudem soll für Verbraucher und Unternehmer Rechtssicherheit gewährleistet werden.2079) 2.1640 d) Struktur des Musters. Das Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB ist wie alle anderen Muster nach dem Baukastensystem aufgebaut. Zur Ausfüllung enthält die Anlage sechs Gestaltungshinweise. Das Muster ändert nichts daran, dass für die endgültige Festlegung des Belehrungstextes bei den Gestaltungshinweisen, insbesondere der Hinweise 1 und 5, eine sorgfältige rechtliche Beratung unverzichtbar ist. Dies muss sich auch auf die Festlegung des Zeitpunkts der Übergabe der Belehrung erstrecken, weil von ihm die Dauer der Frist abhängt.2080) 2.1641 e) Form. Das Muster muss dem Verbraucher in Textform (§ 126b BGB) zugehen (Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Die Übermittlung durch (Computer-)Fax, Kopie oder E-Mail ist daher zulässig. Nicht ausreichend ist es, wenn der Verbraucher auf eine herunterladbare Webseite des Unternehmers verwiesen wird.2081) 2.1642 f) Änderungen. aa) Grundsatz. Auf den Schutz der Muster kann sich der Unternehmer daher nur dann berufen, wenn er ein Formular verwendet, das den gesetzlichen Vorgaben sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Der Unternehmer darf nur die gemäß den Gestaltungshinweisen erforderlichen und darin benannten Anpassungen vornehmen. Sachliche Änderungen im Übrigen oder eine unzutreffende Ausfüllung des Musters heben die Schutzwirkung unabhängig von ihrem Umfang, ihrem Gewicht (Wesentlichkeit), ihrer Kausalität etwaigen (negativen) Auswirkungen auf die Ver___________ 2076) BGH, Urt. v. 8.6.2004 – XI ZR 167/02, NJW 2004, 2744 = ZIP 2004, 1639; BGH, Urt. v. 21.11.2006 – XI ZR 347/05, NZM 2007, 170 = ZIP 2007, 264; jeweils zum VerbrKrG. 2077) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 132. 2078) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/7052, S. 208, zur Verordnungsermächtigung in Art. 245 EGBGB. 2079) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 66. 2080) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 9. 2081) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 75.

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VI. Widerrufsbelehrung

ständlichkeit der Belehrung auf, weil sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.2082) Schädlich ist allein, dass der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Eine fehlerhafte und damit angreifbare Widerrufsbelehrung liegt aber im Ergebnis nur vor, wenn zugleich ein Verstoß gegen Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 insbesondere Nr. 1 EGBGB nicht festzustellen ist.2083) bb) Typische Fehler. Beispielhaft sei auf folgende Fehler hingewiesen:

2.1643

x

nur teilweise Orientierung an der Musterbelehrung, etwa bei Übernahme der Vorgaben nur hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, im Übrigen aber abweichende, wenn auch gesetzeskonforme Information;2084)

x

selbst zutreffende Korrekturen der Musterbelehrung zerstören im Regelfall deren schützende Wirkung, wenn sie an anderer Stelle unverändert beibehalten wurde und dort falsch ist;

x

die Aufnahme von zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers;2085)

x

sieht die Widerrufsbelehrung vor, dass die Belehrung sich konkret an den Adressaten der Widerrufsbelehrung („Sie“) wendet, kann dieser nicht abstrakt formuliert („Verbraucher“) werden, ohne den Begriff „Verbraucher“ zu erläutern;2086)

x

widersprüchliche Hinweise zum „Widerrufsempfänger“ und Muster-Widerrufsformular;2087)

___________ 2082) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 75. BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178; BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 765 = ZIP 2011, 572; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858; BGH, Urt. v. 1.3.2012 – III ZR 83/11, BeckRS 2012, 06065; BGH, Urt. v. 22.5.2012 – II ZR 88/11, BeckRS 2012, 16122; BGH, Urt. v. 19.7.2012 – III ZR 252/11, BGHZ 194, 150 = NJW 2012, 3428; BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012, 1918; BGH, Beschl. v. 20.11.2012 – II ZR 264/10, BeckRS 2014, 04168; BGH, Urt. v. 17.1.2013 – III ZR 145/12, NJW-RR 2013, 885; BGH, Urt. v. 18.3.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 = ZIP 2014, 913; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 2083) BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572. 2084) BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858. 2085) BGH, Urt. v. 18.3.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 = ZIP 2014, 913; BGH, Urt. v. 10.2.2015 – II ZR 163/14, BeckRS 2015, 07982; BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306 (§ 491 BGB). 2086) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734. 2087) OLG Hamm, Urt. v. 30.11.2017 – 4 U 88/17, BeckRS 2017, 138455.

515

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

x

da der Gestaltungshinweis 2 der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB die Angabe der Telefonnummer („soweit verfügbar“) verlangt,2088) ist diese Angabe bei einer eigen formulierten Belehrung erforderlich. Ein Unternehmer kann sich zur Vermeidung der Pflichtangabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht darauf berufen, bei ihm sei kein Mitarbeiter zur Bearbeitung von telefonischen Widerrufserklärungen eingesetzt bzw. verfügbar. Es kann den vorhandenen geschäftlichen Telefonanschluss auch nicht für die Entgegennahme von Widerrufserklärungen „sperren”2089);

x

der Zusatz „Die Erklärung (des Widerrufs) muss dem Erklärungsempfänger jedoch (innerhalb der Frist) zugehen“.2090)

2.1644 cc) Ausnahmen. Dagegen schaden nicht: x

vorangestellte Zusätze wie die Firma, ein Kennzeichen oder Ähnliches;2091)

x

marginale Änderungen wie etwa Rechtschreibfehler oder Flüchtigkeitsfehler beim Abschreiben dürften jedenfalls dann unschädlich sein, wenn eine Überschreitung des Rahmens der erstrebten Typisierung ausgeschlossen ist;2092)

x

nach Auffassung der Instanzrechtsprechung die Abweichung vom Text der Musterwiderrufsbelehrung („S.-Versicherung“ statt „uns“);2093)

x

lediglich geringfügige Anpassungen, wie etwa diejenige der Formulierung des Fristbeginns an das Gesetz;2094)

x

der Hinweis auf das Musterwiderrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB und darauf, woher der Verbraucher dieses beziehen kann, z. B. Internet-Link, genügt. Der Unternehmer muss es dem Verbraucher nicht in Papierform aushändigen.2095)

2.1645 g) Äußere Gestaltung. aa) Grundsatz. In ihrer äußeren Gestaltung muss die Belehrung dagegen nicht zwingend dem Mustertext entsprechen.2096) Bei For-

___________ 2088) OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.2.2016 – 6 W 10/16, BeckRS 2016, 04874. 2089) OLG Hamm, Beschl. v. 24.3.2015 – 4 U 30/15, BeckRS 2015, 08431. 2090) LG Berlin, Urt. v. 3.11.2005 – 5 O. 261/05, NJW-RR 2006, 639 (§ 312b BGB). 2091) Zu weiteren Zusätzen, etwa in der Überschrift, wird auf die Rechtsprechung verwiesen: BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 = ZIP 2012, 981 (§ 312c BGB a. F.); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.1.2016 – 17 U 16/15, BeckRS 2016, 02801 = ZIP 2016, 409. 2092) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061; BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012. 2093) LG Heidelberg, Urt. v. 13.1.2015 – 2 O. 230/14, NJW 2015, 1462. 2094) BGH, Beschl. v. 20.11.2012 – II ZR 264/10, BeckRS 2014, 04168. 2095) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 9. 2096) OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104.

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VI. Widerrufsbelehrung

mat und Schriftgröße sind Abweichungen zulässig, wenn sie mit dem Deutlichkeitsgebot des Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB vereinbar sind.2097) bb) Rahmen. Bei der nationalen Umsetzung hat der deutsche Gesetzgeber in 2.1646 der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB fälschlicherweise einen Rahmen um die Musterwiderrufsbelehrung eingefügt. Dies dürfte wohl nur aus Gründen der Einheitlichkeit geschehen sein, weil auch die anderen Musterbelehrungstexte im Bundesgesetzblatt mit einem Rahmen abgedruckt sind. Folglich handelt es sich bei dem Rahmen lediglich um eine Gestaltungsempfehlung, nicht jedoch um ein verpflichtendes Element. In keinem Fall führt das Fehlen des Rahmens zu einer Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung. Dies auch deshalb, weil die Mitgliedstaaten keine besonderen Anforderungen an die optische Gestaltung der in der Richtlinie vorgesehenen Muster stellen dürfen.2098) h) Überprüfbarkeit. Die Übereinstimmung einer von dem Muster abweichen- 2.1647 den Belehrung mit den Vorgaben des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB ist vollumfänglich durch die Gerichte zu überprüfen.2099) Diese prüfen die Übereinstimmung mit dem Gesetz und nicht die Übereinstimmung des Textes mit der Musterbelehrung.2100) Die Musterbelehrung legt das EGBGB auch nicht i. d. S. authentisch aus, dass sie in Zweifelsfällen und bei Divergenzen wiedergäbe, was das Gesetz verlangt. Das überspannte die Bedeutung der Musterbelehrung und den Anwendungsbereich des Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB. 5.

Die eigen formulierte Widerrufsbelehrung

a) Grundlagen. Zu informieren ist nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 2.1648 EGBGB insbesondere über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts. Als Orientierungshilfe für den Grad der Detailgenauigkeit kann das in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB vorgesehene Belehrungsmuster dienen. Eigen gestaltete Belehrungen dürfen nicht hinter dem Standard des Musters zurückbleiben. b) Deutlichkeitsgebot. Das Gebot der Deutlichkeit ist allgemein in Art. 246 2.1649 Abs. 3 Satz 2 EGBGB verankert. Hinzutritt die Spezialvorschrift des Art. 246a § 4 Abs. 1 EGBGB. Die frühere Rechtsprechung zur deutlichen Gestaltung von Widerrufsbelehrungen hat insofern weiterhin Bedeutung. Das Deutlichkeitsgebot findet seine Ergänzung im Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, ___________ 2097) So jedenfalls noch BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178, zur Vorgängerregelung, zu § 14 Abs. 3 BGB-InfoV. 2098) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958 (§ 491 BGB). 2099) BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 2100) OLG Koblenz, Urt. v. 21.7.2005 – 2 U 44/05, NJW 2005, 3430 (zu § 14 Abs. 1 BGBInfoV a. F.).

517

§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

das als überlagernde Auslegungsmaxime der Gesetzlichkeitsfiktion Schranken ziehen dürfte.2101) 2.1650 c) Inhaltliche Gestaltung. aa) Grundsatz Problematisch können Zusätze jedweder Art sein.2102) 2.1651 bb) Sachlicher Anweundungsbereich. Eine Belehrung ist unwirksam, wenn sie den Zusatz enthält „wenn für diesen Vertrag die Voraussetzungen des … (§ 1 Abs. 1 HausTWG …) erfüllt sind“.2103) Wird in einer Fußnote zur Überschrift „Widerrufsbelehrung“ der Zusatz formuliert „nicht für Fernabsatzgeschäfte”, so soll dies dagegen auch dann unbedenklich sein, wenn aus dem Text der Widerrufsbelehrung nicht eindeutig hervorgeht, dass der Fußnotentext sich ausschließlich an den Sachbearbeiter des Kreditgebers wendet. Dies gelte jedenfalls dann, wenn dem Verbraucher von dem Unternehmer im persönlich geführten Vertragsgespräch eine auf einem gesonderten Blatt verfasste und zur Unterschrift vorgesehene Widerrufsbelehrung erteilt worden sei, aus der sich eindeutig der in Bezug genommene Vertrag ergibt.2104) 2.1652 cc) Persönlicher Anwendungsbereich. Eine Widerrufsbelehrung mit dem einleitenden Satz “Verbraucher haben das folgende Widerrufsrecht“ verstößt nicht gegen das Deutlichkeitsgebot.2105) 2.1653 dd) Überschriften. Nicht genügend ist es auch, wenn die vorgeschriebene Überschrift „Widerrufsbelehrung“ und die die Belehrung gliedernden Zwischenüberschriften wie „Widerrufsrecht“ oder „Folgen des Widerrufs“ fehlen.2106) Enthält die Widerrufsbelehrung stattdessen nur die einzige Überschrift „Widerrufsrecht“, so wird durch diese Überschrift verschleiert, dass der Verbraucher nicht nur ein Widerrufsrecht hat, sondern auch erhebliche Pflichten im Falle der Ausübung dieses Rechts.2107) 2.1654 ee) Kontaktdaten. Eine Widerrufsbelehrung ist nur dann vollständig und richtig, wenn die Telefon- und Telefaxnummer sowie die E-Mail-Adresse, soweit diese existiert, angegeben sind (Gestaltungshinweis 2 zu Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB).2108) ___________ 2101) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061. 2102) BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 191/06, BGHZ 172, 157 = NJW 2007, 2762 = ZIP 2007, 1152; BGH, Urt. v. 11.3.2008 – XI ZR 317/06, NJW 2008, 1728 = ZIP 2008, 871; BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 364. 2103) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 2.8.2000 – 9 U 5/00, MDR 2001, 77. 2104) LG Heidelberg, Urt. v. 13.1.2015 – 2 O. 230/14, NJW 2015, 1462. 2105) BGH, Urt. v. 9.11.2011 – I ZR 123/10, NJW 2012, 1814 = ZIP 2012, 981 (§ 312c BGB a. F.). 2106) OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2015 – 6 U 21/15, BeckRS 2015, 17268. 2107) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178. 2108) Zur Telefonnummer OLG Hamm, Beschl. v. 24.3.2015 – 4 U 30/15, BeckRS 2015, 08431; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.2.2016 – 6 W 10/16, BeckRS 2016, 04874; LG Bochum, Urt. v. 6.8.2014 – 13 O. 102/14, BeckRS 2014, 18426.

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VI. Widerrufsbelehrung

ff) Widerruf. Gem. § 355 Abs. 1 Satz 5. BGB genügt zur Fristwahrung die recht- 2.1655 zeitige Absendung. Der Zusatz „Es gilt das Datum des Poststempels.“ erweckt jedoch den Anschein, dass für die Wirksamkeit eines Widerrufs die rechtzeitige Absendung, z. B. durch Einwurf in der Briefkasten, nicht ausreicht, sondern die Sendung zusätzlich mit einem Poststempel versehen sein muss, der mindestens das Datum des letzten Tages der Frist trägt.2109) Zudem liegt ein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot vor. Das Belehrungsmuster ist bereits insofern fehlerhaft formuliert, als es heißt „… 2.1656 14 Tage ab dem Tag …“.2110) gg) Widerrufsfolgen. aaa) Allgemein. Ein Hinweis auf die Rechtsfolgen 2.1657 kann jedenfalls dann entfallen, wenn eine Rückabwicklung nach der konkreten Vertragsgestaltung tatsächlich ausgeschlossen ist.2111) Hierfür sprechen ein Gegenschluss aus Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB sowie der Rechtsgedanke des Gestaltungshinweises 3 des Musters der Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB. Dies gilt auch dann, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden.2112) Ein Interesse des Verbrauchers an der Belehrung über Widerrufsfolgen kann nämlich nur bestehen, wenn und soweit diese Folgen tatsächlich eintreten können. Eine allgemein gehaltene Widerrufsbelehrung, die als Widerrufsfolgen die Ver- 2.1658 pflichtung zur Rückgewähr beiderseits empfangener Leistungen und zur Herausgabe ggf. gezogener Nutzungen nennt, kann von einem verständigen Drittsicherungsgeber nicht so verstanden werden, dass er im Widerrufsfall das – nicht ihm gewährte – Darlehen zurückzuzahlen habe.2113) bbb) Wertersatzpflicht. Die Wertersatzpflicht nach § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB 2.1659 setzt u. a. voraus, dass der Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts – formgerecht – informiert worden ist. Bei dem Hinweis nach § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB handelt es sich lediglich um eine Obliegenheit des Unternehmers, deren Befolgung allein in seinem Interesse liegt.2114) Streitig ist, ob es einer konkreten Belehrung über die Verpflichtung zum Wert- 2.1660 ersatz bedarf.2115) Bei der Wertersatzpflicht handelt es sich jedenfalls nicht um

___________ 2109) OLG Oldenburg, Urt. v. 9.3.2006 – 1 U 134/05, NJW 2006, 3076. 2110) LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 2111) BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 (§ 312b BGB); BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 2112) OLG Dresden, Urt. v. 25.1.2011 – 5 U 1058/10, NJW-RR 2011, 921. 2113) OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727. 2114) MünchKomm/Wendehorst BGB § 357 Rz. 31. 2115) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 63, insbesondere rechte Spalte.

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§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

eine „Bedingung“, sondern um die Rechtsfolge.2116) Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention deutet der Wortlaut des § 357 Abs. 7 Nr. 2 BGB auf ein Redaktionsversehen hin.2117) Die Musterbelehrung über das Widerrufsrecht enthält zwar eine Belehrung über die Wertersatzpflicht bei Verschlechterungen. Sie ist aber kein ausschlaggebendes Indiz. Daher ist dieser Hinweis kein zwingender Bestandteil einer Widerrufsbelehrung. 2.1661 Fehlt der Hinweis, beginnt gleichwohl die Widerrufsfrist zu laufen und das Widerrufsrecht erlischt nach § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 356 Abs. 2 BGB oder § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt. 2.1662 d) Widerrufsformular. Der Unternehmer sollte dem Verbraucher über das Muster-Widerrufsformular der Anlage 2 zu informieren und ihm dieses Muster auch zur Verfügung zu stellen, um den Widerruf zu erleichtern. Da es sich bei der Vorschrift des § 356 Abs. 1 Satz 1BGB um eine Kannbestimmung handelt, besteht wohl keine Verpflichtung, dem Verbraucher die Möglichkeit einzuräumen, das Muster-Widerrufsformular auf der Webseite des Unternehmers auszufüllen und zu übermitteln.2118) VII. Vertragsinformationen 1.

Allgemeines

2.1663 a) Normzweck. § 312f Abs. 1 BGB legt eine nachvertragliche Informationsund Dokumentationspflicht für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge fest. Zweck der Vorschrift ist es, dem Verbraucher eine möglichst umfassende Dokumentation des von ihm geschlossenen Vertrages und damit seiner Rechte und Pflichten bereit zu stellen.2119) Weiter erleichtert die Vertragsdokumentation dem Verbraucher bei Streitfällen die Beweisführung. 2.1664 b) Erleichterung. Wie sich aus § 312f Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt, besteht ein enger Bezug dieser Pflicht zu den vorvertraglichen Informationspflichten. Danach kann eine Vertragsinformation entfallen, wenn bereits vor Vertragsschluss die nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Informationen auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wurden. Viele der nach § 312d Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 246a EGBGB erforderlichen Informationen benötigt der Verbraucher zudem nicht bereits vor Vertragsschluss, sondern erst in der Phase der Vertragsdurchführung. So wird sich der Verbraucher für die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers (Art. 246a § 1 Abs. 1 ___________ 2116) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 18. A. A. wohl PalandtGrüneberg, Art. 246a § 1 EGBGB Rz. 9. 2117) BeckOGK/Mörsdorf BGB § 357 Rz. 72. 2118) Streitig, a. A. MünchKomm/Wendehorst BGB Art. 246 § 4 Rz. 33. 2119) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55.

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VII. Vertragsinformationen

Satz 1 Nr. 2 EGBGB) erst interessieren, wenn er diesem gegenüber seine vertraglichen Rechte geltend machen will.2120) c) Form. Mit Einverständnis des Verbrauchers genügt anstelle von Papier auch 2.1665 ein anderer „dauerhafter Datenträger“ (vgl. § 126b Satz 2 BGB). Als Abschrift kommen daher neben dem Schriftstück in Papierform Durchschriften, Fotokopien oder Telekopien (Telefaxe) in Betracht. Das in der Abschrift wiedergegebene Vertragsdokument (nicht jedoch die Abschrift) muss von den Vertragsparteien so unterzeichnet sein, dass ihre Identität erkennbar ist, etwa durch Namensunterschrift oder ein sonstiges Handzeichen.2121) d) Kein Schriftformerfordernis. Der Vertragsschluss selbst kann auch wei- 2.1666 terhin mündlich erfolgen. Eine Pflicht, den Vertrag schriftlich abzuschließen, folgt aus § 312f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ebenso wie Nr. 2 BGB nicht.2122) e) Wahlrecht. Der Getränkelieferant kann dem Verbraucher wahlweise eine 2.1667 von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsabschrift (Nr. 1) oder eine Vertragsbestätigung (Nr. 2) zur Verfügung stellen. 2.

Vertragsabschrift

Als erste Form der nachvertraglichen Information sieht das Gesetz mit § 312f 2.1668 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB die Zurverfügungstellung einer Vertragsabschrift vor. a) Inhalt. Erkennbar sein müssen der Umstand des Vertragsschlusses, die Ver- 2.1669 tragsparteien und der konkrete Vertragsgegenstand einschließlich der AGB. Aus § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB folgt, dass die in Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB gemachten Angaben zum Inhalt des Vertrages werden, soweit die Vertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben. Die Vertragsabschrift hat dies grundsätzlich zu berücksichtigen. b) Anforderungen im Übrigen. Entgegen dem insoweit zu eng gefassten 2.1670 Wortlaut der Vorschrift müssen die auf den Vertragsschluss gerichteten Erklärungen des Verbrauchers und des Unternehmers nicht in „einem Vertragsdokument“, also einer einheitlichen Urkunde, enthalten sein. Antrag und Annahme bzw. Vertrag und AGB können jeweils in getrennten Dokumenten schriftlich erklärt werden. In diesem Fall ist dem Verbraucher eine Abschrift beider Vertragserklärungen zur Verfügung zu stellen.2123) c) Unterzeichnung. Das Vertragsdokument ist „unterzeichnet“, wenn es die 2.1671 Namensunterschriften oder sonstigen Handzeichen der Vertragschließenden ___________ 2120) BT-Drucks. 17/13951, S. 99. 2121) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55. 2122) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55. 2123) BeckOGK/Busch BGB § 312f Rz. 7.

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§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

enthält. Es reicht also auch eine Namensabkürzung oder eine Paraphe.2124) Fehlt es an einem unterzeichneten Vertragsdokument, so etwa bei einem mündlichen Vertragsschluss, so ist Nr. 1 nicht anwendbar. Der Unternehmer ist in diesem Fall verpflichtet, dem Verbraucher eine Vertragsbestätigung (Nr. 2) zur Verfügung stellen.2125) 3.

Vertragsbestätigung

2.1672 Als zweite Form der nachvertraglichen Information kommt eine „Bestätigung“ des Vertrags in Betracht (§ 312f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB). Zu denken ist an mündlich geschlossene Verträge. 2.1673 a) Inhalt. Die Bestätigung muss den gesamten Vertragsinhalt einschließlich wirksam einbezogener AGB wiedergeben. Da vorvertragliche Informationen nach Art. 246a EGBGB gem. § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB zum Vertragsinhalt werden, muss die Bestätigung an sich auch diese enthalten. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist der Unternehmer aber bereits nach Art. 246a § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 EGBGB verpflichtet, diese Informationen dem Verbraucher vor Vertragsschluss auf Papier oder einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Damit ist eine teleologische Reduktion angezeigt. 2.1674 b) Zeitpunkt. Zweck der Norm ist es, dem Verbraucher eine umfassende Dokumentation des Vertrages und der aus ihm folgenden Rechte und Pflichten zu ermöglichen. Hierfür ist es ausreichend, wenn die zu gewährenden Informationen dem Verbraucher nur einmal – sei es vor oder nach Vertragsschluss – in dauerhafter Form zur Verfügung gestellt werden.2126) 4.

Zur Verfügung stellen

2.1675 Der Unternehmer hat dem Verbraucher die Vertragsabschrift (Nr. 1) oder die Vertragsbestätigung (Nr. 2) zur Verfügung zu stellen (§ 312f Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 BGB) und damit den Zugang vermitteln. Die grundsätzlich mögliche Papierform kann gem. § 312f Abs. 1 Satz 2 BGB mit Zustimmung des Verbrauchers auch durch einen anderen dauerhaften Datenträger (§ 126b Satz 2 BGB) ersetzt werden. Eine Voraberteilung der Zustimmung in AGB ist zulässig.2127) Im Umkehrschluss genügt bei § 312f Abs. 1 Satz 2 BGB auch eine konkludente Vereinbarung. 2.1676 Bei mehreren Personen auf Verbraucherseite hat jede einen Anspruch auf die Vertragsdokumentation. Die Bestätigung oder Abschrift muss dem Verbrau___________ 2124) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312f Rz. 2. 2125) BeckOGK/Busch BGB § 312f Rz. 8. 2126) BeckOGK/Busch BGB § 312f Rz. 10.1. 2127) Str., a. A. Palandt-Grüneberg, BGB, § 312f Rz. 2.

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VII. Vertragsinformationen

cher in jedem Falle zugehen.2128) Dazu muss die Vertragsdokumentation so in den Machtbereich des Verbrauchers gelangt sein, dass er sich unabhängig vom Willen des Unternehmers über den Vertragsinhalt informieren kann. Erforderlich ist damit grundsätzlich die Aushändigung der Vertragsabschrift oder die Zusendung per Post. 5.

Zeitpunkt

§ 312f Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1 BGB verlangt, dass der Unternehmer dem Ver- 2.1677 braucher die Vertragsdokumentation „alsbald“ zur Verfügung stellt. Aus dem Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Abschrift oder Bestätigung des Vertrages dem Verbraucher so rechtzeitig zur Verfügung stehen muss, dass er sich einen Überblick über die aus dem Vertrag folgenden Rechte und Pflichten verschaffen kann und so in die Lage versetzt wird, eine informierte Entscheidung über eine Ausübung des Widerrufsrechts zu treffen. Wird dem Verbraucher eine Abschrift oder Vertragsbestätigung in Papierform zur Verfügung gestellt, so dürften zwei oder drei Tage angemessen sein. Stimmt der Verbraucher gem. § 312f Abs. 1 Satz 2 BGB einer Vertragsdokumentation auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu, so verkürzt sich diese Frist.2129) 6.

Darlegung und Beweis

Die Beweislast für die Erfüllung der Dokumentationspflichten trägt der Unter- 2.1678 nehmer (§ 312k Abs. 2 BGB, jedenfalls analog). Der Verbraucher trägt die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 312f Abs. 1 Satz 3 BGB. 7.

Weitere Fragen von Interesse

a) Weicht der Inhalt der Vertragsbestätigung von dem tatsächlichen Inhalt des 2.1679 geschlossenen Vertrages ab, so führt dies nicht zu einer Vertragsänderung. Der Verbraucher hat vielmehr ein Wahlrecht, er kann sich auf die für ihn günstigere Regelung berufen.2130) Die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben sind logischerweise in diesen Fällen nicht anwendbar.2131) b) Der Verbraucher hat einen klagbaren Anspruch auf Überlassung der Ver- 2.1680 tragsdokumentation. Gegenüber einem Zahlungsanspruch des Unternehmers kann der Verbraucher daher ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.

___________ 2128) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55. 2129) BeckOGK/Busch BGB § 312f Rz. 18. 2130) Str., wie hier Palandt-Grüneberg, BGB, § 312f Rz. 5. 2131) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55.

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§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

8.

Sanktionen bei Verstoß

2.1681 Eine ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 312f BGB enthält die Vorschrift nicht. 2.1682 a) Ein Verstoß gegen die in § 312f Abs. 1 – 3 BGB geregelten Pflichten lässt die Wirksamkeit des Vertrages unberührt. Die Erfüllung der Dokumentationspflicht ist somit keine Wirksamkeitsvoraussetzung. 2.1683 b) Keine Auswirkungen bestehen hinsichtlich des Widerrufsrechts. 2.1684 c) Bei Verletzung der nachvertraglichen Dokumentationspflichten aus § 312f BGB kommt ein Schadensersatzanspruch wegen einer Nebenpflichtverletzung gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Ferner kann die Verletzung der Pflichten aus § 312f BGB im Einzelfall einen Rücktrittsgrund gem. § 324 BGB begründen.2132) Dazu muss dem Verbraucher wegen der Verletzung der Dokumentationspflichten das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten sein. VIII. Widerruf 2.1685 Nachfolgend werden nur ausgewählte Aspekte angesprochen. Im Übrigen wird auf die bisherigen Ausführungen zum Widerruf verwiesen.2133) 1.

Abgrenzung

2.1686 § 312g BGB regelt das Widerrufsrecht und ergänzt insoweit die Regelungen der §§ 355, 356 BGB.2134) Mehr als diesen Rechtsfolgenverweis enthält § 312g Abs. 1 BGB nicht. Die Modalitäten der Ausübung des Widerrufs, insbesondere Form und Frist, sowie dessen Rechtsfolgen sind in den §§ 355 ff. BGB geregelt. 2.

Widerrufsrecht

2.1687 a) Grundlagen. Die Vorschrift setzt in dem hier interessierenden Zusammenhang einen Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen voraus. Der Vertrag muss nicht wirksam geschlossen worden sein. Das Widerrufsrecht besteht auch bei nichtigen, etwa sittenwidrigen, Verträgen.2135) Im Einzelfall kann allerdings ein Ausschluss des Widerrufs wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) in Betracht kommen.2136) ___________ 2132) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 55. 2133) Siehe oben § 25 m. w. N. 2134) Palandt-Grüneberg, BGB, § 356 Rz. 1. 2135) BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 = NJW 2010, 610 = ZIP 2010, 136 (§ 312c BGB). 2136) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 57. BGH, Urt. v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08, BGHZ 183, 235 = NJW 2010, 610 = ZIP 2010, 136 (§ 312c BGB); BGH, Urt. v. 16.3.2016 – VIII ZR 146/15, NJW 2016, 1951 (§ 312c BGB).

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VIII. Widerruf

b) Vertragliches Widerrufsrecht. § 312g Abs. 2 Satz 1 vor Nr. 1 BGB zeigt, 2.1688 dass die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit2137) auch für die dort genannten Vertragssituationen ein Widerrufsrecht vereinbaren können. 3.

Ausschluss des Widerrufsrechts bei notariell beurkundeten Verträgen

a) Praktische Bedeutung. Aus dem Katalog mit gesetzlichen Ausnahmen vom 2.1689 Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB dürfte allenfalls die Nr. 13 (notariell beurkundete Verträge) praktische Relevanz haben. Insofern ist zu beachten, dass die Informationspflichten nach § 312d BGB unberührt bleiben. Die eng auszulegende Ausnahmeregelung gilt nur für solche notariell beurkundeten Verträge, die nicht bereits durch § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB weitgehend aus dem Anwendungsbereich der §§ 312 – 312k BGB ausgenommen werden. Praktische Bedeutung dürfte diese nur bei sonstigen beurkundungspflichtigen Verträgen i. S. d. § 312 Abs. 2 Nr. 1 a BGB haben, insbesondere aber nicht bei Finanzdienstleistungen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden (§ 312 Abs. 1 Nr. 1 b BGB), oder bei freiwillig beurkundeten Verträgen. b) Unterbliebene notarielle Belehrung. Fraglich ist, welche Konsequenzen 2.1690 das Unterbleiben einer Belehrung durch den Notar in Fällen freiwilliger Beurkundung nach sich zieht. § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 Halbs. 1 BGB sieht vor, dass bei notariell beurkundeten Verträgen, zumindest wenn sie keine Finanzdienstleistungen im Fernabsatz betreffen, ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 312 Abs. 2 Nr. 1 b BGB könnte man folgern, dass das Widerrufsrecht bei freiwilliger Beurkundung von Verträgen, die keine Finanzdienstleistungen betreffen, nur nach Belehrung gem. § 312 Abs. 2 Nr. 1 b BGB ausgeschlossen ist. Dann wäre § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 Halbs. 1 BGB systematisch so zu verstehen, dass das Widerrufsrecht nur bei notariell beurkundeten Verträgen mit ordnungsgemäßer Belehrung entfiele. Dagegen spricht allerdings die Entstehungsgeschichte. Schon der Rechtsausschuss des Bundestages ging in seiner Beschlussempfehlung2138) von einem Vorrang des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 Halbs. 1 BGB im Sinne einer Spezialvorschrift aus. Da die Gesetzesfassung im weiteren Gesetzgebungsverfahren nicht geändert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber dieser Interpretation angeschlossen hat. Damit entfällt das Widerrufsrecht unabhängig davon, ob eine Belehrung stattgefunden hat.2139) ___________ 2137) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. 2138) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/13951, S. 62 linke Spalte Mitte. 2139) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312 Rz. 9.

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§ 26 Besonderheiten bei Verträgen mit Verbrauchern

4.

Verhältnis zu anderen Widerrufsrechten

2.1691 a) Grundlagen. § 312g Abs. 3 BGB betrifft das Verhältnis zu Widerrufsrechten aufgrund anderer Verbraucherschutzbestimmungen. Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung einer Doppelung von Widerrufsrechten. Ausgehend vom Prinzip der Interessenwahrung soll grundsätzlich für den Widerruf die sachnähere Norm maßgeblich sein. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass nicht die Art des Abschlusses (außerhalb von Geschäftsräumen bzw. im Fernabsatz), sondern der Inhalt (Verbraucherdarlehensvertrag, Finanzierungshilfe etc.) von stärkerem Gewicht ist. 2.1692 b) Inhalt. § 312g Abs. 3 BGB stellt klar, dass das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB nicht besteht, wenn das Lösungsrecht nach § 355 BGB nach den anderen Vorschriften (§§ 495, 506 – 513 BGB) tatsächlich besteht („zusteht“). Dies gilt auch im Zusammenhang mit § 358 Abs. 1 BGB. Voraussetzung der Subsidiarität des § 312g Abs. 3 BGB ist zunächst, dass ein solches auf anderer Rechtsgrundlage beruhendes Recht dem Verbraucher aufgrund einer partiellen Bereichsausnahme ausnahmsweise nicht zusteht und er deshalb nicht zum Widerruf nach diesen anderen Vorschriften berechtigt ist. Darüber hinaus ist allein entscheidend, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht dem Grunde nach zusteht. Hat der Verbraucher die für dessen Ausübung bestimmten Bedingungen nicht eingehalten und beispielsweise die Widerrufsfrist versäumt und ist er sonach an der tatsächlichen Ausübung des Widerrufs gehindert, so scheidet ein Rückgriff auf das allgemeine Widerrufsrecht aus.2140) 2.1693 c) Konsequenzen. aa) Finanzierung. § 356 BGB gilt trotz des Verweises in § 495 Abs. 1 BGB auf § 355 BGB nicht für Verbraucherdarlehensverträge, Zahlungsaufschübe und sonstige Finanzierungshilfen in der Abschlusssituation des § 312b BGB.2141) Nach § 312g Abs. 3 BGB gilt § 495 BGB nämlich nicht für Verbraucherdarlehensverträge, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 – 513 BGB ein Widerrufsrecht zusteht. Für diese Verträge wird § 355 BGB ausschließlich durch § 356b BGB ergänzt. Auch wenn der Finanzierungsteil des Getränkelieferungsvertrages in den situativen Voraussetzungen des § 312b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (Vertragsschluss beim Kunden) oder insbesondere der Nr. 2 BGB (Angebot des Kunden außerhalb der Geschäftsräume des Getränkelieferanten) zustande kommt, ergibt sich das Widerrufsrecht nicht aus § 312g Abs. 1 BGB. Vielmehr erklärt § 312g Abs. 3 Fall 1 BGB § 495 BGB für alleinig anwendbar. Auch wenn das nach § 495 BGB bestehende Widerrufsrecht erloschen ist, lebt das nach § 312g BGB bestehende nicht wieder auf.2142) 2.1694 bb) Bindung. Gleiches gilt im Hinblick auf § 356c BGB für Ratenlieferungsverträge gelten. ___________ 2140) BT-Drucks. 14/9266, S. 44. 2141) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 60. 2142) OLG Brandenburg, Urt. v. 8.7.2009 – 4 U 152/08, BeckRS 2009, 19319.

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VIII. Widerruf

d) Vertragliches Widerrufsrecht. Nach dem Wortlaut des § 312g Abs. 3 BGB 2.1695 sind nur die gesetzlich genannten Fälle erfasst. Nicht dagegen umfasst die Bestimmung vertraglich begründete Widerrufsrechte. 5.

Widerrufsfrist

a) Beginn. Der Beginn der Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 Abs. 2 Satz 1 2.1696 BGB) setzt die Erfüllung zweier Tatbestände voraus. Zum einen muss der Vertrag geschlossen worden sein (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ausgehend vom Schutzzweck des Widerrufsrechts kann der Verbraucher aber seine Vertragserklärung auch widerrufen, bevor der Unternehmer die Annahme erklärt hat. Zum anderen bestimmt § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB, dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, bevor der Unternehmer ihn gem. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat, was den Zugang der Widerrufsbelehrung voraussetzt. Ein Verstoß gegen die sonstigen Informationspflichten (§ 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 sowie nach Abs. 3 EGBGB bzw. nach Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB) hat dagegen keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist.2143) Unerheblich ist, ob die Widerrufsbelehrung ganz unterblieben ist oder lediglich nicht ordnungsgemäß war. b) Ende. Fehlt eine Widerrufsbelehrung oder ist diese nicht ordnungsgemäß, 2.1697 so besteht grundsätzlich kein dauerhaftes Widerrufsrecht (mehr). Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB vielmehr 12 Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt (Vertragsschluss). 6.

Erlöschen des Widerrufsrechts

a) Neuverträge. Fehlt eine Widerrufsbelehrung oder ist diese nicht ordnungs- 2.1698 gemäß, so besteht grundsätzlich kein dauerhaftes Widerrufsrecht (mehr).2144) Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB vielmehr 12 Monate und 14 Tage nach dem in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Zeitpunkt (Vertragsschluss). Dies gilt auch für Ratenlieferungsverträge (§ 356c Abs. 2 Satz 2 BGB).

2.1699

Von der Ausnahme für Verträge über Finanzdienstleistungen in § 356 Abs. 3 2.1700 Satz 3 BGB macht seit dem 21.3.2016 § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB für ImmobiliarVerbraucherdarlehensverträge eine Gegenausnahme, demzufolge das Widerrufsrecht ebenfalls spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen erlischt. Bei Finanzdienstleistungen ist im Übrigen an den Erlöschenstatbestand der beiderseitigen vollständigen Erfüllung vor Ausübung des Widerrufsrechts (§ 356 Abs. 4 Satz 3 BGB) zu denken. ___________ 2143) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 61. 2144) BT-Drucks. 17/13951, S. 101.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.1701 b) Altfälle. Zwecks Gleichbehandlung mit Neuverträgen und aus Gründen der Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 43) wird der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB gem. Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB auf Direktvertriebsverträge übertragen, die vor dem 13.6.2014 geschlossen wurden. Ausweislich der Gesetzesbegründung erschien es nicht sachgerecht, das zeitlich unbefristete Widerrufsrecht bei fehlender oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung allein bei Altverträgen fortbestehen zu lassen. Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB bestimmt daher, dass bei Altverträgen im Direktvertrieb die Widerrufsfrist auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung 12 Monate und 14 Tage nach vollständiger Erbringung der beiderseitigen Leistungen aus dem Vertrag, nicht jedoch vor Ablauf des 27.6.2015, erlosch.2145) Art. 229 § 32 Abs. 4 Satz 2 EGBGB sieht eine entsprechende Regelung für Direktvertriebsverträge vor, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher eine entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt, wenn der Vertrag vor dem 11.6.2010 geschlossen wurde. Erfasst werden alle Widerrufsrechte, unabhängig von ihrem Rechtsgrund. 2.1702 Die Vorschrift gilt nur für Haustürgeschäfte i. S. d. § 312 Abs. 1 Satz 1 a. F.2146) 7.

Widerrufserklärung

2.1703 a) Formfreiheit. Der Verbraucher kann den Widerruf gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich formfrei erklären. Der Widerruf kann also in beliebiger Form und damit auch mündlich, etwa durch einen Telefonanruf, erklärt werden. Aufgrund der fehlenden Formbedürftigkeit reicht es aus, wenn der Verbraucher seine Widerrufserklärung auf dem Anrufbeantworter des Unternehmers hinterlässt. 2.1704 b) Muster-Widerrufsformular. Hat der Unternehmer dem Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zur Verfügung gestellt, so kann der Verbraucher dieses nutzen (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.). Bei Verwendung des Formulars ist der Zugang der Widerrufserklärung durch den Unternehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies dient jedoch lediglich Beweiszwecken, eine Sanktion für die Verletzung dieser Pflicht ist nicht vorgesehen. Fünfter Abschnitt: Fragen des Kartellrechts § 27 Europäisches Kartellrecht I.

Abgrenzung

2.1705 Im primären europäischen Kartellrecht kommen als Prüfungsmaßstab für Getränkelieferungsverträge zum einen das allgemeine Verbot wettbewerbs- und ___________ 2145) BT-Drucks. 17/13951, S. 73. 2146) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 229 § 32 EGBGB Rz. 3.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.1701 b) Altfälle. Zwecks Gleichbehandlung mit Neuverträgen und aus Gründen der Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 43) wird der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB gem. Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB auf Direktvertriebsverträge übertragen, die vor dem 13.6.2014 geschlossen wurden. Ausweislich der Gesetzesbegründung erschien es nicht sachgerecht, das zeitlich unbefristete Widerrufsrecht bei fehlender oder fehlerhafter Widerrufsbelehrung allein bei Altverträgen fortbestehen zu lassen. Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB bestimmt daher, dass bei Altverträgen im Direktvertrieb die Widerrufsfrist auch bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Belehrung 12 Monate und 14 Tage nach vollständiger Erbringung der beiderseitigen Leistungen aus dem Vertrag, nicht jedoch vor Ablauf des 27.6.2015, erlosch.2145) Art. 229 § 32 Abs. 4 Satz 2 EGBGB sieht eine entsprechende Regelung für Direktvertriebsverträge vor, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher eine entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt, wenn der Vertrag vor dem 11.6.2010 geschlossen wurde. Erfasst werden alle Widerrufsrechte, unabhängig von ihrem Rechtsgrund. 2.1702 Die Vorschrift gilt nur für Haustürgeschäfte i. S. d. § 312 Abs. 1 Satz 1 a. F.2146) 7.

Widerrufserklärung

2.1703 a) Formfreiheit. Der Verbraucher kann den Widerruf gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich formfrei erklären. Der Widerruf kann also in beliebiger Form und damit auch mündlich, etwa durch einen Telefonanruf, erklärt werden. Aufgrund der fehlenden Formbedürftigkeit reicht es aus, wenn der Verbraucher seine Widerrufserklärung auf dem Anrufbeantworter des Unternehmers hinterlässt. 2.1704 b) Muster-Widerrufsformular. Hat der Unternehmer dem Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zur Verfügung gestellt, so kann der Verbraucher dieses nutzen (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F.). Bei Verwendung des Formulars ist der Zugang der Widerrufserklärung durch den Unternehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen (§ 356 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies dient jedoch lediglich Beweiszwecken, eine Sanktion für die Verletzung dieser Pflicht ist nicht vorgesehen. Fünfter Abschnitt: Fragen des Kartellrechts § 27 Europäisches Kartellrecht I.

Abgrenzung

2.1705 Im primären europäischen Kartellrecht kommen als Prüfungsmaßstab für Getränkelieferungsverträge zum einen das allgemeine Verbot wettbewerbs- und ___________ 2145) BT-Drucks. 17/13951, S. 73. 2146) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 229 § 32 EGBGB Rz. 3.

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II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

handelsbeschränkender Vereinbarungen (Art. 101 AEUV), zum anderen das Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Macht (Art. 102 AEUV) in Betracht.2147) Beide Vorschriften schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können im Einzelfall nebeneinander anwendbar sein. Zu denken ist etwa an den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, die auf einer Kartellabsprache mehrerer Unternehmen beruht.2148) Während Art. 101 AEUV an zwei- bzw. mehrseitige Maßnahmen anknüpft, sanktioniert Art. 102 AEUV einseitige Maßnahmen. Im Rahmen einer wertenden Betrachtung bedarf es der Prüfung, wo der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt. Art. 102 AEUV über die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden 2.1706 Stellung dürfte sowohl im Hinblick auf das Polypol der Anbieter (Brauereien, sonstige Getränkehersteller, Getränkefachgroßhändler) als auch auf den intensiven Wettbewerb kaum praktisch werden. Etwa in Belgien sieht dies anders aus.2149) Im Übrigen verlangt die Rechtsprechung insofern einen Marktanteil von mehr als 50 %.2150) II.

Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

1.

Schutzzweck und Systematik

Zweck des unmittelbar in Deutschland geltenden2151)Art. 101 AEUV ist nicht 2.1707 der Schutz des Wettbewerbs um seiner selbst Willen. Ziel des Wettbewerbsrechts ist vielmehr die Errichtung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs in der Europäischen Union. Künstliche oder willkürliche Eingriffe der Unternehmen sind abzuwehren. Der Aufbau des Art. 101 AEUV folgt einem Regel-Ausnahme-Verhältnis. 2.1708 Während in Abs. 1 dargelegt wird, welches wettbewerbsschädliche Verhalten durch die Norm grundsätzlich verboten ist (Verbotstatbestand), formuliert Abs. 3 einige Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das Verbot des Abs. 1 ausnahmsweise nicht gilt (Freistellung).2152) 2.

Prüfungsrelevanz

Die Wirksamkeit von Getränkelieferungsverträgen ist nicht nur an § 138 Abs. 1 2.1709 BGB bzw. § 307 BGB zu messen, sondern auch nach Art. 101 Abs. 1 AEUV und ___________ 2147) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 363. 2148) EuGH, Urt. v. 13.2.1979 – C-85/76, Slg. 1979, 461 – Hoffmann-La Roche. 2149) So hat die Kommission auf eigene Initiative im Juni 2016 eine förmliche Untersuchung des Geschäftsgebarens von AB InBev auf dem belgischen Biermarkt eingeleitet, EuZW 2016, 525. 2150) EuGH, Urt. v. 3.7.1991 – C-62/86, EuZW 1992, 21 – AKZO. Vgl. § 18 Abs. 6 Nr. 1 GWB. 2151) LG Aachen, Urt. v. 17.5.1988 – 41 O. 25/88. 2152) Dasselbe gilt im deutschen Recht für das Verhältnis des § 1 GWB zu den §§ 2 und 3 GWB.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

§ 1 GWB zu prüfen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es darauf an, ob die Marktzugänglichkeit für Wettbewerber in unzulässiger Weise erschwert wird.2153) 3.

Unternehmen und Unternehmensvereinigungen

2.1710 a) Einführung. Das Kartellverbot gilt nur für Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Mit diesen Begriffen wird festgelegt, wer die Anforderungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV einhalten muss und wessen Verhalten grundsätzlich außerhalb des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts steht. 2.1711 b) Begriff. Entsprechend dem Zweck des Wettbewerbsrechts wird ein weites Verständnis zugrunde gelegt. Als Unternehmen gilt jedes Rechtssubjekt, das eine kommerzielle oder wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.2154) Unter wirtschaftlicher Tätigkeit ist jedes Anbieten von Produkten oder Dienstleistungen auf einem Markt zu verstehen.2155) Herrschend ist ein funktionaler Unternehmensbegriff.2156) Als Unternehmen i. S. d. Art. 101 Abs. 1 AEUV wird jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung, angesehen. Die Größe des Unternehmens spielt keine Rolle. Auszuklammern ist die private Vermögensverwaltung, solange sie nicht in gewerblichen Unternehmen verselbständigt wird. 2.1712 c) Staatliche Einrichtungen und Behörden können jedenfalls dann Unternehmen sein, solange sie nicht rein hoheitlich handeln oder Waren zu sozialen Zwecken erwerben. 2.1713 d) Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst nach Sinn und Zweck alle wirtschaftlichen Einheiten, die sich, wie immer, an wettbewerbsbeschränkenden Verträgen beteiligen können. Unternehmen können daher auch rechtsfähige und nicht rechtsfähige Vereine sein. 2.1714 e) Konzernprivileg. Das Kartellverbot gilt nicht für Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen innerhalb eines Unternehmensverbundes. Hier fehle es aufgrund der einheitlichen Willensbildung im Konzern an einer „Vereinbarung“ zwischen Unternehmen.2157) 4.

Vereinbarung

2.1715 a) Voraussetzungen. Die erforderliche Willensübereinstimmung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.2158) Im Hinblick auf die durch Art. 101 Abs. 2 ___________ 2153) EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2154) EuGH, Urt. v. 11.7.2006 – C-205/03, BeckEuRS 2006, 429612 – FENIN. 2155) EuGH, Urt. v. 12.9.2000 – C-180/98, Slg. 2000 I 6451 – Pavlov. 2156) EuGH, Urt. v. 23.4.1991 – C-41/90, Slg. 1991 I 1979 – Höfner und Elser; OLG München, Urt. v. 14.3.2013 – U 1891/12 Kart, BeckRS 2013, 07113, zum GWB. 2157) EuGH, Urt. v. 24.10.1996 – C-73/95, Slg. 1996 I 5457 – Viao. 2158) EuGH, Urt. v. 25.10.1983 – 3 C 107/82, Slg. 1983, 3151 – AEG-Telefunken.

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II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

AEUV angeordnete Nichtigkeitsfolge bedarf es allerdings keines Rechtsbindungswillens. Häufig werden Kartellverträge im Bewusstsein geschlossen, dass ihnen im Hin- 2.1716 blick auf die jeweiligen Kartellverbote (Art. 101 AEUV, § 1 GWB) keine rechtliche Bindungswirkung zukommt. Dieses Bewusstsein steht der Annahme einer Vereinbarung nicht entgegen, wenn im Übrigen die Voraussetzungen eines zivilrechtlichen Vertrages erfüllt sind. Erforderlich sind aber jedenfalls eine tatsächliche Bindungswirkung und ein darauf gerichteter Wille. Die Form, in der die Vereinbarung abgeschlossen wurde, ist gleichgültig. Schrift- 2.1717 lichkeit ist nicht erforderlich. b) Anwendungsfälle. Unter den Begriff der Vereinbarung fallen nicht nur ho- 2.1718 rizontale Vereinbarungen (zwischen Wettbewerbern), sondern auch vertikale Vereinbarungen (zwischen Nichtwettbewerbern), also Vereinbarungen, die zwischen Unternehmen geschlossen werden, die auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind. Typische Beispiele sind Vereinbarungen zwischen Anbietern einer Ware und Abnehmern des zu vertreibenden Produkts (Händlern etc.), insbesondere Vertriebsverträge, in den unterschiedlichsten Formen. Dazu rechnen sowohl Alleinbezugsvereinbarungen2159) als auch Alleinvertriebsvereinbarungen, selektive Vertriebsbindungen und bindende Preisempfehlungen. Diese können den Herstellerwettbewerb (inter-brand-Wettbewerb)2160) oder auch den Wettbewerb der Händler (intra-brand-Wettbewerb) beeinträchtigen. Da zwischen Unternehmen im Vertikalverhältnis kein aktueller Wettbewerb besteht, werden sie als weniger schädlich eingeschätzt; dies zeigt das Wertungsmodell der VO Nr. 330/2010. c) Zweigleisiger Vertrieb. Zu beachten ist, dass eine vertikale Vereinbarung 2.1719 nur dann vorliegt, wenn die beteiligten Unternehmen weder in einem tatsächlichen noch in einem potentiellen Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Das hat zur Folge, dass beispielsweise in Fällen des „zweigleisigen“ Vertriebs („dual distribution“) die Vertriebsvereinbarungen des Anbieters nicht in den Genuss des 15 %-Schwellenwertes gelangen, sondern anhand des Maßstabes für Vereinbarungen unter Wettbewerbern (10 %) zu beurteilen sind.

___________ 2159) Beispiel: Das französische Vertriebsunternehmen Consten und der deutsche Fernseh- und Rundfunkgerätehersteller Grundig schließen einen Vertriebsvertrag ab, der eine Ausschließlichkeitsklausel enthält; EuGH, Urt. v. 13.7.1966 – Rs 56 und 58/64, Slg. 1966, 322 = NJW 1966, 1585 – Consten und Grundig. 2160) Beispiel: Festlegung des Verkaufspreises des Vertriebsunternehmens durch den Hersteller (Preisbindung der zweiten Hand). Es handelt sich um eine unzulässige Kernbeschränkung nach Art. 4 a VO Nr. 330/2010.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

5.

Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs

2.1720 a) Geschützt wird nicht nur der aktuelle, sondern auch der potentielle Wettbewerb. Allerdings kann von einem potentiellen Wettbewerb, der dem Schutz des Kartellrechts unterfällt, noch nicht bei der bloß theoretischen und ganz entfernten Möglichkeit, dass Wettbewerb vielleicht in Zukunft entsteht, gesprochen werden. Nach dem Rechtsgedanken des Art. 1c VO Nr. 330/2010 ist ein „potentieller Wettbewerber“ ein Unternehmen, „bei dem realistisch und nicht nur hypothetisch davon ausgegangen werden kann, dass es ohne vertikale Vereinbarung als Reaktion auf einen geringen, aber anhaltenden Anstieg der relativen Preise wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit die zusätzlichen Investitionen tätigen oder sonstigen Umstellungskosten auf sich nehmen würde, die erforderlich wären, um in den relevanten Markt einzutreten“. Folglich müssen Anhaltspunkte dafür festgestellt werden können, dass ohne die Vereinbarung andere Unternehmen die notwendigen zusätzlichen Investitionen und andere erforderliche Umstellungskosten auf sich nehmen würden, um in den in den Markt einzutreten. Dieser Einschätzung müssen realistische Erwägungen zugrunde liegen. Die rein theoretische Möglichkeit eines Marktzutritts reicht hierzu nicht aus.2161) 2.1721 Potentieller Wettbewerb durch ein noch nicht im gleichen Markt tätiges Unternehmen kann bejaht werden, wenn eine gewisse sachliche und räumliche Nähe zum relevanten Markt besteht und ein Marktzutritt in angemessener Zeit möglich ist.2162) 2.1722 Zum Begriff des tatsächlichen oder potentiellen Wettbewerbers kann auf Ziff. 10 der Mitteilung der Kommission im Leitfaden zur Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit 2011 verwiesen werden.2163) Zwei Unternehmen gelten als tatsächliche Mitbewerber, wenn sie auf demselben relevanten Markt tätig sind. Ein Unternehmen gilt als potentieller Wettbewerber eines anderen Unternehmens, wenn wahrscheinlich ist, dass es ohne die Vereinbarung im Falle eines geringen aber anhaltenden Anstiegs der relativen Preise innerhalb kurzer Zeit die zusätzlichen Investitionen tätigen oder sonstigen Umstellungskosten auf sich nehmen würde, die erforderlich wären, um in den relevanten Markt einzutreten, auf dem das andere Unternehmen tätig ist.2164) 2.1723 b) Eignung zur Wettbewerbsbeschränkung. Es kommt nicht darauf an, ob Auswirkungen auf Dritte tatsächlich eingetreten sind. Vielmehr genügt bereits die bloße Eignung der Wettbewerbsbeschränkung zur Hervorrufung der fraglichen ___________ 2161) EuG, Urt. v. 15.9.1998 – T-374, 375 und 388/94, Slg. 1998 II 3141 – European Night Services (ENS). 2162) EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu. 2163) AB. C 11/1 vom 14.1.2011. 2164) Vgl. Ziff. II 8 a Fn. 2 Satz 2 Bagatellbekanntmachung 2014 sowie Art. 1 c VO Nr. 330/2010.

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II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

Auswirkungen auf Dritte, weil sich Art. 101 Abs. 1 AEUV damit begnügt, dass die Wettbewerbsbeschränkung bewirkt ist.2165) 6.

Relevanter Markt

a) Bedeutung. Die Abgrenzung des relevanten Marktes hat in den letzten Jah- 2.1724 ren in der Praxis zu Art. 101 AEUV zunehmende Bedeutung erlangt. Erstens wird bei der Prüfung der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung vorrangig auf die Marktanteile der an einer wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme beteiligten Unternehmen abgestellt. Marktanteile können aber nur auf sachlich, räumlich und ggf. auch zeitlich möglichst genau abgegrenzten Märkten bestimmt werden.2166) Die Abgrenzung des relevanten Marktes spielt im Rahmen von Art. 101 AEUV zweitens eine Rolle bei der Unterscheidung zwischen aktuellem und potentiellen Wettbewerb, drittens im Rahmen der Zwischenstaatlichkeitsklausel sowie viertens bei der Prüfung, ob eine bestimmte Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freistellungsfähig ist, weil dies u. a. davon abhängt, ob den beteiligten Unternehmen durch die wettbewerbsbeschränkende Maßnahme Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerb auszuschalten (vgl. zu Letzterem Art. 3 VO Nr. 330/2010). b) Sachlich relevanter Markt. Ein räumlich gesonderter Markt lässt sich ohne 2.1725 vorherige sachliche Marktabgrenzung nicht feststellen (Ziff. 8 Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes 1997). Zur Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes sowohl auf Nachfrage- als auch auf Angebotsseite wendet die Kommission das Konzept der funktionellen Austauschbarkeit (Bedarfsmarktkonzept) an. c) Räumlich relevanter Markt. Räumlich relevanter Markt ist das Gebiet, auf 2.1726 dem der Anbieter an seine Kunden verkauft (Ziff. 8 Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes 1997). Im Vertikalbereich ist bislang – anders als möglicherweise bei horizontalen Bindungen – eine regionale oder lokale Betrachtungsweise unzulässig. d) Zeitlich relevanter Markt. Unter dem zeitlich relevanten Markt versteht 2.1727 man den Zeitraum, für den die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen einer Maßnahme zu untersuchen sind. Auch hier gilt, dass die Unternehmen ihre Märkte in erster Linie selbst definieren, sodass sich der zeitlich relevante Markt grundsätzlich mit der Geltungsdauer der fraglichen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahme deckt. Die zeitliche Marktabgrenzung spielt außerdem gelegentlich ___________ 2165) EuGH, Urt. v. 21.1.1999 – C-215, 216/96, Slg. 1999 I 135, 161 = EuZW 1999, 212 – Bagnasco. 2166) Ziff. II 12 Satz 1 Bagatellbekanntmachung 2014. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 330/2010; Ziff. 90 Vertikalleitlinien 2000.

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noch eine Rolle, wenn bestimmte Märkte nur vorübergehend stattfinden, vor allem also bei Messen, Volksfesten und vergleichbaren Veranstaltungen.2167) 2.1728 e) Bekanntmachung. Ergänzend hierzu ist die aktuelle Bekanntmachung der Kommission zur Definition des relevanten Marktes 1997 zu nennen.2168) 7.

Bezwecken oder Bewirken

2.1729 a) Einführung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH weist der durch die Konjunktion „oder“ gekennzeichnete alternative Charakter darauf hin, dass zunächst der eigentliche Zweck der Vereinbarung in Betracht zu ziehen ist, wobei die wirtschaftlichen Begleitumstände ihrer Durchführung zu berücksichtigen sind.2169) 2.1730 b) Bezwecken. aa) Auslegung. Bezweckt ist eine Wettbewerbsbeschränkung, wenn sie auf einer entsprechenden Absicht der beteiligten Unternehmen beruht.2170) Ob die Wettbewerbsbeschränkung bezweckt ist, bestimmt sich danach, ob sie objektiv geeignet ist, eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs herbeizuführen. Auszugehen ist dabei vom Inhalt der Absprache.2171) 2.1731 Steht der wettbewerbsbeschränkende Zweck einer Vereinbarung fest, so ist die Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb entbehrlich.2172) Es bedarf dann keiner näheren Analyse der Marktverhältnisse und der Auswirkungen der Vereinbarung auf den Markt. Auch ist die Bagatellbekanntmachung 2014 nicht anwendbar (Ziff. I 2 Satz 2, II 13 Sätze 1 und 2 Bagatellbekanntmachung 2014).2173) 2.1732 Lässt die Prüfung des Inhalts der Vereinbarung keine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen, sind ihre Auswirkungen zu untersuchen und es müssen, damit sie vom Verbot erfasst wird, Umstände vorliegen, aus denen ___________ 2167) Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rz. 170. 2168) Siehe unten § 27 VIII 1 m. w. N. 2169) Ständige Rechtsprechung des seit EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; zuletzt EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2170) EuGH, Urt. v. 13.6.1966 – 56/65, Slg. 1966, 282, Société Techniqe Miniere. 2171) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm. 2172) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; EuGH, Urt. v. 13.7.1966 – Rs 56 und 58/64, Slg. 1966, 322 = NJW 1966, 1585 – Consten und Grundig; EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu; EuGH, Urt. v. 11.9.2014 – C67/13 P, EuZW 2014, 901 – Groupement des cartes bancaire; EuG, Urt. v. 15.9.1998 – T-374 und 375, 384 und 388/94, Slg. 1998 II 3141, 3223 – European Night Services (ENS); EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2173) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. Siehe unten § 27 VIII 5 e m. w. N.

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II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

sich insgesamt ergibt, dass der Wettbewerb tatsächlich spürbar verhindert, eingeschränkt oder verfälscht worden ist. Der Begriff der „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung ist eng auszulegen und kann nur auf bestimmte Arten von Koordinierung zwischen Unternehmen angewandt werden, die den Wettbewerb hinreichend beeinträchtigen, damit davon ausgegangen werden kann, dass die Prüfung ihrer Auswirkungen nicht notwendig ist.2174) Faktisch wird dies bei horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen (Kernbeschränkungen nach Art. 4 VO Nr. 330/2010) wie etwa Preis-, Mengen-, Kunden- oder Gebietsabsprachen angenommen. Hier wird die Absicht der Unternehmen unterstellt, weil eine fehlende Kenntnis der Beteiligten bei diesen gravierenden Wettbewerbsverstößen nicht plausibel ist.2175) Das wesentliche rechtliche Kriterium bei der Ermittlung, ob eine Vereinbarung eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung enthält, liegt daher in der Feststellung, dass eine solche Vereinbarung in sich selbst eine hinreichende Beeinträchtigung des Wettbewerbs erkennen lässt, die die Annahme rechtfertigt, dass eine Prüfung ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht erforderlich ist.2176) bb) Konsequenzen. Der Umstand, dass ein Geschäftsraummietvertrag über 2.1733 die Vermietung einer Supermarktfläche in einem Einkaufszentrum eine Klausel enthält, die dem Mieter das Recht einräumt, der Vermietung von Gewerbeflächen in diesem Einkaufszentrum durch den Vermieter an andere Mieter zu widersprechen, bedeutet sonach für sich genommen nicht, dass dieser Vertrag eine Einschränkung des Wettbewerbs im Sinne dieser Bestimmung bezweckt.2177) c) Bewirken. aa) Kann einer Maßnahme kein wettbewerbsbeschränkender 2.1734 Zweck beigemessen werden, so ist zu prüfen, ob sie eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Die Auswirkungen der Vereinbarung oder der abgestimmten Verhaltensweise sind in einem Vergleich der tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse mit den hypothetischen Wettbewerbsverhältnissen ohne die Vereinbarung oder die abgestimmte Verhaltensweise zu prüfen. „Bewirkt“ ist eine Wettbewerbsbeschränkung, wenn der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb derart beeinträchtigt ist, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine negative Beeinflussung der Marktverhältnisse zu erwarten ist.2178) Die Prüfung muss den wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang der zu prüfenden Handlung berücksichtigen.2179) ___________ 2174) EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2175) Ziff. 23 Leitlinien der Kommission zu Art. 81 Abs. 3 EGV; EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2176) EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2177) EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2178) Ziff. 23 Leitlinien der Kommission zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV. 2179) EuGH, Urt. v. 12.12.1967 – Rs 23/67, Slg. 1967, 544 = NJW 1968, 368 = Zeller I – Brasserie de Haecht; uGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs 22/71, Slg. 1971, 949 = NJW 1972, 1640 – Béguelin. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima.

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2.1735 bb) Dabei kommt es insbesondere auf Art und Menge der betroffenen Erzeugnisse, die Marktstellung der Beteiligten, die Eingebundenheit einer Vereinbarung in ein Vertragsnetz gleichartiger Verträge und die Offenheit des betroffenen Marktes bzw. Möglichkeiten des Marktzugangs für Dritte an.2180) 2.1736 cc) Nachweis. Der Nachweis einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung erfordert in der Regel die Durchführung einer aufwändigen Marktanalyse. Auch eine bloße „bewirkte“ Beschränkung kann nicht ohne intensive Prüfung der konkreten Marktverhältnisse angenommen werden.2181) Die Auswirkungen der vereinbarten Zusammenarbeit auf die davon betroffenen Märkte sind zu analysieren und positive und negative Effekte einander gegenüberzustellen (Prüfung der materiellen Wettbewerbsbeschränkung). Vereinbarungen, die markterschließende, wettbewerbsbelebende oder marktdurchdringende Wirkungen auslösen oder selbst Ausdruck wirksamen Wettbewerbs sind, fallen von vorne herein nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV. 2.1737 Der EuGH hält den Nachweis der tatsächlich eingetretenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkung einer Vereinbarung für verzichtbar, weil Art. 101 AEUV sowohl tatsächliche als auch rein potentielle wettbewerbswidrige Auswirkungen verbietet.2182) Für das Bewirken der Wettbewerbsbeschränkung ist eine zuverlässige Prognose einer solchen Wirkung ausreichend. 8.

Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels

2.1738 a) Funktion. Die Zwischenstaatlichkeitsklausel ist zum einen materielles Tatbestandsmerkmal. Dem entspricht es, dass das Merkmal zumeist erst nach den anderen Voraussetzungen des Tatbestandes geprüft wird. Zum anderen soll sie eine implizite Kollisionsnorm darstellen.2183) Das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten grenzt den Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV von vergleichbaren Regelungen der nationalen Kartellrechte ab (Art. 3 Abs. 2 VO Nr. 1/2003). 2.1739 b) Definition. Nach der vom Gerichtshof entwickelten Formel liegt eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten vor, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme unter Berücksichtigung der Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrschein___________ 2180) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; EuGH, Urt. v. 10.7.1980 – Rs 99/79, Slg. 1980, 2511 NJW 1981, 1151 – Lancôme/Etos; EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu. 2181) EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu. 2182) EuGH, Urt. v. 28.5.1998 – C-7/95P, Slg. 1998, I 3111 – John Deere; Kommission ABl 1975 L 228/3, 8. 2183) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 1 AEUV, Rz. 194.

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lichkeit erwarten lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder der Möglichkeit nach (potentiell) den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflusst, die der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteilig sein könnte. Die weite Formulierung der Zwischenstaatlichkeitsklausel hat zu einem erheblichen Bedeutungsverlust dieser Tatbestandsvoraussetzung geführt und damit das Gewicht des europäischen Kartellrechts im Verhältnis zum Kartellrecht der Mitgliedstaaten entschieden erhöht. c) Nachweis. Dem Wortlaut der Zwischenstaatlichkeitsklausel entsprechend 2.1740 kommt es nicht darauf an, dass der zwischenstaatliche Handel tatsächlich beeinträchtigt wird.2184) Entscheidend ist nur, dass die Absprache hierzu geeignet ist bzw. eine Gefahr der Beeinträchtigung begründet. d) Sitz der beteiligten Unternehmen. An der Erfüllung der Zwischenstaat- 2.1741 lichkeitsklausel bestehen keine Zweifel, wenn die beteiligten Unternehmen ihren Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten haben und sich ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten in mindestens zwei Mitgliedstaaten auswirkt (Auswirkungsprinzip). Aber auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen aus einem Mitgliedstaat oder mit Unternehmen aus Drittstaaten unterliegen dem EUKartellrecht, wenn sie in irgendeiner Weise unmittelbar oder mittelbar den zwischenstaatlichen Handel beeinflussen können. Maßnahmen, deren wettbewerbsbeschränkende Wirkung sich auf das gesamte 2.1742 Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erstrecken, sind in der Regel zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten geeignet, weil sie schon ihrem Wesen nach die Abschottung nationaler Märkte verfestigen und die gewünschte Marktintegration verhindern können.2185) Der Gerichtshof hat in der Entscheidung Bagnasco deutlich gemacht, dass die Abschottungswirkung nicht vorliegt, wenn Unternehmen aus anderen Mitgliedsstaaten ungeachtet der angegriffenen Vereinbarung in der Lage sind, ihre Waren oder Dienstleistungen im betroffenen Mitgliedsstaat anzubieten.2186)

___________ 2184) EuGH, Urt. v. 14.12.1983 – Rs C-319/82, Slg. 1983, 4173 = NJW 1984, 555 – Kerpen & Kerpen. 2185) EuGH, Urt. v. 17.10.1972 – 8/72, Slg. 1972, 977 – Cementhandelaren; EuGH, Urt. v. 21.1.1999 – C-215, 216/96, Slg. 1999 I 135, 161 = EuZW 1999, 212 – Bagnasco; EuGH, Urt. v. 23.11.2006 – Rs C-238/05, Slg. 2006, I-11 125 – Asnef-Eqiifax; EuGH, Urt. v. 24.9.2009, verbundene Rs C 125/133/135 und 137/07, Slg. 2009, I-8681 – Erste Bank der österreichischen Sparkassen ./. Kommission. Vgl. dazu Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004, u. a. Ziff. 88. 2186) EuGH, Urt. v. 21.1.1999 – C-215, 216/96, Slg. 1999 I 135, 161 = EuZW 1999, 212 – Bagnasco.

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2.1743 e) Bekanntmachung. Ergänzend hierzu sind die aktuellen Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004 zu nennen.2187) 9.

Spürbarkeit

2.1744 a) Bedeutung. Der Gerichtshof hat schon sehr früh das den Anwendungsbereich des Kartellverbots einschränkende, ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit anerkannt (sog. de minimis- oder Bagatellregel). Danach kann nur diejenige unternehmerische Zusammenarbeit gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen, deren wettbewerbs- und handelsbeschränkende Konsequenzen als spürbar, d. h. nicht bloß als geringfügig bzw. unbedeutend, einzustufen sind.2188) Art. 101 Abs. 1 AEUV ist nicht anwendbar, wenn die Vereinbarung keine spürbaren Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten oder den Wettbewerb hat.2189) 2.1745 b) Erheblichkeit. Die ungeschriebene Tatbestandsrestriktion der Spürbarkeit hat Bedeutung sowohl für die Wettbewerbsbeschränkung als auch für die Eignung der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten.2190) 2.1746 c) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung. Maßstab für die Feststellung der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung ist die hypothetische Situation ohne die fragliche Wettbewerbsbeschränkung, d. h. bei Wettbewerb, auf dem jeweils relevanten Markt.2191) 2.1747 d) Beurteilungskriterien. aa) Gesamtbetrachtung. Die Unionsgerichte orientieren sich sehr an individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles und stellen auf eine Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlichen und rechtlichen Umstände ab.2192) Da___________ 2187) Siehe unten § 27 VIII 3 m. w. N. 2188) Ständige Rechtsprechung, u. a. EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; EuGH, Urt. v. 14.12.1983 – Rs 319/82, Slg. 1983, 4173 = NJW 1984, 555 – Kerpen & Kerpen; EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. Vgl. auch Ziff. I 1 Satz 2 Bagatellbekanntmachung 2014. 2189) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. 2190) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2005 – VI-2 Kart 12/04 (V), BeckRS 2005, 30357898 – Fliligranbetondecken; Ziff. 12 Satz 2 und 13 Satz 2 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 188 – 312. 2191) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; EuGH, Urt. v. 9.7.1969 – Rs 5/69, Slg. 1969, 295 = NJW 1969, 1550 – Völk ./. Vervaecke; EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs 22/71, Slg. 1971, 949 = NJW 1972, 1640 – Béguelin; EuGH, Urt. v. 19.10.1980 – Rs 209 – 215 und 218/78, Slg. 1980, 3125 – Van Landewyck. 2192) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

538

II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkter Vereinbarungen

neben kommt es auf die Marktkonzentration, die Marktstellung der an einer Vereinbarung Beteiligten und Verbraucherpräferenzen an.2193) Die Kommission interpretiert das Tatbestandsmerkmal dagegen überwiegend, 2.1748 aber keineswegs ausschließlich, quantitativ. Aktuell stellt sie allein auf die Marktanteile ab.2194) Unabhängig vom Marktanteil soll die Spürbarkeit aber immer dann gegeben sein, wenn eine Vereinbarung Kernbeschränkungen i. S. d Art. 4 VO Nr. 330/2010 enthält.2195) Auch bei dem an sich rein quantitativ ausgerichteten Spürbarkeitsmerkmal spielt somit die Qualität der Wettbewerbsbeschränkung eine Rolle. bb) Marktanteil. Auch wenn eine Festlegung auf bestimmte Schwellenwerte 2.1749 vermieden wird, so lassen manche Entscheidungen doch erkennen, dass ein gemeinsam oder sogar ein einzeln erreichter 5 %-Marktanteil der Beteiligten Spürbarkeit nahelegt.2196) In einem großen, vom Vorhandensein vieler Marken geprägten Markt können marktabschottende Maßnahmen auch bei Anteilen der Beteiligten in der Größenordnung von 3 bis 3,5 % das Spürbarkeitskriterium erfüllen, insbesondere wenn sie damit Marktanteile der übrigen Konkurrenten übertreffen und große Umsätze aufweisen.2197) Bei Marktanteilen, die kleiner als 1 % sind, soll es dagegen an der Spürbarkeit in aller Regel fehlen.2198) e) Beweis. Der Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV ist nur dann erfüllt, wenn 2.1750 sowohl eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung als auch spürbare Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel festgestellt werden können. Eine mögliche Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels entbindet nicht von dem Nachweis der Spürbarkeit, denn nur im Falle der Spürbarkeit ist eine kartellrechtlich relevante Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels gegeben und zu unterbinden.2199) f) Bekanntmachungen. Ergänzend hierzu sind aktuellen Bekanntmachungen 2.1751 der Kommission zu nennen.2200) ___________ 2193) EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu. 2194) Ziff. 31, 47 Satz 1, 48 Sätze 1 – 3 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. 2195) Ziff. 141 Vertikalleitlinien 2000. 2196) EuGH, Urt. v. 1.7.1978 – Rs 19/77, Slg. 1978, 131 – Miller; EuGH, Urt. v. 25.10.1983 – Rs 107/82, Slg. 1983, 3151 = NJW 1984, 1281 – AEG. 2197) EuGH, Urt. v. 7.6.1983 – Rs 100/80, Slg. 1983, 1825 – Musique Diffusion Française. 2198) EuGH, Urt. v. 6.7.1969 – Rs 5/69, Slg. 1969, 295 = NJW 1969, 1550 – Völk ./. Vervaecke; EuGH, Urt. v. 6.5.1971 – Rs 1/71, Slg. 1971, 351 – Cadillon ./. Höss; EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs 22/71, Slg. 1971, 949 = NJW 1972, 1640 – Béguelin. 2199) EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs 22/71, Slg. 1971, 949 = NJW 1972, 1640 – Béguelin. 2200) Empfehlung betreffend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 2003, hier § 27 VIII 2 m. w. N., und Bagatellbekanntmachung 2014, hier § 27 VIII 5 m. w. N.

539

§ 27 Europäisches Kartellrecht

10.

Darlegung und Beweis

2.1752 a) Grundsatz. Die Beweislast ist in Art. 2 Satz 1 VO Nr. 1/2003 klar und eindeutig verteilt. Parteien und Behörden und damit auch die Kommission, die eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 AEUV geltend macht, tragen hierfür die Beweislast. Dies zeigt auch der Erwägungsgrund 5 der VO Nr. 1/2003. 2.1753 b) Zwischenstaatlichkeit. Die Darlegungs- und Beweisanforderungen hinsichtlich einer eine Abschottungswirkung sind hoch, deutlich höher als in der Vergangenheit. 2.1754 c) Die Anforderungen insbesondere des ungeschriebenen Tatbestandmerkmals der Spürbarkeit sind erheblich und in den letzten Jahren ständig gewachsen. Da insbesondere Unternehmen, die einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV behaupten, nicht über die Ermittlungsbefugnisse der Kartellbehörde verfügen, wird dieser Beweis nicht selten nicht geführt werden können. Kann der Beweis nicht geführt werden bzw. kommt es zu einer non-liquet-Situation, so trägt die beweisbelastete Partei das Risiko, dass ihre Behauptung der Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot zurückgewiesen wird. 11.

Freistellung (Art. 101 Abs. 3 AEUV)

2.1755 a) System der Legalausnahme. Art. 101 Abs. 3 AEUV wirkt nach Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 1/20032201) direkt. Liegen die Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV vor, so ist die Vereinbarung vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt (Legalausnahme). Dies hat die Folge, dass auch dieser Absatz des Kartellverbotes unmittelbar anwendbar ist (Art. 1 Abs. 1 VO Nr. 1/2003). 2.1756 b) Das Freistellungsmonopol der Kommission besteht nur noch hinsichtlich der Einzelfreistellung. Die Unternehmen sowie nationale Kartellbehörden und Gerichte sind ermächtigt und verpflichtet, selbst zu prüfen, ob die fragliche Vereinbarung die vier Voraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV erfüllt. Das bisherige Anmeldeverfahren ist einer „Selbstveranlagung“ der Unternehmen gewichen. 2.1757 c) Dezentralisierung der Kartellrechtsanwendung. Die Durchsetzung der Art. 101 und 102 AEUV liegt nahezu ausschließlich bei der Kommission (Art. 4 VO Nr. 1/2003). Die nationalen Wettbewerbsbehörden (Art. 5 VO Nr. 1/2003) und Gerichte (Art. 6 VO Nr. 1/2003) müssen ebenfalls und uneingeschränkt diese Bestimmungen anwenden und durchsetzen (Erwägungsgründe 6 – 9, 34 f). Sie sind zur einheitlichen Anwendung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln verpflichtet (Art. 16 VO Nr. 1/2003) und wenden dabei ihr nationales Verfahrensrecht an. Die Kommission will sich auf die Formulierung der Wettbewerbspolitik, die Koordinierung des Netzwerkes der Kartellbehörden und die Entscheidung von Einzelfällen mit besonderer Bedeutung konzentrieren. ___________ 2201) ABl EG Nr. L 1/1 v. 4.1.2003.

540

III. Rückblick

d) Grenze. Die im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen aktuell gel- 2.1758 tende Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 330/2010 muss den primärrechtlichen Rahmen des Art. 101 Abs. 3 AEUV einhalten. Sie kann nicht etwas erlauben, was nach Art. 101 Abs. 3 AEUV verboten ist. e) Darlegung und Beweis. Wer sich auf die Voraussetzungen einer Gruppen- 2.1759 freistellungsverordnung beruft oder eine Einzelfreistellungsentscheidung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV begehrt, trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast. 12.

Rechtsfolgen eines Verstoßes

a) Überblick. Verstöße gegen Art. 101 AEUV lösen öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Rechtsfolgen aus. b) Öffentlich-rechtliche Rechtsfolgen. Soweit es um die öffentlich-rechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV geht, ist die VO Nr. 1/2003 zu beachten. Gem. Art. 7 VO Nr. 1/2003 stellt die Kommission den Verstoß gegen Art. 101 AEUV im Verwaltungsverfahren fest und untersagt das wettbewerbsschädliche Verhalten durch Beschluss gem. Art. 288 Abs. 4 AEUV. Unter Umständen wird die Untersagung mit einer Abstellungsverfügung kombiniert, in der die detaillierten Maßnahmen aufgeführt sind, mit denen der Verstoß abzustellen ist. Weit wichtiger sind die im Ordnungswidrigkeitenverfahren festgelegten Geldbußen gem. Art. 23 VO Nr. 1/2003, deren Höhe sich nach der Schwere des Verstoßes und seiner Dauer richtet. Die Obergrenze für jedes beteiligte Unternehmen liegt bei 10 % seines Gesamtumsatzes im letzten Geschäftsjahr. Unter den Voraussetzungen der Kronzeugenregelung2202) wird auf die Verhängung von Geldbußen verzichtet. c) Zivilrechtliche Rechtsfolgen. Die zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot ergeben sich aus Art. 101 Abs. 2 AEUV und aus dem Recht der Mitgliedstaaten. Art. 101 Abs. 2 AEUV ordnet an, dass Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen, die gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen und nicht freigestellt sind bzw. freistellungsfähig sind, nichtig sind. Verlangt eine Partei Erfüllung, so kann die andere die Nichtigkeit einwenden. III.

Rückblick

1.

VO Nr. 67/672203)

2.1760 2.1761

2.1762

2.1763

Nach der VO Nr. 67/67 vom 22.3.1967 waren alle Getränkelieferungsverträge, 2.1764 die in den Anwendungsbereich der Verordnung fielen, vom Kartellverbot be___________ 2202) Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen im Kartellverfahren, ABl 2006, C 298/17. Vgl. auch Bundeskartellamt, Bekanntmachung Nr. 9/2006 vom 7.3.2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung. 2203) ABl EG 1967, 849.

541

§ 27 Europäisches Kartellrecht

freit und damit wirksam. Es bestand sonach keine Notwendigkeit, das europäische Kartellrecht bei Abschluss innerstaatlicher Getränkelieferungsverträge zu beachten. 2.1765 Die EU-kartellrechtliche Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen geriet in den Folgejahren, insbesondere seit etwa 1983, gleichwohl zunehmend in einige Unsicherheit. Nachfolgend werden einige Gründe für diese Irritationen aufgezeigt. 2.

Bündeltheorie

2.1766 a) Hintergrund. Es liegt auf der Hand, dass ein einzelner Getränkelieferungsvertrag oder eine abgestimmte Verhaltensweise für sich selbst gesehen keine wettbewerbliche Auswirkung hat, aber in der Gesamtheit gleichartiger im Markt vorhandener Vereinbarungen eine solche Wirkung haben könnte. Ebenso wird die Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels dem einzelnen Getränkelieferungsvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Gastwirt desselben Mitgliedstaates bei isolierter Betrachtung wenn nicht stets, so doch in aller Regel fehlen.2204) 2.1767 Um ein Leerlaufen der unionsrechtlichen Kartellregelung – die verhindern sollte, dass private Handelsschranken dort aufgerichtet werden, wo mit der Errichtung des Gemeinsamen Marktes die hoheitlichen Schranken fielen – zu vermeiden, entschied sich der Gerichtshof schon frühzeitig2205) für die „Bündeltheorie“, die er später wiederholt bestätigte.2206) Sie ist heute weitgehend anerkannt. Auf ihre Grundlage haben sich auch der BGH und das Bundeskartellamt gestellt.2207) 2.1768 b) Inhalt. Mit der Bündeltheorie wertet der Gerichtshof die wettbewerbsbeschränkende Wirkung rein innerstaatlicher Vertriebsverträge rechtlich auf. Bei der Beurteilung eines einzelnen Vertrages sind dessen „Wirkungen in dem Rahmen zu betrachten …, in dem sie auftreten, d. h. in dem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang, in dem die Vereinbarungen … stehen und zusammen mit anderen zu einer kumulativen Auswirkung auf den Wettbewerb führen können“ (Hervorhebungen vom Verf.). ___________ 2204) BGH, Urt. v. 25.5.1988 – VIII ZR 360/86, ZIP 1988, 1182; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91. 2205) EuGH, Urt. v. 12.12.1967 – Rs 23/67, Slg. 1967, 544 = NJW 1968, 368 = Zeller I – Brasserie de Haecht. 2206) EuGH, Urt. v. 1.2.1977 – Rs 47/76, Slg. 1977, 65 = NJW 1977, 2020 = Zeller II, 26 – Brauerei Concordia; EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu; EuG, Urt. v. 8.6.1995 – Rs. T-7/93, Slg. 1995 II 1533 – Langnese-Iglo. 2207) BGH, Urt. v. 26.2.1970 – KZR 5/69, NJW 1970, 1131 = Zeller I, 118; BKartA, Beschl. v. 8.2.1983 – B 5 327375 – AZ 49/80, WuW/E BKartA 2010; Niederleithinger, S. 39 ff., 49 ff.

542

III. Rückblick

c) Fallgruppen. Zwei Ausprägungen der Bündeltheorie lassen sich unterschei- 2.1769 den: aa) Es kann vorkommen, dass ein- und dasselbe Unternehmen ein weit reichendes Netz von identischen Vertikalverträgen geschaffen hat. In diesem Fall darf die Beurteilung der wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen selbstredend nicht bei einem einzigen Vertrag stehenbleiben, sondern muss auch die Existenz der übrigen Verträge berücksichtigen. Selbst wenn die individuelle Verhandlungsfreiheit eines gebundenen Vertragspartners durch den einzelnen Vertrag kaum spürbar betroffen ist, mag die kumulative Wirkung der übrigen Verträge die Annahme einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung rechtfertigen.2208) bb) Von weitaus größerem Interesse ist die zweite Variante der Bündeltheorie, 2.1770 die bereits in der Entscheidung Brasserie De Haecht angedeutet wurde. Danach sind bei der Beurteilung kumulativer Beschränkungseffekte nicht nur diejenigen Verträge zu berücksichtigen, die von ein- und demselben Unternehmen geschaffen wurden, sondern darüber hinaus auch die völlig unabhängig hiervon entstandenen parallelen Vertragswerke der Wettbewerber. Die zweite Fallgruppe betrifft nicht die Bündelung der von einem Unternehmen abgeschlossenen Verträge, sondern die Möglichkeit, die im Markt vorhandener Verträge mit Ausschließlichkeitsbindungen zusammenzufassen und in ihrer Gesamtauswirkung zu prüfen.2209) d) Konsequenzen. Dieses Abstellen auf die kumulativen Auswirkungen aller 2.1771 gleichartigen Verträge ermöglicht die Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV auch auf den einzelnen Alleinbezugsvertrag. Dies selbst dann, wenn die von dem Gastwirt abzunehmenden Getränke nur einen verschwindenden Teil des gesamten Absatzmarktes ausmachen. e) Argumentationswert. Mit der Bündeltheorie lässt sich weder tatsächlich 2.1772 noch rechtlich und schon gar nicht alleinig eine Beurteilung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV begründen. Ein erster Hinweis auf den geringen Aussagewert der Bündeltheorie lässt sich der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs entnehmen. Einer falsch verstandenen Bündeltheorie, nach der allein das Bestehen eines Bündels von Getränkelieferungsverträgen die Anwendbarkeit des Art. 101 Abs. 1 ___________ 2208) EuGH, Urt. v. 13.7.1966 – Rs 56 und 58/64, Slg. 1966, 322 = NJW 1966, 1585 – Consten und Grundig; EuGH, Urt. v. 11.4.1974 – Rs 8/74, Slg. 1974, 837 = NJW 1975, 515 – Dassonville; EuGH, Urt. v. 19.4.1998 – Rs 27/87, Slg. 1988, 1919 = NJW 1989, 3084 – Erauw-Jacquery ./. La Hesbignonne. 2209) EuGH, Urt. v. 30.6.1966 – Rs 56 und 58/65, Slg. 1966, 281 = NJW 1966, 1585 – LTM ./. Maschinenbau Ulm; EuGH, Urt. v. 12.12.1967 – Rs 23/67, Slg. 1967, 544 = NJW 1968, 368 = Zeller I – Brasserie de Haecht; EuGH, Urt. v. 18.3.1970 – Rs 43/69, Slg. 1970, 127 = NJW 1970, 2181 – Bilger ./. Jehle; EuGH, Urt. v. 25.11.1971 – Rs 22/71, Slg. 1971, 949 = NJW 1972, 1640 – Béguelin.; EuGH, Urt. v. 1.2.1977 – Rs 47/76, Slg. 1977, 65 = NJW 1977, 2020 = Zeller II, 26 – Brauerei Concordia; EuGH, Urt. v. 11.12.1980 – Rs 31/80, Slg. 1980, 3775 – L`Oréal ./. De Nieuwe Amck; EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu; EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, EuZW 2008, 688 – CESPA.

543

§ 27 Europäisches Kartellrecht

EG begründe, wird eine deutliche Absage erteilt. Vielmehr sei das Bestehen gleichartiger Verträge nur ein Beurteilungskriterium, dem darüber hinaus noch keine maßgebliche Bedeutung zukomme.2210) Mag zwar der „Bündeltheorie“ im Ausgangspunkt noch durchaus zugestimmt werden können, so kann aus diesem theoretischen rechtsmethodischen Ansatz heraus aber nichts für die Feststellung der Spürbarkeit der geschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV gewonnen werden.2211) 2.1773 Dieses Ergebnis belegte auch der Erwägungsgrund 3 der VO Nr. 1984/83. Dort hieß es „Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können mithin auch im Vertikalbereich und auch ohne Import- oder Exportbeschränkungen zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels geeignet sein, wenn sie mit Parallelverträgen auch anderer Produzenten eine kumulative Wirkung haben, die über das Gebiet des Mitgliedstaats hinausgeht.“2212) 2.1774 Nach aktueller Entscheidungspraxis soll die Anwendung der Bündeltheorie zudem voraussetzen, dass die konkrete Vereinbarung einen erheblichen Beitrag zur Wirkung des Bündels leistet.2213) 3.

VO Nr. 1984/832214)

2.1775 a) Einführung. Mit Inkrafttreten der VO Nr. 1984/83 am 1.1.1984 entstanden weitere Irritationen. Nach dieser Verordnung waren Getränkelieferungsverträge nur noch freigestellt, wenn Alleinbezugsverträge für Bier höchstens auf die Dauer von zehn Jahren, Alleinbezugsverträge für Bier und andere Getränke sowie solche nur für alkoholfreie Getränke höchstens auf die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen wurden. Die Bezugsbindung musste durch Sortenangaben präzisiert werden. Künftige Produkte des Anbieters durften nicht Gegenstand der Bezugsverpflichtung sein. 2.1776 b) Meinungsstand. Ob, in welchem Umfang und mit welchen Folgen auch Getränkelieferungsverträge zwischen einer Brauerei und einem Gastwirt des___________ 2210) EuGH, Urt. v. 12.12.1967 – Rs 23/67, Slg. 1967, 544 = NJW 1968, 368 = Zeller I – Brasserie de Haecht; EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu; EuGH, Urt. v. 11.9.2008 – C-279/06, EuZW 2008, 688 – CESPA; OLG Frankfurt/M. Beschl. v. 15.10.1998 – 11 W (Kart) 24/98; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH – VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; ebenso die Kommission, Entsch. v. 24.2.1999, ABl Nr. L 88/26, 44 – Whitbread (Einzelfreistellung). 2211) OLG Frankfurt/M. Beschl. v. 15.10.1998 – 11 W (Kart) 24/98; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 207 – 221. 2212) LG Aachen, Urt. v. 17.5.1988 – 41 O. 25/88. 2213) EuGH, Urt. v. 28.2.1991 – C-234/89, Slg. 1991 I 935 = EuZW 1991, 376 – Delimitis ./. Henningerbräu; EuGH, Urt. v. 7.12.2000 – C-214/99, Slg. 2000 I 11121 = EuZW 2001, 631 – Neste. 2214) ABl EG v. 30.6.1983 Nr. L 173/5.

544

III. Rückblick

selben EU-Mitgliedstaats von dem allgemeinen Verbot wettbewerbs- und handelsbeschränkender Vereinbarungen gemäß dem damaligen Art. 85 Abs. 1 EWGVertrag erfasst wurden, war im Anschluss an die genannte EU-Verordnung hoch streitig geworden. Aus dem Umfang der Gruppenfreistellungsverordnung wurden im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung sehr unterschiedliche Schlüsse hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Verbotsnorm des Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag gezogen.2215) c) Stellungnahme.2216) Allein aus dem Vorhandensein einer Freistellungsver- 2.1777 ordnung, die sich ausdrücklich auf Getränkelieferungsverträge bezog, ergab sich nicht, dass diese Verträge das Kartellverbot in seiner jeweils geltenden Fassung erfüllten.2217) Entscheidend für die Anwendbarkeit des Kartellverbots ist unverändert diese Vorschrift selbst.2218) Dies hatte auch die Kommission gesehen: Alleinbezugsvereinbarungen zwischen Unternehmen aus einem Mitgliedstaat „können“ von dem Verbot erfasst werden (Erwägungsgrund 3). Daher hatte es die Kommission nicht für erforderlich gehalten, die nicht vom Kartellverbot erfassten Vereinbarungen ausdrücklich von den umschriebenen Gruppen auszunehmen. Ob vertragliche Vereinbarungen sich im Rahmen der jeweils geltenden Freistel- 2.1778 lungsverordnungen, früher der EG-VO Nr. 1984/83, heute der VO Nr. 330/2010, halten, ist daher ohne jede Bedeutung. Darin werden Freistellungen unabhängig davon ausgesprochen, ob überhaupt eine spürbare Beeinträchtigung vorliegt, prozessual also festgestellt worden ist. Die Tatsache, dass eine Vereinbarung nicht die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt, ist für sich allein nicht aussagekräftig.2219) Selbst nach der Bekanntmachung der Kommission zu dieser Verordnung sollte das Vorliegen einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung erst deren Anwendungsbereich eröffnen.2220) ___________ 2215) Aus dem Schrifttum einerseits Niederleithinger, S. 49 ff., 57 ff.; Wiedemann, Einl. GVO 1983/83, Rz. 9 ff., 20 – 22, S. 100 ff., 109 f.; v. Braunmühl, NJW 1985, 2071; Sedemund, NJW 1988, 3069; Pluta, WRP 1990, 392; Bühler, EuZW 1990, 86; und andererseits z. B. Wahl, S. 31 ff.; ders., NJW 1985, 534; ders., NJW 1988, 1431. Aus der Instanzrechtsprechung z. B. einerseits OLG Hamm, Urt. v. 5.8.1986 – 4 U 228/86, Zeller III, 114, OLG Hamm, Urt. v. 5.5.1987 – 4 U 64/87, GRUR 1987, 842 = Zeller IV, 29; andererseits OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.7.1985 – 2 W 45/85, WRP 1986, 119. Eine Zusammenstellung nicht veröffentlichter Entscheidungen findet sich bei Müller/Bühler, D II und III; Jehle, EuZW 1991, 372, 373 Fußn. 5, 6; Wahl, S. 37 ff.; ders., NJW 1988, 1431; Sedemund, NJW 1988, 3069, Bunte/Sauter, III 2 Rz. 15, S. 281. 2216) Eingehend hierzu Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 221 – 226. 2217) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; Sedemund, NJW 1988, 3069; Pluta, WRP 1990, 396. 2218) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; Niederleithinger, S. 7. 2219) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2220) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; Polley/Seeliger, WRP 2000, 1203.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.1779 Eine Vereinbarung, die nicht alle Voraussetzungen erfüllt, die in einer Freistellungsverordnung vorgegeben sind, fällt aber nur dann unter das Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt und geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen.2221) 2.1780 Gruppenfreistellungsverordnungen kommen häufig zur Anwendung, wenn Vereinbarungen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten, die unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Oftmals ist es dann praktischer, zunächst zu prüfen, ob diese Verordnungen auf eine bestimmte Vereinbarung anwendbar sind, um bejahendenfalls eine komplexe wirtschaftliche und rechtliche Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt sind, entbehrlich zu machen.2222) 2.1781 Unstreitig sind die Bestimmungen der VO Nr. 330/2010 nur dann zu beachten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Normen des primären Unionskartellrechts erfüllt sind. Vorrangig ist dabei an das Kartellverbot zu denken.2223) Auch kann der Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 AEUV, einer Norm des primären Unionsrechts, nicht durch eine Verordnung der Kommission i. S. d. Art. 288 Abs. 2 AEUV, also einer nachrangigen Vorschrift des sekundären Unionsrechts, geändert werden. Normen des sekundären Unionsrechts können von Rechts wegen keinen Einfluss auf die Anwendung des primären Unionsrechts haben. 4.

Bindungsgrad

2.1782 a) Einführung. Die Kommission ging Ende der siebziger Jahre bzw. Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts davon aus, dass in Deutschland rund 60 % der Gastwirte mit einem Marktanteil von 25 % an deutsche Brauereien gebunden seien.2224) Dies führte dazu, dass der Bindungsgrad vereinzelt in der Rechtsprechung herangezogen wurde.2225) 2.1783 b) Stellungnahme: Dem Bindungsgrad wurde zu Recht keine Bedeutung beigemessen.2226) Durchweg wurden nur berichtete, aber nicht festgestellte, veraltete und auch im Übrigen nicht aussagekräftige Bindungsgrade ohne jeden logi-

___________ 2221) EuGH, Urt. v. 2.4.2009 – C-260/07, Slg. I 2009, 2464 = EuZW 2009, 374. 2222) EuGH, Urt. v. 2.4.2009 – C-260/07, Slg. I 2009, 2464 = EuZW 2009, 374. 2223) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2224) 17. Wettbewerbsbericht 1978, S. 37; 20. Wettbewerbsbericht 1990, S. 78 f; Kommission, WuW 1991, 35. 2225) Nachweise bei Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 226 Fußn. 4; Wahl, NJW 1985, 534; ders., NJW 1988, 1431. 2226) Ausführlich Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 228 – 244 m. w. N.

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III. Rückblick

schen Beweiswert wiederholend behauptet, für die keine Anhaltspunkte in veröffentlichten und insbesondere aktuellen Untersuchen vorlagen.2227) Der Bindungsgrad verändert sich ständig. Die im Jahre 1988 genannte Zahl von 2.1784 50 % bis 60 % des in der Bundesrepublik angeblich brauereigebundenen Marktes,2228) wurde kurze Zeit später bereits in Zweifel gezogen. Nach einer 1990 veröffentlichen Untersuchung der Kommission über den Biermarkt der Gemeinschaft sollte das Absatzbindungssystem in Deutschland 25 % des Bierabsatzes ausmachen.2229) Beiläufig führte das Bayerische Oberste Landesgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 aus, dass der Bierabsatz in Bayern über Gaststätten insgesamt nur noch maximal 25 % betragen habe, über brauereieigene Gaststätten in aller Regel ca. 5 %. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die genannten Prozentangaben einschließlich freier Absatzsituationen zu deuten sind.2230) Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 28.2.1991 ist im Übrigen das Verhältnis 2.1785 der gebundenen zu den nicht gebundenen Verkaufsstellen nur eines von mehreren Merkmalen, die gegeben sein müssen, um die wettbewerbs- und handelsbeschränkende Wirkung einer Alleinbezugsvereinbarung feststellen zu können.2231) Die Vereinigung beider Teile Deutschlands war dabei noch nicht berücksichtigt. Aktuell trifft diese Einschätzung ebenfalls zu, dass die in Deutschland praktizierten Getränkelieferungsverträge nach den Kriterien der Kommission im Hinblick auf die Marktanteilsschwelle von 30 % unbedenklich sind.2232) 5.

De minimis-Bekanntmachung 19922233)

Eine andere Beurteilung war auch nicht aufgrund der de minimis-Bekannt- 2.1786 machung 1992 angezeigt. Jedenfalls konnte dieser Bagatellbekanntmachung kein dahingehender Regelungsgehalt zukommen, dass alle Vereinbarungen, die die genannten Kriterien (Marktanteil bzw. Jahresausstoß sowie Laufzeit) nicht erfüllen, automatisch unter den Anwendungsbereich des Kartellverbots fielen. Vielmehr blieb es bei dem Grundsatz, dass jedenfalls dann, wenn ein Vertrag nicht die Voraussetzungen der Gruppenfreistellungsverordnung erfüllt und deshalb nicht (bereits) freigestellt ist, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Kartellverbots zu prüfen sind.2234) ___________ 2227) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2228) So z. B. Wahl, S. 32 f. 2229) Presseinformation der Kommission IP (90) 472 v. 14.6.1990; Jehle, EuZW 1991, 372; auch Schlussanträge des Generalanwalts van Gerven in der Rechtssache Delemitis ./. Henningerbräu – Slg. 1991, 935, 968. 2230) BayObLG, Beschl. v. 19.10.1995 – 3Z BR 17/90. 2231) Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962. 2232) Immenga/Mestmäcker-Emmerich, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Art. 81 Abs. 1 EGVertrag, Rz. 245. 2233) ABl EG Nr. C 121/2 v. 13.5.1992. 2234) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

6.

Weitere Ansätze

2.1787 Auch die übrigen (Differenzierungs-)Ansätze konnten nicht überzeugen.2235) IV.

Urteil des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu

1.

Einführung

2.1788 Die Anwendbarkeit des Kartellverbots auf deutsche Getränkelieferungsverträge wurde vom Gerichtshof in der Sache „Delimitis ./. Henningerbräu“ am 28.2.1991 auf Vorlage des OLG Frankfurt im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 267 AEUV) beurteilt.2236) Das Urteil hat die über viele Jahre bestehende (Rechts-)Unsicherheit bei der Beurteilung deutscher Getränkelieferungsverträge nach primärem europäischen Kartellrecht weitestgehend beseitigt. Zu begrüßen ist, dass der Gerichtshof zum Kernproblem der Beeinträchtigung des Marktzugangs durch den einzelnen Getränkelieferungsvertrag im Zusammenhang mit anderen Alleinbezugsverträgen „Extrempositionen“ eine Absage erteilt hat, wonach alle Getränkelieferungsverträge in Deutschland dem Kartellverbot unterfallen sollten. 2.

Wesentlicher Inhalt

2.1789 a) Bezwecken einer Wettbewerbsbeeinträchtigung. Eine Alleinbezugsverpflichtung ohne Kernbeschränkungen, insbesondere ohne absoluten Gebietsschutz für den belieferten Gastwirt, beinhaltet weder als solche noch im Übrigen eine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung. 2.1790 b) Bewirken einer Wettbewerbsbeeinträchtigung. Der Gerichtshof berücksichtigt zunächst die wettbewerblichen Vorteile und nimmt damit bereits auf der Tatbestandsebene eine Art wettbewerblicher Bilanzierung vor. Die Vereinbarung bietet dem Anbieter den Vorteil einer gewissen Absatzgarantie, weil der Abnehmer sich aufgrund der Exklusivbindung auf die Vermarktung seines Produkts konzentrieren kann. Getränkelieferungsverträge seien aber auch für den Abnehmer vorteilhaft, soweit sie ihm den Zugang zum Markt für den Vertrieb von Getränken unter günstigen Bedingungen und mit einer Bezugsgarantie ermöglichten. 2.1791 Angesichts dieser wettbewerbspolitischen Äquivalenz sei dann eingehend zu prüfen, wie sich der Vertrag in Verbindung mit anderen gleichartigen Verträgen auf die Möglichkeit der Mitbewerber, auf dem Markt Fuß zu fassen und ihren Marktanteil zu vergrößern und folglich auf das Sortiment der den Verbrau___________ 2235) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 244 – 271. 2236) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.7.1989 – 6 U 69/88 (Kart), WuW/E OLG 4420 = Zeller IV, 75; Pluta, WRP 1990, 392; Bühler, EuZW 1990, 86; v. Braunmühl, WuW 1991, 888; Jehle, EuZW 1991, 372; Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962.

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IV. Urteil des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu

chern angebotenen Waren auswirke. Diese Prüfung setzt zunächst die Abgrenzung des relevanten Marktes voraus. c) Relevanter Markt. aa) Sachlich relevanter Markt. aaa) Getränkemarkt. Es 2.1792 gibt keinen einheitlichen Markt für Getränke. Vielmehr bestehen eigene Märkte, z. B. für Eierlikör und andere Liköre,2237) für Whiskey und Gin2238) sowie für Bier, weil man einen Biertrinker nicht auf Mineralwasser, Milch oder Whiskey verweisen kann.2239) bbb) Markt für den Vertrieb von Bier in Gaststätten.2240) Der Biermarkt bil- 2.1793 det keine Einheit. Zu unterscheiden sind jedenfalls zwei Märkte. Einerseits der Markt, auf dem Bier für Gaststätten und Schanklokale vertrieben wird. Andererseits der Einzelhandelsmarkt für Bier. Dies deshalb, weil der Vertrieb von Bier über Gaststätten und Schanklokale mit besonderen Dienstleistungen verbunden ist, sodass sich für ihn eigenständige Vertriebswege herausgebildet haben. Diese Beurteilung liegt auch den Entscheidungen der Kommission zur kartellrechtlichen Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen englischer Brauereien aus dem Jahre 1999 zugrunde.2241) bb) Örtlich relevanter Markt. Maßgeblich ist der nationale – also weder ein 2.1794 regionaler noch der Gemeinsame – Markt für den Vertrieb von Bier in Gaststätten (insbesondere Schankwirtschaften und Speiselokale). cc) Zeitlich relevanter Markt. Die Feststellung der Tatbestandsvoraussetzun- 2.1795 gen des Kartellverbots verlangt zudem eine zeitaktuelle Betrachtung des relevanten Marktes.2242) d) Zweistufige Prüfung. Die Prüfung der Auswirkungen der Alleinbezugs- 2.1796 vereinbarung auf diesen Markt hat in zwei Stufen zu erfolgen, wobei auf der ersten die allgemeinen Marktverhältnisse und Wettbewerbsbedingungen und auf der zweiten der Beitrag der betroffenen Brauerei zur eventuellen Marktabschottung zu untersuchen sind. e) Allgemeine Marktverhältnisse und Wettbewerbsbedingungen. aa) Zunächst 2.1797 ist zu klären, ob das Bestehen mehrerer Getränkelieferungsverträge den Zugang zu dem relevanten Markt beeinträchtigt. Das hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab, die zum Teil mit den schon von dem Generalanwalt ___________ 2237) Kommission, Entsch. v. 24.7.1974, ABl EG 1974 Nr. L 237/12, 14 – Advocat Zwrate Kip. 2238) Kommission, Entsch. v. 13.12.1985, ABl EG 1985 Nr. L 369/19, 24 – Whiskey und Gin. 2239) A. A. Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 166 m. w. N.; ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2000 – I ZR 34/98, NJW-RR 2001, 827 zur – bejahten – Warenähnlichkeit von Wein und Mineralwasser i. S. d. § 14 Abs. 2 MarkenG. 2240) Dazu eingehend Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 103 – 187. 2241) Kommission, Entsch. v. 24.2.1999 – IV/35.079/F3, Whitebread, ABl EG Nr. L 88/26 v. 31.3.1999; Kommission, Entsch. v. 16.6.1999 – IV/36.081/F3, Bass. 2242) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 162 – 187 m. w. N.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

Roemer in dem Verfahren Brasserie de Haecht2243) zur Spürbarkeitsvoraussetzung erwähnten Merkmalen übereinstimmen, nämlich: x

(1) von der Art und Bedeutung des Vertragsnetzes (alle gleichartigen Verträge, die eine bedeutende Zahl von Verkaufsstellen an einige inländische Erzeuger binden), wofür der Gerichtshof, ohne sich auf einen Prozentgrenzwert des – ständig veränderlichen – Bindungsgrads festzulegen, als Kriterien die Zahl der gebundenen im Verhältnis zu der Zahl der nicht gebundenen Gaststätten, die Dauer der Bezugsverpflichtungen, die von ihnen erfasste Biermenge und deren Verhältnis zu der über nicht gebundene Verkaufsstellen abgesetzten Menge nennt, und

x

(2) von weiteren Umständen, die die Möglichkeit des Marktzugangs beeinflussen, so der tatsächlichen Möglichkeit neuer Mitbewerber, sich in das Vertragsnetz durch den Erwerb einer Brauerei einzugliedern oder es durch Eröffnung neuer Gaststätten (wieso eigentlich nicht auch durch Abschluss von Getränkelieferungsverträgen mit bestehenden Gaststätten?) zu umgehen, sowie den Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt (Zahl und Größe der Erzeuger, Sättigungsgrad des Marktes, Markentreue der Verbraucher).2244)

2.1798 bb) Weitere Faktoren sind die Existenz von Getränkefachgroßhändlern, die vertraglich nicht an Brauereien gebunden sind, und die den Zugang eines neuen Anbieters zu diesem Markt erleichtern können.2245) Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Entscheidungen der Kommission in den Sachen „Interpreneur“ und „Spring – Spring“. Dabei ging es um die Beurteilung von Bezugsvereinbarungen in Pachtverträgen auf Großhandelsebene in Großbritannien. Die zu prüfenden Vereinbarungen wurden von einer eigenständigen Schankstättenkette angemeldet, die zu keinem Braukonzern gehört. Danach wird die kumulative Wirkung des Bündels von Vertriebsvereinbarungen einer Brauerei durch Pachtverträge auf Großhandelsebene nicht verstärkt, sondern vielmehr vermindert, weil der Zugang eines neuen Erzeugers zu diesem Markt potentiell erleichtert wird. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Pachtverträge mit Bezugsbindung, die eine selbst ungebundene Schankstättenkette interessierten Wirten anbietet, eher den Wettbewerb im Markt fördern, als erheblich zur Marktabschottung beitragen (Ziff. 61 und 62 der Entschei___________ 2243) Niederleithinger, S. 52 f.; Jehle, EuZW 1991, 372. 2244) Kommision, Entscheidung v. 24.2.1999, ABl Nr. L 88/26 – Whitbread (Einzelfreistellung) und Ziff. 121 Vertikalleitlinien 2000, wonach auf insgesamt acht allgemeine Prüfungskriterien für die Beurteilung der Wettbewerbswirkungen abzustellen sei. Im Einzelfall seien hiernach zu prüfen a) die Marktstellung des Anbieters, b) die Marktstellung von Wettbewerbern, c) die Marktstellung des Abnehmers, d) Marktzutrittsschranken, e) die Marktreife, f) Handelsstufe, g) die Beschaffenheit des Produktes sowie h) sonstige Faktoren. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima. 2245) v. Braunmühl, WuW 1991, 889.

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IV. Urteil des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu

dung). Vereinbarungen, mit denen eine auf der Großhandelsstufe tätige unabhängige Unternehmung Schankbetriebe an sich bindet, sind, was die Liefervereinbarungen mit Brauereien anbelangt, deren jeweiligem System von Vereinbarungen mit Bezugsbindungen nicht zuzurechnen (Ziff. 63 der Entscheidung).2246) Hinzu kommen die gesetzlichen Regelungen zur Errichtung von Verkaufsstellen. Wie auch die aktuelle Marktentwicklung zeigt, scheint die Markentreue eher 2.1799 behauptet, wenn nicht sogar nur heraufbeschworen zu sein. Nur am Rande sei bemerkt, dass die oft hervorgehobene besondere Markentreue der deutschen Biertrinker, die nach Ansicht des Gerichtshofs offenbar ein die Abschottung des deutschen Marktes verstärkender Umstand sein soll, nicht auf einer Marktabschließung, sondern auf der Kaufentscheidung der Verbraucher beruht.2247) cc) Der deutsche Biermarkt ist weiter insgesamt von einer hohen Zahl von Über- 2.1800 nahmen von Brauereien und Getränkefachgroßhändlern durch Wettbewerber inund ausländischer Provenienz, einen erbitterten Konkurrenzkampf um neue Kunden, einen starken Preiswettbewerb und einen hohen Sättigungsgrad geprägt. Auch deshalb dürfte es an einer schweren Marktzugänglichkeit fehlen. dd) Zwischenergebnis. Ergibt die überaus aufwändige2248) Prüfung, dass das 2.1801 Vertragsbündel nicht die kumulative Wirkung der Marktabschottung für neue Mitbewerber hat, dann scheidet eine Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV auf den Einzelvertrag bereits aus. f) Beitrag des Vertragsbündels der betroffenen Brauerei zur Markabschot- 2.1802 tung: aa) Nur wenn der relevante Markt schwer zugänglich ist, muss in einer zweiten Stufe der Beitrag der betroffenen Brauerei zu der kumulativen Wirkung des Vertragsnetzes untersucht werden.2249) Die Marktabschließungswirkung soll (nur) denjenigen Brauereien zugerechnet werden, die dazu in erheblichem Maße beitragen, während die Getränkelieferungsverträge von Brauereien, deren Beitrag unerheblich ist, nicht unter den Verbotstatbestand fallen. Ist dies für das Vertragssystem einer Brauerei zu bejahen, so gilt das dann auch für seine einzelnen Bestandteile, d. h. für die einzelnen Verträge. bb) Kriterien. Der Gerichtshof nennt zwei Kriterien, nämlich

2.1803

(1) die Stellung der Vertragspartner auf dem Markt2250) (Marktanteil der Brauerei oder der Gruppe, der sie angehört, sowie Zahl der an sie gebundenen ___________ x

2246) Kommission, Entsch. v. 29.6.2000 – IV/36.456/F3 – Interpreneur, und – IV/36.492/F3 – Spring – Spring, WuW 2000, 1152. 2247) Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 384; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 295 f m. w. N. 2248) v. Braunmühl, WuW 1991, 888. 2249) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2250) EuGH, Urt. v. 26.11.2015 – C 345/14, EuZW 2016, 180 – Maxima; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

Verkaufsstellen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Gaststätten auf dem relevanten Markt) und x

(2) die Vertragsdauer2251) als wesentliches Kriterium für die Feststellung einer (spürbaren) Wettbewerbsbeschränkung, deren – verglichen mit der Durchschnittsdauer auf dem Markt – „offensichtlich unverhältnismäßig(e)“ Länge die Anwendbarkeit des Art. 101 Abs. 1 AEUV auf den einzelnen Vertrag zur Folge haben soll; auch Brauereien mit verhältnismäßig geringem Marktanteil, aber langjährigen Bindungszeiten ihrer Verträge könnten zu einer ebenso erheblichen Marktabschließung beitragen wie eine Brauerei mit starker Marktstellung, die ihre Verkaufsstellen in kürzeren Zeitabständen aus der Bindung entlasse.2252)

2.1804 cc) Gleichartige Verträge. Außerdem dürfen immer nur die Auswirkungen gleichartiger Verträge berücksichtigt werden. Verwendet z. B. eine Brauerei Verträge mit unterschiedlicher Vertragsdauer oder Bindungswirkung, so müssen diese Verträge getrennt gewürdigt werden.2253) 2.1805 dd) Eine sog. Öffnungsklausel, die dem Wiederverkäufer den Getränkebezug aus anderen Mitgliedstaaten erlaubt und damit den Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots einschränkt, führt nach Ansicht des Gerichtshofs wegen Nichtvorliegens einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zur Unanwendbarkeit des Art. 101 Abs. 1 AEUV, wenn sie den Lieferanten aus anderen Mitgliedstaaten die tatsächliche und nicht nur hypothetische und wirtschaftlich bedeutungslose Belieferungsmöglichkeit der betreffenden Verkaufsstelle gewährleistet. Das soll davon abhängen, ob der Wiederverkäufer nach dem Wortlaut der Klausel Konkurrenzbiere nur selbst in anderen Mitgliedstaaten kaufen (sehr geringer Öffnungsgrad) oder auch von Drittunternehmen eingeführte Biere verkaufen darf (größerer Öffnungsgrad) und ob die Öffnungsklausel durch eine dem Gastwirt auferlegte – zumal sanktionsbewehrte – Mindestabnahmemenge, deren Bedeutung im Verhältnis zum üblichen Bierumsatz in der fraglichen Gaststätte zu prüfen ist, ihre wirtschaftliche Bedeutung wieder verliert. 2.1806 Für Brauereien, die fremde Biere als Handelsware führen und binden, dürfte dieses erst recht gelten. Ebenfalls ist insofern an die Würdigung der Beiträge des (selbstständigen) Getränkefachgroßhandels zu denken. 2.1807 ee) Seit Jahren ist ein Streitpunkt gewesen, ob auch kleinere Brauereien mit einem entsprechend geringeren Bestand an längerfristigen Alleinbezugsverträgen sich in derselben Weise wie große Brauereien als „Teil des Bündels“ behan___________ 2251) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2252) Ebenso Kommission, Entscheidung v. 24.2.1999, ABl Nr. L 88/26 – Whitbread (Einzelfreistellung); EuG, Urt. v. 5.7.2001 – T-25/99, Slg. 2001 II 1881 – Roberts ./. Greene King; EuG, Urt. v. 23.10.2003 – T-65/98, Slg. 2003 II 4653 – Van den Bergh Foods Limited. 2253) EuGH, Urt. v. 7.12.2000 – C-214/99, Slg. 2000 I 11121 = EuZW 2001, 631 – Neste; ebenso der Generalanwalt Feinelly in der vorgenannten Rechtssache.

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IV. Urteil des EuGH in Sachen Delimitis ./. Henningerbräu

deln lassen müssen. Vom ursprünglichen Verständnis der Bündeltheorie ausgehend hätte es nach deren Ratio allein auf das „Bündel“ ankommen und gleichgültig sein müssen, wie groß oder klein die einzelnen Teile des Bündels sind.2254) In seinem Urteil vom 28.2.1991 sieht der Gerichtshof dies mit guten Gründen anders, wenn er verlangt, dass auf der zweiten Prüfungsstufe der Beitrag der betroffenen Brauerei zur Marktabschottungswirkung festgestellt wird, und diejenigen Brauereien von dem Verbotstatbestand ausnimmt, deren Beitrag zur kumulativen Marktabschließung nur unerheblich ist. 3.

Theorie der Gesamtmarktbetrachtung

Der Gerichtshof legt im Ergebnis ähnliche Kriterien an wie die diesseits vertre- 2.1808 tene Theorie der Gesamtmarktbetrachtung.2255) Danach kommt es erstens auf die Struktur der deutschen Brauwirtschaft und damit u. a. auf die Zahl der Braustätten, die Größenstruktur, die Marktanteile und den Außenhandel an.2256) Zweitens sind die möglichen Distributionswege von Bedeutung.2257) Drittens sind sonstige Wettbewerbsparameter, wie etwa die Stellung der Endverbraucher, die Wettbewerbssituation, die wirtschaftliche Lage der Anbieter, das Bestehen von staatlichen Marktzutrittsbeschränkungen und Möglichkeiten der Kooperation, zu würdigen.2258) Viertens ist nach dem konkret-individuellen Vertragsinhalt zu fragen.2259) 4.

Offene Fragen

Das Urteil weist einen schwer nachvollziehbaren Widerspruch auf, wenn in den 2.1809 Erwägungsgründen 24 und 25 auf die Getränkelieferungsverträge (Plural!) der jeweiligen Brauerei, in dem Entscheidungsausspruch 1 dagegen auf den einzelnen streitigen Vertrag (Singular!) abgestellt wird (ebenso im Erwägungsgrund 27).2260) Es liegt auf der Hand und bedarf keiner näheren Begründung, dass es einen erheblichen Unterschied macht und zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen kann, ob die Summe aller Getränkelieferungsverträge der betreffenden Brauerei oder nur der einzelne streitige Vertrag als Parameter für die Feststellung des Beitrags zur Marktabschließungswirkung gewählt wird. Im Schrifttum ist das Urteil des Gerichtshofs daher auch zum Teil im einen, zum Teil im anderen Sinne ___________ 2254) Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2255) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 272 – 312. 2256) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 33 – 49. 2257) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 50 – 61. 2258) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 62 – 83. 2259) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 272 – 312 m. w. N. 2260) v. Braunmühl, WuW 1991, 888; Niederleithinger, EWiR 1992, 47; Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

verstanden worden.2261) Teilweise wird auch empfohlen, auf beide Aspekte abzuheben,2262) was wenig Sinn zu machen scheint, weil dann, wenn bereits der einzelne Getränkelieferungsvertrag als die naturgemäß kleinere Größe die Voraussetzung des erheblichen Marktabschottungsbeitrages erfüllt, dies erst recht auf das Bündel aller Verträge der betroffenen Brauerei zutreffen muss. 2.1810 In der Tat fragt sich, welchen Sinn es haben soll, auf der vom Gerichtshof dargestellten ersten Prüfungsstufe zunächst alle Getränkelieferungsverträge zu einem Bündel zusammenzuschnüren, um so zu einer effizienten Anwendung des Merkmals der spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu gelangen, und sodann in einem zweiten Prüfungsschritt das Bündel wieder vollständig in seine Einzelteile aufzulösen mit dem, wie angenommen werden darf, regelmäßigen Ergebnis, dass der Marktabschließungsbeitrag des einzelnen streitigen Getränkelieferungsvertrags die Erheblichkeitsgrenze nicht erreicht.2263) V.

Innerstaatliche Rechtsprechung

1.

Bundesgerichtshof

2.1811 a) In einer dem Urteil des Gerichtshofs nachfolgenden Entscheidung des Kartellsenats des BGH vom 15.10.1991 wurden die für den Entscheidungsausspruch niedergelegten Grundsätze auf einen einzelnen Vertrag einer großen Brauerei übertragen. Dem streitgegenständlichen Getränkelieferungsvertrag wurde aufgrund der Laufzeit von etwas mehr als fünf Jahren die Eignung abgesprochen, wesentlich zu „der“ – richtig wäre angesichts der insofern nicht erfolgten Tatsachenfeststellungen „einer“ gewesen – Abschottungswirkung beizutragen. Nach Ansicht des Gerichts kommt es dann, wenn der streitige Getränkelieferungsvertrag nicht in erheblichem Maße zur Marktabschließung beiträgt, nicht mehr darauf an, wie viele Gaststätten das Brauereiunternehmen durch weitere Getränkelieferungsverträge an sich gebunden hat. Die „ergänzende“ Anführung „der“ Getränkelieferungsverträge der Brauerei in den Entscheidungsgründen des Gerichtshofes bedeute nicht, dass die Getränkelieferungsverträge einer Brauerei, die eine verhältnismäßig große Zahl von Gaststätten an sich gebunden habe, von vornherein nichtig seien.2264) 2.1812 Das Urteil ist in Teilen des Schrifttums und, wie zu vernehmen war, auch bei der Kommission2265) auf einige Verwunderung gestoßen. Niederleithinger2266) vertritt die Auffassung, der Kartellsenat habe den Gerichtshof „mit hoher Wahr___________ 2261) So referieren Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433; v. Braunmühl, WuW 1991, 888, ein Abstellen auf „die“ Verträge, Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962, dagegen ein solches auf den Einzelvertrag. 2262) So Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2263) Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2264) BGH, Urt. v. 15.10.1991 – KZR 25/90, NJW 1992, 1546. 2265) Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2266) Niederleithinger, a. a. O., S. 47.

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V. Innerstaatliche Rechtsprechung

scheinlichkeit … gründlich missverstanden“. Allerdings muss der Kritik entgegengehalten werden, dass der BGH nur die Leitlinien des Delimitis-Urteils des Gerichtshofs angewandt hat. Noch in einem anderen Punkt hat das Urteil des Kartellsenats nicht leicht von der Hand zu weisende Kritik hervorgerufen: Die klagende Brauerei hatte im Jahre 1989 den fünfthöchsten Jahresausstoß an Bier in Bayern und gehörte einer Gruppe an, die 1989 den zweitgrößten Marktanteil in der Bundesrepublik Deutschland hatte.2267) Für Brauereien mit geringem Marktanteil, aber einem Bestand an überdurchschnittlich langen Alleinbezugsverträgen hatte der Gerichtshof angenommen, dass auch deren Verträge unter das Kartellverbot fallen können (Erwägungsgrund 26). Der BGH will daraus offenbar den Umkehrschluss ziehen, dass Brauereien mit großem Marktanteil, aber unterdurchschnittlich langen Getränkelieferungsverträgen vom Verbotstatbestand ausgenommen seien. Das kann sich nicht auf eine Aussage im Urteil des Gerichtshofs stützen. Der Gegenschluss wäre dann kaum gerechtfertigt, wenn das zusätzliche Kriterium der Vertragsdauer nicht der Einengung, sondern allein der Erweiterung des Anwendungsbereiches des Kartellverbots dienen sollte. Dafür könnte sprechen, dass der Gerichtshof den Marktabschließungsbeitrag kleinerer Brauereien, die Verträge mit langen Bindungszeiten schließen, demjenigen einer größeren Brauerei, „die ihre Verkaufsstellen normalerweise in kürzeren Zeitabständen aus der Bindung entlässt“ (Hervorhebung vom Verf.), gleichstellt, offenbar also von der Anwendbarkeit des Verbotstatbestandes auf die Getränkelieferungsverträge der letzteren Gruppe ausgehen will.2268) Die streitgegenständliche Laufzeit – 5 1/4 Jahre – erweckte keine Bedenken.2269) Ob eine jährliche Mindestabnahmemenge von 360 hl „verhältnismäßig klein“ genannt werden darf, wurde unterschiedlich beurteilt.2270) b) Nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats bestehen hinsichtlich der streitgegenständlichen Situationen und Verträge keine EU-kartellrechtlichen Bedenken.2271) ___________ 2267) Kelch, Brauwelt 1990, 1814; Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2268) Deshalb gegen den Umkehrschluss Niederleithinger, a. a. O., S. 48. 2269) So auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93 (10-11 Jahre). 2270) Keine Bedenken bei BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93 (140 hl); Köhler, LM EWG-Vertrag Nr. 27. Anders dagegen Niederleithinger, a. a. O., S. 48; JakobSiebert/Reichl, EuZW 1992, 433, nach denen diese Mindestabnahmemenge mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Gaststättenabsatzes von nur etwa 160 hl pro Jahr betrage. 2271) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, BGH, VIII ZR 101/00, Revisionsrücknahme; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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2.1813

2.1814

2.1815

2.1816

§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.

Instanzgerichte

2.1817 Die Instanzrechtsprechung legt das zweistufige Prüfungsverfahren zugrunde. In keinem zu entscheidenden Fall wurde die behauptete EU-Kartellrechtswidrigkeit festgestellt.2272) VI.

Tatsachenfeststellung

2.1818 Die Tatsachenfeststellung bereitet bei Kartellrechtsnormen und damit auch bei Art. 101 Abs. 1 AEUV nicht selten Schwierigkeiten.2273) 1.

Befund

2.1819 Das geforderte – zweistufige – Prüfungsverfahren verlangt eine umfassende Darlegung einer Vielzahl von Kriterien. Zumeist fehlte es im Rechtsstreit an einem hinreichenden Tatsachenvortrag, der zu einer Prüfung anhand der maßgeblichen Kriterien Anlass hätte geben können. 2.

Tatsachenermittlung

2.1820 Das aufgegebene Prüfungsverfahren (über-)fordert ersichtlich nicht nur die Parteien, sondern auch die Tatsacheninstanzen,2274) zumal eine Fülle von Kriterien zu untersuchen ist, zu denen gesicherte Daten nicht bekannt, jedenfalls aber nicht veröffentlicht sind. 2.1821 Gelegentliche und zumal Jahrzehnte zurückliegende Veröffentlichungen aus den beteiligten Verkehrskreisen2275) und die kaum bekannt gewordene Untersuchung der Biermärkte der Europäischen Union durch die Kommission2276) reichen nicht aus, um die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Unabhängig davon dürften ___________ 2272) OLG Stuttgart, Urt. v. 2.10.1992 – 2 U 207/91, NJW-RR 1993, 937; OLG Nürnberg, Urt. v. 1.12.1992 – 11 U 1682/92, BeckRS 1992, 31333651; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG München, Urt. v. 18.11.1993 – U (K) 7229/92, WuW 1994, 768; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG München, Urt. v. 22.9.1994 – 6 U 2018/94, in Zusammenhang mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46 (nicht abgedruckt); OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Hamm, Urt. v. 7.6.2002 – 29 U 88/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Ulm, Urt. v. 26.8.2010 – 6 O. 162/09. Zu älteren Entscheidungen Bühler, BB 1994, 663, 667 Fußn. 57 m. w. N., sowie Müller/Bühler, Art. 85 EWGV und EG-Freistellungsverordnung Nr. 1984/83 zum Getränkelieferungsvertrag, 10. Aufl., D I 50 ff. 2273) Eingehend hierzu Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 313 – 334. 2274) v. Braunmühl, WuW 1991, 888; Köhler, LM EWG-Vertrag Nr. 27. 2275) Kelch, Brauwelt 1990, 1814. 2276) 20. Wettbewerbsbericht der Kommission, 1990, Tz. 395, sowie Pressemitteilung der Kommission IP (90) 472 v. 14.6.1990.

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VI. Tatsachenfeststellung

die Veröffentlichungen allein schon wegen ihres Alters heute nicht mehr verwertbar sein. Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts van Gerven in der Rechtssache 2.1822 Delimitis ./. Henningerbräu2277) hat die Kommission auf Frage des Gerichtshofes einräumen müssen, dass ihr „fast keine“ Informationen über die vom vorlegenden OLG Frankfurt genannten Kriterien zur Verfügung stünden. Mit den vom Gerichtshof entwickelten Kriterien dürfte dies kaum anders sein. Die gelegentlichen Veröffentlichungen etwa zur Entwicklung des Fassbierab- 2.1823 satzes bzw. der Fassbieranteile2278) sind kaum verwertbar. Erstens liegt ihnen nicht der (europa-)kartellrechtlich sachlich relevante nationale Gastronomiemarkt zugrunde, sondern lediglich ein Teil desselben, betreffend Fassbieranteile. Zweitens werden in der offiziellen Statistik keine Erhebungen über die Fassbieranteile durchgeführt. Die letzte Erfassung erfolgte für das Jahr 1992. Drittens dürfte der Fassbieranteil angesichts der negativen Entwicklung im Absatzsegment Gastronomie zwischenzeitlich weiter zurückgegangen sein. Viertens handelt es sich in erheblichem Umfang um Einschätzungen, nicht aber um unangreifbare Tatsachenfeststellungen. 3.

Darlegungs- und Beweislast

a) Grundsatz. Nach den Grundsätzen der Verteilung der Darlegungs- und 2.1824 Beweislast ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf die Nichtigkeitsfolge des Art. 101 Abs. 2 AEUV, ggf. i. V. m. § 134 BGB, beruft.2279) b) Das Vorbringen genügt häufig nicht den Anforderungen, die gem. § 138 2.1825 Abs. 1 ZPO an einen hinreichend substantiierten Sachvortrag zu stellen sind. So genügen pauschale Hinweise insbesondere über den Beitrag des jeweils gegenständlichen Getränkelieferungsvertrages zu einer ebenfalls festzustellenden Marktabschottung nicht.2280) Gleiches gilt für die Behauptung, auf dem bundesdeutschen Markt bestehe eine Bindung an langfristigen Verträgen von „etwa“ bzw. „ca.“ … Prozent. Nicht nur der Vortrag zum Bindungsgrad ist in-

___________ 2277) Slg. 1991, 935, 968. 2278) Kelch, Brauwelt 2004, 1692; ders., Brauwelt 2005, 1150. 2279) BGH, Urt. v. 26.2.1970 – KZR 5/69, NJW 1970, 1131 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 13.3.1997 – I ZR 215/94, NJW 1998, 156 = ZIP 1997, 1556; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 313 f., 323 m. w. N. 2280) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

sofern angreifbar,2281) sondern es wird auch nicht hinreichend deutlich, was der jeweils Darlegungs- und Beweispflichtige unter „langfristigen Verträgen“ verstehen will. Letzteres ist insofern von Bedeutung, als es sich bei dem Verhältnis der gebundenen zu den nicht gebundenen Verkaufsstellen nur um eines von mehreren Merkmalen handelt, die gegeben sein müssen, um die wettbewerbsund handelsbeschränkenden Wirkung einer Alleinbezugsvereinbarung feststellen zu können.2282) Nicht näher substantiierte Ausführungen zum angeblichen Marktanteil, zur Abgrenzung des sachlichen und räumlichen Marktes sowie zur behaupteten Marktführerschaft des Getränkelieferanten reichen nicht.2283) 4.

Erleichterungen

2.1826 a) Der in der Literatur vorgeschlagene Weg, wonach der Gastwirt mit der Behauptung eines bestimmten Prozentsatzes der durch Getränkelieferungsverträge an Brauereien gebundenen Verkaufsstellen seiner Substantiierungslast genügen soll,2284) erscheint nicht gangbar,2285) fehlt es doch bereits an der (alleinigen) Erheblichkeit dieses Kriteriums.2286) An die Darlegung und den Nachweis der spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels können auch bei einer Beweisnot des Gastwirts keine geringeren Anforderungen als sonst gestellt werden.2287) 2.1827 b) Der „Sphärengedanke“, nach dem die Beweislast demjenigen auferlegt werden soll, in dessen Einflusssphäre sich ein Vorgang ereignet hat,2288) wird dem Gastwirt nennenswerte Beweiserleichterungen kaum verschaffen können. Zum einen liegt keine der insofern anerkannten Fallgruppen vor. Zum anderen liegen zahlreiche der vom Gerichtshof für maßgeblich gehaltenen Kriterien nicht im Sinne dieser Theorie in der Sphäre der Brauerei.2289) ___________ 2281) Siehe oben § 27 III 4 b; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.10.1992 – 2 U 207/91, NJW-RR 1993, 937; OLG Nürnberg, Urt. v. 1.12.1992 – 11 U 1682/92, BeckRS 1992, 31333651; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 2282) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968; Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962. 2283) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2284) So z. B. Bunte/Sauter, III 2 Rz. 14, S. 280 f. 2285) Ablehnend auch Wiedemann, Einl. GVO 1984/83, Rz. 21, S. 109 f; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 319 – 323. 2286) Siehe oben § 27 III 4 b m. w. N. 2287) BGH, Urt. v. 26.2.1970 – KZR 5/69, NJW 1970, 1131 = Zeller I, 118; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962. 2288) Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, Vorbem. § 284 Rz. 25 – 35. 2289) Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962.

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VI. Tatsachenfeststellung

c) Es geht auch nicht an, Markterhebungen der Kommission als offenkundige 2.1828 Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO zu behandeln.2290) Die Vorschrift betrifft lediglich die Notwendigkeit des Beweises, nicht aber die der Darlegung. Von der Darlegungslast kann § 291 ZPO nicht befreien. Auch dürfte der Tatbestand des § 291 ZPO wohl kaum anzunehmen sein. Dagegen spricht zum einen die herkömmliche sehr enge Definition des Begriffs der Allgemeinkundigkeit.2291) Zum anderen stehen die Unsicherheiten über die insofern maßgeblichen tatsächlichen, ständig schwankenden Beurteilungsgrundlagen der Annahme einer Allgemein- und Gerichtskundigkeit entgegen.2292) So hat es auch der BGH zum Nachteil des Gastwirts ausgehen lassen, wenn 2.1829 sich aus dem Parteivortrag nicht das Vorliegen der vom Gerichtshof genannten Kriterien ergibt.2293) Das könnte auch weiterhin den Nichtigkeitseinwand des Gastwirts ins „Land der Theorie“ verbannen.2294) d) Einem eventuellen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens 2.1830 ist nicht stattzugeben, weil es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handelte.2295) e) Erst recht eines spezifizierten Vortrages bedarf es dann, wenn der jeweilige 2.1831 Getränkelieferant (Brauerei, Getränkefachgroßhändler) lediglich von lokaler Bedeutung ist.2296) f) Eines Hinweises gem. § 139 ZPO bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn die 2.1832 Gegenpartei auf einen unzureichenden Sachvortrag hingewiesen hat und die Problematik sich bereits aus den vom Darlegungspflichtigen vorgelegten und in Bezug genommenen Unterlagen ergibt.2297) 5.

Ergebnis

Im Ergebnis kann nicht davon gesprochen werden, dass die Anforderungen an 2.1833 die Darlegungs- und Beweislast des Gastwirts überzogen sind. Dass mit der Darlegung der maßgeblichen Kriterien erhebliche Schwierigkeiten verbunden sind, weil nach den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen eine Fülle von ___________ 2290) So aber LG Aachen, Urt. v. 17.5.1988 – 41 O. 25/88; Jehle, EuZW 1991, 372. 2291) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93. 2292) OLG Stuttgart, Urt. v. 2.10.1992 – 2 U 207/91, NJW-RR 1993, 937; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 322. 2293) BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31. 2294) Paulusch, EuGH EWiR 1991, 371; in der Tendenz wohl ähnlich Ebenroth/Rapp, JZ 1991, 962. 2295) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 2296) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 2297) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

559

§ 27 Europäisches Kartellrecht

Kriterien zu untersuchen ist, zu denen gesicherte (aktuelle) Daten nicht vorliegen, vermag hieran nichts zu ändern.2298) 2.1834 Angesichts des intensiven Wettbewerbs auf dem deutschen Gastronomiemarkt und der geringen Marktanteile selbst der „größten“ Brauereien, ggf. unter maßgeblicher Beteiligung ausländischer Brauereigruppen, von unter 10 % des deutschen Gesamtausstoßes2299) und des Umstandes, dass gerade größere Brauereien bzw. Brauereigruppen über im Verhältnis zu anderen deutschen Brauereien erheblich geringere Anteile am relevanten deutschen Gastronomiemarkt haben, ist die Einschätzung von Paulusch2300) weiterhin zutreffend, dass das europäische Kartellrecht für die hier untersuchten Vertragsgestaltungen kaum in Betracht kommen wird. 2.1835 So gehört wenig Phantasie zu der Prognose, dass die Gerichte auch in Zukunft wie schon bisher2301) auf die Grundsätze der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast rekurrieren werden. 2.1836 Das wird begrüßen, wer den Getränkelieferungsvertrag für ein unverzichtbares Absatzinstrument2302) und die Rechtsprechungsgrundsätze des Gerichtshofs für zurückhaltend ausgedrückt wenig praktikabel hält. Das Ergebnis mag auch demjenigen tolerierbar erscheinen, dem forensische Erfahrung die Vermutung nahelegt, dass der Nichtigkeitseinwand des Gastwirts in der Regel weniger der Sorge um die Marktzutrittschancen ausländischer Mitbewerber seines Vertragspartners als vielmehr dem Wunsch entspringt, sich von einer unliebsam gewordenen Bindung zu befreien und die verlockender erscheinenden Leistungen einer anderen selbstredend inländischen Brauerei in Anspruch zu nehmen.2303) VII. Stellungnahmen der Kommission – Grundfragen 1.

Regelungsgegenstände

2.1837 Unsicherheiten bei der Anwendung des primären Kartellrechts, insbesondere des Art. 101 AEUV, versucht die Kommission durch den Erlass von Bekannt___________ 2298) BGH, Urt. v. 26.2.1970 – KZR 5/69, NJW 1970, 1131 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG München, Urt. v. 8.6.1989 – U (K) 5966/88, WuW/E OLG 4415; OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2299) Jakob-Siebert/Reichl, EuZW 1992, 433. 2300) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 363. 2301) OLG Hamm, Urt. v. 5.8.1986 – 4 U 228/86, NJW 1988, 1473 = Zeller III, 114; OLG München, Urt. v. 8.6.1989 – U (K) 5966/88, WuW/E OLG 4415; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336 = Zeller IV, 198; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 21.9.1989 – 6 U 74/89, WM 1990, 119; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91; w. N. bei Wiedemann, Einl. GVO 1984/83, Rz. 20, S. 109. 2302) Köhler, LM EWG-Vertrag Nr. 27; v. Braunmühl, in: Ahlert, S. 410; Pukall, NJW 2000, 1375. 2303) v. Braunmühl, WuW 1991, 898; Jehle, EuZW 1991, 372.

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VII. Stellungnahmen der Kommission – Grundfragen

machungen, Empfehlungen und Leitlinien entgegenzuwirken. Dies sowohl bezüglich des materiellen Rechts als auch des Verfahrensrechts. 2.

Rechtsgrundlage

Art. 288 Abs. 5 und Art. 292 Satz 4 AEUV ermächtigen zum Erlass von Emp- 2.1838 fehlungen und Stellungnahmen. Diese bedürfen keiner besonderen Rechtsgrundlage.2304) Darüber hinaus soll die Kommission zum Erlass von Leitlinien befugt sein, wenn ihr primär- oder sekundärrechtlich eine entsprechende Überwachungs- oder Lenkungsfunktion zukommt.2305) Gleiches soll gelten, wenn der Erlass von Leitlinien der Selbstbindung bei der Ermessensausübung dient,2306) soweit der Kommission das Recht zukommt, verbindliche Weisungen zu erteilen. 3.

Rechtsnatur

Bei Stellungnahmen und Bekanntmachungen handelt es sich nicht um Rechts- 2.1839 normen.2307) Im Gegensatz zu Gruppenfreistellungsverordnungen sind Leitlinien und damit auch Bekanntmachungen keine bindenden Rechtsnormen, weder für Unternehmen noch für Behörden und Gerichte. Die Bezeichnung ist ohne Bedeutung. Die Erwägungsgründe zu einer VO haben dagegen einen rechtsdogmatisch höheren Stellenwert als die Bekanntmachung, weil sie die Rechtsnatur der Verordnung teilen. Systematisch handelt es sich bei Stellungnahmen (Art. 288 Abs. 5 Fall 2 2.1840 AEUV) um tertiäres Unionsrecht. Bekanntmachungen, Leitlinien etc. können keine unmittelbaren Rechtswirkungen beanspruchen. Sie lassen sich als eine Art Auskunft der Kommission über ihre rechtliche Sichtweise einordnen.2308) Die Kommission fasst insofern ihre bisherige Praxis zusammen bzw. erläutert, in welcher Form sie zukünftig zu entscheiden gedenkt. Daher besteht eine gewisse Nähe zu Verwaltungsvorschriften nach deutschem Recht. 4.

Verhältnis zu den gesetzlichen Bestimmungen

Da es sich bei Leitlinien und Bekanntmachungen nicht um Rechtsnormen han- 2.1841 delt, können diese in Kraft befindliche Rechtsvorschriften nicht inhaltlich abändern, sondern lediglich interpretieren oder Hinweise zu ihrer Auslegung ge___________ 2304) Vgl. in diesem Zusammenhang Art. 33 VO Nr. 1/2003, der sich auf alle „sachdienlichen Vorschriften“ erstreckt. 2305) Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 6.9.2012 in der Rechtssache Expedia (C-226/11), BeckRS 2012, 81830, zu Art. 105 i. V. m. Art. 292 Satz 4 AEUV zu dem Bereich des Wettbewerbsrechts mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – C-344/98, EuZW 2001, 113 – Masterfoods. 2306) EuGH, Urt. v. 5.10.2000 – C-288/96, BeckRS 2004, 76019 – Deutschland ./. Kommission. 2307) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 305 f und 255 f. 2308) Ziff. II 9 und 11 Bagatellbekanntmachung 2014.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

ben.2309) Sie greifen der Auslegung von Art. 101 AEUV durch die Unionsgerichte nicht vor (Ziff. 6 Bagatellbekanntmachung 2001). 5.

Vermutung

2.1842 Teilweise finden sich in den Leitlinien auch nur widerlegbare Vermutungsregeln.2310) 6.

Temporale Anwendungsbereich

2.1843 Bevor man sich mit dem Problemfeld der Verbindlichkeit näher auseinandersetzt, sollte die Anwendbarkeit sowohl aus zeitlicher als auch aus sachlicher Sicht genauer geprüft werden.2311) 7.

Verbindlichkeit

2.1844 Schon nach Art. 288 Abs. 5 AEUV sind Empfehlungen und Stellungnahmen nicht verbindlich.2312) Dies wird teilweise bereits im Wortlaut klargestellt.2313) Die Wahl der Form stellt ein bloßes Indiz dar. Sie lässt aber nicht zwingend auf eine Verbindlichkeit schließen.2314) Die Bedeutung einer Veröffentlichung in den Amtsblättern der EU ist wohl unterschiedlich zu behandeln. Ein Abdruck in der Reihe C spricht wohl eher gegen eine Verbindlichkeit. Anders ist dies bei einer Veröffentlichung in der Reihe L zu sehen.2315) 8.

Angreifbarkeit

2.1845 Da es sich nicht um Gesetzgebungsakte, sondern um bloße sonstige Rechtsakte handelt, die ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten erlassen werden, können sie nach Art. 263 Abs. 1 Satz 1 AEUV auch nicht vor dem Gerichtshof angefochten werden. ___________ 2309) EuG, Urt. v. 21.9.2005 – T-87/05, Tz. 63 f – EDP. 2310) Ziff. 3 Satz 2, 52 Abs. 1 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. 2311) EuG, Urt. v. 9.7.2007 – T-282/06, BeckRS 2008, 70203 – San Chemical. Zur Unverbindlichkeit der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 81 und 82 des Vertrages, ABl Nr. C 101/54-64 v. 27.4.2004. Vgl. dort Ziff. 20 Abs. 2 sowie die Ziff. 20 Abs. 1, 23 und 24. 2312) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 311 f. 2313) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia; Ziff. I 3 Satz 2 Bagatellbekanntmachung 2014. 2314) EuGH, Urt. v. 13.12.1989 – C-322/88, EuZW 1990, 95 – Grimaldi; EuG, Urt. v. 20.5.2010 – T-258/06, NZBau 2010, 510 – Deutschland/Kommission. 2315) EuGH, Urt. v. 12.5.2011 – C-410/09, BeckRS 2011, 80520 – Polska Telefonia Cyfrowa; EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia.

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VII. Stellungnahmen der Kommission – Grundfragen

9.

Bedeutung für die Kommission

a) Orientierungs-/Interpretations-/Auslegungshilfe. Die Kommission hat ihre 2.1846 Stellungnahmen als Auslegungshilfe zu beachten. So enthalten die Leitlinien über die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004 auf der Grundlage der Rechtsprechung der Unionsgerichte Auslegungsgrundsätze. Die gilt auch im Zusammenhang mit Stellungnahmen zu Art. 101 Abs. 3 AEUV.2316) Erklärtes Ziel ist es, die Methodik zur Anwendung des Begriffs der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels darzustellen und eine Anleitung und Orientierung für seine Anwendung zu bieten. Die Leitlinien gelten nur für den Regelfall. Sie erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.2317) Allenfalls haben sie eine gewisse Indizwirkung.2318) Auch aus der „Master Foods“-Entscheidung des EuGH2319) ergibt sich keine weitergehende Bindungswirkung der Leitlinien.2320) b) Verbindlichkeit. aa) Grundsatz. Leitlinien begründen (nur) zu Lasten der 2.1847 Kommission eine Verbindlichkeit.2321) bb) Konsequenzen. Eine Bekanntmachung führt hinsichtlich der Tatbestands- 2.1848 restriktion der Spürbarkeit zu einer Selbstbindung der Kommission.2322) Diese kann gegen Maßnahmen von Unternehmen, die die Bagatellkriterien erfüllen, nicht einschreiten.2323) Damit wird die einheitliche Anwendung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten gewährleistet. Dies schafft Rechtssicherheit und begründet Vertrauen, auch bei der nach Art. 101 Abs. 3 AEUV erforderlichen Selbstbeurteilung durch die Unternehmen.2324) Naturgemäß kann die Kommission ihre Stellungnahmen von Zeit zu Zeit überprüfen und an aktuelle Entwicklungen anpassen. Ziff. 4 Satz 2 Vertikalleitlinien 2010 verdeutlicht dies. Nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes hat die Kommission bei der Aus- 2.1849 übung ihres Aufgreifermessens und der Verhängung von Geldbußen ihre Ver-

___________ 2316) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 75. 2317) Ziff. 3 Leitlinien über die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. 2318) Ziff. 3 und 53 Satz 2 Leitlinien über die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. 2319) EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – C-344/98, Slg. I 2000, 11369 – Masterfoods. 2320) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2005 – VI-2 Kart 12/04 (V), WuW/E 2006 DE-R 1610 – Fliligranbetondecken. 2321) Ziff. 3 Leitlinien über die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004; Ziff. 17, 21 Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 81 und 82 des EG-Vertrages 2004. 2322) EuG, Urt. v. 10.7.2012 – T-304/08, EuZW 2012, 666. 2323) Ziff. 4 Vertikalleitlinien 2000; Ziff. I 5 Satz 1 Bagatellbekanntmachung 2014. 2324) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 75.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

lautbarungen zu beachten.2325) Folge ist, dass die Kommission von den in den Leitlinien geäußerten Rechtsmeinungen nicht willkürlich, also ohne Sachgrund, sondern nur unter Angabe der Gründe und Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes abweichen darf. Da die Verwaltungspraxis sich aber weiter entwickeln können muss, ist es der Kommission gestattet, aus sachlich gerechtfertigtem Grund ihre Rechtsauffassung zu ändern. Ein solcher Grund kann etwa in einer Entscheidung des Gerichtshofs liegen, mit der die Leitlinie nicht vereinbar ist,2326) oder in einer Neuausrichtung oder Modifikation der Wettbewerbspolitik der Kommission.2327) 2.1850 Überdies will die Kommission gegen Unternehmen, die irrtümlich und gutgläubig von der Erfüllung der Voraussetzungen einer Stellungnahme der Kommission ausgehen, keine Geldbußen verhängen.2328) Entsprechende Regelungen finden sich sowohl in Ziff. 4 Satz 1 Bagatellbekanntmachung 2001 als auch in Ziff. 50 letzter Satz der Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. Gutgläubigkeit liegt allerdings dann nicht vor, wenn der Irrtum fahrlässig begangen wurde (Ziff. 5 Bagatellbekanntmachung 1997). 10.

Bindungswirkung/Vorgreiflichkeit für die Unionsgerichte

2.1851 Stellungnahmen und Bekanntmachungen geben lediglich die Auffassung der Kommission wieder, ohne der Rechtsprechung der Unionsgerichte vorzugreifen.2329) Die Aufgabe dieser Gerichte besteht nämlich gerade darin, über die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse (Art. 288 Abs. 4 AEUV) und der sonstigen Handlungen (Art. 288 Abs. 5 AEUV) zu wachen. 11.

Bedeutung für nationale Gerichte und Wettbewerbsbehörden

2.1852 a) Orientierungs-/Interpretations-/Auslegungshilfe. Leitlinien enthalten eine Reihe von Beurteilungskriterien, Beispielskatalogen und Erfahrungssätzen. Diese werden vom Bundeskartellamt ebenso wie von den deutschen Gerichten in ihrer ___________ 2325) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia, und die darauf u. a. zurückgehende Neufassung der Bagatellbekanntmachung im August 2014 (Ziff. I 2 Satz 2, II 13 Sätze 1 und 2 Bagatellbekanntmachung 2014). 2326) Ziff. I 3 Satz 2 Bagatellbekanntmachung 2014. 2327) EuG, Urt. v. 28.9.2004 – T-310/00, Slg II 2004, 3256 = WuW 2004, 1200 – MCI; Ziff. 4 Satz 1 Bagatellbekanntmachung 2001. 2328) Ziff. I 5 Satz 2 Bagatellbekanntmachung 2014. 2329) EuGH, Urt. v. 7.3.2002 – C-310/99, BeckRS 2004, 76246; EuG, Urt. v. 14.5.1997 – T-77/94, Slg. 1997 II 759 – VGB; Generalanwalt Warner in der Rechtssache 19/77, Slg. 1978, 131 – Miller; Generalanwältin Kokott in der Rechtssache C-226/11, BeckRS 2012, 81830 – Expedia; EuGH, Urt. v. 6.11.2012 – C-199/11, EuZW 2013, 24 – Otis u. a. Vgl. auch Ziff. 6 Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes 1997, Ziff. 5 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004, Ziff. I 7 Bagatellbekanntmachung 2014, und zu Art. 101 Abs. 3 AEUV Ziff. 7 Satz 3 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV 2004, Ziff. 4 Vertikalleitlinien 2000.

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VII. Stellungnahmen der Kommission – Grundfragen

Entscheidungspraxis (mit-)berücksichtigt.2330) Es ist wohl anzunehmen, dass sich die mitgliedstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden an den einschlägigen Leitlinien der Kommission bei der Auslegung von Art. 101 (Abs. 3) AEUV orientieren und nicht ohne triftigen Grund von ihnen abweichen werden.2331) Stellungnahmen und Bekanntmachungen können durchaus als Leitlinien für die 2.1853 Anwendung des Unionsrechts durch andere Behörden und Gerichte dienen. So ist beispielsweise die Kronzeugenregelung der Kommission2332) von einer Reihe von Mitgliedstaaten übernommen worden. b) Verbindlichkeit. aa) Grundsatz. Leitlinien sind von einzelstaatlichen Ge- 2.1854 richten und Behörden zu berücksichtigen, nicht dagegen rechtsverbindlich zu befolgen.2333) Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass Leitlinien keine Rechtsnormen enthalten. Sie stellen allenfalls Vertrauensnormen dar, die einen Hinweis auf die zu beachtende Praxis enthalten. Es handelt sich dabei um Meinungsäußerungen der Kommission. Sie stellen lediglich berücksichtigungsfähige, keinesfalls aber für nationale Gerichte und Kartellbehörden bindende Voten dar. Da Bekanntmachungen schon auf europäischer Ebene keine materiell-rechtliche Wirkung zukommt, können sie erst recht keine verbindlichen Vorgaben für die Auslegung der entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften machen. Auch unter Berücksichtigung der für die Betrachtung des zeitlich relevanten Marktes geltenden Kriterien sind sie durchweg nicht (mehr) verwertbar, meist auch zu unpräzise und den zu beurteilenden streitigen Sachverhalt nicht treffend.2334) Ein einzelstaatliches Gericht ist – anders als bei der verbindlichen Auslegung des Unionsrechts durch die Unionsgerichte – nicht an die Stellungnahmen der Kommission gebunden.2335) Eine Verpflichtung zur Berücksichti___________ 2330) EuG, Urt. v. 19.5.2010 – T-11/05, ABl. C 174/29 – Wielandwerke; EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. Vergegleiche zu Art. 101 EUV Ziff. 4 Satz 3 Bagatellbekanntmachung 2001; Ziff. 4 Satz 3 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV 2004; Ziff. 3 Satz 5 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004. 2331) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 75. 2332) Ziff. 37 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes von Wettbewerbsbehörden, ABl 2004 C 101/43. 2333) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. Vgl. zu Art. 101 Abs. 1 AEUV Ziff. 3 Satz 5 Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004, Ziff. I 5 Satz 3 Bagatellbekanntmachung 2014. Zu Art. 101 Abs. 3 AEUV vgl. Ziff. 4 Satz 3 Leitlinien zur Anwendung von Art. 81 Abs. 3 EGV 2004; im Übrigen Ziff. 42 Satz 2 Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 81 und 82 des EG-Vertrages 2004. 2334) BGH, Urt. v. 9.5.1985 – I ZR 99/83, NJW 1985, 2895. 2335) Vgl. Ziff. 29 Satz 2 der Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 81 und 82 des EG-Vertrages 2004 vom 27.4.2004, ABl. EU Nr. C101/58, sowie Ziff. 19 Satz 1.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

gung ergibt sich auch nicht nach den Grundsätzen der richtlinienkonformen Interpretation. Daher sind nationale Gerichte und Behörden befugt, von den Leitlinien der Kommission abzuweichen.2336) Dabei dürfen die nationalen Stellen vor allem nationale Besonderheiten als Grund für die Abweichung einbringen.2337) Denkbar ist auch, dass die nationalen Stellen einen Verstoß gegen primäres oder sekundäres EU-Recht feststellen; dieses begründet allerdings eine Verpflichtung zur Vorlage nach Art. 267 AEUV. 2.1855 Ziff. 4 der Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004 sagt dementsprechend: „Die vorliegenden Leitlinien … sollen auch den Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten Anleitung bei der Anwendung von Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV geben, binden diese aber nicht.“2338) Ebenso wenig wie Rechtsnormen sind Leitlinien bindende Entscheidungen der Kommission i. S. v. Art. 16 VO Nr. 1/2003. Aus Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 und der diesem zugrunde liegenden „Masterfoods“-Rechtsprechung des Gerichtshofs,2339) nach der die nationalen Behörden und Gerichte auch einen Widerspruch zu beabsichtigten Entscheidungen der Kommission vermeiden müssen, folgt nichts anderes, weil Voraussetzung jeweils die Einleitung eines konkreten Verfahrens ist, während Meinungsäußerungen der Kommission ohne konkreten Fallbezug nicht erfasst werden. 2.1856 bb) Verwaltungspraxis. Die Kommission ist zwar die in erster Linie zur Beurteilung der Vereinbarkeit von vertraglichen Vereinbarungen mit Art. 101, 102 AEUV berufene Behörde. An deren Verwaltungspraxis ist das innerstaatliche Gericht aber nicht gebunden. Die Verwaltungspraxis ist ebenfalls lediglich ein für das Gericht berücksichtigungsfähiger und keineswegs bedeutungsloser tatsächlicher Umstand.2340) Entscheidend für die Anwendbarkeit der Verbotsnorm des Art. 101 AEUV ist unverändert eben diese Vorschrift selbst.2341) Allerdings sind nach Wegfall des Anmeldeprinzips immer weniger Entscheidungen der Kommission zu berichten sind, was auch auf die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts (§ 50 GWB) nicht ohne Auswirkungen bleiben dürfte. 2.1857 cc) Faktische Verbindlichkeit. Gleichwohl entfalten die Leitlinien eine faktische Wirkung. Dies gilt sowohl gegenüber den nationalen Wettbewerbsbehörden als auch den betroffenen Unternehmen und ihren Beratern, die sich nach dem System der Selbstveranlagung2342) an dem Inhalt der Leitlinien orientieren. ___________ 2336) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. 2337) Schlussanträge Generalanwältin Kokott i. S. Expedia, BeckRS 2012, 81830. 2338) Siehe auch Ziff. I 5 Satz 3 Bagatellbekanntmachung 2014. 2339) EuGH, Urt. v. 14.12.2000 – C-344/98, Slg. 2000 I 11369 – Masterfoods. 2340) BGH, Urt. v. 9.5.1985 – I ZR 99/83, NJW 1985, 2895. 2341) Niederleithinger, a. a. O., S. 7; OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2342) Siehe oben § 27 II 11 b m. w. N.

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VIII. Aktuelle Stellungnahmen der Kommission von Interesse

Auch bei der Auslegung der an das europäische Recht angeglichenen Vorschriften des GWB kommt den Leitlinien erhebliches argumentatives Gewicht zu. Dies insbesondere dann, wenn sie eine (langjährige) Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zum europäischen Wettbewerbsrecht wiederspiegeln und auf dieser Basis die allgemeinen Anforderungen an eine Freistellung konkretisieren.2343) Die nationalen Wettbewerbsbehörden werden zudem im Hinblick auf das Recht des ersten Zugriffs – wenn die Kommission ein eigenes Verfahren einleitet, endet die Zuständigkeit der nationalen Behörde (Art. 11 Abs. 6 VO Nr. 1/2003) – die Leitlinien der Kommission in ihre Überlegungen jedenfalls mit einstellen.2344) dd) Eine rechtliche Bindung ergibt sich mit Blick auf einen Kommissionsbe- 2.1858 schluss (Art. 288 Abs. 4 AEUV) nur dann, wenn die Kommission ein konkretes Verfahren eingeleitet hat. So ordnet auch Art. 16 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1/2003 eine Bindung nationaler Gerichte nur in Bezug auf Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen an, die „bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission“ sind. Und Satz 2 der Vorschrift gibt den nationalen Gerichten auf, es zu vermeiden, Entscheidungen zu erlassen, die einer Entscheidung zuwiderlaufen, die die Kommission „in einem von ihr eingeleiteten Verfahren“ zu erlassen beabsichtigt. VIII. Aktuelle Stellungnahmen der Kommission von Interesse 1.

Bekanntmachung zur Definition des relevanten Marktes 1997

a) Grundlagen. Zur Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbe- 2.1859 werbsrechts der Union liegt eine Bekanntmachung der Kommission aus dem Jahre 1997 vor.2345) Die Bekanntmachung vermittelt lediglich die methodischen Grundsätze für die Definition des Marktes. Sie kann die eigentliche Marktabgrenzung nicht ersetzen. Unter II wird der sachlich und räumlich relevante Markt definiert, unter III finden sich Kriterien und Nachweise für die Definition relevanter Märkte, unter IV werden Ausführungen zur Berechnung der Marktanteile gemacht. Es fällt auf, dass eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe zur Bestimmung des relevanten Marktes eingeführt wird, ohne dass die Kommission diese auch nur ansatzweise definiert und auf die Gewichtung der Einflussgrößen eingeht. b) Sachlich relevanter Markt. In Ziff. 7 heißt es „Der sachlich relevante Pro- 2.1860 duktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.“ Um die Austauschbarkeit von Produkten aus der Sicht der Nachfrager festzu___________ 2343) Immenga/Mestmäcker-Fuchs, Wettbewerbsrecht, § 2 GWB Rz. 39. 2344) Immenga/Mestmäcker-Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Einleitung EU D Rz. 10. 2345) ABl EG Nr. C 372/5 ff. v. 9.12.1997.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

stellen, wird mittels des sog. „10 %-Tests“ geprüft, ob ein ausreichender Teil der Kunden eines Unternehmens auf ein Konkurrenzprodukt ausweichen würde, wenn das betreffende Unternehmen seine Preise um 5 bis 10 % erhöhte. Dieser Test ist im Wesentlichen an die Praxis der US-amerikanischen Kartellbehörde angelehnt.2346) 2.1861 c) Räumlich relevanter Markt. Ein räumlich gesonderter Markt lässt sich ohne vorherige sachliche Marktabgrenzung nicht feststellen (Ziff. 8). 2.1862 d) Hinweis. Unklar bleibt das Verhältnis zur Definition des relevanten (Bier)Marktes nach der Entscheidung des Gerichtshofs in dem Urteil in der Sache „Delimitis ./. Henningerbräu“. 2.

Empfehlung betreffend kleine und mittlere Unternehmen (KMU) 2003

2.1863 Nach Art. 2 des Anhangs der Empfehlung aus dem Jahre 20032347) gelten nunmehr folgende Schwellenwerte für Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen als jeweilige Obergrenze: höchstens 250 Mitarbeiter, Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. € sowie Unabhängigkeit von Großunternehmen.2348) 3.

Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 2004

2.1864 a) Spürbarkeit. Die Leitlinien2349) enthalten Regeln über die Spürbarkeit einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Die Kommission hat ihre Haltung zur Spürbarkeit des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in ihren Leitlinien zum zwischenstaatlichen Handel zusammengefasst (Ziff. 24). An der Spürbarkeit der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten soll es fehlen, wenn die beanstandbare Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise aufgrund der schwachen Marktstellung der beteiligten Unternehmen den fraglichen Produktmarkt nur geringfügig beeinträchtigt (Ziff. 44 Satz 2). Je stärker die Marktstellung der beteiligten Unternehmen ist, umso größer soll die Wahrscheinlichkeit sein, dass eine Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten durch die Tatbestandshandlung als spürbar einzustufen sei (Ziff. 45 Satz 3). 2.1865 Unabhängig von Marktanteilen ist von spürbarer Handelsbeeinträchtigung auszugehen, wenn die Vereinbarung 10 % des zwischen zwei Mitgliedsstaaten betreffenden Handels mit dem betreffenden Produkt erfasst (Ziff. 52). Die Kommission wird die Vermutung auch dann anwenden, wenn während zweier auf___________ 2346) BGH, Urt. v. 16.11.2000 – I ZR 34/98, NJW-RR 2001, 827. 2347) Empfehlung 2003/361, ABl EG Nr. L 124/36 v. 20.5.2003. 2348) Ebenso Ziff. 11 Vertikalleitlinien 2000 und Ziff. 3 Satz 4 Bagatellbekanntmachung 2001. 2349) ABl EG Nr. C 101/81, v. 27.4.2004.

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VIII. Aktuelle Stellungnahmen der Kommission von Interesse

einanderfolgender Kalenderjahre der genannte Schwellenwert für den Marktanteil um höchstens 10 % und der Schwellenwert für den Marktanteil um höchstens zwei Prozentpunkte überschritten werden (Ziff. 52 Abs. 2 Satz 1). Sind die genannten Schwellen überschritten und ist die Vereinbarung ihrem Wesen nach geeignet, sich auf den Handel zwischen Mitgliedsstaaten auszuüben, so geht die Kommission davon aus, dass die Beeinträchtigung spürbar ist. Bei vertikalen Vereinbarungen darf der Jahresumsatz des Anbieters oder bei 2.1866 mehreren Anbietern der Anbieter mit den von der Vereinbarung erfassten Waren in der Europäischen Union nicht den Betrag von 40 Mio. € überschreiten (Ziff. 52 Satz 1 b Unterabs. 2 Satz 1, vgl. auch Ziff. 53 Satz 1). An der Spürbarkeit der Auswirkungen einer wettbewerbsbeschränkenden Ver- 2.1867 einbarung auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten mangelt es, wenn eine Beschränkung sich nur auf einem nationalen Markt auswirkt und die Auswirkung auf die Tätigkeit von ausländischen Unternehmen in diesem nationalen Markt gering ist. b) Bedeutung. Die Leitlinien gelten nur für den Regelfall. Sie sind weder nach 2.1868 oben oder nach unten abschließend (Ziff. 3). Sie haben nur die Wirkung einer widerleglichen Vermutung. Im Anwendungsbereich der Positivvermutung bei Überschreitung der Marktanteilsschwelle haben die Leitlinien allenfalls Indizwirkung (Ziff. 3 und 53 Satz 2). Die Leitlinien sollen den nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichten eine Orientierung für Anwendung des Art. 101 Abs. 1 AEUV geben. Sie entfalten für diese aber keine Bindungswirkung (Ziff. 3). Die Leitlinien haben auch keine Bindungswirkung für den Gerichtshof. Lediglich die Kommission ist in den Grenzen ihrer Aussagen gebunden. 4.

Vertikalleitlinien 2010

a) Bedeutung. Von praktischer Bedeutung für die Auslegung und Anwendung 2.1869 von Art. 101 AEUV auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen sind die jeweils geltenden Vertikalleitlinien, aktuell in der seit dem 1.6.2010 geltenden Fassung.2350) Diese wurden von der Kommission im Hinblick auf die eigenständige Anwendung der Freistellungsvoraussetzungen durch Unternehmen, Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten erlassen.2351) Die Vertikalleitlinien behandeln sowohl die Anwendung des Kartellverbots des Art. 101 Abs. 1 AEUV auf die von ihnen erfassten speziellen Sachbereiche; sie geben in diesem Rahmen aber auch Hinweise, wie die Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV zu präzisieren sind.2352) ___________ 2350) ABl EU Nr. C 130/1 ff. v. 19.5.2010. Zu den Vertikalleitlinien 2000 vgl. Bühler, Brauereiund Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1849 – 2.1852 m. w. N. 2351) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 72. 2352) Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 86, 90.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.1870 b) Zur Berechnung der Marktanteile bedarf es zunächst einer Abgrenzung des sachlich und räumlich relevanten Marktes. Orientierungshilfen bietet die Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes (Ziff. 86). 2.1871 c) In den sachlich relevanten Markt werden sämtliche Produkte einbezogen, die aus Sicht der Kunden als austauschbar angesehen werden (Ziff. 88).2353) 2.1872 d) Marktanteil. In Ziff. 90 ist festgehalten, dass der jeweilige Marktanteil der beteiligten Unternehmen unter den genannten Schwellenwerten liegen muss, wenn eine vertikale Vereinbarung zwischen drei Parteien (Brauerei/Herstellerunternehmen/Getränkefachgroßhändler-Gastwirt) abgeschlossen wird, die auf unterschiedlichen Handelsstufen tätig sind. 2.1873 e) Berechnung. Bei der Berechnung der Marktanteile (Ziff. 93 – 95) sind die Marktanteilsgrenzen nach Auffassung der Kommission nicht als absolute Grenzen zu betrachten. Vielmehr spielen die konkreten Auswirkungen, die die Abreden auf den Markt ausüben, eine Rolle. Dabei müssen die wettbewerbsfördernden und die wettbewerbswidrigen Wirkungen gegeneinander abgewogen werden.2354) 2.1874 f) Schwellenwerte. Vorbehaltlich der in der Bagatellbekanntmachung 2001 genannten Voraussetzungen einer Kernbeschränkung und der Problematik der kumulativen Wirkung fallen vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die nicht im Wettbewerb miteinander stehen und deren jeweiliger Marktanteil am relevanten Markt weniger als 15 % beträgt, grundsätzlich nicht unter das Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV (Ziff. 9 Satz 1). Für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern gilt beim Marktanteil eine Bagatellschwelle von 10 % bezogen auf den gemeinsamen Anteil der Unternehmen an den betreffenden relevanten Märkten. Dies impliziert jedoch nicht die Vermutung, dass vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit einem höheren Marktanteil automatisch gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen (Ziff. 9 Satz 2). Auch Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die die Marktanteilsschwelle von 15 % überschreiten, haben möglicherweise keine merklichen Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten oder stellen keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung dar (Ziff. 9 Satz 3). Derartige Vereinbarungen sind in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang zu prüfen (Ziff. 9 Satz 4). 2.1875 g) Besonderheiten von Interesse. Für den deutschen Biermarkt ist nunmehr die Ziff. 135 von besonderer Bedeutung. Beträgt hiernach der Marktanteil des größten Anbieters weniger als 30 % und decken die fünf größten Anbieter zusammen weniger als 50 % des Marktes ab, so ist eine einfache oder kumulative wettbewerbswidrige Wirkung unwahrscheinlich (Ziff. 135 Satz 1 Vertikalleitli___________ 2353) Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 163 f m. w. N. 2354) ABl EG Nr. L 186/1 ff. v. 19.7.1999.

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VIII. Aktuelle Stellungnahmen der Kommission von Interesse

nien 2010). Gelingt es einem potentiellen Wettbewerber nicht, in den Markt einzusteigen und rentabel zu wirtschaften, dürfte dies auf andere Faktoren als Markenzwang (z. B. Präferenzen der Verbraucher) zurückzuführen sein (Ziff. 135 Satz 2 Vertikalleitlinien 2010). Damit entfällt auch die Grundvoraussetzung für die Anwendung der Ziff. 8 der Bagatellbekanntmachung 2001, sodass die Marktanteilsschwelle nicht auf 5 % herabgesetzt wird. Damit könnte wieder die an sich für Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern geltende Marktanteilsschwelle von 15 % heranzuziehen sein. Gelingt es einem potentiellen Wettbewerber nicht, in den Markt einzusteigen und rentabel zu wirtschaften, dürfte dies auf andere Faktoren als Marktzwang, z. B. Präferenzen der Verbraucher, zurückzuführen sein. Im Gegensatz zur Vorgängerregelung (Ziff. 143 Vertikalleitlinien 2000) findet sich in der aktuellen Fassung (Ziff. 135 Satz 2) allerdings nicht mehr die Einschätzung, dass Probleme für den Wettbewerb ferner in einem Markt unwahrscheinlich seien, in dem sich z. B. 50 Firmen, von denen keine einen nennenswerten Marktanteil halte, einen erbitterten Konkurrenzkampf lieferten. Die Kommission stellt klar, dass Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren 2.1876 Unternehmen (KMU) grundsätzlich nicht unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fallen. Vorbehaltlich der Bestimmungen über gravierende Wettbewerbsbeschränkungen und die kumulative Wirkung vertikaler Vereinbarungen sind diese nicht vom europäischen Kartellrecht und damit insbesondere von Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst (Ziff. 11 Satz 1). In Fällen, in denen solche Vereinbarungen dennoch den Verbotstatbestand erfüllen, hat die Kommission angekündigt, „in der Regel“ wegen des mangelnden Interesses kein Prüfverfahren einzuleiten, es sei denn, die betreffenden Unternehmen haben eine beherrschende Marktstellung inne (Ziff. 11 Satz 2). 5.

Bagatellbekanntmachung 2014

a) Einführung. Mit der Bagatellbekanntmachung2355) legt die Kommission an- 2.1877 hand von Marktanteilsschwellen fest, was sie als nicht spürbare und damit nicht erhebliche Wettbewerbsbeschränkung ansieht (Ziff. I 3 Satz 1). Wie die Kommission ausdrücklich hervorhebt, bedeutet diese Definition aber nicht, dass Vereinbarungen zwischen Unternehmen, deren Marktanteile über den in dieser Bekanntmachung festgelegten Schwellen liegen, den Wettbewerb spürbar beeinträchtigen (Ziff. I 3 Satz 2). Solche Vereinbarungen können trotzdem nur geringfügige Auswirkungen auf den Wettbewerb haben und daher nicht dem Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV unterliegen (Ziff. I 3 Satz 3). Ferner können Vereinbarungen außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 101 Abs. 1 AEUV ___________ 2355) ABl Nr. C 291/1 v. 30.8.2014. Zu den Bagatellbekanntmachungen der Jahre 1986, 1992, 1997 und 2001 vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1821, 2.1822 – 2.1829, 2.130 sowie 2.1834 – 2.1841, jeweils m. w. N.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

liegen, wenn sie nicht geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen (Ziff. I 4 Satz 1). Die Bekanntmachung macht keine Angaben dazu, wann keine spürbaren Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel vorliegen (Ziff. I 4 Satz 2). Aufschluss darüber gibt die Bekanntmachung über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels (Ziff. I 4 Satz 3). Die Kommission erinnert insbesondere an Ziff. 50 der Bekanntmachung betreffend Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), wonach solche Vereinbarungen in der Regel nicht in der Lage sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Ziff. I 4 Satz 3 mit Fn. 5). 2.1878 b) Marktanteil. Wie bislang unterscheidet die Bagatellbekanntmachung zwischen Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern (horizontale Vereinbarungen) und Nichtwettbewerbern (vertikale Vereinbarungen). Im ersten Fall beträgt die Grenze 10 % Marktanteil (Ziff. II 8 a), im zweiten Fall 15 % (Ziff. II 8 b)2356). Insofern befinden sich Unternehmen, deren gemeinsamer Marktanteil die genannten Grenzen nicht übersteigt, in einem geschützten Bereich (sog. SAFE-Harbour-Bereich). Der durch die Marktanteilsschwellen geschaffene SAFE-Harbour-Bereich ist besonders relevant für Gruppen von Vereinbarungen, die unter keine Gruppenfreistellungsverordnung der Kommission fallen (Ziff. II 14 Satz 1). 2.1879 Bei einem Getränkelieferungsvertrag zwischen einem Getränkelieferanten und einem Gastwirt handelt es sich um eine Vereinbarung zwischen Nichtwettbewerbern. Bei Abgrenzungsschwierigkeiten gilt die 10 %-Schwelle (Ziff. II 8 a). Für die Ermittlung der Marktanteile werden die Marktanteile verbundener Unternehmen einbezogen (Ziff. II 16, Verbundklausel). 2.1880 c) Parallele Netze. Die Bagatellbekanntmachung trägt weiterhin der kumulativen Wirkung von Vertragsbündeln (Bündeltheorie) Rechnung, indem die hier an sich relevante Individualmarktanteilsschwelle von 10 % auf 5 % herabsetzt (Ziff. II 10 Satz 1). Ziff. II 10 Satz 2 i. V. m. Fn. 3 verweisen insofern insbesondere. auf die Regelungen der Ziff. 76, 134 und 179 der Vertikalleitlinien 2010. In Satz 2 der vorgenannten Fußnote 3 heißt es wörtlich „Während in den Leitlinien für vertikale Beschränkungen bei bestimmten Beschränkungen nicht nur auf den gesamten, sondern auf den gebundenen Marktanteil eines bestimmten Lieferanten oder Käufers abgestellt wird, beziehen sich alle Marktanteilsschwellen in der vorliegenden Bekanntmachung auf den gesamten Marktanteil.“ Dies gilt sowohl für Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern als auch wie in diesem Zusammenhang für Vereinbarungen zwischen Nichtmitbewerbern. Überschreitet der individuelle Marktanteil eines Getränkelieferanten daher nicht 5 % am relevanten Gesamtmarkt, so ist in der Regel nicht davon aus___________ 2356) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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IX. Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

zugehen, dass er wesentlich zu einem kumulativen Abschottungseffekt beiträgt (Ziff. II 10 Satz 2). Es ist unwahrscheinlich, dass ein kumulativer Marktabschottungseffekt vorliegt, wenn weniger als 30 % des relevanten Marktes von nebeneinander bestehenden (Netzen von) Vereinbarungen, die ähnliche Wirkungen auf den Markt haben, abgedeckt werden (Ziff. II 10 Satz 3). d) Überschreiten der Marktanteilsschwellen. Die Kommission ist ferner der 2.1881 Auffassung, dass Vereinbarungen auch dann den Wettbewerb nicht spürbar beschränken, wenn die Marktanteile die vorgenannten Schwellenwerte von 10 %, 15 % oder 5 % während zwei aufeinander folgenden Kalenderjahren um höchstens zwei Prozentpunkte überschreiten (Ziff. II 11).2357) e) Schranke. Eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen Mit- 2.1882 gliedstaaten zu beeinträchtigen und die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt bezweckt, weil sie ein wettbewerbswidriges Ziel hat, stellt nach Auffassung des Gerichtshofs eine ihrer Natur nach und unabhängig von konkreten Auswirkungen eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar.2358) Vor diesem Hintergrund ist die Kommission nunmehr der Auffassung, dass die unter Ziff. II 8 – 11 angegebenen Marktanteilsschwellen nicht für Vereinbarungen gelten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt bezwecken (Ziff. I 2 Satz 2, II 13 Sätze 1 und 2).2359) Beispielhaft werden die sog. Kernbeschränkungen benannt (Ziff. II 13 Satz 3).2360) f) Zeitgleich hat die Kommission eine Mitteilung veröffentlicht, in der Wett- 2.1883 bewerbsbeschränkungen aufgezeigt werden, die in der Beschlusspraxis der Kommission und in Entscheidungen der Unionsgerichte als „bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen“ angesehen wurden.2361) Das Dokument soll regelmäßig aktualisiert werden. IX.

Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

1.

Allgemeine Fragen

a) Temporaler Anwendungsbereich. Grundlage der aktuellen sekundär-kar- 2.1884 tellrechtlichen Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen ist die (allgemeine)

___________ 2357) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. 2358) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. 2359) Vgl. Art. 4 VO Nr. 330/2010. 2360) Siehe oben § 27 II 7 b m. w. N. 2361) Kommission, Website der GD Wettbewerb: Guidance on restrictions of competition „by object“ for the purpose of defining which agreements may benefit from the De Minimis Notice, SWD (2014), 198 final.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

(Gruppenfreistellungs-)VO Nr. 330/20102362), in Kraft getreten am 1.6.2010. Art. 9 VO Nr. 330/2010 enthält eine Übergangsregelung. Die Gültigkeit der Verordnung ist gem. Art. 10 VO Nr. 330/2010 bis zum 31.5.2022 befristet. 2.1885 b) Nachrang. Die Prüfung der Bestimmungen ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des primären EU-Kartellrechts, insbesondere des Art. 101 Abs. 1 AEUV, an sich obsolet. Wegen der nachrangigen Bedeutung kann auf die Gruppenfreistellungsverordnung nur dann zurückgegriffen werden, wenn ein Getränkelieferungsvertrag unter Art. 101 Abs. 1 AEUV fällt (Ziff. 8 Satz 2 Vertikalleitlinien 2010, Erwägungsgrund 9 VO Nr. 330/2010).2363) 2.1886 Angesichts eines schrumpfenden Gesamtbiermarktes in Deutschland wachsen jedenfalls aus diesem Grunde die Marktanteile einzelner Brauereigruppen unabhängig vom Unternehmenswachstum, sei es durch Markterfolge, sei es durch Übernahme von Mitbewerbern bedingt. Damit könnten einige wenige gastronomiemarktmächtige Brauereien in die Situation kommen, die VO Nr. 330/2010 jedenfalls aus unternehmerischer Vorsicht zu beachten. 2.1887 c) Schirmcharakter. Da es sich um eine für alle vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen geltende Freistellungsverordnung handelt, fehlen branchenspezifische Regelungen.2364) Daher kommt der Verordnung auch keine Leitbildfunktion für die Höchstdauer von Getränkelieferungsverträgen zu.2365) 2.1888 d) Konkurrenzen. Die Gruppenfreistellungsverordnung soll durch die Kartellverfahrensverordnung Nr. 1/2003 offenbar nicht beeinflusst werden.2366) 2.1889 e) Vertikalvereinbarung. Die VO Nr. 330/2010 bezieht sich nur auf vertikale Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen. Die Unternehmen müssen sonach auf verschiedenen Wirtschaftsstufen und nicht miteinander im Wettbewerb stehen. Dies verdeutlichen sowohl der Titel der Gruppenfreistellungsverordnung als auch der Text (Art. 2 Abs. 1 und 4 VO Nr. 330/2010) sowie die Erwägungsgründe und die ErmächtigungsVO Nr. 1215/1999.2367) 2.

Wettbewerbsverbot

2.1890 a) Grundsatz. Bezugsverpflichtungen sind innerhalb des Anwendungsbereichs der VO Nr. 330/2010 als „Wettbewerbsverbote“ entsprechend der weiteren ___________ 2362) ABl EU Nr. L 102/1 v. 23.4.2010. Zu den vorhergehenden Gruppenfreistellungsverordnungen vgl. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1861 – 2.1865, 2.1866 – 2.1873 sowie 2.1874, jeweils m. w. N. 2363) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968, zur VO Nr. 1984/ 83; Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 76. 2364) Zu Einzelheiten wird verwiesen auf Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 1862 – 1882 m. w. N. 2365) Siehe oben § 10 V 6 m. w. N. 2366) Erwägungsgrund Nr. 10 der VO Nr. 1/2003. 2367) Immenga/Mestmäcker-Veelken, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Vertikal-VO Rz. 8.

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IX. Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

Definition des Art. 1 d VO Nr. 330/2010 freigestellt, nach Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 aber nur für einen Maximalzeitraum von fünf Jahren (Laufzeit). b) Einzelfragen. Ausschließliche Bezugsverpflichtungen zu Lasten des Ab- 2.1891 nehmers sind grundsätzlich Wettbewerbsverbote. Sie hindern den Abnehmer daran, konkurrierende Waren von Dritten zu beziehen.2368) Ein mittelbares Wettbewerbsverbot kann insbesondere vorliegen, wenn dem Abnehmer ein Darlehen oder andere Vorteile eingeräumt werden, und diese Vorteile gekündigt werden können, wenn der Abnehmer Wettbewerbstätigkeiten entfaltet. Entsprechendes gilt bei Überschreitung des nach Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 zugelassenen Fünfjahreszeitraums.2369) Die schwierige Abgrenzungsfrage, in welchem Umfang nicht ausschließliche, 2.1892 aber doch quantitativ erhebliche Bezugsverpflichtungen zulässig sind, löst die Definition dadurch, dass nur Bezugsverpflichtungen von mehr als 80 % vom Wettbewerbsverbot erfasst werden (Ziff. 66 Satz 1 Vertikalleitlinien 2010). Das wird so präzisiert, dass alle unmittelbaren oder mittelbaren Verpflichtungen des Abnehmers, mehr als 80 % seiner auf der Grundlage des Einkaufswertes (Beschaffungswertes) des vorherigen Kalenderjahres berechneten gesamten Einkäufe von Vertragswaren sowie deren Substitute vom Anbieter (hier Brauerei, Getränkefachgroßhändler) oder von einem von ihm bezeichneten Unternehmen (andere Brauerei; Getränkefachgroßhändler, insbesondere im Vertriebsmodell 2) zu beziehen, als Wettbewerbsverbot qualifiziert werden. Liegen bei Abschluss der Vereinbarung keine Einkaufsdaten des Käufers für das Vorjahr vor, kann der Jahresbedarf geschätzt werden (Ziff. 6 Vertikalleitlinien 2010). In Umkehrung des Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 330/2010 bedeutet das, dass es zulässig ist, wenn einem Abnehmer auferlegt wird, z. B. 75 % seines Bedarfes an Waren vom Anbieter oder einem von ihm benannten Unternehmen zu beziehen. In diesem Umfang sind auch Bezugsverpflichtungen zugunsten Dritter möglich.2370) Sind an der vertikalen Vereinbarung mehr als zwei Unternehmen beteiligt, hindert dies die Freistellung nach dem klaren Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 nicht. 3.

Persönlicher Geltungsbereich

a) Nichtwettbewerber. Im Hinblick auf den Abschluss von Getränkelieferungs- 2.1893 verträgen sind die Regelungen über vertikale Vereinbarungen zwischen Nichtwettbewerbern von besonderer Bedeutung (Gegenschluss aus Art. 2 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 330/2010).

___________ 2368) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 1 VO 330/2010 Rz. 27. 2369) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 1 VO 330/2010 Rz. 26. 2370) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 1 VO 330/2010 Rz. 27.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

2.1894 b) Wettbewerber. Grundsätzlich ist die VO Nr. 330/2010 als Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung auf Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern i. S. d. Art. 1c VO Nr. 330/2010 nicht anzuwenden. Vertikale Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern sind ausdrücklich von der Freistellung ausgeschlossen (Art. 2 Abs. 4 Satz 1 VO Nr. 330/2010, Ziff. 27 Satz 1, 147 Vertikalleitlinien 2010). Ein solcher Fall dürfte u. a. bei einer Vereinbarung zwischen Brauereien vorliegen, wobei die eine Brauerei als Produzent von Bier, die andere als Händler dieses Bieres auftritt. Gleiches könnte im Verhältnis zwischen Getränkefachgroßhändlern (unterschiedlicher Größe) oder zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern praktisch werden. Dann ist ggf. Art. 2 Abs. 4 Satz 2 a VO Nr. 330/2010 (Ziff. 28 Vertikalleitlinien 2010) zu beachten. Danach gilt die Freistellung gleichwohl, wenn Wettbewerber eine nicht gegenseitige vertikale Vereinbarung treffen und der Anbieter zugleich Hersteller und Händler von Waren ist, der Abnehmer dagegen Händler, jedoch kein Wettbewerber auf der Herstellungsebene. 2.1895 c) Verbundene Unternehmen. Arbeiten Getränkehersteller untereinander oder Getränkehersteller mit Getränkefachgroßhändlern beim Absatz von Getränken an Endverbraucher zusammen, so ist europakartellrechtlich insbesondere an folgende Regelungen zu denken: Art. 1 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 definiert den Begriff der „vertikalen Vereinbarung“. Ob ein „verbundenes Unternehmen“ vorliegt, ist gemäß den Fallgruppen des Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 330/2010 zu beurteilen. Von besonderer Bedeutung kann Ziff. 95 der Vertikalleitlinien 2010 sein. Ist danach der Hersteller eines Endprodukts zugleich als Händler auf dem Markt tätig (zweigleisiger Vertrieb), so müssen bei der Marktabgrenzung und der Berechnung des Marktanteils die Waren mit einbezogen werden, die der Hersteller über vertikal integrierte Händler, etwa konzerneigene Vertriebsgesellschaften des Lieferanten, verkauft (siehe Art. 7 c VO Nr. 330/2010). „Integrierte Händler“ sind verbundene Unternehmen i. S. d. Art. 1 Abs. 2 VO Nr. 330/ 2010. Für die Abgrenzung des Marktes und die Berechnung der Marktanteile ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der integrierte Händler auch Produkte von Wettbewerbern verkauft (Fn. 1 zu Ziff. 95 Vertikalleitlinien 2010). 4.

Sachlich relevanter Markt2371)

2.1896 Die Kommission lehnt eine Substituierbarkeit von Bier und alkoholfreien Getränken ebenso wie der Gerichtshof in der Sache „Delimitis ./. Henningerbräu“ ab (Ziff. 89 Satz 1 Vertikalleitlinien 2010).2372) Konsequenterweise muss dann der ___________ 2371) Zum räumlich relevanten Markt siehe Ziff. 91 Vertikalleitlinien 2010. Danach kann dieser das Gebiet eines oder mehrerer EU-Mitgliedstaaten umfassen oder auch bestimmte Regionen innerhalb eines Mitgliedstaates oder über die Grenzen mehrerer Mitgliedstaaten hinweg gehen sowie letztlich auch das Gebiet der gesamten EU umfassen. 2372) A. A. Bühler, Getränkelieferungsverträge, S. 166 m. w. N.; ebenso BGH, Urt. v. 16.11.2000 – I ZR 34/98, NJW-RR 2001, 827 zur – bejahten – Warenähnlichkeit von Wein und Mineralwasser i. S. d. § 14 Abs. 2 MarkenG.

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IX. Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

Marktanteil für jedes Produkt getrennt ermittelt werden. Handelt es sich um eine gemischte Bezugsbindung (in einem Getränkelieferungsvertrag), die sowohl Bier als auch alkoholfreie Getränke erfasst, so kann dies zu einer unterschiedlichen rechtlichen Beurteilung führen. 5.

Marktanteil

a) Berechnung. Die Kommission geht von Art. 3 Abs. VO Nr. 330/2010 aus 2.1897 und prüft in vier Schritten: x

(1) Ermittlung des Marktanteils: Überschreitet der Anteil am relevanten Markt nicht die 30 %-Schwelle, so fällt die betreffende vertikale Vereinbarung unter die VO Nr. 330/2010,

x

soweit sie (2) keine Kernbeschränkung nach Art. 4 VO Nr. 330/2010 enthält.

x

(3) Beträgt der Anteil am relevanten Markt mehr als 30 %, so kommt es auf die Vereinbarkeit der zu prüfenden Regelung mit Art. 101 Abs. 1 AEUV an.

x

(4) Verstößt die Regelung gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV, so ist zu prüfen, ob die allgemeinen Freistellungsvoraussetzungen der Art. 101 Abs. 3 AEUV vorliegen.

Die realistische Beurteilung der Wettbewerbsquellen und des daraus folgenden 2.1898 Wettbewerbsdrucks erfordert eine umfassende Würdigung aller Auswirkungen, die die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung auf die Parameter des Wettbewerbs ausübt.2373) Das Erreichen und Überschreiten der Marktanteilsschwellen bedeutet nicht automatisch, dass die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung gegeben ist (Ziff. I 3 Satz 3 Bagatellbekanntmachung 2014). Vielmehr muss in diesen Fällen aufgrund der konkreten Marktauswirkungen geprüft werden, ob sich die Wettbewerbsbeschränkung ausnahmsweise doch nicht spürbar auswirkt. b) Schwellenwerte. Bei einem Marktanteil von bis zu 10 % sowohl auf Anbie- 2.1899 ter- als auch auf Abnehmerseite (Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 330/2010; Ziff. 23 Satz 2, 87 Satz 1, 110 b Vertikalleitlinien 2010) bedarf es keiner (Gruppen-)Freistellung. Bei Marktanteilen von mehr als 10 % bis einschließlich 30 % sind die Inhaltsschranken der VO Nr. 330/2010 zu beachten. Für Verträge von Unternehmen über der 30 %-Marktanteilsschwelle bedarf es einer Einzelfreistellung. Einzelheiten zu den Berechnungsmodalitäten des Marktanteils enthalten Art. 7 VO Nr. 330/2010 sowie die Ziff. 93 – 95 Vertikalleitlinien 2010. Für Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen ist es in der Regel nicht notwendig, Marktanteile zu berechnen (Ziff. 87 Satz 2 Vertikalleitlinien 2014). c) Parallelvereinbarungen. aa) Die Kommission hat mit Rücksicht auf die gro- 2.1900 ßen Beweisprobleme, die der Delimitis-Test notwendigerweise mit sich bringt, ___________ 2373) Ziff. 108 Leitlinien zur Anwendung von Art. 101 Abs. 3 AEUV.

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§ 27 Europäisches Kartellrecht

den Versuch unternommen, die maßgeblichen Kriterien weiter zu quantifizieren. Maßgebend sind zum einen Ziff. 131 ff., 128, 179 Vertikalleitlinien 2010, zum anderen Ziff. II 10 der Bagatellbekanntmachung 2014. 2.1901 bb) Aus den Vertikalleitlinien 2010 ergibt sich, dass die Kommission bei vertikalen Vereinbarungen weiter zwischen Verträgen mit einer Laufzeit von weniger als einem Jahr, von ein bis fünf Jahren und von mehr als fünf Jahren sowie nach dem Marktanteil der Anbieter differenzieren will (Ziff. 131, 133, 179 Vertikalleitlinien 2010). Bedeutsam könnte in diesem Zusammenhang die Ziff. 135 der Vertikalleitlinien 2010 sein.2374) 2.1902 cc) Zur Bagatellbekanntmachung 2014 kann auf die vorherigen Ausführungen verwiesen werden.2375) 6.

Kernbeschränkungen

2.1903 a) Gefahr. Enthält die Vereinbarung eine sog. schwarze Klausel (Art. 4 VO Nr. 330/2010), so scheidet eine Freistellung aus (Ziff. 47 Satz 1 Vertikalleitlinien 2010). Liegt ein Fall des Art. 4 VO Nr. 330/2010 vor, ohne dass eine der Unterausnahmen zum Tragen kommt, so entfällt die Freistellung für alle Wettbewerbsbeschränkungen der betroffenen Vereinbarung, und zwar auch für solche, die an sich freigestellt wären. Abweichend von Art. 101 Abs. 1 AEUV reicht damit ein bloßes „Bewirken“ für eine Kernbeschränkung nicht aus. Die in lit. a) – e) angeführten Beschränkungen haben nach Einschätzung des Verordnungsgebers keine positiven Wirkungen i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV und sind daher von dem Vorteil der Gruppenfreistellung auszuschließen (Erwägungsgrund 10). Gemeinhin spricht man von schwarzen Klauseln. Ist in einer vertikalen Vereinbarung eine Kernbeschränkung enthalten, so gilt die Freistellung des Art. 2 VO Nr. 330/2010 für den gesamten Vertrag nicht (Ziff. 10 b, 70 Vertikalleitlinien 2010, sog. Alles-oder-nichts-Prinzip). Nach Ziff. II 13 Satz 3 Bagatellbekanntmachung 2014 ist bei Kernbeschränkungen ausdrücklich keine Ausnahme von einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung im Hinblick auf die in der Bekanntmachung dargestellten Marktanteilsschwellen vorgesehen.2376) 2.1904 b) Schwarze Klauseln. Zu den schwarzen Klauseln gehören sämtliche direkten oder indirekten Fest- oder Mindestpreisbindungen zu Lasten des Abnehmers (Art. 4 a VO Nr. 330/2010; Ziff. 48 Vertikalleitlinien 2010). Sowohl gebiets- als auch kundenbezogene Verkaufsbeschränkungen sind grundsätzlich unzulässig (Art. 4 b VO Nr. 330/2010; Ziff. 50, 51 Vertikalleitlinien 2010). Nur bei Vorliegen eines eng umrissenen Ausnahmetatbestandes nach Art. 4 b VO Nr. 330/2010 werden diese Vereinbarungen nicht als schwarze Klauseln angesehen (Ziff. 51 ___________ 2374) Eingehend siehe oben § 27 VIII 4 g m. w. N. 2375) Siehe oben § 27 VIII 5 c m. w. N. 2376) Ziff. 10 Vertikalleitlinien 2010.

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IX. Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

Satz 1 Vertikalleitlinien 2010). Nach der ersten Ausnahme (Art. 4 b i VO Nr. 330/2010; Ziff. 51 Satz 2 Vertikalleitlinien 2010) ist das Verbot des aktiven Verkaufs außerhalb eines zugewiesenen Vertragsgebietes grundsätzlich möglich, jedoch nur bezogen auf Gebiete, die anderen Händlern exklusiv zugewiesen oder die sich der Lieferant selbst vorbehalten hat. Die zweite Ausnahme gilt entsprechend für Kundengruppenschutzklauseln. Diese stellen keine schwarzen Klauseln dar, soweit hierdurch nur der aktive Verkauf an Kundengruppen untersagt wird, die sich der Lieferant reserviert bzw. anderen exklusiven Abnehmern zugewiesen hat. Beschränkungen des Passivverkaufs sind hingegen immer unzulässig. Nicht als schwarze Klausel wird die dem Großhandel auferlegte Verpflichtung an- 2.1905 gesehen, nicht direkt an Endverbraucher zu liefern (Art. 4 b ii VO Nr. 330/2010). Das Gleiche gilt für das Verbot der Belieferung nicht autorisierter Händler (Außenseiter) im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems (Art. 4 b iii VO Nr. 330/2010, Ziff. 55 Satz 4 Vertikalleitlinien 2010). Anders als bei Getränkelieferungsverträgen fehlt für Kernbeschränkungen eine 2.1906 positive Aussage der Kommission im Hinblick auf eine unbedenkliche Marktanteilsschwelle. Im Hinblick auf den Charakter der Vorschriften als Ausnahmeregelungen erscheint eine enge Auslegung geboten. 7.

Wettbewerbsverbote im Übrigen

Art. 5 VO Nr. 330/2010 regelt Wettbewerbsverbote im Übrigen. Die hiernach 2.1907 nicht freigestellten Beschränkungen sind jedoch vom Rest der Vereinbarung abtrennbar und führen nicht zum Verlust der Freistellung für die gesamte Vereinbarung (Prinzip der „Abtrennbarkeit“) (Ziff. 71 Vertikalleitlinien 2010). 8.

Laufzeit

a) Grundlagen. Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 statuiert eine Laufzeitgrenze 2.1908 von fünf Jahren. Wettbewerbsverbote, die für fünf Jahre oder einen kürzeren Zeitraum vereinbart werden, sind damit freigestellt, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Abnehmer daran gehindert wird, das Wettbewerbsverbot nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums tatsächlich zu beenden (Ziff. 66 Vertikalleitlinien 2010). Hintergrund auch der geltenden Laufzeitgrenze ist die oligopolistische Marktsituation in Großbritannien. Angesichts der in Deutschland zu findenden ganz anderen Marktsituation und der erheblichen vertragsspezifischen Investitionen der Getränkelieferanten erheben sich gegen die Laufzeitschranke von fünf Jahren keine Bedenken. b) Eigen- und Pachtobjekte. Die Laufzeitgrenze von fünf Jahren gilt aller- 2.1909 dings dann nicht, wenn beispielsweise Bier und andere Getränke in einer Absatzstätte verkauft werden, die einer Brauerei oder einem Getränkefachgroßhändler gehören oder die über einen langjährigen Miet- oder Pachtvertrag an diese

579

§ 27 Europäisches Kartellrecht

gebunden ist (Art. 5 Abs. 2 VO Nr. 330/2010, Ziff. 67 Vertikalleitlinien 2010). Dann ist die Bezugsbindung mit dem Gastwirt maximal auf die Dauer möglich, während derer die Absatzstätte betrieben wird. Benannter Grund für diese Privilegierung sei, dass von einem Lieferanten normalerweise nicht erwartet werden könne, dass er den Verkauf konkurrierender Produkte in den Räumlichkeiten und auf den Grundstücken, die sein Eigentum sind, ohne seine Erlaubnis zulasse. Dies verwundert insofern ein wenig, als die eigentumsrechtliche Lage im Allgemeinen wettbewerblich irrelevant ist. Daher formuliert die Kommission auch sogleich einen Vorbehalt, wonach „künstliche Konstruktionen“ in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse von der Ausnahme nicht erfasst würden. Zutreffender dürfte als Schutzgrund die nicht unerheblichen und langfristigen Investitionen des Lieferanten zu nennen sein. 2.1910 c) Umfang des Wettbewerbsverbotes. Wie sich aus Ziff. 66 Sätze 1 – 4 Vertikalleitlinien 2010 ergibt, fallen Wettbewerbsverbote, die nicht mehr als 80 % der Vertragswaren erfassen, nicht unter die Gruppenfreistellungsverordnung.2377) Insofern sind also unbestimmte Laufzeiten oder Laufzeiten von mehr als fünf Jahren möglich. 2.1911 d) Verlängerungsklauseln. Wettbewerbsverbote, die über einen Zeitraum von fünf Jahren hinaus stillschweigend verlängert werden können, sind unzulässig (Art. 5 Abs. 1 UA 2 VO Nr. 330/2010, Ziff. 66 Satz 6 Vertikalleitlinien 2010). Eine stillschweigende Verlängerung liegt auch vor, wenn eine Erklärung einer der Vertragspartner für die Beendigung erforderlich ist. Sogenannte „Evergreen-Klauseln“ sind daher nicht freigestellt.2378) Die Fünf-Jahres-Grenze dürfte insgesamt dann nicht anwendbar sein, wenn der Vertrag zwar für die ersten fünf Jahre eine gesamtumfängliche Bezugsverpflichtung vorsieht, dem Gebundenen aber ab dem sechsten Vertragsjahr die Möglichkeit eingeräumt wird, zumindest 20 % seiner Vertragsware von einem Dritten zu beziehen. Diese Reduktion des Bindungsumfangs muss allerdings bereits anfänglich vertraglich vereinbart sein; ein Änderungsvertrag oder ein Nachtrag dürfte nicht genügen. 2.1912 Nicht von der Freistellung erfasst ist die Einräumung von einseitigen Verlängerungsoptionen. Eine reine Verhandlungspflicht dürfte hingegen zulässig sein.2379) 2.1913 e) Einvernehmliche Verlängerung. Den Vertragspartnern ist eine ausdrückliche Verlängerung des Wettbewerbsverbotes freigestellt. Allerdings dürfen keine Gründe vorliegen, welche den Käufer daran hindern, seine Zustimmung zu verweigern. Hierzu finden sich in den Vertikalleitlinien 2010 ausdrückliche benannte Gründe, die als unzulässig angesehen werden. Gemäß Ziff. 66 Satz 7 Vertikalleitlinien 2010 soll die Tilgung des Darlehens durch den Abnehmer diesen ___________ 2377) Siehe oben § 27 IX 2 b m. w. N. 2378) EuG, Urt. v. 8.6.1995 – Rs. T-7/93, Slg. 1995 II 1533 – Langnese-Iglo. 2379) Polley/Seeliger, WRP 2000, 1203.

580

IX. Gruppenfreistellung nach der VO Nr. 330/2010

nicht daran hindern, das Wettbewerbsverbot nach Ablauf von fünf Jahren effektiv beenden zu können, etwa durch steigende Darlehensraten oder einen erhöhten Zinssatz. Nach Ziff. 66 Satz 8 Vertikalleitlinien 2010 soll ein Abnehmer die Möglichkeit haben, Ausrüstungen, die er vom Anbieter erhalten hat und die nicht vertragsspezifisch sind, nach dem Ende des Wettbewerbsverbots zum Marktwert zu übernehmen. f) Umgehung. Ziff. 67 Satz 5 Vertikalleitlinien 2010 weist ausdrücklich darauf 2.1914 hin, dass „künstliche Konstruktionen“ nicht helfen. Sie können z. B. vorliegen, wenn Unterpachtverhältnisse mit Dritten, aber am Wettbewerbsverbot interessierten Personen allein zu dem Zweck begründet werden, ein länger laufendes Wettbewerbsverbot formal zu legitimieren.2380) Auch die zeitlich begrenzte Übertragung von Eigentumsrechten an Räumlichkeiten und Grundstücken des Händlers an den Anbieter, mit der die Fünf-Jahres-Frist umgangen werden soll, fällt nicht unter die Ausnahmebestimmung. g) Geltungserhaltende Reduktion. Eine „geltungserhaltene Reduktion“ eines 2.1915 für mehr als fünf Jahre vereinbarten Wettbewerbsverbots auf die Dauer von fünf Jahren ist nach der Systematik des Art. 5 VO Nr. 330/2010 nicht möglich. 9.

Verbindlichkeit

Die nationalen Gerichte dürfen die Tragweite der Freistellungsverordnungen 2.1916 nicht ändern. Die Kommission teilt mit ihnen zwar die Befugnis zur Anwendung der Art. 101 Abs. 1, 102 AEUV, ist aber zum Erlass von Entscheidungen gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV ausschließlich befugt. Die Ausdehnung des Geltungsbereiches der Freistellungsverordnungen auf Vereinbarungen, die nicht darunter fallen, wäre daher ein Eingriff in die Rechtsetzungsbefugnis der Kommission. Eine Bindung der Zivilgerichte tritt gleichwohl ein, wenn eine „Entscheidung 2.1917 der Kommission“ vorliegt (Art. 16 Abs. 1 VO Nr. 1/2003, § 33 Abs. 4 GWB).2381) 10.

Rechtsfolgen fehlender Gruppenfreistellung

Der Wegfall der Freistellung nach Art. 4 VO Nr. 330/2010 insgesamt bedeutet 2.1918 nicht automatisch die Unwirksamkeit des ganzen Vertrages. Vielmehr wirkt sich der Wegfall der Freistellung unmittelbar nur auf die Teile des Vertrages aus, die, weil wettbewerbsbeschränkend und den zwischenstaatlichen Handel berührend, gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstoßen und weder durch die Gruppenfreistellung noch – was gesondert festgestellt werden muss – unmittelbar nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt sind. Sie sind nach Art. 101 Abs. 2 AEUV ___________ 2380) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 5 VO 330/2010 Rz. 10. 2381) Immenga/Mestmäcker-Schmidt, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rz. 11.

581

§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

unwirksam. Ob der Vertrag auch im Übrigen, soweit er nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt, unwirksam ist, richtet sich nach nationalem Recht.2382) X.

Einzelfreistellung

1.

Praktische Bedeutung

2.1919 Angesichts der freien Zugänglichkeit des Biermarktes in Deutschland bei hoher Wettbewerbsintensität dürfte der Kartelltatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV auch weiterhin kaum praktische Bedeutung erlangen. 2.

Freistellungsentscheidungen

2.1920 Anders ist dies in zahlreichen europäischen Biermärkten, wie etwa in Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Frankreich. Insofern ergab sich bereits die Notwendigkeit, Einzelfreistellungen (Art. 101 Abs. 3 AEUV) zu erlangen. Die Entscheidungspraxis der Kommission, die sich Ende der 90er Jahre insbesondere mit der kartellrechtlichen Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen britischer Brauereien befasst hatte, folgt den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen.2383) § 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts I.

Verhältnis GWB-AEUV

1.

Vorrang des EU-Kartellrechts

2.1921 a) Art. 101 AEUV. aa) Grundsatz. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 verpflichtet die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte, neben dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht auch die Art. 101 und 102 AEUV anzuwenden, wenn deren Voraussetzungen – Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels – vorliegen (sog. Dezentralisierung der Kartellrechtsanwendung). 2.1922 bb) Konsequenzen. Sonach kann eine Vereinbarung aufgrund nationalen Rechts nur noch dann verboten werden, wenn sie auch nach Art. 101 AEUV verboten ist. Nur soweit wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen bzw. der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht den zwischenstaatlichen Handel beeinflussen bzw. ein Unternehmenszusammen___________ 2382) Immenga/Mestmäcker-Schmidt, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rz. 23. 2383) 28. Wettbewerbsbericht 1998, S. 184 f – Greene King/Roberts; Kommission, Entsch. v. 24.2.1999 – IV/35.079/F3, Whitebread, ABl EG Nr. L 88/26 ff. v. 31.3.1999, Kommission, Entsch. v. 16.6.1999 – IV/36.081/F3, Bass, ABl EG Nr. L 186/1 ff. v. 19.7.1999; Kommission, Entsch. v. 16.6.1999, ABl EG Nr. L 186/28, 41 ff. – Scottish and Newcastle; Kommission, Entsch. v. 29.6.2000 – IV/36.456/F3 – Interpreneur, und – IV/36.492/F3 – Spring – Spring, ABl EG Nr. L 195/49, 55 f., WuW 2000, 1152 ff.; Kommission, Entsch. v. 5.12.2001, ABl 2002 EG Nr. L 253/21 – Luxemburgische Brauereien.

582

§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

unwirksam. Ob der Vertrag auch im Übrigen, soweit er nicht gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstößt, unwirksam ist, richtet sich nach nationalem Recht.2382) X.

Einzelfreistellung

1.

Praktische Bedeutung

2.1919 Angesichts der freien Zugänglichkeit des Biermarktes in Deutschland bei hoher Wettbewerbsintensität dürfte der Kartelltatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV auch weiterhin kaum praktische Bedeutung erlangen. 2.

Freistellungsentscheidungen

2.1920 Anders ist dies in zahlreichen europäischen Biermärkten, wie etwa in Großbritannien, Irland, den Niederlanden und Frankreich. Insofern ergab sich bereits die Notwendigkeit, Einzelfreistellungen (Art. 101 Abs. 3 AEUV) zu erlangen. Die Entscheidungspraxis der Kommission, die sich Ende der 90er Jahre insbesondere mit der kartellrechtlichen Beurteilung von Getränkelieferungsverträgen britischer Brauereien befasst hatte, folgt den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen.2383) § 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts I.

Verhältnis GWB-AEUV

1.

Vorrang des EU-Kartellrechts

2.1921 a) Art. 101 AEUV. aa) Grundsatz. Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 verpflichtet die nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichte, neben dem einzelstaatlichen Wettbewerbsrecht auch die Art. 101 und 102 AEUV anzuwenden, wenn deren Voraussetzungen – Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels – vorliegen (sog. Dezentralisierung der Kartellrechtsanwendung). 2.1922 bb) Konsequenzen. Sonach kann eine Vereinbarung aufgrund nationalen Rechts nur noch dann verboten werden, wenn sie auch nach Art. 101 AEUV verboten ist. Nur soweit wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen bzw. der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht den zwischenstaatlichen Handel beeinflussen bzw. ein Unternehmenszusammen___________ 2382) Immenga/Mestmäcker-Schmidt, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 2 AEUV Rz. 23. 2383) 28. Wettbewerbsbericht 1998, S. 184 f – Greene King/Roberts; Kommission, Entsch. v. 24.2.1999 – IV/35.079/F3, Whitebread, ABl EG Nr. L 88/26 ff. v. 31.3.1999, Kommission, Entsch. v. 16.6.1999 – IV/36.081/F3, Bass, ABl EG Nr. L 186/1 ff. v. 19.7.1999; Kommission, Entsch. v. 16.6.1999, ABl EG Nr. L 186/28, 41 ff. – Scottish and Newcastle; Kommission, Entsch. v. 29.6.2000 – IV/36.456/F3 – Interpreneur, und – IV/36.492/F3 – Spring – Spring, ABl EG Nr. L 195/49, 55 f., WuW 2000, 1152 ff.; Kommission, Entsch. v. 5.12.2001, ABl 2002 EG Nr. L 253/21 – Luxemburgische Brauereien.

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I. Verhältnis GWB-AEUV

schluss sich außerhalb der jeweiligen Umsatzkriterien befindet, bleibt Regelungsspielraum für nationales Recht. Art. 3 VO Nr. 1/2003 und § 22 GWB sind dann nicht anwendbar. Es würde keinen Sinn machen und den Intentionen des Gesetzgebers klar widersprechen, wenn man das Erfordernis der identischen Anwendung und Auslegung der §§ 1, 2 GWB mit Art. 101 AEUV nur gelten ließe in den Fällen, in denen Art. 101 AEUV wegen Berührung des zwischenstaatlichen Handels konkret parallel anwendbar ist. Vielmehr gilt das Erfordernis auch für die Fälle unterhalb der Zwischenstaatlichkeit und damit unabhängig von einer parallelen Anwendbarkeit des Art. 101 AEUV. cc) Ausnahme. Umgekehrt können das nationale Recht und die nationalen 2.1923 Wettbewerbsbehörden und Gerichte eine Vereinbarung nicht unbeanstandet lassen, wenn sie gegen Art. 101 AEUV verstößt. Das Unionsrecht setzt sich also in jedem Fall durch. Soweit europäisches Recht eingreift, ist von dessen Anwendungsvorrang auszugehen. Dies ergibt sich auch aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 1/2003 bzw. § 22 Abs. 2 Satz 1 GWB. b) Art. 102 AEUV. Diese Verdrängungswirkung gilt nicht für den Missbrauch 2.1924 einer marktbeherrschenden Stellung. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO Nr. 1/2003 nimmt einseitige Handlungen von Unternehmen von der Vorrangwirkung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VO Nr. 1/2003 aus (deutsche Klausel, Erwägungsgrund 8). 2.

Kollisionsregelung des § 22 GWB

a) Grundlagen. Das Verhältnis des materiellen Rechts zum europäischen Wett- 2.1925 bewerbsrecht ist innerstaatlich in § 22 GWB, dem Spiegelbild zu Art. 3 VO Nr. 1/2003, geregelt. Aus § 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Sätze 1 und 2 GWB folgt die Verpflichtung zur parallelen Anwendung des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts (Prinzip der Doppelprüfung). b) Zwischenstaatliche Sachverhalte. Soweit die zur Bewertung stehenden Ver- 2.1926 haltensweisen geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel (spürbar) zu beeinträchtigen, fallen sie in den Anwendungsbereich des Art. 101 AEUV. Diese Sachverhalte müssen nicht notwendig grenzüberschreitend sein.2384) Ist europäisches Recht anwendbar, so besitzt dieses Vorrang (Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 2.1927 Satz 1 VO Nr. 1/2003, § 22 Abs. 1 Satz 2 GWB) (Vorrangprinzip). Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 GWB ist die Anwendung des GWB dann fakultativ. Die deutschen Kartellbehörden und Gerichte müssen aber, wenn sie das GWB anwenden, parallel dazu auch Art. 101 AEUV prüfen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 GWB und Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VO Nr. 1/2003). ___________ 2384) EuGH, Urt. v. 9.11.1983 – Rs 322/81, Slg. 1983, 3461 – Michelin; EuGH, Urt. v. 28.1.1986 – Rs 161/84, Slg. 1986 I 353 = NJW 1986, 1415 – Pronuptia; Kommission, ABl EG 1981 Nr. L 362 – Flachglas. Siehe oben § 27 II 8 c m. w. N.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

2.1928 Greift bei einer den zwischenstaatlichen Handel betreffenden Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise das Verbot des Art. 101 AEUV nicht ein, darf auch nationales Kartellrecht zumindest hierauf nicht angewandt werden. § 22 Abs. 2 GWB bekräftigt den Vorrang des Unionsrechts (Sperrwirkung). 3.

Gebot europarechtsfreundlicher Auslegung

2.1929 a) Einführung. Der Regierungsentwurf zur siebten GWB-Novelle hatte in § 23 GWB-E noch eine Verpflichtung der Kartellbehörden und Gerichte vorgesehen, bei der Anwendung des Kartellverbots und des Verbots des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts maßgeblich zugrunde zu legen. Dann wäre die Frage, ob den Bestimmungen des Unionsrechts ausnahmsweise2385) Bindungswirkung zukommt, eindeutig dahingehend zu beantworten, dass das nationale Recht eine Bindung vorschreibt.2386) Diese Frage ist auch nach der achten GWB-Novelle 2013 weiterhin von Interesse. 2.1930 b) Stellungnahme. Wird deutsches Kartellrecht parallel zu Art. 101, 102 AEUV angewendet, dürfte sich das Gebot einer europarechtsfreundlichen Auslegung nationalen Rechts unabhängig von dem Vorhandensein einer nationalens Regelung zunächst bereits aus dem primären Unionsrecht ergeben. Nationale Behörden und Gerichte sind auf Grund der Loyalitätspflicht (Grundsatz der Unionstreue) nach Art. 4 Abs. 3 EUV gehalten, die europäischen Standards einzuhalten.2387) 2.1931 Weiter konkretisiert § 22 Abs. 1 GWB ebenso wie auch Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 1/2003 den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, soweit sein Anwendungsbereich eröffnet ist. Beide Bestimmungen schreiben die europarechtsfreundliche Auslegung als Maxime der Beurteilung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen vor. § 23 GWB-E wurde im Vermittlungsverfahren zwar fallen gelassen. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs und dem Zweck der GWB-Novelle folgt aber, dass ein- und dieselbe Vorschrift des GWB nicht in unterschiedlicher Weise interpretiert und angewendet werden soll, je nachdem, ob der zu beurteilende Sachverhalt geeignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen oder nicht (Einheitlichkeit des deutschen Wettbewerbsrechts).2388) 2.1932 Um eine unterschiedliche Behandlung kleiner und mittlerer Unternehmen zu vermeiden und gleiche Bedingungen im Binnenmarkt zu schaffen, sind lokale ___________ 2385) Siehe oben § 27 VII 10 b aa m. w. N. 2386) EuGH, Urt. v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 – Expedia. 2387) Str., vgl. u. a. Immenga/Mestmäcker-Ellger, Wettbewerbsrecht, Art. 101 Abs. 3 AEUV, Rz. 73, 74. 2388) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 22, 32 („Gleichklang“) und 44.

584

I. Verhältnis GWB-AEUV

und regionale Sachverhalte nach der Gesetzesbegründung nicht anders zu behandeln als solche mit grenzüberschreitenden Auswirkungen.2389) Aber auch ohne die Vorschrift des § 23 GWB-E erscheint bei der Anwendung 2.1933 der §§ 1, 2 und 19 GWB jedenfalls eine weitgehende Berücksichtigung der Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts unter Einschluss der Entscheidungspraxis der europäischen Institutionen geboten und sachgerecht. Ausschlaggebend für die Streichung der Norm war nämlich eine Stellungnahme des Bundesrates, in der es heißt: „Dass das künftig eng an das europäische Recht angepasste Kartellgesetz im Lichte eben dieser europäischen Regeln auszulegen sein wird, ist eine methodische Selbstverständlichkeit“.2390) Ein Rückgriff auf die Materialien zur siebten GWB-Novelle macht deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber einen solchen Verweis für entbehrlich ansah. Im Rahmen der damals erfolgten Anpassung der §§ 1, 2 und 4 GWB äußerte er seine Rechtsauffassung, wonach „die Praxis der Kommission und die Rechtsauslegung durch die [europäische] Rechtsprechung ohnehin in die Auslegung der §§ 1, 2 und 4 GWB-E ein[fließe]“ und es „einer zusätzlichen ausdrücklichen Bindung der Rechtsanwender … deshalb nicht [bedarf]“.2391) Dass eine dynamische Anbindung an die Verwaltungspraxis der Kommission erfolgen kann, ohne dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf, entspricht auch der Rechtsprechung des BGH.2392) Im Übrigen entspricht es dem Grundanliegen der Novelle, eine „Synchronisie- 2.1934 rung“ des deutschen mit dem europäischen Wettbewerbsrecht zu gewährleisten.2393) Da die §§ 1, 2 GWB die Bestimmungen des Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV fast wörtlich übernehmen – in § 1 GWB fehlen nur die Regelbeispiele des Art. 101 Abs. 1 a – e AEUV –, sind für ihre materielle Auslegung die EU-rechtlichen Interpretationen zu Art. 101 Abs. 1 und 3 AEUV maßgeblich. c) Folgerungen. Hieraus ergibt sich die Verpflichtung des Rechtsanwenders zur 2.1935 EU-rechtskonformen Auslegung des GWB, zumindest der parallel ausgestalteten Regelungen, auch im nicht-zwischenstaatlichen Bereich. Auslegungsmaßstab sind in erster Linie die Art. 101, 102 AEUV im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Zu berücksichtigen sind daneben die Auslegung durch die Kommission, die sich vor allem in bestandskräftigen Beschlüssen (Art. 288 Abs. 4 AEUV) und damit konkret-individuellen Einzelfallentscheidungen, den Gruppenfreistellungsverordnungen (Art. 288 Abs. 2 AEUV) und den Stellungnahmen ___________ 2389) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 21; Lutz, WuW 2005, 719. 2390) BT-Drucks. 441/04, S. 5 f. 2391) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 74. 2392) BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 60/07, BGHZ 178, 285 = NJW-RR 2009, 264. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 74. 2393) Lutz, WuW 2005, 718. BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 60/07, BGHZ 178, 285 = NJW-RR 2009, 264.

585

§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

(Art. 288 Abs. 5 Fall 2 AEUV) wiederfindet.2394) Art. 2 VO Nr. 1/2003 legt dies ausdrücklich fest. II.

Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und abgestimmter Verhaltensweisen (§ 1 GWB)

1.

Nationaler Sachverhalt

2.1936 Bedeutung hat das deutsche Wettbewerbsrecht nur mehr bei Sachverhalten, die rein lokale oder regionale Auswirkungen haben und keine zwischenstaatliche Relevanz aufweisen. Für die Anwendung des § 1 GWB kommt es nicht auf die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels an. 2.

Grundsatz

2.1937 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen sind grundsätzlich verboten (§ 1 GWB). 3.

Schutzzweck und Systematik

2.1938 § 1 GWB verfolgt stärker den Gedanken des Schutzes des Vertragspartners. Während in § 1 GWB der Verbotstatbestand normiert ist, finden sich in §§ 2 und 3 GWB Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das Verbot des § 1 GWB ausnahmsweise im Wege einer Freistellung nicht gilt. 4.

Relevanter Markt

2.1939 Wie bislang ist im Vertikalbereich – anders möglicherweise bei horizontalen Bindungen – eine regionale Betrachtungsweise unzulässig. Daran hat sich nichts geändert. 5.

Vereinbarung

2.1940 Ein gem. § 873 Abs. 1 BGB geschlossener und notariell beurkundeter Vertrag über die Bestellung einer Dienstbarkeit stellt eine Vereinbarung i. S. v. § 1 GWB dar.2395) 6.

Unternehmensbegriff

2.1941 a) Grundlagen. Der Unternehmensbegriff des § 1 GWB entspricht dem des Art. 101 Abs. 1 AEUV. Daher kann auf die Ausführungen im Zusammenhang mit Art. 101 Abs. 1 AEUV verwiesen werden.2396) Der Unternehmensbegriff ___________ 2394) OLG München, Urt. v. 1.8.2002 – U (K) 5658/01, WuW/E DE-R 991; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2005 – VI-2 Kart 12/04 (V), WuW/E 2006 DE-R 1610 – Fliligranbetondecken. Siehe oben § 27 VIII m. w. N. 2395) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 2396) Siehe oben § 27 II 3 m. w. N.

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II. Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

des GWB ist unabhängig von dem anderer Gesetze, insbesondere von § 14 BGB, zu definieren.2397) Auch im Zusammenhang mit § 1 GWB vertritt die h. M. keinen institutionel- 2.1942 len, sondern einen funktionellen Unternehmensbegriff.2398) Danach ist jede Person und jeder Verband, der sich im geschäftlichen Verkehr, d. h. wirtschaftlich betätigt, als Unternehmen anzusehen. Hierzu rechnen auch Körperschaften des öffentlichen Rechts.2399) Entscheidend ist nicht, wer tätig ist, sondern die Art der Tätigkeit, nämlich die aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben. Diese Frage hat(te) insbesondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem kartellrechtlichen Schriftformerfordernis des § 34 GWB a. F. bei der Frage, ob ein Grundstückseigentümer als Unternehmer anzusehen ist.2400) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist der Unternehmensbegriff weit zu 2.1943 verstehen. Jede wirtschaftliche Tätigkeit genügt. Umfang, Nachhaltigkeit und Planmäßigkeit spielen bei der Begriffsbestimmung keine Rolle.2401) Auch EinPersonen-Unternehmen werden vom GWB erfasst.2402) Die Absicht der Gewinnerzielung ist kein für den Unternehmensbegriff 2.1944 wesentliches Merkmal, denn auch gemeinnützige Organisationen können als Marktteilnehmer auftreten und Wettbewerbsbeschränkungen bewirken.2403) Im Ergebnis lässt sich der Begriff des Unternehmens definieren als jede selbst- 2.1945 ständige und nicht lediglich dem privaten Verbrauch dienende Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr.2404) b) Private Personen. Bei der Abgrenzung zwischen privaten und gewerblichen 2.1946 Anbietern der gleichen Leistung kommt es für die Subsumtion unter dem Begriff des „Unternehmens“ nicht darauf an, dass die Privatpersonen regelmäßig tätig werden.2405) Es ist auch nicht erforderlich, dass die das „Unternehmen“ begründende Tätigkeit hauptberuflich betrieben wird.2406) Privatpersonen können allerdings durchaus als Unternehmen anzusehen sein, wenn sie Waren oder Leistungen anbieten. Denn in dieser Funktion geht der Schutz ihrer Hand___________ 2397) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 23. 2398) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 23. 2399) OLG München, Urt. v. 14.3.2013 – U 1891/12 Kart, BeckRS 2013, 07113. 2400) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. Siehe unten § 28 III 3 b und § 34 VII 1, jeweils m. w. N. 2401) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 34, 35. 2402) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 36. 2403) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 55. Vgl. zum Wettbewerbsrecht § 27 III 2 b und zu § 14 BGB § 5 I 1 d, jeweils m. w. N. 2404) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 37. 2405) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.1968 – U (Kart), WRP 1968, 335 = Zeller I, 115 (Gaststättenpachtvertrag). 2406) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 34.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

lungsfreiheit dem der Wettbewerbsfreiheit nicht vor.2407) Folge des funktionalen Unternehmerbegriffs ist, dass der private Verbrauch sowie die private Vermögensanlage – soweit sie nicht mittels gewerblicher Unternehmen erfolgen – aus dem Anwendungsbereich des GWB ausgeklammert sind.2408) 2.1947 c) Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, sonstige öffentlich-rechtliche Einrichtungen und staatliche Behörden sowie Beliehene können dagegen, soweit sie nicht rein hoheitlich handeln oder Waren zu sozialen Zwecken erwerben, als Unternehmen i. S. d. § 1 GWB angesehen werden.2409) Auch der Fiskus kann Unternehmen i. S. d. GWB sein, wenn er sich im Geschäftsverkehr betätigt. So etwa die Bundeswehrverwaltung (Wehrbereichsverwaltung), wenn sie eine Kantine vermietet oder verpachtet.2410) 7.

Wettbewerbsbeschränkung

2.1948 Nachdem durch die siebte GWB-Novelle § 1 GWB auf horizontale und vertikale Vereinbarungen von Unternehmen durch Streichung des bisher geltenden Tatbestandsmerkmals „miteinander im Wettbewerb stehenden“ gleichermaßen anwendbar ist, spielt die frühere Abgrenzung zwischen § 1 GWB und §§ 14 – 16 GWB a. F. keine Rolle mehr. 8.

Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung

2.1949 a) Für die Anwendung des § 1 GWB kommt es nicht auf die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels an, sodass nur die Grundsätze für die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung auf das deutsche Recht übertragbar sind.2411) 2.1950 Die Notwendigkeit der Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung ergibt sich aus einer teleologischen Auslegung. Da mit der Novellierung des GWB eine Anpassung an das europäische Wettbewerbsrecht beabsichtigt war, müssen die Vorschriften im Lichte des europäischen Rechts ausgelegt werden. Die Streichung des zunächst vorgesehenen § 23 GWB-E, der die europafreundliche Auslegung und Anwendung ausdrücklich festlegen sollte, im Vermittlungsausschuss im Bundesrat, hat daran nichts geändert.2412) Daher muss auch nach § 1 GWB i. V. m. Art. 101 Abs. 1 AEUV ebenso wie bisher tatsächlich festgestellt werden, ob der streitgegenständliche Getränkelieferungsvertrag eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. ___________ 2407) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 24, 33. 2408) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 24. 2409) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 26, 59, 63. 2410) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 60. 2411) Bechtold/Bosch, GWB (Kartellgesetz), § 1 Rz. 42. 2412) Lutz, WuW 2005, 718.

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II. Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

b) Grundsatz. Vertikale Ausschließlichkeitsbindungen bieten regelmäßig bei- 2.1951 den Vertragsparteien Vorteile; der Lieferant erhält eine Absatzgarantie und der Abnehmer einen Marktzugang unter günstigen Bedingungen und mit einer Bezugsgarantie. Vor diesem Hintergrund fallen Ausschließlichkeitsbindungen nicht per se, sondern nur dann unter das Kartellverbot, wenn sie (ggf. in Verbindung mit anderen gleichartigen Bindungen) zu einer erheblichen Marktabschottung führen.2413) c) Feststellung. aa) Gesamtwürdigung. Vertikalverträge mit langfristigen Be- 2.1952 zugsbindungen werden vom Kartellverbot erfasst, wenn sich aus der Gesamtheit aller auf dem relevanten Markt bestehenden gleichartigen Vereinbarungen und aus den übrigen wirtschaftlichen und rechtlichen Begleitumständen der fraglichen Verträge ergibt, dass diese in ihrer Gesamtheit geeignet sind, neuen Wettbewerbern den Zugang zu diesem Markt zu verschließen. Ist dies nicht der Fall, können die einzelnen Verträge, aus denen das Bündel der Vereinbarungen besteht, den Wettbewerb nicht i. S. v. § 1 GWB beschränken. Erweist sich hingegen, dass der Markt schwer zugänglich ist, so fallen die Verträge derjenigen Lieferanten, die nicht nur unerheblich zur Marktabschottung beitragen, unter das Kartellverbot.2414) bb) Maßstab. aaa) Zur Bedeutung der VO Nr. 330/2010 wird auf die Recht- 2.1953 sprechung verwiesen.2415) cc) Beitrag. Ob eine Bezugsbindung zu einer erheblichen marktabschottenden 2.1954 Wirkung führt und selbst in erheblichem Maß zu der Abschottungswirkung beiträgt, ist in aller Regel anhand einer näheren Analyse der Marktsituation unter Berücksichtigung der relativen Marktstellung des Lieferanten, des Händlers und der Wettbewerber, der Bindungsdauer, des Umfangs der Vereinbarung, einer etwaigen Gesamtmarktabdeckung, existierender Marktzutrittsschranken, der Marktreife und des Zusammenwirkens mit anderen wettbewerbsbeschränkenden Abreden im Vertrag zu beurteilen.2416) dd) Darlegung und Beweis. Nach allgemeinen Grundsätzen obliegt demjeni- 2.1955 gen, der sich auf § 1 GWB beruft, die Darlegungs- und Beweislast.2417) d) Bagatellbekanntmachung 2007. aa) Einführung. Mit der Bagatellbekannt- 2.1956 machung Nr. 18/2007 vom 13.3.20072418) hat das Bundeskartellamt ähnlich wie ___________ 2413) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 2414) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 2415) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 2416) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 2417) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312. 2418) Bundesanzeiger Nr. 61 v. 26.3.2007, S. 3342.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

die Kommission seine Einschätzung kundgetan, wann es Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich für unproblematisch hält. 2.1957 bb) Inhalt. Danach wird das Bundeskartellamt bei „nicht-horizontalen“ Vereinbarungen von der Einleitung eines Verfahrens regelmäßig absehen, wenn der „von jedem … beteiligten Unternehmen gehaltene Marktanteil auf keinem der betroffenen Märkte 15 % überschreitet“ (Rn. 9). Bei Zweifeln über die Zuordnung zum Bereich horizontaler oder nicht-horizontaler Vereinbarungen soll die 10 %-Schwelle gelten (Rn. 10). Besteht der Verdacht kumulativer Abschottungseffekte mehrerer nebeneinander existierender Vertragsnetze im Umfang von insgesamt wenigstens 30 % des betroffenen Marktes, ist die Marktanteilsschwelle für ein Eingreifen der Kartellbehörde auf 5 % abgesenkt (Rn. 11). Im Übrigen behält sich das Amt vor, in Ausnahmefällen schon unterhalb der genannten Schwelle einzugreifen. Ein solcher Ausnahmefall soll beispielsweise dann vorliegen, wenn von der Wettbewerbsbeschränkung zu erwarten ist, dass sich für Lieferanten oder Abnehmer die Austauschbedingungen auf dem Markt insgesamt verschlechtern werden (Rn. 12). Von der Wirkung der Bekanntmachung endgültig ausgenommen sind sog. Kernbeschränkungen. Hierunter versteht die Bekanntmachung horizontale oder nicht-horizontale Vereinbarungen, die unmittelbar oder mittelbar eine Festsetzung von Dritten gegenüber zu berechnenden Preisen oder Preisbestandteilen oder eine Beschränkung von Produkten, Bezug oder Absatz, insbesondere durch Aufteilung von Versorgungsquellen, Märkten oder Abnehmern, bezwecken oder bewirken (Rn. 13 – 15). 2.1958 cc) Aussagewert. Die Bagatellbekanntmachung soll den Unternehmen bei der notwendig gewordenen Selbsteinschätzung helfen. Sie bindet das Bundeskartellamt, nicht die Gerichte. 9.

Darlegung und Beweis

2.1959 a) Die Darlegungs- und Beweislast liegt gem. Art. 2 Satz 1 VO Nr. 1/2003 bei der Partei oder Behörde, die den Vorwurf einer Zuwiderhandlung gegen § 1 GWB erhebt.2419) 2.1960 Nach der Begründungserwägung 5 zur VO Nr. 1/2003 lässt deren Art. 2 die nationalen Rechtsvorschriften über das Beweismaß unberührt. Diese Formulierung legt es nahe, dass die VO Nr. 1/2003 insgesamt, insbesondere auch Art. 2, keinerlei Vorgaben für die mitgliedsstaatlichen Rechtsvorschriften über Beweiserhebung, Beweisführung, Beweismaß enthalten. Auch der Untersuchungsgrundsatz, der die mitgliedsstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden ___________ 2419) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2005 – VI-2 Kart 12/04 (V), WuW/E 2006 DE-R 1610 – Fliligranbetondecken; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.5.2017 – VI-U (Kart) 10/16, BeckRS 2017, 113312.

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II. Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

von Amts wegen zur Durchführung von Ermittlungen verpflichtet, bleibt danach in vollem Umfang unberührt.2420) b) Die Gerichte sind auch nicht gem. § 57 GWB gehalten, von Amts wegen auf 2.1961 eine Aufklärung über die Spürbarkeit einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels hinzuwirken. Dies insbesondere dann, wenn der Sachverhalt – wie häufig – völlig unaufgeklärt ist und nicht lediglich ergänzende Ermittlungen anzustellen sind. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, eine „erste Sachaufklärung“ durchzuführen oder diese durch geeignete Hinweise und Auflagen zu veranlassen.2421) 10.

Freistellung

a) § 2 Abs. 1 GWB enthält eine als Generalklausel formulierte Ausnahme vom 2.1962 Kartellverbot. Sie übernimmt die jeweils zwei positiven und negativen Freistellungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 3 AEUV und erstreckt sie auf die Fälle, in denen es an einer Eignung zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels fehlt.2422) Auch im Rahmen des § 2 Abs. 1 GWB kommt es nicht darauf an, ob die Ver- 2.1963 einbarung zwischenstaatliche Relevanz hat oder nicht. Zu prüfen sind die in § 2 Abs. 1 GWB genannten Freistellungsvoraussetzungen. Die Freistellungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 GWB müssen im Einzelnen nur geprüft werden, wenn eine Gruppenfreistellungsverordnung nicht anwendbar ist oder ihre Anwendbarkeit jedenfalls nicht zweifelsfrei feststeht. Die Prüfung der Generalklausel erübrigt sich somit, wenn die Bedingungen der nach § 2 Abs. 2 GWB entsprechend anwendbaren VO Nr. 330/2010 erfüllt sind. b) § 2 Abs. 2 Satz 1 GWB erweitert im Wege einer dynamischen Verweisung 2.1964 den – kraft Unionsrechts auf Vereinbarungen mit zwischenstaatlicher Relevanz begrenzten – Geltungsbereich der jeweils geltenden Gruppenfreistellungsverordnung auch auf Vereinbarungen ohne zwischenstaatliche Relevanz.2423) Konsequenz der unmittelbaren Geltung der Freistellungsnorm des § 2 Abs. 1 GWB und des dynamischen Verweises des § 2 Abs. 2 GWB ist, dass die Unternehmen selbst die kartellrechtliche Zulässigkeit der getroffenen Abreden beurteilen müssen. Zu prüfen ist also, ob es eine einschlägige Freistellungsverordnung gibt. Hier 2.1965 ist an die VO Nr. 330/2010 zu denken.2424) Hinweise zur Auslegung der entsprechend anzuwendenden VO Nr. 330/2010 lassen sich (ebenso wie zu § 2 ___________ 2420) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 2 VO 1/2003 Rz. 33. 2421) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.6.2005 – VI-2 Kart 12/04 (V), WuW/E 2006 DE-R 1610 – Fliligranbetondecken. 2422) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 24, 26, 44. 2423) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/3640, S. 25 und 44. 2424) Siehe unten § 28 III 2 m. w. N.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

Abs. 1 GWB) den einschlägigen Bekanntmachungen und Leitlinien der Kommission entnehmen. Bindungswirkung kommt ihnen allerdings nicht zu.2425) 2.1966 c) Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei dem Unternehmen. Das Vorliegen der vier Freistellungsvoraussetzungen wird vermutet,2426) wenn eine Gruppenfreistellungsverordnung auf die Vereinbarung anwendbar ist und deren Voraussetzungen erfüllt sind. 11.

Verfahrensfragen

2.1967 a) Aktuell haben die mitgliedstaatlichen Gerichte nach Art. 15 Abs. 4 VO Nr. 1/2003 die Möglichkeit, auf die besondere Expertise der Kommission bei der Anwendung und Durchsetzung des Art. 101 AEUV zurückzugreifen.2427) 2.1968 b) In jedem Fall bleiben die Gerichte befugt, den Gerichtshof mit der Bitte um eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV anzurufen. Dies stellt Art. 16 Abs. 1 Satz 4 VO Nr. 1/2003 ausdrücklich, jedoch nur deklaratorisch klar. Die Befugnis ergibt sich ohne weiteres aus dem Primärrecht.2428) 2.1969 Auch deutsche Gerichte sind bei der Anwendung einer Gruppenfreistellungsverordnung im Wege der Verweisung in § 2 Abs. 2 GWB bei nationalen Sachverhalten, die nach § 1 GWB zu beurteilen sind, zur Vorlage an den Gerichtshof berechtigt, wenn es um die Auslegung der Gruppenfreistellungsverordnung geht. Daraus dürfte sich auch bei rein nationalen Sachverhalten ohne zwischenstaatliche Relevanz jedenfalls eine faktische Bindung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung der Gruppenfreistellungsverordnungen ergeben.2429) 12.

Folgen eines Verstoßes

2.1970 a) Grundsatz. Als zivilrechtliche Folge eines Kartellrechtsverstoßes tritt die Unwirksamkeit der kartellrechtswidrigen Klausel (Bezugsbindung) ein (§ 134 BGB i. V. m. § 1 GWB). 2.1971 b) Salvatorische Klauseln verschieben lediglich die Darlegungs- und Beweislast für die Gesamtnichtigkeit des Vertrages zu Lasten desjenigen, der den Vertrag als Ganzes für unwirksam hält.2430) 2.1972 c) Geltungserhaltende Reduktion. aa) Einführung. Von der Frage der Teilnichtigkeit ist diejenige nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion zu unterscheiden. ___________ 2425) Bechtold/Bosch, GWB (Kartellgesetz), § 2 Rz. 3. 2426) So die Rechtslage im Unionsrecht, vgl. nur die Leitlinien der Kommission zu Art. 101 Abs. 3 AEUV, ABl 2004 Nr. C 101/97 Rz. 35. 2427) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 15 VO 1/2003 Rz. 15. 2428) Bechtold/Bosch/Brinker, EU-Kartellrecht, Art. 16 VO 1/2003 Rz. 10. 2429) EuGH, Urt. v. 14.12.2006 – C-217/05, Slg. I 2006, 12018 = NJW 2007, 3706 – CEPSA. 2430) BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347.

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II. Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

bb) Grundsatz. Grundsätzlich ist bei einem die kartellrechtlichen Grenzen über- 2.1973 schreitenden Wettbewerbsverbot eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich.2431) Grund dafür sei, dass das Gericht nicht rechtsgestaltend auf den Vertragsinhalt einwirken dürfe. cc) Ausnahme. Soweit dieser Sondergesichtspunkt der nachträglichen Kartell- 2.1974 rechtswidrigkeit nicht eingreift, kommt die Rechtsprechung mit Recht zu differenzierenden Ergebnissen. Der BGH hat bei der kartellrechtlichen Beurteilung eines Altvertrages über Stromlieferungen eine „möglichst schonende Anpassung“ befürwortet.2432) Ebenso hat er ein für einen unzulässigen Zeitraum vereinbarte Wettbewerbsverbot auf das zulässige Maß zurückgeführt.2433) Dies erscheint insofern gerechtfertigt, als die Kartellrechtswidrigkeit hier nur aus der langen Laufzeit, nicht aus dem übrigen Inhalt der Vereinbarung herrührte.2434) Darüber hinaus steht das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion der Umformulierung einer Regelung nicht im Wege, wenn die Umformulierung dazu dienen soll, dass der Vertrag seinen hauptsächlichen Leistungsinhalt behält.2435) Hier ist nicht zu entscheiden, ob eine kartellrechtswidrige Klausel andere Teile 2.1975 des Vertrages infiziert. Vielmehr ist eine Aussage darüber zu treffen, ob eine kartellrechtswidrige Vertragsbestimmung in quantitativer oder qualitativer Hinsicht so „reduziert“ werden kann, dass sie im Einklang mit dem Recht steht. Zu erinnern ist an § 306 Abs. 2 BGB, wonach unwirksame Klauseln durch die gesetzliche Regelung ersetzt werden. Diese Wertung des Zivilrechts, die sich auf die Tragweite AGB-rechtlicher Unwirksamkeitsgründe bezieht, muss im Kartellrecht zwar nicht notwendigerweise Beachtung finden. Freilich sprechen aber gute Gründe dafür, den leitenden Gesichtspunkt der bürgerlich-rechtlichen Regel auch bei der kartellrechtlichen Behandlung in Rechnung zu stellen: Es soll nicht dadurch ein Anreiz zur Verwendung unzulässiger Bestimmungen gesetzt werden, dass diese Bestimmungen im Fall ihrer Unzulässigkeit lediglich auf das höchst zulässige Maß reduziert werden. Hieraus folgt, dass eine geltungserhaltende Reduktion jedenfalls dort in Betracht zu ziehen ist, wo kartellrechtliche Wirksamkeitshindernisse bei Vertragsschluss noch nicht bestanden.2436) d) Fraglich ist, ob hinsichtlich der Abwicklung des Restvertrages die Grund- 2.1976 sätze der Rechtsprechung zu sittenwidrigen Bezugsbindungen (Rückführung) zum Tragen kommen.2437) ___________ 2431) BGH, Urt. v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751. 2432) BGH, Urt. v. 10.2.2004 – KZR 14/02, NJW-RR 2004, 839. 2433) BGH, Urt. v. 29.5.1984 – KZR 28/83, WuW/E BGH 2090. 2434) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 194. 2435) BGH, Urt. v. 7.12.2010 – KZR 71/08, NJW-RR 2011, 835. 2436) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 194. 2437) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

2.1977 e) Zwar ist im Hinblick auf den Schutzzweck des Kartellverbots der Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Berufung auf die Nichtigkeit grundsätzlich unbeachtlich.2438) 2.1978 Im Hinblick auf eine salvatorische Klausel kann der Getränkelieferant aber ggf. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) von der Gegenseite verlangen, dass diese an der Herstellung eines EU-rechtskonformen Zustandes mitwirkt.2439) III.

Einzelfragen

1.

Ausschließlichkeit

2.1979 Ausschließlichkeitsbindungen, die in Austauschverträgen über Waren vereinbart wurden oder die den Gegenstand von Rahmenvereinbarungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Austauschverträgen bilden, können – je nach ihrer konkreten Ausgestaltung – ausnahmsweise § 1 GWB unterfallen und damit ganz oder teilweise unwirksam sein.2440) Austauschverträge fielen allerdings dann nicht in den Anwendungsbereich des § 1 GWB, wenn für die in ihnen enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen bei wertender Betrachtungsweise im Hinblick auf die Freiheit des Wettbewerbs ein anzuerkennendes Interesse bestand. 2.

Laufzeit

2.1980 a) These. Gem. Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010 scheinen Getränkebezugsbindungen höchstens auf die Dauer von fünf Jahren freigestellt zu sein. Bei wörtlicher Auslegung des § 1 GWB könnte daher die These formuliert werden, Getränkelieferungsverträge seien nach deutschem Kartellrecht nicht mehr mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren rechtswirksam abzuschließen. 2.1981 b) Stellungnahme. Diesem Ansatz ist zu widersprechen. Hiergegen sprechen Anlass und Ziel der siebten GWB-Novelle, ausschließlich die Angleichung des deutschen Kartellrechts an die Fortentwicklung des europäischen Wettbewerbsrechts zu bewerkstelligen. Entsprechend dem Grundanliegen der siebten GWBNovelle die Regelungen des nationalen und europäischen Wettbewerbsrechts anzugleichen, müssen die aktuell geltenden Vorschriften des GWB, hier § 1 GWB, im Lichte des europäischen Rechts ausgelegt werden.2441) Ausweislich der Begründung der Novelle dürfen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die nicht nach Art. 101 AEUV verboten sind, auch nicht über eine (erweiternde) Interpretation § 1 GWB unterworfen und damit verboten werden. ___________ 2438) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2439) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E DE-R 968. 2440) BGH, Urt. v. 6. 5. 1997 – KZR 43/95, BeckRS 9998, 30149 (§ 16 GWB a. F.). 2441) Siehe oben § 28 I 3 b m. w. N.

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III. Einzelfragen

Daher ist an die zu Art. 101 Abs. 1 AEUV entwickelten Rechtsgrundsätze an- 2.1982 zuknüpfen. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Spürbarkeit sowohl der Wettbewerbsbeeinträchtigung als auch des Handels zwischen den Mitgliedstaaten festzustellen.2442) Die Nichtaufnahme des § 23 GWB-E des Regierungsentwurfs zur europafreund- 2.1983 lichen Auslegung im Vermittlungsausschuss auf Wunsch der Bundesländer führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung, sondern stützt diese Interpretation.2443) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof in der Rechtssache Delemitis ./. Hen- 2.1984 ningerbräu2444) und den verschiedenen aktuellen Verlautbarungen der Kommission2445) lässt sich bei genetischer, europasystematischer und teleologischer Interpretation nicht die These ableiten, Bezugsbindungen mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren verstießen gegen § 1 GWB. Dieses Ergebnis wird auch von der aktuellen Praxis bestätigt. Nach Inkrafttre- 2.1985 ten des GWB in der Fassung der siebten GWB-Novelle haben weder deutsche Gerichte noch Kartellbehörden die Laufzeit von Getränkelieferungsverträgen im Hinblick auf § 1 GWB in Zweifel gezogen. Eine Verkürzung der Laufzeit auf fünf Jahre würde auch dem zunehmenden Finanzierungsbedarf der Gastwirte einerseits und den höheren Anforderungen an die Amortisation der Leistungen der Getränkelieferanten andererseits nicht gerecht werden. Letztlich wäre eine entsprechende Forderung auch nicht im Interesse der Gastwirte, die anderenfalls die gewährte Leistung wohl in Tilgung als auch Verzinsung in kürzeren Zeiträumen kaum noch erwirtschaften könnten. Auch zeigt ein Blick in die Vertriebs- und Vertragspraxis, dass § 1 GWB in der Fassung der Novelle nicht zu einer Reduzierung der Laufzeit von Getränkelieferungsverträgen geführt hat.2446) 3.

Eigentümererklärungen

a) Gewerbliche Vermietung oder Verpachtung. Unstreitig erfüllt die gewerb- 2.1986 liche Vermietung oder Verpachtung von gastronomisch genutzten Objekten den Unternehmensbegriff des § 1 GWB.2447) b) Private Hauseigentümer als Vermieter oder Verpächter. Grundsätzlich 2.1987 kommt ein Gaststättenverpächter bzw. Gaststättenvermieter als Unternehmer in Frage, weil es nicht auf die Rechtsform, die Art der Organisation oder die ___________ 2442) Lutz, WuW 2005, 719. 2443) Lutz, WuW 2005, 725. 2444) Siehe oben § 27 IV m. w. N. 2445) Siehe oben § 27 VIII und XI, jeweils m. w. N. 2446) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 204. 2447) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

Größe des Unternehmens ankommt. Entscheidend ist, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr vorliegt, die sich nicht auf eine reine private Vermögensverwaltung beschränkt.2448) Leider kann keine einheitliche Rechtsprechung berichtet werden. 2.1988 Im Jahre 1968 ordnete das OLG Düsseldorf die Vermietung von Gewerberäumen oder die Verpachtung einer Absatzstätte als funktionelle Unternehmertätigkeit ein.2449) 2.1989 Enger erscheint dagegen eine frühere Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1965.2450) Danach reichte es für die Annahme der Unternehmereigenschaft nicht aus, dass sich ein Verpächter lediglich verpflichtet hatte, für die Weitergabe der Vertragspflichten auf nachfolgende Pächter zu sorgen, weil die wirtschaftliche Wechselwirkung zwischen dieser Vereinbarung einerseits und den Austauschverträgen des Verpächters mit dem Pächter sowie des Pächters mit dem Getränkelieferanten andererseits nicht der Vereinbarung selbst den Charakter eines Austauschvertrages verleihen. 2.1990 Nach einer Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1978 verwertet ein privater Eigentümer eines Hauses, indem er als Vermieter oder Verpächter einem Gewerbetreibenden ein Geschäftslokal überlässt, sein Eigentum im geschäftlichen Bereich, sodass er im Bezug auf die Vermietung und Verpachtung als Unternehmer anzusehen ist und deshalb auch bei Abschluss eines langfristigen Automatenaufstellvertrages für die Absatzstätte als Unternehmer tätig wird.2451) Zwar lässt der BGH hier offen, ob alleine das Verpachten für die Annahme der Unternehmereigenschaft ausreicht. Er stellt aber auf die Kombination aus Verpachtung und Abschluss eines Automatenaufstellvertrages für die Annahme der Unternehmereigenschaft ab.2452) Aus der Urteilsbegründung wird deutlich, dass hiernach wohl schon allein das Vermieten und Verpachten an einen Gewerbetreibenden Teilnahme am geschäftlichen Verkehr bedeutet. Im Ergebnis legt der BGH den Unternehmensbegriff weit aus. 2.1991 Im Jahre 1980 ließ es der BGH erneut dahinstehen, ob ein privater Hauseigentümer schon deshalb, weil er Räume zum Betrieb einer Gaststätte einrichtet und verpachtet, als Unternehmer anzusehen sei. Allerdings bejahte er die Unternehmereigenschaft im Ergebnis, weil sich der Hauseigentümer nicht auf die

___________ 2448) Siehe oben § 28 II 6 a und b, jeweils m. w. N. 2449) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.7.1968 – U (Kart), WRP 1968, 335 = Zeller I, 115 (Gaststättenpachtvertrag). 2450) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46. 2451) BGH, Urt. v. 11.4.1978 – KZR 1/77, GRUR 1978, 489 (Automatenaufstellvertrag); dazu Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 2618. 2452) BGH, Urt. v. 11.4.1978 – KZR 1/77, GRUR 1978, 489 (Automatenaufstellvertrag).

596

IV. Marktbeherrschung, wettbewerbsbeschränkendes Verhalten

Verpachtung einer Gaststätte beschränkte, sondern darüber hinaus aktiv am Wirtschaftsleben teilgenommen hatte.2453) c) Vereine. Auch rechtsfähige und nicht rechtsfähige Vereine können Unter- 2.1992 nehmer im Sinne des GWB sein. Idealvereine sind dagegen nicht Unternehmen, soweit sie nicht wirtschaftlich tätig sind und nur die nicht wirtschaftlichen Anliegen ihrer Mitglieder verfolgen; anderes gilt bei wirtschaftlichen Aktivitäten solcher Vereine.2454) Sportvereine werden zwar in der Regel als Idealvereine gegründet (§ 21 BGB). 2.1993 Sie entwickeln sich aber in der Praxis häufig zu bedeutenden Wirtschaftssubjekten und können daher grundsätzlich unternehmerisch tätig werden. Bei Amateursportvereinen ist die Unternehmereigenschaft zu bejahen, wenn sie sich auf dem Markt für Sportveranstaltungen betätigen, nicht aber, wenn sie lediglich die Interessen ihrer Mitglieder auf sportlichem Gebiet vertreten.2455) Für den Amateursportverein, der als Eigentümer einer Absatzstätte verpachtet, 2.1994 muss das Gleiche gelten. Denn die Verpachtung dient nicht der Verfolgung sportlicher Interessen seiner Mitglieder, sondern ist vielmehr in dem oben dargestellten engen Maße in das Zusammenbringen von Nachfrage und Angebot eingebunden und stellt eine wirtschaftliche Betätigung dar. d) Kommunen. Auch eine Kommune kommt grundsätzlich als Unternehmer 2.1995 in Betracht, solange sie nicht nur soziale Aufgaben verfolgt. Verpachtet sie als Eigentümerin in der genannten Konstellation eine Absatzstätte, übt sie entsprechend einem privaten Eigentümer eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und ist als Unternehmen zu betrachten.2456) IV.

Marktbeherrschung, wettbewerbsbeschränkendes Verhalten

1.

Anwendungsbereich

Wie Art. 102 AEUV enthalten die §§ 18 – 20 GWB ein grundsätzliches Verbot 2.1996 missbräuchlichen Verhaltens bei marktbeherrschender Stellung oder relativer oder überlegener Marktmacht. Freistellungsmöglichkeiten bestehen nicht, die VO Nr. 330/2010 gilt nicht. Die Vorschriften des europäischen und deutschen Kartellrechts gelten parallel. 2.

Relevanter Markt

Beim Vertrieb von Bier wird zwischen den Teilmärkten für den Absatz an die 2.1997 Gastronomie und dem Absatz an den Lebensmitteleinzelhandel u. Ä. unter___________ 2453) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155. 2454) Bechtold/Bosch, GWB (Kartellgesetz), § 1 Rz. 11. 2455) Immenga/Mestmäcker-Zimmer, Wettbewerbsrecht, § 1 GWB Rz. 60. 2456) Bechtold/Bosch, GWB (Kartellgesetz), § 1 Rz. 13.

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§ 28 Der Getränkelieferungsvertrag im Lichte des nationalen Vertriebskartellrechts

schieden.2457) Für Fass- und Flaschenbier bestehen getrennte Märkte.2458) Premiumbiere bilden keinen selbstständigen Markt, weil sie mit anderen Bieren Pilsener Brauart austauschbar sind.2459) 3.

Marktbeherrschung, sonstiges wettbewerbsbeschränkendes Verhalten

2.1998 a) Bezugsbindung. Verstößt die Vereinbarung einer Bezugsbindung nicht gegen Unionsrecht, sind auch im Übrigen unbeschadet der Frage, ob das innerstaatliche Recht gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 strengere Anforderungen stellen darf als das Unionsrecht, keine Gründe ersichtlich, warum in einer Bezugsbindung eine unbillige Behinderung i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr.1 GWB liegen sollte.2460) 2.1999 b) Festveranstaltungen. Vermarktet der Eigentümer oder berechtigter Besitzer eines Grundstücks seine Flächen über unternehmenseigene Gesellschaften, die verschiedene, über die bloße Vermietung der Flächen hinausgehende Leistungen erbringen, darf der Mietvertrag nach einer Entscheidung des OLG München vom 14.3.20132461) grundsätzlich keine Klausel enthalten, die Mieter für bestimmte Leistungen zum Bezug bei unternehmenseigenen Gesellschaften verpflichtet. V.

Vergaberecht

1.

Einführung

2.2000 Schließen Getränkelieferanten, insbesondere Brauereien, Getränkelieferungsverträge mit Kommunen oder sonstigen öffentlichen Auftraggebern, stellt sich die Frage, ob seitens der Vertragspartner der Getränkelieferanten Vergaberecht zu beachten sind. 2.

Grundlagen

2.2001 Zum Vergaberecht rechnen sämtliche Vorschriften, die öffentliche Auftraggeber berücksichtigen müssen, wenn sie Verträge über Warenlieferungen, Dienstoder Werkleistungen gegen Entgelt abschließen. Nur die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegt dem Vergabenachprüfungsverfahren. Unter einem öffentlichen Auftrag ist die entgeltliche Beschaffung einer Leistung durch den öffentlichen Auftraggeber zu verstehen. ___________ 2457) BKartA v. 26.4.2000, WuW/E DE-V 286 – Holsten/König. 2458) OLG Koblenz, Urt. v. 14.7.1982 – 6 U 632/81, WuW/E OLG 2898 = Zeller III, 401 – Bitburger-Pils. 2459) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1979 – U (Kart) 7/79, WuW/E OLG 2133 = Zeller II, 314 – Premiumbier; BKartA v. 26.4.2000, WuW/E DE-V 286 – Holsten/König. 2460) BGH, Beschl. v. 11.11.2008 – KVR 17/08, NJW 2009, 1753. 2461) OLG München, Urt. v. 14.3.2013 – U 1891/12 Kart, BeckRS 2013, 07113, mit Anm. Nemeczek, GRUR-Prax 2013, 260.

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I. Grundlagen

3.

Belieferung von Festwirten

Ein Vertrag, in welchem eine Gemeinde einer Brauerei das Exklusivrecht ein- 2.2002 räumt, einen Festwirt bei einer von der Gemeinde veranstalteten Festwoche mit Bier zu beliefern und in welchem die Gemeinde ihrerseits sich dazu verpflichtet, dem Festwirt vertraglich aufzuerlegen, nur dieses Bier auszuschenken, stellt mangels Beschaffungsvorgang keinen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 97 Abs. 1 GWB dar.2462) 4.

Vermietung/Verpachtung einer Veranstaltungshalle mit Gasträumen

Die Vermietung/Verpachtung eines Geländes als solches unterfällt nicht dem 2.2003 Vergaberecht. Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Vergaberechts können nur die weiteren Vertragsbedingungen sein. Führen diese Konditionen des Vertrages zu einer Einordnung als Dienstleistungskonzession i. S. d. Art. 1 Abs. 4 Richtlinie 2004/18/EG, gelten für deren Überprüfung die Vorschriften über die Nachprüfung durch die Vergabekammern (§§ 160 – 170 GWB) nicht.2463) Sechster Abschnitt: Pflichtverletzungen und ihre Folgen § 29 Berechnung des entgangenen Gewinns I.

Grundlagen

1.

Schadensersatz statt der Leistung

Gem. § 326 BGB a. F. konnte als Schadensersatz statt der Leistung die Diffe- 2.2004 renz zwischen dem Interesse an der Vertragserfüllung und der ersparten Leistung verlangt werden.2464) Nunmehr ergibt sich diese Rechtsfolge aus § 281 Abs. 1 BGB, der den Begriff des „Schadensersatzes wegen Nichterfüllung“ durch den des „Schadensersatzes statt der Leistung“ ersetzt hat. Eine Änderung des Umfanges der Schadensersatzpflicht ist damit nicht verbunden. 2.

Rechtsgrundlagen der Schadensberechnung

Bei Nichterfüllung der Getränkebezugsverpflichtung kann der Getränkeliefe- 2.2005 rant als Schadensersatzposition auch den entgangenen Gewinn verlangen, wie § 252 BGB klarstellt.2465) Dies unabhängig davon, welche Art des Vertragsver-

___________ 2462) OLG München, Beschl. v. 22.1.2012 – Verg 17/11, BeckRS 2012, 03166. 2463) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.3.2012 – VII-Verg 37/11, BeckRS 2012, 10229. 2464) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2465) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04.

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I. Grundlagen

3.

Belieferung von Festwirten

Ein Vertrag, in welchem eine Gemeinde einer Brauerei das Exklusivrecht ein- 2.2002 räumt, einen Festwirt bei einer von der Gemeinde veranstalteten Festwoche mit Bier zu beliefern und in welchem die Gemeinde ihrerseits sich dazu verpflichtet, dem Festwirt vertraglich aufzuerlegen, nur dieses Bier auszuschenken, stellt mangels Beschaffungsvorgang keinen öffentlichen Auftrag i. S. d. § 97 Abs. 1 GWB dar.2462) 4.

Vermietung/Verpachtung einer Veranstaltungshalle mit Gasträumen

Die Vermietung/Verpachtung eines Geländes als solches unterfällt nicht dem 2.2003 Vergaberecht. Anknüpfungspunkt für die Anwendung des Vergaberechts können nur die weiteren Vertragsbedingungen sein. Führen diese Konditionen des Vertrages zu einer Einordnung als Dienstleistungskonzession i. S. d. Art. 1 Abs. 4 Richtlinie 2004/18/EG, gelten für deren Überprüfung die Vorschriften über die Nachprüfung durch die Vergabekammern (§§ 160 – 170 GWB) nicht.2463) Sechster Abschnitt: Pflichtverletzungen und ihre Folgen § 29 Berechnung des entgangenen Gewinns I.

Grundlagen

1.

Schadensersatz statt der Leistung

Gem. § 326 BGB a. F. konnte als Schadensersatz statt der Leistung die Diffe- 2.2004 renz zwischen dem Interesse an der Vertragserfüllung und der ersparten Leistung verlangt werden.2464) Nunmehr ergibt sich diese Rechtsfolge aus § 281 Abs. 1 BGB, der den Begriff des „Schadensersatzes wegen Nichterfüllung“ durch den des „Schadensersatzes statt der Leistung“ ersetzt hat. Eine Änderung des Umfanges der Schadensersatzpflicht ist damit nicht verbunden. 2.

Rechtsgrundlagen der Schadensberechnung

Bei Nichterfüllung der Getränkebezugsverpflichtung kann der Getränkeliefe- 2.2005 rant als Schadensersatzposition auch den entgangenen Gewinn verlangen, wie § 252 BGB klarstellt.2465) Dies unabhängig davon, welche Art des Vertragsver-

___________ 2462) OLG München, Beschl. v. 22.1.2012 – Verg 17/11, BeckRS 2012, 03166. 2463) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.3.2012 – VII-Verg 37/11, BeckRS 2012, 10229. 2464) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2465) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04.

599

§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

stoßes vorliegt.2466) Die Schadensermittlung vollzieht sich nach §§ 249 Abs. 1, 252 Satz 2 BGB. 3.

Gerichtliche Entscheidungspraxis

2.2006 Die Zahl der veröffentlichten Entscheidungen ist erstaunlich gering. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Eine konkrete Schadensersatzberechnung setzt im Hinblick auf den Abzug ersparter Aufwendungen voraus, dass die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Zahlen schnell und zuverlässig ermittelt werden können. Einige Getränkelieferanten mögen nicht über ein hinreichend aussagekräftiges internes Rechnungswesen (Kostenrechnung im Sinne von Kostenarten- und Kostenstellenrechnung zwecks Zurechnung und Verteilung der angefallenen Kosten) zur Ermittlung des betrieblichen Erfolges verfügen. Auch müssen Geschäftsinterna wie die Kalkulation, die Abnehmer und die Lieferanten offen gelegt werden. Die konkrete Schadensersatzberechnung führt im Ergebnis dazu, dass – auch in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung – ggf. die Preiskalkulation des Lieferanten darzulegen ist. Nicht wenige Getränkelieferanten scheuen daher etwa bei sich im Prozess abzeichnender Nichtigkeit ihrer pauschalen Schadensersatzklauseln davor zurück, zu einer konkreten Schadensberechnung überzugehen.2467) Diese Zurückhaltung ist aber unbegründet, weil in der öffentlichen Gerichtsverhandlung nicht die einzelnen zur Begründung der Berechnung des Deckungsbeitrages und damit des entgangenen Gewinns virulenten Zahlen – insbesondere umfassend – ausgebreitet werden. II.

Ermittlung des entgangenen Gewinns

1.

Differenztheorie

2.2007 a) Inhalt. Zu ersetzen ist das (volle) Erfüllungsinteresse. Der Getränkelieferant ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre.2468) Dazu bedarf es der Bildung einer Vermögensdifferenz zwischen dem gedachten Zustand, dessen Herstellung nach § 249 Abs. 1 BGB geschuldet wird, und dem Istzustand. 2.2008 b) Gesamtvermögensvergleich. Bei der Schadensberechnung hat der Gläubiger einen Gesamtvergleich zwischen der aktuellen Vermögenslage und jener bei hypothetisch korrekter Erfüllung vorzunehmen. Sämtliche Vor- und Nachteile, die sich aus der gescheiterten Vertragsdurchführung ergeben, sind einzubezie-

___________ 2466) Siehe oben § 17 I m. w. N. 2467) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 2468) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05.

600

II. Ermittlung des entgangenen Gewinns

hen. Leistung, Gegenleistung und etwaige Folgeschäden stellen bloße Rechnungsposten dar.2469) 2.

Berechnung des entgangenen Gewinns

Zu dem zu ersetzenden Schaden rechnet auch der entgangene Gewinn (§ 252 2.2009 BGB).2470) Im Unternehmerverkehr entspricht es dem gewöhnlichen Lauf, dass der Unternehmer Waren zum Marktpreis kaufen oder verkaufen kann.2471) Der Unternehmer kann daher als Schaden die Differenz zwischen Marktpreis bzw. Vertragspreis und Selbstkosten fordern.2472) Im Rahmen der Schadensersatzberechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB („nach 2.2010 dem gewöhnlichen Lauf der Dinge“) ist je Bindenden (Brauerei, Getränkehersteller; Getränkefachgroßhändler), Vertriebsmodell2473) und Sortiment der Unterschied zwischen dem (besonderen) Vertrags-/Verkaufspreis und Herstellungspreis (Selbstkosten)2474) bzw. zwischen Vertrags-/Verkaufspreis und billigerem Einkaufspreis2475) zu ermitteln. Bereits diese Unterscheidung führt hinsichtlich der Höhe des entgangenen Gewinns zu erheblichen Abweichungen bei der Berechnung des entgangenen Gewinns je nachdem, ob Brauereien oder Getränkefachgroßhändler geschädigt sind. Daher gibt es kein einheitliches Berechnungsschema. Vielmehr bedarf es ggf. 2.2011 einer nach Absatzkanal, Umfang des gebundenen Sortiments (Eigen-/Handelsware), Gebinde (Fass- oder Flaschenbier)2476) und Abrechnungsperiode ((Rumpf-)Kalenderjahr) unterschiedlichen Deckungsbeitragsrechnung (Kundenerfolgsrechnung (KER). Diese kann, muss aber nicht zwingend EDV-gestützt ___________ 2469) BGH, Urt. v. 24.9.1999 – V ZR 71/99, WM 1999, 2505; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31. 2470) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2471) BGH, Urt. v. 19.10.2005 – VIII ZR 392/03, NJW-RR 2006, 243. 2472) BGH, Urt. v. 2.3.1988 – VIII ZR 380/86, NJW 1988, 2234; BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985. 2473) Zum Vertriebsmodell 1 LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. Zum Vertriebsmodell 2 OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2474) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 2475) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.1999 – 6 U 13/98, NJW-RR 2000, 720; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2476) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04.

601

§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

sein. Sollte der Getränkelieferant hierzu nicht in der Lage sein, bleibt ihm nur die Abrechnung eines pauschalierten Schadensersatzanspruchs. Diese setzt allerdings eine entsprechende Vereinbarung voraus, die der Inhaltskontrolle standhält. 3.

Ausgangspunkt Verkaufspreis

2.2012 a) Grundsatz. Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bzw. der Bestimmung entgangener Deckungsbeiträge sind die zu erwartenden Umsatzerlöse aus dem Verkauf selbst hergestellter und gehandelter Getränke. Maßgeblich ist die vereinbarten (Verkaufs-)Preise für die abgerechneten Jahre.2477) Werden die Preise für ein bestimmtes Fassbier als Ausgangspreis in Ansatz gebracht, so ist das dann nicht zu beanstanden, wenn der überwiegende Bierumsatz in der Gaststätte mit diesem Bier erzielt wird.2478) 2.2013 Ergeben sich die Preise aus einer Preisliste, so fehlt es hinsichtlich der Höhe des Schadensersatzes nicht an der Bestimmtheit, wenn im Vertrag kein Bierpreis als Multiplikator genannt wird. War zwischen den Parteien klar, dass die Abnahmeverpflichtung durch Bezug des billigsten Bieres erfüllt werden konnte, so kann von vornherein die ungünstigste Auslegung, dass sich der Schadensersatzanspruch aus dem Preis eines teuren oder des teuersten Bieres berechnet, nicht in Frage kommen.2479) 2.2014 b) Preisänderungen. Preisänderungen sind zu berücksichtigen.2480) Voraussetzung ist, dass sie wirksam sind.2481) Es gibt keinen Grundsatz, dass nach der Lebenserfahrung solche Preisänderungen notwendigerweise erfolgt sind. Vielmehr bedarf es eines entsprechenden Vortrages des Gläubigers über Art und Umfang tatsächlich vorgenommener Preisänderungen. Nicht zugrunde gelegt werden kann jedenfalls der im Zeitpunkt der Schadensberechnung (1985) geltende durchschnittliche Verkaufspreis (90,00 DM/hl). Vielmehr bedarf es eines konkreten Vortrages über Art und Umfang der tatsächlich vorgenommenen Preisänderungen. Eine vorgelegte Aktennotiz über eine Preiserhöhung des Schädigers gegenüber einem Dritten reicht hierfür nicht aus. Gleichwohl muss dies nicht zur Klageabweisung insgesamt führen. Denn die bei Vertragsschluss vereinbarten Abgabepreise sind ggf. der dem Vertrag beigefügten Preisliste zu ___________ 2477) RG, Urt. v. 15.10.1935 – III 31/35, JW 1936, 797; BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 2478) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2479) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98. 2480) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2481) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453.

602

II. Ermittlung des entgangenen Gewinns

entnehmen und die Feststellungen zu den hiervon abweichenden ersparten Kosten sind auf der Grundlage der von der geschädigten Brauerei alternativ auch für das Jahr 1976 gestellten Deckungsbeitragsrechnung zu treffen.2482) c) Durchschnittspreis. Kann der Schädiger seine Bezugspflicht auch durch aus- 2.2015 schließliche Bestellung des billigsten Bieres erfüllen, so kann der Geschädigte seiner Schadensberechnung nicht den Durchschnittspreis für die bisher vom Schädiger regelmäßig abgenommenen Biersorten zugrunde legen. Gleichwohl macht dies die Feststellung zur Schadenshöhe nicht unmöglich. 2.2016 Der Preis des billigsten Bieres des Geschädigten konnte der vereinbarten Preisliste (1976) entnommen werden und der auf ihn entfallene Deckungsbeitrag – ggf. unter Vornahme eines geringen Abschlags auf die von der Geschädigten für 1976 angestellten Berechnung – geschätzt (§ 287 ZPO) oder mit Hilfe eines Sachverständigen festgestellt werden.2483) 4.

Erlösschmälerungen

a) Grundsatz. Maßgeblich ist allein die Vertragslage. Zu prüfen ist, welche 2.2017 Preisnachlässe nach dem Vertrag bzw. ergänzenden Unterlagen, z. B. Schriftverkehr, vorgesehen sind. Die Behauptung, die Brauerei sei hiernach von ihren Preislisten abgewichen, ist unerheblich. Maßgebend ist, welchen Preis der Gastwirt zu zahlen gehabt hätte, denn er schuldet den Ersatz des sein Vertragsverhältnis betreffenden Interesses.2484) b) Konkrete Abzugspositionen. Abzuziehen sind vereinbarte (Rück-)Vergütun- 2.2018 gen,2485) Rabatte und andere Erlösschmälerungen. Naturalrabatte (Gratisware) stellen eine weitere Erlösschmälerung dar. Sie entfallen naturgemäß bei Nichtabnahme.2486) Skonto ist dagegen nicht abzuziehen, weil es nur im Falle rechtzeitiger Zahlung zu gewähren ist. 5.

Weitere Abzugspositionen

a) Differenzierung. Die Brauerei braucht sich nach gefestigter Rechtspre- 2.2019 chung von den entgangenen Verkaufspreisen als ersparte Aufwendungen in der ___________ 2482) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2483) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2484) OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083. 2485) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2486) LG Amberg, Urt. v. 31.10.1983 – 1 O. 941/82, Zeller III, 340; rechtskräftig bestätigt durch OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – I U 3935/83, Zeller III, 346.

603

§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

Regel nur die sog. variablen Kosten (Spezialkosten) anrechnen und im Rahmen der Vorteilsausgleichung als erspart abziehen zu lassen, die die Ausführung gerade des konkreten Auftrages erfordert.2487) Die sog. fixen Kosten (Generalkosten, Sowieso-Kosten) bleiben dagegen als Element der Schadensberechnung dann unberücksichtigt, wenn der Brauerei ausreichende Produktionskapazitäten zur Verfügung standen, um ohne Investitionen im Bereich der fixen Kosten außer ihrer weiteren Kundschaft auch noch den vereinbarten Getränkebezug durch den vertragsbrüchigen Gastwirt mitbefriedigen zu können.2488) Somit sind bei der Berechnung des entgangenen Gewinns den Erlösen nur die variablen Kosten gegenüberzustellen, nicht aber die Fixkosten. Folglich kommt es nicht auf eine „Nettogewinnmarge“, sondern auf den entgangenen Deckungsbeitrag an.2489) 2.2020 b) Begründung. aa) Juristisch. Zwar sind auch die fixen Kosten Gegenstand der Preiskalkulation des Herstellers/Verkäufers. Der Getränkelieferant ist aber im Rahmen des Schadensersatzes „statt der Leistung“ so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung durch den Gebundenen gestanden hätte (§ 252 Satz 2 BGB). Auch in diesem Falle wären die fixen Kosten jedenfalls dann nicht höher gewesen als bei der unterbliebenen Abnahme, wenn der Brauerei ausreichende Produktionskapazitäten zur Verfügung standen, um ohne Investitionen im Bereich der fixen Kosten außer ihrer weiteren Kundschaft auch noch den vertragsgemäßen Getränkebezug durch den schädigenden Gastwirt mit befriedigen zu können. Folglich mindert sich der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in der Regel nur um die besonderen Aufwendungen (Spezialkosten), die die Ausführung gerade des einzelnen Auftrages erfordert, während die Generalkosten als Element der Schadensberechnung regelmäßig ausscheiden, weil sie anfallen, einerlei, ob es zur Vertragserfüllung kommt oder nicht.2490) Bei den fixen Kosten handelt sich um diejenigen Kosten, die gleich bleibend und deckungsbedürftig auch dann fortbestehen, wenn der Getränkeausstoß steigt, ___________ 2487) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2488) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 5.9.2002 – 10 W 131/01; OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2489) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2490) RG, Urt. v. 15.10.1935 – III 31/35, JW 1936, 797; BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11.

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II. Ermittlung des entgangenen Gewinns

fällt oder gar ganz zum Erliegen kommt. Da an diesen Kosten durch Nichtbelieferung der Getränke seitens des Getränkelieferanten an den Schädiger nichts einzusparen ist, ist insoweit auch kein Abzug gerechtfertigt.2491) bb) Betriebswirtschaftlich. Betriebswirtschaftlich findet diese Berechnung ihre 2.2021 Rechtfertigung darin, dass der sich aus der Differenz zwischen den entgehenden Verkaufserlösen und den einzusparenden variablen Kosten ergebende sog. Deckungsbeitrag (II) zur Deckung der verschiedenen fixen Kosten dient.2492) Der Deckungsbeitrag je Einheit, hier hl, wird aus dem Stückpreis abzüglich variabler Stückkosten errechnet (sog. Stückkostenrechnung im Gegensatz zur Gesamtkostenabrechnung). Zieht man vom Deckungsbeitrag die verschiedenen fixen Kosten (der Periode) ab, so erhält man das Betriebsergebnis (Gewinn/Verlust), der je nach Berechnung auch Deckungsbeitrag IV oder VI genannt wird. c) Unter den fixen Kosten (Generalkosten) sind diejenigen zu verstehen, die 2.2022 mit der Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft, mit der Unterhaltung der Be- und Vertriebsanlagen sowie mit der Betriebsführung und der Verwaltung zusammenhängen, auch wenn diese Gegenstand der Preiskalkulation waren. d) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Selbstkosten ist auf den Zeitpunkt der 2.2023 Anschaffung (Herstellung etc.) abzustellen. 6.

Variable Kosten bei Brauereien

Nachfolgend wird vorrangig auf die Berechnung des entgangenen Gewinns 2.2024 durch Brauereien abgestellt. a) Grundsatz. Da die Brauerei nicht besser stehen darf, als sie bei ordnungs- 2.2025 gemäßer Erfüllung gestanden hätte, ist ein Schadensersatzanspruch um die Aufwendungen zu mindern, die die Brauerei infolge der Nichtabnahme erspart hat. Abzuziehen sind die variablen, d. h. die auftragsbezogenen Kosten, nicht etwa ein abstrakter Aufwand, der kalkulatorisch in den Produktpreis einfließt. b) Ausgewählte Abzugspositionen. Als anzurechnende ersparte Aufwendungen 2.2026 (Selbstkosten) kommen die variablen Kosten aus allen Bereichen in Betracht. aa) Zu nennen sind die Herstell- und Abfüllkosten.2493) Zu denken ist beispiel- 2.2027 haft an die Kosten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Anzusetzen sind daher die ___________ 2491) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2492) Rejschek, Der Weihenstephaner, 1985, 132; BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2493) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. Vgl. zu diesen Positionen im Rahmen der bilanziellen Betrachtung die für Brauereien mit einem Jahresausstoß von maximal 100.000 hl geltenden Pauschalbewertungssätze gemäß Archivmitteilung Nr. 08/2013 des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 6. Mai 2013, soweit im Rahmen der Buchführung besondere Kostenrechnungen oder diesen vergleichbare Unterlagen erstellt werden.

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§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

Kosten für Malz, Hopfen und Wasser, für die Wasseraufbereitung2494) und ggf. Kohlensäure, die Kosten der Abfüllung etwa für Gebinde, Kronkorken und Etiketten, die Energiekosten (Gas, Strom, Fernwärme etc.),2495) bei Direktbelieferung (Vertriebsmodell 1) die Kosten für Verladung und Versand (Transport)2496) und die Biersteuer.2497) Im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler kommt es insofern auf die entsprechenden Kosten bis zur Rampe an.2498) 2.2028 bb) Weiter sind ggf. auch die Einkaufspreise bei Handelsware abzuziehen.2499) 2.2029 cc) Vertriebskosten. Vertriebliche Brauereileistungen (Investitionskosten) pro hl sind in Abzug zu bringen, wenn sie gerade durch das betreffende Geschäft verursacht wurden.2500) Zu nennen sind kalkulatorische Finanzierungskosten (Zinsvergünstigungen,2501) (interne) Abschreibungen der ausgereichten Finanzierung,2502) Wagnisse), die sich aus dem finanziellen Engagement der Brauerei auf Grundlage des Getränkelieferungsvertrages ergeben,2503) aber auch ergänzende konkrete Leistungen im Einzelfall wie Gläsererstausstattung, Übernahme der Kosten für Anzeigen und sonstige Verkaufshilfen.2504) Hinzu kommen können Kosten für Kundendienst wowie Service- und Werbematerial. 2.2030 Ein gewährter Zuschuss ist außer Ansatz zu lassen. Denn dadurch, dass die jeweiligen Gutschriften infolge der Nichtabnahme des Bieres entfallen sind, spart die Brauerei nichts, weil das „als verlorenes zinsloses Darlehen“ hingegebene Geld für die Brauerei „weg ist, gleichgültig ob der Schädiger das Bier abnimmt oder nicht“.2505) ___________ 2494) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2495) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2496) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; LG Amberg, Urt. v. 31.10.1983 – 1 O. 941/82, Zeller III, 340; rechtskräftig bestätigt durch OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – I U 3935/83, Zeller III, 346. 2497) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2498) OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 2499) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2500) BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985. 2501) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346. 2502) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2503) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); a. A. LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05: „Finanzierungskosten“ und „interne Abschreibung“ sollen bei der Schadensberechnung nicht als Spezialkosten anzusetzen sein. Es handele sich vielmehr um bei der Schadensberechnung auszuscheidende Generalkosten (zw.). 2504) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2505) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77.

606

II. Ermittlung des entgangenen Gewinns

dd) Zu Verwaltungskosten wird auf die Rechtsprechung verwiesen.2506)

2.2031

c) Niederlassung. Bei Vorhandensein einer Niederlassung muss die Brauerei in 2.2032 ihrer Berechnung der ersparten variablen Kosten auch diejenigen der Niederlassung mit berücksichtigen.2507) 7.

Einwendungen

a) Tatsächlicher Gewinn. Die Verpflichtung des Gastwirts beschränkt sich 2.2033 nicht darauf, der Brauerei einen von ihr im abgelaufenen Zeitraum bei unterstellter Getränkeabnahme voraussichtlich erzielten Reingewinn (Rohertrag) in der Weise zu bezahlen, dass ein tatsächlich durch Getränkeverkauf angefallener Gewinn zugrunde gelegt wird. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe die Brauerei in dem fraglichen Zeitraum durch den Verkauf von Getränken einen Gewinn erzielt hat. Maßgeblich ist vielmehr, was der Brauerei infolge des unterbliebenen Leistungsaustauschs tatsächlich entgangen ist.2508) b) Interessewegfall. Der Einwand des Gastwirts, dem Getränkelieferanten sei 2.2034 schon deshalb kein Schaden entstanden, weil er in Wahrheit an der Vertragserfüllung (ab eines bestimmten Zeitpunktes) kein Interesse gehabt habe, geht ins Leere. Durchweg wird diese Behauptung nicht unter Beweis gestellt. Im Übrigen dürfte sie in der Regel im deutlichen Gegensatz zu dem Prozessverhalten des Getränkelieferanten stehen. Dies insbesondere dann, wenn er den Gastwirt sofort auf Vertragserfüllung, respektive Unterlassung von Fremdbezug, in Anspruch genommen hat, nachdem jener die Getränkeabnahme verweigert hatte.2509) c) Konzernverbund. Zu Besonderheiten der Berechnung des entgangenen Ge- 2.2035 winns bei Zulieferung im Rahmen eines Konzernverbundes wird verwiesen auf die Entscheidung des OLG Köln vom 15.3.2004.2510) 8.

Abzugspositionen zu Lasten des Getränkefachgroßhändlers

a) Grundsatz. Die vorstehenden Ausführungen2511) gelten grundsätzlich ent- 2.2036 sprechend, wenn Getränkefachgroßhändler im Absatzweg Gastronomie in den Vertriebsmodellen 3 und 4 arbeiten, also selbst binden und finanzieren.2512) Na___________ 2506) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2507) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346. 2508) OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083. 2509) OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083. 2510) OLG Köln. Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083. 2511) Siehe oben § 29 II 3 – 7, jeweils m. w. N. 2512) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04.

607

§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

turgemäß ergeben sich Abweichungen, etwa im Bereich Herstellung und Abfüllung. Der Getränkefachgroßhändler kann als Verkäufer seinen Schaden als Differenz zwischen seinem Einkaufspreis (Gestehungskosten) und dem Vertragspreis (entgangener Gewinn) oder zwischen dem (niedrigerem) Marktpreis und dem Vertragspreis (hypothetisches Deckungsgeschäft) verlangen.2513) Dagegen ist die Situation mit der von Brauereien vergleichbar, wenn der Getränkefachgroßhändler Haus- oder Eigenmarken herstellt oder im Lohnbrau herstellen lässt oder über eine eigene Produktion von alkoholfreien (Erfrischungs-)Getränken verfügt. 2.2037 b) Konkret. Als variable Kosten sind – unabhängig vom Vertriebsmodell – jedenfalls die Kosten für Verladung und Transport zu nennen.2514) 9.

Vorteilsausgleichung

2.2038 a) Abzinsung. aa) Grundsatz. Wird Schadensersatz für noch nicht fällige Leistungen verlangt, ist der Nichtfälligkeit dadurch Rechnung zu tragen, dass der auf die Gesamtlaufzeit berechnete Schaden abgezinst wird.2515) 2.2039 Auf die Inanspruchnahme von Bankkredit kommt es bei der Abzinsung nicht an. Diese dient nur dazu, den Vorteil einer Zinsanlage für Geld auszugleichen, das dem Gläubiger vor der Fälligkeit bereits zur Verfügung steht. Der Gastwirt kann daher nicht mit der Behauptung gehört werden, der Getränkelieferant habe mit einem Bankkredit gearbeitet und der Abzinsungssatz betrage mindestens 8 %.2516) 2.2040 bb) Umfang. Die sachgerechte Abzinsung ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln.2517) Branchenüblich ist es, den Abzinsungsfaktor in Anlehnung an die durchschnittliche Verzinsung für Betriebskredite mit 5 % an___________ 2513) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2514) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2515) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2516) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2517) BGH, Urt. v. 12.6.1985 – VIII ZR 148/84, ZIP 1985, 868; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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III. Darlegung und Beweis, Grundlagen

zugeben. Ein Abzinsungssatz von 3,5 % ist nicht zu beanstanden.2518) Allerdings dürfte in anhaltenden Niedrigzinsphasen ein geringerer Abzinsungszinssatz anzuwenden sein. b) Betreiberwechsel. Getränkebezugsverträge sind subjekt- und nicht objekt- 2.2041 gebunden.2519) Da die vertragliche Bezugsverpflichtung an die Person des Vertragspartners gebunden ist, kommt eine Anrechnung im Wege der Vorteilsausgleichung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Erlöse aus einer neuen Vertragsbeziehung mit dem Nachfolger des früheren Betreibers nicht auch durch dessen Pflichtverletzung kausal verursacht worden sind. Hätte der Nachfolger nicht die streitgegenständliche Absatzstätte übernommen, so hätte er einen Bezugsvertrag mit dem Getränkelieferanten auch für eine andere Absatzstätte eingehen können.2520) 10.

Umsatzsteuer

a) Allgemein. Nach § 252 Satz 1 BGB ist grundsätzlich der Nettogewinn zu 2.2042 ersetzen. Das Schadensersatzrecht beruht – soweit nichts anderes geregelt ist – auf der konkreten Schadensberechnung, die einen vollständigen Schadensausgleich anstrebt, den Geschädigten aber nicht bereichern will. Steuern sind daher prinzipiell nur zu ersetzen, wenn sie vom Geschädigten tatsächlich zu entrichten sind. Da der entgangene Gewinn nicht der Umsatzsteuer unterliegt, ist bei der Schadensberechnung auf die Nettopreise abzustellen.2521) b) Bei Pauschalierung. Ungeachtet der Tatsache, dass die Schadensersatzpau- 2.2043 schale aus dem Bruttopreis vereinbart wurde, kann nur der Nettobetrag verlangt werden; denn geltend gemacht wird – nicht zu versteuernder – Schadensersatz und nicht das Entgelt aus Umsatzgeschäften.2522) III.

Darlegung und Beweis, Grundlagen

1.

Darlegung durch den Geschädigten

a) Grundlagen. Die Tatsachen, aus denen sich die Prognose eines zukünftigen 2.2044 Gewinns ergibt, muss der Getränkelieferant darlegen2523) und in den durch § 287 ___________ 2518) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2519) Siehe unten § 36 I m. w. N. 2520) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2521) BGH, Urt. v. 11.2.1987 – VIII ZR 27/86, NJW 1987, 1690; BGH, Urt. v. 21.11.1991 – VII ZR 4/90, NJW 1992, 1620; BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2522) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98. 2523) BGH, Urt. v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 = NJW 1970, 1411; BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

ZPO gezogenen Grenzen beweisen.2524) Dass der Schaden mit einem Gegenanspruch zu verrechnen ist, ändert an der dem Geschädigten obliegenden Darlegungs- und Beweislast nichts.2525) Dabei kommt ihm die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zugute. Somit kann er sich auf die Behauptung und den Nachweis derjenigen Tatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die Vermutung des § 252 Satz 2 BGB eingreift (sog. Anknüpfungstatsachen).2526) 2.2045 b) Die fixen Kosten wären bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung in gleicher Höhe angefallen, wenn der Brauerei ausreichende Produktionskapazitäten zur Verfügung standen, um ohne Investitionen in diesem Bereich auch den vereinbarten Getränkebedarf durch den Gastwirt befriedigen zu können. Insbesondere im Hinblick auf die bestehenden Überkapazitäten besteht hierfür eine widerlegliche Vermutung; der Gastwirt ist darlegungs- und beweispflichtig, wenn er diese Vermutung nicht gegen sich gelten lassen will.2527) 2.2046 c) Variable Kosten. Der Getränkelieferant hat zur Höhe der entgangenen Erlöse und der hiervon abzuziehenden variablen Kosten hinreichend substantiiert vortragen. Dazu hat er seine Gewinnmargen nach Abzug berücksichtigungsfähiger Kosten unter Vorlage von Belegen substantiiert darzulegen.2528) Vorzulegen sind etwa Lieferscheine, Rechnungen oder sonstige Einzelaufstellungen für die gelieferten Getränkemengen. Dem ist die tatsächliche Vermögenslage gegenüberzustellen. Das Herausgreifen einzelner Positionen ergibt keinen schlüssigen Vortrag. 2.2047 Der BGH hat die Frage offengelassen, ob die Auffassung zutrifft, zumindest Personalkosten könnten nicht ohne weiteres ohne Rücksicht auf den erzielten Produktionsausstoß als fixe Kosten betrachtet werden. Mit diesem nicht näher substantiierten Vortrag genügte jedenfalls der darlegungspflichtige Schädiger seiner Darlegungslast nicht.2529) ___________ 2524) BGH, Urt. v. 10.2.2004 – VI ZR 94/03, BGHZ 158, 60 = NJW 2004, 1389; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2525) BGH, Urt. v. 24.9.1999 – V ZR 71/99, WM 1999, 2505; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2526) BGH, Urt. v. 5.5.1970 – VI ZR 212/68, BGHZ 54, 45 = NJW 1970, 1411; BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2527) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985; BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 11/99, NJW 2001, 3535 = ZIP 2001, 2053. 2528) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2529) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler).

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III. Darlegung und Beweis, Grundlagen

d) Bedeutung des § 287 ZPO. Der Schaden kann daher auf der Grundlage des 2.2048 bisherigen Bezuges geschätzt (§ 287 ZPO) werden.2530) Die Vorschrift erleichtert die Schadensermittlung. Hierzu bedarf es nicht nur Erleichterungen bei der Beweisführung. § 287 ZPO ist vielmehr dazu geschaffen, dem Geschädigten die Einzelbegründung seines Schadens abzunehmen, und vermindert damit in seinem Anwendungsbereich auch die sonst strengeren Anforderungen an die Darlegung.2531) Es genügt, dass Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt werden, die für eine Beurteilung des Schadens ausreichend greifbare Anhaltspunkte bieten.2532) Eine Klage darf folglich nicht wegen eines lückenhaften Vortrags zum Schaden abgewiesen werden, solange dafür greifbare Anhaltspunkte vorhanden sind.2533) Unter Umständen muss sich der Tatrichter mit der Schätzung eines Mindestschadens begnügen. Eine Schätzung darf erst dann unterbleiben, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und deshalb willkürlich wäre.2534) So kann der entgangene Gewinn durch Vorlage der Bilanz bzw. Gewinn- und 2.2049 Verlustrechnung dargelegt und bewiesen werden, wenn auf ihrer Grundlage, ggf. unter Heranziehung zusätzlicher Umstände, die zukünftige Geschäftsentwicklung geschätzt werden kann.2535) Im Einzelfall können Umstände dafür sprechen, dass der entgangene Gewinn niedriger ist als ihn die letzte Bilanz ausweist. Indizien hierfür sind eine Branchenkrise oder auch nachlassende Leistungskraft oder Leistungswilligkeit des Geschädigten. Die Vorlage der Bilanz genügt allerdings nicht als Anknüpfungstatsache für eine 2.2050 Schadensschätzung nach § 287 ZPO, wenn es sich bei dem Geschädigten um einen Existenzgründer handelt. Dann sind weitere Umstände darzulegen und zu beweisen, um die zukünftige Geschäftsentwicklung erkennen zu lassen. Als Beispiele zu nennen sind Marktstudien oder Unterlagen über die Gewinnent___________ 2530) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 264; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2531) BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, NJW 2013, 2345 = ZIP 2013, 1332. 2532) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/01, NJW 1993, 734. 2533) BGH, Urt. v. 5.11.1992 – IX ZR 12/92, NJW-RR 2006, 923. 2534) BGH, Urt. v. 23.10.1991 – XII ZR 144/90, NJW-RR 1992, 202. 2535) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566.

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§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

wicklung in der Branche. Insofern dürfen die Anforderungen allerdings nicht überspannt werden.2536) 2.2051 e) Im Übrigen. Ist der Schaden hinreichend substantiiert dargelegt worden, so ist es nicht zu beanstanden, wenn der Getränkelieferant in seiner Klage von einem durchschnittlichen monatlichen Bezug von … hl und damit von einem Schaden in Höhe von … €/Monat ausgeht.2537) 2.2052 Nach Zurückverweisung ist ergänzender Sachvortrag zur Schadenshöhe möglich.2538) 2.

Bestreiten durch den Schädiger

2.2053 Ein schlüssiger Vortrag des Getränkelieferanten muss seitens des Gastwirts hinreichend substantiiert bestritten werden, um nicht als zugestanden zu gelten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Darauf wird das Instanzgericht hinweisen (§ 139 ZPO).2539) Der Gastwirt kann sich nicht damit begnügen, den Vortrag des Getränkelieferanten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu bestreiten, wenn dieser zum Beweis seines Vortrages die entsprechenden Belege, z. B. Lieferscheine mit Preisen, zur Akte gereicht hat. Es obliegt dann gem. § 138 Abs. 2 ZPO dem Gastwirt, substantiiert darzulegen, dass die genannten Preise und erzielten Verkaufspreise insgesamt nicht zutreffend sind. Wenn der beklagte Gastwirt dies trotz Hinweises des erstinstanzlichen Gerichts im Urteil nicht getan hat, bedarf es keines weiteren Hinweises durch das Berufungsgericht. Damit ist von den Preisangaben gemäß Sachvortrag zur Berechnung des entgangenen Gewinns auszugehen.2540) Gleiches gilt hinsichtlich der Abgabepreise der Brauerei an den Getränkefachgroßhändler jedenfalls dann, wenn der Schuldner gleichzeitig benannter Lieferant ist (Vertriebsmodell 2).2541) Anders könnte möglicherweise zu entscheiden sein, wenn es sich bei dem Inanspruchgenommenen um einen nicht betreibenden Hauseigentümer handelt.2542)

___________ 2536) BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673; BGH, Urt. v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96, NJW 1998, 1634. 2537) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2538) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31. 2539) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 2540) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2541) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2542) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist.

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III. Darlegung und Beweis, Grundlagen

3.

Konkrete Schadensersatzberechnung nach § 252 Satz 2 BGB

a) Grundlagen. § 252 Satz 2 BGB erleichtert ebenso wie § 287 ZPO dem Ge- 2.2054 schädigten den Schadensnachweis. Die Schadensberechnung erfolgt aber nicht abstrakt. Wenn das Gesetz bestimmt, dass sich der entgangene Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 Satz 2 Fall 1 BGB)2543) bzw. nach den besonderen Umständen des konkreten Falls (§ 252 Satz 2 Fall 2 BGB) bestimmt, so liegt darin auch keine materiell-rechtliche Begrenzung des Schadensersatzanspruchs hinsichtlich Eintritt und Höhe des entgangenen Gewinns. Es handelt sich ausschließlich um eine Beweiserleichterung in Gestalt einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung hinsichtlich Eintritt (Kausalität) und Umfang (Höhe) des entgangenen Gewinns.2544) Die Beweiserleichterung beruht auf der Vermutung, dass der Gläubiger aus dem nicht durchgeführten Vertrag den in seiner Branche üblichen Gewinn gemacht hätte.2545) Zur Widerlegung genügt daher nicht bereits der Nachweis einer lediglich ernsthaften Möglichkeit, dass der Gewinn nicht entstanden sein könnte. Sie gilt daher für Unternehmer, nicht aber für Verbraucher. b) Optionen. Zwischen dieser und der Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 2.2055 BGB hat der Gläubiger die Wahl.2546) Er kann auch noch im Prozess von der einen zur anderen Schadensberechnung übergehen, ohne dass hierin eine Klageänderung i. S. d. § 263 ZPO liegt. Ein einheitlicher Schaden kann aber stets nur nach der einen oder der anderen Methode berechnet werden. Nur wenn ein Schaden aus mehreren selbstständigen Positionen besteht, dürfen beide Berechnungsarten nebeneinander angewandt werden. Der Geschädigte ist nicht gehindert, konkret nachzuweisen, dass er einen Ge- 2.2056 winn gemacht hätte, der über das in § 252 Satz 2 BGB Vorgesehene hinausgeht. Den Beweis der dafür erforderlichen Tatsachen erleichtert § 287 ZPO.2547) Daher bleibt es dem Geschädigten unbenommen, bis zur Grenze der adäquaten Kausalität auch Ersatz für außergewöhnliche Gewinne zu fordern. Hierzu muss ___________ 2543) Tatsachen, die zum „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ gehören, brauchen nicht bewiesen zu werden. BGH, Urt. v. 17.12.1963 – V ZR 186/61, NJW 1964, 661. Ebenso § 309 Nr. 5 a BGB. 2544) BGH, Urt. v. 27.5.1998 – VIII ZR 362/96, NJW 1998, 2901; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BeckRS 2016, 12543. 2545) BGH, Urt. v. 19.10.2005 – VIII ZR 392/03, NJW-RR 2006, 243. 2546) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2547) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BeckRS 2016, 12543; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566.

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§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

er den konkreten Nachweis führen, dass sie ohne den zum Ersatz verpflichteten Umstand eingetreten wären.2548) 2.2057 c) § 252 Satz 2 Fall 1 BGB. Bei der Berechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB genügt die Darlegung eines typischen Geschehensablaufs. Soweit der Gewinnentgang „nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ berechnet wird,2549) besteht Einvernehmen darüber, dass die diesen Verlauf begründenden Tatsachen keines vollen Beweises bedürfen.2550) Dies bedeutet im Ergebnis, dass der in den vertraglichen Regelungen festgesetzte Betrag mit dem Durchschnittsschaden zu vergleichen ist, der nach der Schätzung eines informierten Beobachters in der betreffenden Branche normalerweise entsteht, wenn die Voraussetzungen, an die die Zahlungspflicht des Schädigers geknüpft ist, erfüllt sind (sog. branchenüblicher Durchschnittsschaden).2551) Ungeachtet dessen bleibt dem Schuldner die Möglichkeit, diese Vermutung beweismäßig zu widerlegen. 2.2058 d) § 252 Satz 2 Fall 2 BGB. Wird der entgangene Gewinn gem. § 252 Satz 2 Fall 2 BGB „nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen“ berechnet, so liegt eine konkrete Schadensberechnung vor. Folge ist, dass zwar unverändert die Gewinnerwartung als wahrscheinlich unterstellt werden kann, hingegen diejenigen Umstände, die die besonderen Umstände, also die speziellen Anstalten und Vorkehrungen betreffen, vom Gläubiger aber konkret nachgewiesen werden müssen.2552) Dies folgt daraus, dass der nach den besonderen Umständen verlangte Gewinnentgang den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge entstehenden übersteigt. Bei der konkreten Schadensberechnung hat der Getränkelieferant im Einzelnen darzulegen, inwieweit sich die Vermögenslage bei korrekter Erfüllung des Getränkelieferungsvertrages positiv entwickelt hätte. Bei der stets zulässigen konkreten Schadensermittlung muss der Gläubiger aber Geschäftsinterna (Kalkulation, Abnehmer, Lieferanten) offen legen. 2.2059 e) Verhältnis zu § 287 ZPO. § 252 Satz 2 BGB erleichtert dem Geschädigten den Beweis, dass und in welcher Höhe ihm ein Gewinn entgangen ist. Ohne diese Bestimmung müsste er nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen den vollen Nachweis erbringen, dass ihm ein Gewinn in der geltend gemachten Höhe entgangen ist. § 287 ZPO würde ihm lediglich die Beweisführung erleichtern. Im praktischen Ergebnis besteht allerdings regelmäßig kaum ein Unterschied, ob ___________ 2548) BGH, Urt. v. 16.3.1959 – III ZR 20/58, BGHZ 29, 393 = NJW 1959, 1079; BGH, Urt. v. 24.4.1979 – VI ZR 204/76, BGHZ 74, 221 = NJW 1979, 1403; BGH, Urt. v. 29.11.1982 – III ZR 80/82, NJW 1983, 758. 2549) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 225/99; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2550) BGH, Urt. v. 17.12.1963 – V ZR 186/61, NJW 1964, 661. 2551) BGH, Urt. v. 16.1.1984 – II ZR 100/83, NJW 1984, 2093. 2552) BGH, Urt. v. 19.6.1951 – I ZR 118/50, BGHZ 2, 310 = NJW 1951, 918.

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III. Darlegung und Beweis, Grundlagen

dem Geschädigten bei der Beweisführung mit § 252 Satz 2 BGB oder mit § 287 ZPO geholfen wird.2553) Soweit es auf „besondere Umstände“ ankommt, aus denen sich wahrscheinlich ein Gewinn ergeben hätte, gelten für die Feststellung dieser Umstände die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO. Im Ergebnis dürfte sich § 252 Satz 2 BGB als Norm begreifen lassen, die das durch § 287 ZPO eröffnete freie Ermessen des Gerichts konkretisiert und präzisiert. Dabei stellt die Rechtsprechung in neuerer Zeit für die Anknüpfungstatsachen auf § 287 ZPO und für das darauf aufbauende Wahrscheinlichkeitsurteil auf § 252 Satz 2 BGB ab.2554) Am ehesten wird man § 252 Satz 2 BGB als zusätzliche Mahnung an das Gericht ansehen können, die Beweiserfordernisse gering zu halten. Die Beweiserleichterung nach § 252 Satz 2 BGB geht jedenfalls über die des Anscheinbeweises hinaus; zur Widerlegung genügt also nicht schon der Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit, der Gewinn könne nicht entstanden sein. 4.

Beweis oder Schätzung

a) Einführung. Soweit der Beklagte (Gastwirt, Getränkefachgroßhändler) sub- 2.2060 stantiiert bestreitet, bedarf es der Nachprüfung durch Erhebung des von dem Getränkelieferanten angebotenen Beweises (Zeugenvernehmung, Sachverständigengutachten), ggf. einer gerichtlichen Schätzung nach § 287 ZPO. b) Bedeutung des § 287 ZPO. Eine wesentliche Erleichterung der Beweisfüh- 2.2061 rung bewirkt § 287 ZPO.2555) Die Vorschrift eröffnet dem Gericht hinsichtlich der Höhe des Schadens und der Notwendigkeit der Durchführung einer Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachten, ein weites Einschätzungs- und Entscheidungsermessen. Insbesondere ist das Gericht nicht verpflichtet, alle möglichen Beweismittel auszuschöpfen (§ 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO). In der Gerichtspraxis erfolgen daher im Hinblick auf etwaige Beweisschwierigkeiten Schadensschätzungen im Zusammenhang mit der Berechnung des Schadensersatzes.2556) ___________ 2553) Staudinger-Schiemann, BGB, § 252 Rz. 18. 2554) BGH, Urt. v. 3.3.1998 – VI ZR 385/96, NJW 1998, 1634; BGH, Urt. v. 27.9.2001 – IX ZR 281/00, NJW 2002, 825; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2555) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2556) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566.

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§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

2.2062 Die Hauptbedeutung des § 287 ZPO liegt darin, dass das Gericht von der Entstehung eines Schadens und seiner Höhe nicht voll überzeugt sein muss. Eine, prozentual allerdings nicht näher konkretisierbare, überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt.2557) Im Gegensatz zu § 286 ZPO muss nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Schaden und seine Höhe bestehen.2558) § 287 ZPO trägt damit insbesondere den Schwierigkeiten Rechnung, die sich daraus ergeben, dass der Geschädigte immer auch einen hypothetischen Kausalverlauf beweisen muss. Im Rahmen dessen ist die Frage zu beantworten, wie sich die Dinge ohne das schädigende Ereignis entwickelt hätten. Das Gericht hat insofern eine freiere Stellung und ist an die Beweisanträge und die Regelung der Beweislasten nicht gebunden.2559) Zudem ist für eine auf § 287 ZPO gestützte Schätzung dann kein Raum, wenn der Schaden ohne Schwierigkeiten exakt berechnet werden kann. 2.2063 c) Abgrenzung zu § 252 Satz 2 BGB. § 252 Satz 2 BGB lässt es beim entgangenen Gewinn ausreichen, dass der Schaden wahrscheinlich zu erwarten ist. Voraussetzung ist jedoch, dass der Geschädigte den Schaden substantiiert vorträgt. Unterlässt er dies trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts, so besteht kein Anlass, ihm über § 287 ZPO zu helfen.2560) 2.2064 Für die richterliche Überzeugungsbildung reicht eine deutlich überwiegende, auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit aus, dass ein Schaden entstanden ist. § 287 Abs. 1 ZPO gilt nicht nur für die Höhe des Schadens, sondern auch für die Frage, ob ein Schaden überhaupt entstanden ist. Die Vorschrift ist aber nur anwendbar, soweit es um die haftungsausfüllende Kausalität geht. Im Anwendungsbereich von § 287 Abs. 1 ZPO ist der Tatrichter besonders frei gestellt. Seine Einschätzung ist mit der Revision nur daraufhin überprüfbar, ob er Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.2561) 2.2065 d) Ausgewählte Rechtsprechung. § 287 ZPO wird von der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Berechnung des entgangenen Gewinns von Getränkelieferanten herangezogen.2562) ___________ 2557) BGH, Urt. v. 16.10.2001 – VI ZR 408/00, BGHZ 149, 63 = NJW 2002, 128; BGH, Urt. v. 18.3.2004 – IX ZR 55/00, NJW 2004, 1521. 2558) BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444; BGH, Urt. v. 18.3.2004 – IX ZR 255/05, NJW 2004, 1521. 2559) BGH, Urt. v. 7.7.1970 – VI ZR 233/69, NJW 1970, 1970; BGH, Urt. v. 5.11.1992 – IX ZR 12/62, NJW 1993, 734. 2560) BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806. 2561) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 25/14, BeckRS 2016, 12543. 2562) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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III. Darlegung und Beweis, Grundlagen

Regelmäßig entnimmt der Sachverständige für die kalkulatorischen Zinsen auf 2.2066 das Umlaufvermögen dessen Wert der Handelsbilanz des Geschädigten für die entsprechenden Jahre, ohne zu überprüfen, ob die Werte der Vorräte so angenommen sind, wie dies nach Gesetz (hier AktG) zulässig ist. Da eine solche Überprüfung nach der einleuchtenden Darlegung des Sachverständigen jedoch nur mit unverhältnismäßigen Mitteln möglich wäre und allenfalls zu einer Erhöhung um – damals – Pfennige führen konnte, kann im Rahmen einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO davon abgesehen werden.2563) Das AG Rheinberg soll im Jahre 2008 bei der Berechnung eines Schadenersatz- 2.2067 anspruchs eines Getränkefachgroßhändlers 15 % des Umsatzes als fixe Kosten für abzugsfähig geschätzt haben. Dazu zählte das Gericht die ersparten fixen Arbeitslohnkosten des Auslieferungsfahrers und die ersparten Kfz-Kosten. Hinsichtlich der Arbeitslohnkosten ist allerdings zu fragen, ob es sich nicht in Wirklichkeit um variable Kosten handelt, etwa wenn eine Stundenlohnvereinbarung vorliegt, oder dieser etwa anderweitig eingesetzt werden konnte (Gedanke der ersparten Aufwendungen). e) Berufungsinstanz. Sowohl der Umstand der Schätzung als auch das Ergeb- 2.2068 nis unterliegen der Prüfung nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Berechnungen hinsichtlich des durch die Pflichtverletzung des Hauptschuldners entstandenen Schadens gelten auch für die Haftung des Beitretenden.2564) 5.

Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Schädigers

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass bestimmte fixe Kosten, z. B. ein 2.2069 Teil der Personalkosten, ausnahmsweise gerade durch die konkrete Lieferung nicht generell entstanden wären, weil der Verkäufer keine hinreichenden Produktionskapazitäten hatte, um den Bedarf des Käufer mit zu befriedigen, trägt der schädigende Vertragspartner.2565) Bei bestehenden Überkapazitäten besteht hierfür eine widerlegliche Vermutung. Will der Gastwirt diese nicht gegen sich gelten lassen, ist er insofern darlegungs- und beweispflichtig.2566) Geht es nur um eine vergleichsweise geringe Liefermenge und verfügt die Brauerei über un___________ 2563) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346. 2564) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2565) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 17.7.2001 – X ZR 71/99, NJW 2001, 2535 = ZIP 2001, 2053; OLG Naumburg, Urt. v. 19.3.1999 – 6 U 13/98, NJW-RR 2000, 720; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2566) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 1.3.2001 – III ZR 361/99, NJW-RR 2001, 985.

617

§ 29 Berechnung des entgangenen Gewinns

bestritten nicht ausgelastete Produktionskapazitäten, ist für die Annahme solcher zusätzlicher Fixkosten nichts ersichtlich.2567) 6.

Beweisergebnis

2.2070 Ein Gewinnentgang von 146,00 DM pro hl, von einer Brauerei berechnet, ist nicht unüblich, sogar noch niedrig, weil in einer anderen Sache die Brauerei G. einen Rohgewinn je hl von 236,00 DM geltend machte.2568) In einem anderen Verfahren hatte die Brauerei unbestritten vorgetragen, dass vom entgangenen Nettoerlös von 185,00 DM/hl lediglich ersparte Kosten in Höhe von 48,33 DM (für Malz- und Hopfeneinsatz sowie sonstige Braustoffe) abzuziehen gewesen seien.2569) 7.

Exkurs Verzugszinsen

2.2071 Der Brauerei steht kraft Gesetzes ein Anspruch auf Verzugszinsen zu. Ein weiterer – bestrittener – Verzugsschaden, der von dieser aus dem Gesichtspunkt des entgangenen Gewinns begehrt wird, ist jedoch zu versagen. Zwar geht die Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB von dem regelmäßigen Verlauf im Unternehmerverkehr aus, dass der Unternehmer gewisse Geschäfte im Rahmen seines Gewerbes tätigt und daraus Gewinne erzielt. Ihre Grundlage ist aber das Abstellen auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge. Dabei werden typische Situationen des Handelsverkehrs prima facie als gewinnversprechend behandelt. 2.2072 Die Rechtsprechung wendet die Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB in solchen Fällen an, in denen einem Kaufmann ein Geschäft vereitelt worden ist, welches das typische Handelsgeschäft seines Gewerbes ist, dessen Abschluss dem regelmäßigen Verlauf seines Gewerbes entspricht und das einen typischen Gewinn abwirft.2570) Der Einsatz von Geldmitteln entspricht aber nicht dem typischen Handelsgeschäft einer Brauerei (zw.). Insoweit könne nicht von einem für eine Brauerei typischen Gesamtverlauf mit typischer Gewinnaussicht ausgegangen werden. 2.2073 Selbst wenn man als typische Merkmale für die Bestimmung des Schadens die zur fraglichen Zeit üblichen Erträge der einzelnen Geldanlageformen ansehen wollte und das Gericht bei der Bemessung des Durchschnittsgewinns weit___________ 2567) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2568) So der BGH im Verfahren OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; unter Hinweis auf die Sache BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 2569) OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 2570) BGH, Urt. v. 1.2.1974 – IV 2/72, BGHZ 62, 103 = NJW 1974, 895.

618

I. Grundlagen

gehend von der Möglichkeit einer Schätzung gem. § 287 ZPO Gebrauch machen kann, bleibt der weiter begehrte Zinsanspruch ohne Erfolg. Auch bei der Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB muss der Geschädigte solche konkreten Umstände darlegen und beweisen, von denen die Schadensberechnung abhängt. Insoweit bedarf es auch bei der Berechnung der Substantiierung. Ebenso enthebt die Anwendung des § 287 ZPO den Geschädigten nicht von der Notwendigkeit, dem Gericht die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Unterlagen beizubringen, ohne die eine richterliche Schätzung in der Luft schweben würde.2571) Es bedarf einer genauen Substantiierung, etwa zum damaligen Durchschnittsgewinn.2572) § 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung I.

Grundlagen

1.

Einordnung und Abgrenzung

Ein Fremdbezug liegt vor, wenn der Gastwirt seine vertraglichen Verpflichtungen 2.2074 gegenüber dem Getränkelieferanten verletzt, indem er andere als die nach der Ausschließlichkeitsabrede zulässigen Getränke von Dritten bezieht. Dabei kann es sich sowohl um den Bezug nicht zugelassener Getränke („echter Fremdbezug“ in Form des Schwarzbezuges2573) als auch um einen „unechten Fremdbezug“ handeln, bei dem zwar die gebundenen Getränke bezogen werden, allerdings nicht auf dem vorgeschriebenen Lieferweg (Graubezug).2574) Bei Fremdbezug gehen kalkulierte Umsatzerlöse und damit Deckungsbeiträge verloren. Damit stellen sich Fragen der Berechnung des entgangenen Gewinns im Allgemeinen2575) sowie im Besonderen im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.2576) Insbesondere in der Situation des unechten Fremdbezuges (Graubezug) liegt 2.2075 häufig ein Fall der Fremdbelieferung vor. Dabei wird der gebundene Gastwirt durch nicht autorisierte, insbesondere auch im Vertriebsmodell 2 nicht in den Verträgen zwischen Brauerei und Gastwirt benannte Getränkefachgroßhändler beliefert. Bei der Fremdbelieferung treten als dritte Lieferanten weitere, nicht selten kleinere Getränkefachgroßhändler oder – eher selten – sonstige direkt ___________ 2571) BGH, Urt. v. 1.2.1974 – IV 2/72, BGHZ 62, 103 = NJW 1974, 895; BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2572) LG Amberg, Urt. v. 31.10.1983 – 1 O. 941/82, Zeller III, 337; rechtskräftig bestätigt durch OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – I U 3935/83, Zeller III, 341. 2573) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 2574) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. Siehe oben § 19 VI 5 g m. w. N. 2575) Siehe oben § 29 II m. w. N. 2576) Siehe unten § 30 IV m. w. N.

619

I. Grundlagen

gehend von der Möglichkeit einer Schätzung gem. § 287 ZPO Gebrauch machen kann, bleibt der weiter begehrte Zinsanspruch ohne Erfolg. Auch bei der Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 Fall 1 BGB muss der Geschädigte solche konkreten Umstände darlegen und beweisen, von denen die Schadensberechnung abhängt. Insoweit bedarf es auch bei der Berechnung der Substantiierung. Ebenso enthebt die Anwendung des § 287 ZPO den Geschädigten nicht von der Notwendigkeit, dem Gericht die zur Wahrheitsfindung erforderlichen Unterlagen beizubringen, ohne die eine richterliche Schätzung in der Luft schweben würde.2571) Es bedarf einer genauen Substantiierung, etwa zum damaligen Durchschnittsgewinn.2572) § 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung I.

Grundlagen

1.

Einordnung und Abgrenzung

Ein Fremdbezug liegt vor, wenn der Gastwirt seine vertraglichen Verpflichtungen 2.2074 gegenüber dem Getränkelieferanten verletzt, indem er andere als die nach der Ausschließlichkeitsabrede zulässigen Getränke von Dritten bezieht. Dabei kann es sich sowohl um den Bezug nicht zugelassener Getränke („echter Fremdbezug“ in Form des Schwarzbezuges2573) als auch um einen „unechten Fremdbezug“ handeln, bei dem zwar die gebundenen Getränke bezogen werden, allerdings nicht auf dem vorgeschriebenen Lieferweg (Graubezug).2574) Bei Fremdbezug gehen kalkulierte Umsatzerlöse und damit Deckungsbeiträge verloren. Damit stellen sich Fragen der Berechnung des entgangenen Gewinns im Allgemeinen2575) sowie im Besonderen im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.2576) Insbesondere in der Situation des unechten Fremdbezuges (Graubezug) liegt 2.2075 häufig ein Fall der Fremdbelieferung vor. Dabei wird der gebundene Gastwirt durch nicht autorisierte, insbesondere auch im Vertriebsmodell 2 nicht in den Verträgen zwischen Brauerei und Gastwirt benannte Getränkefachgroßhändler beliefert. Bei der Fremdbelieferung treten als dritte Lieferanten weitere, nicht selten kleinere Getränkefachgroßhändler oder – eher selten – sonstige direkt ___________ 2571) BGH, Urt. v. 1.2.1974 – IV 2/72, BGHZ 62, 103 = NJW 1974, 895; BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2572) LG Amberg, Urt. v. 31.10.1983 – 1 O. 941/82, Zeller III, 337; rechtskräftig bestätigt durch OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – I U 3935/83, Zeller III, 341. 2573) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 2574) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. Siehe oben § 19 VI 5 g m. w. N. 2575) Siehe oben § 29 II m. w. N. 2576) Siehe unten § 30 IV m. w. N.

619

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

beliefernde Brauereien auf. Da sich diese nicht an den Finanzierungen der Brauerei beteiligt haben, werden hier höhere (Rück-)Vergütungen angeboten, um ins Liefergeschäft zu kommen. 2.2076 Weiter ist daran zu erinnern, dass es auch Fremdbezugssituationen gibt, ohne dass von einer Fremdbelieferung gesprochen werden kann. Zu denken ist an den Kauf von Getränken in Abholmärkten oder im Lebensmittelhandel. 2.2077 Schließlich stellen sich sowohl beim Fremdbezug als auch bei der Fremdbelieferung gelegentlich Fragen des Steuervermeidung, insbesondere bei „beleglosen Rampenverkäufen“ bzw. bei sonst nicht hinreichend dokumentierten Warenumsatzgeschäften. 2.

Tatsachenwahrnehmung

2.2078 Aktuell scheint die Sensibilität für einen anfänglichen ebenso wie für einen nachträglichen Fremdbezug zunehmend verloren zu gehen. Bereits bei Vertragsschluss ergeben sich gelegentlich erkennbare, aber seitens des Getränkelieferanten nicht erkannte Abweichungen zwischen dem vertraglich intendierten Sortiment und dem vom Gastwirt tatsächlich angebotenen bzw. nachgefragten. Nach Vertragsschluss werden Zufallsfunde (wie etwa nicht zulässige Getränke auf der Getränkekarte, fremde Zahnhahnschilder, Fremdgetränke im Kühlraum) gelegentlich unbewusst oder bewusst (?) nicht zur Kenntnis genommen. Abweichungen zwischen den vereinbarten und den tatsächlichen Bezugsmengen werden nicht zum Anlass genommen, die Qualität des Vertriebsweges und der Kundenbeziehung zu hinterfragen. Änderungen im Bestellverhalten wie geringer werdende Mengen und längere Lieferintervalle werden klaglos „zur Kenntnis genommen“. Kontrollen der Voll- und Leergutentwicklung fehlen. Dies gilt insbesondere für Brauereien, die nicht selbst beliefern (Vertriebsmodell 22577) bis 4) und daher auf Informationen der Getränkefachgroßhändler angewiesen sind. Stattdessen wird die Nichtrückführung ausgereichter Finanzierungen mangels hinreichender Abschreibung bzw. Rückvergütungsgutschriften lediglich aktenmäßig abgearbeitet, was zu nicht kalkulierten höheren Endsalden führt. Auch die Abrechnung von Mindermengenausgleichen kann einen insofern schädlichen Beitrag leisten, als sie im Ergebnis letztlich die Verwilderung der Absatz- und Vertriebsstrukturen fördert. Nicht eingegangene Beteiligungsbeträge und nicht hinreichend zurückgeführte Refinanzierungen belegen diesen Befund. Insgesamt dürften die „Vertriebssitten“ durch Fremdbezug weit mehr verwildert sein, als dies der allgemeinen Erkenntnis entspricht. Faktisch geht damit eine Aufgabe des selektiven Vertriebs über den Getränkefachgroßhandel einher. Verschärft wird die Problematik noch durch die Abgabe von Fassgebinden an die Großformen des Lebensmitteleinzelhandels. ___________ 2577) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697.

620

I. Grundlagen

3.

Tatsachenermittlung

Bevor sich die Frage eines rechtlichen Vorgehens wegen Fremdbezuges stellt, 2.2079 muss das vermeintliche Anspruchsbegehren des Getränkelieferanten hinreichend tatsächlich belegt sein. Fotos über Fremdanlieferungen sind hilfreich. Testkäufer und Detektive können eingeschaltet werden. Die Fassnummernkontrolle kann Tatsachenmaterial liefern. Gleiches gilt für die Prüfung des Mindesthaltbarkeitsdatums, das nach der Lebensmittelinformationsverordnung seit dem 13.12.2014 auf allen Fässern angebracht werden muss, und dem ergänzenden Abgleich der Warenbegleitpapiere. Datenaustauschsysteme (Beispiel GEDAT) können hilfreich sein. Die Beobachtungen von Außendienstmitarbeitern und – so noch vorhanden – von Fahrern und dritten Zeugen sind zu protokollieren und ggf. mit Fotos ergänzend zu belegen. Eine saubere und umfassende tatsächliche Vorbereitung eines Vorgehens wegen Fremdbezuges erleichtert die Durchsetzung entsprechender Ansprüche. 4.

Anspruchsziele

Jeder Fremdbezug stellt einen Verstoß gegen die Pflichten aus dem Getränke- 2.2080 lieferungsvertrag (§§ 281, 280 BGB) dar. Dabei kann das Begehren des Getränkelieferanten auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz, Vertragsstrafe sowie ggf. auch Kündigung gerichtet sein.2578) 5.

Anspruchsgegner

Ansprüche wegen Fremdbezuges können bestehen gegen: x

den Eigentümer eines Objektes,2579)

x

den Betreiber2580)

x

sowie Mitbewerber des Getränkelieferanten.2581)

2.2081

___________ 2578) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 2579) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02. 2580) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; OLG Hamm, Urt. v. 27.9.1991 – 20 U 106/91, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 21.10.1992 – VIII ZR 223/91; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 2581) OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; AG Wildungen, Urt. v. 18.5.1976 – C 93/76 (Brauerei gegen Getränkefachgroßhändler).

621

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

6.

Brauereifreiheit

2.2082 Der Begriff „Brauereifreiheit“ eines Gaststättenobjektes ist jedenfalls ungenau. Getränkebezugsverpflichtungen lasten nicht gleichsam „objektbezogen“ bzw. „verdinglicht“ auf einem Grundstück selbst. Verpflichtet ist lediglich der Partner der jeweiligen schuldrechtlichen Abrede.2582) Daran ändert auch eine Verpachtung des Gaststättenobjektes nichts, soweit darin nicht ausdrücklich die Bezugsverpflichtung übernommen wird. Die schuldrechtliche Bezugsverpflichtung eines Gaststättenbetreibers verpflichtet nicht den Eigentümer, so dass die Zusicherung, das Pachtobjekt sei verpflichtungsfrei gegenüber jeglichen Getränkelieferanten, zutreffend ist. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung scheidet daher aus.2583) 7.

Vermeidbare Unsicherheiten

2.2083 Unklarheiten in der Formulierung der Ausschließlichkeitsbindung sollten vermieden werden. Typische Fehler sind: x

Es kann nicht ermittelt werden, welches Bier der Gastwirt zu beziehen hat, z. B. nur das von der Brauerei hergestellte (Eigen-) oder auch das von ihr vertriebene (Handels-)Bier.2584)

x

Es kann nicht festgestellt werden, ob und in welchem Umfang der Gastwirt ggf. hinsichtlich des Bezuges anderer alkoholischer und nicht alkoholischer Getränke gebunden sein soll.2585)

x

Dem Vertrag ist nicht zu entnehmen, welche Sorten/Marken Gegenstand der Ausschließlichkeitsbindung bzw. einer Mitbezugsgestattung sein sollen.2586)

II.

Unterlassung

1.

Herleitung

2.2084 Ein Anspruch auf Unterlassung des Fremdbezuges besteht unabhängig davon, ob eine ausdrückliche Regelung im Getränkelieferungsvertrag vorhanden ist.2587) Bei ausschließlichen Getränkebezugsverpflichtungen geht das schutzwürdige Interesse des Getränkelieferanten nicht nur dahin, dass er durch den Bezug anderweitiger Getränke in seinen Einnahmen geschmälert wird und nicht den erhofften Gewinn macht, sondern er soll auch vor einem Herausgedrücktwerden durch einen anderen besser zahlenden Konkurrenten geschützt ___________ 2582) Siehe unten § 36 I m. w. N. 2583) BGH, Urt. v. 3.6.1987 – VIII ZR 158/86, NJW-RR 1988, 199 = Zeller IV, 157. 2584) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 103. 2585) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 103. 2586) OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.6.1997 – 5 U 36/96. 2587) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251.

622

II. Unterlassung

werden. Dabei kann er nicht auf reine Schadenersatzansprüche beschränkt werden, sondern die Ausschließlichkeitsregelung hat auch einen Unterlassungsanspruch zum Inhalt. Würde der Getränkelieferant auf die Ausübung seiner Rechte aus einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit allein verwiesen, so müsste der Anspruchsgegner den Betrieb der Gaststätte aufgeben und ihm würde auf diese Weise seine Existenzgrundlage entzogen.2588) 2.

Anspruchsgrundlage

Der Anspruch auf Unterlassung des Ausschankes der Getränke anderer Ge- 2.2085 tränkelieferanten stützt sich auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit den entsprechenden Regelungen des streitgegenständlichen Getränkelieferungsvertrages wegen Verstoßes gegen die Ausschließlichkeitsabrede.2589) Allerdings richten sich vertragliche Unterlassungsansprüche nur gegen den Vertragspartner, sie wirken nicht gegenüber Dritten.2590) 3.

Voraussetzungen

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt 2.2086 sich aufgrund einer diesbezüglichen tatsächlichen Vermutung, die durch die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung des Getränkelieferungsvertrages durch Fremdbezug begründet wird.2591) An die Widerlegung der materiellen Anspruchsvoraussetzung der Wiederho- 2.2087 lungsgefahr durch den Störer sind hohe Anforderungen zu stellen. Das bloße Versprechen, die störende Handlung nicht mehr vorzunehmen, räumt die Wiederholungsgefahr in der Regel nicht aus.2592) 4.

Einwendungen

Der Hinweis auf eine Erkrankung des Gastwirts oder der Hinweis darauf, der 2.2088 Unterlassungsantrag sei gegen ihn persönlich gerichtet, obgleich er auf die Vorgänge in der Absatzstätte während des Zeitraums seiner Erkrankung keinen Einfluss habe, gehen ins Leere. Auch dann muss der Gastwirt die Einhaltung der vereinbarten Getränkebezugsverpflichtung gewährleisten, wobei von ihm eingeschaltete Hilfspersonen als Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) anzusehen sind.2593) ___________ 2588) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.2.1978 – 17 U 219/77; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 2589) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 2590) OLG Brandenburg, Urt. v. 13.2.2003 – 6 U 63/02, BeckRS 2003, 30306871 (Flüssiggastanks). 2591) BGH, Urt. v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, NJW 2004, 1035. 2592) BGH, Urt. v. 30.10.1998 – V ZR 64/98, NJW 1999, 356. 2593) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036.

623

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

2.2089 Ebenfalls unerheblich ist es, wenn der Getränkelieferungsvertrag nur die Bezugsverpflichtung regelt und sich nicht ausdrücklich zu dem Ausschank von Getränken in der Gaststätte verhält. Wenn der Gastwirt keine anderen Getränke als solche des Getränkelieferanten bezieht, kann er solche anderen Getränke auch nicht ausschenken. 2.2090 In der Praxis wird gelegentlich vom Antragsgegner vorgetragen, dieser sei nicht mehr Inhaber des gastronomischen Betriebes. So werde das Objekt vom (Ehe-)Partner betrieben, man habe selbst keinen maßgeblichen Einfluss mehr auf die Art des Getränkebezuges in der Gaststätte oder der (Ehe-)Partner oder ein Dritter habe bereits einen förmlichen Pachtvertrag über das Objekt geschlossen. Dann ist festzustellen, ob der Antragsgegner die tatsächliche Möglichkeit hat, auf die Einhaltung der Ausschließlichkeitsbindung hinzuwirken.2594) 2.2091 Die Art des Fremdbezuges ist unerheblich. Selbst wenn der Gastwirt die Getränke von dritter Seite geschenkt bekommen haben sollte (Gratisgetränke), wäre darin ein Fremdbezug zu sehen. Denn bei einem Ausschank dieser anderen Getränke wäre ein Absatz des Getränkelieferanten in dem Umfang nicht möglich, der mit der Bezugsverpflichtung gerade abgesichert werden soll.2595) 2.2092 Der Umstand, dass der von der Brauerei eingeschaltete Getränkefachgroßhändler einzelne Getränke zeitweise nicht liefern konnte, berechtigt den Gastwirt letztlich nicht dazu, im Wege der Selbsthilfe ohne Weiteres andere Getränke eines anderen Getränkelieferanten zu beziehen. Sowohl § 281 BGB für einen Schadensersatz wegen Nichterfüllung als auch § 314 BGB für die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses setzen nämlich voraus, dass zuvor eine Nachfrist für die begehrte Handlung oder aber eine Abmahnung hinsichtlich eines vertragswidrigen Verhaltens erfolgt.2596) 5.

Respektierungsverfahren

2.2093 Sind Brauereien bzw. Getränkefachgroßhändler jeweils Mitglied in demselben Wirtschaftsverband, so besteht dort in der Regel die Möglichkeit, ein Respektierungsverfahren einzuleiten. Dabei legt derjenige, der sich durch eine Fremdbelieferung durch einen Mitbewerber in der Durchsetzung seiner Rechte aus einem wirksamen Getränkelieferungsvertrag beeinträchtigt sieht, diesen dem Verband mit der Bitte um Prüfung und Hinweis an den Mitbewerber vor. ___________ 2594) LG Paderborn, Urt. v. 27.10.1975 – 1a S 303/75. 2595) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 2596) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71 = Zeller IV, 47; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. Vgl. im Übrigen OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Köln, Urt. v. 15.3.2004 – 5 U 145/99, BeckRS 2008, 09083; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217.

624

II. Unterlassung

6.

Abmahnung

Eine weitere Möglichkeit des außergerichtlichen Vorgehens stellt die Abmah- 2.2094 nung dar.2597) Das Abmahnschreiben enthält die deutliche Aufforderung an den Adressaten, den Fremdbezug sofort einzustellen und die als Anlage beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung kurzfristig zurückzusenden. Zum deren Inhalt gehört sowohl die Unterlassung des Fremdbezuges als auch die Zahlung einer Vertragsstrafe für den Fall des erneuten Verstoßes. Zur Vorbereitung des weiteren gerichtlichen Vorgehens wird der Adressat der Abmahnung auch aufgefordert, Auskunft über Umfang und Zusammensetzung der fremdbezogenen Getränkemengen nach Marken, Sorten und Gebinden sowie über den Bezugsweg zu geben. Üblich ist es auch, die Geltendmachung von ggf. bereits spezifizierten Schadensersatzansprüchen anzudrohen. 7.

Einstweilige Verfügung

a) Situation. Bleiben das Respektierungsschreiben und/oder eine Abmahnung 2.2095 ohne Erfolg, so muss gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes können entsprechende gerichtliche Anträge gestellt werden. Eine Verpflichtung, vorab ein einstweiliges Verfügungsverfahren durchzuführen, besteht allerdings nicht. Bei besonderer Hartnäckigkeit der Gegenseite ist das Verfahren auch wenig sinnvoll. b) Rechtsschutzinteresse. Für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Ver- 2.2096 fügung fehlt regelmäßig nicht das Bedürfnis zu einer schnellen Regelung. Insbesondere besteht keine Verpflichtung des Antragstellers, unmittelbar zu reagieren, wenn es zunächst Gespräche über die Vertragsverletzung gegeben hat. Solange der Antragsgegner die Getränkeabnahme nicht endgültig abgelehnt und sich erkennbar einem anderen Getränkelieferanten zugewandt hat, besteht für den Antragsteller zunächst noch kein Anlass, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu stellen.2598) c) Verfügungsanspruch. Eine einstweilige Verfügung zur Sicherung der in einem 2.2097 Grundstückskaufvertrag vereinbarten Getränkebezugsverpflichtung ist zulässig. Dies auch dann, wenn die Antragsgegner in einem einstweiligen Verfügungsverfahren eine bestehende Getränkebezugsverpflichtung nicht schuldrechtlich übernommen haben, sondern (nur) in eine die Getränkebezugsverpflichtung sichernde beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingetreten sind.2599) d) Verfügungsgrund. aa) Grundsatz. Das Vorliegen eines Verfügungsgrundes 2.2098 ist aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise zu beurteilen. Die schutzwür___________ 2597) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 2598) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.2.1978 – 17 U 219/77. 2599) LG Kleve, Urt. v. 13.10.1977 – 6 O. 87/77.

625

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

digen Interessen beider Seiten sind dabei im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegeneinander abzuwägen. Dabei ist eine Regelung des streitigen Rechtsverhältnisses nach § 940 ZPO vor der umfassenden Klärung im Hauptsacheprozess nur dann gerechtfertigt, wenn der Vorteil für den Antraggegner nicht außer Verhältnis zum Nachteil für den Antraggegner steht. Allein die Nichteinhaltung der Verpflichtungen aus einem behaupteten Getränkelieferungsvertrag begründet noch keine Dringlichkeit und damit einen Verfügungsgrund, weil sonst sämtliche Streitigkeiten über die Nichteinhaltung von Verträgen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geregelt werden müssten. Es müssen daher noch zumindest gewichtige wirtschaftliche Gründe hinzutreten.2600) 2.2099 Der Verfügungsgrund ergibt sich regelmäßig bereits daraus, dass der antragstellende Getränkelieferant ein erhebliches Interesse daran hat, auch im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes die Unterlassung von Verstößen gegen die Ausschließlichkeitsbindung zu erreichen. Der Antragsteller ist nämlich darauf angewiesen, seine Produkte im Rahmen der vertraglichen Beziehungen zu seinen Geschäftspartnern auch tatsächlich abzusetzen. Es kann ihm nicht zugemutet werden, in jedem Einzelfall erst den möglicherweise langjährigen Klageweg des Hauptsacheverfahrens zu beschreiten.2601) 2.2100 bb) Glaubhaftmachung. Dass der Antragsteller durch den behaupteten Fremdbezug ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstünde, ist von diesem nicht nur zu behaupten, sondern auch glaubhaft zu machen. Die Annahme eines Verfügungsgrundes scheitert nicht daran, dass der Getränkelieferant als Verfügungskläger nicht näher dargetan hat, worin ein ihm bei Verletzung der Bezugsverpflichtung entstehender Schaden liegt. Ein solcher ergibt sich vielmehr nach der Natur der Sache daraus, dass der Verfügungsbeklagte bei einem Fremdbezug von Getränken in entsprechendem Umfang keine Produkte des Verfügungsklägers abnimmt und diesem damit die ansonsten von dem Verfügungsbeklagten zu leistenden Entgelte entgehen.2602) 2.2101 cc) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt Eilbedürftigkeit voraus. Zwischen der nachweislichen Feststellung des Fremdbezuges und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sollte allenfalls ein Zeitraum von bis zu vier Wochen liegen. Anderenfalls ist der Antrag bereits wegen Nichtvorliegens eines Verfügungsgrundes kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen. 2.2102 dd) Ein Verweis des Verfügungsklägers auf die alternative Geltendmachung der ihm aus einer Verletzung der Bezugsverpflichtung entstehender Schäden ___________ 2600) AG Rosenheim, Urt. v. 19.4.2016 – 12 C 90/16. 2601) OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.7.1976 – 4 U 37/76; LG Paderborn, Urt. v. 27.10.1975 – 1a S 303/75. 2602) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71= Zeller IV, 47; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036; strenger AG Rosenheim, Urt. v. 19.4.2016 – 12 C 90/16.

626

III. Auskunft

kommt nicht in Betracht. Anderenfalls ließe sich die Annahme eines Verfügungsgrunds praktisch immer verneinen.2603) e) Vorwegnahme der Hauptsache. Würde eine Versagung der einstweiligen Verfügung ggf. dazu führen, dass der Gastwirt unter Inanspruchnahme der Investitionen des bindenden Getränkelieferanten Getränke weiterer Getränkelieferanten absetzen könnte, so ist darin keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache zu sehen.2604) f) Verfügungstenor. Die einstweilige Verfügung ist darauf gerichtet, dass dem Gastwirt unter Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise einer Ordnungshaft, der Bezug dritter Getränke untersagt wird. Gleiches gilt ggf. für mitbenutzte Schanktechnik, Gaststättenmobiliar, Werbeartikel etc. Abweichungen des Urteilstenors vom Klageantrag sind im Rahmen der Ausübung des gerichtlichen Ermessens gem. § 938 Abs. 1 ZPO zulässig. Grundlage der Androhung der Ordnungsmittel für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot ist § 890 Abs. 2 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht erforderlich, weil sich dies im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes aus der Natur des Verfahrens ergibt und daher in der Entscheidungsformel nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht.2605) g) Verfahren. Im Regelfall wird über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kurzfristig und damit spätestens einen Tag nach Eingang bei Gericht (Anhängigkeit) durch Beschluss und damit ohne mündliche Verhandlung entschieden. Dieser kann dann durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Ordnet das Gericht dagegen von sich aus oder auf Antrag einen Termin zur mündlichen Verhandlung an, so ist dieser umgehend zu bestimmen; im Regelfall erfolgt die Terminierung innerhalb eines Zeitraums von zwei Wochen nach Anhängigkeit des Antrages. h) Abschlusserklärung. Das einstweilige Verfügungsverfahren endet ohne nachfolgende Klage in der Hauptsache, wenn der Verfügungsbeklagte eine Abschlusserklärung unterschreibt. Anderenfalls steht dem Getränkelieferanten der Klageweg (wieder) offen. III.

Auskunft

1.

Anspruchsziel

2.2103

2.2104

2.2105

2.2106

2.2107

Da der Getränkelieferant naturgemäß unverschuldet in Unkenntnis hinsicht- 2.2108 lich der fremdbezogenen Getränkemenge ist, steht ihm grundsätzlich ein Aus___________ 2603) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, § 935 Rz. 16. 2604) OLG Saarbrücken, Urt. v. 9.7.1976 – 4 U 37/76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.2.1978 – 17 U 219/77. 2605) Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 922 Rz. 13.

627

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

kunftsanspruch über die von dem Vertragspartner anderweitig bezogenen Getränkemengen zu, wenn ein Getränkelieferungsvertrag mit einer Ausschließlichkeitsvereinbarung abgeschlossen worden ist.2606) 2.

Anspruchsgrundlage

2.2109 Grundlage ist mangels spezialgesetzlicher Normen der allgemeine Auskunftsanspruch nach § 242 BGB.2607) 3.

Voraussetzungen

2.2110 a) Da es im BGB keinen allgemeinen Auskunftsanspruch gibt, bedarf es einer bereits bestehenden, hier insbesondere vertraglichen Sonderverbindung.2608) Zudem ist ggf. die Wirksamkeit des Getränkelieferungsvertrages festzustellen.2609) Weiter ist Voraussetzung, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des durch die Auskunftserteilung geltend gemachten Anspruchs gegeben ist. Weiter muss der Auskunftsberechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Unwissen sein und schließlich der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben können.2610) 2.2111 b) Soll eine Auskunft zur Vorbereitung vertraglicher Schadensersatzansprüche aus einem Dauerschuldverhältnis dienen, so genügen für das Auskunftsverlangen der begründete Verdacht einer Vertragspflichtverletzung und die Wahrscheinlichkeit eines daraus resultierenden Schadens. Sind diese Voraussetzungen bezüglich der Zuwiderhandlung gegen ein wirksam vereinbartes Konkurrenzverbot gegeben, kann der durch das Verbot Geschützte zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs regelmäßig Auskunft über den Umsatz verlangen, den der Vertragspartner mit der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit erzielt hat, ___________ 2606) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; LG Saarbrücken, Urt. v. 4.11.1987 – 7 O. 135/86, Zeller, IV, 390; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697. 2607) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2608) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46. 2609) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 2610) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685.

628

IV. Schadensersatz

weil dieser Umsatz einen relativen Anhaltspunkt für den dem Geschützten entstandenen Schaden in Gestalt entgangenen Gewinns darstellen kann.2611) IV.

Schadensersatz

1.

Anspruchsgrundlage

Zu denken ist zunächst an die §§ 280, 281 BGB.2612) Danach steht dem Geträn- 2.2112 kelieferanten ein Schadensersatzanspruch gegen den Gebundenen zu, weil dieser gegen die Ausschließlichkeitsabrede verstoßen hat.2613) 2.

Pflichtverletzung

a) Grundsatz. Jeder einzelne Verstoß gegen die Ausschließlichkeitsverpflich- 2.2113 tung stellt eine Pflichtverletzung dar. b) Die gelegentlich erhobene Behauptung, bei dem konkret gerügten Vertrags- 2.2114 verstößen habe es sich um die einzigen Fälle von Fremdbezug gehandelt, erscheint kaum glaubhaft. Da der Getränkelieferant die Absatzstätte sicher nicht täglich kontrolliert hat, wäre es ein sehr großer Zufall, wenn immer genau zu den Zeitpunkten, als Fremdbier ausgeschenkt wurde, dies von Mitarbeitern des Getränkelieferanten bemerkt wurde. Wesentlich lebensnäher erscheint dagegen eine nicht unerhebliche „Dunkelziffer“ von nicht entdeckten Fällen von Fremdbezug. Im Übrigen müsste der in Anspruch Genommene seine Behauptung, es habe keine weiteren Fälle gegeben, unter Beweis stellen.2614) 3.

Verschulden

Das Verschulden ergibt sich aus der Umkehr der Darlegungs- und Beweislast 2.2115 nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.2615) 4.

Schaden

a) Absolute Pauschalen. Im Direktgeschäft mit Direktbelieferung (Vertriebs- 2.2116 modell 1) sind zugunsten von Brauereien Pauschalen in Höhe von „80 DM/hl“2616) bzw. „50 DM/hl“2617) anerkannt. ___________ 2611) BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VIII ZR 268/11, NJW-RR 2014, 155. 2612) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 2613) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 2614) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 2615) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024. 2616) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 2617) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936.

629

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

2.2117 b) Prozentuale Pauschalen. aa) Grundsatz. Gleiches gilt in der vorgenannten Vertriebssituation für Pauschalen in Höhe von 30 %2618) bzw. 25 %2619) des jeweiligen Listenpreises, weil sie unterhalb der üblichen Gewinnspanne der Brauereien nach der Deckungsbeitragsrechnung liegen. 2.2118 bb) Vertriebsmodell 2: Fraglich könnte sein, ob Brauereien im Direktgeschäft mit Indirektbelieferung sich bei der prozentualen Schadenspauschalierung in Höhe von 30 %2620) an den (Listen-)Preisen des benannten Getränkefachgroßhändlers orientieren dürfen. Dies hat das OLG Karlsruhe zutreffend verneint. In einem Getränkebezugsvertrag ist eine Klausel, wonach der Gaststättenbetreiber bei Bezug fremder Erzeugnisse des Tagespreises der von dritter Seite bezogenen Getränke als Schadensersatz zu zahlen hat, unwirksam, weil diese Art der Berechnung jede Beziehung zu dem der Brauerei entstandenen Schaden vermissen lässt.2621) 2.2119 c) Differenzierung. Bei der konkreten Berechnung des Schadens sind die unterschiedlichen Vertriebsmodelle zu berücksichtigen.2622) V.

Vertragsstrafe

2.2120 Insofern kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2623) VI. Kündigung 1.

Praktische Bedeutung

2.2121 Die Kündigung von Getränkelieferungsverträgen bei Fremdbezug und damit die Fälligstellung etwaiger offener Darlehensbeträge dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein. Eine Kündigung würde den Interessen des Getränkelieferanten diametral entgegenlaufen und den vertragsbrüchigen Gastwirt „belohnen“. 2.

Kündigungsgrund

2.2122 Der Getränkebezug über eine nicht vereinbarte Bezugsquelle begründet grundsätzlich eine Pflichtverletzung und stellt einen wichtigen Grund für eine außeror___________ 2618) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 2619) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11 (Vertrag GetränkefachgroßhändlerGastwirt). 2620) Ebenso das OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917, im Zusammenhang mit einer Vertragsstrafe. 2621) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399. 2622) Siehe oben § 17 IV 3 m. w. N. 2623) Siehe oben § 18 III jeweils m. w. N sowie BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024.

630

VII. Prozessuales

dentliche Kündigung dar.2624) Zweck eines Getränkelieferungsvertrages ist es nämlich, dass der Getränkeabsatz des Getränkelieferanten gesichert wird. Wird hiergegen verstoßen, liegt auch ein bewusster Verstoß gegen den Vertrag vor. Bestand eine Getränkebezugsverpflichtung nach dem Vertrag nur „während der 2.2123 fest vereinbarten Pachtzeit“, war diese aber längst abgelaufen und für den Fall einer Fortsetzung des Pachtverhältnisses von der Möglichkeit einer Neufestsetzung der Bezugsverpflichtung kein Gebrauch gemacht worden, so rechtfertigt sich die fristlose Kündigung des Gaststättenpachtvertrages allerdings nicht aus einem angeblichen Fremdbezug.2625) 3.

Wesentlicher bzw. schwerwiegender Verstoß

Klauseln, die eine sofortige Fälligstellung des Restdarlehens bei schuldhaftem 2.2124 Fremdbezug anordnen, dürften jedenfalls dann unbedenklich sein, wenn sie einer Auslegung im Sinne einer Beschränkung auf Vertragsverletzungen von einigem Gewicht, die die Durchführung des Vertrages gefährden, zugänglich sind.2626) VII. Prozessuales 1.

Klageart

Soweit der Getränkelieferant den ihm durch den Bruch der Bezugsverpflich- 2.2125 tung entstandenen Schaden gegenwärtig nicht beziffern kann, weil er zunächst die begehrte Auskunft braucht, so ist eine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) statthaft. Eine Stufenklage mit unbeziffertem Leistungsantrag ist nicht – vorrangig – zu erheben.2627) 2.

Klagehäufung

Zumeist wird der Getränkelieferant in seiner (Hauptsache-)Klage Anträge auf 2.2126 Unterlassung des Fremdbezuges, Wiederaufnahme des vertragsgemäßen Bezuges, ggf. Auskunft sowie darüber hinaus Schadensersatz, etwa im Wege einer Stufenklage, stellen.2628) ___________ 2624) OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2625) OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2626) Zu dieser Auslegungsmöglichkeit BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320 = ZIP 1984, 1485 = Zeller III, 306, betreffend Ziff. 15 der im Möbelhandel verwendeten AGB. 2627) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 2628) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685.

631

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

3.

Rechtsschutzinteresse

2.2127 Ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens einer Getränkebezugsverpflichtung ist auch dann gegeben, wenn es für den Fall einer möglichen vorzeitigen Kündigung eines bestehenden Pachtverhältnisses und der dann möglichen Schließung der Gaststätte geltend gemacht wird.2629) 4.

Tenor

2.2128 Im Rahmen des Auskunftsantrages kann der Beklagte auch zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet werden, selbst dann, wenn er eine Auskunft erteilt hat. Besteht nämlich Grund zu der Annahme, dass die Angaben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht wurden und damit nicht wahrheitsgemäß sind, so hat der Beklagte zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen so vollständig gemacht hat, wie er dazu in der Lage war. 5.

Streitwert

2.2129 a) Bei Parteien wie Gerichten besteht gelegentlich eine gewisse Unsicherheit über die Höhe des Streitwertes. Der Streitwert bemisst sich in solchen Fällen nicht nach § 9 ZPO, weil zwar die Abnahme der Getränke die Verpflichtung zu seiner Bezahlung zur Folge hat, ein Urteil aber hinsichtlich des nicht miteingeklagten Kaufpreises keine Rechtskraft bewirkt. Der Streitwert ist vielmehr gem. § 3 ZPO nach dem Interesse des Getränkelieferanten an der Getränkeabnahme zu schätzen. Die Instanzrechtsprechung geht dabei teilweise von dem während der streitigen Zeit der Bezugsbindung des Getränkelieferanten entgehenden Gewinn,2630) teilweise auch von dem während der verbleibenden Zeit zu erwartenden Umsatz aus.2631) In Übereinstimmung mit einer vermittelnden Meinung2632) richtet der BGH die Bemessung des Streitwertes am Gewinnentgang des Getränkelieferanten aus, berücksichtigt aber dessen Interesse an der langfristigen Sicherung eines kontinuierlichen Absatzes und an der mit dem Absatz seiner Produkte verbundenen Werbewirkung mit einem deutlichen Aufschlag von im Regelfall etwa 15 %.2633) ___________ 2629) OLG Hamm, Urt. v. 19.1.1979 – 20 U 281/78. 2630) OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.2.1985 – 15 U 119/84, NJW 1985, 2722 = Zeller II, 76; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96. 2631) OLG Neustadt, Beschl. v. 28.11.1961 – 2 W 112/61, MDR 1962, 413. 2632) OLG Bamberg, Beschl. v. 14.7.1977 – 3 W 22/77, MDR 1977, 935; OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.10.1978 – 2 O. 69/74, JurBüro 1979, 436; OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.2007 – 5 W 104/07. 2633) Derartige Berechnungen liegen den – nicht veröffentlichten – Streitwertbeschlüssen in den Sachen BGH, Urt. v. 27.4.1994 – VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 = ZIP 1994, 884, und BGH, Urt. v. 1.6.1994 – VIII ZR 242/92, zugrunde; OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.6.1997 – 5 U 36/96.

632

VIII. Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen

b) Maßgeblich ist somit das Absatzinteresse des Getränkelieferanten. Grund- 2.2130 lage der Streitwertfestsetzung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO2634), so bei einer Klagt des Getränkelieferanten auf Feststellung der Verpflichtung des Gastwirts zur Abnahme von Getränken. Vergleichbares wird oft für den Antrag gelten, den Bezug von Fremdgetränken zu verbieten, mit dem mittelbar zumeist dasselbe wirtschaftliche Ziel erreicht werden soll.2635) Ausschlaggebend für die Streitwertfestsetzung ist die zu schätzende Beein- 2.2131 trächtigung, die von dem beanstandeten Verfahren verständlicherweise zu besorgen ist und die mit der begehrten Maßnahme beseitigt werden soll.2636) In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung dahingehend, welchen Umfang ein Fremdbezug von Getränken seitens des Verfügungsbeklagten zu Lasten des Verfügungsklägers annehmen könnte, wurde analog § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 RVG ein Wert von 4.000,00 € zugrunde gelegt.2637) c) Die enthaltene Androhung eines Ordnungsmittels wird darüber hinaus streit- 2.2132 wertmäßig nicht erfasst, weil sie nicht den Anspruch selbst betrifft, sondern der Vollstreckung zuzurechnen ist.2638) 6.

Zwangsvollstreckung

Im Unterlassungsverfahren hatte der Getränkelieferant zunächst ein Urteil im 2.2133 einstweiligen Verfügungsverfahren erwirkt, wonach dem Gastwirt unter Androhung von Ordnungsgeld untersagt worden war, nicht von dem Getränkelieferant bezogene Getränke zum Ausschank zu bringen. Den diesbezüglichen Vollstreckungsantrag wies das Gericht nach Vernehmung von Zeugen zurück, weil nicht feststehe, dass der Gastwirt überhaupt noch Betreiber der Absatzstätte war.2639) VIII. Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen 1.

Anspruchsziele

Ebenso wie im Zusammenhang mit dem Thema Fremdbezug hat der Getränke- 2.2134 lieferant im Fall der Fremdbelieferung Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz gegen den Drittlieferanten. Allerdings stützt er sich insofern auf das Wettbewerbsrecht. Verfahrensrechtlich stehen ihm die üblichen Mittel (Abmahnung, einstweilige Verfügung, Klage) zur Verfügung. ___________ 2634) LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 2635) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 432. 2636) Zöller-Herget, ZPO, § 9 Rz. 16 Stichwort „Unterlassung“. 2637) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 2638) AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036. 2639) OLG Köln, Beschl. v. 28.9.1998 – 5 W 54/98.

633

§ 30 Fremdbezug und Fremdbelieferung

2.

Verleiten zum Vertragsbruch

2.2135 a) Grundsatz. Der „Verwilderung der Sitten beim Kampf der Getränkelieferanten um Absatzstätten“ ist Einhalt zu gebieten.2640) Ein Getränkelieferant, der in Kenntnis der bereits bestehenden Bezugsbindung einen Gastwirt zum Vertragsbruch verleitet, um ihn seinerseits zu binden, handelt grundsätzlich wettbewerbswidrig (§§ 3, 4 Nr. 4 UWG). Das bewusste Hinwirken darauf, dass jemand vertragsbrüchig wird, ist ohne Weiteres wettbewerbswidrig, wenn es zu Zwecken des Wettbewerbs geschieht. Dies unabhängig davon, ob weitere Umstände hinzutreten. Gleiches gilt für die Beihilfe hierzu.2641) 2.2136 b) Voraussetzungen. Der Begriff des Verleitens zum Vertragsbruch ist grundsätzlich umfassend zu verstehen. Es genügt jedes bewusste Hinwirken darauf, dass der andere einen Vertragsbruch begeht, auch wenn der Widerstand des anderen noch so gering ist. Die bloße Aufforderung zu einem Vertragsschluss stellt allerdings noch keine unlautere Verleitung zum Vertragsbruch dar, und zwar auch dann, wenn der Auffordernde weiß, dass der von ihm gewünschte Vertragsinhalt mit dem Inhalt vertraglicher Bindungen des Aufgeforderten gegenüber Dritten nicht vereinbar ist. Etwas anderes gilt bei besonders verlockenden Vertragsangeboten, so dass der Auffordernde mit der Annahme seines Angebots rechnen kann.2642) Eine Verleitung zum Vertragsbruch setzt somit ein Vertragsangebot von einem solchen Umfang oder mit solchen Konditionen voraus, dass der Anbieter aufgrund der davon ausgehenden Verlockung mit einer Annahme rechnen kann, obwohl der Annehmende damit eine anderweitige Vertragspflicht verletzt.2643) 2.2137 Der Verpächter eines Lokals handelt allerdings grundsätzlich nicht unlauter, wenn er das Pachtverhältnis fristgerecht kündigt, um den Pächter zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages zu veranlassen, in dem ihm das alleinige Recht zur Automatenaufstellung eingeräumt wird, mit der zwangsläufigen Folge, dass ein ohne seine Beteiligung vom Pächter mit einem Dritten abgeschlossene Automatenaufstellvertrag mit längerer Laufzeit nicht fortgesetzt werden kann.2644)

___________ 2640) BGH, Urt. v. 16.10.1956 – I ZR 2/55, BB 1956, 1088 = Zeller I, 388; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.4.2002 – 20 U 15/02, NJW-RR 2003, 104; LG Frankfurt/M. Urt. v. 14.7.1976 – 2/6 O. 451/75 für das Verhältnis zu Getränkefachgroßhändlern. 2641) BGH, Urt. v. 13.3.1981 – V ZR 35/80; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.10.1988 – 6 U 59/88, GRUR 1989, 71 = Zeller IV, 47. 2642) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.2.1977 – 2 U 177/76 (10,00 € Rückvergütung an Eigentümer für Benennung des Getränkelieferanten im Vertrag mit dem Pächter). 2643) OLG Stuttgart, Urt. v. 25.2.1977 – 2 U 39/77. Dort auch zu § 826 BGB. 2644) BGH, Urt. v. 24.4.1997 – I ZR 210/94, NJW 1998, 76 (Automatenaufstellvertrag).

634

VIII. Wettbewerbsrechtliche Fragestellungen

3.

Ausspannen von Kunden

a) Grundlagen. Das sog. Ausspannen von Kunden eines Mitbewerbers, also 2.2138 die Verleitung zur Vertragsauflösung ohne Vertragsbruch, gehört dagegen grundsätzlich zum Wesen des Wettbewerbs, und zwar selbst dann, wenn es zielbewusst und planmäßig geschieht. Es ist deshalb durchaus als zulässig anzusehen, um den Kunden eines Mitbewerbers zu werben, selbst wenn dieser noch vertraglich an den Mitbewerber gebunden ist. Wettbewerbswidrig wird das Ausspannen erst dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die den Wettbewerb verfälschen.2645) b) Freistellen von Schadensersatzansprüchen. Wer gegenüber einem durch 2.2139 einen Getränkelieferungsvertrag wirksam Gebundenen die Verpflichtung übernimmt, diesen von jeglichen Schadensersatzansprüchen Dritter freizustellen, soweit diese von dem Vertragsberechtigten geltend gemacht werden, dürfte unlauter handeln.2646) 4.

Ausnutzen fremden Vertragsbruchs

a) Grundsatz. Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs, ohne den 2.2140 vertraglich Gebundenen zu dem Vertragsbruch zu verleiten, ist grundsätzlich nicht unlauter, wenn nicht besondere, die Unlauterkeit begründende Umstände hinzutreten.2647) b) Ausnahmen. Hiervon hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Ge- 2.2141 tränkelieferungsverträgen in einigen Konstellationen Ausnahmen anerkannt. Als Umstände, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit die Unlauterkeit des Ausnutzens eines Vertragsbruchs begründen können, wurden in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen genannt: Ein Ausnahmefall kann erstens dann vorliegen, wenn der Gastwirt gegenüber 2.2142 einem Getränkelieferanten erhebliche Zahlungsrückstände hat und die nunmehr eingegangene Bezugsbindung in erster Linie dazu dienen soll, durch einen Aufschlag auf den jeweiligen Bezugspreis die Schulden abzubauen, um dem Getränkelieferanten die Einleitung einer Zwangsvollstreckung zu ersparen. Dann ist die Bezugsverpflichtung Bestandteil eines Schuldtilgungsabkommens und durch die Belieferung wird die Schuldtilgung in Frage gestellt.2648) ___________ 2645) LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 21.4.1994 – 4 O. 2162/93. Vgl. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 13.2.2003 – 6 U 63/02, BeckRS 2003, 30306871 (Flüssiggastanks). 2646) BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, GRUR 1974, 97 mit kritischer Anmerkung Fischötter. 2647) BGH, Urt. v. 28.3.1969 – I ZR 33/67, NJW 1969, 1293 = Zeller I, 445; BGH, Urt. v. 1.12.1999 – I ZR 130/96, BGHZ 143, 232 = NJW 2000, 2504 = ZIP 2000, 1175; BGH, Urt. v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, NJW 2007, 2999; BGH, Urt. v. 11.9.2008 – I ZR 74/06, NJW 2009, 1504; LG Aschaffenburg, Urt. v. 21.3.1991 – 1 HKO 48/91, Zeller, IV, 380. 2648) BGH, Urt. v. 16.10.1956 – I ZR 2/55, BB 1956, 1088 = Zeller I, 388.

635

§ 31 Minderbezug

2.2143 Zweitens hat der BGH unter Hinweis auf die Üblichkeit ausschließlicher Bierbezugsverpflichtungen und deren allgemeiner Respektierung dem Umstand ein besonderes Gewicht beigemessen, dass der Beklagte in Kenntnis der Sachlage mit der Belieferung des Gastwirts die Erfüllung von Darlehensverpflichtungen gefährdete, die der Gastwirt im Rahmen des Getränkelieferungsvertrages übernommen hatte.2649) 2.2144 Wer weiter in Kenntnis der Tatsache, dass in einer Gastwirtschaft bereits ein Unterhaltungsautomat eines Mitbewerbers aufgestellt ist, mit dem Gastwirt einen Aufstellvertrag über Musik- und Spielautomaten abschließt, ohne sich zu vergewissern, dass dem nicht anderweite vertragliche Verpflichtungen des Gastwirts entgegenstehen, handelt wettbewerbswidrig. Er darf sich nicht mit der Erklärung des Gastwirts, er sei vertraglich nicht gebunden, begnügen.2650) § 31 Minderbezug I.

Mengenvereinbarung

1.

Vereinbarung

2.2145 Ohne eine entsprechende vertragliche Regelung ist der Kunde nicht verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine bestimmte Menge Getränke abzunehmen.2651) Es liegt im allseitigen Interesse, sowohl das „Ob“2652) als auch das „Wie“ einer (periodischen) Mindestabnahmeverpflichtung möglichst genau zu vereinbaren. Dies auch deshalb, weil schriftliche Vereinbarungen die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) für sich haben. Daher sollte die Mindestabnahmemenge nach Umfang (Gesamt-, Jahres- oder Monatsmenge, Menge für ein Rumpfgeschäftsjahr) und Zusammensetzung (Fass-/Flaschenbier, Biersorten, Biermarken) so genau wie möglich angegeben werden.2653) 2.

Auslegung

2.2146 a) Grundsatz. Bei Unsicherheiten ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang Mindestabnahmemengen vereinbart sind.2654) So ist zu klären, ob die Vereinbarung der Mindestabnahmemenge als fest bestimmtes ___________ 2649) BGH, Urt. v. 28.3.1969 – I ZR 33/67, NJW 1969, 1293 = Zeller I, 445; LG Aschaffenburg, Urt. v. 21.3.1991 – 1 HKO 48/91, Zeller, IV, 380; zweifelhaft daher OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199, und bei Bühler, BB 1994, 663; BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 739 = Zeller I, 467 (Automatenaufstellvertrag). 2650) BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, GRUR 1974, 97 (Automatenaufstellvertrag) mit kritischer Anmerkung Fischötter. 2651) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 2652) Bereits an einer Einigung über eine Mindestabnahmeverpflichtung fehlt es u. a. in folgenden Fällen: OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 2653) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 2654) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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§ 31 Minderbezug

2.2143 Zweitens hat der BGH unter Hinweis auf die Üblichkeit ausschließlicher Bierbezugsverpflichtungen und deren allgemeiner Respektierung dem Umstand ein besonderes Gewicht beigemessen, dass der Beklagte in Kenntnis der Sachlage mit der Belieferung des Gastwirts die Erfüllung von Darlehensverpflichtungen gefährdete, die der Gastwirt im Rahmen des Getränkelieferungsvertrages übernommen hatte.2649) 2.2144 Wer weiter in Kenntnis der Tatsache, dass in einer Gastwirtschaft bereits ein Unterhaltungsautomat eines Mitbewerbers aufgestellt ist, mit dem Gastwirt einen Aufstellvertrag über Musik- und Spielautomaten abschließt, ohne sich zu vergewissern, dass dem nicht anderweite vertragliche Verpflichtungen des Gastwirts entgegenstehen, handelt wettbewerbswidrig. Er darf sich nicht mit der Erklärung des Gastwirts, er sei vertraglich nicht gebunden, begnügen.2650) § 31 Minderbezug I.

Mengenvereinbarung

1.

Vereinbarung

2.2145 Ohne eine entsprechende vertragliche Regelung ist der Kunde nicht verpflichtet, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine bestimmte Menge Getränke abzunehmen.2651) Es liegt im allseitigen Interesse, sowohl das „Ob“2652) als auch das „Wie“ einer (periodischen) Mindestabnahmeverpflichtung möglichst genau zu vereinbaren. Dies auch deshalb, weil schriftliche Vereinbarungen die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) für sich haben. Daher sollte die Mindestabnahmemenge nach Umfang (Gesamt-, Jahres- oder Monatsmenge, Menge für ein Rumpfgeschäftsjahr) und Zusammensetzung (Fass-/Flaschenbier, Biersorten, Biermarken) so genau wie möglich angegeben werden.2653) 2.

Auslegung

2.2146 a) Grundsatz. Bei Unsicherheiten ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob und in welchem Umfang Mindestabnahmemengen vereinbart sind.2654) So ist zu klären, ob die Vereinbarung der Mindestabnahmemenge als fest bestimmtes ___________ 2649) BGH, Urt. v. 28.3.1969 – I ZR 33/67, NJW 1969, 1293 = Zeller I, 445; LG Aschaffenburg, Urt. v. 21.3.1991 – 1 HKO 48/91, Zeller, IV, 380; zweifelhaft daher OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199, und bei Bühler, BB 1994, 663; BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 739 = Zeller I, 467 (Automatenaufstellvertrag). 2650) BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, GRUR 1974, 97 (Automatenaufstellvertrag) mit kritischer Anmerkung Fischötter. 2651) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 2652) Bereits an einer Einigung über eine Mindestabnahmeverpflichtung fehlt es u. a. in folgenden Fällen: OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 2653) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 2654) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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I. Mengenvereinbarung

oder als lediglich anzustrebendes Vertragsziel auszulegen ist.2655) Im ersten Fall wird hier von Mindestmengenvereinbarung, im zweiten Fall von bloßer Zielmengenvereinbarung gesprochen. Diese Frage kann sich sowohl bei Getränkelieferungsverträgen mit Jahresmindestbezugsmengen als auch bei Gesamtmengenverträgen2656) ergeben. b) Mindestmengenvereinbarung aa) Hinreichende Formulierungen. Hin- 2.2147 reichend ist die Formulierung „Bierabnahme ausschließlich von der Brauerei, Mindestabnahme jährlich … hl“.2657) Zur Mehrdeutigkeit der Formulierungen „vorausgesetzt jährlich x hl Bier“ bzw. „120 hl jährlich oder 10 hl monatlich2658)“ vergleiche die Rechtsprechung.2659) Zu einem Fall, in dem die Pachtzinshöhe von der „vorausgesetzten“ Jahresabnahme abhängen sollte, siehe die BGH-Entscheidung vom 6.12.1989.2660) bb) Insuffiziente Formulierungen. aaa) Wenig hilfreich ist auch die Formu- 2.2148 lierung „Die Kunden schätzen den jährlichen Gesamt-Bierumsatz auf mindestens 800 hl … Unterschreiten die Kunden die obige Absatzmenge nachhaltig, so steht der Brauerei auch die Möglichkeit offen, ihre Leistung für die Zukunft nach billigem Ermessen zu beschränken.“2661) bbb) Werden nur unverbindlich gemeinsame Erwartungen formuliert, so 2.2149 reicht dies nicht.2662) Beispielhaft hierfür ist die Formulierung „Der Getränkelieferant und der Gastwirt gehen einvernehmlich davon aus, dass in der Absatzstätte jährlich mindestens x hl Bier abgesetzt werden können.“2663) Ähnlich ___________ 2655) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 125. 2656) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06. 2657) OLG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1989 – 2 U 259/88, BeckRS 1989, 30892034 = Zeller IV, 496. 2658) Zu monatlichen Bezugspflichten BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 = Zeller IV, 36; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2659) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2660) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210. 2661) OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.1984 – 12 U 81/84, Zeller IV, 551. 2662) OLG Hamburg, Beschl. v. 17.4.1984 – 14 W 42/84. 2663) OLG Brandenburg, Urt. v. 10.3.1998 – 6 U 159/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 21.4.1999 – VIII ZR 300/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467.

637

§ 31 Minderbezug

insuffizient sind Formulierungen wie „angesetzt werden … hl“, „prognostizierte … hl“ oder „zugrunde gelegte … hl“.2664) 2.2150 Allerdings bedarf es auch insofern der Auslegung des Getränkelieferungsvertrages in seiner Gesamtheit. Findet sich etwa an einer anderen Stelle des Vertragstextes die ausdrückliche Verpflichtung zur Erfüllung der Bezugsmenge oder gibt es – möglicherweise sogar mehrere – Vorschriften, die die Unterschreitung der Bezugsmenge sanktionieren, so mag die Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen. 2.2151 ccc) Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung über eine Mindestabnahmemenge, so kann im Rahmen der Auslegung auf die Regelungen für die Rückzahlung des Darlehens und Investitionskostenzuschusses (Darlehen: jährliche Mindesttilgungen in Höhe von 2.500,00 €, vorrangig durch Verrechnung einer Rückvergütung zu zahlen und im Übrigen Ausgleich durch eine Differenzrate; Investitionskostenzuschuss: Abschreibung in 24,5 gleichen monatlichen Beträgen und ggf. Rückzahlung des Restes) abgestellt und so jedenfalls eine Ausschankverpflichtung ermittelt werden.2665) 2.2152 ddd) Ebenso ist eine vertragliche Kündigungsmöglichkeit für den Fall zu prüfen, dass in einem Zeitraum von mindestens 12 aufeinander folgenden Monaten im Durchschnitt weniger als zehn hl Fassbier im Monat über den vereinbarten Bezugsweg bezogen wurden. Eine verbindliche Absprache über den Bezug einer bestimmten Mindestmenge ist damit aber nicht verbunden.2666) 2.2153 c) Die Vereinbarung einer Abnahmemenge kann naturgemäß auch durch einen Nachtrag erfolgen.2667) 2.2154 d) Der bloße Minderbezug kann nicht als Antrag auf Abänderung des Vertrages aufgefasst werden. Demzufolge kann auch in der bloßen Hinnahme eines Minderbezuges keine Annahme durch schlüssiges Verhalten gesehen werden.2668) 3.

Konsequenzen des Fehlens einer Mindestabnahmeverpflichtung

2.2155 a) Fehlt es an einer Mindestmengenvereinbarung, so können keine Ausgleichsansprüche wegen Minderbezuges auf einer entsprechenden Grundlage berechnet werden. Ggf. helfen vertragliche Minderbezugsausgleichsregelungen.2669) 2.2156 b) Im Übrigen bleibt die Option, einen Ausgleich auf der Grundlage des vorhandenen Bedarfs zu berechnen. Zu fragen ist dann, welche Getränkemenge der ___________ 2664) LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 2665) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2666) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2667) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 2668) OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348. 2669) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467.

638

I. Mengenvereinbarung

Gastwirt bei reibungsloser Vertragsdurchführung auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen durchschnittlichen Jahresabnahme voraussichtlich zur Deckung seines Bedarfs bezogen hätte.2670) Hat der Gastwirt allerdings keinen Bedarf, so braucht er auch nichts abzunehmen und damit auch nichts auszugleichen.2671) Zudem führt diese Vorgehensweise i. d. R. zu geringeren Ausgleichsansprüchen als der vorgenannte Weg. 4.

Individualabrede oder Klausel

a) Regel. Die Mindest-/Gesamtmenge dürfte zumeist individuell vereinbart 2.2157 worden sein.2672) b) Ausnahme. Allerdings ist auch Rechtsprechung zu berichten, die einen 2.2158 AGB-Charakter der Mindestabnahmeregelung angenommen hat.2673) Findet sich im Text des Getränkelieferungsvertrages wiederholt des Wort „Zu- 2.2159 sicherung“ als Substantiv, Verb oder Adjektivattribut, so spricht dies für eine Vorformulierung i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ein verstärkter Rechtsbindungswille zu Lasten des Gebundenen kann daraus nicht abgeleitet werden, schon gar in individuell erklärter Natur. Dies muss erst recht gelten, wenn es sich bei dem Gebundenen um einen Nichtbetreiber, etwa einen Verein oder einen Hauseigentümer, handelt. ___________ 2670) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 299, 125. 2671) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2672) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., (Hinweis-)Beschl. v. 11.2.2013 – 13 U 473/11, BeckRS 2013, 12063; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; offen lassend OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.1.1993 – 6 U 182/92. 2673) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.3.1999 – 13 U 188/98; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081.

639

§ 31 Minderbezug

2.2160 Bestand hinsichtlich der Abnahmemenge aufgrund des Investitionsvolumens des Getränkelieferanten kein Diskussionsspielraum und wurde diese wie auch bei anderen Verträgen mit einem ähnlichen Investitionsvolumen von dem Getränkelieferanten vorgegeben, dann wurde über die Abnahmemenge nicht verhandelt, wenn über sie auch gesprochen wurde. Noch weniger wurde die Abnahmemenge i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgehandelt. Unmaßgeblich ist, ob der Getränkelieferant die Abnahmemenge von einem anderen übernommen hatte.2674) Letzteres dürfte im Vertriebsmodell 3 praktisch werden, wenn Getränkefachgroßhändler die Regelungen aus der Refinanzierungsvereinbarung mit dem Getränkehersteller übernehmen. 5.

Abrechnung

2.2161 a) Anrechnung. Flaschenbierbezüge können im Hinblick auf den ggf. geringeren Deckungsbeitrag nur anteilig auf die vereinbarte Mindestbezugsmenge angerechnet werden. 2.2162 b) Zeitfenster. Das Nichterreichen der vereinbarten Jahresmindestbezugsmenge sollte regelmäßig abgerechnet werden. Gleiches gilt für vereinbarte Bonuszahlungen. Hinsichtlich der Malusforderungen ginge anderenfalls auch die Appellfunktion der Berechnung des Malus ins Leere. Im Vertriebsmodell 2 ist dazu die entsprechende Absatzmeldung des Getränkefachgroßhändlers erforderlich. Verzögerte oder fehlerhafte Absatzmitteilungen belasten die Buchhaltung der Brauereien erheblich. Nicht selten sind infolge fehlerhafter Absatzmitteilungen Malusabrechnungen zu stornieren und neu zu erstellen. Zur ganzjährigen bzw. anteiligen Abrechnung der Minderbezüge wird verwiesen auf die Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 6.7.2009.2675) 2.2163 c) Umsatzsteuer. Handelt es sich – wie zumeist – bei Malusberechnungen um die Geltendmachung eines Schadensersatzes, so darf keine Umsatzsteuer berechnet werden.2676) Im Übrigen und insbesondere auch bei Bonuszahlungen besteht dagegen eine Umsatzsteuerpflicht. 2.2164 d) Bestreiten. Bestreitet der Gastwirt die abgerechneten Bezugsmengen mit Nichtwissen, so ist dieses Bestreiten gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig und damit unbeachtlich, weil es sich um eigene Handlungen (Absatzmenge) des Gastwirts handelt.2677) 2.2165 e) Zuvielforderung. Mahnt der Getränkelieferant einen falschen Malusbetrag an, so steht dies grundsätzlich einer wirksamen Mahnung nicht entgegen. Der Schuldner gerät auch dann in Verzug. Zu prüfen ist, ob dieser die Erklärung als ___________ 2674) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 2675) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 2676) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2677) Siehe auch LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06.

640

II. Wirksame Getränkebezugsverpflichtung

Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muss und der Gläubiger auch zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist.2678) Bei einer unverhältnismäßig hohen Zuvielforderung kann das zu verneinen sein.2679) Die Wirksamkeit einer Zuvielforderung wird im Regelfall dann bejaht, wenn anzunehmen ist, dass der Schuldner auch bei einer auf dem wirklichen Rückstand beschränkten Mahnung nicht geleistet hätte.2680) Weist die Mengenabrechnung den geschuldeten Betrag als Nettobetrag aus und hat der Schuldner durch sein weiteres Verhalten gezeigt, auch diesen Betrag nicht zahlen zu wollen, so ist die Geltendmachung der Mehrwertsteuer unbeachtlich.2681) f) Verjährung. Insofern kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2682)

2.2166

g) Verwirkung. Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung sind einige Ent- 2.2167 scheidungen zu nennen.2683) h) Überzahlung. Für den Fall zu viel gezahlter Ausgleichsbeträge ist als An- 2.2168 spruchsgrundlage an § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zu denken. Dann ist inzident die entsprechende Malusregelung als Rechtsgrund zu prüfen.2684) II.

Wirksame Getränkebezugsverpflichtung

1.

Grundsatz

Ersatzansprüche wegen Nichtabnahme von Getränken setzen eine wirksame 2.2169 Getränkebezugsverpflichtung voraus.2685) ___________ 2678) BGH, Urt. v. 25.6.1999 – V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 = ZIP 1999, 1528. 2679) BGH, Urt. v. 13.11.1990 – XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286 = ZIP 1991, 155. 2680) BGH, Urt. v. 25.6.1999 – V ZR 190/98, NJW 1999, 3115 = ZIP 1999, 1528. 2681) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 2682) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. Siehe unten § 31 IV 8 m. w. N. 2683) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203 (Brauerei-Getränkefrachgroßhändler). 2684) OLG Hamm, Urt. v. 7.6.2002 – 29 U 88/01. 2685) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 124/99; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17.3.2000 – 11 U (Kart) 29/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 19.12.2000 – VIII ZR 101/00; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschluss, der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. Zur Getränkebezugsverpflichtung siehe oben § 1 III 5 – 6, jeweils m. w. N.

641

§ 31 Minderbezug

2.

Erreichbarkeit der Mindestabnahmemenge

2.2170 a) In der Fallgruppe der Mengenvereinbarung2686) ist zu beachten, dass die Vereinbarung einer im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten der Absatzstätte unrealistischen Absatzmenge in Verbindung mit Ausgleichsansprüchen bei Nichtabnahme wurde in einigen Entscheidungen als sittenwidrig angesehen wird.2687) Dies insbesondere bei Getränkelieferungsverträgen mit Nichtbetreibern (Eigentümererklärungen), etwa Vereinen und Hauseigentümern.2688) 2.2171 b) In der Praxis wird vielfach verkannt, dass nicht darauf abzustellen ist, ob sich – ex post – die Prognose zum Getränkebezug nach mehreren Jahren als richtig erweist. Vielmehr verlangt ein hinreichender Tatsachenvortrag des Darlegungs- und Beweisbelastenden, dass er vorträgt, die Erwartung einer gewissen Menge sei von vorne herein nicht realistisch gewesen und die Vertragsparteien hätten sich darüber in einem beiderseitigen Irrtum befunden.2689) III.

Auskunft

2.2172 Nach § 242 BGB besteht eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.2690) IV.

Schadensersatz

1.

Wege zum Schadensersatz

2.2173 a) Wie immer sind vertragliche Regelungen vorrangig.2691) Insofern sind die üblichen Inhaltsschranken zu beachten.2692) 2.2174 b) Für die Annahme eines Schadensersatzanspruches aus selbstständigem Garantieversprechen ist Voraussetzung, dass der Kunde dafür einstehen will, in ___________ 2686) Siehe oben § 31 I 3 a m. w. N. 2687) OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. Siehe oben § 9 VII 8 d aa m. w. N. 2688) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06 (Investitionskostenausgleich). 2689) Siehe oben § 9 VII 8 d cc m. w. N. 2690) OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 2691) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99. 2692) Siehe oben §§ 19 und 17, jeweils m. w. N.

642

IV. Schadensersatz

jedem Fall pro Geschäftsjahr ein bestimmtes hl-Volumen Getränke abzusetzen. Dies ist regelmäßig nicht anzunehmen.2693) Im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler könnte dies anders zu beurteilen sein.2694) c) Im Rahmen der gesetzlichen Modelle nach §§ 280, 281 BGB stehen dem 2.2175 Getränkelieferanten mehrere Optionen zur Verfügung.2695) Abzugrenzen sind dabei insbesondere die Fallgruppen der Unmöglichkeit (§ 280 Abs. 1 und 3 BGB). von der des Schuldnerverzuges (§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 kann nur nach sorgfältiger Prüfung herangezogen werden. d) Im Übrigen. Da der Getränkelieferant einen Vermögensschaden geltend 2.2176 macht, scheidet § 823 BGB aus.2696) 2.

Abgrenzung Unmöglichkeit-Schuldnerverzug-Geschäftsgrundlage

a) Unmöglichkeit. Allein durch Zeitablauf oder Ablauf des „Erfüllungszeit- 2.2177 raums“ tritt grundsätzlich noch keine Unmöglichkeit ein. Der Erfolg muss vielmehr Vertragsinhalt geworden sein. Nur dann passt das Unmöglichkeitsrecht.2697) Die geschuldete Leistungshandlung (Getränkeabnahme) vermag zwar noch vorgenommen werden können, doch kann sie den vertragsgemäßen Erfolg nicht mehr erreichen.2698) Unmöglichkeit infolge Zeitablaufs ist dann gegeben, wenn die Leistung nicht mehr nachholbar ist. Zu fragen ist, wer nach der vertraglichen Regelung das Risiko zu tragen hat. Entscheidend für die Abgrenzung zum Schuldnerverzug sind die tatrichterlichen Feststellungen.2699) ___________ 2693) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 2694) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 2695) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 2696) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2697) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155. 2698) OLG Köln, Urt. v. 16.2.1977 – 2 U 115/76. 2699) BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen); BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242.

643

§ 31 Minderbezug

2.2178 b) Absolute Fixgeschäfte, die nur einen Sonderfall der Zweckstörung i. S. d. § 313 BGB darstellen, sind auch bei zeitgebundenen Dauerschuldverhältnissen mit zeitabschnittsweise zu erbringenden Leistungen denkbar. Ein absolutes Fixgeschäft liegt vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit so wesentlich ist, dass die verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt.2700) Voraussetzung ist, dass der genaue Leistungszeitpunkt für den Zweck der Leistungspflicht und der Erfüllbarkeit so große Bedeutung hat, dass das Verstreichen des Termins die Leistung unmöglich macht. Bei Dauerschuldverhältnissen dürfte es sich häufiger um absolute Fixgeschäfte handeln, weil bei ihnen die einmal verzögerte Leistung in der Regel nicht mehr nachgeholt werden kann. Eine Leistungsverzögerung kann dann zur Teilunmöglichkeit führen.2701) 2.2179 c) Im Gegensatz dazu steht das relative Fixgeschäft. Dieses unterscheidet sich vom absoluten Fixgeschäft dadurch, dass bei ihm an sich auch nach Überschreitung des vertraglich fixierten Leistungszeitpunkts eine Erfüllung noch möglich ist, nur entspricht diese im Regelfall nicht dem Interesse des Gläubigers. Die Einhaltung der Leistungszeit ist so wesentlich, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft „stehen und fallen“ soll. Beim relativen Fixgeschäft kann der Gläubiger gem. § 323 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 BGB nur ein sofortiges Rücktrittsrecht geltend machen, nicht aber sofort ohne Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB Schadensersatz verlangen.2702) Allerdings dürfte hier die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergeben, dass ein Abwarten der Nacherfüllung den Getränkelieferanten unangemessen benachteiligen würde. 2.2180 d) Konsequenzen. Die vom Getränkelieferanten gewählte Regelung bzw. prozessuale Vorgehensweise kann im Ergebnis auf höhere Anwendungshürden für die Geltendmachung eines Schadensersatzes statt der Leistung hinauslaufen. Es gilt dann nicht § 283 BGB (Unmöglichkeit), sondern § 281 BGB (Schuldnerverzug).2703) Führt die Nichteinhaltung der Leistungszeit zur Unmöglichkeit (§ 275 BGB) i. S. eines absoluten Fixgeschäfts und damit zum Wegfall des Erfüllungsanspruchs des Gläubigers, und hat der Schuldner die Nichteinhaltung der Leistungszeit zu vertreten, so kann der Gläubiger ohne Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 283 BGB). Kann dagegen ein absolutes Fixgeschäft nicht festgestellt werden, so ist die Leistung des Schuldners nach der vereinbarten Leistungszeit noch nachholbar und der Gläubiger behält einen durchsetzbaren Erfüllungsanspruch. ___________ 2700) BGH, Urt. v. 25.1.2001 – I ZR 287/98, NJW 2001, 2878; BGH, Urt. v. 28.4.2009 – Xa ZR 113/08. 2701) BGH, Urt. v. 16.9.1987 – IVb 27/86, BGHZ 101, 325 = NJW 1988, 251. 2702) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 2703) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155.

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IV. Schadensersatz

e) Praxishinweis. Sowohl für die Vertragsgestaltung als auch für die anschlie- 2.2181 ßende prozessuale Durchsetzung muss sich der Getränkelieferant über sein primäres Interesse im Klaren sein. Geht sein Interesse dahin, auch nach Ablauf der vereinbarten Leistungszeit noch Erfüllung verlangen zu können, so sollte er dies im Vertrag deutlich formulieren. Beispielsweise ist es denkbar, Mindermengen aus Vorjahren auch noch in den Folgejahren als erfüllbar anzusehen und/oder diese nach dem benannten Vertragsende im Rahmen einer entsprechenden Verlängerung unter Beachtung der in der Rechtsprechung entwickelten Laufzeitgrenzen anzuhängen. Ersteres dürfte dann anzunehmen sein, wenn nicht nur eine periodische, insbesondere jährliche, Mindestabnahmemenge, sondern darüber hinaus eine Gesamtabnahmemenge vereinbart ist. Unklare Vertragsformulierungen gehen auch hier, ggf. gem. § 305c Abs. 2 BGB, zu Lasten des Getränkelieferanten. Lässt sich der Vertragsauslegung dagegen klar entnehmen, dass mit Abfall der Teilperiode das Erfüllungsinteresse des Getränkelieferanten weggefallen ist und damit ein absolutes Fixgeschäft vereinbart ist, so ist die Leistung nicht mehr nachholbar. Dann ist der Weg zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches statt der Leistung wegen Unmöglichkeit eröffnet. Ist sich der Getränkelieferant im Übrigen ob der von ihm eigen verantworteten Vertragsformulierungen und/oder seiner Vertragsabwicklungspraxis nicht im Klaren, ob ihm der leichtere Weg der Unmöglichkeit offen steht, so sollte er das Erfordernis einer Nachfristsetzungserfordernis beachten. 3.

Exkurs Schuldnerverzug

a) Grundlagen. Bei § 281 BGB handelt es sich um eine Norm, nach der ein Leis- 2.2182 tungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch umgewandelt wird. Der Schadensersatzanspruch ersetzt die Primärpflicht. Anders als § 280 BGB ist § 281 BGB nur einschlägig, wenn der Schaden durch Nacherfüllung beseitigt werden kann. Die allgemeinen Voraussetzungen – Pflichtverletzung, Vertretenmüssen, Mahnung sowie Nachfristsetzung – sind festzustellen. Sie können auch im Unternehmerverkehr nicht abbedungen werden.2704) Insofern ist der Getränkelieferant ebenso darlegungs- und beweispflichtig wie für eine etwaige Entbehrlichkeit wegen Interessewegfalls (§ 281 Abs. 2 BGB).2705) Hinzu kommen ungeschriebene Tatbestandsmerkmale in Form der Fälligkeit und Durchsetzbarkeit. b) Fälligkeit. In dem Zeitpunkt, in dem der Getränkelieferant als Gläubiger die 2.2183 Nachfrist setzt, muss die Leistung fällig sein (§ 281 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 271 BGB. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Schuldner, wenn ihm der Gläubiger die Frist setzt, bereits mit der Leistung in Verzug ist oder dass der Schuldner wenigstens gleich mit der Fristsetzung in Verzug gebracht wird. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen wird man ___________ 2704) Siehe oben § 17 II 1 m. w. N. 2705) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936.

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§ 31 Minderbezug

verlangen müssen, dass spätestens mit Ablauf der Nachfrist der Tatbestand des Verzugs in objektiver und subjektiver Hinsicht uneingeschränkt vorliegt. 2.2184 c) Durchsetzbarkeit. Obgleich das Gesetz in § 281 Abs. 1 BGB nur von Fälligkeit spricht, ist als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung zu verlangen, dass der Anspruch durchsetzbar ist.2706) 2.2185 d) Mahnung. aa) Grundsatz. Selbst wenn eine Mahnung im Hinblick auf § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei vereinbarten Jahresmindestbezugsmengen mit Ablauf des (Kalender-)Jahres bzw. bei Mengenverträgen mit bestimmten Laufzeiten entbehrlich sein sollte, bleibt es im Regelfall bei dem Erfordernis einer vorherigen Mahnung. Diese muss nach Fälligkeit erklärt werden (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). 2.2186 bb) Entbehrlichkeit. Eine Mahnung ist gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich, wenn der Gebundene die Erfüllung der Abnahmeverpflichtung ernsthaft und endgültig verweigert und sich zudem durch die Veräußerung des Gaststättengrundstücks ohne Weitergabe der Bezugsverpflichtung die weitere Abnahme von Getränken des Getränkelieferanten unmöglich gemacht hat.2707) 2.2187 f) Nachfristsetzung/Abmahnung. aa) Grundsatz. Grundsätzlich besteht auch die Obliegenheit zur Nachfristsetzung (§ 281 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB),2708) etwa durch eine schriftliche Aufforderung zur Wiederaufnahme des Bezuges unter Fristsetzung.2709) Der Lieferant kann bei entsprechender Vereinbarung nach Ablauf eines Monats oder nach einigen Monaten seinen entgangenen Gewinn als Schadensersatz statt der Leistung berechnen.2710) 2.2188 bb) Ggf. ist eine Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung gem. §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB zu prüfen.2711) ___________ 2706) Palandt-Grüneberg, BGB, § 281 Rz. 7. 2707) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2708) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 ((Mengen-)Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217. 2709) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2710) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242 (nicht abgedruckt). 2711) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936 (nicht abgedruckt); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77.

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IV. Schadensersatz

aaa) Ersthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. An das Vorliegen einer 2.2189 § 281 Abs. 2 Alt. 1 BGB entsprechenden Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein.2712) Eine endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung lässt sich auch nicht daraus herleiten, der Schuldner habe immer wieder deutlich zu verstehen gegeben, er sei nicht in der Lage, die vereinbarte Mindestabnahmemenge (in seiner Gaststätte) zu erfüllen. Denkbar ist nämlich in diesem Zusammenhang auch, dass er Bier abnimmt, ohne dieses in seiner eigenen Gaststätte zu verbrauchen. Ggf. kann auch das bisherige Verhalten und der Schriftverkehr zwischen den Beteiligten (Abmahnung bezüglich eines Fremdbezuges unter Hinweis auf die „bislang positive Zusammenarbeit“ etc.) nicht als hinreichend betrachtet werden.2713) Eine Gewerbeabmeldung genügt nicht.2714) bbb) Besondere Umstände. Auch an die Entbehrlichkeit der Fristsetzung we- 2.2190 gen besonderer Umstände gem. § 281 Abs. 2 Alt. 2 BGB sind besondere Anforderungen zu stellen. Bei Vereinbarung einer jährlichen Mindestabnahmemenge liegt zwar eine Leistungsverpflichtung vor, die kalendermäßig bestimmt ist. Diese macht aber eine Fristsetzung nicht entbehrlich. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien hierdurch ein absolutes Fixgeschäft vereinbart hätten. Dies läge nur dann vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Zweck des Vertrages und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich ist, dass eine verspätete Erfüllung keine Erfüllung mehr darstellt.2715) Entbehrlich dürfte die Nachfristsetzung etwa bei Einstellung des Betriebes, Fremdbezug sowie bei Veräußerung des Gaststättengrundstücks ohne Weitergabe der Bezugsverpflichtung sein, weil dann die weitere Abnahme von Getränken des Getränkelieferanten unmöglich gemacht wird.2716) Weiter ist zu denken an eine Kündigung, Anfechtung oder den Widerruf der Bezugsverpflichtung durch den Gastwirt. ccc) Nach der seit dem 13.6.2014 geltenden Fassung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 2.2191 BGB ist die Fristsetzung nur dann entbehrlich ist, „wenn der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertrags___________ 2712) OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217. 2713) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 2714) OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217. 2715) OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13. 2716) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99.

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§ 31 Minderbezug

schluss oder aufgrund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist“. 2.2192 Dabei ist zu beachten, dass ein Vertrag, in dem eine bestimmte Leistungszeit vereinbart wird, ein Fixgeschäft ist, wenn der Gläubiger dem Schuldner vor Vertragsschluss mitgeteilt hat, dass die termin- oder fristgerechte Leistung für ihn wesentlich ist. Ausreichend ist eine einseitige Mitteilung des Gläubigers vor Vertragsschluss.2717) Schließt der Schuldner in Kenntnis der Bedeutung der Leistungszeit für den Getränkelieferanten den Vertrag, ohne der Mitteilung zu widersprechen, so ist sein Verhalten dahin auszulegen, dass er sich mit der Wesentlichkeit der Leistungszeit einverstanden erklärt. Im Hinblick auf den Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) kann ein Widerspruch nicht wirksam in AGB erklärt werden. Lässt man die einseitige Mitteilung genügen, so liegt ein wirksamer Vertrag vor, und eine Fristsetzung ist nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich. Hält man demgegenüber am Erfordernis einer vertraglichen Einigung über die Wesentlichkeit der Leistungszeit fest, so könnte schon das Zustandekommen des Vertrages in Zweifel gezogen werden. Selbst bei der Einordnung als Nebenabrede, die den Vertragsschluss nicht hindern soll, fehlt es dann an der Vereinbarung eines (relativen) Fixgeschäfts. Im Übrigen handelt es sich bei der Mitteilung um eine geschäftsähnliche Handlung, die analog § 130 BGB zugehen muss. Das Gegenüber ist über die Wesentlichkeit der Einhaltung der Leistungszeit, sei es ausdrücklich, sei es in sonstiger Weise, hinreichend deutlich zu unterrichten. Für den Zugang genügt die Möglichkeit der Kenntnisnahme. 2.2193 cc) Dauer. Bei einer nicht erfüllten Bezugsverpflichtung dürfte eine Frist von ein bis drei Monaten mehr als hinreichend sein.2718) Wird eine zu kurze Frist gesetzt, wird eine angemessene Frist in Lauf gesetzt. Verlängert der Getränkelieferant während des Laufs einer bereits gesetzten Nachfrist diese einseitig, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken; im Zweifel ist die Verlängerung für den Schuldner nur vorteilhaft. Eine Nachfristsetzung vor Fälligkeit ist hingegen grundsätzlich unwirksam und wird auch nicht durch den nachträglichen Eintritt der Fälligkeit geheilt. 4.

Pflichtverletzung

2.2194 a) Einführung. Die Nichterfüllung einer vertraglichen oder gesetzlichen Leistungspflicht, worunter auch die Leistungsverzögerung fällt, stellt eine Pflichtverletzung dar. Die Feststellung einer Pflichtverletzung des Gastwirts ist, wie sich aus § 280 Abs. 3 BGB ergibt, auch Voraussetzung für einen Anspruch aus § 281 BGB. ___________ 2717) BT-Drucks. 1/712637, S. 58. 2718) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242.

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IV. Schadensersatz

b) Passivlegitimation. Obliegt die Betriebspflicht bei mehreren Vertragspart- 2.2195 nern, etwa einer GmbH und dem im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag als Mitdarlehensnehmer weiter benannten Geschäftsführer der GmbH, allein der juristischen Person, so richtet sich die Sanktionsklausel für den Fall des Fremd- oder Minderbezuges allein gegen die juristische Person als Betreiberin des Gaststättenobjektes. Diese ist als Unternehmerin (§ 14 Abs. 1 BGB) einzuordnen.2719) c) Fallgruppen. Haben die Vertragsparteien eine periodische Mindestbezugs- 2.2196 menge bzw. eine Gesamtmindestbezugsmenge vereinbart, so liegt in der Minderabnahme und damit in der teilweisen Nichtabnahme dieser Menge eine Pflichtverletzung. Die Minderabnahme stellt eine Fallgruppe der Nichterfüllung des Getränkelieferungsvertrages dar.2720) Kann eine Mengenvereinbarung nicht festgestellt werden,2721) so liegt die Pflicht- 2.2197 verletzung darin, dass dem Getränkelieferanten die durch den Vertrag eingeräumte Gelegenheit zum Absatz der von ihm hergestellten und/oder vertriebenen Getränke genommen wird.2722) Dabei ist nicht die Bestellung der Sollbezugsmenge, sondern die Abnahme als Erfüllung der Verpflichtung anzusehen. Dem Getränkelieferanten können dann Schadensersatzansprüche (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 281 BGB) zustehen.2723) d) Unmöglichkeit. Schon die Nichtleistung bei Fälligkeit stellt eine Pflichtverlet- 2.2198 zung i. S. d. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Sie begründet aber nicht allein, sondern nur bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen einen Schadensersatzanspruch.2724) Ob eine Handlung des Gebundenen das Leistungshindernis verursacht hat oder nicht, ist lediglich für die Frage der Entlastung des Schuldners gem. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB von Bedeutung und damit vom Schuldner und nicht vom Getränkelieferanten als Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Diese spezielle Pflichtverletzung im Fall der nachträglich eingetretenen Unmöglichkeit verdrängt die in § 280 ___________ 2719) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 2720) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 264; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 2721) Siehe oben § 31 I 3 b m. w. N. 2722) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2723) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 264; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 2724) Palandt-Grüneberg, BGB, § 280 Rz. 13.

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§ 31 Minderbezug

Abs. 1 Satz 1 BGB enthaltene allgemeine Voraussetzung einer Pflichtverletzung. Diese braucht dann nicht mehr geprüft zu werden.2725) Der Getränkelieferant muss in der Situation der Unmöglichkeit nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein Leistungshindernis, hier nach § 275 Abs. 1 BGB, eingetreten ist. 2.2199 Die Erfüllung der Getränkeabnahmeverpflichtung ist unmöglich geworden, wenn sie nicht mehr nachholbar i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB ist. Nur wenn dies der Fall ist, kann der Getränkelieferant unter den geringeren Voraussetzungen des § 283 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Maßgeblich dafür ist der Wortlaut des Getränkelieferungsvertrages unter verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessenlage (Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB). Dazu ist der Vertragsinhalt nach den Umständen und den verständigen Parteiinteressen zu würdigen. Im Regel fall dürfte Unmöglichkeit anzunehmen sein.2726) 5.

Vertretenmüssen

2.2200 a) Allgemein. Die in dem Minderbezug und erst recht Nichtbezug, auch in Gestalt des Fremdbezuges,2727) liegende objektive Pflichtverletzung ist dem Gastwirt nur dann zuzurechnen, wenn er die Minderabnahme zu vertreten hat (§§ 276, 278 BGB).2728) 2.2201 b) Feststellung. Die Frage, ob der Gastwirt die Beendigung des Bezuges zu vertreten hat, bedarf einer besonders genauen Prüfung. Es kann nicht per se von einem Verschulden ausgegangen werden. Jedenfalls ist für den Tatbestand des Nichtbezuges nicht absehbar, aus welchen Gründen keine Vertragsgetränke von dem Getränkelieferanten bezogen worden sind. Es kann durchaus Fälle geben, in der der Gastwirt nicht einmal aus Fahrlässigkeit keine Getränke bezieht.2729) 2.2202 c) Verschuldensvermutung. Auch im Rahmen der Geltendmachung von (pauschalierten) Schadensersatzansprüchen gilt hinsichtlich des erforderlichen Ver-

___________ 2725) MünchKomm-Ernst, BGB, § 283 Rz. 4. 2726) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155, mit überzeugenden Ausführungen. 2727) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Braunschweig, Urt. v. 7.5.2014 – 4 O. 1970/13; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 2728) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 2729) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024.

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IV. Schadensersatz

schuldens die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.2730) Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit des Entlastungsbeweises.2731) Das Nichtvertretenmüssen ist damit ein Einwendungstatbestand. d) Darlegungs- und Beweislast. aa) Grundlagen. Somit ist grundsätzlich der in 2.2203 Anspruch Genommene für nicht zu vertretende Umstände darlegungs- und beweispflichtig.2732) Die bloße Behauptung, er habe so viele Vertragsgetränke wie möglich abgesetzt, ein Unterschreiten der Mindestabnahmemenge beruhe nicht auf der Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt, genügt ebenso wenig, wie die Schilderung, in einer Absatzstätte dieser Größe und Einrichtung sei ein Ausschank von 400 hl nicht zu erreichen. Ob und welche Bemühungen der Gastwirt zur Steigerung des Absatzes vergeblich unternommen haben will, ist darzutun und ggf. zu beweisen.2733) Es ist somit Aufgabe des Gastwirts, das vermutete Verschulden auszuräumen. Dazu reicht der Vortrag, dass in Absatzstätte ein bestimmtes Getränk nicht an die Gäste abgesetzt werden könne, dies spiegele die tatsächliche Bestellmenge, nicht aus. Vielmehr bedarf es vertiefter Darlegungen dazu, ob und welche Anstrengungen der Gastwirt zur Steigerung des Absatzes unternommen hat, um der Mindestabnahmeverpflichtung genügen zu können, und welche Auswirkungen dies gehabt hat. Daran fehlt es nicht selten.2734) bb) Unmöglichkeit. Bei einem Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 und 3, 283 BGB 2.2204 kann sich der in Anspruch Genommene nur entlasten, wenn er darlegt und im Streitfall beweist, dass er den Eintritt des Leistungshindernisses nicht zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen bezieht sich auf die Gründe, die zum Entfallen der Leistungspflicht geführt haben. Misslingt der Entlastungsbeweis, hat der Gläubiger einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung. Ob dieser sich aus § 281 BGB oder § 283 BGB ergibt, kann offen bleiben.2735) ___________ 2730) OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155. 2731) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2732) OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663. 2733) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2734) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155. 2735) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; Palandt-Grüneberg, BGB, § 283 Rz. 2.

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§ 31 Minderbezug

2.2205 cc) Schuldnerverzug. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Abnahmeverpflichtung liegt aufseiten des Gebundenen. Ein bloßes Bestreiten genügt insofern ebenfalls nicht. Vielmehr verlangt ein substantiierter Beklagtenvortrag Ausführungen zum Umfang der Erfüllung der Abnahmeverpflichtung.2736) 2.2206 e) Einzelfälle. Das Nichterreichen der vereinbarten (Mindest-)Bezugsmenge hat der Gastwirt nicht nur bei Fremdbezug und Einstellung des Geschäftsbetriebs2737), sondern insbesondere auch bei Minderbezug im Übrigen grundsätzlich zu vertreten.2738) Dass bei frühzeitiger Einstellung des Getränkebezuges ein sehr hoher Schadensersatzanspruch bzw. eine sehr hohe Vertragsstrafe anfallen würde, ist vor allem insofern unschädlich, als derartige Ansprüche ein Verschulden (§ 276 BGB) des Gastwirts voraussetzen.2739) Führt der Gastwirt nicht nur die streitgegenständlichen Getränke, sondern im Rahmen einer Mitbezugsgestattung auch andere Getränke im selben Gebinde von Mitbewerbern der Brauerei, so ist ebenfalls ein Vertretenmüssen anzunehmen. In den Risikobereich des Gebundenen fallen Umstände wie eine schlechte Geschäftsentwicklung oder bauliche Mängel einer angepachteten Absatzstätte.2740) Zu nennen ist weiter der Fall, dass ein Hauseigentümer (Getränkefachgroßhändler) eine von einem Familienmitglied als Unterpächter betriebene Gaststätte aufgegeben hat, ohne mit einem Dritten einen neuen Unterpachtvertrag zu schließen oder das Objekt selbst zu betreiben.2741) In diesen und sämtlichen vergleichbaren Fällen hat der Kunde auch kein Recht zur außerordentlichen Kündigung.2742) 6.

Nichtvertretenmüssen

2.2207 a) Grundlagen. Ein Nichtvertretenmüssen ist auch anzunehmen, wenn zu Gunsten des Inanspruchgenommenen ein wichtiger Grund zur Kündigung ___________ 2736) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 2737) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. Zum Fall des Nichtweiterbetriebs durch einen Insolvenzverwalter vgl. LG Braunschweig, Urt. v. 7.5.2014 – 4 O. 1970/13. 2738) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; LG Hagen, Urt. v. 24.11.1976 – 22 HO 49/76. A. A., jedenfalls unklar, Gödde, in: Martinek/Semmler/ Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 211, mit fehlgehenden Hinweisen („deshalb“) auf OLG München und („Im Gegensatz hierzu …“) auf OLG Köln. 2739) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 2740) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2741) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2742) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566.

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IV. Schadensersatz

(§ 314 BGB) oder der Tatbestand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB)2743) festgestellt werden kann. Dazu bedarf es der Feststellung objektiver, also nicht in der Person und den Fähigkeiten des jeweiligen Gastwirts liegender Gründe, auf Grund derer der vereinbarte Mindestabsatz nicht erreicht werden konnte.2744) Die festzustellende Unzumutbarkeit der Getränkeabnahme kann von dem Getränkelieferanten nicht mit dem Argument entkräftet werden, schließlich habe der Gastwirt bei Vertragsbeginn – wie sich zwischenzeitlich herausgestellt habe – zu hohe Vorleistungen erhalten. Bei Beendigungsgründen handelt es sich um Gestaltungsrechte. Diese wirken 2.2208 nur ex nunc. Daher können sie nur von dem Zeitpunkt an Berücksichtigung finden können, in dem sie jedenfalls konkludent erklärt worden sind. b) Nachträgliche Nichterreichbarkeit. aa) Mangels nachträglicher Erreichbar- 2.2209 keit der Menge kann ein Vertretenmüssen entfallen, weil er sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann. Ein Nichtvertretenmüssen setzt voraus, dass die vereinbarte Mindestmenge ohne weiteres für ein Geschäft des betreffenden Typs anfänglich erreichbar war und auch keine sonstigen vom Verpflichteten nicht zu vertretenden Umstände für den Rückgang des Umsatzes vorliegen.2745) bb) Negative Umsatzpacht. Gehen eine Brauerei und ein Gastwirt in einem 2.2210 Gaststättenpachtvertrag bei der Festlegung der im Vertrag als Grundlage der Pachtzinsbemessung genannten Jahresbezugsmenge übereinstimmend, aber irrtümlich, davon aus, dass diese Abnahmemenge jährlich in der Absatzstätte umgesetzt werden kann, so kann dies eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen fehlender Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 und 2 BGB) rechtfertigen, wenn die Brauerei bei Unterschreitung der Jahresbezugsmenge berechtigt sein sollte, einen erhöhten Pachtzins zu verlangen.2746) cc) Verträge Brauerei-Getränkefachgroßhändler. Da es Brauereien insofern 2.2211 um die Erschließung neuer Absatzmärkte geht und der qualifizierte Getränkefachgroßhandel durchweg über entsprechende (Orts-)Kenntnisse verfügen dürfte, ist insofern ein strengerer Maßstab anzulegen. Dem Kriterium der Erreichbarkeit dürfte daher durchweg keine Bedeutung zukommen. Schließen Brauereien ___________ 2743) OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2744) OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663. 2745) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693; BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 2746) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, dazu Bühler, BB 1994, 663.

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§ 31 Minderbezug

mit Getränkefachgroßhändlern Getränkelieferungsverträge, so möchten sie Absatzpotentiale für ihre Getränkemarken sichern. Der Getränkefachgroßhandel soll im Rahmen seiner Markterschließungsfunktion zu einer stärkeren Durchdringung der von ihm bearbeiteten Märkte mit den Getränken der Brauerei beitragen. Damit stehen Art und Umfang der Markterschließung regelmäßig in der Kompetenz und der Verantwortung. Soweit Mengen vereinbart werden, geht es somit nicht um die Erreichung konkreter, insbesondere messbarer Bedarfe. Daher wird der Getränkefachgroßhändler durchweg das Nichterreichen der vereinbarten Mindestabnahmemenge zu vertreten haben. 2.2212 c) Im Übrigen. aa) Nicht verschuldete und damit nicht zu vertretende Minderbezüge sind bei nachweislich festgestellten Änderungen des Publikumsgeschmacks oder Absatzrückgängen infolge geänderter Verkehrsführung denkbar, wofür der Gastwirt darlegungs- und beweispflichtig ist. Hat der Gastwirt keinen Bedarf, so braucht er auch nichts abzunehmen.2747) 2.2213 bb) Dem Gastwirt steht es ggf. nach dem Vertrag frei, den Gaststättenbetrieb einzustellen und das Objekt (hier Hausboot) für andere Zwecke zu verwenden. Diese ihm freistehende Betriebsaufgabe2748) kann der Gastwirt dann innerhalb der von Treu und Glauben gesetzten Grenzen in der Form vollziehen, dass er das Objekt veräußert.2749) 2.2214 cc) Zur Nichtbelieferung mit Drittgetränken wird auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 8.1.1999 verwiesen.2750) 7.

Schadensersatzberechnung

2.2215 a) Differenzierung. aa) Mindestmengenvereinbarung. Der Getränkelieferant kann als Schadensersatz seinen entgangenen Gewinn dann nicht nach der vereinbarten Mindestabnahmemenge berechnen, wenn die zeitliche Bindung an die Grenze des noch Zulässigen ging.2751) 2.2216 bb) Zielmengenvereinbarung. Ergibt die Auslegung, dass die Menge lediglich als Ziel- oder Kündigungsmenge zu verstehen ist, so bemisst sich der erstattungsfähige Schaden nach dem Umsatz, den der Gastwirt innerhalb der Be___________ 2747) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2748) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2749) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2750) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2751) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 126.

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IV. Schadensersatz

zugszeit voraussichtlich tatsächlich erzielt hätte (§ 252 Satz 2 BGB). Damit ist die Höhe des Schadensersatzes bei vertragswidriger Beendigung des Bezuges durch den Gastwirt nicht in jedem Falle nach einer Mindestabnahmemenge, sondern unter Umständen danach zu berechnen, welche Getränkemenge der Gastwirt bei reibungsloser Vertragsdurchführung auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen durchschnittlichen Jahresabnahme voraussichtlich zur Deckung seines Bedarfs bezogen hätte.2752) Als Berechnungsgrundlage des Schadensersatzanspruchs wegen Minderbezuges kommen dann die durchschnittlich bislang bezogenen Hektoliter für die Restlaufzeit der Bezugsverpflichtung in Betracht,2753) wobei diese ggf. entsprechend § 139 BGB zu kürzen ist.2754) Die Berechnung auf der Grundlage der tatsächlichen Bezugsmenge stellt keine 2.2217 unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Vielmehr stellt sie eine Begünstigung dar. Orientierungsmaßstab ist das vertraglich Vereinbarte, dass der Vertragspartner des Getränkelieferanten auch bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung mindestens hätte leisten müssen. Die Berechnung anhand der tatsächlichen Bezugsmenge begegnet auch dann keinen Bedenken, wenn die tatsächliche Menge mehr oder weniger deutlich über der vereinbarten liegt. Es liegt nämlich im Risikobereich des Gaststättenbetreibers, wenn er nach dem Ende einer starken Absatzperiode seine Absatzstätte aufgibt, anstatt sie weiter zu führen mit der Folge, dass weiterhin nur die vertraglich vereinbarten Mindestbezugsmengen abgenommen werden müssen.2755) In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass eine bestimmte Mindestab- 2.2218 nahmeverpflichtung nicht vereinbart worden ist. Denn der Getränkelieferant berechnet seinen Schaden nicht auf der Grundlage einer solchen Mindestabnah___________ 2752) BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 13.11.2007 – 11 U 24/07, BeckRS 2007, 19024; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Köln, Urt. v. 18.4.2013 – 7 U 180/12, BeckRS 2013, 07760, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 18.2.1014 – VIII ZR 130/13; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77; LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 299, 125. 2753) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2754) LG Köln, Urt. v. 4.2.1993 – 22 O. 369/91, NJW-RR 1994, 242. 2755) LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11.

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§ 31 Minderbezug

meverpflichtung, sondern anhand des zu erwartenden Getränkeabsatzes, den der in Anspruch Genommene bei Aufrechterhaltung seiner Ausschankverpflichtung voraussichtlich vorgenommen hätte. Gleiches gilt für den Vortrag hypothetischer Sachverhalte.2756) 2.2219 Diese Rechtsprechung sollte allerdings nicht dahin missverstanden werden – zumindest ist dies so nie ausgesprochen worden –, als komme stets nur eine Schadensberechnung auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen durchschnittlichen Abnahme bis zur Beendigung der Vertragsbeziehungen in Betracht. Ist zweifelsfrei eine festbestimmte (Mindest-)Abnahmemenge vereinbart worden und stößt sie auch im Zusammenhang mit der Laufzeit des Vertrages nicht auf Bedenken unter dem Gesichtspunkt der §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (höchst zulässige Bezugszeit), so ist nicht einsichtig, wieso der Getränkelieferant den ihm entgangenen Gewinn nicht aus der Differenz zwischen der vereinbarten Mindestabnahme und der tatsächlich abgenommenen Menge sollte errechnen dürfen.2757) 2.2220 b) Wahlrecht. Manche Getränkelieferungsverträge enthalten eine Vertragsklausel des Inhalts, dass der Getränkelieferant wahlweise den Schaden nach der vereinbarten Mindestabnahmemenge oder nach dem durchschnittlichen Getränkebezug in der Vergangenheit berechnen kann.2758) Häufig wird dabei auf einen Zeitraum von drei Jahren, ggf. auch auf einen kürzeren Zeitraum abgestellt. Auch diese Regelung dient der Erleichterung der Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs, weil sie es ermöglicht, auf einen konkreten Schadensnachweis im Einzelfall zu verzichten. 2.2221 c) Besonderheiten bei Zielmengenvereinbarung. aa) Grundlagen. Wird weder eine Jahresmindestbezugsmenge noch eine Gesamtabnahmemenge vereinbart und ergibt sich diese auch nicht aus einer (Abschreibungs-)Finanzierung, so hat der Gastwirt nur einen vorhandenen Bedarf bei dem Getränkelieferanten zu beziehen. Es kommt damit auf den zu erwartenden Getränkeabsatz an, den der Schuldner bei Aufrechterhaltung seiner Ausschankverpflichtung voraussichtlich vorgenommen hätte.2759) 2.2222 bb) Ermittlung. Hat der Gastwirt keinen Bedarf, so braucht er auch nichts abzunehmen.2760) Zur Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs kann auf Entscheidungen des OLG Karlsruhe vom 4.3.1999 und des OLG Köln vom 9.1.2007 verwiesen ___________ 2756) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2757) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 126. 2758) LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2759) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2760) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

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IV. Schadensersatz

werden.2761) Behauptet der Gastwirt, ein Getränkebedarf sei nicht mehr vorhanden, so besteht eine latente Abnahmeverpflichtung auch dann, wenn keine Mindestabnahmemenge vereinbart ist. Hat der Gebundene sich verpflichtet, für den vereinbarten Zeitraum den gesamten Getränkebedarf seiner Gaststätte zu den angegebenen Bedingungen bei dem Getränkelieferanten zu beziehen, so hat er es damit übernommen, den bei einem Gaststättenbetrieb mit Getränkeausschank als selbstverständlich vorausgesetzten Bedarf an Getränken in dem nach dem Zuschnitt seines Lokals absetzbaren Umfang bei dem Getränkelieferanten abzunehmen. Die Übernahme der Verpflichtung, die Bezugsbindung auf seinen Rechtsnachfolger zu übertragen bei fortbestehender Bereitschaft, hierfür selbst einzustehen, zeigt, dass die Bezugsverpflichtung für die vertraglich vorgesehene Vertragsdauer gelten soll.2762) d) Schadenshöhe. aa) Vertriebsmodell 2. Erfolgt die Belieferung des Gastwirts 2.2223 nach der Vereinbarung Brauerei-Gastwirt unter Einschaltung eines Getränkefachgroßhändlers, so kann die Brauerei allenfalls den sich nach ihrer Behauptung beim Verkauf von Flaschenbier an den Großhandel ergebenden „Deckungsbeitrag“ – konkret in Höhe von 40,77 DM je Hektoliter nicht abgenommenen Bieres – ersetzt verlangen. Dies auch deshalb, weil es dem Gastwirt freistand, seine Bezugsverpflichtung vollständig durch die Abnahme von Flaschenbier zu erfüllen.2763) bb) Darlegung und Beweis. Soweit der Gewinnentgang „nach dem gewöhnlichen 2.2224 Verlauf der Dinge“ (§ 252 Satz 2 Fall 2 BGB) berechnet wird, besteht Einvernehmen darüber, dass die diesen Verlauf begründenden Tatsachen keines Beweises bedürfen.2764) Ungeachtet dessen bleibt dem Schuldner die Möglichkeit, diese Vermutung beweismäßig zu widerlegen. Das einfache Bestreiten, dass sich die Pauschale am durchschnittlichen Schaden ausrichte, genügt regelmäßig nicht. cc) Schadensschätzung. Da die Ermittlung des wegen Unterschreitens einer 2.2225 vereinbarten Mindestabnahmemenge entgangenen Gewinns (einer Brauerei) regelmäßig schwierig und aufwendig ist, bietet sich eine Schadensschätzung gem. § 287 (Abs. 2) ZPO an. Dies zum einen dann, wenn es sich um einen lediglich verhältnismäßig geringfügigen Mindestschaden – hier: 12.920 DM – handelt.2765) ___________ 2761) OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453. 2762) LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2763) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 2764) BGH, Urt. v. 17.12.1963 – V ZR 186/61, NJW 1964, 661. 2765) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 6.7.1993 – VI ZR 228/92, NJW 1993, 2673; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); BGH, Urt. v. 6.2.2001 – VI ZR 339/99, NJW 2001, 1640; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566.

657

§ 31 Minderbezug

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Angaben der Brauerei, die variablen Kosten pro hl Bier beliefen sich auf insgesamt lediglich 20,35 €, ist auch dann nicht erforderlich, wenn § 287 Abs. 2 ZPO den Weg zu einer Schätzung eröffnet. Danach kann davon ausgegangen werden, dass die variablen Kosten bei der Herstellung von Bier im streitgegenständlichen Fall jedenfalls nicht über 57,00 € lagen, so dass bei einem Verkaufspreis an den Getränkefachgroßhandel von 117,00 € der in Ansatz gebrachte Ausfallschaden in Höhe von 60,00 €/hl zugrunde gelegt werden konnte.2766) 2.2226 dd) Schadenskompensation. Wird in einem schriftlichen Vertrag, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) für sich hat, eine Mindestbezugsverpflichtung ausgewiesen, so lässt sich daraus nichts für eine Kompensation einer etwaigen Nichterfüllung durch höhere Zinseinnahmen herleiten. Sollten entsprechende Äußerungen, etwa im Rahmen der Vorbereitung von Vertragsanpassungen, durch Außendienstmitarbeiter getätigt worden sein, so ist ein solches Vorbringen unerheblich. Maßgeblich sind nicht während der nachvertraglichen Verhandlungen abgegebene Erklärungen. Vielmehr kommt es allein darauf an, welche Willensübereinstimmung der Parteien bei Vertragsschluss festgestellt werden kann.2767) 2.2227 ee) Abzinsung. Der Gesamtbetrag ist abzuzinsen, soweit es sich um Ausgleichsansprüche für die Zukunft handelt.2768) 8.

Verjährung

2.2228 Hinsichtlich der Fälligkeit der Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung der vereinbarten Jahresmindestbezugsmengen ist auf das jeweilige „Jahr“ zustellen. Aus Gründen der Kostenersparnis sollte dies nicht das Vertragsjahr, sondern das Kalenderjahr sein. Notwendig verbunden ist damit in der Regel die Abrechnung von Rumpfgeschäftsjahren am Anfang und am Ende der Vertragslaufzeit. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt nach § 195 BGB drei Jahre. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Getränkelieferant von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen konnte (§ 199 Abs. 1 BGB). 2.2229 Die Fälligkeit hat insbesondere in Zusammenhang mit Fragen der Verjährung Bedeutung. Entstanden ist der Anspruch grundsätzlich mit der Fälligkeit (§ 271 ___________ 2766) OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2767) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155. 2768) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770.

658

VI. Kündigung

BGB). Ist dieser Zeitpunkt im Getränkelieferungsvertrag nicht ausdrücklich festgelegt, so ist er durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Handelt es sich beispielsweise um einen Gesamtmengenvertrag, bei dem der Vertragspartner bei Abnahme einer größeren Menge eine Gutschrift erhalten soll, so ist erst von einer Fälligkeit bei Vertragsende auszugehen. Ersichtlich sollen dann nämlich bezogen auf die gesamte Laufzeit des Vertrages Gut- und Lastschriften ermittelt und daraus ein Saldo gebildet werden. Dafür spricht ggf. auch die vertragliche Formulierung „falls sich innerhalb des 10-jährigen Vertragszeitraumes …“.2769) 9.

Prozessuale Fragen

Grundlage der Streitwertbemessung können § 41 Abs. 1 GKG bzw. § 48 (Abs. 1) 2.2230 GKG i. V. m. § 9 ZPO sein.2770) V.

Vertragsstrafe

1.

Erreichbarkeit

Bei einer unrealistischen Abnahmemenge in Verbindung mit einer empfindli- 2.2231 chen Vertragsstrafe bei deren Nichtabnahme ist der Getränkelieferungsvertrag insofern als sittenwidrig einzustufen.2771) 2.

Rechtsprechung

Auf bereits in anderem Zusammenhang berichtete Entscheidungen sei hinge- 2.2232 wiesen.2772) VI.

Kündigung

1.

Inhaltskontrolle

Eine Kündigungsregelung wegen Minderbezuges im Rahmen eines Pacht- und 2.2233 Getränkelieferungsvertrages hält einer AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 ___________ 2769) LG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2009 – 14d O. 124/08, BeckRS 2011, 02756. 2770) OLG Bamberg, Beschl. v. 14.7.1977 – 3 W 22/77, MDR 1977, 935; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 2771) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469. 2772) OLG Nürnberg, Urt. v. 25.2.1992 – 11 U 2744/91, BeckRS 1992, 31335912; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.1999 – 12 U 259/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.10.1999 – VIII ZR 125/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11.

659

§ 31 Minderbezug

BGB stand. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Getränkelieferanten, durch die Verpachtung der Gaststätte mittels Vereinbarung einer Getränkebezugsverpflichtung ihren Getränkeabsatz zu fördern. Dies zumal dann, wenn sie das Pachtobjekt mit einem nur geringen Aufschlag auf den von ihr selbst zu zahlenden Mietzins weiterverpachtet haben. Der Pächter konnte seine Möglichkeiten, den geforderten Getränkeabsatz zu erreichen, bei Vertragsschluss selbst beurteilen und abschätzen. Es war seine Sache, sich selbst über seine Geschäftschancen zu vergewissern. Die Getränkelieferanten trifft demgegenüber keine dahingehende Pflicht, weil das Verwendungsrisiko für die Pachtsache grundsätzlich allein beim Pächter liegt (§§ 581 Abs. 2, 537 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Unwirksamkeit nur der Getränkebezugsverpflichtung bei fortdauernder Bindung des Getränkelieferanten an den Pachtvertrag im Übrigen würde eine künstliche Aufspaltung in eines untrennbaren wirtschaftlichen Gesamtgefüges und zugleich einen unzulässigen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien bedeuten. Es ist Aufgabe des Pächters, eigenverantwortlich bei Vertragsabschluss darüber zu entscheiden, ob die vorgesehenen Beschränkungen und Verpflichtungen vor dem Hintergrund der angebotenen Konditionen der Verpächterin für ihn wirtschaftlich sinnvoll sind oder nicht.2773) 2.

Kündigungsgrund

2.2234 Ist Gegenstand des Getränkelieferungsvertrages eine monatliche,2774) vierteljährliche oder jährliche2775) Mindestbezugsmenge, so kommt bei wiederholtem Minderbezug eine außerordentliche Kündigung in Betracht.2776) 2.2235 Haben die Parteien eine Gesamtabnahmemenge vereinbart, welche während der Vertragslaufzeit in Teilmengen abzunehmen ist, so kann ein Minderbezug dann eine Kündigung rechtfertigen, wenn der Abnehmer für die Folgen des Minderbezuges einzustehen hat.2777)

___________ 2773) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 2774) OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 2775) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 2776) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03, sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16 (§ 543 BGB), BeckRS 2016, 112769; LG Frankfurt/M. Urt. v. 24.8.1988 – 2/4 0. 157/87, Zeller IV, 261. 2777) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348 (Kombination von Gesamtmengenvertrag und monatlicher Mindestabnahmeverpflichtung).

660

VI. Kündigung

Auch zur Kombination von Mengenvertrag mit periodischer Mindestbe- 2.2236 zugsmenge können mehrere Entscheidungen berichtet werden.2778) 3.

Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung

Die Kündigung bedarf grundsätzlich einer vorherigen erfolglosen Nachfristset- 2.2237 zung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung (§ 314 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ob diese über den Ausnahmetatbestand des § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB hinaus entsprechend dem Rechtsgedanken des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB jedenfalls nach Ablauf der vereinbarten Periode auch ohne vorherige Abmahnung möglich ist, erscheint jedenfalls vertretbar.2779) Aus Gründen unternehmerischer Vorsicht sollte der Verpflichtete ausdrücklich aufgefordert werden, seine Absatzbemühungen zu verstärken, um die vereinbarte Mindestbezugsmenge zu erreichen, verbunden mit dem Hinweis, anderenfalls werde der Getränkelieferant seine Rechte ausüben (müssen). 4.

Kündigungserklärungsfrist (§ 314 Abs. 3 BGB)

Kündigt der Getränkelieferant wegen Nichterfüllung einer Mindestabnahme- 2.2238 verpflichtung fristlos, dann hat der BGH auf ein solches Vertragsverhältnis seine ständige Rechtsprechung zum Handelsvertreterrecht, nach der eine außerordentliche Kündigung innerhalb angemessener Frist nach Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund ausgesprochen werden muss und ein zweimonatiges Zuwarten in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Überlegung der daraus zu ziehenden Folgerungen angesehen werden kann, entsprechend übertragen.2780)

___________ 2778) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287, wobei sich der Sachverhalt erst aus dem Urteil der Vorinstanz erschließt, vgl. dazu LG Duisburg, Urt. v. 7.6.1989 – 17 O. 434/88, Zeller IV, 279; OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348: Kombination von Gesamtmengenverpflichtung von 3.000 hl und monatlicher Mindestabnahmeverpflichtung von 25 hl; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837: Gesamtabnahmeverpflichtung von 2.000 hl, Kündigungsrecht des Getränkelieferanten bei weniger als 150 hl/Jahr. LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2779) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16 zu § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB, BeckRS 2016, 112769. 2780) BGH, Urt. v. 14.4.1983 – I ZR 37/81, BeckRS 1983, 30391664; BGH, Urt. v. 12.3.1992 – I ZR 117/90, WM 1992, 1440, BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 = ZIP 1994, 293; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; großzügiger Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 218: drei Monate.

661

§ 31 Minderbezug

5.

Wegfall der Kündigungsbefugnis

2.2239 a) Vertragsanpassung. Allerdings entfällt das Kündigungsrecht, wenn sich die Störung durch Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse beseitigen lässt und beiden Parteien die Fortsetzung des Vertrages zuzumuten ist, etwa im Wege des Vollzuges einer vertraglichen Rechtsnachfolgeregelung.2781) Der Vorrang der Vertragsanpassung folgt aus § 313 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB i. V. m. der Gesetzesbegründung, wonach eine Kündigung nicht in Frage kommt, wenn tatbestandlich (auch) eine Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt und diese durch zumutbare Anpassung nach § 313 Abs. 1 BGB beseitigt werden kann.2782) 2.2240 b) Ausschluss. Ein Kündigungsrecht wegen Minderbezuges, das nicht an die Unterschreitung eines Jahresbezuges geknüpft ist, sondern bereits an die Unterschreitung der festgesetzten monatlichen Bezugsmenge im Durchschnitt der letzten drei Monate, entsteht monatlich, jedenfalls aber vierteljährlich neu. Hiervon kann jederzeit Gebrauch gemacht werden, ohne dass dem § 242 BGB entgegensteht. In der langjährigen Hinnahme der Unterschreitung einer monatlichen Mindestbezugsmenge liegt kein stillschweigender Ausschluss der Kündigungsbefugnis des Getränkelieferanten.2783) 2.2241 c) Verwirkung. Ggf. sind die Voraussetzungen einer Verwirkung zu prüfen, wenn der Gebundene mit seiner Abnahmeverpflichtung in Verzug war und der Bindende ihm laufend die Minderabnahmen mitgeteilt hatte, ohne Minderbezugsabrechnungen zu erstellen.2784) Der Getränkelieferant kann sein Kündigungsrecht verwirkt haben, wenn er bei Unterschreitung einer vereinbarten jährlichen Mindestabnahmemenge erst Monate nach Ablauf eines Vertragsjahres kündigt.2785) Ist Bezugsperiode das Sudjahr (1. September des Jahres bis zum 31. August des Folgejahres), so bestehen hinsichtlich einer mit Schreiben vom 18. Oktober des Nachfolgejahres erklärten Kündigung wegen Minderbezuges schon im Hinblick auf den Gesichtspunkt des Zeitmoments keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Verwirkung.2786) 6.

Rückforderung

2.2242 a) Darlehen. Nimmt ein Gastwirt innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht wie vertraglich ausbedungen 200 hl, sondern lediglich 87,2 hl Bier ab, so steht ___________ 2781) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2782) Begründung Regierungsentwurf SchuldrechtsmodernisierungsG, BT-Drucks. 14/6040, S. 177. Vgl. auch BGH, Urt. v. 31.5.1990 – I ZR 233/88, NJW 1991, 1478. 2783) OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348. 2784) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 2785) BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 = ZIP 1994, 293 (Vertragshändlervertrag); OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348. 2786) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05.

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II. Schadensersatz

dem Getränkelieferanten ein Recht zur Teilkündigung mit der Folge zu, dass er Teilrückzahlung des gewährten Darlehens verlangen kann.2787) b) Zuschuss. Soweit eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart worden ist, 2.2243 kann ein Zuschuss nur entsprechend dem Teil des noch nicht erfüllten Getränkelieferungsvertrages zurückgefordert werden.2788) 7.

Konsequenzen im Übrigen

Durch eine wirksame außerordentliche und fristlose Kündigung wird das Ver- 2.2244 tragsverhältnis beendet. Damit können Ansprüche aus dem Vertrag selbst für die Zeit nach diesem Zeitpunkt nicht mehr hergeleitet werden.2789) § 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung I.

Grundlagen

Die Nichtweitergabe einer Getränkebezugsverpflichtung kann nur dann sank- 2.2245 tioniert werden, wenn die Wirksamkeit derselben festgestellt werden kann.2790) II.

Schadensersatz

1.

Anspruchsgrundlagen

a) Zunächst sind vertragliche Ansprüche zu prüfen.2791) Der Anspruch ergibt 2.2246 sich aus dem Getränkelieferungsvertrag, ggf. in Ergänzung mit §§ 339, 340 Abs. 1 und 2 BGB.2792) b) Im Übrigen kann als Anspruchsgrundlage eine positive Vertragsverletzung 2.2247 (§§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB) in Betracht kommen.2793) c) Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverlet- 2.2248 zung des Notars ist § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i. V. m. § 839 BGB.2794) ___________ 2787) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199. 2788) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 2789) OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217. 2790) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Celle, Urt. v. 7.4.1987 – 18 U 24/86, Zeller IV, 234. 2791) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089, = Zeller I, 241; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2792) OLG Schleswig, Urt. v. 7.1.2000 – 11 U 204/98. 2793) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2794) OLG Hamm, Urt. v. 7.5.1985 – 28 U 232/84, Zeller IV, 560; OLG Schleswig, Urt. v. 19.6.2003 – 11 U 188/01.

663

II. Schadensersatz

dem Getränkelieferanten ein Recht zur Teilkündigung mit der Folge zu, dass er Teilrückzahlung des gewährten Darlehens verlangen kann.2787) b) Zuschuss. Soweit eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbart worden ist, 2.2243 kann ein Zuschuss nur entsprechend dem Teil des noch nicht erfüllten Getränkelieferungsvertrages zurückgefordert werden.2788) 7.

Konsequenzen im Übrigen

Durch eine wirksame außerordentliche und fristlose Kündigung wird das Ver- 2.2244 tragsverhältnis beendet. Damit können Ansprüche aus dem Vertrag selbst für die Zeit nach diesem Zeitpunkt nicht mehr hergeleitet werden.2789) § 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung I.

Grundlagen

Die Nichtweitergabe einer Getränkebezugsverpflichtung kann nur dann sank- 2.2245 tioniert werden, wenn die Wirksamkeit derselben festgestellt werden kann.2790) II.

Schadensersatz

1.

Anspruchsgrundlagen

a) Zunächst sind vertragliche Ansprüche zu prüfen.2791) Der Anspruch ergibt 2.2246 sich aus dem Getränkelieferungsvertrag, ggf. in Ergänzung mit §§ 339, 340 Abs. 1 und 2 BGB.2792) b) Im Übrigen kann als Anspruchsgrundlage eine positive Vertragsverletzung 2.2247 (§§ 280 Abs. 1 und 3, 281 BGB) in Betracht kommen.2793) c) Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverlet- 2.2248 zung des Notars ist § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i. V. m. § 839 BGB.2794) ___________ 2787) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport München 1992, 199. 2788) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 2789) OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217. 2790) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Celle, Urt. v. 7.4.1987 – 18 U 24/86, Zeller IV, 234. 2791) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089, = Zeller I, 241; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2792) OLG Schleswig, Urt. v. 7.1.2000 – 11 U 204/98. 2793) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2794) OLG Hamm, Urt. v. 7.5.1985 – 28 U 232/84, Zeller IV, 560; OLG Schleswig, Urt. v. 19.6.2003 – 11 U 188/01.

663

§ 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung

2.

Anspruchsgegner

2.2249 a) Ansprüche des Getränkelieferanten richten sich bei einer Eigentumsübertragung gegen den Veräußerer.2795) Zum nicht selbst betreibenden Eigentümer kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2796) 2.2250 b) Mit der Frage eines etwaigen Schadensersatzanspruches des Getränkelieferanten gegen den bisherigen Pächter setzen sich einige obergerichtliche Entscheidungen auseinander.2797) 3.

Pflichten

2.2251 a) Mit der Frage, ob ein Gastwirt die Verpflichtung übernommen habe, den ausschließlichen Bezug der Getränke über den Getränkelieferanten auch im Falle der Veräußerung des Gastronomieobjektes zu gewährleisten, und der Auffassung, eine wenn auch nur persönlich eingegangene Verpflichtung des Gastwirts, ausschließlich Getränke über den Getränkelieferanten zu beziehen, impliziere die Nebenverpflichtung, den Betrieb fortzusetzen oder eben nicht ohne Weiterleitung der Ausschließlichkeitsbindung zu veräußern, kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2798) 2.2252 b) Eigentumserklärung. Zu etwaigen (Bezugs-/Auferlegungs-)Pflichten des Hauseigentümers und Verkäufers von Inventar gegenüber dem Getränkelieferanten in Anerkennung der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistungen kann auf eine Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 28.4.1998 verwiesen werden.2799)

___________ 2795) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 9.7.1985 – KZR 8/84, BB 1985, 1687 = Zeller III, 172; BGH, Urt. v. 3.6.1987 – VIII ZR 158/86, NJW-RR 1988, 199 = Zeller IV, 157; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2796) OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 19 U 58/97, BeckRS 1997, 31051607; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2797) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – 15 U 227/02; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2798) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2799) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98. Vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 19 U 58/97, BeckRS 1997, 31051607.

664

II. Schadensersatz

c) Der Beitritt führt lediglich dazu, dass der Beitretende im Umfang des bis- 2.2253 herigen Schuldners haftet. War der bisherige Schuldner nicht zum Getränkebezug verpflichtet, so ist dies der Beitretende ebenfalls nicht. Auch dann, wenn der Beitretende nicht verpflichtet ist, selbst Getränke abzunehmen, so muss daraus nicht folgen, dass er im Rahmen des Schuldbeitritts davon befreit ist, Schadensersatz in Geld zu leisten, sollte der Hauptschuldner gegen seine vertraglichen Bezugspflichten verstoßen. Unter Berücksichtigung von Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Vereinbarung kann sich ergeben, dass es dem Getränkelieferanten gerade darauf ankommt, seine aus dem Vertrag mit dem Erstschuldner (Vormieter) bestehenden Ansprüche durch einen zusätzlichen Schuldner zu sichern.2800) 4.

Pflichtverletzung

a) Grundstücksveräußerung. aa) Rechtsprechung liegt vor sowohl zur Haf- 2.2254 tung des Veräußerers ohne Weitergabe der Bezugsverpflichtung2801) als auch zur Frage der Rückzahlung eines unverzinslichen und damit jederzeit rückzahlbaren (§ 488 Abs. 3 Satz 3 BGB) Abschreibungsdarlehens auf Aufforderung des Getränkelieferanten hin2802). bb) Nach § 19 Abs. 1 BNotO ist der Notar zum Schadensersatz verpflichtet, 2.2255 wenn er vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Bei Abfassung eines notariellen Grundstückskaufvertrages ist der Notar verpflichtet, alle rechtlichen Voraussetzungen für den von den Vertragsparteien gewünschten Erfolg zu schaffen und die gesetzlichen Formerfordernisse zu beachten. So wie noch ist Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches, dass der Notar bei Abfassung und Beurkundung des Grundstückskaufvertrages seine Amtspflicht verletzt hat, die ihm gegenüber dem Getränkelieferanten obliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH obliegen dem Notar Amtspflichten nicht nur gegenüber den unmittelbar an der Beurkundung Beteiligten und gegenüber den mittelbar Beteiligten, die anlässlich des Amtsgeschäftes für einen anderen im eigenen Interesse mit dem Notar Verbindung aufnehmen, sondern auch gegenüber sonstigen Dritten, die keine am Amtsgeschäft Beteiligten sind, aber nach dem Zweck des Geschäfts von ihm unmittelbar betroffen sind. Dritte i. S. d. § 19 BNotO sind nicht nur die ___________ 2800) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 2801) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2802) LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90.

665

§ 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung

am Amtsgeschäft unmittelbar Beteiligten oder sonst gem. § 17 BeurkG zu belehrenden Personen, sondern alle, deren Interesse durch das Amtsgeschäft nach dessen besonderer Natur berührt wird und in deren Rechtskreis eingegriffen werden kann. Dies gilt auch, wenn der Dritte durch die Amtsausübung nur mittelbar berührt wird und bei der Beurkundung nicht zugegen war. Die Frage, ob eine Amtspflicht gegenüber einem Dritten besteht, ist danach zu beantworten, ob die Amtspflicht den Schutz des Dritten bezweckt oder mitbezweckt. Schutzbedürftig sind diejenigen, die auf die Zuverlässigkeit der Beurkundung angewiesen sind und hierauf vertrauend am Rechtsverkehr teilnehmen.2803) 2.2256 Werden von dem beurkundenden Notar bei der Gestaltung der Urkunde Fehler begangen, so kann dies zwar eine Amtspflichtverletzung gegenüber den Vertragsparteien bedeuten, nicht aber gegenüber der Gläubigerin einer der Vertragsparteien.2804) 2.2257 b) Zur Pflichtverletzung bei Unterverpachtung ist ein Urteil des OLG Köln vom 6.12.2006 zu berichten.2805) 2.2258 Hat der Vertragspartner des Getränkelieferanten den letzten Betreiber der Absatzstätte nicht auf Einhaltung des Getränkebezugs verpflichtet, so ist die diesbezügliche Behauptung des Getränkelieferanten wie auch die, dass der letzte Betreiber mit einem anderen Getränkelieferanten kontrahiert und keine Getränke von dem Getränkelieferanten bezogen habe, ggf. hinreichend substantiiert zu bestreiten.2806) 5.

Vertretenmüssen

2.2259 a) Verkauft ein Gastwirt das Gaststättengrundstück, ohne entsprechend seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Getränkelieferanten darauf hinzuwirken, dass der Erwerber die Getränkebezugsverpflichtung übernimmt, und wird dadurch eine weitere Getränkeabnahme unmöglich, so stellt dies gegenüber dem Getränkelieferanten eine schuldhafte Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) dar.2807) ___________ 2803) OLG Schleswig, Urt. v. 19.6.2003 – 11 U 188/01. 2804) OLG Koblenz, Urt. v. 5.4.1995 – 1 U 49/94, DNotZ 1996, 128; OLG Schleswig, Urt. v. 19.6.2003 – 11 U 188/01. 2805) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2806) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2807) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

666

II. Schadensersatz

b) Das Versehen des beurkundenden Notars wird dem Grundstücksveräußerer 2.2260 nicht gem. § 278 BGB zugerechnet. Dies deshalb, weil der Notar bei der Beurkundung, dabei insbesondere bei der Bestimmung des Inhalts und der Ausdehnung des Urkundsgeschäfts ebenso wie bei notwendigen Belehrungen, unabhängig und allein in Ausübung seines öffentlichen Amtes handeln soll. 6.

(Ab-)Mahnung

Eine (Ab-)Mahnung ist entbehrlich, wenn der Gebundene die Erfüllung der Ab- 2.2261 nahmeverpflichtung ernsthaft und endgültig verweigert und sich zudem durch die Veräußerung des Gaststättengrundstücks ohne Weitergabe der Bezugsverpflichtung die weitere Abnahme von Getränken der Bindenden unmöglich gemacht hat.2808) 7.

Entbehrlichkeit einer Fristsetzung

Die nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich erforderliche Fristsetzung 2.2262 kann gem. § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sein. Hinsichtlich der künftigen Getränkeabnahme besteht zwar noch keine Fälligkeit. Insoweit findet aber § 323 Abs. 4 BGB analog Anwendung.2809) Besondere Umstände i. S. d. § 281 Abs. 2 BGB liegen jedenfalls dann vor, wenn 2.2263 die Bezugsverpflichtung nicht vom selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer auf den Gaststättenpächter übertragen worden ist, dieser mit einem anderen Getränkelieferanten kontrahiert und keine Getränke mehr von dem Getränkelieferanten bezieht. Dieses rechtfertigt unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzes auch für den Getränkebezug in der Zukunft. Im Übrigen hat der zur Auferlegung der Bezugsverpflichtung verpflichtete Hauseigentümer durch sein entgegengesetztes Verhalten selbst zu erkennen gegeben, dass er die Getränkelieferungen als Leistung der Klägerin endgültig und ernsthaft ablehnt.2810) 8.

Rücktrittserklärung

Der Verkäufer eines Gaststättenunternehmens hatte in der Klageschrift erklärt, 2.2264 er mache den in Zahlungsverzug geratenen Käufer „für den entstandenen Schaden haftbar“. Der BGH führte aus, dass die Wertung, in der Klageschrift liege eine Schadensersatzansprüche ausschließende Rücktrittserklärung gem. § 326 BGB a. F., die gesetzliche Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verletzt.2811) ___________ 2808) BGH, Urt. v. 9.7.1985 – KZR 8/84, BB 1985, 1687 = Zeller III, 172; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. 2809) Palandt-Grüneberg, BGB, § 281 Rz. 8a; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2810) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2811) BGH, Urt. v. 6.7.1988 – VIII ZR 256/87, NJW 1988, 2877 = Zeller IV, 488.

667

§ 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung

9.

Schadensberechnung

2.2265 Dem Getränkelieferanten steht gegen den Veräußerer ein Schadensersatzanspruch in Gestalt entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) dem Grunde nach dafür zu, dass dieser bei Veräußerung des Gaststättengrundstücks seinen Rechtsnachfolgern nicht die Übernahme der Getränkebezugsverpflichtung auferlegt hat und diese den Neuabschluss einer solchen Getränkebezugsverpflichtung gegenüber dem Getränkelieferanten verweigert haben.2812) 2.2266 Zum entgangenen Gewinn bei fehlender Weiterbetriebsmöglichkeit hat sich das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 1.10.2003 geäußert.2813) 2.2267 Zur Höhe einer Schadenspauschalierung kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2814) 10.

Darlegung und Beweis

2.2268 Zum Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO)2815) und zu Fragen der Darlegungs- und Beweislast2816) kann ebenfalls Rechtsprechung berichtet werden.2817) 11.

Abzinsung

2.2269 Die sachgerechte Abzinsung ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln.2818) Zur Vorgehensweise vergleiche die BGH-Entscheidung vom 15.11.2000.2819) ___________ 2812) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2813) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02. 2814) BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller, III, 266; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2815) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2816) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2817) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 2818) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2819) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987.

668

III. Vertragsstrafe

12.

Mitverschulden

Insofern kann auf das bereits berichtete Urteil des OLG Frankfurt vom 2.2270 30.11.2000 verwiesen werden.2820) III.

Vertragsstrafe

1.

Anspruchsgrundlage

Näheres hierzu findet sich in dem Urteil des OLG Schleswig vom 7.1.2000.2821) 2.2271 2.

Verwirken

a) Ein Vertragsstrafenanspruch scheidet aus, wenn der Verpflichtete das Gast- 2.2272 stättenobjekt im Hinblick auf die ihn treffende Pflicht, die Getränkebezugsverpflichtung weiterzugeben, so wie vereinbart veräußert hat.2822) b) Der Tatbestand der Vertragsstrafe ist durch den Formmangel eines Rechts- 2.2273 geschäfts nicht verwirklicht. Diesen hat der bisherige Betreiber dann nicht zu vertreten, wenn er Laie ist und sich bei der Erfüllung seiner Vertragsschuld, gemessen an den im konkreten Fall nach § 276 Abs. 1 BGB geltenden Anforderungen, sorgfältig zum Zwecke der Beurkundung an einen Notar gewandt hat. Für ein etwaiges Versehen des Notars braucht der bisherige Betreiber nicht einzustehen, weil der Notar bei der Beurkundung, dabei insbesondere bei der Bestimmung des Inhalts und Ausdehnung des Urkundsgeschäfts ebenso wie bei notwendigen Belehrungen unabhängig und allein in Ausübung seines öffentlichen Amtes handelt, nicht dagegen als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) der Beteiligten.2823) c) Bei einer Veräußerung der Immobilie ist der Gastwirt schlechthin gehindert, 2.2274 sein Grundstück, auch wenn die Enteignung unmittelbar bevorsteht, an den durch die Enteignung Begünstigten freihändig zu verkaufen. Die unter dem Gesichtspunkt der schuldhaften Verwirkung einer Vertragsstrafe angestellte Erwägung, der Gastwirt habe vorsätzlich die Belieferungsmöglichkeit durch den Getränkelieferanten vereitelt und könne sich auf den Gesichtspunkt einer sog. überholenden Kausalität deswegen nicht berufen, weil diese nur bei Schadensersatzansprüchen, nicht aber bei der Verwirkung einer Vertragsstrafe in Betracht komme, mag bei vordergründiger Betrachtung zunächst befremdlich erscheinen. Das gilt auch für den Hinweis, städtebauliche Zwecke zu verfolgen, ___________ 2820) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 2821) OLG Schleswig, Urt. v. 7.1.2000 – 11 U 204/98. 2822) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.1999 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99. 2823) BGH, Urt. v. 15.10.1992 – IX ZR 43/92, NJW 1993, 648; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93.

669

§ 32 Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung

sei nicht Aufgabe des Gastwirts. Hinter beiden Entscheidungen steht jedoch die zutreffende Erwägung, dass der durch eine Getränkebezugsverpflichtung gebundene Grundeigentümer dem Getränkelieferanten Gelegenheit geben muss, in einem förmlichen Enteignungsverfahren seine durch die Inanspruchnahme des Gaststättengrundstücks etwa ausgelösten Erstattungsansprüche geltend machen zu können. Insoweit müssen die Interessen des Enteignenden an einem freihändigen Erwerb der Grundstücke hinter den Belangen des Getränkelieferanten zurücktreten. Dem in derartigen Fällen verhältnismäßig geringen Verschulden des Gastwirts und dem Gedanken des hypothetischen Geschehensablaufs hat die Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, dass sie die Vertragsstrafe gem. § 343 BGB angemessen herabgesetzt hat.2824) 3.

Pauschale

2.2275 Überträgt der bisher Gebundene im Rahmen einer Rechtsnachfolge die Ausschließlichkeitsregelung für Getränke rechtlich nicht wirksam an einen Geschäftsnachfolger, so ist grundsätzlich der auf den pauschalierten Mindestschaden gerichtete Vertragsstrafenanspruch gegeben. Allerdings bedarf es insofern ebenso wie für einen Schadensersatzanspruch (statt der Leistung) eines Verschuldens.2825) 4.

Umfang

2.2276 Ist die Individuallaufzeit eines Getränkebezugsvertrages entsprechend § 139 BGB zu reduzieren, so bleibt dies nicht ohne Auswirkungen auf die Berechnung eines Vertragsstrafenanspruchs. 5.

Weitere Rechtsprechung

2.2277 Auf bereits in anderem Zusammenhang berichtete Entscheidungen sei hingewiesen.2826) IV.

Kündigung

1.

Kündigungsgrund

2.2278 Zum Recht des Getränkelieferanten, einen Vertrag fristlos zu kündigen, wenn der Gastwirt die Voraussetzungen einer – wirksamen – Rechtsnachfolgeklausel nicht beachtet und der Getränkelieferant der Vertragsübernahme u. a. deshalb nicht zustimmt, weil bereits seit vielen Monaten aufgrund Minderbezuges eine ___________ 2824) BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, ZIP 1983, 76. 2825) BGH, Urt. v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, NJW 1993, 721 = ZIP 1993, 292; BGH, Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786 = ZIP 1993, 703 (Handelsvertretervertrag); OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93. 2826) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98.

670

II. Ordentliche Kündigung

Kündigung des Darlehens möglich war, kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2827) 2.

Abmahnung

Lehnt es der Vertragspartner endgültig ab, etwa die Bezugsverpflichtung unter 2.2279 Fortbestand der eigenen Haftung für die Darlehensschuld auf den Geschäftsnachfolger zu übertragen, so wäre eine nochmalige schriftliche Abmahnung sinnlos. Sie ist dann nach § 314 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich.2828) § 33 Kündigung I.

Einführung

Ist das Verhältnis zwischen den Parteien eines Getränkelieferungsvertrages kon- 2.2280 fliktbelastet, so stellt sich die Frage, ob die Zusammenarbeit abweichend von dem ursprünglich vorgesehenen Vertragsende vorzeitig durch Kündigung beendet werden kann. Kündigungsmöglichkeiten können sich sowohl aus dem Getränkelieferungsvertrag als auch aus dem Gesetz ergeben. Grundsätzlich kann beiden Parteien des Getränkelieferungsvertrages ein Kündigungsrecht zustehen. In der Praxis überwiegt die Kündigung durch Getränkelieferanten. Das allgemeine Leistungsstörungsrecht ist neben etwaigen Kündigungsrechten anwendbar. II.

Ordentliche Kündigung

1.

Grundsatz

Da Getränkelieferungsverträge regelmäßig befristet sind und damit eine feste 2.2281 Vertragslaufzeit aufweisen, enden sie durch Zeitablauf. Eine ordentliche Kündigung scheidet bei einer festen Vertragslaufzeit aus (vgl. § 542 Abs. 2 BGB).2829) 2.

Inhaltskontrolle

a) Laufzeit. Wird eine Kündigung für einen oder beide Vertragsparteien zeit- 2.2282 weise oder vollständig ausgeschlossen, so gelten zunächst die zu Laufzeitklauseln berichteten Schranken.2830) Soweit die dann geltende Vertragslaufzeit nicht ___________ 2827) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00. 2828) Wie vorstehend. 2829) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658; BGH, Urt. v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, NJW-RR 2004, 873. 2830) Siehe oben §§ 10, 11, jeweils m. w. N.

671

II. Ordentliche Kündigung

Kündigung des Darlehens möglich war, kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.2827) 2.

Abmahnung

Lehnt es der Vertragspartner endgültig ab, etwa die Bezugsverpflichtung unter 2.2279 Fortbestand der eigenen Haftung für die Darlehensschuld auf den Geschäftsnachfolger zu übertragen, so wäre eine nochmalige schriftliche Abmahnung sinnlos. Sie ist dann nach § 314 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB entbehrlich.2828) § 33 Kündigung I.

Einführung

Ist das Verhältnis zwischen den Parteien eines Getränkelieferungsvertrages kon- 2.2280 fliktbelastet, so stellt sich die Frage, ob die Zusammenarbeit abweichend von dem ursprünglich vorgesehenen Vertragsende vorzeitig durch Kündigung beendet werden kann. Kündigungsmöglichkeiten können sich sowohl aus dem Getränkelieferungsvertrag als auch aus dem Gesetz ergeben. Grundsätzlich kann beiden Parteien des Getränkelieferungsvertrages ein Kündigungsrecht zustehen. In der Praxis überwiegt die Kündigung durch Getränkelieferanten. Das allgemeine Leistungsstörungsrecht ist neben etwaigen Kündigungsrechten anwendbar. II.

Ordentliche Kündigung

1.

Grundsatz

Da Getränkelieferungsverträge regelmäßig befristet sind und damit eine feste 2.2281 Vertragslaufzeit aufweisen, enden sie durch Zeitablauf. Eine ordentliche Kündigung scheidet bei einer festen Vertragslaufzeit aus (vgl. § 542 Abs. 2 BGB).2829) 2.

Inhaltskontrolle

a) Laufzeit. Wird eine Kündigung für einen oder beide Vertragsparteien zeit- 2.2282 weise oder vollständig ausgeschlossen, so gelten zunächst die zu Laufzeitklauseln berichteten Schranken.2830) Soweit die dann geltende Vertragslaufzeit nicht ___________ 2827) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00. 2828) Wie vorstehend. 2829) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – XII ZR 18/00, NJW 2003, 2158 = ZIP 2003, 1658; BGH, Urt. v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, NJW-RR 2004, 873. 2830) Siehe oben §§ 10, 11, jeweils m. w. N.

671

§ 33 Kündigung

zu beanstanden ist, benachteiligen Klauseln, die ein ordentliches Kündigungsrecht – zumeist zeitweise – ausschließen, den Vertragspartner nicht unangemessen. Für das Ende der Vertragsbindung ist auf die früheste Möglichkeit der Vertragsbeendigung abzustellen. Daher sind etwa Klauseln, welche nicht eine Vertragsbeendigung, sondern eine Kündigung erstmals nach Ablauf von x Jahren vorsehen, ggf. unzulässig. Hier kommt die Kündigungsfrist zur Laufzeit noch hinzu.2831) Dabei wird für den Beginn der Vertragsbindung auf den Vertragsschluss und nicht auf einen späteren Zeitpunkt des Beginns des (Miet-)Vertragsverhältnisses abgestellt.2832) 2.2283 b) Rechtsfolge bei Verstoß. Ist die Klausel über den Ausschluss der ordentlichen Kündigung unwirksam, dürfte eine geltungserhaltende Reduktion auf eine wirksame Kündigungsbeschränkung ausscheiden.2833) Dann ist an eine ordentliche Kündigung analog §§ 584, 624, 723 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zu denken.2834) 2.2284 c) Im Übrigen. Darüber hinaus kann das Recht, den Vertrag zu kündigen, vereinbart sein nach Frist, Termin und Form der Erklärung.2835) 3.

Kündigungsbefugnis

2.2285 a) Vertragliche Regelung. aa) Grundlagen. Eine berechtigte ordentliche Kündigung beendet den Getränkelieferungsvertrag vor Ablauf der vertraglich vereinbarten Laufzeit zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ein ordentliches Kündigungsrecht besteht nur dann, wenn es vertraglich vereinbart worden ist oder sich aus dem Gesetz ergibt. Im erstgenannten Fall können der Getränkelieferant, der Kunde oder auch beide Vertragspartner eine Vertragsbeendigung vor Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit durch Kündigung herbeiführen. In der Praxis kommen Sonderkündigungsrechte eher selten vor. Sie können das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich stören. 2.2286 bb) Schranke. Von der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung, die in einem Gaststättenpachtvertrag ohne Einschränkung vorgesehen ist, darf die Verpächterin (Brauerei) nur aus triftigem Grund Gebrauch machen, wenn ihr Verhandlungsführer bei Vertragsschluss Bedenken der Verpächter mit dem Hinweis zerstreut, sie werde nicht ohne berechtigten Grund kündigen.2836) ___________ 2831) BGH, Urt. v. 17.3.1993 – VIII ZR 180/92, BGHZ 122, 63 = NJW 1993, 1651 = ZIP 1993, 684; BGH, Urt. v. 28.10.2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597; BGH, Urt. v. 2.3.2011 – VIII ZR 163/10, BeckRS 2011, 07723; BGH, Urt. v. 12.12.2012 – VIII ZR 14/12, NJW 2013, 926. 2832) BGH, Urt. v. 28.10.2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597. 2833) BGH, Urt. v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059. 2834) Siehe oben § 10 VII 1 b cc m. w. N. 2835) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 9. 2836) OLG München, Urt. v. 13.3.1991 – 7 U 3096/90, NJW-RR 1992, 1037.

672

III. Außerordentliche Kündigung, Grundlagen

b) § 500 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ob Existenzgründergastwirten (§ 513 BGB), 2.2287 Hauseigentümern und anderen Verbrauchern (§ 13 BGB) wie mithaftenden GmbH-Geschäftsführern oder GmbH-Gesellschaftern ein ordentliches Kündigungsrecht analog § 500 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht,2837) dürfte in der Praxis keine große Bedeutung haben. Getränkelieferungsverträge sind nämlich durchweg nicht unbefristet im Sinne dieser Vorschrift. III.

Außerordentliche Kündigung, Grundlagen

1.

Einführung

Da Leistungs- und Getränkelieferungsverträge zumeist befristet sind und kein 2.2288 ordentliches Kündigungsrecht vorsehen, ist zu prüfen, ob einer der Vertragsparteien nach § 314 BGB das Recht zusteht, den Getränkelieferungsvertrag aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung zu beenden. 2.

Kündigungsbefugnis

a) Kündbarkeit. Dauerschuldverhältnisse sind im Rahmen einer außerordent- 2.2289 lichen Kündigung aus wichtigem Grund kündbar, wenn dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dauerschuldverhältnisse wie der Getränkelieferungsvertrag gründen schon wegen ihrer langen Dauer auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis. Seit jeher konnten sie in entsprechender Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB von jeder Partei aus wichtigem Grund gekündigt werden.2838) Diese Kündigungsbefugnis ist das notwendige Korrelat zur langfristigen Bindung des Gastwirts an den Getränkelieferanten.2839) b) Entbehrlichkeit einer vertraglichen Regelung. Einer vertraglichen Rege- 2.2290 lung bedarf es dazu nicht. Wie alle Dauerschuldverhältnisse können langfristige

___________ 2837) So Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 9. 2838) BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441; LG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2839) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146; BGH, Urt. v. 23.6.1960 – VIII ZR 115/59, NJW 1960, 1614 = Zeller I, 161; BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

673

§ 33 Kündigung

Getränkelieferungsverträge aus wichtigem Grund auch ohne vertragliche Regelung fristlos gekündigt werden.2840) 3. Rechtsgrundlage 2.2291 Seit dem 1.1.2002 gilt § 314 BGB für die außerordentliche Kündigung von Getränkelieferungsverträgen.2841) 4. Kündigungsgrund 2.2292 a) Wichtiger Grund. Voraussetzung ist nicht das Verschulden des anderen Vertragsteils.2842) Vielmehr muss die Durchführung des Vertrages durch einen – in der Regel – außerhalb der Verantwortung des Verpflichteten liegenden Umstand ernstlich gefährdet sein und ihm auch unter erheblichen finanziellen Opfern eine weitere Vertragserfüllung nach Treu und Glauben nicht mehr möglich sein.2843) Dabei können solche Umstände keine Berücksichtigung finden, die in den Risikobereich desjenigen fallen, der die Unzumutbarkeit geltend macht und sich vom Vertrag lösen will. Anderenfalls würde dies zu einer Beseitigung der im Vertrag angelegten Risikoverteilung führen.2844) Wird der Kündigungsgrund aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung.2845) 2.2293 b) Wesentlicher bzw. schwerwiegender Verstoß. Sowohl gem. § 138 Abs. 1 BGB als auch nach § 307 BGB berechtigen nur wesentliche oder schwerwiegende Vertragsverstöße zur fristlosen Kündigung.2846) Einmalige Verstöße dürfen daher nicht sanktioniert werden.2847) ___________ 2840) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 5.11.1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276 = ZIP 1999, 72; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99, zu § 138 Abs. 1 BGB; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 2841) Regierungsentwurf des BMJ zum SMG, S. 408, 409; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 2842) LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/01, als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 2843) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327. 2844) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72. 2845) BGH, Urt. v. 11.11.2010 – III ZR 57/10, BeckRS 2010, 30051; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2846) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 2847) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

674

III. Außerordentliche Kündigung, Grundlagen

c) Nachprüfbarkeit. Die tatrichterliche Entscheidung, ob ein wichtiger Grund 2.2294 zur fristlosen Kündigung vorliegt, unterliegt nur eingeschränkt der revisionsrechtlichen Nachprüfung.2848) 5.

Vorrang der Vertragsanpassung

a) Grundsatz. Ausnahmsweise entfällt das Kündigungsrecht, wenn sich die Stö- 2.2295 rung durch Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse beseitigen lässt und beiden Parteien die Fortsetzung des Vertrages zuzumuten ist (§ 313 Abs. 1 und 3 BGB). 5b) Rechtsprechung, So, wenn die Auferlegung der weiterbestehenden Be- 2.2296 zugsverpflichtung an den Nachfolger dem bisherigen Betreiber ohne Weiteres möglich gewesen wäre, eine derartige Weiterverpflichtung in dem Vorgängervertrag auch ausdrücklich normiert war ebenso wie in dem streitgegenständlichen Vertrag und der Getränkelieferant auch bereit gewesen wäre, den Bezugsvertrag mit dem Übernehmer der Absatzstätte fortzuführen.2849) Ein Kündigungsrecht findet dann sein Ende, wenn die weitere Entwicklung 2.2297 der Verhältnisse die Unzumutbarkeit beseitigt und der Betroffene bis zu diesem Zeitpunkt sein Kündigungsrecht nicht ausgeübt hat.2850) c) Einer außerordentlichen Kündigung kann der Einwand des widersprüchlichen 2.2298 Verhaltens entgegenstehen.2851) 6.

Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung

a) Grundsatz. Zu beachten ist, dass der außerordentlichen Kündigung wegen 2.2299 einer Vertragsverletzung des anderen Teils regelmäßig nach § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB der erfolglose Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist mit Ablehnungsandrohung oder eine Abmahnung vorauszugehen hat. Erst eine erfolglose Nachfristsetzung schafft Klarheit darüber, ob das Vertrauensverhältnis schlechthin und unheilbar zerstört ist.2852) Erst danach können die abgemahnten Vertragsverletzungen Anlass für eine außerordentliche Kündigung sein. In aller Regel reicht allein ein vertragswidriges Verhalten für eine fristlose Kündigung noch nicht aus. Vielmehr entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass bei ___________ 2848) BGH, Urt. v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, NJW 2003, 2674 = ZIP 2003, 1336; BGH, Urt. v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, NJW-RR 2004, 873. 2849) BGH, Urt. v. 11.2.1958 – VIII ZR 12/57, NJW 1958, 785; OLG Köln, Urt. v. 16.2.1977 – 2 U 115/76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2850) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 2851) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 2852) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837.

675

§ 33 Kündigung

Dauerschuldverhältnissen eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn der andere Vertragsteil nachdrücklich auf die Folgen seiner Vertragswidrigkeit hingewiesen worden ist. 2.2300 Jedenfalls dann, wenn der Getränkelieferungsvertrag eine Erstreckungswirkung von Erklärungen auf weitere Vertragspartner vorsieht, wirkt die Abmahnung auch gegenüber diesen.2853) 2.2301 b) Ausnahme. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, dass sie auch durch die Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (§§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB).2854) Zu nennen sind Sachverhalte, in denen der Gebundene die Erfüllung der Getränkebezugsverpflichtung ernsthaft und endgültig verweigert. Als Beispiel ist die Geschäftsaufgabe,2855) etwa durch Veräußerung oder (Unter-)Verpachtung des Gaststättenobjektes ohne gleichzeitig wirksame Weitergabe der Getränkebezugsverpflichtung, zu nennen. Dann hat der Gastwirt die weitere Abnahme der Getränke eigenverantwortlich unmöglich gemacht hat. 7.

Klauselwirksamkeit

2.2302 a) § 305 Abs. 1 BGB. Bei den vertraglichen Regelungen zur außerordentlichen Kündigung des Getränkelieferungsvertrages handelt es sich zumeist um AGB (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB).2856) Daher müssen die benannten Kündigungsgründe der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach AGB-Recht standhalten. 2.2303 b) Einbeziehung. aa) Um nicht an der Einbeziehungshürde des § 305c Abs. 1 BGB zu scheitern, sollten Kündigungsgründe nicht unter der Überschrift „Schadensersatz“ aufgeführt werden und umgekehrt.2857) 2.2304 bb) Zu beachten sind weiter § 305c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daher sollte die Kündigungsbefugnis eindeutig geregelt werden. Mangels Bestimmtheit ist die Kündigungsbefugnis „bei ungünstigen Auskünften“ unwirksam.2858) ___________ 2853) LG Münster, Urt. v. 18.8.2006 – 16 O. 105/06. 2854) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 11.2.1981 – VIII ZR 312/79, WM 1981, 331 = Zeller II, 72; BGH, Urt. v. 2.3.2004 – XI ZR 288/02, NJW-RR 2004, 873. 2855) LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/01, als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 2856) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08. 2857) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 46. 2858) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

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III. Außerordentliche Kündigung, Grundlagen

c) Inhaltskontrolle. aa) Kündbarkeit. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht schon darin, dass nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund hingewiesen wurde. Das Recht zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund folgt nämlich aus dem allgemeinen Prinzip von Treu und Glauben und greift als Ausfluss dieses Prinzips bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängig davon ein, ob es in dem Vertrag ausdrücklich geregelt ist.2859) bb) Diese Einschränkung der Kündigungsbefugnis auf wesentliche oder schwerwiegende Verstöße muss sich aus der Kündigungsregelung selbst ergeben.2860) cc) Ausschluss oder Erschwerung. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund (§§ 490, 314 BGB) darf bei Dauerschuldverhältnissen selbst individualvertraglich nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Es kann daher erst recht nicht durch AGB derogiert oder eingeschränkt werden (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 314, 309 Nr. 8 a BGB). Gleiches gilt für Klauseln, die die Ausübung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung mehr als nur unwesentlich erschweren.2861) Vertragsklauseln, die ein außerordentliches Kündigungsrecht für Fälle vorsehen, in denen dem Verwender ein Festhalten am Vertrag noch zumutbar ist, sind daher unwirksam.2862) d) Rechtsfolge. Sollte es an einer wirksamen Einbeziehung fehlen oder eine Inhaltskontrollvorschrift verletzt worden sein, so ist die Unwirksamkeit des benannten Kündigungsgrundes anzunehmen (§ 306 Abs. 1 BGB). Es bleibt dem Getränkelieferanten wie auch ggf. seinem Kunden unbenommen, sich durch erneute wirksame Kündigung, gestützt auf andere benannten Kündigungsgründe, sonst nach § 314 BGB, vom Vertrag zu lösen. 8.

2.2305

2.2306 2.2307

2.2308

Kündigungserklärung

a) Zu Problemen des Zugangs wird auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 2.2309 27.10.2004 verwiesen.2863) ___________ 2859) BGH, Urt. v. 5.11.1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276 = ZIP 1999, 72; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99, zu § 138 Abs. 1 BGB; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2860) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80. 2861) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328; BGH, Urt. v. 26.5.1986 – VIII ZR 218/85, NJW 1986, 3134; BGH, Urt. v. 15.11.2007 – III ZR 247/06, NJW 2008, 360; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98. 2862) BGH, Urt. v. 8.10.1990 – III ZR 247/89, BGHZ 112, 279 = NJW 1991, 102 = ZIP 1991, 1406. 2863) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685.

677

§ 33 Kündigung

2.2310 b) Umdeutung. Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann grundsätzlich nur dann in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden, wenn es ersichtlich der Wille des Kündigenden war, sich – wann auch immer – vom Vertrag zu lösen.2864) Eine Umdeutung setzt weiter voraus, dass das Rechtsgeschäft, in das umgedeutet wird, zulässig ist. 2.2311 c) Kündigungserklärungsfrist. Das Kündigungsrecht muss innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes ausgeübt werden (§ 314 Abs. 3 BGB). Wegen der Vielgestaltigkeit von Dauerschuldverhältnissen ist eine einheitliche Bemessung der Frist ausgeschlossen.2865) 2.2312 d) Verwirkung. Das Kündigungsrecht muss durch den Gastwirt innerhalb angemessener Frist ausgeübt werden.2866) Wird eine Kündigung damit begründet, wegen Verlegung der Braustätte habe sich der Geschmack des Bieres verändert, so muss die Kündigung zeitnah erklärt werden. Wird dieser Kündigungsgrund erst fünf Jahre nach der Verlegung der Braustätte im Rahmen einer Kündigung geltend gemacht, ist das Kündigungsrecht verwirkt.2867) 2.2313 Begeht der Vertragspartner einen Wettbewerbsverstoß, so ist bei Dauerschuldverhältnissen eine Kündigung bis zum Abschluss des Vertrages möglich und unbefristet. Die gegenteilige Auffassung hätte zur Folge, dass der Getränkelieferant ein fortgesetztes vertragswidriges Verhalten auf Dauer hinnehmen müsste, sofern er nicht innerhalb der Entschlussfrist von weniger als zwei Monaten kündigt.2868) Sofern eine Abmahnung erforderlich ist, dürfte die Kündigungserklärungsfrist frühestens mit Ablauf der in der Abmahnung gesetzten Frist zur Reaktion zu laufen beginnen. Hintergrund ist, dass die Reaktion des Kündigungsgegners und nicht das in der Abmahnung genannte Verhalten den Kündigungsgrund bildet. Die Weigerung, sich künftig vertragskonform zu verhalten, sollte zutreffenderweise als neue, die Entschlussfrist auslösende Vertragsverletzung angesehen werden. 9.

Rechtsfolge

2.2314 Ab dem jeweiligen Beendigungszeitpunkt besteht keine Abnahmeverpflichtung mehr.2869) Anders als die ordentliche Kündigung führt die außerordentliche

___________ 2864) BGH, Urt. v. 12.1.1981 – VIII ZR 332/79, NJW 1981, 676. 2865) Palandt-Grüneberg, BGB, § 314 Rz. 10. 2866) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441. 2867) OLG Celle, Urt. v. 4.10.1990 – 12 U 24/90, Zeller IV, 104. 2868) BGH, Urt. v. 19.6.2011 – VIII ZR 212/08, NJW 2011, 3361 (Vertragshändlervertrag). 2869) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217.

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IV. Wichtige Gründe für die Kündigung durch den Getränkelieferanten

Kündigung des Getränkelieferungsvertrages zur sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses.2870) IV.

Wichtige Gründe für die Kündigung durch den Getränkelieferanten

1.

Aufzählung

Im Interesse des Getränkelieferanten liegt es, die praktisch bedeutsamen (wich- 2.2315 tigen) Gründe zur (außerordentlichen) Kündigung des Getränkelieferungsvertrages im Vertrag selbst aufzählend zu benennen und interessengerecht auszugestalten. In der Regel enthalten Getränkelieferungsverträge einen Katalog nicht abschließend benannter wichtiger Gründe (Formulierung „insbesondere“), die den Getränkelieferanten zur fristlosen Kündigung berechtigen.2871) Dadurch wird klargestellt, dass die benannten Kündigungsgründe nur beispielhaft aufgeführt worden sind; daneben bleibt die Möglichkeit, wegen weiterer wichtiger Gründe nach § 314 BGB das Vertragsverhältnis zu kündigen. 2.

Kündigungsgründe

a) Überblick. Üblicherweise werden folgende wichtige Gründe im Zusammen- 2.2316 hang mit der Verletzung von insbesondere vertraglichen Pflichten benannt und rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung des Getränkelieferungsvertrages aus wichtigem Grund: die Nichtaufnahme des Getränkebezuges, ein Fremdbezug,2872) die Nichteinhaltung des vereinbarten Lieferweges im Vertriebsmodell 2, die Einstellung des Getränkebezugs bzw. des gastronomischen Betriebes2873), die Nichteröffnung des Gaststättenbetriebs, die Nichterteilung der Konzession bzw. die Entziehung der Konzession2874), der Minderbezug,2875) die Nichtauferlegung der Getränkebezugsverpflichtung als eigene Verpflichtung des Geschäftsnachfolgers bei Veräußerung oder die (Unter-)Verpachtung des Objektes oder Geschäftsübergang im Übrigen2876). ___________ 2870) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; LG Köln, Urt. v. 17.6.1993 – 1 S 16/93. 2871) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 2872) Siehe oben § 30 VI 2 m. w. N. 2873) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss); OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 2874) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. Zur Fragen der Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit i. S. d. § 35 GewO bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 12 GewO) vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 3.11.2010 – 6 A 10676/10, NVwZ-RR 2011, 229. 2875) Siehe oben § 31 VI m. w. N. 2876) Siehe oben § 32 IV m. w. N.

679

§ 33 Kündigung

2.2317 b) Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des Gebundenen. Durch eine Gesamtrechtsnachfolge auf Seiten des Gebundenen im Sinne des Umwandlungsgesetzes (UmwG) ändert sich für den Getränkelieferanten des übertragenden Rechtsträgers der Vertragspartner. Bei Getränkelieferungsverträgen handelt es sich um Dauerschuldverhältnisse, bei denen es auf die Bonität des Vertragspartners entscheidend ankommt. Ergibt eine Einzelfallprüfung, dass Auswirkungen auf die geschuldete oder zu fordernde Leistung bestehen, so kann dem Getränkelieferanten ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen.2877) Soweit nach § 22 UmwG Sicherheit verlangt werden kann, dürften die wirtschaftlichen Interessen des Getränkelieferanten als hinreichend gewahrt anzusehen sein. Dann scheidet ein Kündigungsrecht aus. Auch insofern muss allerdings glaubhaft gemacht werden, dass die Erfüllung der Forderung gefährdet wird. Der Anspruch auf Sicherheitsleistung richtet sich gegen denjenigen Rechtsträger, gegen den sich der Anspruch primär richtet (§ 133 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 UmwG). V.

Kündigungsgründe für den Gebundenen

1.

Einführung

2.2318 Auch Kunden des Getränkelieferanten können sich von dem Vertrag grundsätzlich gestützt auf § 314 BGB aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung lösen. Im Ergebnis scheitert der Wunsch nach Beendigung der vertraglichen Zusammenarbeit zumeist aber daran, dass kein wichtiger Grund i. S. d. § 314 BGB festgestellt werden kann. Je nach Fallkonstellation stellen die sich in diesem Abschnitt angesprochenen Fragen bei Prüfung der Tatbestandsvoraussetzung des Vertretenmüssens im Rahmen von Leistungsstörungen des Getränkelieferungsvertrages. 2.

Grundsätze

2.2319 Es entspricht den Besonderheiten der Getränkelieferungsverträge, dass der Getränkelieferant in aller Regel seine Leistungen (Darlehen, Inventargestellung etc.) am Beginn des Vertragsverhältnisses erbringt, und zwar in der Erwartung der Einhaltung der Bezugsbindung während der gesamten künftigen Laufzeit durch den Gastwirt. Damit ermöglicht der Getränkelieferant dem Gastwirt die Eröffnung, Erweiterung oder die Fortführung des Gaststättenbetriebes. Der Getränkelieferant tritt mit seinen Leistungen in Vorlage (Vorleistungsgedanke). Aus dieser besonderen Sachlage heraus folgt, dass Kündigungen durch den Gebundenen aus wichtigem Grund nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sachlich gerechtfertigt sind.2878) ___________ 2877) So allgemein BGH, Urt. v. 26.4.2002 – LwZR 20/01, NJW 2002, 2168 (Landpachtvertrag). 2878) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.

680

V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

Als Kündigungsgründe scheiden somit alle Umstände aus, die allein im jeweili- 2.2320 gen Risikobereich der anderen Vertragspartei liegen.2879) Grundsätzlich kann eine Kündigung nicht auf Umstände gestützt werden, die in den Risikobereich des Gastwirts fallen.2880) Als Kündigungsgründe kommen für den Gebundenen zudem nur solche Gründe 2.2321 in Betracht, die gleichsam zur Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) des Vertrages geworden sind.2881) Diese muss weggefallen und eine Vertragsanpassung nicht möglich sein (§ 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB). Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage scheidet allerdings dann aus, wenn es sich um Umstände handelt, die ausschließlich oder überwiegend in die Risikosphäre einer Partei fallen.2882) Daher steht dem Gastwirt ein Kündigungsrecht nach § 314 BGB nur zu, wenn 2.2322 ihm die weitere Vertragserfüllung schlechthin nicht mehr zugemutet werden kann.2883) Hieran sind strenge Anforderungen zu stellen.2884) Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Erfolg einer jeden Absatzstätte auch 2.2323 und ganz wesentlich von der Persönlichkeit des jeweiligen Gastwirts und der Befähigung des von ihm angestellten Personals bestimmt wird.2885) 3.

Bezugsverpflichtung und Lieferverträge

a) Grundsatz. Die Kündigung des Getränkelieferungsvertrages als Rahmen- 2.2324 vertrag2886) kann auf Pflichtverletzungen bei den Einzelkaufverträgen gestützt werden. b) (Gesamt-)Mengenvertrag. Liegt ausnahmsweise ein (Gesamt-)Mengenver- 2.2325 trag in Gestalt eines echten Sukzessivlieferungsvertrages vor so ist bei Leistungsstörungen § 314 BGB nicht anwendbar. Vielmehr kommen die Vorschriften über den Rücktritt in Betracht.2887) Praktisch kann diese Frage für Getränkelieferungsverträge zwischen Getränkeherstellern, insbesondere Brauereien, und Getränkefachgroßhändlern werden. ___________ 2879) OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2880) BGH, Urt. v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022 = ZIP 1998, 72. 2881) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 2882) BGH, Urt. v. 11.11.2010 – III ZR 57/10, BeckRS 2010, 30051. 2883) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 2884) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Zweibrücken, Urt. v. 24.6.1997 – 5 U 36/96; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 2885) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02. 2886) Siehe oben § 2 III 2 m. w. N. 2887) BGH, Urt. v. 5.6.1991 – VIII ZR168/90, NJW 1991, 2699; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880.

681

§ 33 Kündigung

2.2326 Danach kann der Getränkelieferant, i. d. R. eine Brauerei, jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB vom gesamten Vertrag auch unter Einbeziehung bereits erbrachter Teilleistungen zurücktreten. Daneben kann sich auch bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift ein Rücktrittsrecht analog § 324 BGB ergeben, wenn dem Getränkelieferanten wegen Verletzung der Leistungstreuepflicht durch Zerstörung des Vertrauens in die ordnungsgemäße Erbringung künftiger Raten das besondere Festhalten am Vertrag unzumutbar ist. Will man in diesem Fall die Lösung vom Vertrag weiterhin auf künftige Raten beschränken, was bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB durchaus interessengerecht erscheint, fragt es sich, ob dann nicht eine analoge Anwendung des § 314 BGB die methodisch überzeugendere Lösung wäre, verglichen mit einem Rücktrittsrecht analog § 324 BGB, das – in der Rechtsfolge systemwidrig – nur für die Zukunft wirken soll. Auf Tatbestandsseite dürften sich insoweit zwischen § 314 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BGB und § 324 BGB jedenfalls keine wesentlichen Unterschiede ergeben. 4.

Finanzielle Leistungsfähigkeit

2.2327 a) Für seine finanzielle Leistungsfähigkeit hat der Gastwirt einzustehen (§ 276 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Geldleistungsschuldner trägt er das Risiko der Geldbeschaffung und Finanzierung. 2.2328 b) Ertragsrisiko. Aus diesem Grunde rechtfertigt der Umstand, dass die Absatzstätte – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr rentabel geführt werden kann, eine Kündigung aus wichtigem Grunde nicht.2888) 2.2329 c) Ebenso wie im Rahmen des § 543 BGB kommen auch zu niedrige Umsätze und eine unrentable Betriebsführung nicht als Kündigungsgrund in Betracht.2889) Anders kann dies aber sein, wenn die Vertragsparteien den in einer bestimmten Absatzstätte zu erzielenden Getränkeumsatz einverständlich zur Grundlage ihrer Preisvereinbarung machen, sich aber in ihren Erwartungen beiderseits irren. Hier kann eine schwerwiegende Störung des Äquivalenzverhältnisses die Anpassung nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage rechtfertigen.2890) ___________ 2888) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 19.4.1978 – VIII ZR 182/76, NJW 1978, 2930 (Pachtvertrag); BayObLG, Urt. v. 22.7.1954 – 1 Z 44/54, Zeller I, 147; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.12.2006 – I-10 74/06, BeckRS 2007, 01540 (Pachtvertrag); LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2889) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Köln, Urt. v. 16.2.1977 – 2 U 115/76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1984 – 11 U 6/84, Zeller IV, 545; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1994 – 10 U 50/93, ZMR 1994, 402; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; LG Köln, Urt. v. 14.9.2010 – 22 O. 38/10; BGH, Urt. v. 16.2.2000 – XII ZR 179/97, NJW 2000, 1714 = ZIP 2000, 887; BGH, Urt. v. 19.7.2000 – XII ZR 176/98, NJW-RR 2000, 1535 = ZIP 2000, 1530. 2890) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.9.1992 – 9 U 893/92, bei Bühler, BB 1994, 663 f.

682

V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

d) Auch eine drohende Insolvenz berechtigt den Gastwirt nicht zur Kündi- 2.2330 gung.2891) e) Entsprechend der vertragstypischen Risikoverteilung endet die Getränkebe- 2.2331 zugsverpflichtung nicht ohne weiteres durch Aufgabe der Gaststätte. Vielmehr ist der Gastwirt grundsätzlich verpflichtet, die Gaststätte während der Laufzeit des Vertrages zu betreiben oder betreiben zu lassen.2892) Dies muss erst recht für den Fall einer ausdrücklichen Vereinbarung einer Betriebspflicht gelten und dann auch dann gelten, wenn etwa eine Vertretung des erkrankten Pächters durch einen Dritten als unwirtschaftlich erscheint. Da die Geschäftsentwicklung auch die Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Hilfskraft dem unternehmerischen Risiko des Pächters zuzuordnen ist, entfällt die vertraglich vereinbarte Betriebspflicht auch dann nicht, wenn die Fortführung des Betriebes zur Folge hat, dass nur Verluste erwirtschaftet werden, sodass es vorteilhafter wäre, das Objekt zu schließen.2893) 5.

Veränderungen im Nachfrageverhalten oder in der Lage des Objektes

Entsprechendes gilt, wenn der Gastwirt wegen einer Änderung des Publikums- 2.2332 geschmacks, obwohl die gelieferten Getränke einwandfrei sind, eine Umsatzeinbuße hinnehmen muss,2894) oder sich eine geänderte Verkehrslage nachteilig auf seine Erträge auswirkt. Ausnahmen von diesen Grundsätzen gelten nur dann, wenn die Vertragsparteien die Rentabilität der Absatzstätte,2895) ihre Verkehrslage oder sonstige wesentliche Umstände ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage erhoben haben. Während der Laufzeit eines bestehenden Getränkelieferungsvertrages kommt es daher auch weder auf einen Wechsel im Kundenstamm noch auf den Wunsch nach Änderung des Charakters der Gaststätte an.2896) 6.

Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen

Die mit dem gesetzlichen Rauchverbot zusammenhängende Gebrauchsbe- 2.2333 schränkung beruht nicht auf der konkreten Beschaffenheit der Pachtsache, son___________ 2891) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; BGH, Urt. v. 7.10.2004 – I ZR 18/02, NJW 2005, 1360 = ZIP 2005, 534. 2892) BayObLG, Urt. v. 22.7.1954 – 1 Z 44/54, Zeller I, 147; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Köln, Urt. v. 28.6.1978 – 74 O. 505/77. 2893) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2003 – 10 U 69/03; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.7.2008 – 24 W 53/08, MDR 2008, 1204; teilweise a. A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2894) BGH, Urt. v. 31.5.1965 – VIII ZR 110/63, BB 1965, 809 = Zeller I, 367 (Vertrag BrauereiGetränkefachgroßhändler); BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73. 2895) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351. 2896) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327.

683

§ 33 Kündigung

dern bezieht sich auf die Art und Weise der Betriebsführung des Mieters oder Pächters. Die Folgen eines gesetzlichen Rauchverbots in Absatzstätten fallen daher allein in das wirtschaftliche Risiko des Pächters. Der Verpächter der Absatzstätte ist auch nicht verpflichtet, auf Verlangen des Pächters durch bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen gesetzlich zulässigen Raucherbereich einrichten kann. Denn auch eine solche Verpflichtung würde einen Mangel der Pachtsache voraussetzen, der hier nicht gegeben ist.2897) Folglich geben entsprechend veranlasste Umsatzrückgänge dem Gastwirt auch kein Recht zur Kündigung des Getränkelieferungsvertrages. 7.

Veränderungen aus der Person des Gastwirts

2.2334 a) Die Abmeldung des Gaststättengewerbes infolge Erreichens des Rentenalters begründet kein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund. Die altersmäßige Befähigung des Gastwirts zur Fortführung der Absatzstätte fällt in seinen Risikobereich. Im Übrigen bleibt es ihm unbenommen, seine Getränkebezugsverpflichtung durch eine andere Person, auch einen möglichen Rechtsnachfolger, erfüllen zu lassen. Ist für den Gastwirt bereits bei Vertragsschluss abzusehen, dass er drei Jahre später das Rentenalter erreichen wird und geht er gleichwohl eine zeitlich weiterreichende Bezugsbindung ein, so kann einer Kündigung der Ausschließlichkeitsbindung wegen Erreichens des Rentenalters und einer hierdurch veranlassten Aufgabe der Absatzstätte nicht nur entgegengehalten werden, dass gar kein Kündigungsgrund besteht, sondern der außerordentlichen Kündigung steht auch der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens entgegen.2898) 2.2335 b) Gesundheit. aa) Grundlagen. Ist vertraglich eine Betriebspflicht vereinbart, so ist der Gesundheitszustand des Gebundenen von vorneherein ohne Bedeutung.2899) Im Übrigen ist zu prüfen, ob der Gastwirt seine vertraglich übernommenen Verpflichtungen weiterhin erfüllen kann und ob er die Nicht-/Schlechterfüllung zu verantworten hat. Dabei kommt es im Rahmen des § 314 BGB nicht auf ein Vertretenmüssen i. S. d. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB an.2900) Insbesondere ist das Abwägungsgebot des § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Die Darlegungs- und Nachweispflicht liegt beim Gastwirt. Umstände in der Person des Gastwirts wie etwa gesundheitliche Probleme, Alter, wirtschaftliche Probleme oder selbst eine nachweislich erfolglose Suche nach einem Nachfolger scheiden damit aus. Beispielsweise berechtigt eine schwere Erkrankung des Betriebsinhabers diesen nicht zur fristlosen Kündigung. Das Risiko, dass seine Arbeitskraft erhalten bleibt, trägt ___________ 2897) BGH, Urt. v. 13.7.2011 – XII ZR 189/09, BeckRS 2011, 21250. 2898) BGH, Urt. v. 22.10.1997 – VIII ZR 149/96. 2899) Siehe oben § 33 V 4 e m. w. N. 2900) LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/01, als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01.

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V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

grundsätzlich jeder Unternehmer selbst. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann er dieses Risiko auch nicht über § 242 BGB auf seinen Vertragspartner abwälzen. Selbst schwere Erkrankungen des Betriebsinhabers berechtigen diesen nicht zur fristlosen Kündigung.2901) Dafür spricht auch die Parallele zum Miet-/Pachtrecht. Trotz der weitgefassten 2.2336 Generalklausel im § 543 Abs. 1 BGB wird eine schwere Erkrankung des Mieters, die ihn an der Nutzung des Mietobjektes hindert, nicht als ein die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigender Grund angesehen; das Verwendungsrisiko trägt allein der Mieter (§ 537 Abs. 1 BGB).2902) bb) Diese Überlegungen gelten erst recht, wenn es sich um eine Eigentümer- 2.2337 erklärung handelt, in der formuliert ist „… zu beziehen oder beziehen zu lassen“. Dadurch wird dem selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer die Verpachtung als Option aufgezeigt. Ähnliches gilt auch bei Vorhandensein einer Rechts- oder Geschäftsnachfolgeklausel. c) Ehescheidung. Haben beide (Ehe-)Partner den Getränkelieferungsvertrag 2.2338 unterschrieben, so begründet eine Scheidung und erst recht eine Trennung bzw. sonstige Nichtfortsetzung der familiären Verbindung kein Kündigungsrecht. 8.

Mengenvertrag

Die Vereinbarung einer Gesamtmindestabnahmemenge in einem auf zwanzig 2.2339 Jahre geschlossenen Getränkelieferungsvertrag steht einer Kündigung des Gastwirts zum Vertragsende nicht entgegen, auch wenn er die Gesamtmenge nicht angenommen hat. Nach Ablauf der Vertragszeit kann ein Kündigungsrecht des Verpflichteten also nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine bestimmte Gesamtmenge bezogen wurde.2903) 9.

Vorzeitige Rückgewähr der Leistungen des Getränkelieferanten

a) Noch heute findet sich gelegentlich die Fehlvorstellung, eine etwa vorzeiti- 2.2340 ge Rückzahlung eines gewährten Darlehens bzw. der Inventarvorfinanzierung oder die Rückgabe der Leihgegenstände oder die vorzeitige Entlassung aus der übernommenen Bürgschaft gebe dem Gastwirt das Recht, sich durch Kündigung von der Bezugsbindung zu befreien. Die praktische Bedeutung dieser Fragestellung ist erheblich, zumal in diesem Zusammenhang nicht selten sei___________ 2901) Erman-Jendrek, BGB, 12. Aufl. 2008, vor § 535 Rz. 51, zum Automatenaufstellvertrag. 2902) OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.6.2000 – 24 U 186/99, NZM 2001, 669. 2903) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 17.1.1979 – VIII ZR 262/77, NJW 1979, 865 = Zeller II, 224; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 m. w. N. = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145. Siehe oben § 11 II 2 b bb m. w. N.

685

§ 33 Kündigung

tens der Gastwirte die Behauptung aufgestellt wird, eine entsprechende Abrede sei getroffen worden.2904) 2.2341 b) Meinungsstand. Die Vertreter der Mindermeinung stützen sich auf ältere Entscheidungen des OLG Düsseldorf. Dieses Gericht vertrat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1970 die Auffassung, dass im Hinblick auf das Gegenseitigkeitsverhältnis der beiderseitigen Verpflichtungen die Bezugsbindung nur bei einer ausdrücklichen Vertragsregelung fortbestehe. Mit Rückzahlung des Darlehens sei die Leistung des Getränkelieferanten unmöglich geworden. Diese nachträglich eingetretene Unmöglichkeit sei von keiner Partei zu vertreten. Damit verliere der Getränkelieferant nach § 324 BGB a. F. seinen Anspruch auf die Gegenleistung und damit auf Erfüllung des Getränkebezugs.2905) Ähnlich das OLG Düsseldorf in einer späteren Entscheidung, nach der es jedenfalls dann gegen § 242 BGB verstoße, den Wirt oder Darlehensnehmer oder, wenn der Darlehensnehmer der Verpächter der Absatzstätte ist, den Wirt und ihn an der Bezugsverpflichtung nach Rückzahlung des Darlehens festzuhalten, wenn gegen Vereinbarung einer Bezugsverpflichtung für eine bestimmte Dauer ein jederzeit kündbares Darlehen zu banküblichen Bedingungen gewährt worden sei.2906) 2.2342 Nach zutreffender h. M. bleibt der Gastwirt bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens auch weiterhin an die vereinbarte Bezugsverpflichtung gebunden, ohne dass es einer ausdrücklichen Regelung bedürfe.2907) Ein Kündigungsrecht steht ihm nicht zu, die Bezugsverpflichtung läuft weiter.2908) ___________ 2904) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143. 2905) OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.1970 – 16 U 236/69, MDR 1971, 840 = Zeller I, 71; ähnlich LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90. 2906) OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.1980 – U (Kart) 11/80, MDR 1980, 398 = Zeller II, 246; LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90; LG Hagen, Urt. v. 8.11.1988 – 11 S 350/88. 2907) Zu letztgenanntem Aspekt a. A. OLG Düsseldorf, Urt. v. 4.5.1970 – 16 U 236/69, MDR 1971, 840 = Zeller I, 71. 2908) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; RG, Urt. v. 22.3.1935 – VII 278/34, JW 1935, 2553 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; KG, Urt. v. 2.9.1937 – 23 U 2455/37; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Nürnberg, Urt. v. 3.12.1954 – 3 U 179/54, NJW 1955, 386; OLG Hamburg, Urt. v. 28.4.1978 – 14 U 35/76; OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.3.1984 – 11 U 6/84, Zeller IV, 545; OLG Stuttgart, Urt. v. 2.9.1986 – 12 U 307/85, Zeller IV, 149; OLG Celle, Urt. v. 7.4.1987 – 18 U 24/86, Zeller IV, 234; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05; LG Köln, Urt. v. 20.11.2006 – 20 O. 118/06; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697; AG Ludwigslust, Urt. v. 16.2.2009 – 5 C 2/09, BeckRS 2009, 11036; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 164.

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V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

c) Stellungnahme. Dass schlechthin die etwa vorzeitige Darlehensrückzah- 2.2343 lung nicht von der Bezugsbindung befreit, liegt im Wesen derartiger Getränkelieferungsverträge. Gerade die langfristige Bindung des Gastwirts stellt in der Regel nämlich das Äquivalent für die finanziellen Aufwendungen des Getränkelieferanten dar, der weitgehend rechtlos gestellt würde, wenn sich sein Vertragspartner seiner Verpflichtungen durch vorzeitige Darlehensrückzahlung oder etwa Rückgabe des Leihinventars möglicherweise schon kurz nach Abschluss des Vertrages und insbesondere mit von einem konkurrierenden Getränkelieferanten zur Verfügung gestellten Mitteln, z. B. eines sich refinanzierenden Getränkefachgroßhändlers, entledigen könnte.2909) Die eigenverantwortlich vom Gebundenen getroffene Entscheidung, das Darlehen vorzeitig freiwillig zurückzuzahlen, kann im Ergebnis nicht zu Lasten des Getränkelieferanten gehen. Hinzu kommt, dass Getränkelieferanten anders als Kreditinstitute ihr Erfüllungsinteresse nicht durch Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung absichern. Dies gilt auch gegenüber Verbrauchern und Existenzgründern, weil § 500 Abs. 2 2.2344 BGB nicht für den bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages gilt. d) Eine Anpassung der Laufzeit nach den Grundsätzen über den Wegfall der 2.2345 Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) scheidet entgegen einer vereinzelt vertretenen Meinung2910) aus. Insofern bedürfte es einer sorgfältigen Prüfung, ob überhaupt die Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB gegeben sind. Ein Sachgrund, das Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage dann zu bemühen, wenn die vorzeitige Rückzahlung im ersten Drittel der vorgesehenen Vertragslaufzeit erfolgt, ist nicht ersichtlich. Mit Fug und Recht könnte man den gleichen Ansatz – ebenfalls nicht begründbar – für das letzte Drittel der vereinbarten Laufzeit wählen. Im Übrigen kommt es bei der von der h. M. angesprochenen Äquivalenzbetrachtung nach § 138 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. e) Es bleibt dem Getränkelieferanten nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unbe- 2.2346 nommen, das eigenverantwortliche Verhalten des Gastwirts zum Anlass zu nehmen, diesem weitere Leistungen zukommen zu lassen. Zu denken ist insbesondere an eine Erhöhung des (Rück-)Vergütungssatzes. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht aber nicht.

___________ 2909) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.2.1994 – 16 U 91/93; OLG Frankfurt/M. Urt. v. 8.11.2012 – 22 U 127/10, BeckRS 2013, 12217; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 164. 2910) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 239.

687

§ 33 Kündigung

10.

Darlehensrückzahlungsverpflichtung auf Grund einer Teilkündigung

2.2347 Die auf einer wirksam erklärten Teilkündigung des Darlehens2911) beruhende Rückzahlungspflicht gibt dem Gastwirt kein Kündigungsrecht.2912) Er hat die Ursache für die vorzeitige Darlehenstilgung gesetzt (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).2913) 11.

Objektverlust

2.2348 a) Die Gewerbeabmeldung bzw. das Erlöschen der Konzession berechtigen den Gebundenen regelmäßig nicht zur Kündigung des Getränkelieferungsvertrages.2914) 2.2349 b) War bzw. ist die Absatzstätte durch Kriegseinwirkung oder durch Brand zerstört und fehl(t)en dem Gastwirt bzw. dem durch die Bezugsbindung verpflichteten Grundeigentümer die Mittel zum Wiederaufbau, so kann ihm ggf. ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zustehen.2915) Diese Befugnis, sofern noch nicht ausgeübt, erlischt aber dann, wenn die Absatzstätte wieder aufgebaut worden ist. Errichtet der Grundeigentümer das Haus wieder, ohne eine Absatzstätte zu etablieren, so kann er sich auf diese Weise der Bezugspflicht nicht entziehen. 12.

Verhalten des Getränkelieferanten

2.2350 a) Getränkelieferungsverträge sind in aller Regel nicht als Alleinvertriebssysteme ausgestaltet,2916) sodass der Gastwirt aus der Belieferung von Konkurrenten durch den Getränkelieferanten kein Kündigungsrecht herleiten kann. Nur äußerst selten wird eine örtliche Verkehrssitte festzustellen sein, die es dem Getränkelieferanten verbietet, dem durch einen langjährigen Getränkelieferungsvertrag mit ihm verbundenen Wirt durch Belieferung benachbarter Absatzstätten Konkurrenz zu machen.2917) ___________ 2911) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. Siehe unten § 40 VI 8 a m. w. N. 2912) Anders wohl noch BGH, Urt. v. 23.11.1951 – I ZR 24/51, NJW 1952, 344 = Zeller I, 144; BGH, Urt. v. 23.6.1960 – VIII ZR 115/59, NJW 1960, 1614 = Zeller I, 161; BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202. 2913) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. 2914) LG Wuppertal, Urt. v. 6.3.1986 – 19 S 137/85, Zeller IV, 426; LG Münster, Urt. v. 18.8.2006 – 16 O. 105/06. 2915) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146; zu einem Wegfall der Bezugsverpflichtung bei Beschädigung des Gaststättenanwesens und Unzumutbarkeit seiner Wiederherstellung OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.10.1995 – 1 U 864/94-129, das § 323 BGB a. F. anwendete. 2916) v. Braunmühl, in: Ahlert, S. 412. 2917) OLG Nürnberg, Urt. v. 10.5.1965 – 5 U 29/65, NJW 1965, 1919; OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837.

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V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

b) Mit der Frage der Unmöglichkeit der Weiterbelieferung mit bestimmten 2.2351 Bieren setzte sich das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 18.12.2003 auseinander.2918) c) Ist der Vorbehalt der Lieferung anderer Produkte wirksam vereinbart, so 2.2352 dürfte dem Gastwirt ein Recht zur fristlosen Kündigung zustehen, wenn sich die ersatzweise gelieferten Produkte in erheblichem Maße von den eigentlich vorgesehenen nachweislich unterscheiden oder wenn infolge der Ersatzlieferung ein Umsatzrückgang eintritt oder droht.2919) d) Macht sich der Getränkelieferant etwa durch eine für den gebundenen Gast- 2.2353 wirt nachteilige Preisgestaltung2920) einer Verletzung seiner Vertragspflichten schuldig, so ist eine Kündigung aus wichtigem Grund,2921) die in derartigen Fällen an die Stelle der Rücktrittsbefugnis des § 323 Abs. 1 BGB tritt, regelmäßig erst nach Setzung einer Nachfrist zulässig, weil erst eine erfolglose Nachfristsetzung Klarheit darüber schafft, ob das Vertrauensverhältnis schlechthin und unheilbar zerstört ist.2922) e) Im Vertriebsmodell 2 kann der Gastwirt im Fall unangemessener Preisfor- 2.2354 derungen einen Austausch des Getränkefachgroßhändlers verlangen. Kommt der Getränkelieferant diesem Anliegen zu Recht nicht nach, könnte der Gebundene das gesamte Vertragswerk kündigen und sich den Freiraum für den Abschluss eines neuen Liefervertrages schaffen.2923) f) Hinsichtlich der fehlerhaften Abrechnung u. a. von Rückvergütungen (Ra- 2.2355 batte auf den Listenpreis) wird verwiesen auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.10.2004.2924) g) Zu (angeblichen) Problemen in der Zusammenarbeit Brauerei-Getränke- 2.2356 fachgroßhändler im Vertriebsmodell 2 kann Näheres einem Urteil des OLG Koblenz vom 21.2.2002 entnommen werden.2925) h) Umbaumaßnahmen. Insofern kann auf die Rechtsprechung verwiesen wer- 2.2357 den.2926) ___________ 2918) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2003 – 10 U 69/03. 2919) Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, Klauseln B Rz. 325. 2920) BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251. 2921) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 2922) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2923) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2924) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685. 2925) OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837. 2926) KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15.

689

§ 33 Kündigung

2.2358 i) Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien rechtfertigen eine Kündigung aus wichtigem Grunde auch dann nicht, wenn der Getränkelieferant wiederholt – möglicherweise sogar von einer fehlerhaften, aber nicht von vornherein unvertretbar erscheinenden Rechtsauffassung ausgehend – den Gastwirt mit Zahlungsklagen überzieht. Entscheidend dürfte sein, ob das Verhalten der Vertragspartei den Schluss auf fehlende Vertragstreue zulässt.2927) So auch im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund des § 543 BGB: Bloße Meinungsverschiedenheiten genügen nicht. Selbst wenn zwischen den Vertragsparteien mehrere Rechtsstreitigkeiten geführt werden, so ist doch keine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses anzunehmen. Etwas anderes kann nur dann anzunehmen sein, wenn trotz mehrfacher Beschwerde erhebliche Mängel nicht beseitigt werden.2928) 13.

Nutzungsverhältnis

2.2359 Fraglich ist, ob der Gastwirt sich von dem Getränkelieferungsvertrag dann lösen kann, wenn er eine über die Laufzeit des Miet-/Pachtvertrages hinsichtlich der Absatzstätte hinausgehende Bezugsbindung eingegangen war und der Hauseigentümer nunmehr den Pachtvertrag fristgemäß beendet. Dabei handelt es sich um Frage der Vertragsauslegung. Die Rechtsprechung zum Parallelfall bei Automatenaufstellverträgen verneint dies in den meisten Fällen.2929) 2.2360 Für den Getränkelieferungsvertrag hat der BGH entschieden, dass der Bestand des über die Absatzstätte mit einem Dritten geschlossenen Nutzungsverhältnisses regelmäßig in den Risikobereich des Gastwirts fällt, wenn sich dem Vertrag keine gegenteiligen Anhaltspunkte entnehmen lassen. Ist dies nicht der Fall, so gibt die Beendigung des Nutzungsverhältnisses, etwa durch fristgerechte Kündigung oder wegen einer Vertragsverletzung fristlos, dem Gastwirt nicht das Recht, sich auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen und den Getränkelieferungsvertrag fristlos zu kündigen. Das gilt selbst dann, wenn dem Getränkelieferanten die Eigentumsverhältnisse bei Abschluss des Getränkelieferungsvertrages bekannt sind.2930) Auch aus einer vorvertraglichen Kenntnis des Getränkelieferanten, dass die zugrunde liegenden Nutzungsverträge bezüglich der Absatzstätte teilweise kürzer laufen als die übernommene Getränkebezugsverpflichtung, kann der Gastwirt nichts zu seinen Gunsten herleiten. Der Gast___________ 2927) BGH, Urt. v. 1.12.1977 – KZR 6/76, NJW 1978, 822 = Zeller II, 90. 2928) OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1994 – 10 U 50/93, ZMR 1994, 402. 2929) BGH, Urt. v. 2.7.1962 – VIII ZR 92/61, MDR 1962, 979 = Zeller I, 41 (verneinend); BGH, Urt. v. 20.3.1967 – VIII ZR 237/64, BeckRS 1967, 31178035 (bejahend); BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75 (verneinend); BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034 (verneinend); BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23 (zweifelnd). Siehe unten § 38 XIV 3 b bb bbb m. w. N. 2930) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99.

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V. Kündigungsgründe für den Gebundenen

wirt hat diese Verträge eigenverantwortlich abgeschlossen und damit das Risiko des Getränkeabsatzes in seinem Lokal übernommen. Hinzu kommt ggf., dass das Ende des Nutzungsverhältnisses zum vorgesehenen Zeitpunkt noch nicht einmal feststeht, sondern eine Verlängerung möglich bzw. offen war. Dafür Sorge zu tragen, ist Sache des Nutzungsberechtigten.2931) Dieses Ergebnis rechtfertigt sich nicht nur aus der Erwägung, dass das Weiterverwendungsrisiko beim Kauf (der bezogenen Getränke) in der Regel der Käufer trägt, sondern vor allem aus dem Umstand, dass es in erster Linie der Gastwirt ist, der auf Abschluss und Bestand des über die Absatzstätte geschlossenen Nutzungsvertrages Einfluss hat.2932) 14.

Absatzstätte

a) Aufgabe bzw. Übergabe. Da der wirtschaftliche Erfolg des Gaststättenbe- 2.2361 triebes in den Risikobereich des Gastwirts fällt, stellt die Aufgabe bzw. Übergabe des Betriebes durch den Gastwirt aus eigenem Entschluss erst recht keinen wichtigen Grund dar. Die eigenverantwortliche Beendigung der selbstständigen gastronomischen Tätigkeit durch Aufgabe bzw. Übergabe der Absatzstätte rechtfertigt keine fristlose Kündigung des Getränkelieferungsvertrages.2933) Im Übrigen wird zu berücksichtigen sein, dass der Gebundene eigenverantwortlich einen möglicherweise länger laufenden Getränkelieferungsvertrag abgeschlossen hat. Damit hat er eine bewusste Risikoentscheidung getroffen. Ggf. steht auch das Ende des Nutzungsverhältnisses zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht einmal fest. Dies dann, wenn nach dem Vertrag eine Verlängerung, sei es automatisch, sei es im Wege der Optionsausübung, möglich ist. Dafür Sorge zu tragen, ist alleine Aufgabe des Vertragspartners des Getränkelieferanten. b) Besteht eine Betriebspflicht, kann gegen die Wirksamkeit der Nachfolge- 2.2362 klausel nichts mit Erfolg eingewandt werden. Gleiches gilt, wenn die Vereinbarung dahin zu verstehen ist, der Gastwirt habe die Verpflichtung übernommen, den ausschließlichen Bezug der Getränke über den Getränkelieferanten auch im Falle der Veräußerung des Gastronomieobjektes zu gewährleisten. Anders, wenn es dem Verpflichteten freigestanden hat, den Gaststättenbetrieb einzustellen und das Objekt für andere Zwecke zu verwenden. Eine freistehende Betriebsaufgabe kann dann innerhalb der von Treu und Glauben gesetzten Grenzen in der Form vollzogen werden, dass das Objekt veräußert wird.2934) ___________ 2931) OLG Hamm, Urt. v. 6.12.2013 - 19 U 24/13, BeckRS 2014, 01155. 2932) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. 2933) OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.12.1988 – 22 U 203/88; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99. Siehe oben § 33 V 4 m. w. N. 2934) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

691

§ 33 Kündigung

2.2363 c) Veräußerung der Immobilie. Betreibt ein Grundstückseigentümer auf seinem Grundstück eine der Getränkebezugspflicht unterliegende Absatzstätte und veräußert er unter Aufgabe der Absatzstätte sein Grundstück freihändig, um einer drohenden Enteignung zuvorzukommen, so rechtfertigt dies nicht eine Kündigung des Getränkelieferungsvertrages aus wichtigem Grunde.2935) 15.

Rechtsnachfolge auf Seiten des Getränkelieferanten

2.2364 a) Einführung. Hinter der Problematik der Rechtsnachfolge auf Seiten des Getränkelieferanten können sich sehr unterschiedliche Fallgestaltungen verbergen, von denen nachfolgend nur einige exemplarisch angesprochen werden können. 2.2365 b) Rechtsprechung. Rechtsnachfolgeregelungen aufseiten des Getränkelieferanten in Form von Übertragungsrechten, seien sie individualvertraglich ausgehandelt oder als Klausel vereinbart, sind nur dann wirksam, wenn dem Gastwirt in bestimmten Fällen ein Recht zur fristlosen Kündigung – wenn auch ungeschrieben – verbleibt.2936) Nach der Rechtsprechung des BGH soll dem Gastwirt jedenfalls in zwei Fällen eine Kündigungsbefugnis zustehen. Zum einen dann, wenn die alte Braustelle aufgehoben oder verlegt wird und es zu einer Änderung der Biermarke kommt. Zum anderen bei Einstellung des Braubetriebes infolge einer Übernahme durch eine andere Brauerei mit der Konsequenz, dass nur noch deren Biere geliefert werden können.2937) 2.2366 c) Stellungnahme. Vor einer unbedachten Übernahme dieser Rechtsprechung muss gewarnt werden.2938) Jedenfalls unbedenklich dürfte es sein, wenn im Getränkelieferungsvertrag eines Getränkefachgroßhändlers lediglich bestimmte Sorten festgeschrieben sind, ohne dass eine Markenkonkretisierung erfolgt ist. Gleiches dürfte für Verträge von Getränkeherstellern (Brauereien etc.) gelten, wenn das Sortiment der jeweiligen „Gruppe“ benannt worden ist und sich die Veränderung lediglich im Rahmen der erkennbaren Sortimentsstruktur bewegt. 2.2367 Wird der Braubetrieb eingestellt und das verpflichtete Bier, das nicht unter einer Herkunftsbezeichnung auf dem Markt ist, von der übernehmenden Brauerei unter Beibehaltung der Rezeptur, der Sorte und der Markenbezeichnung weiterhin ___________ 2935) BGH, Urt. v. 27.11.1968 – VIII ZR 9/67, NJW 1969, 461 = Zeller I, 285; BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01. 2936) Siehe oben § 14 III 3 m. w. N. 2937) BGH, Urt. v. 10.3.1976 – VIII ZR 268/74, BeckRS 1976, 31122246 = Zeller I, 327, wo allerdings im Ergebnis kein Kündiungsrecht eingeräumt wird; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96; offengelassen in OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2938) Eingehend siehe oben § 14 III 3 b bb m. w. N.

692

I. Grundlagen

eingebraut, so ist kein Sachgrund ersichtlich, warum dem Gastwirt ein Kündigungsrecht zustehen sollte. Unter den genannten Voraussetzungen lässt sich nämlich keine geschmackliche Veränderung des Produktes feststellen. Deshalb greift entgegen dem BGH auch nicht das Argument des Publikumsgeschmacks. Im Übrigen liegt weder eine Änderung der Sorte noch der Marke vor. Warum beide Kriterien insbesondere bei kleinen und mittelständischen Brauereien mit begrenztem Einzugsgebiet maßgeblich sein sollen, bleibt unerfindlich. Dies gilt auch dann, wenn die übernehmende Brauerei bei Identität im Übrigen 2.2368 die Markenbezeichnung ändert.2939) In dieser Fallgruppe steht dem Gastwirt also auch dann, wenn eine Änderung des Sortiments weder individualvertraglich geregelt noch sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermitteln lässt,2940) keine Kündigungsbefugnis zu.2941) Ein Kündigungsrecht kann nicht allein durch eine bloße Rechtsnachfolge auf- 2.2369 seiten des Getränkelieferanten entstehen, so wenn die fusionierende Brauerei noch in der Lage ist, die vertraglich vereinbarten Biere zu liefern.2942) Anders zu entscheiden könnten dagegen Sachverhalte sein, in denen sich die 2.2370 Ausschließlichkeitsbindung auf Getränke bezieht, die unter einer Herkunftsbezeichnung hergestellt werden. Allerdings bedarf es insofern einer besonders sorgfältigen Prüfung im Einzelfall. Möglicherweise bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass es dem Gastwirt in erster Linie auf den Erhalt der (finanziellen) Leistungen ankam und ihm der Brauort des angebotenen Bieres und seine Bezeichnung gleichgültig gewesen sind.2943) Siebter Abschnitt: Das Verhältnis Getränkelieferant-Eigentümer-Pächter § 34 Die Eigentümerbindung I.

Grundlagen

1.

Einführung

Im Fokus der Absatzbemühungen der Getränkelieferanten stehen interessante 2.2371 Konzepte mit geeigneten Betreibern. Unabdingbare Voraussetzung des Absatzerfolges ist aber das Vorhandensein eines gastronomisch genutzten bzw. nutz___________ 2939) A. A. BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96. 2940) OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96. 2941) a. A. OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2942) So zutreffend OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2943) OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99.

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I. Grundlagen

eingebraut, so ist kein Sachgrund ersichtlich, warum dem Gastwirt ein Kündigungsrecht zustehen sollte. Unter den genannten Voraussetzungen lässt sich nämlich keine geschmackliche Veränderung des Produktes feststellen. Deshalb greift entgegen dem BGH auch nicht das Argument des Publikumsgeschmacks. Im Übrigen liegt weder eine Änderung der Sorte noch der Marke vor. Warum beide Kriterien insbesondere bei kleinen und mittelständischen Brauereien mit begrenztem Einzugsgebiet maßgeblich sein sollen, bleibt unerfindlich. Dies gilt auch dann, wenn die übernehmende Brauerei bei Identität im Übrigen 2.2368 die Markenbezeichnung ändert.2939) In dieser Fallgruppe steht dem Gastwirt also auch dann, wenn eine Änderung des Sortiments weder individualvertraglich geregelt noch sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermitteln lässt,2940) keine Kündigungsbefugnis zu.2941) Ein Kündigungsrecht kann nicht allein durch eine bloße Rechtsnachfolge auf- 2.2369 seiten des Getränkelieferanten entstehen, so wenn die fusionierende Brauerei noch in der Lage ist, die vertraglich vereinbarten Biere zu liefern.2942) Anders zu entscheiden könnten dagegen Sachverhalte sein, in denen sich die 2.2370 Ausschließlichkeitsbindung auf Getränke bezieht, die unter einer Herkunftsbezeichnung hergestellt werden. Allerdings bedarf es insofern einer besonders sorgfältigen Prüfung im Einzelfall. Möglicherweise bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass es dem Gastwirt in erster Linie auf den Erhalt der (finanziellen) Leistungen ankam und ihm der Brauort des angebotenen Bieres und seine Bezeichnung gleichgültig gewesen sind.2943) Siebter Abschnitt: Das Verhältnis Getränkelieferant-Eigentümer-Pächter § 34 Die Eigentümerbindung I.

Grundlagen

1.

Einführung

Im Fokus der Absatzbemühungen der Getränkelieferanten stehen interessante 2.2371 Konzepte mit geeigneten Betreibern. Unabdingbare Voraussetzung des Absatzerfolges ist aber das Vorhandensein eines gastronomisch genutzten bzw. nutz___________ 2939) A. A. BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441; OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, BeckRS 1998, 031631, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 50/98; LG Frankenthal, Urt. v. 4.2.1998 – 5 O. 1238/96. 2940) OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.2.1997 – 12 U 266/96. 2941) a. A. OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2942) So zutreffend OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2943) OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99.

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§ 34 Die Eigentümerbindung

baren Objektes. Der Weg zu interessanten Absatzstätten führt somit auch über den – jeweiligen – Hauseigentümer. 2.

Konstellationen

2.2372 Eigentümerbindungen können in sehr unterschiedlichen Konstellationen auftreten,2944) unabhängig davon, ob es sich bei den Eigentümern um private (Haus-)Eigentümer2945) oder etwa Städte und Gemeinden,2946) Vereine2947) oder Kirchengemeinden2948) handelt.2949) Auffällig ist insofern, dass das ausgewertete Rechtsprechungsmaterial in nicht wenigen Fällen Getränkefachgroßhändler als Berechtigte ausweist.2950) 3.

Leistungen des Getränkelieferanten

2.2373 Um das Ziel der mittelbaren Generierung von Absatz über den Eigentümer zu erreichen, erbringt der Getränkelieferant nicht selten umfängliche Leistungen an diesen. In Betracht kommen die allgemein üblichen Leistungen,2951) insbesondere Zuschüsse2952) oder Darlehen, aber auch Pacht-/Mietausfallbürgschaften2953) (Rück-)Vergütungen2954), die leihweise Inventargestellung, die ___________ 2944) Siehe bereits oben § 15 I 2 a m. w. N. 2945) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155 (mit zusätzlichem Verwaltungsvertrag); BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.2.1977 – 2 U 177/76; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; LG Berlin, Urt. v. 9.6.2000 – 5 O. 495/99, ZMR 2000, 827; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00. 2946) OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. 2947) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; OLG Hamm, Urt. v. 13.3.1995 – 2 U 139/94, NJW-RR 1996, 46; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467. 2948) OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. 2949) Im Übrigen sind hinsichtlich des von ihnen angebotenen Sortiments auch Energieversorger zu nennen. 2950) Vgl. u. a. OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750. 2951) Siehe oben § 1 I m. w. N. 2952) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394. 2953) OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 11 U 73/06, BeckRS 1997, 31051607. 2954) OLG Stuttgart, Urt. v. 18.2.1977 – 2 U 177/76 (10,00 € Rückvergütung an Eigentümer für Benennung des Getränkelieferanten im Vertrag mit dem Pächter).

694

II. Eigentümererklärung

Unterstützung bei der Pächtersuche2955), die Übernahme der Hausverwaltung2956), der Ausgleich von Nachteilen aus der Vermietung/Verpachtung (konkret mindestens 500,00 € pro Monat, d. h. für die vereinbarte Bezugsdauer von zehn Jahren 60.000,00 €)2957), ausnahmsweise auch die Gewährung eines sog. Haustrunks.2958) II.

Eigentümererklärung

1.

Abgrenzung

Die Praxis kennt den Begriff der Eigentümererklärung bzw. der Hauseigentü- 2.2374 mervereinbarung in sehr unterschiedlichen Konstellationen. Zum einen versteht man darunter die vorstehend angesprochenen Formen in Gestalt eines Leistungs- und Getränkebezugsvertrages, insbesondere eines Darlehens- bzw. Zuschuss- und Getränkebezugsvertrages. Zum anderen fallen hierunter auch etwa Verwaltungsverträge bzw. (Pacht-)Vermittlungsverträge, mit denen der Getränkelieferant den Hauseigentümer bei der Suche nach geeigneten Pächtern unterstützt. Wie vielgestaltig der Begriff der Hauseigentümererklärung ist, zeigt der Um- 2.2375 stand, dass darunter auch der Verzicht des Hauseigentümers gegenüber dem Getränkelieferanten auf sein Verpächterpfandrecht im Zusammenhang mit der Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar fallen kann. Weniger gebräuchlich, aber durchaus nicht gänzlich unüblich ist es, die vertrag- 2.2376 liche Verpflichtung zur Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zur dinglichen Absicherung der Lieferrechte des Getränkelieferanten in die Form einer Hauseigentümererklärung zu kleiden. 2.

Zeitpunkt

Einerseits werden Hauseigentümervereinbarungen präventiv zwischen Geträn- 2.2377 kelieferanten und Hauseigentümern geschlossen, um jedenfalls schuldrechtlich „den Fuß in der Tür des Objektes zu haben“. Andererseits kann es Sinn machen, eine bestehende Pächterbindung vorsorglich, etwa im Hinblick auf sich abzeichnende Betreiberwechsel, durch Einbeziehung des nicht betreibenden Hauseigentümers abzusichern.2959)

___________ 2955) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195. 2956) LG Duisburg, Urt. v. 26.11.1980 – 6 O. 524/80. 2957) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2958) AG Hof, Urt. v. 29.6.1998 – 14 C 1918/97. 2959) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98.

695

§ 34 Die Eigentümerbindung

3.

Differenzierung

2.2378 a) Grundsatz. Sowohl für die betriebswirtschaftliche Einschätzung als auch für die rechtliche Würdigung kommt es entscheidend darauf an, ob der Hauseigentümer das Vertragsobjekt selbst betreibt oder nicht. Im ersten Fall ist der Hauseigentümer Konzessionsträger und folglich gastrogewerblich tätig. Hier wird er nachfolgend als selbst bewirtschaftender Hauseigentümer bezeichnet. Im zweiten Fall betreibt der Hauseigentümer das Vertragsobjekt, sei es in einem bereits gastronomisch genutzten Betrieb, sei es einen künftig für diesen Verwendungszweck vorgesehenen Betrieb, nicht selbst. Vielmehr verpachtet bzw. vermietet er das Objekt bzw. hat solches vor. Der Hauseigentümer ist insofern jedenfalls derzeit nicht (mehr) gastrogewerblich tätig. Konzessionsträger ist der jeweilige Pächter bzw. Mieter. Diese Fallgruppe soll nachfolgend als nicht selbst bewirtschaftende Hauseigentümer bezeichnet werden. 2.2379 b) Selbst bewirtschaftende Hauseigentümer. Hinsichtlich selbst bewirtschaftender Eigentümer bestehen sowohl hinsichtlich der Vertragsgestaltung als auch im Übrigen keine Besonderheiten.2960) Insofern kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden.2961) 2.2380 c) Nicht selbst bewirtschaftende Hauseigentümer. Nachfolgend sollen ausgewählte Fragen im Zusammenhang mit nicht selbst bewirtschaftenden Eigentümern angesprochen werden. 4.

Form

2.2381 Zur Übernahme einer Getränkebezugsverpflichtung beim Grundstückskauf, einer etwaigen Formbedürftigkeit nach § 311b BGB und dem Anwendungsbereich des § 139 BGB nahm der BGH in einem Urteil vom 31.5.19742962) Stellung. 5.

Stellung des Getränkelieferanten

2.2382 Enthält ein Pachtvertrag zwischen dem bisherigen Bezugsverpflichteten als Verpächter und einem neuen Pächter eine Bezugsbindung des Pächters zu Gunsten eines bestimmten Getränkelieferanten, so kann dieser gem. § 328 Abs. 2 BGB daraus unmittelbar Anspruchsberechtigter gegen den Pächter sein.2963) ___________ 2960) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Schleswig, Urt. v. 19.6.2003 – 11 U 188/03, mit Vorinstanz LG Kiel, Urt. v. 7.11.2001 – 12 O. 202/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685, mit Vorinstanz LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02. 2961) Siehe oben §§ 1, 2, 9 – 33, jeweils m. w. N. 2962) BGH, Urt. v. 31.5.1974 – V ZR 111/72, BeckRS 1974, 31123412 = Zeller II, 135. 2963) OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543.

696

III. Pflichtenstellung des Hauseigentümers

III.

Pflichtenstellung des Hauseigentümers

1.

Grundsatz

Den nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer trifft naturgemäß keine 2.2383 Verpflichtung, die vertraglich gebundenen Getränke selbst zu beziehen. Sein Obligo besteht vielmehr darin, dafür zu sorgen und sicherzustellen, dass die jeweiligen Betreiber des Vertragsobjektes (Pächter, Mieter etc.) die vertraglich gebundenen Getränke in dem vorgeschriebenen Umfang (Sortiment, Menge) und auf den vorgegebenen Lieferweg beziehen.2964) Er hat nämlich sowohl ein Sortimentsbestimmungsrecht als auch das Entscheidungsrecht über den damit verbundenen Lieferweg. 2.

Typische Regelungen

Die Pflichtenstellung des Eigentümers kann sehr unterschiedlich ausgestaltet 2.2384 sein. Insbesondere kann die Vertragsauslegung zu dem Ergebnis führen, dass dem Hauseigentümer in genau benannten Sachverhaltskonstellationen (Rückfall der Getränkebezugsverpflichtung auf diesen) oder auch anfänglich latent eine Eigenbetriebsverpflichtung trifft. Nur beispielhaft seien die folgenden Gestaltungsvarianten angesprochen. a) Auferlegungspflicht. Eine häufige Variante stellt sich dergestalt dar, dass der 2.2385 Hauseigentümer nicht in eigener Person eine Getränkebezugsverpflichtung übernimmt. Vielmehr hat er lediglich die Getränkebezugsverpflichtung seinen gegenwärtigen oder künftigen Pächtern/Mietern oder sonstigen Rechts- oder Geschäftsnachfolgern aufzuerlegen und für deren Einhaltung zu sorgen und diese sicherzustellen.2965) Insofern wird auch der Begriff „Lieferrechtsgarantie“ verwendet. b) Nachfolgeregelung bei Betreiberwechsel. Praktisch wurde zweitens auch 2.2386 eine Eigentümererklärung, wonach einem nachfolgenden Pächter/Mieter aufzuerlegen war, in den bestehenden Getränkelieferungsvertrag mit dem derzeitigen ___________ 2964) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153. 2965) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller, III, 80; BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Nürnberg, Urt. v. 20.11.1981 – 1 U 1627/81, WRP 1982, 543; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153; OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 11 U 73/06, BeckRS 1997, 31051607; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; LG Berlin, Urt. v. 9.6.2000 – 5 O. 495/99, ZMR 2000, 827; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 13.11.2002 – 3 O. 6360/01. Siehe unten § 35 I m. w. N.

697

§ 34 Die Eigentümerbindung

Pächter/Mieter bei vorzeitiger Beendigung des Nutzungsverhältnisses einzutreten.2966) 2.2387 c) Nachfolgeregelung mit potentieller Eigenverpflichtung. Drittens verpflichtet sich der Eigentümer einer Absatzstätte, alle vertraglichen Verpflichtungen aus einem Getränkelieferungsvertrag an einen Rechtsnachfolger des Pächters zu übergeben. Ggf. geht die Verpflichtung auch dahin, dass er die Bewirtschaftung selbst übernimmt.2967) Man könnte insofern von einer ruhenden Getränkebezugsverpflichtung sprechen. Praktisch kann dies insbesondere dann werden, wenn der aktuell nicht mehr betreibende Hauseigentümer das Objekt früher selbst betrieben hat. 2.2388 d) Anfänglich latente Betriebspflicht. Viertens verpflichtet sich der Eigentümer wahlweise, das Objekt selbst zu betreiben, übernimmt aber auch die Verpflichtung, diese einem Pächter/Mieter aufzuerlegen.2968) Typisch sind Formulierungen wie „… zu beziehen oder beziehen zu lassen“ bzw. „… dafür einzustehen, dass …“. 2.2389 e) Rechtsnachfolgeregelung. Denkbar ist auch, dass der Hauseigentümer verpflichtet ist, eine eigene Getränkebezugsverpflichtung einem etwaigen Volloder Teilrechtsnachfolger in Eigentum oder Besitz aufzuerlegen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Getränkebezugsverpflichtung des Verpächters vom Pächter zu übernehmen ist und sich jener gegenüber dem Verpächter verpflichtet, diesen von jeder Art von Schadensersatzansprüchen, die aus einer Verletzung der Getränkebezugsverpflichtung dem Getränkelieferanten gegenüber dem Verpächter entstehen könnten, freizustellen.2969) 3.

Wirksamkeit

2.2390 Im Zusammenhand mit den dem Eigentümer auferlegten Pflichten zur Weitergabe der übernommenen Getränkebezugsverpflichtung kann ggf. § 311a Abs. 1 BGB bedeutsam werden. 4.

Risiken

2.2391 a) Interessenlage. Der vorstehende Überblick zeigt bereits, dass die naturgemäß nicht immer deckungsgleiche Interessenlage des Getränkelieferanten einer___________ 2966) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46. 2967) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2968) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394 (Zuschuss- und Getränkelieferungsvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2969) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

698

IV. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

seits und des Hauseigentümers andererseits an die Verhandlung und Vertragsgestaltung entsprechender Eigentümererklärungen besondere Anforderungen stellt. Dies auch deshalb, weil eine Vielzahl bekannter und möglicherweise auch nur denkbarer Risiken insbesondere aus der Person des jeweiligen Betreibers mit bedacht werden müssen. b) Gleichlauf. Die Rechtsposition des Getränkelieferanten sowohl gegenüber 2.2392 dem nicht betreibenden Hauseigentümer als auch gegenüber dem betreibenden Pächter/Mieter hängt grundlegend davon ab, dass Inhalt und Umfang der Getränkebezugsverpflichtung in den jeweiligen Vereinbarungen inhaltsgleich formuliert werden. Dies empfiehlt sich auch für etwaige Sanktionen für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung der Getränkebezugsverpflichtung wie etwa pauschalierten Schadensersatz oder Vertragsstrafe. Insofern genügt es aber aus Sicht des Getränkelieferanten, dass entsprechend klar formulierte und im Übrigen rechtlich unangreifbare Formulierungen in der Hauseigentümererklärung enthalten sind. 5.

Darlehensverbindlichkeiten

Den Absatzinteressen des Getränkelieferanten ist an sich mit einer wirksamen 2.2393 Begründung bzw. Übertragung der Getränkebezugsverpflichtung auf den jeweiligen Betreiber bzw. Rechts- oder Geschäftsnachfolger genüge getan. Die Tilgungs- und Zinszahlungsverpflichtungen aus ausgereichten Darlehen gehen weiterhin zu Lasten des nicht betreibenden Hauseigentümers.2970) Allerdings sind auch Konstellationen denkbar, in denen der Getränkelieferant bewusst oder unbewusst den Hauseigentümer verpflichtet, nicht nur die Bezugsverpflichtung, sondern auch die Zahlungsverpflichtungen aus dem ausgereichten Darlehen einem etwaigen Nachfolger des derzeitigen Pächters/Mieters als eigene Verbindlichkeit aufzuerlegen. Gleiches gilt dann, wenn die Auslegung des Getränkelieferungsvertrages eine Verpflichtung des Hauseigentümers zur Auferlegung der Abnahme- und Finanzierungsverpflichtungen für den Fall einer Volloder Teilrechtsnachfolge in Besitz oder Eigentum zulässt. IV.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Grundsatz

Verpflichtungserklärungen des Eigentümers bzw. Verpächters einer Absatz- 2.2394 stätte, der diese nicht selbst betreibt, aber in die Getränkebezugs- und Darlehensverpflichtung einbezogen wird, können wegen Sittenverstoßes unwirksam sein.2971) Diese müssen nämlich während der vereinbarten Bezugsdauer im Falle ___________ 2970) Zur Zulässigkeit siehe oben § 16 III 9 m. w. N. 2971) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498; offen lassend OLG Schleswig, Urt. v. 29.6.1987 – 16 U 344/87, Zeller IV, 240.

699

§ 34 Die Eigentümerbindung

des Verkaufs des Grundstücks einen erheblichen Preisabschlag hinnehmen oder bei Weiterverpachtung einen günstigeren Pachtzins einräumen, weil Gastwirte bei Übernahme einer Absatzstätte häufig auf Finanzierungsleistungen von Getränkelieferanten angewiesen sind.2972) 2.

Beurteilungsgrundsätze

2.2395 Erforderlich sind eine umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalls sowie eine Gesamtbetrachtung aller Vertragsregelungen.2973) 3.

Beurteilungskriterien

2.2396 a) Person des Verpflichteten. Dass der Eigentümer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht Betreiber der Absatzstätte war, ist unschädlich, denn auch der Eigentümer und Verpächter kann grundsätzlich Bezugsverträge für das Gaststättenobjekt abschließen und sich verpflichten, die Bezugsverpflichtung Pächtern aufzuerlegen.2974) Der Eigentümer kann seine Verpflichtung durch Dritte erfüllen lassen. Diese sind seine Erfüllungsgehilfen, für deren Verschulden er, auch wenn ihn selbst kein Verschulden trifft, einzustehen hat (§ 278 BGB). Da das Institut des Erfüllungsgehilfen gesetzlich vorgesehen ist, kann insofern kein Sittenverstoß festgestellt werden.2975) 2.2397 b) Im Rahmen der Abwägung nach § 138 Abs. 1 BGB ist die Einseitigkeit der Vertragsstellung ein Element, das die Sittenwidrigkeit verstärkt.2976) 2.2398 c) Laufzeit. Die vereinbarte Laufzeit der Bezugsverpflichtung von zehn Jahren ist für sich gesehen unbedenklich.2977) Wie stets bedarf es einer Prüfung der gesamten wirtschaftlichen Stellung des Eigentümers im Einzelfall. Insofern kommt es unter anderem darauf an, ob er nur Verpächter der Gaststätte ist. Nicht selten ist das Gaststättenobjekt kein eigener Erwerbsbetrieb, sondern nur Teil des Haus- und Grundbesitzes, der durch die Verpachtung der Gaststätte möglichst wirtschaftlich verwertet werden soll. Dann fehlt es an einem existenzbegründenden Erwerbsbetrieb, sondern der Eigentümer wird regelmäßig im Rahmen ___________ 2972) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2973) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2974) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98. 2975) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287. 2976) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2977) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498.

700

IV. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

der Verwaltung seines Immobilienobjektes aktiv, das er möglichst ertragreich zu nutzen beabsichtigt.2978) Ist die Bezugsbindung ohne zeitliche Begrenzung an die Dauer der Verpach- 2.2399 tung einer Absatzstätte gekoppelt und kann der Verpächter (Hauseigentümer) sich nur mittelbar durch eine zweckentfremdende Verpachtung der Räume (Aufgabe der Absatzstätte) von der Bezugsbindung lösen, so ist die Laufzeitvereinbarung nichtig.2979) d) Leistungen des Getränkelieferanten. aa) Grundsatz. Eigentümererklärungen 2.2400 sind nur dann nicht sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB und damit rechtswirksam, wenn der Getränkelieferant dem Eigentümer eine hinreichende Leistung erbringt. Wird der Getränkelieferant lediglich bei dem Zustandekommen des Pachtvertrages vermittelnd tätig, so genügt dies nicht.2980) bb) Zurechnung. Soweit der Getränkelieferant dem Pächter, der ihm gegen- 2.2401 über eine der mit dem Verpächter getroffenen Vereinbarung entsprechende Getränkebezugsverpflichtung eingegangen ist, im Rahmen der mit diesem geschlossenen Verträge Vorteile eingeräumt haben sollte, sollen diese nur im Verhältnis zu dem Pächter, nicht aber zum Verpächter Berücksichtigung finden; denn sie seien dem Verpächter nicht zugutegekommen.2981) Allerdings darf nicht verkannt werden, dass dieser strenge Ansatz durchaus zweifelhaft erscheint, kommen doch Leistungen an den Pächter/Mieter mittelbar dem Hauseigentümer oder Verpächter zugute, zumal der Pächter die Absatzstätte oftmals ohne das finanzielle Engagement der Getränkelieferanten nicht betreiben und damit den Pachtzins nicht erwirtschaften kann. Hier ist eine umfassende Beurteilung der Umstände im Einzelfall geboten.2982) cc) Schuldbeitritt. Eine Bezugsbindung eines im Wege des Schuldbeitritts ver- 2.2402 pflichteten Pächters auf fünf Jahre mit einer Gesamtausschließlichkeit hinsichtlich der gebundenen Biere ist auch ohne Gegenleistung nicht zu beanstanden.2983) e) Umfang der Auferlegungsverpflichtung. Hinsichtlich der Angreifbarkeit 2.2403 nach § 138 Abs. 1 BGB ist zwischen Hauseigentümererklärungen, die sich auf die Verpflichtung zur Weitergabe der Bezugsverpflichtung beschränken, und solchen zu unterscheiden, die darüber hinausgehend auch eine Verpflichtung des Hauseigentümers zur Übertragung etwaiger Darlehensverbindlichkeiten des derzeitigen Pächters/Mieters gegenüber dem Getränkelieferanten auf dessen Ge___________ 2978) LG Duisburg, Urt. v. 26.11.1980 – 6 O. 524/80. 2979) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195. 2980) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195. 2981) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 337/98; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2982) So zu Recht Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 32. 2983) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

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§ 34 Die Eigentümerbindung

schäfts- oder Rechtsnachfolger als eigene Verbindlichkeit bzw. auf Voll- oder Teilrechtsnachfolger in Besitz oder Eigentum des Hauseigentümers erstrecken. 2.2404 aa) Die Verpflichtung zur Weitergabe der Bezugsverpflichtung für den Fall des Pächterwechsels ist als solche nicht sittenwidrig.2984) 2.2405 bb) Wird dem Eigentümer dagegen zusätzlich noch die Verpflichtung auferlegt, die Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag des Getränkelieferanten mit dem Pächter/Mieter auf dessen Nachfolger sowie auch auf Voll- oder Teilrechtsnachfolger in Besitz oder Eigentum des Hauseigentümers zu übertragen, so verstößt diese Regelung im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung gegen § 138 Abs. 1 BGB. Hierdurch wird die Weiterveräußerung des Objektes wesentlich erschwert, ohne das dem eine unmittelbare Gegenleistung des Getränkelieferanten gegenüberstünde.2985) Letzteres sei nur dann unbedenklich, wenn ein angemessener Ausgleich durch eine Leistung erfolge.2986) Bei der Abwägung fiel zu Lasten des Getränkelieferanten weiter ins Gewicht, dass dieser sich noch nicht einmal verpflichtet hatte, einen von dem Eigentümer oder dem Pächter gestellten Nachpächter zu akzeptieren und mit ihm den Bezugsvertrag fortzusetzen.2987) 2.2406 f) Sanktionen. aa) Vertragsstrafenklauseln in einem Getränkelieferungsvertrag sind für sich betrachtet grundsätzlich nicht zu beanstanden. Allerdings dürfen auch derartige Vereinbarungen nicht zu gravierenden Beschränkungen der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit des Gastwirts führen. So kann die Vereinbarung einer im Hinblick auf die Absatzmöglichkeiten der Absatzstätte unrealistische Mindestabnahmemenge i. V. m. einer empfindlichen Vertragsstrafe bei deren Nichtabnahme ebenso als sittenwidrig anzusehen sein wie die Kombination einer Vertragsstrafenklausel mit einer Nachfolgeklausel, durch die dem Gastwirt praktisch die Aufgabe der Veräußerung oder die Weiterverpachtung der Absatzstätte verwehrt wird.2988) 2.2407 Eine für den Fall des Fremdbezuges vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe von 30 % des Rechnungsbetrages konnte im Rahmen der Prüfung der Sittenwidrigkeit mit herangezogen werden.2989) ___________ 2984) OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2985) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98. 2986) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2987) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98. 2988) OLG Schleswig, Urt. v. 29.6.1987 – 16 U 344/87, Zeller IV, 240; 03699; OLG Köln, Urt. v. 9.5.1995 – 3 U 144/94, NJW-RR 1995, 1516; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.8.2005 – 1 W 198/05, BeckRS 2006, 03699. 2989) RG, Urt. v. 7.4.1908 – III 315/07, RGZ 68, 229 = JW 1908, 401; RG, Urt. v. 3.6.1930 – VII 401/30; RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1.

702

V. AGB-Recht

bb) Schadensersatz. Das OLG Köln nahm in einem Urteil vom 18.8.1997 zu 2.2408 einer Eigentümererklärung mit Auferlegungsverpflichtung gegen Übernahme einer Mietausfallbürgschaft für maximal sechs Monate ebenfalls einen strengen Standpunkt ein. Die Klage der Brauerei auf Leistung von Schadensersatz in Höhe von ca. 200.000,00 € wegen Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung wurde mit der Begründung abgewiesen, dem Hauseigentümer sei es regelmäßig wirtschaftlich nicht zumutbar, ein Mietobjekt deshalb für eine geringere Miete anzubieten, damit die Bezugsverpflichtung des vorherigen Mieters weitergegeben werden könne. Der hieraus erwachsende Nachteil werde durch die Mietausfallbürgschaft nicht aufgewogen.2990) g) Rechtsfolge. Beschränkt sich die Auferlegungsverpflichtung nicht auf die 2.2409 Getränkebezugsverpflichtung, so erfasst die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung die gesamte Eigentümererklärung, sodass diese als Ganzes nichtig ist.2991) V.

AGB-Recht

1.

Klausel

Für ein individuelles Aushandeln i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB bedarf es 2.2410 auch bei einer Eigentümererklärung, die dem äußeren Erscheinungsbild nach eine von dem Getränkelieferanten gestellte AGB ist, eines konkreten Vortrages des darlegungspflichtigen Getränkelieferanten.2992) 2.

Einbeziehung

Im Zusammenhang mit Hauseigentümererklärungen muss ggf. die Einbezie- 2.2411 hungshürde des § 305c Abs. 1 BGB genommen werden. Beispielsweise dann, wenn einem Hauseigentümer, der ein Objekt noch nie selbst betrieben hat oder erkennbar, etwa im Hinblick auf sein Alter oder seinen Gesundheitszustand, die Selbstbewirtschaftung aufgegeben hat, in einer Vereinbarung zumindest auch eine Verpflichtung zur Selbstbewirtschaftung auferlegt wird.2993) 3.

Kontrollfähigkeit

Eine Inhaltskontrolle scheidet nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht aus, weil es 2.2412 kein gesetzliches Leitbild gibt, an dem der Vertrag gesondert gemessen werden könnte.2994) ___________ 2990) OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 11 U 73/06, BeckRS 1997, 31051607. 2991) OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.4.1999 – 13 U 100/98; OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. 2992) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 11 U 73/06, NJW-RR 2007, 498. BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394, geht von einem vorformulierten Vertag aus. 2993) Siehe oben § 34 III 2 c und d, jeweils m. w. N. 2994) OLG Köln, Urt. v. 6.12.2006 – 1 U 73/06, NJW-RR 2007, 498 (obiter dictum).

703

§ 34 Die Eigentümerbindung

4.

Transparenzgebot

2.2413 Nach Inhalt und Wortlaut der Vertragsbedingungen sollte deutlich werden (können), ob diese nur auf Verträge mit Gaststätteneigentümern oder auch auf Verträge mit Pächtern zugeschnitten sind. Aus der Formulierung „Vermieter“ lässt sich nicht schließen, in welcher Rechtsposition die Absatzstätte, in der die Automaten aufgestellt sind, betrieben werden muss.2995) 5.

Laufzeit

2.2414 a) § 309 Nr. 9 a BGB. § 309 Nr. 9 a BGB erklärt AGB-Laufzeiten in Verträgen für unwirksam, die die regelmäßige Lieferung von Waren zum Gegenstand haben. Insofern stellt sich eine Vielzahl von Problemen. Erstens muss es sich bei dem nicht bewirtschaftenden Hauseigentümer um einen Verbraucher i. S. d. § 13 BGB handeln. Diese Frage dürfte grundsätzlich zu bejahen sein.2996) Zweitens könnte im Hinblick auf die Mitformulierung von gegenwärtigen oder künftigen Eigenbetriebsverpflichtungen die Frage aufzuwerfen sein, ob nicht das Umgehungsverbot des § 306a BGB tangiert ist. Drittens stellt sich die Frage, ob nicht jedenfalls die Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung individuell ausgehandelt worden ist (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).2997) Viertens ist bejahendenfalls zu dem Problem Stellung zu nehmen, ob § 309 Nr. 9 a BGB Getränkebezugsverpflichtungen erfasst.2998) 2.2415 b) Verlängerungsklauseln. Zur Frage der Wirksamkeit von Verlängerungsklauseln für den Fall der nicht rechtzeitig erklärten Kündigung kann verwiesen werden.2999) 6.

Übertragungsrecht

2.2416 Übertragungsklauseln in Darlehensverträgen mit nicht betreibenden Hauseigentümern (Verbrauchern) halten in der Regel einer Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 10 BGB nicht stand; die im Gesetz benannten Ausnahmetatbestände (namentliche Bezeichnung des Rechtsnachfolgers bzw. vertragliche Einräumung eines Lösungsrechts) dürften im Regelfall nicht festzustellen sein.3000) VI.

Eigentümererklärungen und GWB

2.2417 Insofern kann verwiesen werden.3001) ___________ 2995) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23 (Automatenaufstellvertrag). 2996) Siehe oben § 10 V 4 und nachfolgend § 34 VII 1, jeweils m. w. N. 2997) Siehe oben § 10 V m. w. N. 2998) Siehe oben § 10 V 4 m. w. N. 2999) Siehe oben § 11 I 6 m. w. N. 3000) Siehe oben § 14 III 2 m. w. N. 3001) Siehe oben § 28 III 3 m. w. N. Zu Fragen im Zusammenhang mit § 34 GWB a. F. wird verwiesen auf Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.2365 – 2.2386, m. w. N.

704

VII. Verbraucherschutzrecht

VII. Verbraucherschutzrecht 1.

Persönlicher Anwendungsbereich

a) Einführung. Vertragspartner eines Getränkelieferungsvertrages sind in der 2.2418 Praxis nicht selten auch nicht selbst bewirtschaftende Eigentümer eines Gaststättenobjektes, die die Frage der Belieferung mit einem Getränkelieferanten im Rahmen von Eigentümererklärungen vereinbaren und im Falle der Vermietung oder Verpachtung dem jeweiligen Mieter/Pächter Getränkeabnahmeverpflichtungen zugunsten des Getränkelieferanten auferlegen.3002) In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der Eigentümer sowohl gegenüber dem Getränkelieferanten als auch gegenüber seinem Mieter/Pächter als Verbraucher (§ 13 BGB) oder als Unternehmer (§ 14 BGB) anzusehen ist. b) Abgrenzung. Handelt es sich bei dem Hauseigentümer um einen eingetrage- 2.2419 nen Verein, eine Kommune oder einen Automatenaufsteller, so fehlt es an der Verbrauchereigenschaft i. S. d. § 13 BGB. Das Verbraucherschutzrecht kommt nicht zur Anwendung. Im Übrigen ist der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des § 513 BGB 2.2420 mangels Existenzgründereigenschaft in der Regel nicht eröffnet. Dies könnte bei Vertragsgestaltungen anders sein, nach denen den Hauseigentümer eine latente oder potentielle Eigenbetriebsverpflichtung trifft. Ggf. ist auch § 512 Satz 2 BGB heranzuziehen. c) Gewerbliche Tätigkeit. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt eine planmäßige 2.2421 und auf Dauer angelegte wirtschaftlich selbstständige Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb voraus.3003) Grundsätzlich gehört die Verwaltung eigenen Vermögens, selbst wenn es eine beträchtliche Höhe erreicht hat und seine weitere Mehrung durch Anlagegeschäfte angestrebt wird, zum privaten Bereich.3004) Selbst die Aufnahme von Fremdmitteln kann insbesondere beim Immobilienerwerb zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehören und lässt daher nicht zwangsläufig auf ein Gewerbe schließen.3005) Ebenso muss die Errichtung von (Ge___________ 3002) Siehe oben § 34 I 2 und III 2, jeweils m. w. N. 3003) OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2016 – 18 U 152/15, BeckRS 2016, 20371. Siehe oben § 5 I 1 c m. w. N. 3004) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224 (§ 1 VerbrKrG); OLG München, Beschl. v. 25.9.2008 – 32 Wx 118/08, NJW 2008, 3574; OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2015 – I-12 U 34/15, BeckRS 2015, 19938; OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2016 – 18 U 152/15, BeckRS 2016, 20371; LG Köln, Urt. v. 30.6.2015 – 21 0. 28/15, BeckRS 2015, 20610. Fehlgehend OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.10.2004 – 10 U 70/04, NJW-RR 2005, 13, wonach die Vermietung von zwei Einfamilienreihenhäusern und einer Einliegerwohnung zur Annahme der Unternehmereigenschaft genügen sollte; zu Recht ablehnend insofern OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2016 – 18 U 152/15, BeckRS 2016, 20371; LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004 (15 Wohnungsmietverhälntnisse und eine Gewerbeeinheit). 3005) BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573.

705

§ 34 Die Eigentümerbindung

schäfts-)Häusern zum Zwecke der späteren Vermietung und Verpachtung für sich gesehen keine gewerbliche Betätigung bedeuten, sondern ist vornehmlich als Nutzung des Eigentums am Grundstück zu betrachten. Der Vermieter von Wohnungen hat gewöhnlich nicht die Absicht, sich aus der Vermietung eine berufsmäßige Erwerbsquelle zu verschaffen. 2.2422 d) Umfang der Tätigkeit aa) Auslegung. Ob ein Vermieter als Verwalter eigenen Vermögens als Verbraucher (§ 13 BGB) oder im Hinblick auf den mit der Vermietung verbundenen organisatorischen und zeitlichen Aufwand und das dadurch vermittelte Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs als Unternehmer (§ 14 BGB) anzusehen ist, muss im Wege der Auslegung nach den äußeren Umständen im gesamten Kontext des Lebenssachverhaltes im Einzelfall entschieden werden.3006) Zu prüfen sind die Intensität und damit der Umfang, die Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Geschäftsvorfälle. 2.2423 bb) Grundsatz. Das ausschlaggebende Kriterium für die Abgrenzung der privaten von einer berufsmäßig betriebenen Vermögensverwaltung ist der Umfang der mit ihr verbundenen Geschäfte, nicht dagegen der Umfang des verwalteten Vermögens oder die Höhe der Investitionen.3007) Erfordert der Umfang der zur Vermögensverwaltung entfalteten Tätigkeit dagegen einen planmäßigen Geschäftsbetrieb3008) wie etwa eine büro- und geschäftsmäßige Organisation, so wird von einer beruflich betriebenen Vermögensverwaltung auszugehen sein.3009) Ein Indiz für ein Unternehmerhandeln mag die Optierung zur Umsatzsteuer sein.3010) 2.2424 Anzusetzen ist im Ergebnis bei dem Kriterium des organisatorischen und zeitlichen Aufwandes, den die Verwaltung des Vermögens erfordert. Kommt es zur Einstellung von Angestellten, etwa eines Hausverwalters, oder richtet der Kreditnehmer einen Büroraum zur Vermögensverwaltung an, spricht einiges für eine selbstständig-beruflich betriebene Vermögensverwaltung i. S. d. § 14 Abs. 1 a. E. BGB. 2.2425 e) Zwischenergebnis. Bei Vereinbarungen zwischen Getränkelieferanten und nicht betreibenden Hauseigentümern ist sonach zu unterscheiden. Handeln letzte___________ 3006) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 (§ 1 VerbrKrG); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2010 – 24 U 72/09, BeckRS 2010, 13332; OLG Koblenz, (Hinweis-)Beschl. v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, NJW-RR 2011, 1203; OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2016 – 18 U 152/15, BeckRS 2016, 20371. 3007) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 (§ 1 VerbrKrG); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.1.2010 – 24 U 72/09, BeckRS 2010, 13332. 3008) OLG Koblenz, (Hinweis-)Beschl. v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, NJW-RR 2011, 1203. 3009) BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80 = NJW 2002, 368 (§ 1 VerbrKrG); OLG Hamm, Urt. v. 11.11.2015 – I-12 U 34/15, BeckRS 2015, 19938; OLG Hamm, Urt. v. 20.10.2016 – 18 U 152/15, BeckRS 2016, 20371. Zu einer eventuellen Relevanz der Zahl der vermieteten Wohnungen siehe u. a. LG Waldshut-Tiengen, Urt. v. 30.4.2004 – 1 S 27/07, BeckRS 2009, 07023. 3010) Str. BGH, Urt. v. 26.2.2016 – V ZR 208/14, NJW 2016, 2173 = ZIP 2016, 1486.

706

VII. Verbraucherschutzrecht

re bei Abschluss der Vereinbarung mit den Getränkelieferanten nicht (eigengastro-)gewerblich, so sind sie wohl in der Regel als Verbraucher (§ 13 BGB) zu betrachten.3011) Anders dagegen bei gewerblicher Tätigkeit im Übrigen. Insofern bedarf es zur Feststellung der Intensität quantitativer Feststellungen, insbesondere eines erhöhten Einsatzes von Personal- und Betriebsmitteln. f) Konsequenzen. Die Behandlung des nicht selbst bewirtschaftenden privaten 2.2426 Hauseigentümers als Verbraucher eröffnet den sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherschutz- und des Verbraucherkreditrechts. 2.

Sachlicher Anwendungsbereich

a) Verbraucherkreditrecht. aa) Bindung. Ob Eigentümererklärungen in den 2.2427 sachlichen Anwendungsbereich des § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB fallen, ist im Wege der Auslegung zu klären. Der Wortlaut der Bestimmung ist weit. Die Vorschrift verlangt nicht, dass der Verbraucher die Sachen selbst beziehen muss. Zu fragen ist daher, ob der Eigentümer hinsichtlich der getränkelieferungsrechtlichen Vertragskomponenten eine rechtlich bindende Erklärung abgegeben hat3012) und ob sich daraus eine jedenfalls mittelbare Eigenbezugsverpflichtung ergibt3013). Von Bedeutung kann etwa auch sein, ob er eine Verpflichtung zur Mindestabnahme übernommen hat oder ihn für den Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung Sanktionen in eigener Person treffen. Hinsichtlich einer Bindungskomponente sind die unterschiedlichen Fallkonstellationen und der Inhalt der übernommenen Verpflichtungen3014) zu würdigen. Eigentümererklärungen dürften jedenfalls dann in den sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts fallen, wenn der Hauseigentümer zumindest potentiell eine Getränkebezugsverpflichtung in eigener Person übernimmt, die unabhängig von weiteren rechtsgeschäftlichen Erklärungen seinerseits zur Entstehung gelangen kann. Hierfür sprechen auch die Übernahme einer Verpflichtung zur Mindestabnahme oder das Drohen von Sanktionen für den Eigentümer bei Nicht- oder Schlechterfüllung des bezugsrechtlichen Vertragsteils. bb) Finanzierung. Soweit den Hauseigentümer anfänglich eine Verpflichtung 2.2428 zur Darlehensrückführung, sei es ratenweise, sei es mit Endfälligkeit, auferlegt wird, ist der sachliche Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts hinsichtlich der kreditrechtlichen Komponente über § 491 Abs. 1 BGB eröffnet. b) Allgemeines Verbraucherschutzrecht. aa) Vertrag über eine entgeltliche 2.2429 Leistung. In der Übernahme einer Getränkebezugsverpflichtung kann bereits ___________ 3011) BFH, Urt. v. 14.7.2016 – IV R 34/13, BeckRS 2016, 95629, verneint daher auch eine Gewerbesteuerpflicht. 3012) Siehe oben § 21 III 2 c und 4 a, jeweils m. w. N. 3013) Siehe oben § 34 III 2 c m. w. N. 3014) Siehe oben § 34 III 2 m. w. N.

707

§ 34 Die Eigentümerbindung

eine Entgeltlichkeit i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB liegen.3015) Bei Leihvereinbarungen könnte gleiches im Hinblick auf die Übernahme von Nebenpflichten gelten. 2.2430 bb) Außergeschäftsraumvertrag. Ggf. muss geprüft werden, ob nicht die situativen Voraussetzungen eines Außergeschäftsraumvertrages i. S. d. § 312b BGB erfüllt sind.3016) 3.

Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation

2.2431 a) Bindung. Bezüglich des bezugsrechtlichen Teils bedarf es in AGV-Situationen einer Widerrufsbelehrung gemäß dem Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB.3017) Dies gilt auch für Nachträge und Anschlussvereinbarungen. Im Übrigen ist Art. 246 Abs. 3 EGBGB einschlägig.3018) 2.2432 b) Finanzierung. Hinsichtlich der vorhandenen kreditrechtlichen Komponente ist ggf. das Verbraucherkreditrecht vollumfänglich zu beachten.3019) 4.

Widerruf

2.2433 a) Konkurrenzen. Das Konkurrenzverhältnis zu den Widerrufsrechten bei besonderen Vertriebsformen, hier insbesondere bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, regelt § 510 Abs. 2 BGB nunmehr eindeutig zu Gunsten eines Vorrangs des Widerrufsrechts nach § 312g BGB. Das Widerrufsrecht nach § 510 Abs. 2 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn der Ratenlieferungsvertrag abgeschlossen wird ohne dass zugleich § 312g BGB einschlägig ist. Mit der Neufassung von § 510 Abs. 2 BGB aufgrund des VRRL–UG werden außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Ratenlieferungsverträge vom Anwendungsbereich des § 510 BGB ausgenommen; es gelten die allgemeinen Regelungen.3020) Daran ändert auch die Subsidiaritätsregelung in § 312g Abs. 3 BGB nichts. Zwar heißt es dort, dass das Lösungsrecht des § 355 BGB nach anderen Vorschriften (§§ 495, 506 – 513 BGB) voraussetzt, dass dieses tatsächlich besteht („zusteht“). Voraussetzung dieser Subsidiaritätsregel ist aber, dass ein Widerrufsrecht eben nach der Sondervorschrift, hier des § 510 BGB, tatsächlich besteht. Dies ist nach dem Wortlaut des § 510 Abs. 2 BGB gerade nicht der Fall ist.

___________ 3015) BGH, Urt. v. 1.3.1978 – VIII ZR 70/77, NJW 1978, 1519 = Zeller II, 38; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987. Siehe oben § 26 II 2 b cc und c, jeweils m. w. N. 3016) Siehe oben § 26 IV m. w. N. 3017) Siehe oben § 26 VI m. w. N. 3018) Siehe oben § 24 m. w N. 3019) Siehe unten §§ 41 – 49, jeweils m. w. N. 3020) BT-Drucks. 17/12637, S. 71.

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VIII. Kündigung

b) Rechtslage im Übrigen. Der Widerruf richtet sich nach §§ 510 Abs. 2, 355, 2.2434 356c, 357c BGB3021), nach §§ 495 Abs. 1, 355, 356b BGB3022) bzw. nach §§ 312g Abs. 1 und 2, 355, 356, 357 BGB3023). VIII. Kündigung 1.

Unmöglichkeit der Anschlussverpachtung

Ein langfristiger Bierbezugsvertrag mit einem Grundstückseigentümer kann 2.2435 von diesem dann aus wichtigem Grunde gekündigt werden, wenn er nach dem Vertrag nicht selbst zur Führung der Gaststätte, sondern nur zu deren Nutzung durch Verpachtung verpflichtet ist, aber auf unabsehbare Zeit keine Aussicht besteht, die Gastwirtschaft wieder zu verpachten, und die Fortsetzung des Bierbezugsvertrages die wirtschaftliche Existenz des Grundstückseigentümers nach Lage des Einzelfalles schwer gefährden würde. Ob der Getränkelieferungsvertrag von dem Bestand des Nutzungsvertrages abhängt, muss die Vertragsauslegung im Einzelfall ergeben. Eine derartige Abhängigkeit ist für immerhin denkbar gehalten worden.3024) 2.

Weitere Rechtsprechung

Im Übrigen wird auf die Rechtsprechung verwiesen.3025) Im Jahre 1941 hat das 2.2436 Reichsgericht entschieden, dass ausnahmsweise die Zwangslage des Eigentümers eines Gastwirtschaftsgrundstücks dazu führen könne, dass das Festhalten an einen nicht angreifbaren Getränkelieferungsvertrag im Einzelfall gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße. Die klagende Brauerei habe keiner Sicherung mehr bedurft, der beklagte (Katholische Gesellen-)Verein habe über keine Konzession mehr verfügt, seine Mitgliederzahl hatte sich gedrittelt unter entsprechendem Vermögensschwund und der Beklagte war auf den Verkauf des Grundstücks zu einem bestimmten Preis angewiesen, während der Erwerber den Getränkelieferungsvertrag zu den bestehenden Konditionen nicht übernehmen wollte.3026)

___________ 3021) Siehe oben § 25 m. w. N. 3022) Siehe unten § 44 m. w. N. 3023) Siehe oben § 26 VIII m. w. N. 3024) BGH, Urt. v. 23.6.1960 – VIII ZR 115/59, NJW 1960, 1614 = Zeller I, 161. 3025) OLG Köln, Urt. v. 18.8.1997 – 19 U 58/97, BeckRS 1997, 31051607; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 3026) RG, Urt. v. 28.2.1941 – VII 93/40.

709

§ 34 Die Eigentümerbindung

IX.

Verwaltungsvertrag

1.

Situation

2.2437 In der Praxis findet sich als eine Sonderform der Hauseigentümererklärung der Verwaltungsvertrag, in dem der Getränkelieferant den Hauseigentümer von diesen Aufgaben entlastet. In Extremsituationen kann der Getränkelieferant zum praktisch und rechtlich ausschließlichen Ansprechpartner des Pächters werden. Die Grenze zur Anpachtung wird damit erreicht. 2.

Gegenstand und Umfang der Verwaltungstätigkeit

2.2438 Zu den denkbaren Inhalten der grundsätzlich dem Hauseigentümer als Verpächter obliegenden Verwaltungstätigkeiten rechnen unter anderem die Suche nach und die (Vor-)Auswahl geeigneter Pächter, die Führung der Vertragsverhandlungen mit Pachtbewerbern, die Gestaltung des Pachtvertrages mit oder ohne Vorgaben des Hauseigentümers, der Abschluss des schuldrechtlichen Nutzungsvertrages,3027) die Abwicklung von Mängeln oder Schäden, die Einziehung und Weiterleitung der Pachtzahlungen sowie der Betriebskostenvorauszahlungen, die Erstellung der Betriebskostenabrechnungen, das entsprechende Forderungsmanagement bis hin zur gerichtlichen Geltendmachung, die Überwachung der Erfüllung der Vertragspflichten durch den Pächter im Übrigen, die Suche nach geeigneten Nachfolgebetreibern sowie ggf. eine entsprechende (Vor-)Auswahl, die Übergabe des Pachtobjektes, die Kündigung des Pachtobjektes einschließlich der Rücknahme des Pachtobjektes nebst Erstellung der entsprechenden Protokolle, eventuell auch die Übernahme einer Pachtausfallbürgschft.3028) 2.2439 Weitere zusätzliche finanzielle Leistungen des Getränkelieferanten wie eine Ausfallbürgschaft, die unentgeltliche Zurverfügungstellung eines Pachtvertrages, der unentgeltliche Einzug der Pachten etc. sind denkbar.3029) Vereinzelt verauslagen die Getränkelieferanten auch zinslos oder zinsgünstig den Umbau des Pachtobjektes und/oder die Einrichtung bzw. Modernisierung desselben. Diese Vorfinanzierung kann dauerhaft und damit auf eigene Kosten des Getränkelieferanten oder nur vorübergehend und dann darlehens- oder zuschussweise finanziert sein. 3.

Pflichten des Hauseigentümers

2.2440 Im Gegenzug für die Verwaltung verpflichtet sich der Hauseigentümer, den Pächtern/Mietern eine Getränkebezugsverpflichtung in vertraglich festgeleg___________ 3027) BGH, Urt. v. 21.12.1977 – VIII ZR 119/76, BeckRS 1977, 31121949. 3028) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; LG Duisburg, Urt. v. 26.11.1980 – 6 O. 524/80. 3029) OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99.

710

X. Miet-/Pachteintrittsrecht

tem Umfang (Sortiment, ggf. Menge, Lieferweg etc.) zu Gunsten des Getränkelieferanten aufzuerlegen und die Werbung für die Produkte zu dulden. Nur ausnahmsweise finden sich (Gesamtabnahme-)Mengenvereinbarungen.3030) 4.

Wirksamkeit

a) Laufzeit. Die Frage, ob ein Verwaltungsvertrag wegen überlanger Laufzeit 2.2441 sittenwidrig und nichtig ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Grundsätzen.3031) Sollte es sich bei der Laufzeit um eine Klausel i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handeln, so dürfte die Rechtsprechung zu § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beachten sein.3032) b) Im Übrigen. Da Inhalt und Umfang des Verwaltungsvertrages gesetzlich 2.2442 nicht geregelt sind, scheidet eine AGB-Kontrolle im Übrigen durchweg aus (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Damit verbleibt es bei der allgemeinen Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB.3033) X.

Miet-/Pachteintrittsrecht

1.

Situation

Das Miet-/Pachteintrittsrecht stellt einen weiteren Anwendungsfall der Haus- 2.2443 eigentümererklärung dar. Dieses Recht gewährt dem Getränkelieferanten anstelle des bisherigen Pächters das Recht, in den mit diesem abgeschlossenen Pachtvertrag einzutreten, ohne dass sich die Bedingungen des Pachtvertrages ändern. Neben das Absatzinteresse tritt das Interesse des Getränkelieferanten, der Investitionen des Mieters/Pächters in das Objekt finanziert hat. Der Getränkelieferant erreicht hierdurch in gewisser Weise eine faktische „Gebundenheit“, wenn es ihm gelingt, mit dem Eigentümer/Verpächter/Vermieter des Gaststättenobjekts ein Eintrittsrecht in der Form zu vereinbaren, dass ihm bei einem Ausscheiden des bisherigen Pächters das Recht zur Unterpachtung oder jedenfalls zur Bestimmung eines Nachfolgepächters (Nachfolgerevers) zugestanden wird.3034) Auf diese Weise wird der Getränkelieferant in die Lage versetzt, sich einen Unterpächter aussuchen bzw. einen Nachfolgepächter bestimmen zu können, der bereit ist, ihm gegenüber eine Getränkebezugsverpflichtung einzugehen. Zur Auslegung eines Anmietrechts sowie zur Ablehnung eines vorgeschlagenen Nachmieters kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.3035) ___________ 3030) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155. 3031) OLG Zweibrücken, Urt. v. 7.6.1999 – 7 U 4/97, BeckRS 2014, 00336, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 23.2.2000 – VIII ZR 181/99. Siehe oben § 10 I m. w. N. 3032) Siehe oben § 10 V m. w. N. 3033) Siehe oben § 34 IV m. w. N. 3034) BGH, Urt. v. 8.4.1987 – VIII ZR 138/86; BGH, Urt. v. 18.7.2001 – XII ZR 183/98; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 3035) OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844.

711

§ 34 Die Eigentümerbindung

2.

Leistungen des Getränkelieferanten

2.2444 Als Gegenleistung übernimmt der Getränkelieferant nicht selten dem Eigentümer gegenüber etwaige offene Pachtrückstände des ausscheidenden Gastwirts, bisweilen auch den Ausfall bis zu einer Neuverpachtung. 3.

Ausübung und Wirkung

2.2445 Der Getränkelieferant übt sein Eintrittsrecht mit einseitiger, bedingungsfeindlicher und empfangsbedürftiger Willenserklärung gegenüber dem Hauseigentümer aus. Mit Zugang dieser Erklärung tritt er in den bestehenden Nutzungsvertrag anstelle des bisherigen Betreibers ein. Die Vertragsbestimmungen gelten fort, es sei denn, der Getränkelieferant einigt sich mit dem Hauseigentümer über neue (Teil-)Regelungen. 4.

AGB-Kontrolle

2.2446 Bei Unterzeichnung einer als „Miet- bzw. Pachteintrittsvereinbarung“ überschriebenen Erklärung braucht der unterzeichnende Vermieter ohne besonderen Hinweis nicht damit zu rechnen, dass der Text die Erklärung enthält, der Unterzeichnende verpflichtet sich – bei Nichteintritt des Vertragspartners oder eines von diesem benannten Dritten in das bestehende Mietverhältnis –, die von dem Vertragspartner in das Mietobjekt eingebrachte Gaststätteneinrichtung zu übernehmen und den Darlehenssaldo des bisherigen Mieters bei dem Vertragspartner auszugleichen; denn es handelt sich um eine überraschende Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.3036) XI.

Vorpacht-/Vormietrecht

1.

Situation

2.2447 Bei Vereinbarung eines gesetzlich ebenfalls nicht geregelten Vorpacht-/Vormietrechts liegt wiederum ein Anwendungsfall der Hauseigentümererklärung vor. Ziel ist es, eine faktische Gebundenheit des Objektes herbeizuführen. Getränkelieferanten lassen sich von dem Eigentümer einer Absatzstätte vertraglich ein Vorpachtrecht einräumen, um dieses ausüben zu können, wenn der Gaststätteneigentümer mit einem Dritten einen Pachtvertrag über die Absatzstätte abschließt. Das Vorpachtrecht etc. räumt dem Getränkelieferanten das vertragliche Recht ein, durch Erklärung gegenüber dem Verpächter, in ein Pachtverhältnis, wie es der Verpächter mit dem Dritten abgeschlossen hat, und damit zu den Vertragsbedingungen nach den Festlegungen zwischen dem Verpächter und dem Dritten einzutreten.3037) ___________ 3036) LG Berlin, Urt. v. 9.6.2000 – 5 O. 495/99, ZMR 2000, 827. 3037) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167.

712

XI. Vorpacht-/Vormietrecht

2.

Auslegung

a) Das vereinbarte Vorpachtrecht kann – falsch bezeichnet – im Einzelfall eine 2.2448 Verlängerungsoption darstellen.3038) b) Ein Vorpachtrecht bezieht sich auf die Gaststätte (ggf. einschließlich der 2.2449 Wirtewohnung), ein Vormietrecht dagegen lediglich auf die zugehörige Wohnung.3039) 3.

Anwendbares Recht

Das Vorpachtrecht wird nach den entsprechend anwendbaren Vorschriften über 2.2450 den Vorkauf (§§ 463 – 473 BGB) behandelt.3040) Entsprechend herzuziehen sind u. a. die §§ 464, 466, 467, 469 BGB. 4.

AGB-Kontrolle

a) Klausel. Mit der Frage, ob eine Regelung ausgehandelt i. S. d. § 305 Abs. 1 2.2451 Satz 3 BGB ist, befasst sich eine Entscheidung des LG Karlsruhe vom 7.5.2013.3041) b) Einbeziehung. Ggf. ist zu prüfen, ob die Einbeziehungshürde der überra- 2.2452 schenden Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) genommen ist. Maßgebend ist die jeweilige Branche. Für die Annahme, dass der Vertragspartner mit der Einräumung eines Vormietrechts an der zu betrachtenden Stelle des Vertrages vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte, kann angeführt werden, dass das Vormietrecht thematisch zu den Vereinbarungen über die Mietzeit, ein Optionsrecht und die Vertragsverlängerung gehört. Allerdings wurde der Vertragspartner durch eine Überschrift der Vorschrift „Besondere Verpflichtungen“ ausdrücklich auf Regelungen hingewiesen, wie sie nach dem gesetzlichen Leitbild des Vertrags nicht ohne weiteres zu erwarten sind. Auch hob sich die Bedeutung der getroffenen Vereinbarungen durch die Überschrift gegenüber den unter der nachfolgenden Vorschrift unter „Sonstiges“ dokumentierten Absprachen ab.3042) Zudem handelt es sich bei einer Klausel über das gesetzlich nicht geregelte 2.2453 Vormietrecht um eine allgemein nur wenig bekannte Rechtskonstruktion.3043) Der für Gewerberaummiete zuständige XII. Zivilsenat des BGH hat im Übri___________ 3038) BGH, Urt. v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, NZM 2002, 910 = NJW 2002, 3016; OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. Siehe dazu § 11 I 4 m. w. N. 3039) OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750. 3040) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3041) LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3042) LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3043) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1984 – 8 U 222/82, BeckRS 2008, 15787.

713

§ 34 Die Eigentümerbindung

gen entschieden, dass die Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB im Regelfall erfüllt sein sollen, wenn in AGB zusätzliche Hauptpflichten begründet oder bestehende erweitert werden.3044) 2.2454 c) Inhaltskontrolle. Enthält ein vorformuliertes Vormiet-/Vorpachtrecht keine Einschränkung dahingehend, dass es nicht mehr ausübbar ist, wenn das Nutzungsverhältnis aufgrund von Verfehlungen des Berechtigten, etwa infolge Zahlungsverzuges etc., außerordentlich gekündigt werden kann, liegt ggf. ebenfalls ein Verstoß gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 543 BGB vor.3045) Insofern ist auch an § 544 BGB zu denken. Die Vorschrift gilt auch für Kettenverträge, sofern die jeweilige Verlängerung nicht im Belieben der Vertragsparteien gestanden hat. 2.2455 Weiter setzt die wirksame Vereinbarung in AGB voraus, dass die Bedingungen für die Ausübung des Vorpachtrechts hinreichend präzise beschrieben worden sind (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).3046) 2.2456 Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Einräumung eines im Gesetz nicht geregelten Vormietrechts aufgrund der Vertragsfreiheit ohne weiteres zulässig ist.3047) Daher bestehen auch gegen ihre Vereinbarung in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen grundsätzlich keine Bedenken. Den Vertragsparteien ist es aufgrund der Vertragsfreiheit nicht untersagt, das Vormietrecht auch für weitere Vormietfälle zu vereinbaren. Allerdings bedarf es insofern der Differenzierung. Eine einzelvertragliche Absprache, nach der nach Vertragsbeendigung dem Pächter „für jeden Fall der Weiterverpachtung“ ein Vorpachtrecht eingeräumt wird, verstößt jedenfalls ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht gegen die guten Sitten.3048) Auch in der bereits angesprochenen Entscheidung des BGH vom 25.11.19873049) war der Pächterin das „wiederholte Vorpachtrecht“ eingeräumt. Die Vereinbarung eines zeitlich unbegrenzten Vormietrechts ist damit nicht bereits aus sich heraus unwirksam.3050) 2.2457 Enthält ein vorformuliertes Vormiet-/Vorpachtrecht keine Einschränkung dahingehend, dass es nicht mehr ausübbar ist, wenn das Nutzungsverhältnis aufgrund von Verfehlungen des Berechtigten, etwa infolge Zahlungsverzuges etc., ___________ 3044) BGH, Urt. v. 9.12.2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 = NZM 2010, 123. 3045) BGH, Urt. v. 5.6.1992 – LwZR 11/91, BGHZ 118, 351 = NJW 1992, 2628. 3046) BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16, NJW-RR 2018, 199; OLG Brandenburg, Urt. v. 16.7.2015 – 5 U (Lw) 85/14, BeckRS 2015, 13730. 3047) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; OLG Hamm, Urt. v. 24.5.1991 – 30 U 246/90, BeckRS 1991, 31006628; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3048) OLG Hamm, Urt. v. 24.5.1991 – 30 U 246/90, BeckRS 1991, 31006628; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3049) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173. 3050) OLG Hamm, Urt. v. 24.5.1991 – 30 U 246/90, BeckRS 1991, 31006628; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479.

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XI. Vorpacht-/Vormietrecht

außerordentlich gekündigt werden kann, liegt ggf. ebenfalls ein Verstoß gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 543 BGB vor.3051) Insofern ist auch an § 544 BGB zu denken. Die Vorschrift gilt auch für Kettenverträge, sofern die jeweilige Verlängerung nicht im Belieben der Vertragsparteien gestanden hat. 5.

Ausübung

Der Getränkelieferant übt sein Recht durch einseitige, bedingungsfeindliche, 2.2458 empfangsbedürftige und analog § 464 Abs. 1 Satz 2 BGB formfreie Erklärung gegenüber dem Hauseigentümer aus.3052) Entsprechend § 469 Abs. 2 Satz 1 BGB beträgt die Ausübungsfrist zwei Monate ab Zugang der Mitteilung über den Inhalt des mit dem Dritten abgeschlossenen Mietvertrags.3053) Nach h. M. handelt es sich auf einen doppelt aufschiebend bedingten Vertrag, nämlich abhängig vom Abschluss des Nachfolgemiet-/-pachtvertrages und der Erklärung des Vormiet-/-pachtberechtigten, das Recht auszuüben. Wie auch beim Miet- oder Pachteintrittsrecht kann der Getränkelieferant lediglich über das „ob“ der Ausübung entscheiden. Inhaltliche Änderungen des Pachtverhältnisses mit dem zunächst angedachten Pächter/Mieter sind nicht möglich.3054) Daher ist die Ausübung des Vorpachtrechts unwirksam, wenn der Berechtigte es ablehnt, die mit seiner Erklärung ausgelösten Pflichten zu tragen. In entsprechender Anwendung der §§ 464 – 467 BGB entfallen nur solche Regelungen, die nicht wesensmäßig zum Pachtvertrag gehören und darin einen Fremdkörper darstellen.3055) Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn die Eigentümererklärung dieses allgemein zulässt oder bereits bestimmte Neuregelungen vorsieht. Naturgemäß sind einvernehmliche Änderungen stets möglich. 6.

Wirkung

a) Allgemein. Die Ausübung des Vorpachtrechts lässt gem. § 464 Abs. 2 BGB 2.2459 analog einen Pachtvertrag zwischen dem Verpächter und dem Vorpachtberechtigten zu den Bedingungen zustande kommen, die zwischen dem Verpächter und dem Dritten ausgehandelt worden sind. Rechtsfolge der Ausübung ist nicht der Eintritt des Berechtigten in den mit dem Dritten abgeschlossenen Vertrag.

___________ 3051) BGH, Urt. v. 5.6.1992 – LwZR 11/91, BGHZ 118, 351 = NJW 1992, 2628. 3052) BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16, NJW-RR 2018, 199. 3053) LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3054) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. 3055) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173.

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§ 34 Die Eigentümerbindung

Vielmehr kommt ein weiterer, allerdings inhaltsgleicher Vertrag mit ihm zustande.3056) 2.2460 b) Auskunft. Dem Berechtigten stehen entsprechende Auskunftsansprüche gegenüber dem Verpflichteten den mit dem Dritten abgeschlossenen Vertrag betreffend zu.3057) Auch kann der Verpflichtete die Position des Berechtigten nicht durch Vorlage eines eigenen – abweichenden – Vertragsangebots beeinträchtigen; dessen Ablehnung bedeutet deshalb (noch) keinen Verzicht auf das Vormietrecht.3058) 2.2461 c) Bezugsverpflichtung. Vereinbart der Gaststätteneigentümer mit dem Pächter eine Getränkebezugsverpflichtung bei einem anderen Getränkehersteller, so entsteht die Frage, ob sich dies auch gegenüber dem das Vorpachtrecht ausübenden Getränkelieferanten auswirkt. Der BGH hat dies bejaht und entschieden, dass einem Pachtvertrag zwischen Gaststätteneigentümer und vorpachtberechtigten Getränkelieferant nicht von vornherein immanent sei, dass bei Neuverpachtung der Absatzstätte keine Bier- oder Getränkebezugsverpflichtung des neuen Pächters gegenüber einem Dritten mit Wirkung für den Vorpachtberechtigten vereinbart werden könne. Dazu bedürfe es vielmehr einer ausdrücklichen Absprache im Vorpachtvertrag. Sonst würde der Gaststätteneigentümer ohne ausdrückliche Vereinbarung auf dem „versteckten Weg über die Vorpacht“ zeitlich praktisch unbegrenzt an die Vorpachtberechtigte als Getränkelieferantin gebunden.3059) 2.2462 d) Vormietrecht. Steht einem Getränkelieferanten, der Gaststättenräume gemietet hat, ein Vormietrecht zu, dann ist er verpflichtet, wenn er in den Mietvertrag mit einem anderen Getränkelieferanten eintritt, sowohl die dort niedergelegte Verpflichtung zur Neueinrichtung der Gaststätte als auch zum Getränkebezug zu übernehmen, weil diese keine Fremdkörper in den Mietvertrag darstellen. Die Übernahme einer Bezugsverpflichtung mit einem anderen Getränkelieferanten soll auch nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Vielmehr sei bereits fraglich, ob durch die Übernahme dieser Verpflichtung überhaupt das Vormietrecht des berechtigten Getränkelieferanten beeinträchtigt worden ist. Der Berechtigte sei nämlich durch die Regelung nicht gehindert worden, sein Vormietrecht auszuüben. Er soll lediglich, falls er dieses Recht ausübe, gehalten sein, ___________ 3056) BGH, Urt. v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, BGHZ 55, 71 = NJW 1971, 422; BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; BGH, Urt. v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, NZM 2002, 910 = NJW 2002, 3016; BGH, Urt. v. 24.11.2017 – LwZR 5/16, NJW-RR 2018, 199; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. 3057) BGH, Urt. v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, NZM 2002, 910 = NJW 2002, 3016; LG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 53/11, NJW-RR 2013, 1479. 3058) BGH, Urt. v. 3.7.2002 – XII ZR 39/00, NZM 2002, 910 = NJW 2002, 3016. 3059) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, BGHZ 102, 237 = NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173.

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XII. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten

Getränke des Mitbewerbers zum Ausschank zu bringen.3060) Ein entsprechend verstandenes Vormietrecht dürfte allerdings für den berechtigten Getränkelieferanten wirtschaftlich ohne jedes Interesse sein. 7.

Kündigung

Wird die abdingbare Vorschrift des § 553 BGB durch eine differenzierte und 2.2463 abschließende vertragliche Regelung der Kündigungsbefugnisse ersetzt und wird darin ein Kündigungsrecht wegen unerlaubter Unterverpachtung geregelt, so bezieht sich dieses mangels konkreter Anhaltspunkte im Einzelfall nicht auf eine Untervermietung der zugehörigen (Wirte-)Wohnung. Vielmehr wird die zu einer Gaststätte gehörende Wirtewohnung auch dann bestimmungsgemäß genutzt, wenn sie nicht vom Gaststättenbetreiber selbst, sondern von einem Angestellten des Lokals bewohnt wird.3061) XII. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten 1.

Verlängerungsoption

a) Inhalt. Durch Einräumung einer Verlängerungsoption erhalten Mieter oder 2.2464 Pächter die Befugnis, durch einseitige rechtsgestaltende Erklärung das bestehende Miet- oder Pachtverhältnis um die Optionszeit oder auf unbestimmte Zeit zu verlängern.3062) Bei der Option handelt es sich um ein einer oder beiden Parteien eingeräumtes rechtsgestaltendes Recht, das bestehende Rechtsverhältnis durch einseitige Erklärung um eine bestimmte Zeit zu verlängern und damit um ein schon im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht. Soll die vorgesehene Vertragsdauer ein Jahr überschreiten, bedarf die Optionsabrede gem. §§ 581 Abs. 2, 550 BGB analog der Schriftform.3063) b) Ausübung. Bei der Optionserklärung handelt es sich um ein einseitiges 2.2465 Gestaltungsrecht, das dem Verpächter zugehen muss, um wirksam zu werden.3064) Da kein neuer Nutzungsvertrag entsteht, sondern der bisherige sich nur verlängert, ist es erforderlich, dass die Option noch innerhalb der Laufzeit des bisherigen Nutzungsvertrages ausgeübt wird. Das Optionsrecht sollte stets mit einer Ausübungsfrist verbunden werden. Nach Ablauf der vorgesehenen Frist kann das Optionsrecht bei einem befristeten Pachtvertrag nicht mehr ausgeübt ___________ 3060) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. 3061) OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, NJW-RR 1995, 750. 3062) BGH, Urt. v. 2.12.1970 – VIII ZR 77/69, BGHZ 55, 71 = NJW 1971, 422; BGH, Urt. v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1987, 1227; OLG Hamm, Urt. v. 4.11.1994 – 30 U 185/94, BeckRS 9998, 13759; OLG Saarbrücken, Urt. v. 27.1.2016 – 2 U 71/14, BeckRS 2016, 06232; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 3063) BGH, Urt. v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1987, 1227. 3064) BGH, Urt. v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1987, 1227.

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§ 34 Die Eigentümerbindung

werden.3065) Bei Einräumung einer Verlängerungsoption ohne ausdrückliche Bestimmung einer Optionsfrist ist dieses Recht, wenn der Vermieter kündigt, unverzüglich, jedoch nicht vor Ablauf der Kündigungsfrist, auszuüben.3066) 2.2466 c) Bedingungen. Sinnvoll ist es, im Optionsrecht vertraglich festzulegen, zu welchen Bedingungen das Nutzungsverhältnis fortgesetzt werden kann. Fehlt jegliche Vereinbarung, zu welchen Konditionen und Bedingungen das Pachtverhältnis fortzusetzen ist, wenn der Pächter ein ihm eingeräumtes Optionsrecht auf Verlängerung der Pachtzeit wahrnimmt, soll er nach Ausübung der Option zur Zahlung der ortsüblichen oder angemessenen Pacht verpflichtet sein.3067) Enthält ein Mietvertrag die Klausel „1 × 5 Jahre Option zu alsdann neu zu vereinbarenden Bedingungen“, dann besteht ein Optionsrecht für eine Vertragsverlängerung zu dem ortsüblichen Mietzins. Das Bestimmungsrecht für die Miethöhe steht dem Vermieter zu. Ist der Mietzins bei Ausübung der Option und Fehlen einer vertraglichen Regelung neu zu verhandeln, erzielen die Parteien keine Einigung über dessen Höhe; dann soll der Mietzins nach den Grundsätzen der §§ 315, 316 BGB zu bestimmen sein.3068) 2.2467 d) Erlöschen. Ein vertraglich vereinbartes Optionsrecht erlischt grundsätzlich, sobald es ausgeübt worden ist. Eine Weitergeltung bedarf einer ausdrücklichen unmissverständlichen Vereinbarung.3069) 2.2468 e) Mehrfache Option. Wird in einem unbefristeten Mietvertrag dem Mieter eine mehrfache Verlängerungsoption eingeräumt, so kann ein zeitlich nachfolgendes Optionsrecht nur wirksam werden, wenn ein zeitlich früheres Optionsrecht rechtzeitig ausgeübt worden war.3070) Ein vertraglich vereinbartes Optionsrecht auf Verlängerung eines Miet- oder Pachtvertrages erlischt mit Ablauf der regulären Vertragsdauer. Wird das Miet- oder Pachtverhältnis nach Ablauf der regulären Vertragszeit auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, so bleibt das Optionsrecht nicht bestehen und lebt auch nicht wieder auf.3071) Die Klausel in einem von einem gewerblichen Mieter gestellten Mietvertrag, die ihm während der Dauer einer durch eigene Option verlängerten Mietzeit die Kündigung unter

___________ 3065) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.1991 – 10 U 93/91, ZMR 1992, 52; OLG Frankfurt, Urt. v. 20.5.1998 – 23 U 121/97, NZM 1998, 1006; OLG Celle, Urt. v. 12.3.2014 – 7 U 164/13, BeckRS 2014, 09009. 3066) BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 64784, NJW 1985, 2581. 3067) BGH, Urt. v. 2.10.1991 – XII ZR 88/90, NJW-RR 1992, 517; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.10.1999 – 10 U 177/98, NZM 2000, 462. 3068) OLG Saarbrücken, Urt. v. 31.10.1996 – 8 U 904/95 – 190, NJWE-MietR 1997, 104; KG, Urt. v. 19.8.2006 – 8 U 2/07, NJOZ 2009, 257. 3069) BGH, Urt. v. 8.2.1995 – XII ZR 42/93, NJW-RR 1995, 714. 3070) OLG Hamburg, Urt. v. 23.6.1997 – 4 U 82/96, NJW-RR 1998, 807. 3071) OLG Celle, Urt. v. 12.3.2014 – 7 U 164/13, BeckRs 2014, 09009.

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XII. Weitere Verlängerungsmöglichkeiten

Einhaltung einer sechsmonatigen Frist erlaubt, benachteiligt den Vermieter nicht unangemessen.3072) f) Laufzeitgrenzen. Unzulässig ist die Vereinbarung einer Option zugunsten 2.2469 einer Vertragspartei, durch einseitige Gestaltungerklärung die Verlängerung auch über die 30-Jahres-Grenze der §§ 581 Abs. 2, 544 Satz 1 BGB herbeizuführen.3073) g) Wirkung. Durch die Ausübung kommt kein neuer Vertrag zustande. Viel- 2.2470 mehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Vertragsverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt. Im Übrigen wird der Vertrag mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibt erhalten. Mithin bewirkt die Ausübung einer Verlängerungsoption keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Mietvertrages i. S. d. § 536b Satz 1 BGB darstellt.3074) 2.

Automatische Vertragsverlängerung

In der Praxis finden sich häufig Verlängerungsklauseln dahingehend, dass sich 2.2471 der Pachtvertrag automatisch um eine bestimmte Zeit, zumeist um ein Jahr, verlängert, wenn nicht eine der Vertragsparteien den Pachtvertrag zuvor fristgemäß gekündigt oder – je nach vertraglicher Formulierung – der Verlängerung widersprochen hat. Soweit davon, wie in der Regel, die Bezugsverpflichtung erfasst ist, können sich Probleme im Zusammenhang mit der Betrachtung nach §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben.3075) Problematisch sein kann das Zusammentreffen von Verlängerungsklauseln und entsprechenden Optionsklauseln sein, was gem. § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Klauselverwenders geht.3076) Eine automatische Vertragsverlängerung setzt eine vorherige effektive und damit transparente Kündigungsmöglichkeit voraus. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vertragsverlängerungsklausel auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht.3077) 3.

Vorkaufsrecht

Soweit Vorkaufsrechte vereinbart werden, ist zu beachten, dass entsprechende 2.2472 Klauseln grundsätzlich beurkundungspflichtig sind. Verstöße können weitrei___________ 3072) OLG Schleswig, Urt. v. 17.5.2000 – 4 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 3073) BGH, Urt. v. 27.11.2003 – IX ZR 76/00, NJW 2004, 1523. 3074) BGH, Urt. v. 24.6.1987 – VIII ZR 225/86, NJW-RR 1987, 1227; BGH, Urt. v. 25.2.1985 – VIII ZR 116/84, BGHZ 94, 29 = NJW 1985, 2481; BGH, Urt. v. 5.11.2014 – XII ZR 15/12, NJW 2015, 402. 3075) Siehe oben § 11 I 5 und 6, jeweils m. w. N. 3076) OLG Saarbrücken, Urt. v. 24.6.2015 – 2 U 37/14, NJW-RR 2016, 53. 3077) BGH, Urt. v. 25.10.2017 – XII ZR 1/17, NJW-RR 2018, 198, zu einem Werbevertrag.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

chende wirtschaftliche Folgen haben und ggf. zur (Gesamt-)Nichtigkeit des Pachtvertrages führen. XIII. Nachfolgerevers 2.2473 Eine weitere Unterart der Eigentümererklärung ist der sog. „Nachfolgerevers“. Darin verspricht der Hauseigentümer und Verpächter dem Getränkelieferanten im Falle der Nachfolge auf Pächterseite, den ganzen Vertrag oder nur die Bezugspflicht jedem neuen Pächter aufzuerlegen. Gelegentlich wird diese Verpflichtung mit einem Pacht- oder Mieteintrittsrecht des Getränkelieferanten gekoppelt. Nachteilig ist das fehlende Mitspracherecht des Getränkelieferanten bei der Auswahl des neuen Betreibers. XIV. Nachfolgerbenennungsrecht 2.2474 Ziel einer Eigentümererklärung in Form des (Pächter-/Mieter-)Nachfolgerbenennungsrechts ist es, sei es anfänglich, sei es in der Situation des Betreiberwechsels, den qualitativen Vorgaben des Getränkelieferanten hinsichtlich der Person des Betreibers, insbesondere hinsichtlich Gastroaffinität und Bonität, Rechnung zu tragen. Je nach Vertragsinhalt besteht auch eine Verpflichtung zur Suche geeigneter Betreiber. Angesichts des „Überangebotes“ an nicht qualifizierten Bewerbern einerseits und der Vielzahl nicht mehr besetzungsfähiger Objekte andererseits übernehmen Getränkelieferanten heute durchweg keine „Garantie“ hinsichtlich der Bonität der Interessenten. Die Übernahme von Pachtausfallgarantien bzw. Pachtbürgschaften bezüglich etwaiger Pachtausfälle ist daher ein Relikt aus der Vergangenheit. XV. Weitere denkbare Inhalte von Eigentümererklärungen 2.2475 Angesichts der skizzierten Probleme bei der Pächtersuche haben früher denkbare Formen von Eigentümererklärungen wie die Pachtvermittlungsvollmacht oder der Pachtvermittlungsauftrag heute erheblich an praktischer Bedeutung verloren.3078) § 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag 2.2476 In der Praxis sind Getränkebezugsverpflichtungen der Gaststättenpächter von besonderer Bedeutung. Derartige Bezugsverpflichtungen des Pächters können auf verschiedene Weise begründet werden. Die nachfolgend angesprochenen Fallgruppen verstehen sich daher nur beispielhaft.

___________ 3078) Zur Pachtvermittlung u. a. BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

chende wirtschaftliche Folgen haben und ggf. zur (Gesamt-)Nichtigkeit des Pachtvertrages führen. XIII. Nachfolgerevers 2.2473 Eine weitere Unterart der Eigentümererklärung ist der sog. „Nachfolgerevers“. Darin verspricht der Hauseigentümer und Verpächter dem Getränkelieferanten im Falle der Nachfolge auf Pächterseite, den ganzen Vertrag oder nur die Bezugspflicht jedem neuen Pächter aufzuerlegen. Gelegentlich wird diese Verpflichtung mit einem Pacht- oder Mieteintrittsrecht des Getränkelieferanten gekoppelt. Nachteilig ist das fehlende Mitspracherecht des Getränkelieferanten bei der Auswahl des neuen Betreibers. XIV. Nachfolgerbenennungsrecht 2.2474 Ziel einer Eigentümererklärung in Form des (Pächter-/Mieter-)Nachfolgerbenennungsrechts ist es, sei es anfänglich, sei es in der Situation des Betreiberwechsels, den qualitativen Vorgaben des Getränkelieferanten hinsichtlich der Person des Betreibers, insbesondere hinsichtlich Gastroaffinität und Bonität, Rechnung zu tragen. Je nach Vertragsinhalt besteht auch eine Verpflichtung zur Suche geeigneter Betreiber. Angesichts des „Überangebotes“ an nicht qualifizierten Bewerbern einerseits und der Vielzahl nicht mehr besetzungsfähiger Objekte andererseits übernehmen Getränkelieferanten heute durchweg keine „Garantie“ hinsichtlich der Bonität der Interessenten. Die Übernahme von Pachtausfallgarantien bzw. Pachtbürgschaften bezüglich etwaiger Pachtausfälle ist daher ein Relikt aus der Vergangenheit. XV. Weitere denkbare Inhalte von Eigentümererklärungen 2.2475 Angesichts der skizzierten Probleme bei der Pächtersuche haben früher denkbare Formen von Eigentümererklärungen wie die Pachtvermittlungsvollmacht oder der Pachtvermittlungsauftrag heute erheblich an praktischer Bedeutung verloren.3078) § 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag 2.2476 In der Praxis sind Getränkebezugsverpflichtungen der Gaststättenpächter von besonderer Bedeutung. Derartige Bezugsverpflichtungen des Pächters können auf verschiedene Weise begründet werden. Die nachfolgend angesprochenen Fallgruppen verstehen sich daher nur beispielhaft.

___________ 3078) Zur Pachtvermittlung u. a. BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195.

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I. Pachtvertragliche Bezugspflichten zugunsten eines Getränkelieferanten

I.

Pachtvertragliche Bezugspflichten zugunsten eines Getränkelieferanten

1.

Situation

Gelegentlich sind Bezugsbindungen nicht Inhalt eines unmittelbar zwischen 2.2477 Getränkelieferanten und Betreiber abgeschlossenen Vertrages, sondern Bestandteil eines Vertrages zugunsten eines – möglicherweise erst noch zu benennenden – Getränkelieferanten als Dritten (§ 328 BGB). Beispielsweise stellt ein Getränkelieferant einen von ihm ausgearbeiteten Pachtvertrag einem Eigentümer und damit künftigen Verpächter einer Absatzstätte zur Verfügung und baut in diesen eine Bezugsbindung des Pächters zu seinen Gunsten ein.3079) 2.

Pflichtenstellung des Verpächters

Zu den Pflichten des Hauseigentümers kann auf die vorherigen Ausführungen 2.2478 verwiesen werden.3080) Ebenso zu einer eventuellen Pflichtverletzung des Eigentümers in Form einer unzureichenden Aufklärung des Pächters über die Laufzeit der Hauseigentümervereinbarung mit einem Getränkelieferanten.3081) 3.

Bedeutung des § 328 BGB

a) Gegen die Auslegung als Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 Abs. 1 und 2.2479 2 BGB spricht nicht, dass nur die Parteien des Pachtverhältnisses als solche benannt werden. Hinreichend ist, wenn der Pachtvertrag zahlreiche Regelungen zugunsten des Getränkelieferanten enthält. Zu nennen sind u. a. eine Getränkebezugsverpflichtung sowie die Absicherung derselben durch eine Kaution.3082) b) Wirksamkeit. aa) Bestimmtheit. Der Getränkelieferant braucht nicht im 2.2480 Vertrag selbst bestimmt zu sein. Es genügt, wenn seine Person bestimmbar ist. Es kann dann die zu begünstigende Person auch nach dem Abschluss des Vertrages noch bestimmt werden.3083) bb) Regelungen zu Lasten Dritter. Eine solche Vertragsgestaltung ist dann 2.2481 zulässig, wenn sie keine Verpflichtungen des Getränkelieferanten enthält und sich damit nicht als unwirksamer Vertrag zu Lasten Dritter darstellt.3084) ___________ 3079) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. 3080) Siehe oben § 34 III 1 und 2, jeweils m. w. N. 3081) OLG Köln, Urt. v. 13.9.2013 – 1 U 23/12. 3082) AG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1995 – 4 C 21/95. 3083) AG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1995 – 4 C 21/95. 3084) BGH, Urt. v. 25.11.1965 – KZR 11/64, NJW 1966, 652 = Zeller I, 46; BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 6.11.1972 – KZR 65/71, GRUR 1978, 319 = Zeller I, 124; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536.

721

§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

2.2482 Die selbstverständliche Belieferungspflicht gegenüber dem Gastwirt schadet insoweit nicht, wenn sie nicht ausdrücklich vertraglich geregelt und in Einzelheiten ausgestaltet ist.3085) 2.2483 c) Rechtsstellung des Getränkelieferanten. Bei dem in diesem Zusammenhang durchweg anzunehmenden echten (berechtigenden) Vertrag zugunsten Dritter wird der Getränkelieferant nicht Vertragspartner des Gastwirts.3086) Allerdings erwirbt er einen eigenen Anspruch gegen diesen (§ 328 Abs. 1 BGB). Dieser Erwerb erfolgt unmittelbar, sodass sein Forderungsrecht des Dritten niemals zum Vermögen des Eigentümers gehört hat. Der begünstigte Getränkelieferant rückt also nicht in die Stelle eines Vertragsschließenden ein, er hat aber ein eigenes Forderungsrecht.3087) Folglich steht dem Getränkelieferanten ein eigener Anspruch auf Erfüllung (Einhaltung) der Getränkebezugsverpflichtung nach Inhalt und Umfang, insbesondere hinsichtlich der Menge, zu. Bei Nicht- oder Schlechterfüllung gegebene Sekundäransprüche auf Schadensersatz oder Vertragsstrafe stehen ebenfalls dem Getränkelieferanten unmittelbar zu; eine Abtretung oder die Geltendmachung eines fremden Rechts scheiden daher aus. 2.2484 d) Auskunft. Hauseigentümern steht, die Erfüllung der übernommenen Weitergabeverpflichtung unterstellt, ein vertraglicher Auskunftsanspruch betreffend die vom Pächter/Mieter des Objektes bezogene Getränkemenge zu.3088) 4.

Laufzeit

2.2485 a) Allgemein. Für die Dauer der Getränkebezugsverpflichtung ist die Einhaltung der §§ 581, 550 BGB unerheblich.3089) 2.2486 b) Pachtvertrag. Die Laufzeit eines Pachtvertrages kann sich vereinbarungsgemäß an den Auslauf eines Vertrages zwischen dem Verpächter und dem Getränkelieferanten richten. Dies auch dann, wenn sie an die Erfüllung einer (Gesamt-)Mindestabnahmemenge gekoppelt ist. Die Formulierung „Laufzeit“ lässt nicht den Schluss auf ein bestimmtes Datum zu, sondern umfasst auch eine variable Regelung, wie die Tilgung des Darlehens und das Erreichen einer Mindestabnahmemenge. Maßgeblich für die Auslegung des Wortlautes „Laufzeit“ sind nämlich die Interessen der Parteien. Ist für den Pächter bei Vertragsschluss ersichtlich, dass es für den Verpächter von entscheidender Bedeutung ___________ 3085) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 98. 3086) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64. 3087) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.4.1987 – 1 U 146/86, Zeller IV, 153; LG Frankfurt/M., Beschl. v. 28.3.2003 – 2/1 S 313/02; AG Saarbrücken, Urt. v. 18.12.1995 – 4 C 21/95. 3088) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287, mit Vorinstanz. 3089) OLG Köln, Urt. v. 13.9.2013 – 1 U 23/12.

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I. Pachtvertragliche Bezugspflichten zugunsten eines Getränkelieferanten

ist, seine eigene Bezugsverpflichtung auf den Pächter zu übertragen, um nicht Schadensersatzforderungen des Getränkelieferanten ausgesetzt zu sein, so ist diese den üblichen Gepflogenheiten im Gaststättengewerbe auch entsprechende Regelung beidseits interessengerecht.3090) 5.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

a) Einführung. Dem Verpächter/Vermieter steht es grundsätzlich frei, dem 2.2487 Pächter/Mieter die Nutzung des Objekts nur in einem bestimmten Umfang oder mit bestimmten Beschränkungen und Verpflichtungen zu gewähren.3091) Dazu gehört auch die Regelung des Getränkebezugs (Sortiment, Lieferweg etc.),3092) der Werbung hierfür oder der Aufstellung von Automaten. Die Auferlegung einer ausschließlichen Bezugsverpflichtung zugunsten eines Getränkelieferanten in einem Pacht-/Mietvertrag zwischen Hauseigentümer und Pächter/ Mieter ist daher grundsätzlich zulässig.3093) Eine andere rechtliche Beurteilung kann sich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei Wegfall oder Unwirksamkeit der Abnahmeverpflichtung des Verpächters/Vermieters ergeben.3094) Für Mietverträge gilt Entsprechendes.3095) b) Maßgebliches Verhältnis. Bei der Prüfung einer Ausschließlichkeitsbindung 2.2488 im Rahmen eines (Pacht-)Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) ist auf das in der Regel maßgebliche Verhältnis zwischen dem Gebundenen (Pächter) und dem Versprechensempfänger (Verpächter, Eigentümer) abzustellen.3096) Bei einer derartigen Vertragsgestaltung muss sich der Getränkelieferant also hinsichtlich der Frage, ob die ihm als begünstigtem Dritten zugutekommende Bezugsbindung gegen § 138 Abs. 1 BGB verstößt, so behandeln lassen, als habe er die ausschließliche Bezugsverpflichtung dem übernehmenden Pächter/Mieter selbst auferlegt und sei selbst dessen Vertragspartner.3097) Anders soll dies sein, wenn die tatrichterliche Würdigung ergibt, dass der Getränkelieferant am Abschluss ___________ 3090) OLG Köln, Urt. v. 13.9.2013 – 1 U 23/12. 3091) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3092) BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller II, 155; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 3093) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; BGH, Urt. v. 14.7.1980 – KZR 19/79, WM 1980, 1309 = Zeller, II, 155; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3094) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64. 3095) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 33. 3096) OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329, mit teilweise abl. Anm. Niebling, BB 1995, 330; OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. 3097) BGH, Urt. v. 2.10.1969 – KZR 10/68, NJW 1970, 279 = Zeller I, 195; OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

eines Pachtvertrages und bei dessen Ausgestaltung nicht in einer für seine Einbeziehung in das Leistungsverhältnis zwischen Verpächter und Pächter ausschlaggebenden Weise mitgewirkt hat.3098) 2.2489 c) Leistungen. Zu fragen ist, ob und in welchem Umfang der Gebundene vom Getränkelieferanten oder vom Verpächter unmittelbar finanzielle Zuwendungen erhalten hat.3099) Die Tatsache, dass der Verpächterin vom Getränkelieferanten ein Darlehen gewährt worden ist und die Getränkebezugsverpflichtung des Pächters zur Tilgung dieses Darlehens dient, sagt über einen Sittenverstoß und eine etwaige Übersicherung des Getränkelieferanten nichts aus.3100) Zu Leistungen an den Pächter, die vereinbarungsgemäß an den Verpächter und Hauseigentümer ausgezahlt wurden, siehe ein Urteil des OLG Karlsruhe.3101) 2.2490 d) Laufzeit. Um die Nichtigkeitssanktion einer unbefristeten und nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksamen Getränkebezugsverpflichtung zu vermeiden, bedarf es besonderer Sorgfalt bei der Vertragsgestaltung. Unbedenklich sind feste Laufzeiten. Bei Vereinbarung einer sittenwidrig langen Bezugsbindung sind auch Bierbezugsverpflichtungen in Verträgen zugunsten Dritter sittenwidrig und nichtig.3102) 2.2491 Laufzeiten mit Verlängerungsklauseln können im Ergebnis eine unbefristete und damit sittenwidrige Bezugsbindung zur Folge haben. 2.2492 Gleiches gilt für einseitige Optionsrechte zugunsten des Verpächters/Vermieters. Optionsrechte zur Verlängerung des Pacht-/Mietvertrages, die dem Pächter/ Mieter eingeräumt worden sind, sind dagegen unbedenklich, wenn für den Gesamtzeitraum eine Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung festzustellen ist.3103) 6.

AGB-Kontrolle

2.2493 a) Einbeziehung. Im Zusammenhang mit § 305 Abs. 1 BGB können sich zwei Fragen ergeben. Übernimmt der Verpächter eine von dem Getränkelieferanten gestaltete und sei es in der Eigentümererklärung, sei es im Übrigen als Muster zur Verfügung gestellte Bezugsregelung, so dürften die Voraussetzungen einer Klausel i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1, 305b BGB jedenfalls dann erfüllt sein, wenn ___________ 3098) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3099) OLG Köln Urt. v. 30.3.1982 – 15 U 149/81; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467. 3100) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3101) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 337/98. 3102) BGH, Urt. v. 9.4.1970 – KZR 7/69, BGHZ 54, 145 = NJW 1970, 2157 = Zeller I, 64. 3103) Siehe oben § 11 I 5 m. w. N. OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329.

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I. Pachtvertragliche Bezugspflichten zugunsten eines Getränkelieferanten

die Regelung nicht nachweislich Gegenstand einer Aushandlungsvereinbarung i. S. d. §§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB gewesen ist. Zum personalen Anwendungsbereich des AGB-Rechts wird festzustellen sein. 0b der Pächter, sei es als Unternehmer, sei es als Existenzgründer, dem Schutz des AGB-Rechts gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nur eingeschränkt unterliegt. b) Inhaltskontrolle. Gegen die Verpflichtung des Gastwirts, die in der Absatz- 2.2494 stätte benötigten Getränke beim Verpächter oder bei einem von diesem benannten Dritten zu beziehen, bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Eine solche Verpflichtung kann wirksam auch mittels Formularvertrages oder AGB übernommen werden.3104) 7.

Verbraucherkreditrecht

a) Persönlicher Anwendungsbereich. aa) Grundlagen. Wird ein Dritter durch 2.2495 einen (echten oder unechten) Vertrag zugunsten Dritter begünstigt, dann kommt es für die Verbrauchereigenschaft nicht auf die Person des Dritten, sondern allein auf die Person des Vertragspartners im Deckungsverhältnis an. Es steht der Verbrauchereigenschaft des Vertragspartners nicht entgegen, wenn der begünstigte Dritte kein Verbraucher ist. bb) Hauseigentümer. Zu fragen ist, ob der auferlegende Hauseigentümer im 2.2496 Verhältnis zum Pächter als Unternehmer einzuordnen ist.3105) Anders als zu Zeiten des § 8 AbzG und des § 2 VerbrKrG3106) wird nur der unternehmerisch handelnde Lieferant, nicht aber der privat handelnde Anbieter erfasst.3107) Zum Parallelproblem im Zusammenhang mit § 1 GWB kann verwiesen werden.3108) Nach der gesetzlichen Definition in § 14 BGB wird der Unternehmerbegriff nicht als Statusbeschreibung aufgefasst, sondern als Beschreibung einer Vertragsabschlusssituation.3109) Der Abschluss eines Pachtvertrages dürfte noch nicht ausreichen, um eine Unter- 2.2497 nehmereigenschaft des Verpächters i. S. d. § 14 BGB zu begründen. Dies auch bei Ausweis der Umsatzsteuer. Ob § 328 BGB dazu Anlass gibt, die Unternehmereigenschaft des Getränkelieferanten zu Lasten des Verpächters zuzurechnen, erscheint eher fernliegend. Anders dürfte zu entscheiden sein, wenn ein Hauseigentümer eigengewerblich 2.2498 auftritt, etwa als Vertragspartner oder im Wege des Vertragsbeitritts bzw. der Vertragsübernahme und damit nicht nur mithaftet, sondern auch eigenverant___________ 3104) Erman-Dickersbach, BGB, vor § 581 Rz. 41. 3105) Eingehend siehe oben § 34 VII 1 m. w. N. 3106) BGH, Urt. v. 12.6.1991 – VIII ZR 256/90, NJW 1991, 2901 = ZIP 1991, 1218. 3107) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 29. 3108) Siehe oben § 28 III 3 m. w. N. 3109) MünchKomm-Micklitz, BGB, § 14 Rz. 17.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

wortlich die Erfüllung des Getränkelieferungsvertrages insgesamt (als Existenzgründer oder ggf. auch bereits als Unternehmer) schuldet. Gleiches gilt für Hauseigentümer, bei denen nach Art und Umfang eine gewerbliche Vermietung oder Verpachtung vorliegt. § 14 BGB setzt nämlich nicht eine gastrogewerbliche Tätigkeit voraus; hinreichend ist jede gewerbliche Tätigkeit.3110) 2.2499 b) Sachlicher Anwendungsbereich. Höchstrichterlich3111) noch nicht entschieden ist die Frage, ob § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB auch dann anwendbar ist, wenn der Abnehmer sich zu einem Getränkebezug nicht gegenüber seinem Vertragspartner – z. B. dem Verpächter –, sondern gegenüber einem Dritten – hier einem Getränkelieferanten – verpflichtet. Man wird bezweifeln dürfen, ob dies einen entscheidungserheblichen Unterschied macht. Nach seinem Wortlaut setzte die Vorgängervorschrift des § 1c Nr. 3 AbzG allein die auf den Abschluss eines der dort genannten Geschäfte gerichtete Willenserklärung des Käufers voraus. Dass dieser sich zum Bezug gerade von seinem Vertragspartner verpflichtete, verlangte die Vorschrift nicht. Für das Schutzbedürfnis des Käufers war es ohne Belang, ob er sich verpflichtete, langfristig Getränke von seinem Vertragspartner oder von einem Dritten zu beziehen. Für § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB dürfte Entsprechendes gelten. Für die hier vertretene Ansicht spricht auch die Haltung, die der BGH im Falle des Schuldbeitritts zu der in einem Pachtvertrag übernommenen Getränkebezugsverpflichtung eingenommen hat. Der Beitretende übernimmt dieselbe Verpflichtung zum wiederkehrenden Bezug von Sachen auf sich nimmt wie der bisherige Alleinschuldner; das Schutzbedürfnis beider unterscheidet sich nicht.3112) Daher dürfte es unerheblich sein, ob die in dem Vertrag enthaltene Bezugsverpflichtung nur gegenüber dem Vermieter/Verpächter oder dem Getränkelieferanten besteht, und ob durch diese Klausel dem Dritten ein eigenes Recht (§ 328 BGB) zugestanden wird.3113) 2.2500 c) Widerrufsbelehrung. aa) Belehrungspflichtiger. Den privaten Vermieter/ Verpächter trifft im Verhältnis zu seinen Mietern/Pächtern hinsichtlich einer Getränkebezugsverpflichtung zugunsten eines Getränkelieferanten keine Belehrungspflicht in eigener Person. 2.2501 bb) Widerrufsempfänger. Die Frage des zu benennenden Widerrufsempfängers bedarf besonderer Beachtung.3114) ___________ 3110) Siehe oben §§ 5 I 1 c und 22 II 2 a, jeweils m. w. N. 3111) Aus der Instanzrechtsprechung OLG Hamm, Urt. v. 28.7.1992 – 19 U 193/92, NJW 1992, 3179 = ZIP 1991, 1224; OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 3112) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 8.10.1992 – IX ZR 98/91, NJW-RR 1993, 243; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.4.1984 – 16 U 166/83, WM 1984, 1220 = Zeller III, 50; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.1987 – 10 U 126/87, NJW-RR 1988, 948 = Zeller IV, 41. 3113) OLG Köln, Beschl. v. 19.8.1996 – 1 W 72/96, BeckRS 1996, 31051673. 3114) Siehe oben § 24 X 2 m. w. N.

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II. Anpachtungsvertrag

II.

Anpachtungsvertrag

1.

Situation

Die unmittelbare bzw. direkte Anpachtung von Objekten durch einen Geträn- 2.2502 kelieferanten kann im Hinblick auf die daran anschließende Unterverpachtung unter Auferlegung einer Getränkebezugsverpflichtung auch heute noch Sinn machen. Allerdings sind die Pacht- und insbesondere Ausfallrisiken zu kalkulieren. 2.

Bezugsverpflichtung

a) Regelungsbedarf. Ggf. sollte klargestellt werden, dass der Getränkelieferant 2.2503 die Vertragsprodukte auch tatsächlich im Objekt uneingeschränkt vertreiben bzw. vertreiben lassen kann. Sinnhaft ist es daher, eine klarstellende Regelung in den Vertrag aufzunehmen, etwa des Inhalts, dass im Objekt die von einer Brauerei hergestellten und vertriebenen Getränke im Vertragsobjekt anzubieten und zum Verkauf und Ausschank zu bringen sind. Sollte nämlich in Abteilung II des Grundbuchs eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingetragen sein, so stünde diese den Interessen des anpachtenden Getränkelieferanten entgegen. Bei Vorhandensein einer klarstellenden Regelung werden entsprechende Missverständnisse vermieden und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen wird erleichtert. Weiter ist an die Situation des Vorpachtrechts zu denken. Übt ein Vorpächter 2.2504 sein Vorpachtrecht aus, wäre er an das entsprechende Lieferungsrecht im Pachtvertrag mit dem neuen Pächter gebunden. Dies dürfte den Interessen des Vorpächters zuwider laufen. Besonders deutlich wird dies, wenn es sich bei dem Vorpachtberechtigten um eine Brauerei handelt.3115) Wird dagegen die entsprechende Getränkebezugsverpflichtung bzw. das Getränkelieferungsrecht vertraglich aufgenommen, so wird ein etwaiges Vorpachtrecht uninteressant. b) Sinnhaftigkeit. In einem Anpachtungsvertrag eines Getränkelieferanten 2.2505 (konkret Getränkefachgroßhändlers) ist eine Regelung einer Getränkebezugsverpflichtung sinnlos und läuft leer, weil der Getränkelieferant über die Belieferung der Absatzstätte selbst bestimmt und im Fall der Unterverpachtung den Gastwirt entsprechend binden kann und muss; eine Abmachung mit dem Hauptverpächter (Eigentümer) nützt ihm insoweit nichts. Eine Getränkebezugsverpflichtung, die der Pächter des Objektes, der selbst der begünstigte Getränkefachgroßhändler ist, mit dem Verpächter abschließt, geht ins Leere.3116)

___________ 3115) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1987 – 14 U 129/86, NJW-RR 1988, 178 = Zeller IV, 167. 3116) OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

2.2506 c) Übergang. Ein (An-)Pachtverhältnis geht nach § 566 BGB kraft Gesetzes auf den Erwerber des Pachtgrundstücks über, gleichgültig ob ihm das Pachtverhältnis bekannt war oder nicht.3117) 2.2507 d) Ob der Pachtvertrag wegen Nichtigkeit des bezugsrechtlichen Teiles nichtig ist, beurteilt sich nach § 139 BGB. Bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der salvatorischen Klauseln, so ist eine Gesamtnichtigkeit des Pachtvertrages gem. § 139 Satz 2 BGB zu verneinen.3118) 2.2508 d) Bedingung. Ist eine Abnahmepflicht zum Zeitpunkt des Abschlusses des „Mietvertrages“ aufschiebend bedingt durch den zeitlich späteren Abschluss des Getränkelieferungsvertrages des Mieters mit der Brauerei, so ist eine solche Bedingung zulässig.3119) 3.

Laufzeit

2.2509 Die Klausel, wonach die Laufzeit eines Vertrages über die Anmietung einer Werbefläche drei Jahre beträgt, soll wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Leitbild von Dauerschuldverhältnissen nichtig sein (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 9 a BGB).3120) 4.

Verbraucherkreditrecht

2.2510 Der Pachtvertrag an sich, insbesondere der Anpachtungsvertrag, unterfällt nicht § 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB. Er bedarf keiner Widerrufsbelehrung.3121) III.

(Unter-)Pacht- und Getränkelieferungsvertrag

1.

Einführung

2.2511 (Unter-)Pacht und Getränkelieferungsverträge werden von Getränkelieferanten in zwei Konstellationen geschlossen. In der Vergangenheit und insbesondere in Süddeutschland haben vor allem Brauereien langfristig Grundstücke aufgekauft, um auf ihnen Gaststätten durch Pächter betreiben zu lassen.3122) Darüber hinaus waren Brauereien und Getränkefachgroßhändler vor allem in der Vergangenheit bestrebt, den Getränkeabsatz durch die Anpachtung von geeigneten Objekten zu sichern. In beiden Fällen kommen Pacht- und Getränkelieferungsverträge zum Einsatz. ___________ 3117) LG Mönchengladbach, Urt. v. 7.1.1976 – 3 O. 120/75. 3118) OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536. 3119) OLG Stuttgart, Urt. v. 20.1.1989 – 2 U 259/88, BeckRS 1989, 30892034 = Zeller IV, 496. 3120) LG Frankfurt a. M., Urt. v. 3.4.1989 – 2/24 S 135/87, NJW-RR 1989, 888 = Zeller IV, 406. 3121) OLG Hamm, Urt. v. 5.7.1995 – 30 U 331/93, ZMR 1995, 536; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 3122) BayObLG, Beschl. v. 19.10.1995 – 3Z BR 17/90. Dort auch zur Einstufung brauereieigener Gaststätten als in der Regel nicht betriebsnotwendiges, neutrales Vermögen.

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III. (Unter-)Pacht- und Getränkelieferungsvertrag

Absatzstätten- und Hotelpachtverträge sind grundsätzlich Pachtverträge für 2.2512 gewerblich genutzte Räume, in denen eine Gaststätte oder ein Hotel betrieben werden soll. Diese können mit oder ohne Inventar verpachtet werden, auch wenn das Inventar erst von Dritten erworben wird.3123) Die Gestaltung, die Abwicklung und auch die Durchführung von Pachtverträgen sind besonders zeitaufwändig. Sie setzt zudem umfängliche rechtliche Kenntnisse voraus. Die Getränkebezugsverpflichtung und die Verpflichtungen aus dem Gaststät- 2.2513 tenpachtvertrag stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis.3124) 2.

Vertragsgestaltung

Verpachten Getränkelieferanten eigene oder angepachtete Objekte als (Haupt- 2.2514 pächter) des Gaststättenobjektes und legen im (Unter-)Pachtvertrag dem Gaststättenbetreiber eine Bezugsverpflichtung auf, so gilt es, Besonderheiten zu beachten. Beispielsweise sollte das Recht zur Unterverpachtung ausdrücklich in den Anpachtvertrag aufgenommen werden. 3.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

a) Leistungen des Getränkelieferanten. Auch wenn besondere Leistungen, 2.2515 etwa eine Darlehensgewährung, ein im Verhältnis zum Anpachtzins reduzierter Unterpachtzins, eine Rückvergütung oder sonstige Eventualleistungen, nicht erbracht werden, soll es bei einer Vertragsdauer von sieben Jahren genügen, dass der Getränkelieferant dem Pächter die Möglichkeit verschafft hat, im Pachtobjekt eine Gastwirtschaft zu betreiben und überdies kein höheren Pachtzins vereinbart ist, als er selbst nach dem von ihm mit dem Grundstückseigentümer abgeschlossenen Vertrag zu entrichten hat. Hier erzielt der Getränkelieferant aus der Verpachtung keinen Gewinn. Dies ergibt sich vielmehr allein aus den entsprechenden Getränkeumsätzen des Pächters. Insofern ist auch die Vereinbarung, der Ausschank anderer Getränke dürfe gegenüber dem Ausschank von Bier nicht forciert werden, nicht zu beanstanden.3125) Zugunsten des Verpächters dürfte weiter sprechen, dass er das Anpachtrisiko trägt. Auch steht es dem Pächter frei, ein Pachtobjekt zu den vom Verpächter definierten Konditionen und sonstigen Bedingungen anzupachten. Nicht selten ermöglicht der Pachtvertrag dem Pächter den Aufbau einer (neuen) Existenz. b) Bewertung. Bei der Bewertung der Leistungen des Getränkelieferanten ist 2.2516 insbesondere zu berücksichtigen, ob die für den Betrieb notwendigen Einrich___________ 3123) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.12.1993 – 10 U 42/93, NJW-RR 1994, 399. Zur Abgrenzung von Miete und Pacht wird auf die Rechtsprechung verwiesen, u. a. BGH, Urt. v. 27.3.1991 – XII ZR 136/90, NJW-RR 1991, 906 = Zeller IV, 534. 3124) BGH, Urt. v. 25.11.1987 – VIII ZR 283/86, NJW 1988, 703 = Zeller IV, 173. 3125) BGH, Urt. v. 30.3.1977 – VIII ZR 300/75, BeckRS 1977, 31122440 = Zeller II, 433; OLG Hamm, Urt. v. 19.1.1987 – 7 W 57/86, Zeller IV, 150.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

tungsgegenstände durch diesen ganz oder zum Teil zur Verfügung gestellt worden sind.3126) 2.2517 c) Kündbarkeit. Darin, dass in einem Gaststättenpachtvertrag den Verpächtern, nicht aber den Pächtern, zum Teil über die gesetzlichen Gründe hinausgehende Auflösungsgründe zugebilligt wurden, lag kein Verstoß gegen § 138 Abs. 1 BGB.3127) 4.

Laufzeit

2.2518 a) Bei Pachtverträgen wird die Dauer der ausschließlichen Getränkebezugsverpflichtung ohne zeitliche Begrenzung für die gesamte Dauer des Pachtverhältnisses vereinbart. Ist die vereinbarte Pachtzeit – hier fünf Jahre – nicht zu beanstanden, so gilt dies auch für die damit verbundene Bindungsdauer.3128) 2.2519 b) Steht es dem Pächter frei, das ihm eingeräumte Optionsrecht auszuüben, so hängt die längere Dauer der mit dem Pachtverhältnis verknüpften Bezugsverpflichtung allein vom Willen des Verpflichteten ab. Hiergegen bestehen keine Wirksamkeitsbedenken.3129) Zu den Problem im Übrigen kann verwiesen werden.3130) 2.2520 c) Automatische Verlängerungsklauseln, jeweils etwa um ein Jahr, könnten dagegen einer kritischeren Betrachtung unterliegen.3131) Heißt es in einer Verlängerungsklausel „Nach Ablauf der zehn Jahre werden neue Pachtverhandlungen geführt. Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist die Industrie- und Handelskammer … ersucht, einen Sachverständigen zu bestellen, dessen Entscheidung bindend ist“, und kommt es nach Ablauf des Pachtvertrages auf ein Verlängerungsverlangen des Pächters hin nicht zu einer Einigung, so ist die Verlängerungsklausel mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam.3132) 2.2521 d) Eine Sittenwidrigkeit der Laufzeitregelung führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrags oder auch nur der Laufzeitklausel, sondern eröffnet den Weg zu einer richterlichen Reduzierung auf eine angemessene Pachtdauer. 5.

Verbraucherkreditrecht

2.2522 a) Widerrufsbelehrung. Im Hinblick auf die bezugsrechtliche Komponente eines Pacht- und Getränkelieferungsvertrages bedarf es zwar ggf. einer Wider___________ 3126) OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329. 3127) OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98. 3128) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16¸ BeckRS 2016, 112769. 3129) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16, BeckRS 2016, 112769. 3130) OLG München, Urt. v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW/E 1212. Siehe oben § 11 I 4 m. w. N. 3131) Siehe oben § 11 I 5 m. w. N. 3132) BGH, Urt. v. 27.1.1971 – VIII ZR 151/69, BGHZ 55, 248.

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III. (Unter-)Pacht- und Getränkelieferungsvertrag

rufsbelehrung.3133) Schließt der Hauseigentümer in Vollzug einer Hauseigentümervereinbarung mit einem Pächter als Existenzgründer einen Pachtvertrag zu Gunsten des Getränkelieferanten, so gilt dies nur dann, wenn die 75.000,00 €Grenze des § 513 BGB nicht überschritten ist. b) Widerruf. Zu den insofern interessanten Fragen kann auf das Urteil des 2.2523 OLG Düsseldorf vom 18.4.2000 verwiesen werden.3134) 6.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Miet- oder Pachtverträge können als entgeltliche Leistung eines Unternehmers 2.2524 i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB verstanden werden.3135) Die Ausnahmeregelung des § 312 Abs. 4 BGB erfasst nur Verträge über die Vermietung von Wohnraum. Allerdings dürfte regelmäßig nicht der persönliche Anwendungsbereich des allgemeinen Verbraucherschutzrechts eröffnet sein. Zum einen schließt der Getränkelieferant entsprechende Verträge durchweg nur mit Unternehmern oder Existenzgründern. Zum anderen wird bei Miet- oder Pachtverträgen eines privaten Hauseigentümers mit Dritten zugunsten eines Getränkelieferanten die Unternehmereigenschaft des Erstgenannten besonders zu prüfen sein.3136) 7.

Pachtzins

a) Umsatzpacht. Bei der Gaststättenpacht wird die Höhe der Pacht häufig von 2.2525 der Menge des Getränkeumsatzes abhängig gemacht. Da sich der Pächter vielfach im Getränkelieferungsvertrag gegenüber dem Verpächter verpflichtet hat, alle oder bestimmte Getränke vom Verpächter zu beziehen, steigt die geschuldete Pacht, wenn die im Vertrag festgelegte Menge nicht erreicht wird. b) Wucher. Eine Nichtigkeit des Pachtvertrages wegen Wuchers nach § 138 2.2526 Abs. 2 BGB würde ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraussetzen. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Ermittlung und Gegenüberstellung des objektiven Wertes der beiderseitigen Hauptleistungen. Bei der Vermietung von Gewerbeflächen ist ein auffälliges Missverhältnis nur zu bejahen, wenn die vereinbarte Miete die angemessene Miete um 100 % übersteigt.3137) c) Pachtzinshöhe und § 138 Abs. 1 BGB. aa) Grundsatz. Die Höhe des ver- 2.2527 einbarten Miet- oder Pachtzinses, sei es als Festpacht, sei es als Umsatzpacht, ___________ 3133) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. Siehe oben § 2 III 8 a m. w. N. 3134) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 3135) OLG Koblenz, (Hinweis-)Beschl. v. 10.1.2011 – 5 U 1353/10, NJW-RR 2011, 1203; OLG Brandenburg, Urt. v. 20.3.2014 – 5 U (Lw) 62/13, BeckRS 2014, 07672 (Landpachtvertrag). 3136) Siehe oben § 35 I 7 a m. w. N. 3137) KG, Beschl. v. 22.1.2001 – 12 U 5939/99, NJW-RR 2001, 1092; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

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§ 35 Getränkebezugverpflichtung und Pachtvertrag

kann unter dem Gesichtspunkt eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB auslösen.3138) Bei gewerblichen Mietverträgen geht die Rechtsprechung davon aus, dass ein auffälliges Missverhältnis vorliegt, wenn die vereinbarte Miete (entsprechend bei der Pacht) um knapp 100 % höher (oder niedriger) ist als der objektive Marktwert der Gebrauchsüberlassung.3139) Marktwert ist der übliche Wert, der für eine vergleichbare Leistung auf dem jeweiligen Markt zu zahlen ist.3140) Bei Miet- oder Pachtverhältnissen ist der Marktwert der Nutzungsüberlassung regelmäßig anhand der Miete oder Pacht zu ermitteln, die für vergleichbare Objekte erzielt wird.3141) Gibt es ausnahmsweise keine geeigneten Vergleichsobjekte, ist es regelmäßig angebracht, einen mit der konkreten Marktsituation vertrauten Sachverständigen beurteilen zu lassen, welche Miete für dieses Objekt erzielt werden kann.3142) 2.2528 Der Abschluss eines Pachtvertrages unter Ausbeutung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, eines Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche wird aber selbst dann nicht vermutet, wenn die vereinbarte Pacht die übliche und angemessene um mehr als 100 % übersteigen sollte. Eine solche Vermutung ist schon dann nicht begründet, wenn der Vertragspartner Unternehmer ist. Es liegt keine verwerfliche Gesinnung nach § 138 Abs. 1 BGB vor, wenn die Parteien bewusst eine hohe Pacht aus steuerlichen Gründen vereinbaren und eine etwaige deutliche Überhöhung des vereinbarten Pachtzinses den Parteien bekannt ist.3143) 2.2529 bb) Dagegen ist die sog. EOP-Methode (an der Ertragskraft orientierte Pachtwertfindung), die auf Initiative verschiedener Gaststättenverbände zur Ermittlung der marktüblichen Pacht für Räume zum Betrieb einer Absatzstätte empfohlen wurde, aus Rechtsgründen nicht geeignet, den zum Vergleich heranzuziehenden objektiven Pachtwert zu ermitteln. Diese Methode bietet keine Gewähr für eine dem objektiven Marktverhältnissen entsprechende Bewertung der Gaststättenpacht. Bei Anwendung der EOP-Methode würde die gesetzliche Risikoverteilung, nach der der Pächter das volle Verwendungsrisiko für die Absatzstätte trägt, unzulässigerweise auf den Verpächter verlagert.3144) ___________ 3138) LG Frankfurt/M. Urt. v. 27.10.1987 – 2/11 S 165/87, NJW-RR 1988, 334. 3139) BGH, Urt. v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210. 3140) BGH, Urt. v. 11.12.2003 – XII ZR 31/03, NJW 2004, 1454 = ZIP 2004, 315. 3141) BGH, Urt. v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 = ZIP 2001, 1633, dazu EWiR 2001, 1035 (Bühler); LG Coburg, Urt. v. 17.3.2017 – 14 O. 194/15. 3142) BGH, Urt. v. 10.7.2002 – XII ZR 314/00, NZM 2002, 822. 3143) OLG Hamm, Urt. v. 29.4.2015 – 30 U 150/14, BeckRS 2015, 12225. 3144) BGH, Urt. v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 = NJW 1999, 3187. Anders dagegen im Zusammenhang mit § 134 InsO das OLG Hamm, Urt. v. 20.12.2012 – I-27 U 151/11, BeckRS 2013, 05022. Siehe auch FG Sachsen, Urt. v. 13.10.2016 – 8 K 1569/14, BeckRS 2017, 94174.

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III. (Unter-)Pacht- und Getränkelieferungsvertrag

cc) Ebenso wenig geeignet ist die von der EOP-Methode als Reaktion auf die 2.2530 vorgenannte Entscheidung des BGH abgeleitete sog. „indirekte Vergleichswertmethode“, die sich in dem vom BGH beanstandeten Kern nicht von der EOP-Methode unterscheidet.3145) Der BGH hat daher Urteile, die auf einer nach der EOP-Methode erstattetes Sachverständigengutachten gestützt waren, aufgehoben.3146) dd) Subjektive Seite. Bei einem gewerblichen Miet- oder Pachtverhältnis kann 2.2531 von einem grob auffälligen Missverhältnis zwischen der vereinbarten und der marktüblichen Miete oder Pacht noch nicht auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden. Angesichts der häufig auftretenden Bewertungsschwierigkeiten muss eine tatrichterliche Prüfung dahingehend erfolgen, ob das objektive Missverhältnis für den Begünstigten subjektiv erkennbar war.3147) 8.

Anfechtung

Die Anfechtung eines Unterpachtvertrages wegen arglistiger Täuschung über 2.2532 die fehlende Erlaubnis des Verpächters verstößt dann gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn der anfechtende Unterpächter zuvor mit dem Verpächter über dieselben Räume einen Pachtvertrag zugleich günstigen Bedingungen abgeschlossen und der bisherige Pächter dazu durch Aufgabe seines Pachtvertrages beigetragen hat.3148) 9.

Kündigung

a) Zur Kündigung des Pachtvertrages wegen Verstoßes gegen die Getränke- 2.2533 bezugsverpflichtung wird auf die Entscheidung des OLG München vom 30.9.1994 verwiesen.3149) b) Zur Nichtzahlung der Pacht vergleiche die Entscheidung des LG Münster 2.2534 vom 18.8.2006.3150) c) Es stellt einen die fristlose Kündigung rechtfertigenden Mangel der Mietsa- 2.2535 che dar, wenn das Ordnungsamt dem Mieter die Schankerlaubnis deshalb – ___________ 3145) BGH, Urt. v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 = ZIP 2001, 1633, dazu EWiR 2001, 1035 (Bühler); BGH, Urt. v. 10.7.2002 – XII ZR 314/00, NZM 2002, 822. 3146) BGH, Urt. v. 28.4.1999 – XII ZR 150/97, BGHZ 141, 257 = NJW 1999, 3187; BGH, Urt. v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 = ZIP 2001, 1633, dazu EWiR 2001, 1035 (Bühler). 3147) BGH, Urt. v. 13.6.2001 – XII ZR 49/99, NJW 2002, 55 = ZIP 2001, 1633, dazu EWiR 2001, 1035 (Bühler); BGH, Urt. v. 14.7.2004 – XII ZR 3527/00, NJW 2004, 3553; BGH, Urt. v. 23.7.2008 – XII ZR 134/06, NJW 2008, 3210 (zu Besonderheiten bei einem privaten Vermieter). 3148) BGH, Urt. v. 15.12.1976 – VII ZR 97/75, BeckRS 1976, 31122424. 3149) OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329. 3150) LG Münster, Urt. v. 18.8.2006 – 16 O. 105/06.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

noch – nicht erteilt, weil der Vermieter die hierfür aus bauordnungsrechtlicher Sicht erforderlichen Voraussetzungen nicht geschaffen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Konzession zwar nicht endgültig versagt worden ist, dem Mieter aber der zeitlich nicht absehbare Schwebezustand nicht zumutbar ist.3151) Eine Klausel in einem Formularvertrag über die Vermietung einer Gaststätte, der Mieter habe die für den Betrieb des Mietobjektes erforderliche behördliche Erlaubnis auf seine Kosten und sein Risiko beizubringen, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB nichtig.3152) 2.2536 d) Pächtersuche. Wenn der Verpächter nach Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen nach anderweitigen Pachtinteressenten Ausschau hält, nimmt er damit lediglich seine Rechte wahr und verletzt dadurch keine Pflichten des Pächters aus dem Pachtvertrag. Dies gilt auch dann, wenn er die Kündigung selbst noch nicht ausgesprochen hat.3153) 10.

Vertragsstrafe

2.2537 Eine Formularklausel, in der sich der Verpächter auch für den Fall, dass das Pachtverhältnis auf Wunsch des Pächters vorzeitig einvernehmlich beendet wird, eine Vertragsstrafe versprechen lässt, ist unwirksam.3154) Achter Abschnitt: Dienstbarkeiten § 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten I.

„Brauereigebundenheit“ der Absatzstätte

2.2538 Bei manchen Getränkelieferanten ist die Vorstellung anzutreffen, die „Brauereigebundenheit“ der Absatzstätte laste gewissermaßen „objektbezogen“ und „verdinglicht“ auf dem Gaststättengrundstück selbst und gehe bei einer Verpachtung auf den Pächter über. Davon kann keine Rede sein. Als schuldrechtliche Verpflichtung trifft die Getränkebezugspflicht grundsätzlich allein den Partner des Bezugsvertrages mit dem Getränkelieferanten.3155) Sie ist wie die Konzession subjektgebunden. Die Ausschließlichkeitsbindung findet mit Veräußerung des Objektes ihr Ende.3156) Selbst wenn der Gebundene (Gastwirt, Grundstückseigentümer) sich verpflichtet hat, die Bezugsverpflichtung bei einer Verpachtung oder einem Verkauf des Anwesens seinem Nachfolger aufzuerlegen, er___________ 3151) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.1988 – 10 U 177/87, NJW-RR 1988, 1424. 3152) BGH, Urt. v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664. = ZIP 1988, 1197. 3153) LG Münster, Urt. v. 1.7.2016 – 23 O. 34/16, BeckRS 2016, 16250. 3154) BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, NJW 1985, 57. 3155) BGH, Urt. v. 3.6.1987 – VIII ZR 158/86, NJW-RR 1988, 199 = Zeller IV, 157; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 3156) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

noch – nicht erteilt, weil der Vermieter die hierfür aus bauordnungsrechtlicher Sicht erforderlichen Voraussetzungen nicht geschaffen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Konzession zwar nicht endgültig versagt worden ist, dem Mieter aber der zeitlich nicht absehbare Schwebezustand nicht zumutbar ist.3151) Eine Klausel in einem Formularvertrag über die Vermietung einer Gaststätte, der Mieter habe die für den Betrieb des Mietobjektes erforderliche behördliche Erlaubnis auf seine Kosten und sein Risiko beizubringen, ist wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB nichtig.3152) 2.2536 d) Pächtersuche. Wenn der Verpächter nach Eintritt der Kündigungsvoraussetzungen nach anderweitigen Pachtinteressenten Ausschau hält, nimmt er damit lediglich seine Rechte wahr und verletzt dadurch keine Pflichten des Pächters aus dem Pachtvertrag. Dies gilt auch dann, wenn er die Kündigung selbst noch nicht ausgesprochen hat.3153) 10.

Vertragsstrafe

2.2537 Eine Formularklausel, in der sich der Verpächter auch für den Fall, dass das Pachtverhältnis auf Wunsch des Pächters vorzeitig einvernehmlich beendet wird, eine Vertragsstrafe versprechen lässt, ist unwirksam.3154) Achter Abschnitt: Dienstbarkeiten § 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten I.

„Brauereigebundenheit“ der Absatzstätte

2.2538 Bei manchen Getränkelieferanten ist die Vorstellung anzutreffen, die „Brauereigebundenheit“ der Absatzstätte laste gewissermaßen „objektbezogen“ und „verdinglicht“ auf dem Gaststättengrundstück selbst und gehe bei einer Verpachtung auf den Pächter über. Davon kann keine Rede sein. Als schuldrechtliche Verpflichtung trifft die Getränkebezugspflicht grundsätzlich allein den Partner des Bezugsvertrages mit dem Getränkelieferanten.3155) Sie ist wie die Konzession subjektgebunden. Die Ausschließlichkeitsbindung findet mit Veräußerung des Objektes ihr Ende.3156) Selbst wenn der Gebundene (Gastwirt, Grundstückseigentümer) sich verpflichtet hat, die Bezugsverpflichtung bei einer Verpachtung oder einem Verkauf des Anwesens seinem Nachfolger aufzuerlegen, er___________ 3151) OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.6.1988 – 10 U 177/87, NJW-RR 1988, 1424. 3152) BGH, Urt. v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664. = ZIP 1988, 1197. 3153) LG Münster, Urt. v. 1.7.2016 – 23 O. 34/16, BeckRS 2016, 16250. 3154) BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, NJW 1985, 57. 3155) BGH, Urt. v. 3.6.1987 – VIII ZR 158/86, NJW-RR 1988, 199 = Zeller IV, 157; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917. 3156) OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/01.

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II. Inhaltliche Zulässigkeit

wachsen dem Getränkelieferanten Rechte daraus nur ihm – nicht dem Nachfolger – gegenüber, wenn er es versäumt, die Bezugsverpflichtung durch Vereinbarung an den Nachfolger weiterzugeben.3157) II.

Inhaltliche Zulässigkeit

1.

Einigung

a) Fallgruppen. Die dingliche Einigung (§ 873 Abs. 1 Fall 2 BGB) muss bezogen 2.2539 auf die zur Entstehung gelangende Dienstbarkeit einen zulässigen und notwendigen Inhalt haben. Dienstbarkeiten sind nach den drei in § 1018 BGB abschließend (Typenzwang) genannten Alternativen nur möglich als Benutzungsdienstbarkeit, als Unterlassungsdienstbarkeit und als Ausschlussdienstbarkeit. Im Vordergrund der Betrachtung stehen hier die erste und insbesondere die zweite Alternative. b) Verstoß. Bei einem Verstoß gegen die §§ 1018, 1019 BGB ist das eingetra- 2.2540 gene Recht gem. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen. 2.

Benutzungsdienstbarkeiten

a) Inhalt. Benutzungsdienstbarkeiten (§ 1018 Fall 1 BGB) können mit der Be- 2.2541 fugnis zur Benutzung des Grundstücks in einzelnen Beziehungen begründet werden. Zu nennen ist das alleinige Recht, eine Gaststätte selbst zu betreiben oder durch Dritte betreiben zu lassen,3158) oder das Recht, auf dem belasteten Grundstück Biersorten jeder Art zu vertreiben.3159) b) Zulässigkeit. Zulässigkeitsbedenken bestehen nicht.3160) 3.

2.2542

Unterlassungsdienstbarkeiten

a) Inhalt. Nach § 1018 Fall 2 BGB kann ein Grundstück in der Weise belastet 2.2543 werden, dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen, die nach dem Bestimmtheitsgrundsatz genau zu bezeichnen sind, nicht vorgenommen werden dürfen, die der Grundstückseigentümer sonst Kraft seines Eigentums vornehmen dürfte. Diese Fälle werden als „Unterlassungsdienstbarkeit“ oder „Ver___________ 3157) BGH, Urt. v. 3.6.1987 – VIII ZR 158/86, NJW-RR 1988, 199 = Zeller IV, 157. 3158) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179. Auf dem herrschenden Grundstück befindet sich eine Brauerei und das dort hergestellte Bier wird in einer auf dem dienenden Grundstück betriebenen Gaststätte vertrieben. 3159) BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912. 3160) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912.

735

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

botsdienstbarkeit“ bezeichnet. Sie betreffen häufig die Ausübung eines Gewerbes oder allgemeiner die unternehmerische Betätigung auf dem dienenden Grundstück. 2.2544 b) Zulässigkeit. Die Ausübung einer bestimmten Unternehmenstätigkeit lässt sich ohne weiteres unter den Begriff der „gewissen Handlungen“ i. S. d. § 1018 Fall 2 BGB fassen und die unternehmerische Betätigung findet auch „auf dem Grundstück“ statt. Anders als bei Vertriebs- und Bezugsregelungen geht es hier nicht um das „Wie“ der unternehmerischen Betätigung, sondern um die vorgelagerte Frage, „ob“ eine bestimmte Form der Nutzung des Grundstücks zulässig ist. Inhalt einer Dienstbarkeit können damit auch Unterlassungen sein, die auf die Verhinderung eines unbequemen Wettbewerbs abzielen.3161) 4.

Weitere Inhaltsschranken

2.2545 a) Positives Handeln. Die Verpflichtung zu einem positiven Handeln kann nicht Hauptinhalt einer Dienstbarkeit sein (arg. e § 1105 BGB).3162) So verpflichtet eine Grunddienstbarkeit, die dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks das alleinige Recht zum Betrieb einer Gaststätte in bestimmten Räumen eines auf dem dienenden Grundstück befindlichen Gebäudes gibt, nicht dazu, nach einer Zerstörung des Gebäudes dieses wieder so zu errichten, dass in den Räumen eine Gaststätte betrieben werden kann.3163) Bei beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten können Bezugspflichten des Eigentümers, etwa zur Abnahme von ___________ 3161) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 6.12.1961 – V ZR 186/60, NJW 1962, 486 = Zeller I, 340 (Verbot, auf dem dienenden Grundstück eine Verkaufsstelle für Bier in Flaschen zu errichten oder zu betreiben, einschließlich des erkaufs von Flaschenbier im Rahmen eines erlaubten Lebensmittelgeschäfts); BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179 (alleiniges Recht, Brauereierzeugnisse und alkoholfreie Erzeugnisse jeder Art zu vertreiben oder durch Dritte vertreiben zu lassen, sowie eine Gastwirtschaft mit den dazugehörigen Anlagen und Einrichtungen zu betreiben mit der Befugnis, diese auch von einem Dritten betreiben zu lassen); BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 24.9.1982 – V ZR 96/81, NJW 1983, 115; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; BayObLG, Beschl. v. 7.8.1985 – BReg 2 Z 139/84, BayObLGZ 1985, 290; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.4.1986 – 6 U 240/85, NJW 1986, 3212; BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3162) So für Grunddienstbarkeiten BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 24.2.1977 – 6 U (Kart) 75/76, WRP 1997, 342; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.12.2012 – 24 U 25/12, BeckRS 2013, 05523. 3163) BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179.

736

II. Inhaltliche Zulässigkeit

Getränken, nicht zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht werden.3164) Leistungspflichten des Eigentümers des dienenden Grundstücks können lediglich Nebenbestandteil der Dienstbarkeit sein (arg. e §§ 1020 Satz 2 und 1021 Abs. 1 Satz 1 BGB). b) Beschränkung der Verpflichtungs- und Verfügungsfreiheit. In Ergän- 2.2546 zung zu den sich aus den §§ 1018, 1019 BGB ergebenden Zulässigkeitsschranken nimmt die h. M. dem Verständnis der Dienstbarkeit als Abspaltung vom Eigentumsrecht i. S. d. § 903 BGB folgend im Wege einer teleologischen Reduktion des § 1018 BGB zusätzliche Inhaltsschranken an. So entspricht es dem Wesen der Dienstbarkeit ([§ 1090 Abs. 1 i. V. m.] § 1018 Fall 2 BGB), dass sie nur die Beschränkung der Eigentümerbefugnisse zum tatsächlichen Gebrauch des belasteten Grundstücks, nicht dagegen eine Einschränkung der rechtsgeschäftlichen Verpflichtungs- und vor allem der Verfügungsfreiheit des Grundeigentümers zum Inhalt haben kann, wohl diese aber nach sich ziehen können.3165) 5.

Konsequenzen für Gewerbebetriebsbeschränkungen

a) Bezugsbindung. Vertragliche Regelungen, die den Grundeigentümer zum 2.2547 Bezug bestimmter Waren, verpflichten, können daher zum einen deshalb nicht durch Dienstbarkeiten dinglich abgesichert werden. weil positive Leistungen des Grundstückseigentümers nicht Hauptinhalt einer Dienstbarkeit sein können.3166) Zum anderen kann eine Verpflichtung eines Grundstückseigentümers, auf dem Grundstück keine anderen Waren als die eines bestimmten Herstellers oder Lieferanten zu vertreiben, auch deshalb nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit sein, weil das Recht zur freien Auswahl des Warenlieferanten kein Ausfluss des Eigentumsrechts am Grundstück ist. Zwangs- und Bannrechte, also die aus dem Eigentum folgende Befugnis, insbesondere innerhalb eines bestimmten Bezirks von den dort Ansässigen verlangen zu können, dass sie bestimmte Bedürfnisse ausschließlich bei dem Berechtigten befriedigen, insbesondere bestimmte Güter allein bei diesem anschaffen, sind untersagt. Unzu___________ 3164) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912. 3165) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BayObLG, Beschl. v. 1.9.1953 – BReg. 2 Z 119/53, BayObLGZ 1953, 295; BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3166) Siehe oben § 36 II 4 a m. w. N.

737

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

lässig sind daher Dienstbarkeiten, wonach der Belastete kein anderes Bier verkaufen darf als solches einer bestimmten Brauerei.3167) 2.2548 b) Gewerbebetriebsverbot. Zulässiger Inhalt einer Dienstbarkeit ist es, dass sich der Eigentümer verpflichtet, auf seinem Grundstück überhaupt keinen Gewerbebetrieb zu errichten oder ein bestimmtes Gewerbe nicht auszuüben, weil es insoweit um die Befugnis des Eigentümers geht, mit seiner Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB).3168) 2.2549 c) Benutzungsdienstbarkeit mit Ausschließlichkeitsregelung. Ergibt die Auslegung der Dienstbarkeit auf der Grundlage der Grundbucheintragung und der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, dass dem Getränkelieferanten das ausschließliche Recht zustehen soll, auf dem belasteten Grundstück Biersorten jeder Art zu vertreiben oder vertreiben zu lassen, so bedingt dieses Recht zwar als Kehrseite das entsprechende Vertriebsverbot für andere (§§ 1090 Abs. 2, 1027, 1004 BGB). Derartige Dienstbarkeiten sind aber zulässig.3169) 2.2550 d) Art und Weise der Gewerbetätigkeit. Schwieriger ist die Abgrenzung in Fällen, in denen nicht die Ausübung eines bestimmten Gewerbes insgesamt, sondern – mehr oder weniger konkret – die Art und Weise der Gewerbetätigkeit näher geregelt wird. Der Übergang kann hierbei fließend sein und von mehreren Warengattungen bis hin zu sehr konkreten Vertriebsvorgaben reichen. Zu denken ist an das allgemeine Verbot des Verkaufs von Getränken3170) ___________ 3167) BayObLG, Beschl. v. 14.11.1952 – BReg. 2 Z 165/52, BayObLG 1952, 287; BayObLG, Beschl. v. 1.9.1953 – BReg. 2 Z 119/53, BayObLGZ 1953, 295; OLG München, Urt. v. 7.8.1979 – 17 U 1157/79, BeckRS 1979, 31158548. 3168) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 24.9.1982 – V ZR 96/81, NJW 1983, 115; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.4.1986 – 6 U 240/85, NJW 1986, 3212; BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJWRR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3169) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 6.12.1961 – V ZR 186/60, NJW 1962, 486; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 5.10.1979 – V ZR 178/78, NJW 1980, 179; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJWRR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3170) OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504.

738

III. Entstehung

bis hin zu einem Verbot des Verkaufs von einzelnen Produkten wie Bier,3171) Flaschenbier3172) oder Weißbier.3173) III.

Entstehung

1.

Bestimmtheitsgrundsatz

a) Grundlagen. Schon nach allgemeinen Grundsätzen muss sich die sachen- 2.2551 rechtliche Zuordnung eines Rechts auf einen bestimmten, nicht nur auf einen bestimmbaren Gegenstand beziehen. Bei der Grunddienstbarkeit haben die Parteien zudem den Inhalt des Rechts festzulegen und zu bestimmen, in welcher Beziehung die Benutzung des Grundstücks erfolgen darf, welche Handlungen zu unterlassen sind und inwieweit die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen bleibt (§ 1018 BGB). Zur näheren Bezeichnung kann gem. § 874 BGB auf die Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden.3174) Lagepläne und Skizzen können (und müssen) formgerecht (§ 9 Abs. 1 Satz 3 BeurkG) zum Inhalt der Bewilligung gemacht werden. Der Rechtsinhalt einer Dienstbarkeit ist so genau zu bezeichnen, dass er durch Auslegung feststellbar ist. b) Auslegung. Maßgebend sind Wortlaut und Sinn, wie er sich aus Eintragungs- 2.2552 vermerk und Eintragungsbewilligung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt.3175) Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen nur herangezogen werden, soweit sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. c) Verstoß. Ergibt die Auslegung, dass der Inhalt der Grundbucheintragung 2.2553 mehrdeutig oder nicht vollständig ist, liegt eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes vor. Letzteres ist dagegen nicht schon anzunehmen, wenn die Beteiligten unterschiedlicher Auffassung über den Inhalt des Rechts sind.3176) 2.

Berechtigter

Dienstbarkeiten begründen ein subjektiv-dingliches Recht einer Person in Be- 2.2554 zug auf eine unbewegliche Sache. Die Grunddienstbarkeit (§§ 1018 – 1029 BGB) berechtigt den (jeweiligen) Eigentümer eines bestimmten Grundstücks (herrschendes Grundstück) oder grundstücksgleichen Rechts. Die beschränkte per-

___________ 3171) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283. 3172) BGH, Urt. v. 6.12.1961 – V ZR 186/60, NJW 1962, 486; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147. 3173) BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912. 3174) BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208. 3175) OLG München, Beschl. v. 10.3.2012 – 34 Wx 55/11, NJW-RR 2011, 1441. 3176) BGH, Beschl. v. 6.11.2014 – V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208.

739

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

sönliche Dienstbarkeit (§§ 1090 – 1093 BGB) berechtigt dagegen eine individuell bestimmte natürliche oder juristische dritte Person.3177) 3.

Eintragung

2.2555 a) Belastungsgegenstand. Dienstbarkeiten sind grundstücksbezogene Rechte. Sie können nur an einem Grundstück oder an einem grundstücksgleichen Recht bestehen. Die Eintragung hat auf dem Grundbuchblatt des dienenden Grundstücks in Abteilung II zu erfolgen (§ 10 GBV). Der räumliche Belastungsumfang ergibt sich aus den angegebenen Flurstücknummern. 2.2556 b) Geltendmachung von Einwänden. Das Grundbucheintragungsverfahren wird vom Grundsatz der einseitigen Bewilligung (§ 19 GBO, formelles Konsensprinzip) beherrscht. Das Grundbuchamt hat daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob das zur Bestellung des dinglichen Rechts erforderliche materiellrechtliche Rechtsgeschäft (Einigung) rechtswirksam zustande gekommen ist. Zwar ist das Grundbuchamt auch verpflichtet, das Grundbuch möglichst mit der wirklichen Rechtslage in Einklang zu halten, damit dieses seinen Zweck erfüllen kann. Es ist deshalb gehalten, nicht dabei mitzuwirken, das Grundbuch durch eine (beantragte und bewilligte) Eintragung unrichtig zu machen. Dazu bedarf es aber feststehender Tatsachen. Zweifel an einer rechtswirksamen Begründung genügen nicht. Maßgeblich sind die vorgelegten Unterlagen und die sonst bekannten Umstände. Zu weiteren Ermittlungen ist das Grundbuchamt im Grundbucheintragungsverfahren weder berechtigt noch verpflichtet.3178) 4.

Eigentümerdienstbarkeit

2.2557 a) Zulässigkeit. § 889 BGB macht deutlich, dass dem Gesetz ein Ausschluss des Bestehens dinglicher Rechte an eigenen Grundstücken nicht fremd ist. Auch steht das in § 873 BGB aufgestellte Erfordernis einer Einigung zwischen zwei Personen der Bestellung einer Eigentümerdienstbarkeit nicht entgegen. Die Bestellung von Eigentümerdienstbarkeiten ist daher zulässig.3179) Analog § 1196 BGB tritt bei Eigentümerdienstbarkeiten an die Stelle der Einigung die einseitige Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt.3180) Eine Grunddienstbarkeit ist folglich auch nicht schon deshalb unwirksam, weil sie von einer Rechtsvorgängerin der Klägerin am eigenen Grundstück bestellt worden ist.3181) ___________ 3177) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787 (Getränkefachgroßhändler). 3178) BayObLG, Urt. v. 7.5.1981 – BReg 2 Z 104/80, MDR 1981, 759 = Zeller II, 293. 3179) BGH, Urt. v. 8.3.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362; OLG München, Beschl. v. 30.9.2011 – 34 Wx 328/11, BeckRS 2011, 24268. 3180) BGH, Urt. v. 11.3.1964 – V ZR 78/62, BGHZ 41, 209 = NJW 1964, 1226. 3181) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126.

740

III. Entstehung

b) Eintragungsinteresse. Nach früher h. M. war die Bestellung einer Eigentü- 2.2558 mergrunddienstbarkeit nur zulässig, wenn sie mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Übertragung des Eigentums an dem belasteten Grundstück geschieht und aus diesem Grunde ein wirtschaftliches oder ideelles Bedürfnis besteht.3182) Ein anerkennenswertes Veräußerungsinteresse wurde auch dann anerkannt, wenn der Eigentümer mit der Bestellung der Dienstbarkeit die Absicht verfolgt haben sollte, für den Fall einer Veräußerung des belasteten Grundstücks das dingliche Recht als Druckmittel zum Abschluss eines Bezugsvertrages einzusetzen.3183) Aktuell sieht der BGH unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Position ein berechtigtes Interesse nicht mehr als materiell-rechtliches Erfordernis an. Er lässt es genügen, wenn die bloße Möglichkeit eines solchen Interesses besteht. Der Nachweis eines solchen Interesses ist nicht erforderlich.3184) 5.

Übertragbarkeit

a) Grunddienstbarkeit. Eine Grunddienstbarkeit ist als solche weder sonder- 2.2559 rechtsfähig noch eigenständig verkehrsfähig. Daher folgt sie den Verfügungen an dem herrschenden Grundstück und geht bei einem Eigentumswechsel auf den Neueigentümer über.3185) Dies folgt dies aus der Bindung der Dienstbarkeit an das Eigentum des herrschenden Grundstücks. Die Grunddienstbarkeit gilt als wesentlicher Bestandteil des herrschenden Grundstücks, ist untrennbar von herrschendem und dienendem Grundstück und kann nur zusammen mit dem herrschenden Grundstück übertragen werden (§§ 93, 96, 873, 925 BGB).3186) b) Beschränkte persönliche Dienstbarkeit. Eine beschränkte persönliche Dienst- 2.2560 barkeit ist ebenfalls grundsätzlich nicht übertragbar (§ 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB mit Ausnahme der in § 1092 Abs. 2 (für juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften) und in Abs. 3 BGB genannten Fälle. Die fehlende Übertragbarkeit folgt aus der Gebundenheit des dinglichen Rechts an die berechtigte Person. Diese Vorschrift ist zwingendes Recht. Diese Dienstbarkeit ist auf das persönliche Bedürfnis des Berechtigten zugeschnitten und an eine bestimmte Person gebunden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Versprechensempfänger und Begünstigter identisch sind.3187) ___________ 3182) BGH, Urt. v. 11.3.1964 – V ZR 78/62, BGHZ 41, 209 = NJW 1964, 1226; BGH, Urt. v. 8.3.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3183) BGH, Urt. v. 8.3.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362. 3184) BGH, Urt. v. 14.7.2011 – V ZB 271/00, BGHZ 190, 267 = NJW 2011, 3157; OLG München, Beschl. v. 30.9.2011 – 34 Wx 328/11, BeckRS 2011, 24268. 3185) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3186) BGH, Urt. v. 17.2.2012 – V ZR 102/11, BGHZ 192, 335 = NJW-RR 2012, 845. 3187) BGH, Urt. v. 30.10.2009 – V ZR 42/09, NJW 2010, 1074.

741

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

2.2561 Daraus folgt, dass der schuldrechtliche Anspruch auf Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (Einräumungsanspruch) grundsätzlich nicht an einem Dritten abgetreten werden kann Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Grundstückseigentümer durch unechten Vertrag zugunsten Dritter gegenüber dem Versprechensempfänger verpflichtet hat, die Dienstbarkeit für einen Dritten zu bestellen, und die Abtretungsmöglichkeit schuldrechtlich vereinbart wurde.3188) IV.

Grunddienstbarkeiten

1.

Abgrenzung

2.2562 Grunddienstbarkeiten unterscheiden sich von der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit wie folgt: 2.2563 a) Vorteil. § 1019 BGB verlangt für die Grunddienstbarkeit einen Vorteil „für die Benutzung des Grundstücks des Berechtigten“. Dies ist bei einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nicht notwendig. Im Zweifel bestimmt sich der Umfang der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten. 2.2564 b) Erlöschen. Aufgrund ihrer Bindung an die Person des Berechtigten erlischt eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit spätestens mit dem Tod des Berechtigten (§ 1092 Abs. 1 Satz 1 BGB). Auch der Ausübungsberechtigte verliert damit alle ihm überlassenen Befugnisse. Demgegenüber kann eine Grunddienstbarkeit praktisch unbegrenzt („ewig“) bestehen, solange nur der Vorteil für die Benutzung des herrschenden Grundstücks weiterhin existiert. 2.2565 c) Umdeutung. Die Umdeutung einer Grunddienstbarkeit in eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit kann in Betracht kommen, wenn die Parteien eine bestimmte Person begünstigen wollen. Eine unter Verstoß gegen § 1019 Satz 1 BGB bestellte Grunddienstbarkeit kann jedoch dann nicht in eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit umgedeutet werden, wenn die Eintragung der Belastung im Grundbuch nicht zugunsten einer individuell bestimmten Person, sondern zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Grundstücks erfolgt ist.3189) Dieses Ergebnis kann nur durch Aufhebung der einen und Neubegründung der anderen Dienstbarkeit erreicht werden. 2.2566 Der umgekehrte Fall – Umdeutung der Einigung in Bezug auf eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit in eine Grunddienstbarkeit – ist zwar denkbar, setzt aber voraus, dass ein Vorteil für das herrschende Grundstück vorliegt (§ 1019 BGB). Sie wird daher regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn die Dienstbarkeit nur einen persönlichen Vorteil mit sich bringt. ___________ 3188) OLG Nürnberg, Beschl. v. 29.1.2016 – 15 W 1608/15, BeckRS 2016, 94608. 3189) OLG München, Urt. v. 9.8.1957 – 8 U 2009/56, NJW 1957, 1765; OLG München, Urt. v. 26.6.1983 – 25 U 5210/82, MDR 1983, 934; OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047.

742

IV. Grunddienstbarkeiten

2.

Vorteil

a) Objektive Nützlichkeit. Grunddienstbarkeiten sind nur dann zulässig, wenn 2.2567 neben den Voraussetzungen des § 1018 BGB auch die Vorgaben des § 1019 BGB erfüllt sind. Nach § 1019 Satz 1 BGB kann die Grunddienstbarkeit nur in einer Belastung bestehen, die dem jeweiligen Eigentümer im Hinblick auf die vereinbarte Benutzung des herrschenden Grundstücks einen Vorteil vermittelt. Ein rein persönlicher Vorteil bzw. Nutzen für den Gewerbebetrieb des Eigentümers des herrschenden Grundstücks genügt nicht. Maßgeblich ist vielmehr die objektive Nützlichkeit des Grundstücks, wobei diese nach dessen Lage, Beschaffenheit oder Zweckbestimmung zu beurteilen ist.3190) Der Vorteil muss gerade für die Benutzung des herrschenden Grundstücks bestehen, sich also gerade aus der allgemeinen Grundstückssituation in Verbindung mit dem in der Grunddienstbarkeitsbestellung verfolgten Zweck ergeben. Auch eine Grunddienstbarkeit, die einem Gewerbebetrieb, etwa einer Brauerei, dient, kann bei entsprechender Zweckbestimmung des herrschenden Grundstücks diesem selbst einen Vorteil gewähren. b) Künftige Vorteile. Im Rahmen des § 1019 Satz 1 BGB ist anerkannt, dass 2.2568 nach Veränderung der gegenwärtigen Verhältnisse auch künftige Vorteile genügen. Nicht hinreichend ist aber eine nur vage bzw. abstrakte Möglichkeit. Vielmehr genügen nur solche Vorteile, mit denen nach objektiven Anhaltspunkten in einem normalen und regelmäßigen Verlauf der Dinge gerechnet werden kann.3191) Auch für künftige Zwecke kann daher eine Grunddienstbarkeit bestellt werden. Es reicht aus, wenn auf dem herrschenden Grundstück ein Gewerbebetrieb erst errichtet und dadurch erst in Zukunft die objektive Grundlage geschaffen werden soll, um die Grunddienstbarkeit ausüben zu können. Dies ändert aber nichts an der Notwendigkeit, dass das herrschende Grundstück für das Gewerbe besonders eingerichtet sein muss oder im Falle der Bestellung für künftige Zwecke wenigstens die Absicht besteht.3192) c) Räumliche Nähe. Eine unmittelbare Nachbarschaft (räumliche Nähe) zwi- 2.2569 schen herrschendem und dienendem Grundstück ist nicht notwendig. Das Verbot, auf dem dienenden Grundstück eine Gastwirtschaft zu betreiben, Bier und andere Getränke auszuschenken und zu vertreiben, ist nach Ansicht des OLG München jedoch nicht geeignet, einen eingerichteten Brauereibetrieb zu fördern oder den Charakter dieses Grundstücks hinsichtlich seiner Lage oder

___________ 3190) BGH, Urt. v. 17.3.1967 – V ZR 67/64, NJW 1967, 1366; BGH, Urt. v. 24.9.1982 – V ZR 96/81, NJW 1983, 115; OLG München, Urt. v. 9.8.1957 – 8 U 2009/56, NJW 1957, 1765; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3191) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3192) OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047.

743

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

Zweckbestimmung zu erhalten, wenn die Entfernung zwischen den beiden Grundstücken 17 km beträgt (zw.).3193) 2.2570 d) Besondere Einrichtung. Soll die Grunddienstbarkeit einem Gewerbebetrieb dienen, so wird verlangt, dass das herrschende Grundstück für dieses Gewerbe besonders eingerichtet ist oder zumindest eingerichtet werden soll und diese Einrichtung auf Dauer eine Gewähr für die Beibehaltung des Betriebs bildet.3194) Nur dann, wenn ein zu schützender Gewerbebetrieb durch eine besondere Einrichtung auf Dauer mit dem herrschenden Grundstück verknüpft ist und diesem dadurch seine Eigenart bzw. seinen Charakter oder sein Gepräge verleiht, werden der Annahme, dass die Belastung für das herrschende Grundstück von Vorteil ist, keine Bedenken entgegenstehen.3195) Das herrschende Grundstück muss daher für das Gewerbe, das auf dem dienenden Grundstück untersagt werden soll, speziell auf eine die Dauer des Betriebes garantierende Weise eingerichtet ist, wie z. B. mit einer entsprechenden Produktionsstätte. Allgemeine betriebliche Einrichtungen genügen nicht.3196) Dies gilt sowohl für Benutzungs- als auch für Unterlassungsdienstbarkeiten. 2.2571 e) Bezugsvertrag. Ein solcher Vorteil ergibt sich daraus, dass einerseits durch den Abschluss eines Bierbezugsvertrages der Absatz des gebrauten Biers gesichert werden kann und andererseits unerwünschte Konkurrenz auf dem Gaststättengrundstück durch den Verkauf konkurrierender Biermarken verhindert werden kann.3197) 2.2572 f) Auch eine Überlassung des Grundstücks an Nutzungsberechtigte steht nicht entgegen.3198) 2.2573 g) Fehlen eines Vorteils. Fehlt von Anfang an ein Vorteil und ist auch kein künftiger Vorteil für das herrschende Grundstück zu erwarten, dann kann eine Grunddienstbarkeit nicht wirksam entstehen. § 1019 BGB ist zwingendes Recht. Eine Grunddienstbarkeit ohne besonderen Vorteil des herrschenden Grundstücks

___________ 3193) OLG München, Urt. v. 7.8.1979 – 17 U 1157/79, BeckRS 1979, 31158548. 3194) BGH, Urt. v. 5.10.1965 – V ZR 73/63, BGHZ 44, 171 = NJW 1965, 2340; OLG München, Urt. v. 9.8.1957 – 8 U 2009/56, NJW 1957, 1765; OLG München, Urt. v. 26.6.1983 – 25 U 5210/82, MDR 1983, 934; OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3195) OLG München, Urt. v. 9.8.1957 – 8 U 2009/56, NJW 1957, 1765. 3196) OLG München, Urt. v. 9.8.1957 – 8 U 2009/56, NJW 1957, 1765; OLG München, Urt. v. 26.6.1983 – 25 U 5210/82, MDR 1983, 934 = Zeller III, 360; OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047. 3197) OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3198) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075.

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V. Verbotsdienstbarkeiten mit Erlaubnis-/Zustimmungsvorbehalt

ist von Anfang an nichtig oder wird später mit Aufgabe des Geschäftsbetriebes, auch einer Verlegung, unwirksam.3199) V.

Verbotsdienstbarkeiten mit Erlaubnis-/Zustimmungsvorbehalt

1.

Einführung

Bei Verbotsdienstbarkeiten und damit auch bei Gewerbebetriebsbeschränkun- 2.2574 gen handelt es sich um einen Anwendungsfall der Unterlassungsdienstbarkeit (§ 1018 Fall 2 BGB).3200) Diese kann sowohl als Sicherungs- als auch als isolierte Dienstbarkeit ausgestaltet sein.3201) Damit kann sie sich inhaltlich auch als Erzwingungsdienstbarkeit darstellen.3202) 2.

Inhaltliche Zulässigkeit

Ganz überwiegend wird zwar angenommen, dass Dienstbarkeiten nicht das Ver- 2.2575 bot enthalten dürfen, bloß andere Waren als die des Berechtigten, etwa Bier, auf dem Grundstück zu lagern und zu vertreiben.3203) Wohl aber hat der BGH – wenn auch nach anfänglichem Zögern3204) – eine Vertragsgestaltung für zulässig gehalten, nach der dem belasteten Grundeigentümer verboten wird, auf dem Gaststättengrundstück Getränke zu verkaufen, verbunden mit der schuldrechtlichen Gestattung, Getränke des Begünstigten zu vertreiben, solange er seiner Bezugspflicht diesem gegenüber nachkommt (sog. allgemeine „Verbotsdienstbarkeit“ mit Erlaubnisvorbehalt ([§ 1090 Abs. 1 i. V. m.] § 1018 Fall 2 BGB).3205) 3.

Begründung

Dies ergibt sich aus der Überlegung, dass ein Grundstückseigentümer ein ding- 2.2576 liches Recht mit zulässigem Inhalt bestellen kann und der daraus Berechtigte ihm gegenüber schuldrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen auf die Ausübung dieses Rechts verzichten kann. Überträgt man diese Überlegungen auf die Dienstbarkeiten, dann ist es zulässig, wenn der Berechtigte sich von vorn___________ 3199) OLG München, Urt. v. 26.6.1983 – 25 U 5210/82, MDR 1983, 934; OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047. 3200) Siehe oben § 36 II 3 a m. w. N. 3201) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch). 3202) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3203) Siehe oben § 36 II 5, insbesondere a, c und d, m. w. N. 3204) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351 (offen gelassen). 3205) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

herein vorbehält, die Verpflichtung des Eigentümers des dienenden Grundstücks, darauf bestimmte Waren, hier Bier und sonstige Getränke, zu vertreiben, nicht durchzusetzen und damit von seinem Recht keinen Gebrauch zu machen, soweit nur Waren des Berechtigten vertrieben wurden.3206) Ein Verbot, durch das dem Eigentümer untersagt wird, auf seinem Grundstück überhaupt Bier zu vertreiben, ist etwas anderes als die Bindung an einen bestimmten Hersteller oder Lieferanten. 2.2577 Dem steht auch nicht entgegen, dass der Belastete aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Bier und andere Getränke für seinen Betrieb von dem Berechtigten (einer Brauerei) beziehen muss und insoweit jedenfalls faktisch einem „Kontrahierungszwang“ ausgesetzt ist. Dieser Zwang beruht nicht auf der Dienstbarkeit, sondern auf den bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtungen. Die Bindung des Grundstückseigentümers ist notwendige Folge des Abstraktionsprinzips, die der Verpflichtete, wenn dies gewollt ist, durch Vereinbarung einer Bedingung oder Befristung bei der Dienstbarkeitsbestellung vermeiden kann.3207) Unerheblich ist damit, dass die vorliegende Form einer Dienstbarkeit mittelbar doch zu einer Beeinträchtigung des Rechts zur freien Lieferantenauswahl führen kann.3208) 2.2578 Die – in ihrer Kompliziertheit vielleicht nicht von vornherein verständliche – Konstruktion trägt dem Bestreben der Rechtsprechung Rechnung, grundsätzlich keine Dienstbarkeit zur Sicherung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Grundeigentümers zuzulassen. Im wirtschaftlichen Ergebnis wird dieses Ziel allerdings durch die Verknüpfung von dinglichem Verbot und schuldrechtlicher Gestattung doch erreicht.3209) 2.2579 Die Wirksamkeit der Grundstücksbelastung hängt nicht davon ab, ob der Eigentümer die im Falle eines Vertragsbruches durch eine Geltendmachung der sachenrechtlichen Unterlassungspflicht beruhenden Nachteile nur durch eine Wiederaufnahme des Getränkebezuges oder etwa auch durch eine Änderung der Grundstücksbenutzung vermeiden kann. Allein die Auffassung der h. M. führt auch zu sachgerechten Ergebnissen. Jede Pflicht zum Unterlassen führt ___________ 3206) BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147. 3207) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504. 3208) BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3209) BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164.

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V. Verbotsdienstbarkeiten mit Erlaubnis-/Zustimmungsvorbehalt

notwendigerweise zu einer mehr oder weniger starken Einengung des Spielraums des Verpflichteten. Die Grenze zur „formellen“ Unterlassungsdienstbarkeit, die „materiell“ ein positives Tun zum Gegenstand hat, dort ziehen zu wollen, wo dem Eigentümer des dienenden Grundstücks keine ausreichenden Entscheidungsmöglichkeiten mehr verbleiben und sein Tun – ob gewollt oder ungewollt – zwangsläufig in eine bestimmte Richtung gedrängt wird, brächte ganz erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich und wäre praktisch kaum durchführbar.3210) 4.

Scheingeschäft

Das wegen der Unmöglichkeit einer unmittelbaren dinglichen Sicherung der 2.2580 Bezugspflicht notwendige Ausweichen in die Unterlassungsdienstbarkeit ist auch dann ernstlich gewollt, wenn die umfassende dingliche Unterlassungspflicht durch schuldrechtliche Ausübungsregelungen wieder eingeschränkt wird.3211) Die Problematik des Scheingeschäftes (§ 117 Abs. 1 BGB) stellt sich im Übrigen 2.2581 auch deshalb nicht, weil der über die schuldrechtliche Vereinbarung hinausgehende dingliche Inhalt von den Parteien tatsächlich und nicht nur scheinbar gewollt ist.3212) Anders wäre zu entscheiden, wenn der Leistungsinhalt der Dienstbarkeit in einem positiven Tun läge. Dies wäre der Fall, wenn die Verbotsdienstbarkeit alle Brauereierzeugnisse außer denen der Brauerei beträfe. Hier würde in Wirklichkeit zu einem direkten Getränkebezug der Erzeugnisse der begünstigten Brauerei aufgefordert. Dann wäre der Tatbestand des Scheingeschäfts gegeben, weil mit dem Bezug einer bestimmten Marke etwas anderes vereinbart wäre als im Grundbuch mit dem Verbot anderer Biermarken stünde. Erfasst die Verbotsdienstbarkeit dagegen alle Brauereierzeugnisse ohne Ausnahme, so liegt eine zulässige Unterlassungsverpflichtung vor. Hintergrund dieser Differenzierung ist das Abstraktionsprinzip. Danach sind auf der dinglichen Ebene des Rechtsgeschäfts alle Getränke des Herstellers erfasst. Was ergänzend schuldrechtlich zwischen den Parteien vereinbart oder konkludent durch den Dienstbarkeitsberechtigten geduldet wird, betrifft das dingliche Rechtsgeschäft nicht. 5.

Kartellrecht

Dienstbarkeiten, die eine Verhinderung von Konkurrenz bezwecken, können 2.2582 kartellrechtliche Fragen aufwerfen. a) EU-Kartellrecht. aa) Eintragungszeitpunkt. Hinsichtlich der EU-kartell- 2.2583 rechtlichen Einwände (Art. 101 AEUV; Art. 5 Abs. 1 a VO Nr. 330/2010) wird ___________ 3210) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126. 3211) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126. 3212) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

insbesondere zu beachten sein, dass es auf die Rechtslage zur Zeit der Bestellung und Eintragung der streitgegenständlichen Dienstbarkeit ankommt. Eine Vielzahl von Dienstbarkeiten ist vor dem 1.7.1983 und damit unter Geltung der VO Nr. 67/67/EWG eingetragen worden. Damals waren Getränkebezugsverpflichtungen wie Alleinbezugsvereinbarungen im Übrigen vom Kartellverbot freigestellt.3213) Dies muss auch für Dienstbarkeiten gelten.3214) Da Dienstbarkeiten regelmäßig keine Getränkebezugsverpflichtungen enthalten, konnte die am 1.7.1983 in Kraft getretene VO Nr. 1984/83 den Bestand einer seit diesem Datum dinglich wirksam eingetragenen Dienstbarkeit nicht berühren.3215) 2.2584 bb) Im Übrigen. Zunächst ist zu fragen, ob die Vorschriften des europäischen Wettbewerbsrechts auch auf dingliche Rechtsgeschäfte anwendbar sind.3216) Die Frage, ob Dienstbarkeiten gegen Art. 101 AEUV verstoßen, kann zumeist offengelassen werden.3217) Im Übrigen dürften auch die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt sein.3218) 2.2585 b) Kartellverbot nach §§ 1, 2 GWB. aa) Tatbestand. Der gem. § 873 Abs. 1 BGB geschlossene und notariell beurkundete Vertrag über die Bestellung einer Dienstbarkeit stellt eine Vereinbarung i. S. v. § 1 GWB dar. Sowohl bei dem Berechtigten (Getränkelieferanten) als auch bei dem Verpflichteten muss es sich um einen Unternehmer i. S. d. § 1 GWB handeln. Letzteres ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn es sich um einen gewerblichen Vermieter von Gaststätten handelt.3219) Die Bestellung der Dienstbarkeit bewirkt eine Beschränkung des Wettbewerbs, weil nicht nur der dinglich Verpflichtete, sondern jeder Betreiber, insbesondere Pächter einer Gaststätte an das Vertriebsgebot gebunden und darin gehindert ist, Getränke bei Drittlieferanten einzukaufen.3220) 2.2586 bb) Nebenabrede. Zwar sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen mit § 1 GWB vereinbar, wenn sie als dessen notwendige Nebenabrede erforderlich sind, um den Hauptzweck des als solchen kartellrechtsneutralen Vertrags zu

___________ 3213) Siehe oben § 27 III 1 m. w. N. 3214) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3215) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3216) Verneinend u. a. BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3217) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 3218) OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98. Siehe oben § 27 IV 2 m. w. N. 3219) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. Siehe oben § 28 II 6 a und b sowie III 3 b, jeweils m. w. N. 3220) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

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VI. Sicherungsdienstbarkeiten

verwirklichen.3221) Bei der Bestellung der Dienstbarkeit handelt es sich aber nicht um eine kartellrechtlich unbedenkliche notwendige Nebenabrede zum Getränkebezugsvertrag. Die Frage, ob eine Getränkebezugsverpflichtung eine notwendige Nebenabrede zu dem zwischen dem Getränkelieferanten und dem Verpächter geschlossenen Getränkelieferungsvertrag ist, weil sie der Rückzahlung des gewährten Darlehens dient, kann ggf. dahinstehen. Jedenfalls geht die Dienstbarkeit über das notwendige Maß hinaus, weil sie jeden Pächter der Gaststätte unabhängig davon trifft, ob er zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet ist oder nicht.3222) Allerdings scheiterte ein Verstoß gegen das Kartellverbot des § 1 GWB daran, dass eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs nicht festgestellt werden konnte. Im Rahmen der hierzu erforderlichen Gesamtwürdigung der Vereinbarung sind sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien zu berücksichtigen. Hierzu fehlte es im streitgegenständlichen Fall an jeglichem Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.3223) cc) Durchgriff. Der BGH hat es offen gelassen, ob die Wertungen des Kartell- 2.2587 rechts einen „Durchgriff“ auf das dingliche Geschäft verlangen.3224) 6.

Wirksamkeit im Übrigen

Auch darüber hinaus sind keine Nichtigkeitsgründe ersichtlich.3225) VI.

Sicherungsdienstbarkeiten

1.

Begriff

2.2588

Bei Sicherungsdienstbarkeiten wird eine weit reichende dingliche Berechtigung aus 2.2589 der Dienstbarkeit durch eine schuldrechtliche Abrede wieder eingeschränkt. Verpflichtung und Verfügung sind zwar formal gesehen rechtlich selbstständig. Die Abreden sind aber aufgrund des mit der Dienstbarkeit verfolgten wirtschaftlichen Zwecks besonders eng miteinander verbunden. Für eine Sicherungsdienstbarkeit ist typisch, dass sie eine schuldrechtliche Vereinbarung sichern soll.3226) ___________ 3221) BGH, Beschl. v. 31.5.2012 – I ZR 198/11, BeckRS 2012, 16974; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3222) BGH, Beschl. v. 31.5.2012 – I ZR 198/11, BeckRS 2012, 16974; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3223) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3224) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 3225) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374. 3226) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283, BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

2.

Vorteile

2.2590 Die Sicherungsdienstbarkeit ermöglicht eine praxisnähere und differenziertere inhaltliche Ausgestaltung als dies auf Grundlage der Regelung des § 1018 BGB möglich wäre. Sie unterliegt auch nicht der Publizität des Grundbuchs. Hinzu kommt, dass Störungen auf schuldrechtlicher Ebene des Getränkelieferungsvertrages nicht automatisch die Sicherungswirkung beeinträchtigen. Letzteres begründet aber möglicherweise Angriffspunkte gegen die Sicherungsdienstbarkeit. 3.

Auslegung

2.2591 Ob eine Dienstbarkeit als Sicherungsdienstbarkeit bestellt ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Zwar reicht es aus, dass sich der Sicherungscharakter konkludent aus den Umständen ergibt. Nach h. M. besteht aber weder eine Vermutung zugunsten eines sicherungsrechtlichen Erwerbs noch lässt sich i. d. R. eine stillschweigende Sicherungsabrede aus Sinn und Zweck der Bestellungsvereinbarung herleiten.3227) 4.

Zulässigkeit

2.2592 a) Grundsatz. Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Form der Dienstbarkeit bestehen grundsätzlich nicht.3228) Dabei werden folgende Sicherungszwecke für zulässig erachtet: x

Die Dienstbarkeit kann der Absicherung der Bezugsverpflichtung aus einem oder mehreren Getränkebezugsverträgen dienen.3229)

x

Die Dienstbarkeit kann kumulativ und alternativ dem Zweck dienen, Druck auf den Rechtsnachfolger des Sicherungsgebers auszuüben, einen Getränkelieferungsvertrag abzuschließen.3230)

x

Schließlich kann eine Sicherungsdienstbarkeit ferner, sei es alternativ, sei es kumulativ, den Zweck haben, eine unerwünschte Konkurrenz auf dem Gaststättengrundstück zu verhindern, falls der Getränkelieferant nicht mehr dessen Eigentümer ist.3231)

___________ 3227) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 3228) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302. 3229) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90. 3230) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302. 3231) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182.

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VI. Sicherungsdienstbarkeiten

b) Scheingeschäft. Bei der Sicherungsdienstbarkeit handelt es sich auch nicht 2.2593 um ein Scheingeschäft. Der über die schuldrechtliche Vereinbarung hinausgehende dingliche Inhalt ist nämlich von den Parteien tatsächlich und nicht nur scheinbar gewollt.3232) c) Im Übrigen. Sicherungsdienstbarkeiten verstoßen weder gegen § 138 Abs. 1 2.2594 BGB noch stellen sie eine unzulässige Gesetzesumgehung dar. Auch lassen sich keine durchgreifenden kartellrechtlichen Einwände begründen.3233) 5.

Unterscheidung

Die Sicherungsdienstbarkeit ähnelt einer Sicherungsgrundschuld, bei der der 2.2595 Darlehensvertrag über die Sicherungsvereinbarung mit der Grundschuld verbunden wird. Hier wird ein Getränkelieferungsvertrag wird durch eine Sicherungsabrede mit der Dienstbarkeit verbunden. Bei der Sicherungsdienstbarkeit lassen sich von der Dienstbarkeit als dinglichem Recht somit weitere Rechtsverhältnisse unterscheiden.3234) Abzugrenzen sind nämlich3235) die Dienstbarkeit, der Getränkelieferungsvertrag, aus dem sich die Verpflichtung zum Bezug der Getränke ergibt, und der Sicherungsvertrag, welcher die Dienstbarkeit und die Getränkebezugsverpflichtung verknüpft.3236) 6.

Sittenwidrige Laufzeit des Getränkelieferungsvertrages

a) Einführung. Ein vielfach nicht beachteter Wandel hat sich in der Recht- 2.2596 sprechung des BGH zu der Frage vollzogen, ob die Grundsätze über die zulässigen Höchstlaufzeiten von Getränkelieferungsverträgen den Bestand der sichernden Dienstbarkeit beeinflussen, auch wenn diese nicht im Wege einer auflösenden Bedingung (§ 158 BGB) oder Befristung (§§ 163, 158 Abs. 2 BGB) an die Dauer des Bezugsvertrages geknüpft ist. b) Ältere Rechtsprechung des V. Zivilsenats. In früheren Entscheidungen 2.2597 hatte der V. Zivilsenat des BGH darauf abgestellt, dass die Dienstbarkeit im Ergebnis der Sicherung einer schuldrechtlichen Getränkebezugspflicht diene und daher auch nicht weiter reichen könne als diese. Zeitlich unbegrenzte Dienstbarkeiten auf „immerwährende Zeit“ seien daher unwirksam (§ 138 Abs. 1 ___________ 3232) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3233) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3234) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593. 3235) Amann, DNotZ 1988, 578. 3236) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

BGB). Der Eigentümer sei nicht zur Bestellung einer zeitlich unbefristeten Dienstbarkeit verpflichtet, wenn die Getränkelieferungsverpflichtung zeitlich befristet ist. Zeitlich übermäßig lange Dienstbarkeiten seien nur mit einer Beschränkung auf die höchstzulässige schuldrechtliche Bezugsbindung eintragungsfähig bzw. nach § 139 BGB aufrechtzuerhalten.3237) 2.2598 Die Rechtsprechung zur Laufzeitbegrenzung für Getränkelieferungsverträge wurde damit auf eine damit zusammenhängende Sicherungsabrede auf Bestellung einer Dienstbarkeit übertragen.3238) Dies wurde vereinzelt so verstanden, dass die zeitlich begrenzte Bezugsverpflichtung nicht durch zeitlich unbeschränkte Dienstbarkeiten gesichert werden konnte. In diese Richtung ging auch noch die Entscheidung des BGH vom 29.1.1988, wo es heißt: „Sollte diese Sicherungsvereinbarung eine nach § 138 Abs. 1 BGB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BGH zum Getränkelieferungsvertrag zulässige Grenze in zeitlicher Hinsicht überschritten haben …, so käme weiter in Betracht, die Sicherungsabrede entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung auf eine zulässige Zeitdauer zurückzuführen, wenn dies dem tatsächlichen oder vermuteten Willen entspricht.“3239) 2.2599 c) Kritik. Diese Interpretation widersprach dem Abstraktionsprinzip.3240) Dieses führt gerade dazu, dass trotz Unwirksamkeit des Getränkelieferungsvertrages die Dienstbarkeit als dingliches Recht bestehen bleibt. Ähnlich wie bei der Grundschuld kann eine zeitlich unbegrenzte Dienstbarkeit auch zur Sicherung zeitlich befristeter Lieferverträge bestellt werden. Hierbei ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Löschung der Dienstbarkeit durch schuldrechtliche Rückgewähransprüche sichergestellt ist. 2.2600 d) Neuere Rechtsprechung des V. Zivilsenats. Eine Wende kündigte sich mit der Entscheidung vom 3.5.1985 an: Dort war zugunsten einer Brauerei eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit eingetragen, nach der sie „auf immerwährende Zeit“ das Recht haben sollte, auf dem belasteten Grundstück Getränke zu vertreiben oder vertreiben zu lassen; eine schuldrechtliche Bezugsverpflichtung hatte der Grundstückseigentümer aber nicht übernommen. Daraus schloss der BGH, dass dann die zeitlich unbeschränkte Geltungsdauer auch nicht zur Sittenwidrigkeit führe, weil eine Dienstbarkeit keinen zeitlichen Grenzen unterliege und es an der Bestellung zur Sicherung einer – zeitlich nur befristet zu___________ 3237) So der BGH zu beschränkt persönlichen Sicherungsdienstbarkeiten mit Laufzeiten von (mehr als) 20 Jahren: BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BayObLG, Urt. v. 7.5.1981 – BReg 2 Z 104/80, MDR 1981, 759 = Zeller II, 293. 3238) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283. 3239) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302. 3240) So auch BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182.

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VI. Sicherungsdienstbarkeiten

lässigen – Bezugsbindung gerade fehle.3241) Das war zwar sicherlich in sich „stimmig“, harmonierte aber nicht ganz mit den vorangegangenen Entscheidungen. In der Entscheidung vom 29.1.19883242) gab der V. Zivilsenat des BGH seine 2.2601 These von der Übertragbarkeit der Rechtsprechung über die zulässigen Höchstlaufzeiten von Getränkelieferungsverträgen auf den Bestand der sichernden Dienstbarkeiten auf. Lediglich in den Fallgruppen des Bedingungszusammenhangs und der Geschäftseinheit könne ausnahmsweise anders zu entscheiden sein. Die Bestellung einer Sicherungsdienstbarkeit kann, muss aber nicht mit einer (aufschiebenden oder auflösenden) Bedingung oder Befristung verbunden werden. Daher spricht nichts nicht gegen die Wirksamkeit einer unbefristeten Sicherungsdienstbarkeit zur Absicherung einer Getränkebezugsverpflichtung. Der V. Zivilsenat des BGH hat dann mit Urteil vom 8.4.1988 unter ausdrücklicher 2.2602 Abkehr von seinem Urteil vom 13.7.1979 erneut zu der Problematik Stellung genommen.3243) Er weist darauf hin, dass zwischen dem schuldrechtlichen Bezugsvertrag, der schuldrechtlichen Sicherungsabrede und der Dienstbarkeit unterschieden werden müsse, und stellt nunmehr die Abstraktheit der dinglichen Dienstbarkeitsbestellung stärker in den Vordergrund. Aus ihr folge, dass die Nichtigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) des der Dienstbarkeitsbestellung zugrunde liegenden Kausalgeschäfts nicht ohne Weiteres auch zur Nichtigkeit der abstrakten Dienstbarkeitsbestellung führe. Weiter ergebe sich aus ihr, dass eine unbedingte und unbefristete Dienstbarkeit unbedenklich auch bestellt werden könne, um damit eine noch abzuschließende Bezugsbindung abzusichern. Nur in Ausnahmefällen, dann nämlich, wenn die Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung liege, weil mit dem dinglichen Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt würden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet sei, treffe die Nichtigkeitsfolge auch das dingliche Geschäft. Ein schuldrechtlicher Anspruch auf Aufhebung der Dienstbarkeit komme allerdings in Betracht, wenn der Bezugsvertrag nach Ablauf seiner zulässigen Höchstlaufzeit unwirksam und der Getränkelieferant nach Erreichen des Sicherungszwecks – ähnlich wie bei einer Sicherungsgrundschuld – verpflichtet sei, die Dienstbarkeit an den Sicherungsgeber zurückzugewähren; das hänge von dem – vom Tatrichter durch Auslegung zu ermittelnden – Inhalt der Sicherungsvereinbarung ab.3244) e) Rechtsprechung insbesondere des VIII. Zivilsenats. Wohl bereits in einer 2.2603 Entscheidung vom 22.1.1975 hatte der VIII. Zivilsenat des BGH im Hinblick ___________ 3241) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch). 3242) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302. 3243) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182. 3244) BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

auf die Sicherungsfunktion der Eintragung einer Dienstbarkeit die in der Rechtsprechung entwickelten Laufzeitgrenzen nicht übertragen wollen.3245) Jedenfalls im Jahre 1992 hat er sich der geänderten Rechtsprechung des V. Zivilsenats angeschlossen.3246) 7.

Konsequenzen

2.2604 a) Grundsatz. Von der Wirksamkeit einer zugleich geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung (Getränkelieferungsvertrag, Sicherungsabrede) ist das dingliche Recht in seinem (Fort-)Bestand grundsätzlich unabhängig. Mängel des Getränkelieferungsvertrages schlagen im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip grundsätzlich nicht auf die wirksame Bestellung der Dienstbarkeit durch. Soweit nicht die Ausnahmetatbestände des Bedingungszusammenhangs, der Geschäftseinheit oder der Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung vorliegen, können sich Angriffspunkte gegen die Wirksamkeit der Dienstbarkeit allenfalls aus der Sicherungsabrede ergeben.3247) Jedoch bleibt es auch in diesem Fall dabei, dass eine Grunddienstbarkeit mit dem Wegfall des Vorteils erlischt. 2.2605 b) Ausnahmen. aa) Überblick. Ausnahmsweise kann die Bezugsvereinbarung als Bedingung Inhalt des dinglichen Rechts selbst geworden ist (§ 158 Abs. 2 BGB),3248) eine – nur höchst selten vorkommende – Geschäftseinheit zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Recht bestehen (§ 139 BGB)3249) oder die Sittenwidrigkeit gerade im Vollzug der Leistung liegen, weil mit dem dinglichen

___________ 3245) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 351; LG Bonn, Urt. v. 19.9.1975 – 4. O. 264/74. 3246) BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441. Aus der Instanzrechtsprechung u. a. OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3247) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3248) BGH, Urt. v. 13.7.1979 – V ZR 122/77, NJW 1979, 2149 = Zeller II, 287; BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3249) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. Allerdings wurde eine Geschäftseinheit nur äußerst selten festgestellt etwa in der Entscheidung OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.5.1987 – 6 U 286/86, NJW-RR 1987, 1419.

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VI. Sicherungsdienstbarkeiten

Rechtsvorgang sittenwidrige Zwecke verfolgt würden oder in ihm die Sittenwidrigkeit begründet wäre.3250) bb) Eine Bedingung kann nur dann angenommen werden, wenn die schuld- 2.2606 rechtliche Vereinbarung gleichsam Voraussetzung der dinglichen Einigung gewesen ist. Für die Annahme einer Geschäftseinheit i. S. d. § 139 BGB genügen ein praktisch immer vorliegender wirtschaftlicher Zusammenhang und die Zusammenfassung von Grund- und Erfüllungsgeschäft in einer Urkunde nicht.3251) cc) Der Ausnahmetatbestand einer Sittenwidrigkeit, die gerade im Vollzug der 2.2607 Leistung liege,3252) ist nur im Hinblick auf seine Natur als Ausnahmetatbestand äußerst zurückhaltend heranzuziehen. Die Ausführungen des BGH verdeutlichen auch, dass es sehr unterschiedliche Beweggründe für die Bestellung einer solchen Dienstbarkeit auf Seiten des Berechtigten geben kann, die gerade nicht sittenwidrig sind. Dazu gehört u. a. das Motiv, einen Getränkelieferungsvertrag erzwingen zu wollen. Auch ist es ein zulässiges Motiv für den Berechtigten, sich durch die Dienstbarkeit unerwünschte Konkurrenz fernzuhalten.3253) Darüber hinaus wird zu berücksichtigen sein, dass es im ureigensten Interesse von Brauereien liegt, an Brauereieigenimmobilien entsprechende Dienstbarkeiten eintragen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch für den Fall der Veräußerung, jedenfalls dann, wenn wie zumeist die Dienstbarkeit bei der Bemessung des Grundstückspreises mit eingepreist worden ist, so dass der Verkaufspreis für das Grundstück niedriger ist als für ein Grundstück ohne eine entsprechende Belastung. Auch weiß der Erwerber der Immobilie regelmäßig von der bestehenden Berechtigung. Dies ergibt sich entweder aus einer Voreintragung und damit aus dem Grundbuch oder aus den notariellen Unterlagen (Grundstückskaufvertrag, Eintragungsbewilligung). c) Maßgeblicher Zeitpunkt. Für die Frage der Wirksamkeit einer Dienstbar- 2.2608 keit ist auf den Zeitpunkt ihrer Bestellung abzuheben.3254) d) Unbegrenzte Laufzeiten. Eine Sicherungsdienstbarkeit zur Absicherung 2.2609 einer Getränkebezugsverpflichtung ist grundsätzlich auch dann wirksam, wenn ___________ 3250) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3251) LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90. 3252) Siehe hierzu auch LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90. 3253) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504. 3254) BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334.

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§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

sie nicht befristet ist.3255) Laufzeitschranken ergeben sich grundsätzlich auch nicht aus der Rechtsprechung zu zulässigen Höchstlaufzeiten von Getränkelieferungsverträgen.3256) 2.2610 e) Die möglicherweise als unbefriedigend empfundene Konsequenz dieser Rechtsprechung, dass der Grundstückseigentümer und Gastwirt trotz Unwirksamkeit der schuldrechtlichen Bezugsverpflichtung „faktisch“ an den Dienstbarkeitsberechtigten gebunden bleiben kann, ist notwendige Folge des Abstraktionsprinzips.3257) 2.2611 f) Umfang der Bezugsbindung. Aufgrund des Abstraktionsgrundsatzes ist für den Bestand des voll wirksam begründeten dinglichen Rechts die zugrunde liegende schuldrechtliche Vereinbarung grundsätzlich ohne Bedeutung. Daher ist es auch unerheblich, wenn die in Rede stehende Dienstbarkeit über die zu sichernde Getränkebezugsverpflichtung hinausgeht, weil sie nicht nur auf Flaschenund Fassbier beschränkt ist und zudem die von dem berechtigten Getränkelieferanten gelieferten Getränke nicht ausnimmt.3258) 2.2612 g) Nachträgliche schuldrechtliche Vereinbarung. Für den Bestand des einmal vollwirksam begründeten dinglichen Rechts ist es ohne Bedeutung, ob eine später vereinbarte Getränkebezugsverpflichtung, zu deren Sicherung die Dienstbarkeit nunmehr eingesetzt wird, wirksam begründet worden ist. VII. Isolierte Dienstbarkeiten 1.

Begriff

2.2613 Fehlen ein Getränkelieferungsvertrag bzw. eine Sicherungsabrede, dann spricht man missverständlich von einer isolierten Dienstbarkeit. Dieser Anwendungsfall der Dienstbarkeit sichert vorbereitend dann das Interesse, den Grundstückseigentümer zum Abschluss eines Bezugsvertrags zu bewegen oder zumindest ___________ 3255) BGH, Urt. v. 22.1.1975 – VIII ZR 243/73, DB 1975, 638 = Zeller I, 351; BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07.LG Bonn, Urt. v. 19.9.1975 – 4. O. 264/74. 3256) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJWRR 2004, 164. 3257) Siehe oben § 36 V 3 m. w. N. 3258) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

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VIII. Erzwingungsdienstbarkeiten

eine Konkurrenz durch andere Brauereien oder Getränkefachgroßhändler von dem Grundstück fernzuhalten.3259) 2.

Zulässigkeit

Sichert die Dienstbarkeit keine Bezugsverpflichtung und wurde auch keine Si- 2.2614 cherungsabrede getroffen, so dient die Dienstbarkeit zulässigerweise lediglich als Mittel dazu, überhaupt eine (künftige) Bezugsverpflichtung zu erzielen. Eine solche Dienstbarkeit hat für eine Brauerei auch dann einen Wert, wenn ein Bezugsvertrag nicht oder nicht mehr besteht. 3.

Nichtigkeitseinwände

a) Laufzeit. Dem im Schrifttum vereinzelt gemachten Vorschlag, auf isolierte 2.2615 Dienstbarkeiten § 138 Abs. 1 BGB anzuwenden und sie im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion auf eine zulässige Dauer zu reduzieren,3260) folgt die h. M., insbesondere die Rechtsprechung, zutreffend nicht.3261) b) Im Übrigen. Gelegentlich geäußerte weitere Wirksamkeitsbedenken (u. a. 2.2616 Bestimmtheitsgrundsatz, §§ 7 – 10 GewO) werden zu Recht durchweg als nicht erheblich angesehen.3262) VIII. Erzwingungsdienstbarkeiten 1.

Begriff

Erzwingungsdienstbarkeiten sind Anwendungsfälle einer isolierten Dienstbar- 2.2617 keit. Sie haben ebenfalls den Zweck, den Abschluss einer Getränkebezugsver___________ 3259) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 24.9.1982 – V ZR 96/81, NJW 1983, 115; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Beschl. v. 11.2.2016 – V ZR 180/15, BeckRS 2016, 04810; OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3260) U. a. Amann, DNotZ 1988, 578, 581 ff. 3261) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3262) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, WM 1980, 1293 = Zeller II, 147; BGH, Urt. v. 24.6.1983 – V ZR 167/82, NJW 1984, 924; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2296 = ZIP 1998, 1441; OLG München, Urt. v. 22.9.1994 – 6 U 2018/94; BayObLG, Urt. v. 27.3.1997 – 2 ZBR 139/96, NJW-RR 1997, 912; OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700.

757

§ 36 Dingliche Sicherung der Bezugsbindung durch Dienstbarkeiten

pflichtung vorzubereiten oder zu erzwingen oder Konkurrenzlieferungen vom dienenden Grundstück fernzuhalten. Der Zweck derartiger Dienstbarkeiten besteht auch darin, dass der Berechtigte nicht gezwungen ist, alle anderen Mitbewerber zu unterbieten oder mit dem Günstigsten zumindest gleichzuziehen.3263) Dem Berechtigten obliegt je nach Inhalt der Eintragung auch die Bestimmung des Bezugsweges.3264) 2.

Wirksamkeit

2.2618 Eine unbefristete und unbedingt bestellte Dienstbarkeit ist nicht allein deshalb sittenwidrig und nichtig, weil damit der Zweck verfolgt wird, eine noch abzuschließende Bezugsbindung abzusichern.3265) Allerdings muss die Dienstbarkeit einen zulässigen Inhalt haben und darf nicht einen unmittelbaren Kontrahierungszwang begründen.3266) IX.

Fortdauer

1.

Verfalldatum

2.2619 Das BGB kennt kein „Verfalldatum“ für dingliche Rechte. Dies gilt selbst dann, wenn sich aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis etwas anderes ergibt.3267) Die Vorschrift des § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unverjährbarkeit eingetragener Rechte bezweckt die Verhinderung inhaltsentleerter Rechte. Das Schutzbedürfnis fortschreitender Unsicherheit, welches grundsätzlich die Verjährung befriedigt, besteht hier nicht, weil die Rechtslage durch die Publizität ___________ 3263) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98. 3264) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3265) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 24.9.1982 – V ZR 96/81, NJW 1983, 115; BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374, dazu EWiR 1985, 477 (Paulusch); BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Beschl. v. 11.2.2016 – V ZR 180/15, BeckRS 2016, 04810; BayObLG, Beschl. v. 7.8.1985 – BReg 2 Z 139/84, BayObLGZ 1985, 290; OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700; OLG München, Urt. v. 17.2.2011 – U 3237/10 Kart, BeckRS 2011, 34527; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3266) BGH, Beschl. v. 30.1.1959 – V ZB 31/58, BGHZ 29, 244 = NJW 1959, 670 = Zeller I, 333; BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 25.3.1980 – KZR 17/79, NJW 1981, 343 = Zeller II, 147. 3267) BGH, Urt. v. 18.5.1979 – V ZR 70/78, BGHZ 74, 293 = NJW 1979, 2150 = Zeller II, 283; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593.

758

IX. Fortdauer

im Grundbuch klar ist. Der Anspruch des Berechtigten einer Dienstbarkeit auf Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung des Rechts nach § 1004 BGB verjährt jedenfalls dann nicht, wenn es um die Verwirklichung des Rechts selbst, und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht.3268) 2.

Verjährung

Gem. §§ 1090 Abs. 2, 1028 Abs. 1 BGB erlischt eine Dienstbarkeit, wenn auf 2.2620 dem belasteten Grundstück eine die Dienstbarkeit beeinträchtigende Anlage errichtet worden ist, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht, kraft Gesetzes zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung verjährt.3269) Dann bedarf es allerdings besonderer Prüfung, ob eine Verjährung auch subjektiv (Kenntniserlangung) gegeben ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Ggf. dürfte dem Verjährungseinwand (§ 214 Abs. 1 BGB) auch durchgreifend der Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegengehalten werden können. Dies etwa dann, wenn der Dienstbarkeitenberechtigte formal auf die Geltendmachung seiner Unterlassungsansprüche aus einer Verbotsdienstbarkeit in der Vergangenheit deshalb verzichtet hat, weil in der Absatzstätte seine Produkte zum Ausschank gebracht worden sind. Damit ist eine Dienstbarkeit zu löschen, wenn der Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch wegen des unerlaubten Ausschanks von Getränken oder des Handels mit denselben aller Art verjährt ist. 3.

Veräußerung

An der Wirksamkeit der Dienstbarkeit ändert sich durch eine Veräußerung des 2.2621 belasteten Grundstücks nichts.3270) Eine derartige Grundstücksbelastung soll nämlich regelmäßig nicht nur verhindern, dass sich der Eigentümer vorzeitig von seinen schuldrechtlichen Bezugsverpflichtungen lossagt, sondern sie soll den Begünstigten im Falle des Grundstückverkaufs auch ein Mittel gegen den Erwerber in die Hand geben, welches diesen zur Aufnahme eigener vertraglicher Beziehungen veranlasst. Gerade der letzte Gesichtspunkt ist für die von den Getränkelieferanten angestrebte langfristige Absatzsicherung von besonderer Bedeutung. Allein durch schuldrechtliche Abreden hätte der Möglichkeit eines Wechsels in der Eigentümerstellung nur unvollkommen Rechnung getragen werden können, weil die Vereinbarung, die Bezugsverpflichtung in einem

___________ 3268) BGH, Urt. v. 22.10.2010 – V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 = NJW 2011, 518. 3269) OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.11.2008 – 1 U 147/08, NJOZ 2009, 4561 = BeckRS 2008, 24745. 3270) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164.

759

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

solchen Fall an den Erwerber weiterzugeben, diesem gegenüber rechtlich unverbindlich wäre.3271) 4.

Lieferunmöglichkeit

2.2622 Ohne Bedeutung für den Bestand einer Dienstbarkeit ist es grundsätzlich, dass die Getränke nicht mehr geliefert werden können.3272) 5.

Umwandlung, Verschmelzung oder Betriebsaufspaltung

2.2623 War der Berechtigte einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine juristische Person, so kann diese als Bestandteil des Vermögens bei einer Umwandlung oder bei einer Verschmelzung auf eine andere juristische Person übergehen.3273) Umstritten ist, ob im Falle einer Betriebsaufspaltung nach § 123 UmwG eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1059a Abs. 1 Nr. 1 BGB übertragen werden kann.3274) § 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten I.

Unterlassung

1.

Anspruchsgrundlage

2.2624 Der Unterlassungsanspruch gegen den (Handlungs-)Störer ergibt sich aus §§ (1090 Abs. 2,) 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.3275) 2.

Anspruchsberechtigter

2.2625 a) Grundsatz. Der Anspruch auf Unterlassung steht nur dem dinglichen Inhaber der Dienstbarkeit zu. Bei Grunddienstbarkeiten ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks aktivlegitimiert.3276) Voraussetzung ist eine entsprechende Bestellung des dinglichen Rechts bzw. seine dingliche Übertragung. 2.2626 b) Rechtsnachfolge. Anspruchsberechtigt kann eine Brauerei auch dann werden, wenn sie eine andere Brauerei übernimmt. Sie wird dann im Wege der Ver___________ 3271) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126. 3272) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.12.1978 – 9 U 99/78, Zeller, II, 281; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334. 3273) OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.8.1988 – 10 U 274/87, BB 1989, 942; OLG München, Beschl. v. 10.3.2015 – 34 Wx 467/14, NJW-RR 2015, 1358; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3274) Staudinger-Reymann, BGB, § 1092 Rz. 18 m. w. N. 3275) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Coburg, Urt. v. 30.1.2003 – 33 S 134/02; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3276) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787 (Getränkefachgroßhändler).

760

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

solchen Fall an den Erwerber weiterzugeben, diesem gegenüber rechtlich unverbindlich wäre.3271) 4.

Lieferunmöglichkeit

2.2622 Ohne Bedeutung für den Bestand einer Dienstbarkeit ist es grundsätzlich, dass die Getränke nicht mehr geliefert werden können.3272) 5.

Umwandlung, Verschmelzung oder Betriebsaufspaltung

2.2623 War der Berechtigte einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine juristische Person, so kann diese als Bestandteil des Vermögens bei einer Umwandlung oder bei einer Verschmelzung auf eine andere juristische Person übergehen.3273) Umstritten ist, ob im Falle einer Betriebsaufspaltung nach § 123 UmwG eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1059a Abs. 1 Nr. 1 BGB übertragen werden kann.3274) § 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten I.

Unterlassung

1.

Anspruchsgrundlage

2.2624 Der Unterlassungsanspruch gegen den (Handlungs-)Störer ergibt sich aus §§ (1090 Abs. 2,) 1027, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB.3275) 2.

Anspruchsberechtigter

2.2625 a) Grundsatz. Der Anspruch auf Unterlassung steht nur dem dinglichen Inhaber der Dienstbarkeit zu. Bei Grunddienstbarkeiten ist der Eigentümer des herrschenden Grundstücks aktivlegitimiert.3276) Voraussetzung ist eine entsprechende Bestellung des dinglichen Rechts bzw. seine dingliche Übertragung. 2.2626 b) Rechtsnachfolge. Anspruchsberechtigt kann eine Brauerei auch dann werden, wenn sie eine andere Brauerei übernimmt. Sie wird dann im Wege der Ver___________ 3271) BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126. 3272) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.12.1978 – 9 U 99/78, Zeller, II, 281; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334. 3273) OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.8.1988 – 10 U 274/87, BB 1989, 942; OLG München, Beschl. v. 10.3.2015 – 34 Wx 467/14, NJW-RR 2015, 1358; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3274) Staudinger-Reymann, BGB, § 1092 Rz. 18 m. w. N. 3275) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Coburg, Urt. v. 30.1.2003 – 33 S 134/02; LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3276) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787 (Getränkefachgroßhändler).

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I. Unterlassung

schmelzung Inhaberin der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit (§§ 1092 Abs. 2, 1059a Abs. 1 Nr. 1 BGB).3277) c) Überlassung zur Ausübung. Die bloße Überlassung zur Ausübung einer 2.2627 Dienstbarkeit genügt nicht. Da es sich insofern um lediglich schuldrechtlich wirkende Abreden handelt, könnten diese auch nicht im Grundbuch eingetragen werden. Allerdings kann gem. § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB die Ausübung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit einem anderen überlassen werden, wenn die Überlassung der Dienstbarkeit gestattet ist. Mit der Übertragung der Ausübung erlangt man jedoch kein dingliches Recht oder ein diesem angenähertes eigenes Ausübungsrecht an der Dienstbarkeit, sondern nur eine obligatorische Rechtsstellung.3278) 3.

Anspruchsgegner

a) Veräußerung. Zum Anspruch gegen den Veräußerer wird zunächst auf ein 2.2628 Urteil des OLG Düsseldorf vom 1.10.2003 verwiesen.3279) Der Unterlassungsanspruch richtet sich in dem Fall, dass der Eigentumswechsel im Grundbuch noch nicht durch Umschreibung vollzogen ist, der Käufer gleichwohl bereits das Recht hat, das Grundstück zu nutzen, gegen den Käufer. Mithin kann der Grundstücksverkäufer nicht auf Unterlassung von Störungen in Anspruch genommen werden.3280) b) Vermietung/Verpachtung. aa) Grundlagen. Ist das dienende Grundstück 2.2629 vermietet oder verpachtet und wird es von dem schuldrechtlich Berechtigten in einer die Grunddienstbarkeit störenden Weise genutzt, dann ist der Mieter oder Pächter unmittelbarer Handlungsstörer, der Eigentümer hingegen mittelbarer Handlungsstörer, wenn er die entsprechende Nutzung zugelassen hat. bb) Eigentümer. Der Unterlassungsanspruch kann also auch im Falle der Ver- 2.2630 mietung oder Verpachtung gegen den Eigentümer des dienenden Grundstücks geltend gemacht werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dargetan werden kann, dass es diesem unmöglich wäre, seinen Mietern/Pächtern die Benutzung zu untersagen.3281) Der Eigentümer haftet erst recht als Störer, wenn er die Störung durch den Mieter oder Pächter nicht nur hingenommen, sondern an ihr mitgewirkt hat.3282)

___________ 3277) LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3278) LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3279) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02. 3280) BGH, Urt. v. 10.7.1998 – V ZR 60/97, NJW 1998, 3273 = ZIP 1998, 1757. 3281) BGH, Urt. v. 27.5.1959 – V ZR 78/58, NJW 1959, 2013; BGH, Urt. v. 2.3.1984 – V ZR 155/83, BeckRS 1984, 31074126. 3282) BGH, Urt. v. 10.7.1998 – V ZR 60/97, NJW 1998, 3273 = ZIP 1998, 1757.

761

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

2.2631 cc) Mieter/Pächter. Ansprüche können zudem gegen den Betreiber als Handlungsstörer geltend gemacht werden.3283) Die Nutzungsbeschränkung durch die Dienstbarkeit wirkt auch zu Lasten von Mietern/Pächtern des Grundstücks, unabhängig davon, ob sie diese bei Anmietung/Anpachtung kannten.3284) 2.2632 c) Mitbewerber. Zu Fragen der Passivlegitimation von Mitbewerbern des Getränkelieferanten äußerten sich einige OLG-Entscheidungen.3285) 4.

Abmahnung

2.2633 Abzumahnen sind die entsprechend Verpflichteten/Störer.3286) 5.

Verletzung

2.2634 Das absolut dingliche Recht wird dadurch verletzt, dass der Störer ohne Erlaubnis des berechtigten Getränkelieferanten Getränke und/oder Brauereierzeugnisse anderer Getränkelieferanten und Hersteller auf dem genannten Grundstück ausschenkt bzw. dieses zulässt3287) oder von einem anderen Getränkelieferanten oder einer anderen Verkaufsstelle bezieht und zum Ausschank oder Verkauf bringt oder bringen lässt.3288) 6.

Anspruchsinhalt

2.2635 Aufgrund der eingetragenen Dienstbarkeit kann der Verkauf von Getränken auf dem in Rede stehenden Grundstück untersagt werden.3289) 2.2636 Dem Berechtigten obliegt je nach dem Inhalt der Eintragung auch die Bestimmung des Bezugsweges.3290)

___________ 3283) OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3284) OLG Nürnberg, Urt. v. 21.1.1999 – 2 U 2341/98. 3285) OLG München, Urt. v. 9.7.1992 – U (K) 5146/91, OLGReport 1992, 199; OLG Koblenz, Urt. v. 5.6.1997 – 5 U 7/97, NJW-RR 1998, 1525, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 10.10.1997 – VIII ZR 198/97. 3286) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02. 3287) LG Coburg, Urt. v. 30.1.2003 – 33 S 134/02. 3288) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3289) OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3290) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07.

762

I. Unterlassung

7.

Anspruchsausschluss

Von der Untersagung auszunehmen ist der Fremdbezug von (einzelnen) Ge- 2.2637 tränken oder der Bezug über nicht benannte Vertriebswege dann, wenn er längere Zeit geduldet worden ist (§ 1004 Abs. 2 BGB).3291) 8.

Darlegung und Beweis

Hierzu kann ein Urteil des OLG Frankfurt berichtet werden.3292) 9.

2.2638

Einwendungen

a) Der Durchsetzung der Rechte aus einer Dienstbarkeit steht grundsätzlich 2.2639 nicht der gelegentlich erhobene Schikaneeinwand (§ 226 BGB) entgegen. Durchweg verfolgen die Dienstbarkeitsberechtigten mit ihren Klagen keineswegs den – ausschließlichen – Zweck, den Dienstbarkeitsverpflichteten zu schädigen. Der Druck ist eine Folge der wirksamen Dienstbarkeit. Eine faktische Notwendigkeit zum Betrieb einer Gastwirtschaft besteht seitens des Verpflichteten nicht.3293) Geht der Klageantrag auf Untersagung des Ausschanks jeglicher Getränke und 2.2640 nicht etwa auf Untersagung des Ausschanks von Getränken, die nicht aus dem Hause der Dienstbarkeitsberechtigten stammen, und wird dieser trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises nicht umgestellt, so soll für diesen Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen. Im Übrigen verstoße der Antrag wegen seiner weiteren Fassung gegen das Schikaneverbot.3294) b) Unzulässige Rechtsausübung. Die Ausübung eines Unterlassungsanspruchs 2.2641 aus einem dinglichen Recht stellt sich nur dann als eine mit dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbare unzulässige Rechtsausübung dar, wenn der Berechtigte seine dingliche Rechtsstellung zur Durchsetzung inhaltlich unzulässiger Vereinbarungen nutzt. Die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 1027 BGB kann unbegründet sein, wenn mit ihm der Abschluss eines inhaltlich unzulässigen Getränkelieferungsvertrages erreicht werden soll.3295) Das gilt nicht nur für diesen Fall, sondern allgemein, wenn eine Verbotsdienstbarkeit zu dem Zweck eingesetzt wird, eine nach anderen Rechtsvorschriften unzulässige Verpflichtung zu erzwingen.3296) Liegt dagegen eine ___________ 3291) LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3292) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 3293) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164 (im Ergebnis verneint). 3294) LG Düsseldorf, Urt. v. 8.3.2012 – 9 O. 187/11. 3295) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374. 3296) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787.

763

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

wirksame Bezugsverpflichtung vor, so greift der Einwand unzulässiger Rechtsausübung nicht.3297) 2.2642 c) Vertrag. Gegen einen Unterlassungsanspruch können Einreden aus eventuell vorhandenen schuldrechtlichen Beziehungen der Parteien oder aus einer Sicherungsabrede erhoben werden.3298) 2.2643 d) Verjährung. Die aus dem dinglichen Recht fließenden Ansprüche unterliegen den allgemeinen Verjährungsregeln, wie aus §§ 902 Abs. 1 Satz 2, 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB folgt.3299) 2.2644 e) Schonende Ausübung. Der Berechtigte einer Grunddienstbarkeit ist zur schonenden Ausübung verpflichtet und unterliegt insoweit den Grundsätzen von Treu und Glauben. Der Eigentümer soll in der Benutzung nur soweit eingeschränkt werden, als es zur sachgemäßen Rechtsausübung notwendig ist. Ggf. kann der Belastete verlangen, dass der Berechtigte es unterlässt, Rechte aus der Gewerbebeschränkung herzuleiten (§§ 1020, 242 BGB). Insofern bedarf es einer Interessenabwägung zur Feststellung, ob eine Beschränkung der Grunddienstbarkeit geboten ist.3300) 10.

Streitwert

2.2645 Der Streitwert bemisst sich nach § 3 ZPO. § 7 ZPO ist auf Grunddienstbarkeiten,3301) nicht dagegen auf beschränkte persönliche Dienstbarkeiten anwendbar.3302) 11.

Einstweiliger Rechtsschutz

2.2646 a) Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung liegt der Streitwert unter dem der Hauptsache, weil das für das Eilverfahren maßgebende Interesse des Klägers an der Sicherung im Regelfall das Befriedigungsinteresse nicht erreicht. Grundsätzlich wird es mit 1/3 des Hauptsachewertes anzusetzen sein. Das Gericht setzte das Interesse der Klägerin allerdings mit 1/2 des Hauptsachewertes an, weil die einstweilige Verfügung der Verwirklichung des Hauptsachebegehrens nahe kam.3303) ___________ 3297) BGH, Urt. v. 21.12.2012 – V ZR 221/11, NJW 2013, 1963; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 3298) OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.8.1988 – 10 U 274/87, BB 1989, 942. 3299) BGH, Urt. v. 22.10.2010 – V ZR 43/10, BGHZ 187, 185 = NJW 2011, 518. 3300) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075, im Ergebnis verneinend. 3301) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3302) OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.2007 – 5 W 104/07. 3303) OLG Hamm, Beschl. v. 10.12.2007 – 5 W 104/07; LG Kleve, Urt. v. 13.10.1977 – 6 O. 87/77.

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II. (Gegen-)Anspruch des Belasteten auf Rückgewähr/Löschung einer Dienstbarkeit

b) Verfügungsgrund. Ein Verfügungsgrund ist nur dann glaubhaft gemacht, 2.2647 wenn für den Erlass der einstweiligen Verfügung die Regelung des einstweiligen Zustandes zur Abwendung wesentlicher Nachteile, der Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§§ 935, 940 ZPO). Dazu muss seitens des Verfügungsklägers dargetan werden, dass ihm ein nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht, wenn der Verfügungsbeklagte weiterhin gegen die zu seinen Gunsten eingetragene Dienstbarkeit verstößt.3304) II.

(Gegen-)Anspruch des Belasteten auf Rückgewähr/Löschung einer Dienstbarkeit

1.

Einführung

Ein Löschungsanspruch in Bezug auf eine Dienstbarkeit besteht, wenn diese 2.2648 entweder unwirksam zustande gekommen ist, aus sonstigen Nichtigkeitsgründen nichtig ist oder vertragliche Ansprüche auf Löschung der Dienstbarkeit bestehen. Grundlage der Prüfung sind vor allem die notarielle Eintragungsbewilligung, der Grundbuchauszug, ergänzende, ggf. notarielle Kaufverträge, Pachtoder Mietverträge, Sicherungsabreden sowie Getränkebelieferungsverträge. 2.

Anspruchsgrundlagen

a) Gesetz. Gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Löschung einer eingetra- 2.2649 genen Dienstbarkeit ist § 894 BGB.3305) b) Ein Anspruch auf Löschung der Dienstbarkeit aus Bereicherungsrecht wird 2.2650 nur dann in Betracht kommen, wenn die Sicherungsabrede als solche gänzlich unwirksam ist. Kann der Zweck der Eintragung der Dienstbarkeit nicht mehr erreicht werden, so ist an eine Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB zu denken. An einer Leistung des Grundstückeigentümers dürfte es jedenfalls dann fehlen, wenn die Eintragung der Dienstbarkeit zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die Brauerei selbst noch Eigentümer des Grundstücks war. 3.

Anspruchsberechtigter

Der Löschungsanspruch ist bei Grunddienstbarkeiten vom Eigentümer des 2.2651 dienenden Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks geltend zu machen.3306) ___________ 3304) OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Essen, Urt. v. 25.9.2007 – 19 O. 289/07. 3305) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075; LG Bonn, Urt. v. 19.9.1975 – 4. O. 264/74. 3306) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. Zum analogen Fall der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vgl. LG Bonn, Urt. v. 19.9.1975 – 4. O. 264/74.

765

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

4.

Grundbuchberichtigung

2.2652 Ein Anspruch auf Löschung einer Dienstbarkeit besteht grundsätzlich nicht. Soweit nicht – ausnahmsweise – kraft ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung oder unter den Gesichtspunkten des Bedingungseintritts, der Befristung, der Geschäftseinheit oder der Zweckerreichung ein Löschungsanspruch gegeben ist, besteht selbst bei Nichtvorhandensein bzw. Nichtigkeit eines Getränkebezugsvertrages oder Ablauf eines auf eine längst zulässige Dauer abgeschlossenen Getränkebezugsvertrages weiterhin ein Unterlassungsanspruch des durch die Dienstbarkeit Begünstigten. Ist die Dienstbarkeit wirksam entstanden, steht das Grundbuch mit der Rechtslage (nach wie vor) in Einklang. Sie ist auch nach wie vor gültig, denn sie unterliegt keinerlei zeitlichen Grenzen und das Ende der Abnahmeverpflichtung hat auf ihren Bestand keinen Einfluss. Daher kann grundsätzlich keine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB verlangt werden, weil dessen Inhalt im Einklang mit der wirklichen Rechtslage steht. Dies insbesondere auch dann, wenn die Dienstbarkeit selbst weder eine Befristung noch eine Verknüpfung zum Getränkelieferungsvertrag enthält und auch bei ihrer Bestellung weder ausdrücklich noch konkludent Rückgewähransprüche noch schuldrechtliche Löschungsansprüche vereinbart worden sind. Hierfür spricht auch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) der notariellen Urkunde.3307) Allenfalls besteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Löschung.3308) 5.

Erzwingungsdienstbarkeit

2.2653 Ist die Dienstbarkeit Teil des Kaufpreises und damit der Leistung für die Übereignung des Grundstücks gewesen, so scheidet ein schuldrechtlicher Anspruch auf vorzeitige Aufhebung der Dienstbarkeit aus. Dies insbesondere auch dann, wenn die Brauerei bis zur Bestellung der Dienstbarkeit Grundstückseigentümer gewesen ist. Gerade dann dient die Dienstbarkeit der Abwehr unerwünschter Konkurrenz in der Zukunft auf dem ehemaligen Brauereigaststättengrundstück.3309) 6.

Besonderheiten bei Sicherungsdienstbarkeiten

2.2654 a) Anspruchsgrundlage. Läuft die Alleinbezugsbindung aus, kann der Grundstückseigentümer ggf. wegen Wegfalls des Sicherungszwecks aus dem Sicherungsvertrag die Löschung der Sicherungsdienstbarkeit verlangen und diesen ___________ 3307) OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164. 3308) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302. 3309) OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.1.1990 – 8 U 204/89, EuZW 1990, 102 = Zeller IV, 91; OLG München, Urt. v. 4.6.2003 – U (K) 3241/03, NJW-RR 2004, 164; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504.

766

II. (Gegen-)Anspruch des Belasteten auf Rückgewähr/Löschung einer Dienstbarkeit

Löschungsanspruch der Dienstbarkeit einredeweise entgegenhalten.3310) Die Beweislast hierfür liegt bei dem Eigentümer des belasteten Grundstücks. b) Laufzeit. Nur dann kommt eine nachträgliche zeitliche Anpassung der Dauer 2.2655 der Dienstbarkeit an die Bezugsdauer aus dem Getränkelieferungsvertrag in Betracht.3311) c) Rechtsnachfolge. Wird ein mit einer Unterlassungsdienstbarkeit belastetes 2.2656 Grundstück (des Getränkelieferanten) oder eines sonstigen Eigentümers veräußert, so besteht mit dem Erwerber – jedenfalls zunächst – weder ein Getränkelieferungsvertrag noch ein Sicherungsvertrag. Der Erwerber des mit der Unterlassungsdienstbarkeit belasteten Grundstücks kann die dem Veräußerer zustehenden Rückgewährs- oder Löschungsansprüche daher nur dann geltend machen, wenn sie ihm mitabgetreten wurden oder er in die durch die Sicherungsvereinbarung begründeten schuldrechtlichen Beziehungen vertraglich eingetreten ist bzw. wenn er eine entsprechende neue Sicherungsvereinbarung mit dem Dienstbarkeitsberechtigten abgeschlossen hat.3312) 7.

Vorteil bei Grunddienstbarkeiten

a) Endgültiger Wegfall des Vorteils. Eine Grunddienstbarkeit erlischt somit, 2.2657 wenn infolge einer Veränderung eines der betroffenen Grundstücke ihre Ausübung dauernd ausgeschlossen ist oder der Vorteil für das herrschende Grundstück infolge grundlegender Änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Grundlage objektiv und endgültig wegfällt. Hierfür trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.3313) Der endgültige Wegfall des Vorteils führt ___________ 3310) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302 (Unwirksamkeit der Laufzeitregelung); BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 15.4.1998 – VIII ZR 377/96, NJW 1998, 2286 = ZIP 1998, 1441; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG München, Urt. v. 17.2.2011 – U 3237/10 Kart, BeckRS 2011, 34527; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075; OLG Frankfurt, Urt. v. 17.12.2012 – 24 U 25/12, BeckRS 2013, 05523; LG Heidelberg, Urt. v. 4.10.1991 – 5 O. 166/90. 3311) BGH, Urt. v. 29.1.1988 – V ZR 310/86, NJW 1988, 2364 = Zeller IV, 302; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504; OLG München, Urt. v. 17.2.2011 – U 3237/10 Kart, BeckRS 2011, 34527; LG Bonn, Urt. v. 19.9.1975 – 4. O. 264/74. 3312) BGH, Urt. v. 3.5.1985 – V ZR 55/84, NJW 1985, 2474 = Zeller III, 374; BGH, Urt. v. 8.4.1988 – V ZR 120/87, NJW 1988, 2362 = Zeller IV, 182; BGH, Urt. v. 20.1.1989 – V ZR 181/87, NJW-RR 1989, 519 = Zeller IV, 313; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.5.2008 – 6 U 122/07, BeckRS 2008, 13504. 3313) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075 m. w. N.

767

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

bei Grunddienstbarkeiten dazu, dass diese ganz (§ 1019 Satz 1 BGB) oder teilweise (§ 1019 Satz 2 BGB) nichtig sind.3314) 2.2658 Eine zu Lasten eines Gaststättengrundstücks eingetragene Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass dort ohne Zustimmung des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstückes keine Getränke vertrieben werden dürfen, wird folglich unwirksam, wenn die Brauerei auf dem herrschenden Grundstück eingestellt ist, keine konkreten Pläne für eine Wiederaufnahme des Betriebs der Brauerei in absehbarer Zeit bestehen und dort nur noch ein Getränkehandel stattfindet.3315) Der endgültige Wegfall des Vorteils der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück (§ 1019 Satz 1 BGB) kann somit auch aufgrund erheblicher Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse seit Bestellung der Grunddienstbarkeit und einer nicht nachhaltig vorangetriebenen und zudem mehrfach wechselnden Planung in Betracht kommen.3316) Die Stilllegung eines Brauereibetriebs auf dem herrschenden Grundstück über einen langen Zeitraum wegen dessen Verlagerung in eine moderne Braustätte genügt dann nicht, wenn konkrete Planungen für die Errichtung einer neuen – auch wesentlich kleineren – Braustätte auf dem herrschenden Grundstück entfaltet werden und damit gerechnet werden kann, dass mit der Umsetzung der Planungen in absehbarer Zeit begonnen wird.3317) Da erst der objektive und endgültige Wegfall des Vorteils den Untergang des Rechts bewirkt, ist eine dauernde Einstellung des begünstigten Betriebes erforderlich. 2.2659 b) Veränderung maßgeblicher Verhältnisse. Inhalt und Umfang einer – zumal zeitlich unbegrenzten – Dienstbarkeit sind nicht von vorne herein für alle Zeiten festgelegt.3318) Sie können sich immer nach dem jeweiligen Bedürfnis des herrschenden Grundstücks und Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung ändern, insbesondere auch mit einer Bedarfssteigerung wachsen.3319) Voraussetzung ist, dass sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleich bleibenden Benutzung des Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung nicht voraussehbare oder willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist.3320) ___________ 3314) OLG München, Beschl. v. 30.6.2010 – 34 Wx 57/10, NJW-RR 2011, 97; OLG München, Beschl. v. 28.10.2011 – 34 Wx 19/11, BeckRS 2011, 27047. Siehe oben § 37 IV 3 g m. w. N. 3315) OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.12.1978 – 9 U 99/78, Zeller, II, 281; OLG Zweibrücken, Urt. v. 23.3.2000 – 4 U 150/99, BeckRS 2014, 001334. 3316) Im Ergebnis allerdings angesichts der Gesamtumstände und der Besonderheiten des Einzelfalles nach umfänglicher Beweiswürdigung verneinend OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3317) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3318) BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 151/13, NJW 2014, 3780. 3319) BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 151/13, NJW 2014, 3780; OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075, m. w. N. 3320) Keine Nutzung eines früheren Eiskellers allgemein für Brauereizwecke, BayObLG, Beschl. v. 16.10.2003 – 2 Z BR 187/03, BeckRS 2003, 30330676.

768

III. Auskunft

Ggf. ist gegenüber Grunddienstbarkeiten einzuwenden, dass der Kläger wegen 2.2660 nicht entwicklungsbedingter unvorhersehbarer Veränderungen verlangen kann, dass die Dienstbarkeitsberechtigte auf die Ausübung der Dienstbarkeit verzichtet (§ 242 BGB). Nicht entwicklungsbedingte unvorhersehbare Veränderungen können jedoch nur in Ausnahmefällen dazu führen, dass der Ausübung der Dienstbarkeit durch den Berechtigten der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht. Dies dann, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit aufgrund der veränderten Umstände für den Berechtigten nur noch geringfügigen Nutzen bietet und sich andererseits die Nachteile für das dienende Grundstück so erheblich vermehrt haben, dass der Vorteil außer Verhältnis zum Schaden steht.3321) Bei Unverhältnismäßigkeit von Nutzen und Beeinträchtigung kann Löschung der Grunddienstbarkeit oder Verzicht auf die Grunddienstbarkeit verlangt werden. c) Eine Verkleinerung des herrschenden Grundstücks und die aktuell über- 2.2661 wiegende tatsächliche Nutzung des ursprünglich herrschenden Grundstücks durch Wohnbebauung lässt eine Brauereidienstbarkeit nicht erlöschen. Denn gem. § 1025 BGB besteht die Grunddienstbarkeit bei Teilung des Grundstücks fort und erlischt für die übrigen Teile, wenn sie nur einem Teil zum Vorteil gereicht.3322) 8.

Klageantrag

Mit der Klage wird beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Löschung der 2.2662 Dienstbarkeit zuzustimmen und die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch zu bewilligen.3323) III.

Auskunft

Rechtsfragen im Zusammenhang mit Auskunftsbegehren bei Verstößen gegen 2.2663 eine Dienstbarkeit waren vereinzelt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen.3324) 1.

Anspruchsgrundlage

§ 242 BGB gibt einen Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit Schadenser- 2.2664 satzansprüchen aus unerlaubter Handlung, die dem Grunde nach bestehen und für die lediglich die Höhe des Anspruchs noch offen ist, weil und soweit der Getränkelieferant aufgrund der besonderen Fallgestaltung in entschuldbarer Weise ___________ 3321) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075, allerdings im Ergebnis verneinend. 3322) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3323) OLG Nürnberg, Urt. v. 26.10.2012 – 2 U 50/11, BeckRS 2013, 01075. 3324) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – I-15 U 227/02; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700.

769

§ 37 Durchsetzung von Dienstbarkeiten

über den Schadensumfang im Ungewissen ist und der Anspruchsgegner dagegen hierüber unschwer Auskunft geben kann.3325) 2.

Grenzen

2.2665 Dabei ist allerdings darauf Bedacht zu nehmen, dass durch einen solchen Auskunftsanspruch nicht die allgemeinen Beweisgrundsätze unterlaufen werden dürfen, nach der der Geschädigte seinen Schaden darzulegen und zu beweisen hat. So ist zu fragen, ob der Kläger der begehrten Auskunft zur Bezifferung seines Schadensersatzanspruchs bedarf und insbesondere, ob ihm überhaupt ein ersatzfähiger Schaden (entgangener Gewinn) entstanden sein kann.3326) IV.

Schadensersatz

1.

Anspruchsgrundlagen

2.2666 Zu denken ist zunächst an §§ 281, 323 BGB.3327) Denkbare weitere Anspruchsgrundlagen sind § 823 Abs. 1 und 2 BGB.3328) 2.

Tatbestandsvoraussetzungen

2.2667 Voraussetzung ist, dass der Störer eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, etwa durch einen Bezug von dritter Seite.3329) Mit den Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB setzte sich das OLG Düsseldorf auseinander.3330) 3.

Schaden

2.2668 Zu Fragen der Schadensersatzberechnung kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.3331)

___________ 3325) BGH, Urt. v. 28.11.1989 – VI ZR 63/89, NJW 1990, 1358; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700. 3326) OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700. 3327) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 3328) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – 15 U 227/02; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04. 3329) OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/04; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700. 3330) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – 15 U 227/02. 3331) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2003 – 15 U 227/02; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.5.2004 – 13 U 52/0; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.8.2010 – 15 U 227/02, BeckRS 2010, 19700.

770

Dritter Hauptteil: Sinnverwandte Verträge § 38 Automatenaufstellverträge I.

Grundlagen

1.

Charakteristika

Mittels eines Automatenaufstellvertrages gestattet der Inhaber, z. B. Eigentümer/ 3.1 Pächter/Mieter von Aufstell- oder Anbringflächen, dem Automatenaufsteller einen oder mehrere Automaten, z. B. Warenautomaten mit Getränken, Tabakwaren, Süßwaren, Lebensmitteln, Blumen, Filmen, Schutzmitteln oder Unterhaltungsautomaten sowie Musik- und Spielautomaten gegen Beteiligung am Umsatz in zu seinem gewerblichen Betrieb (häufig einer Gastwirtschaft) gehörenden Räumen anzubringen bzw. aufzustellen und für eigene Rechnung zu betreiben. Anlass für den Betriebsinhaber, dem Automatenaufsteller die Aufstellung der Geräte zu gestatten, ist oft ein manchmal anderweitig nicht zu befriedigendes Kreditbedürfnis. Die Gestattung bezieht sich auch darauf, dass dem Aufsteller erlaubt wird, seine Waren, d. h. solche des Automatenaufstellers und nicht des Betriebsinhabers, zu verkaufen bzw. (eigene) Musik- oder Vergnügungsleistungen anzubieten. Die Gegenleistung des Automatenaufstellers für die Gestattung der Aufstellung besteht gewöhnlich in einer Umsatzbeteiligung des Betriebsinhabers (sog. Wirteanteil). Der Automatenaufsteller kann aber auch ein zumindest mit Teilen der Einspielerlöse zu tilgendes Darlehen (Amortisationsdarlehen)1) gewähren. Im Gegenzug erhält der Aufsteller dafür in zeitlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang auf bestimmte Zeit das ausschließliche Automatenaufstellrecht. Der Abschluss derartiger Verträge macht den eigentlichen Inhalt der unternehmerischen Tätigkeit des Aufstellers aus, während die Aufstellung von Automaten für den Betriebsinhaber regelmäßig nur eine Nebenerwerbschance eröffnet.2) Spezifikum eines Automatenaufstellvertrages ist, dass der Automat in den Be- 3.2 trieb dessen, bei dem der Automat aufgestellt wird, eingegliedert ist. Vereinbarungsgemäß soll die Eingliederung des Automaten in den gewerblichen Betrieb dessen, der die Aufstellfläche zur Verfügung stellt, dem Aufsteller ermöglichen, mit dem Automaten Gewinn zu erzielen. Zugleich hat der Betriebsinhaber, der die Aufstellung gestattet, ein Interesse daran, dass sich die Kunden seines Gewerbebetriebes der Automaten bedienen, weil seine Vergütung (nur) in der

___________ 1) 2)

BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

Beteiligung an dem Automatenumsatz besteht.3) Folglich ist die Gebrauchsgewährung an dem Raum für die Automatenaufstellung nicht Zweck,4) sondern nur Mittel zum Zweck einer teilweise gemeinschaftlichen Interessenverfolgung durch „Einbettung (des Automaten) in den in den gewerblichen Betrieb eines anderen zum gemeinsamen Nutzen beider Vertragspartner“.5) 2.

Rechtliche Einordnung

3.3 a) Typus. Unstreitig ist die Einordnung als gemischter Vertrag.6) 3.4 b) Die rechtliche Einordnung im Übrigen ist umstritten. Die h. M. qualifiziert den Automatenaufstellvertrag zumeist als Gestattungsvertrag, der neben verschiedenen, insbesondere mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufweise.7) Die beiderseitige Pflichtenstellung soll sich damit vorrangig an den Bestimmungen des Mietrechts orientieren, soweit der Vertrag nicht davon abweichende Regelungen enthält. Steht nach den vertraglichen Bestimmungen eine Beteiligung des den Raum zur Verfügung Stellenden lediglich am Gewinn aus dem Betrieb des Automaten im Vordergrund, so könnte ein Gestattungsvertrag in Form eines partiarischen Rechtsverhältnisses, ggf. auch eines (Innen-)Gesellschaftsverhältnisse, vorliegen.8) 3.5 c) Der Automatenaufstellvertrag rechnet zu den gesetzlich nicht vertypten Dauerschuldverhältnissen.9) 3.6 d) Jedenfalls handelt es sich bei dem Automatenaufstellvertrag um einen gegenseitigen Vertrag.10) ___________ 3) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261. 4) BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261. 5) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414. 6) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261. 7) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, BeckRS 9998, 101023 = ZIP 1984, 1093 = Zeller III, 298; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; BGH, Urt. v. 18.4.2000 – VIII R 68/98, NZM 2001, 395; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 5.3.1963 – 5 U 232/62, NJW 1964, 256; OLG Celle, Urt. v. 31.1.1967 – 10 U 225/66, NJW 1967, 1425; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430: Mietvertrag über Grundstücksteile; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 8) So von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 1. Ablehnend dagegen OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430. 9) OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 10) LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977.

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II. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

3.

Entsprechende Anwendung des Mietrechts

a) Schriftform. Da Automatenaufstellverträge nicht in erster Linie Mietverträge 3.7 sind, findet auf sie die Formvorschrift des § 550 BGB keine Anwendung.11) b) Übertragung. Wird das Betriebsgrundstück/der Betriebsraum veräußert, so 3.8 tritt der Erwerber nicht in den Automatenaufstellvertrag ein. § 566 BGB passt aus den gleichen Gründen wie § 550 BGB – beide Vorschriften stehen in engem Zusammenhang –12) für den Automatenaufstellvertrag nicht. Ist der Vertragspartner des Automatenaufstellers ein Mieter/Pächter der Betriebsräume, so scheidet § 566 BGB auch deshalb aus, weil diese Bestimmung ohnehin auf den Wechsel des Hauptmieters/-pächters nicht anwendbar ist.13) Beim Automatenanbringungsvertrag wird dies freilich anders gesehen. Denn 3.9 dort steht die Miete des Raum-, Grundstücks- oder Gebäudeteils im Vordergrund, was sich mit der Rechtsprechung zur Aufstellung von Werbetafeln deckt. Diese Differenzierung überzeugt im gedanklichen Ansatz, auch wenn sie wegen der Nähe der beiden Vertragsarten schwer durchzuführen sein mag; denn eine Vertragsüberleitung gem. § 566 BGB ließe das personenbezogene Element (gemeinsamer Nutzen) außer Acht.14) c) Kündigungsfrist. Dominieren die mietvertraglichen Elemente, so gelten die 3.10 allgemeinen Kündigungsvorschriften für Mietverträge.15) Sind weder eine Laufzeit noch eine Kündigungsfrist vereinbart, erscheint eine dem § 580a Abs. 1 Nr. 3 entsprechende Kündigungsfrist von drei Monaten interessengerecht.16) Eine Geschäftsraummiete nach § 580a Abs. 2 BGB ist gegeben, wenn einem Automatenaufsteller ein ganzer Raum vermietet wird, in dem er eine Automatenspielhalle einrichten will.17) II.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Beurteilungsgrundsätze

a) Grundlagen. Bei der Abwägung im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ist die 3.11 unterschiedliche Risikobeteiligung des Automatenaufstellers, für den der Abschluss derartiger Verträge der eigentliche Inhalt seiner unternehmerischen Tä___________ 11) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414. 12) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, NJW 2002, 924. 13) BGH, Urt. v. 22.5.1989 – VIII ZR 192/88, NJW 1989, 2053. 14) OLG München, Urt. v. 14.2.1972 – 21 U 2941/71, NJW 1972, 1995. 15) LG Koblenz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 16) LG Köln, Urt. v. 5.7.1972 – 9 O. 129/72, NJW 1972, 2127. 17) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414.

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II. Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

3.

Entsprechende Anwendung des Mietrechts

a) Schriftform. Da Automatenaufstellverträge nicht in erster Linie Mietverträge 3.7 sind, findet auf sie die Formvorschrift des § 550 BGB keine Anwendung.11) b) Übertragung. Wird das Betriebsgrundstück/der Betriebsraum veräußert, so 3.8 tritt der Erwerber nicht in den Automatenaufstellvertrag ein. § 566 BGB passt aus den gleichen Gründen wie § 550 BGB – beide Vorschriften stehen in engem Zusammenhang –12) für den Automatenaufstellvertrag nicht. Ist der Vertragspartner des Automatenaufstellers ein Mieter/Pächter der Betriebsräume, so scheidet § 566 BGB auch deshalb aus, weil diese Bestimmung ohnehin auf den Wechsel des Hauptmieters/-pächters nicht anwendbar ist.13) Beim Automatenanbringungsvertrag wird dies freilich anders gesehen. Denn 3.9 dort steht die Miete des Raum-, Grundstücks- oder Gebäudeteils im Vordergrund, was sich mit der Rechtsprechung zur Aufstellung von Werbetafeln deckt. Diese Differenzierung überzeugt im gedanklichen Ansatz, auch wenn sie wegen der Nähe der beiden Vertragsarten schwer durchzuführen sein mag; denn eine Vertragsüberleitung gem. § 566 BGB ließe das personenbezogene Element (gemeinsamer Nutzen) außer Acht.14) c) Kündigungsfrist. Dominieren die mietvertraglichen Elemente, so gelten die 3.10 allgemeinen Kündigungsvorschriften für Mietverträge.15) Sind weder eine Laufzeit noch eine Kündigungsfrist vereinbart, erscheint eine dem § 580a Abs. 1 Nr. 3 entsprechende Kündigungsfrist von drei Monaten interessengerecht.16) Eine Geschäftsraummiete nach § 580a Abs. 2 BGB ist gegeben, wenn einem Automatenaufsteller ein ganzer Raum vermietet wird, in dem er eine Automatenspielhalle einrichten will.17) II.

Verdikt des § 138 Abs. 1 BGB

1.

Beurteilungsgrundsätze

a) Grundlagen. Bei der Abwägung im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB ist die 3.11 unterschiedliche Risikobeteiligung des Automatenaufstellers, für den der Abschluss derartiger Verträge der eigentliche Inhalt seiner unternehmerischen Tä___________ 11) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414. 12) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 17.7.2002 – XII ZR 86/01, NJW 2002, 924. 13) BGH, Urt. v. 22.5.1989 – VIII ZR 192/88, NJW 1989, 2053. 14) OLG München, Urt. v. 14.2.1972 – 21 U 2941/71, NJW 1972, 1995. 15) LG Koblenz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 16) LG Köln, Urt. v. 5.7.1972 – 9 O. 129/72, NJW 1972, 2127. 17) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

tigkeit ist, gegenüber derjenigen des Betriebsinhabers zu berücksichtigen, für den sich die Automatenaufstellung nur als Nebenerwerbschance darstellt.18) 3.12 b) Sittenwidrigkeit eines Automatenkaufvertrages ist auch dann zu bejahen, wenn entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Grundstücksgeschäften der (objektive) Preis für den käuflichen Erwerb des Automaten mehr als doppelt so hoch wie der vom Betriebsinhaber geschuldete Gegenwert (etwa: Verkehrswert 30.000,00 DM – Kaufpreis 80.000,00 DM) ist.19) 2.

Rechtsfolgen eines Verstoßes

3.13 a) Vor Bejahung eines Sittenverstoßes i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB muss versucht werden, die zur Überprüfung anstehende Individualvereinbarung mittels einer an § 242 BGB orientierten Auslegung auf ein vertretbares Maß zurückzuführen20) bzw. gem. § 139 BGB ist zu prüfen, ob nach dem jeweiligen Parteiwillen der „Rest“ des Rechtsgeschäfts aufrechterhalten werden kann.21) Voraussetzung ist, dass sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit auf einen abtrennbaren Teil des Rechtsgeschäfts i. S. d. § 139 BGB beschränken lässt. 3.14 Lässt der Vertrag sich nicht im Wege einer nach beiden Seiten interessengerechten Auslegung auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückführen, so nutzt auch eine salvatorische Klausel nichts.22) 3.15 b) Gesamtnichtigkeit. Ob die Nichtigkeit einer Vertragsbestimmung zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führt, ist eine Frage des Einzelfalles und anhand der in der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien zu beantworten.23) Die Gesamtnichtigkeit ist zu verneinen, wenn die wesentlichen Rechte und Pflichten der Parteien auch bei Wegfall der unwirksamen Klauseln erhalten bleiben. An der durch § 138 Abs. 1 BGB indizierten Gesamtnichtigkeit fehlt es insbesondere dann, wenn die Hauptpflichten der Parteien – Gestattung der Aufstellung von Automaten in der Gaststätte gegen Beteiligung am Einspielergebnis – eindeutig festgelegt und rechtswirksam sind, so dass dann der Wegfall etwaiger Nebenabreden nicht zu einer Umgestaltung des Vertrages führt.24) ___________ 18) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 19) BGH, Urt. v. 26.11.1997 – VIII ZR 322/96, NJW-RR 1998, 1065. 20) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189. 21) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189. 22) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 23) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 24) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856.

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III. Grundlagen der AGB-rechtlichen Betrachtung

III.

Grundlagen der AGB-rechtlichen Betrachtung

1.

Praktische Relevanz

Richterliche Entscheidungen, die Automatenaufstellverträge auf ihre Vereinbar- 3.16 keit mit den Vorschriften des AGB-Rechts zu prüfen hatten, sind zahlreich zu berichten.25) 2.

Anwendungsbereich

a) Sachlicher Anwendungsbereich. Im Ergebnis wird man die Voraussetzung 3.17 einer Individualabrede gem. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nur zurückhaltend annehmen dürfen.26) b) Persönlicher Anwendungsbereich. Wenn ein Betriebsinhaber einen Auto- 3.18 maten in dem von ihm betriebenen Räumen einer Gaststätte aufbauen lässt, dann handelt er als Unternehmer i. S. v. § 14 BGB; denn er wird bereits mit dem Abschluss des Vertrages gewerblich tätig.27) 3.

Einbeziehung und Auslegung

a) Einbeziehung. Bei manchen Automatenaufstellverträgen könnte es bereits an 3.19 einer wirksamen Einbeziehung hinsichtlich formularmäßiger Bedingungen fehlen, die drucktechnisch so gestaltet sind, dass sie „nur mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe zu lesen sind“. Das soll auch dann gelten, wenn die fragliche Klausel sehr gebräuchlich ist und gegenüber einem Unternehmer verwendet wird.28) Die Festlegung einer Laufzeit von 54 Monaten Miete an versteckter Stelle im Vertrag ist nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam, wenn zeitgleich auch ein Vertrag über die Lieferung von Verbrauchsmaterial für den Mietgegenstand ___________ 25) BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 14.6.1983 – KZR 19/82, BeckRS 1983, 31168323 = Zeller III, 251; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, BeckRS 9998, 101023 = ZIP 1984, 1093 = Zeller III, 298; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 1973, 11; OLG Hamburg, Urt. v. 2.11.1978 – 3 U 103/78, WRP 1979, 50; OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; OLG Braunschweig, Urt. v. 20.4.1989 – 2 U 210/88, VersR 1990, 426; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, MDR 1994, 118; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439; LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948; LG Ulm, Urt. v. 7.7.1987 – 2 O. 83/87, MAR 1987 Januar; LG Essen, Urt. v. 14.7.1989 – 1 S 177/89, MDR 1989, 996 = Zeller IV, 283; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 26) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 3, 4. 27) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 28) BGH, Urt. v. 7.5.1986 – VIII ZR 238/85, ZIP 1986, 866; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 16.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

aufgenommen wird, der jährlich kündbar ist. Enthalten zeitgleich abgeschlossene Verträge, die aufeinander bezogen sind, verschiedene vorformulierte Laufzeiten, muss der Verwender auch den Unternehmerkunden darauf hinweisen.29) 3.20 b) Für die Auslegung einer Klausel in einem Automatenaufstellvertrag ist maßgebend die Verständnismöglichkeit der Betriebsinhaber als typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Kunden.30) 4.

Inhaltskontrolle

3.21 a) Je stärker der Gerechtigkeitsgehalt der vom Gesetzgeber aufgestellten Dispositivnormen ist, ein desto strengerer Maßstab muss an die Vereinbarkeit von Abweichungen in AGB nach dem Grundsatz von Treu und Glauben angelegt werden (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).31) 3.22 Soweit Klauseln in Rede stehen, welche ausschließlich mietvertraglichen Charakter aufweisen, wird man im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB an die §§ 535 ff. BGB anknüpfen können.32) 3.23 b) Zu etwaigen Zweifeln im Hinblick auf die Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vergleiche die BGH-Entscheidung vom 6.10.1982.33) Nach Inhalt und Wortlaut der Vertragsbedingungen sollte deutlich werden (können), ob die Vertragsbedingungen nur auf Verträge mit Gaststätteneigentümern oder auch auf Verträge mit Pächtern zugeschnitten sind. Aus der Formulierung „Vermieter“ lässt sich nicht schließen, in welcher Rechtsposition die Gaststätte, in der die Automaten aufgestellt sind, betrieben werden muss.34) 3.24 c) Derjenige, der einseitig die Bedingungen eines Formularvertrages aufstellt, hat nach dem Grundsatz von Treu und Glauben schon beim Abfassen derartiger Bedingungen die Interessen seiner künftigen Vertragspartner angemessen zu berücksichtigen. Insbesondere darf es nicht zu einer unzulässigen Kumulation von Sanktionen kommen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).35)

___________ 29) OLG Köln, Urt. v. 16.7.2002 – 15 U 18/02, NJW-RR 2003, 706 (Automatenmietvertrag). 30) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 31) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 32) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 1. 33) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 34) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23. 35) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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III. Grundlagen der AGB-rechtlichen Betrachtung

5.

Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln

a) Unwirksamkeit einer oder einiger Klauseln. Grundsätzlich rechtfertigt die 3.25 Unwirksamkeit einzelner oder auch einiger vertraglicher Regelungen nach dem Grundsatz des § 306 Abs. 3 BGB die Annahme einer Gesamtnichtigkeit noch nicht.36) b) Unwirksamkeit einer Vielzahl von Klauseln. aa) Einführung. Ob dies auch 3.26 dann gilt, wenn der Vertrag – abgesehen von der Dauer der Aufstellverpflichtung – wegen des inhaltlichen Umfangs und einer Vielzahl zu beanstandender Regelungen insgesamt überzogen ist und er den Betriebsinhaber in seiner Selbstständigkeit und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit unzulässig einschränkt,37) wird unterschiedlich beurteilt. bb) Meinungsstand. Ist eine Vielzahl von AGB-Klauseln mangels Einbeziehung, 3.27 etwa weil sie der Verwender bewusst unübersichtlich, unklar oder verwirrend formuliert und daher keine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme bestanden hat, oder wegen Verstoßes gegen die §§ 307 – 310 BGB unwirksam, so soll sich die Nichtigkeit des Vertrages nach Auffassung der Rechtsprechung nicht aus § 306 Abs. 3 BGB,38) sondern aus § 138 Abs. 1 BGB ergeben.39) Zwar sei das Merkmal der Sittenwidrigkeit primär auf die Beurteilung von Individualverträgen zu beziehen, während die Kontrolle nach § 307 BGB auf vorformulierte Klauseln beschränkt werde. Doch solle es die Möglichkeit nicht ausschließen, auch dann auf § 138 Abs. 1 BGB abzustellen, wenn eine Vielzahl von AGBKlauseln der richterlichen Kontrolle nach den §§ 307 – 310 BGB nicht gewachsen sind. Gegen eine Heranziehung des § 306 Abs. 3 BGB spreche, das ein der Zumutbarkeitsbeurteilung zugrunde zu liegender Inhalt einer verbleibenden vertraglichen Regelung durchweg nicht festgestellt werden könne. Andere schlagen wegen des Fehlens eines ergänzungsfähigen Restvertrags vor, § 306 Abs. 1 ___________ 36) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 37) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118, in einem Fall, indem das AGB-Recht (damals AGBG) keine Anwendung fand; BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 6/69, WM 1971, 243; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt, Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 38) So etwa Erman-Roloff, BGB, § 306 Rz. 16. 39) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281 (zurückhaltend); BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856.

777

§ 38 Automatenaufstellverträge

BGB teleologisch zu reduzieren, sodass sich die Gesamtnichtigkeit unmittelbar aus § 139 BGB ergebe.40) 3.28 cc) Entscheidungserheblichkeit. Unstreitig dürfte es auf den Meinungsstreit dann nicht ankommen, wenn ein außerordentliches Kündigungsrecht (§ 314 BGB) besteht. Dann müssen die Parteien zunächst von dieser vertraglich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit Gebrauch machen, sofern dadurch die Unzumutbarkeit entfalle. Eine Berufung auf die Unzumutbarkeit i. S. d. § 306 Abs. 3 BGB dürfte dann nicht möglich sein.41) IV.

Inhalt und Umfang des ausschließlichen Aufstellrechts

1.

Inhalt

3.29 Die Ausschließlichkeitsklausel hat zum Inhalt, dass der Vertragspartner in den bei Vertragsschluss vorhandenen Räumlichkeiten keine anderen Automaten aufstellen darf.42) 2.

Zulässigkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

3.30 a) Allgemein. Eine Ausschließlichkeitsbindung, die es dem Betriebsinhaber untersagt, Automaten anderer Anbieter aufzustellen, ist im Allgemeinen nicht als unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden.43) Die Ausschließlichkeitsbindung des Betriebsinhabers, also das ihn treffende Verbot, andere als die Automaten seines Vertragspartners in der Gaststätte aufzustellen, ist mit dem Wesen des Automatenaufstellvertrages fast notwendig verbunden, entspricht dem berechtigten Interesse des Aufstellers an einer Amortisation und einem Ertrag seiner – oft recht teuren – Geräte und ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange sich eine Unbilligkeit nicht aus einer Verknüpfung mit einer anderen Vertragsbestimmung ergibt. Der rentable Einsatz würde gestört, wenn die Einspielerlöse durch konkurrierende Automaten anderer Anbieter vermindert würden.44) 3.31 Bei der Interessenabwägung sind die beiderseitigen Interessen zu bilanzieren und zu balancieren. Dabei ist im Unterschied zum Getränkelieferungsvertrag ___________ 40) So etwa MünchKomm-Basedow, § 306 Rz. 8. Ähnlich BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 41) Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, AGB-Recht, § 306 Rz. 44. 42) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977. 43) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 44) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

BGB teleologisch zu reduzieren, sodass sich die Gesamtnichtigkeit unmittelbar aus § 139 BGB ergebe.40) 3.28 cc) Entscheidungserheblichkeit. Unstreitig dürfte es auf den Meinungsstreit dann nicht ankommen, wenn ein außerordentliches Kündigungsrecht (§ 314 BGB) besteht. Dann müssen die Parteien zunächst von dieser vertraglich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit Gebrauch machen, sofern dadurch die Unzumutbarkeit entfalle. Eine Berufung auf die Unzumutbarkeit i. S. d. § 306 Abs. 3 BGB dürfte dann nicht möglich sein.41) IV.

Inhalt und Umfang des ausschließlichen Aufstellrechts

1.

Inhalt

3.29 Die Ausschließlichkeitsklausel hat zum Inhalt, dass der Vertragspartner in den bei Vertragsschluss vorhandenen Räumlichkeiten keine anderen Automaten aufstellen darf.42) 2.

Zulässigkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

3.30 a) Allgemein. Eine Ausschließlichkeitsbindung, die es dem Betriebsinhaber untersagt, Automaten anderer Anbieter aufzustellen, ist im Allgemeinen nicht als unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden.43) Die Ausschließlichkeitsbindung des Betriebsinhabers, also das ihn treffende Verbot, andere als die Automaten seines Vertragspartners in der Gaststätte aufzustellen, ist mit dem Wesen des Automatenaufstellvertrages fast notwendig verbunden, entspricht dem berechtigten Interesse des Aufstellers an einer Amortisation und einem Ertrag seiner – oft recht teuren – Geräte und ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, solange sich eine Unbilligkeit nicht aus einer Verknüpfung mit einer anderen Vertragsbestimmung ergibt. Der rentable Einsatz würde gestört, wenn die Einspielerlöse durch konkurrierende Automaten anderer Anbieter vermindert würden.44) 3.31 Bei der Interessenabwägung sind die beiderseitigen Interessen zu bilanzieren und zu balancieren. Dabei ist im Unterschied zum Getränkelieferungsvertrag ___________ 40) So etwa MünchKomm-Basedow, § 306 Rz. 8. Ähnlich BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 41) Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, AGB-Recht, § 306 Rz. 44. 42) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977. 43) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 44) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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IV. Inhalt und Umfang des ausschließlichen Aufstellrechts

auch die unterschiedliche Risikoverteilung zu berücksichtigen, die darin zum Ausdruck kommt, dass der Automatenaufsteller im Rahmen seines Unternehmens tätig wird und der Abschluss derartiger Verträge den eigentlichen Inhalt seiner unternehmerischen Tätigkeit ausmacht, während der Betriebsinhaber Betreiber nur einen Nebenerwerb erstrebt.45) Weiter ist von Bedeutung, dass der Aufsteller sich in der Regel nicht an dem Risiko der Führung der Gaststätte beteiligt.46) b) Verbot anderweitiger Gewinnspielmöglichkeiten. Auch das Verbot ander- 3.32 weitiger Gewinnspielmöglichkeiten stellt keine unangemessene Beeinträchtigung des anderen Vertragsteils dar. Denn es entspricht den berechtigten Interessen des Automatenaufstellers, dass die Wünsche der Gäste nach Gewinnspielen durch die aufgestellten Automaten befriedigt werden. Für Geldspielautomaten gilt nichts anderes. Haben beide Parteien sich über die Automatenart verständigt, so bestehen im Hinblick auf § 307 BGB keine Bedenken.47) Dementsprechend hat der BGH auch das von vornherein vereinbarte Recht des Aufstellers zur Auswahl des Automatentyps nicht beanstandet, sofern die Vertragsparteien sich über die Art der aufzustellenden Geräte geeinigt hatten.48) c) Bestimmungsrecht Automatenart. Nicht von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ge- 3.33 deckt sind dagegen Regelungen, die dem Automatenaufsteller das Bestimmungsrecht über die Art der Geräte – Musikautomat/Zigarettenautomat/Flipper etc. – vorbehalten.49) Der Automatenaufsteller hätte es nach derartigen Klauseln in der Hand, dem Betriebsinhaber Geräte aufzudrängen, die mit seinen Vorstellungen nicht in Übereinstimmung zu bringen wären. Hierdurch würde den Interessen des Betriebsinhabers zu wenig Bedeutung beigemessen und diejenigen des Automatenaufstellers zu stark gewichtet. Bedenklich ist daher eine Bestimmung, nach der es in das freie Belieben des Aufstellers gestellt ist, wie viele Geräte und welche Art von Geräten er aufstellt und welche Aufstellplätze er sich dafür aussuchen will.50) Gleiches gilt für die Verknüpfung mit einem Abräumrecht.51)

3.34

___________ 45) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 46) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 47) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 48) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 49) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 50) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 51) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

779

§ 38 Automatenaufstellverträge

3.

Austausch der Automaten

3.35 Das Recht des Aufstellers, die Geräte nach seinem Ermessen auszuwechseln (Änderungsvorbehalt), ist nicht als übermäßig schwerwiegende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers angesehen worden, solange nur die Klausel in dem Sinne ausgelegt werden kann, dass der Aufsteller jedes Gerät nur gegen ein gleichartiges auswechseln darf. Ein Austausch der Geräte innerhalb der vereinbarten Automatenart – etwa Flipper gegen Flipper – darf daher stattfinden.52) 3.36 Die Erstreckung der Aufstellbefugnis durch eine Klausel, die es dem Aufsteller erlaubt, bis zu zwei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten und darüber hinaus nach Bedarf Musikautomaten, Unterhaltungsautomaten und Billardgeräte aufzustellen (Bedarfsklausel), ist ebenfalls nicht zu beanstanden.53) 3.37 Unbedenklich ist auch eine Regelung, in der sich der Aufsteller verpflichtet, anstelle einer durchzuführenden Reparatur die Geräte auszutauschen, sofern dadurch die Geräteart – etwa Flipper gegen Flipper – nicht verändert wird.54) 4.

Musikdarbietung

3.38 Nicht zu rügen ist, dass der Betriebsinhaber, der Musikautomaten wünschte, nur aus diesen Automaten Musik darbieten darf.55) 3.39 Das mit der Aufstellung von Musikautomaten verknüpfte Verbot anderweitiger Musikdarbietungen (Ausschließlichkeit i. w. S.) hält für sich betrachtet der Inhaltskontrolle stand.56) 5.

Erweiterungsklausel

3.40 a) Inhalt. Bei einer Erweiterungsklausel (Nachfolgeklausel i. w. S.) verpflichtet sich der Betriebsinhaber für den Fall, dass er während der Laufzeit des Auf___________ 52) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 53) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 54) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 24. 55) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; LG Ulm, Urt. v. 7.7.1987 – 2 O. 83/87, MAR 1987 Januar. 56) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53, BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

780

IV. Inhalt und Umfang des ausschließlichen Aufstellrechts

stellvertrages eine andere Gaststätte erwirbt oder pachtet, den Vertrag auch in dieser neuen Gastwirtschaft fortzusetzen und zu erfüllen.57) b) Zulässigkeit. Eine Regelung, die zur Mitnahme der Automaten bei Gaststät- 3.41 tenwechsel verpflichtet, ist nur dann sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB), wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit in nicht vertretbarer Weise eingeengt wird, z. B. weil in den meisten Gastlokalen Automaten übernommen werden müssen.58) Klauseln, die die Ausschließlichkeit auch in Fällen der Veränderung, Erweite- 3.42 rung oder Verlegung der Gaststätte auf künftig konzessionierte Objekte und Räume erstrecken, sollen dagegen einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls dann nicht stand halten, wenn sie die Ausschließlichkeitsbindung auf Objekte erstrecken, die der Betriebsinhaber während der Laufzeit des konkreten Automatenaufstellvertrages anderweitig erwirbt oder pachtet/mietet. Darin liegt ein unangemessener Eingriff in die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers, weil ihm der Erwerb aller derjenigen Gastwirtschaften verschlossen ist, in denen die Inhaber durch Automatenaufstellverträge und Nachfolgeklauseln bereits gebunden sind, und er außerdem gezwungen sein könnte, selbst dort Automaten aufzustellen, wo es wegen des Charakters der Gaststätte gastronomischer Erfahrung zuwiderliefe.59) Keine Bedenken dürfte dagegen eine entsprechende „Statusklausel“ dann aus- 3.43 lösen, wenn sie lediglich Fallgruppen des Umbaus und wohl auch Anbaus sowie Änderungen des Konzepts erfasst. 6.

Betriebspflicht, Spielbereitschaft

Wirksam ist die dem Betriebsinhaber auferlegte Betriebspflicht, die Geräte wäh- 3.44 rend der gesamten Öffnungszeiten spielbereit eingeschaltet zu halten. Sie stellt keine unbillige Beeinträchtigung seines unternehmerischen Freiraums dar.60)

___________ 57) Zu den Nachfolgeklauseln siehe unten § 38 IX m. w. N. 58) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 59) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 7.4.1982 – VIII ZR 323/80, NJW 1982, 1693 = ZIP 1982, 698 = Zeller III, 220; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 14.6.1983 – KZR 19/82, BeckRS 1983, 31168323 = Zeller III, 251; a. A. noch OLG Hamburg, Urt. v. 2.11.1978 – 3 U 103/78, WRP 1979, 50. 60) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439.

781

§ 38 Automatenaufstellverträge

7.

Garantie einer ununterbrochenen ganzjährigen Nutzung

3.45 Unwirksam ist die Garantie einer ununterbrochenen ganzjährigen Nutzung der aufgestellten Automaten mit der Ausnahme eines wöchentlichen Ruhetages, weil sie den Betriebsinhaber hindert, Betriebsferien zu machen.61) 8.

Zutrittsrecht

3.46 Automatenaufstellverträge sehen oft das Recht des Aufstellers vor, die Gaststätte innerhalb der allgemeinen Öffnungszeiten betreten zu dürfen. Dafür bestehen sachliche Gründe, weil der Aufsteller Betriebsstörungen beseitigen muss sowie Geräte austauschen und Platten auswechseln darf.62) 9.

Service und Wartung

3.47 a) Grundsatz. Der Aufsteller ist nicht nur verpflichtet, die Geräte zu liefern, aufzustellen und anzuschließen, sondern sie auch regelmäßig zu warten. Defekte Automaten muss er unverzüglich instand setzen oder austauschen.63) 3.48 b) Freizeichnung. Es ist unbedenklich, den Betriebsinhaber zur Durchführung von Service- und Wartungsarbeiten auf eigene Kosten zu verpflichten.64) 10.

Betriebsstörungen

3.49 a) Mitteilung. Wirksam ist die dem Betriebsinhaber aufgelegte Pflicht, Störungen dem Aufsteller mitzuteilen.65) 3.50 b) Freizeichnung. Soweit der Aufsteller sich verpflichtet, etwa auftretende Betriebsstörungen an dem Automaten auf eigene Kosten zu beseitigen, bestehen gegen eine solche Klausel keine Bedenken; sie fügt sich in das Raster von § 535 Abs. 1 BGB.66) 11.

Reparatur und Instandsetzung

3.51 Eine verschuldensunabhängige Haftung des Betriebsinhabers für Instandsetzungskosten (Freizeichnungsklausel) dürfte dagegen gem. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 286 Abs. 4 BGB unwirksam sein.67) ___________ 61) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 62) OLG Hamm, Urt. v. 29.5.1991 – 30 U 105/91, NJW-RR 1991, 1526. 63) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 64) a. A. Staudinger-Emmerich, BGB, Vorbemerkungen zu § 535 Rz. 45. 65) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 66) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 24. 67) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NJW 2006, 766.

782

V. Dauer des Aufstellrechts

12.

Beschädigungen

Die Sachgefahr für die Automaten, z. B. für Diebstahl oder Beschädigung durch 3.52 Gäste, kann nicht ohne weiteres auf den Betriebsinhaber übertragen werden, weil der Aufsteller die Bestimmung über den Aufstellort trifft und er das Risiko seiner Entscheidung tragen muss. Da es auf das Kriterium der Zumutbarkeit ankommt, ist es mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn eine Klausel die Haftung des Betriebsinhabers für jegliche Drittbeschädigung einfordert. Reparaturkosten schuldet der Wirt nur, wenn er vertreten muss, dass der Schädiger nicht ermittelt wird. Ohne eigenes Verschulden darf der Betriebsinhaber nicht für Schäden an den Geräten haftbar gemacht werden. Unbedenklich i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist es jedoch, dass der Betriebsinhaber für alle Beschädigungen aufkommen muss, die er zu vertreten hat.68) 13.

Versicherung

Die Versicherung der Automaten gegen Beschädigung ist Sache des Aufstellers 3.53 und kann jedenfalls in einem Formularvertrag nicht dem Betriebsinhaber zur Pflicht gemacht werden. Unwirksam ist es daher, wenn der Aufsteller den Betriebsinhaber ohne Ersatz seiner Auslagen verpflichtet, die Automaten gegen Brand- und Wasserschäden zu versichern.69) Der Aufsteller hat im Regelfall mit seiner Vielzahl von Geräten bessere Möglichkeiten zur Versicherung als der Betriebsinhaber. Das gilt nicht minder für die Überwälzung der Kosten einer umfassenden Kaskoversicherung, weil der Aufsteller die Position des Eigentümers inne hat und damit auch ein eigenes Sacherhaltungsinteresse wahrzunehmen verpflichtet ist.70) V.

Dauer des Aufstellrechts

1.

Interessenlage

Entsprechend Sinn und Zweck des Vertrages werden Automatenaufstellverträ- 3.54 ge in der Regel auf längere Zeit abgeschlossen. Es entspricht der Interessenlage beider Parteien, durch eine nicht allzu kurze Laufzeit Planungs- und insbesondere Einnahmesicherheit zu erhalten. Der Aufsteller will, dass die Geräteanschaffung sich amortisiert, ohne dass das Gerät häufig den Standort wechseln muss, was mit Kosten, Wertverlust und Einnahmeausfällen verbunden wäre. Der Betriebsinhaber will grundsätzlich auch eine verlässliche Ausstattung an Geräten vorhalten können, um sein Sortiment auf eine gewisse Dauer zu stabilisieren oder, etwa bei Spielgeräten, ein interessantes Geräteangebot zu sichern. ___________ 68) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NJW 2006, 766. 69) OLG Braunschweig, Urt. v. 20.4.1989 – 2 U 210/88, VersR 1990, 426. 70) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

783

V. Dauer des Aufstellrechts

12.

Beschädigungen

Die Sachgefahr für die Automaten, z. B. für Diebstahl oder Beschädigung durch 3.52 Gäste, kann nicht ohne weiteres auf den Betriebsinhaber übertragen werden, weil der Aufsteller die Bestimmung über den Aufstellort trifft und er das Risiko seiner Entscheidung tragen muss. Da es auf das Kriterium der Zumutbarkeit ankommt, ist es mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn eine Klausel die Haftung des Betriebsinhabers für jegliche Drittbeschädigung einfordert. Reparaturkosten schuldet der Wirt nur, wenn er vertreten muss, dass der Schädiger nicht ermittelt wird. Ohne eigenes Verschulden darf der Betriebsinhaber nicht für Schäden an den Geräten haftbar gemacht werden. Unbedenklich i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist es jedoch, dass der Betriebsinhaber für alle Beschädigungen aufkommen muss, die er zu vertreten hat.68) 13.

Versicherung

Die Versicherung der Automaten gegen Beschädigung ist Sache des Aufstellers 3.53 und kann jedenfalls in einem Formularvertrag nicht dem Betriebsinhaber zur Pflicht gemacht werden. Unwirksam ist es daher, wenn der Aufsteller den Betriebsinhaber ohne Ersatz seiner Auslagen verpflichtet, die Automaten gegen Brand- und Wasserschäden zu versichern.69) Der Aufsteller hat im Regelfall mit seiner Vielzahl von Geräten bessere Möglichkeiten zur Versicherung als der Betriebsinhaber. Das gilt nicht minder für die Überwälzung der Kosten einer umfassenden Kaskoversicherung, weil der Aufsteller die Position des Eigentümers inne hat und damit auch ein eigenes Sacherhaltungsinteresse wahrzunehmen verpflichtet ist.70) V.

Dauer des Aufstellrechts

1.

Interessenlage

Entsprechend Sinn und Zweck des Vertrages werden Automatenaufstellverträ- 3.54 ge in der Regel auf längere Zeit abgeschlossen. Es entspricht der Interessenlage beider Parteien, durch eine nicht allzu kurze Laufzeit Planungs- und insbesondere Einnahmesicherheit zu erhalten. Der Aufsteller will, dass die Geräteanschaffung sich amortisiert, ohne dass das Gerät häufig den Standort wechseln muss, was mit Kosten, Wertverlust und Einnahmeausfällen verbunden wäre. Der Betriebsinhaber will grundsätzlich auch eine verlässliche Ausstattung an Geräten vorhalten können, um sein Sortiment auf eine gewisse Dauer zu stabilisieren oder, etwa bei Spielgeräten, ein interessantes Geräteangebot zu sichern. ___________ 68) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 158/01, NJW 2006, 766. 69) OLG Braunschweig, Urt. v. 20.4.1989 – 2 U 210/88, VersR 1990, 426. 70) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

783

§ 38 Automatenaufstellverträge

2.

Individuallaufzeiten

3.55 a) Beurteilungsgrundsätze. Der Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB hat insbesondere dann praktische Bedeutung, wenn – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles – eine so lange Laufzeit des Automatenaufstellvertrages vereinbart ist, dass dadurch eine unangemessene Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers eintritt.71) Dabei sind die jeweiligen Vertragsklauseln im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bewerten. 3.56 b) Beurteilungskriterien. Welche Dauer der Erstlaufzeit unbedenklich ist, wird weder einheitlich beurteilt noch lässt sich dies generell beantworten. Vielmehr hängt die dem Betriebsinhaber zumutbare Belastung – auch und gerade durch die Länge der vertraglichen Bindung – von den ihm nach Art und Höhe zugutekommenden Leistungen ab. 3.57 c) Leistungen. Zum einen wird dabei der Gewinnanteil (Wirteanteil) in Ansatz gebracht, also die Höhe des Betriebsinhaberanteils an den Einspielergebnissen.72) Zum anderen wird danach unterschieden, ob der Automatenaufstellvertrag mit einem Darlehen des Aufstellers an den Betriebsinhaber kombiniert ist oder ein isolierter Vertrag abgeschlossen wurde. Durch die Gewährung eines Darlehens kann möglicherweise die durch andere Klauseln des Vertrages eingeschränkte wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers wieder – jedenfalls teilweise – hergestellt worden sein.73) 3.58 d) Erstlaufzeiten. Eine lange Erstlaufzeit begründet für sich allein keinen Sittenverstoß i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB.74) Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht bei einem auf drei Jahre abgeschlossenen Automatenaufstellvertrag mit im Einzelnen genau vereinbarter Beteiligung an den Einspielergebnissen und im Übrigen nicht zu beanstandender Vertragsgestaltung.75) Eine Individuallaufzeit von zehn Jahren ist nicht sittenwidrig.76) ___________ 71) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 72) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 73) OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 73, 11; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 74) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 75) LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977. 76) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 6/69, WM 1971, 243; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

784

V. Dauer des Aufstellrechts

e) Rückführung. Eine übermäßig lange Laufzeitvereinbarung ist mit angemes- 3.59 senem Kern aufrechtzuerhalten, d. h. auf ein tolerierbares Maß zurückzuführen, wobei von der längsten zulässigen Laufzeit auszugehen ist.77) Voraussetzung ist, dass der Vertrag hinsichtlich seines weiteren Inhalts nicht zu beanstanden ist und der Vertrag im Übrigen unverändert bleibt. 3.

AGB-Laufzeiten

a) Individualabrede. Eine lange Laufzeit dürfte in der Regel individuell ausge- 3.60 handelt worden sein (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).78) b) § 309 Nr. 9 a BGB. § 309 Nr. 9 a BGB hat im Zusammenhang mit Automa- 3.61 tenaufstellverträgen keine Bedeutung. Zum einen erfasst die Vorschrift nach Überschrift und Wortlaut nur Kauf-, Werk- und Dienstverträge. Bei einem Automatenaufstellvertrag handelt es sich hingegen um einen nicht unter diese Vertragstypen fallenden Gestattungsvertrag mit mietrechtlichen und – wegen Eingliederung in den Gewerbebetrieb am Aufstellort und des gemeinsamen Interesses am Einspielergebnis – personenbezogenen Elementen.79) Zum anderen unterfällt ein Automatenaufstellvertrag als Gestattungsvertrag mit mietvertraglichen Elementen dem Klauselverbot auch dann nicht, wenn der Verwender verpflichtet ist, die Automaten zu befüllen und zu warten.80) Schließlich ist im Hinblick auf eine Unternehmer-, jedenfalls Existenzgründereigenschaft (§ 14 BGB) des Betriebsinhabers der persönliche Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle nicht eröffnet (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB).81) c) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Grundlagen. Damit kommt § 307 BGB un- 3.62 eingeschränkt zur Anwendung. Je erheblicher die Leistungen des Automatenaufstellers sind, desto einschneidender können die in dem Formularvertrag vereinbarten Bedingungen des anderen Vertragspartners sein.82) Ähnlich wie beim Getränkelieferungsvertrag besteht also ein Äquivalenzverhältnis zwischen der Laufzeit des Automatenaufstellvertrages und der Dauer des Darlehensvertra___________ 77) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 273; BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225. 78) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118. 79) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. Vgl. im Übrigen Begründung Regierungsentwurf AGBG, BT-Drucks. 7/3919, S. 37; BGH, Urt. v. 13.2.1985 – VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328; BGH, Urt. v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH, Urt. v. 9.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818; BGH, Urt. v. 8.2.2012 – XII ZR 42/10, NJW 2012, 1431. 80) BGH, Urt. v. 22.3.1967 – VIII ZR 10/65, BGHZ 47, 202 = NJW 1967, 1414; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 81) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 82) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

785

§ 38 Automatenaufstellverträge

ges.83) Hinzu kommt, dass das Darlehen regelmäßig durch die Einspielergebnisse amortisiert werden soll.84) 3.63 bb) Leistungen. Wiederum kommt es einerseits auf den vereinbarten Wirteanteil an.85) Allerdings verringert sich dieser durch den den Aufsteller begünstigenden Vorwegabzug des Amortisationsbetrages, der Vergnügungssteuer und der Gema-Gebühren.86) 3.64 Andererseits ist zu fragen, ob und in welcher Höhe und zu welchen Konditionen der Aufsteller dem Betriebsinhaber im Zusammenhang mit dem Abschluss des Aufstellvertrages ein Darlehen einräumt hat.87) 3.65 Als weitere Leistungen ist an die Übernahme einer Bürgschaft durch den Aufsteller gegenüber dem Verpächter zu denken.88) 3.66 cc) Kompensation. Es besteht keine unmittelbare Beziehung zwischen der Laufzeit des Vertrages und Vertragsklauseln im Übrigen. Daher räumt eine kürzere Vertragsdauer Bedenken gegen andere belastende Klauseln nicht aus. Dies gilt auch im umgekehrten Fall. Ein relativ hoher Wirteanteil vermag allerdings eine als unangemessen einzustufende Benachteiligung des Betriebsinhabers nicht zu kompensieren.89) 3.67 dd) Erstlaufzeiten. Eine Erstlaufzeit von drei Jahren wurde bei einem Vertrag ohne Darlehensgewährung nicht beanstandet.90) 3.68 Soweit das gewählte Darlehen durch die Einspielergebnisse des Automaten amortisiert werden soll, wird man eine Laufzeit von fünf Jahren als angemessen ansehen dürfen.91) 3.69 Gegen Laufzeiten von zehn Jahren hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zwar zunächst Bedenken angemeldet,92) sie schließlich aber doch mit der Be___________ 83) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 84) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 85) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 86) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 87) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 88) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 89) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 90) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 1973, 11. 91) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. So auch für einen Fall ohne Darlehensgewährung das LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 92) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225.

786

V. Dauer des Aufstellrechts

gründung unbeanstandet gelassen, der Betriebsinhaber habe sich bei Abschluss des Vertrages der damit verbundenen Entscheidung über den Charakter der Gaststätte bewusst sein müssen. Im Hinblick auf das langfristige Gewinninteresse des Aufstellers ist eine Vertragsdauer von zehn Jahren noch nicht unangemessen, wenn ein nicht unerhebliches Darlehen gewährt wird, der Betriebsinhaber überdurchschnittlich an den Einspielergebnissen beteiligt wird und solange nicht weitere belastende Klauseln hinzutreten.93) d) Rechtsfolgen unwirksamer Laufzeitklauseln. aa) Laufzeitklausel. Nach 3.70 älterer, allerdings überholter94) Rechtsprechung hatte der BGH den Vertrag mit angemessenem Kern aufrechterhalten, d. h. auf ein tolerierbares Maß zurückgeführt, und dabei offengelassen, ob dies im Wege der geltungserhaltenden Reduktion oder der ergänzenden Vertragsauslegung geschehen könne.95) Eine solche im Ergebnis geltungserhaltende Reduktion ist indes abzulehnen. bb) Vertrag im Übrigen. Ist eine Laufzeitklausel unwirksam, so liegt zunächst 3.71 i. d. R. keine Gesamtnichtigkeit vor (§ 306 Abs. 1 BGB).96) Vielmehr handelt es sich um einen Vertrag ohne Laufzeitregelung. Verträge mit unwirksamer Laufzeitklausel sind als unbefristete Verträge zu behandeln. cc) Kündigung. Da der Automatenaufstellvertrag auch Elemente des Mietver- 3.72 trags enthält, dürfte auf § 580a BGB abzustellen sein.97) Begründen lässt sich dies damit, dass die Aufstellung der Automaten i. d. R. in Geschäftsräumen erfolgt und gerade in der Eingliederung in den Geschäftsbetrieb das vertragswesentliche Element gesehen ist. Hinsichtlich der in Frage kommenden Kündigungsfristen werden § 580a Abs. 1 (Nr. 3), Abs. 2 oder Abs. 3 Nr. 298) BGB als einschlägig genannt.

___________ 93) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; wohl auch BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261 (ohne Darlehensgewährung); BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225 (ohne Darlehensgewährung); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 94) Siehe oben § 10 VII 1 m. w. N. 95) BGH, Urt. v. 7.4.1982 – VIII ZR 323/80, NJW 1982, 1693 = ZIP 1982, 698 = Zeller III, 220; BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 96) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 97) LG Köln, Urt. v. 5.7.1972 – 9 O. 129/72, NJW 1972, 2127; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 98) LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991.

787

§ 38 Automatenaufstellverträge

4.

Verlängerungsklauseln

3.73 a) Zulässigkeit. Grundsätzlich zulässig sind Verlängerungsklauseln, wonach sich der Vertrag nach Ablauf seiner Laufzeit automatisch verlängert. Dies insbesondere auch deshalb, weil ein Unternehmervertrag vorliegt. Zu prüfen ist, ob ein gewährtes Darlehen bereits zurückgezahlt ist und sich die Investitionen des Verwenders amortisiert haben. Zu fragen ist, ob mit der Vertragsverlängerung auch Investitionen des Verwenders wie etwa der Einsatz neuer Geräte verbunden sind. Dies weist den Weg zu einer differenzierten Betrachtung. 3.74 b) Einzelfälle. Eine Verlängerungsklausel von maximal 12 (bis 18) Monaten wird man auch dann als nach § 307 Abs. 1 BGB angemessen bewerten können, wenn der Automatenaufsteller dem Betriebsinhaber ein Darlehen gewährt, weil dessen Amortisation primär auf die Erstlaufzeit des Vertrages zugeschnitten ist.99) Eine der Erstlaufzeit entsprechende Verlängerung – drei oder fünf Jahre – scheitert regelmäßig an § 307 Abs. 1 BGB. So ist die stillschweigende Verlängerung eines auf 66 Monate abgeschlossenen Vertrages um die gleiche Zeit unangemessen. Gerade wenn man davon ausgeht, dass der Automatenaufsteller kein berechtigtes Interesse daran hat, dass die Erstlaufzeit so bemessen wird, dass er in jedem Fall die Anschaffungskosten seines Gerätes durch die Einspielergebnisse amortisiert, ist i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB nicht zu erkennen, dass der Betriebsinhaber – im Rahmen einer Verlängerungsklausel – erneut so lange gebunden wird, wie dies der Erstlaufzeit entspricht. 3.75 c) Verlängerung bei Aufstellung eines neuen Musikautomaten. Als überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) ist die Bestimmung in einer Klausel anzusehen, nach der eine zehnjährige (neue) Vertragslaufzeit zu laufen beginnen soll, wenn der Klauselverwender auf Wunsch des Betriebsinhabers einen neuen Musikautomaten aufstellt.100) 3.76 Die Klausel ist auch unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), weil an ein rein tatsächliches Verhalten – den Wunsch des Betriebsinhabers nach Aufstellung eines neuen Musikautomaten – eine schwerwiegende Rechtsfolge – hier eine langjährige Vertragsverlängerung – angeknüpft wird. Darin liegt eine Erklärungsfiktion i. S. d. § 308 Nr. 5 BGB.101) 5.

Kündigungsfristen

3.77 a) § 138 Abs. 1 BGB. Eine unvertretbare Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB kann sich auch aus der Ver-

___________ 99) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 15. 100) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 101) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281.

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V. Dauer des Aufstellrechts

einbarung sehr langer Kündigungsfristen mit Verlängerungsklauseln ergeben.102) b) § 307 Abs. 1 BGB. Eine solche Klausel kann auch gegen § 307 Abs. 1 BGB 3.78 verstoßen. Das Erfordernis der Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten für eine ordentliche Kündigung ist noch zulässig.103) Die Klausel, dass sich der Vertrag um jeweils ein Jahr verlängere, wenn er nicht sechs Monate vor seinem Ablauf gekündigt werde, ist hingenommen worden.104) Dagegen hat der BGH Kündigungsfristen von zwei oder gar zweieinhalb Jahren als völlig aus dem Rahmen fallend und durch keine beachtlichen Interessen des Aufstellers mehr gerechtfertigt für unwirksam erklärt. Insbesondere genügt nicht die Gewährung eines Darlehens.105) 6.

Fragen im Zusammenhang mit zugrunde liegenden Nutzungsverhältnissen Schließt der Betriebsinhaber einen Automatenaufstellvertrag mit einer Lauf- 3.79 zeit, die länger ist als die des Gaststättenpachtvertrages, so rechtfertigt selbst der Umstand, dass der Automatenaufsteller von der kürzeren Laufzeit des Pachtvertrages unterrichtet ist, es nicht, den Automatenaufstellvertrag dahin auszulegen, dass er entgegen seinem klaren Wortlaut der Pachtvertragsdauer angepasst werden müsse.106) 7. Anschlussvertrag Zum Anschlussvertrag ist ein Urteil des LG Konstanz aus dem Jahre 2005 zu 3.80 berichten.107) 8. Laufzeitendivergenzen Die Bindungsfrist sollte in angemessenem Verhältnis zur Tilgungszeit des 3.81 Darlehens stehen.108) Nicht unangemessen sind Bindungsfristen, die in ein Ver___________ 102) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Hamm, Urt. v. 26.1.1961 – 23 S 427/60, NJW 1961, 1034. 103) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; LG Köln, Urt. v. 5.7.1972 – 9 O. 129/72, NJW 1972, 2127. 104) BGH, Urt. v. 14.6.1983 – KZR 19/82, BeckRS 1983, 31168323 = Zeller III, 251; BGH, Urt. v. 29.5.1991 – VIII ZR 71/90, ZIP 1991, 960. 105) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 7.4.1982 – VIII ZR 323/80, NJW 1982, 1693 = ZIP 1982, 698 = Zeller III, 220; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 106) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 273. 107) LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 108) LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

hältnis zur Dauer der Tilgung eines regelmäßig dem Betriebsinhaber gewährten Darlehens gesetzt werden, und zwar in der Weise, dass der Vertrag auf die doppelte Frist der vorgesehenen Tilgungszeit geschlossen wird, höchstens aber auf fünf Jahre.109) VI.

Einspielerlöse und Wirteanteil

1.

Garantie

3.82 a) Einbeziehung. Garantieklauseln, die unabhängig vom tatsächlichen Einspielergebnis dem Aufsteller einen bestimmten Mindestbetrag sichern sollen, sind überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB), sofern sie an versteckter Stelle im Vertrag stehen.110) 3.83 b) Inhaltskontrolle. Die Kontrolle solcher Garantieklauseln wird nicht durch § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.111) 3.84 Regelmäßig liegt ein Verstoß gegen den durch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützten Vertragszweck vor, wenn Einspielrisiken, vor allem die vom Betriebsinhaber nicht zu vertretenden Ausfälle der Automaten oder durch Straßenbauarbeiten verursachte Unzugänglichkeiten der Gaststätte, auf den Betriebsinhaber verlagert werden. Hier werden seine angemessene Gewinnbeteiligung und damit die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet, wenn nicht vereitelt.112) 3.85 Eine Entgeltgarantie verstößt auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.113) 3.86 Eine Klausel, der zufolge der Betriebsinhaber bestimmte Einspielergebnisse garantiert bzw. unabhängig vom Einspielergebnis einen bestimmten Mindestbetrag zu zahlen hat, verstößt weiter gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den Betriebsinhaber mit allen Unternehmerrisiken des Aufstellers belastet und damit dem von der Rechtsprechung formulierten Leitbild des Automatenaufstellvertrages widerspricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betriebsinhaber auch für den Zeitraum das ungekürzte Entgelt schuldet, in dem Ausfallzeiten

___________ 109) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 – Münzautomaten-Recht (MAR) Januar 1987; OLG Naumburg, Urt. v. 7.1.1994 – 3 U 84/93, Münzautomaten-Recht (MAR) Januar 1995: fünf Jahre Laufzeit bei Darlehenshingabe von 20.000 DM; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991, wonach es unzulässig sei, wenn die Vertragsdauer die vorgesehene Tilgungszeit um mehr als das Doppelte überschreitet. 110) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856 (verneinend). 111) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 112) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 113) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

hältnis zur Dauer der Tilgung eines regelmäßig dem Betriebsinhaber gewährten Darlehens gesetzt werden, und zwar in der Weise, dass der Vertrag auf die doppelte Frist der vorgesehenen Tilgungszeit geschlossen wird, höchstens aber auf fünf Jahre.109) VI.

Einspielerlöse und Wirteanteil

1.

Garantie

3.82 a) Einbeziehung. Garantieklauseln, die unabhängig vom tatsächlichen Einspielergebnis dem Aufsteller einen bestimmten Mindestbetrag sichern sollen, sind überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB), sofern sie an versteckter Stelle im Vertrag stehen.110) 3.83 b) Inhaltskontrolle. Die Kontrolle solcher Garantieklauseln wird nicht durch § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.111) 3.84 Regelmäßig liegt ein Verstoß gegen den durch § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützten Vertragszweck vor, wenn Einspielrisiken, vor allem die vom Betriebsinhaber nicht zu vertretenden Ausfälle der Automaten oder durch Straßenbauarbeiten verursachte Unzugänglichkeiten der Gaststätte, auf den Betriebsinhaber verlagert werden. Hier werden seine angemessene Gewinnbeteiligung und damit die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet, wenn nicht vereitelt.112) 3.85 Eine Entgeltgarantie verstößt auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.113) 3.86 Eine Klausel, der zufolge der Betriebsinhaber bestimmte Einspielergebnisse garantiert bzw. unabhängig vom Einspielergebnis einen bestimmten Mindestbetrag zu zahlen hat, verstößt weiter gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil sie den Betriebsinhaber mit allen Unternehmerrisiken des Aufstellers belastet und damit dem von der Rechtsprechung formulierten Leitbild des Automatenaufstellvertrages widerspricht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betriebsinhaber auch für den Zeitraum das ungekürzte Entgelt schuldet, in dem Ausfallzeiten

___________ 109) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1987 – 6 U 38/87, NJW-RR 1988, 177 – Münzautomaten-Recht (MAR) Januar 1987; OLG Naumburg, Urt. v. 7.1.1994 – 3 U 84/93, Münzautomaten-Recht (MAR) Januar 1995: fünf Jahre Laufzeit bei Darlehenshingabe von 20.000 DM; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991, wonach es unzulässig sei, wenn die Vertragsdauer die vorgesehene Tilgungszeit um mehr als das Doppelte überschreitet. 110) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856 (verneinend). 111) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 112) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 113) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588.

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VI. Einspielerlöse und Wirteanteil

vorliegen, deren Ursache nicht vom Betriebsinhaber zu vertreten ist, z. B. bei Vorliegen eines Ereignisses höherer Gewalt.114) 2.

Höhe im Übrigen

a) Transparenzgebot. Die Entgeltregelung muss dem Transparenzgebot von 3.87 § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechen. Das gilt vor allem auch dann, wenn es sich um Entgeltregelungen handelt, die inhaltlich auseinandergerissen und an verschiedenen Stellen verankert sind.115) Gleiches gilt dann, wenn die Berechnung des Wirteanteils wie zumeist – z. B. Ab- 3.88 zug des Amortisationsbetrages, der Vergnügungssteuern und der GEMAGebühren, Ermittlung des Tagesdurchschnitts, Anwendung von Tabellen etc. – nur schwer verständlich ist, so dass der Betriebsinhaber die ihm zufließende Gewinn- und Renditechance nur mit großer Mühe – wenn überhaupt – kalkulieren kann.116) b) Kompensation. Im Übrigen wird man nur mit Zurückhaltung einen relativ 3.89 hohen Wirteanteil als entscheidend i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dafür ansehen können, eine als unangemessen einzustufende Benachteiligung des Betriebsinhabers zu kompensieren.117) 3.

Abrechnung

a) Inhaltskontrolle. Die Entgeltabrechnung des Wirteanteils darf nicht im 3.90 Ermessen des Aufstellers stehen. Unwirksam nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind sonach Abrechnungsklauseln, wonach der Aufsteller einseitig den Zeitraum für die jeweilige Abrechnung bestimmt. Die Klausel berücksichtigt nicht die Interessen des auf seinen Anteil an den Einspielergebnissen angewiesenen Betriebsinhabers. So liegt eine unbillige Bevorzugung der Interessen des Automatenaufstellers vor, wenn er sich das Recht vorbehält, bei Berechnung des Bruttoerlöses wahlweise sechs aufeinander folgende Monate für die Feststellung der Bruttoeinnahmen zugrunde zu legen. Dies gibt ihm die Möglichkeit, sich aus der gesamten Vertragszeit die Serie der besten, möglicherweise schon lange zurückliegenden Monate auszusuchen, die mit den letzten Einspielergebnissen und damit mit dem dem Aufsteller tatsächlich entstandenen Schaden nicht vergleichbar sind.118)

___________ 114) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 115) BGH, Urt. v. 1.7.1992 – II R 12/90, NJW 1983, 159. 116) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 117) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 118) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

3.91 b) Im Zweifel – insbesondere bei Unwirksamkeit einer Abrechnungsklausel – ist gem. §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass eine monatliche Abrechnung durchzuführen ist.119) 4.

Änderung der Verteilung

3.92 Aufgrund einer Vollmachtsklausel kann zwar die monatliche Abrechnung des Automatenaufstellers mit einem von mehreren Vertragspartnern allen gegenüber wirksam vorgenommen werden, nicht aber die Änderung der Verteilung der Einspielerlöse. Differenzieren die Klauseln nicht hinreichend nach den einzelnen Regelungstatbeständen, so sind sie insgesamt unwirksam.120) VII. Weitere Zahllasten 1.

Nutzungsentgelt

3.93 Ist z. B. das um eine wie auch immer gestaltete (zusätzliche) „Gebühr“ erhöhte Entgelt für die Gebrauchsüberlassung/Nutzung unabhängig davon zu bezahlen, ob eine Reparatur/Wartung der Automaten erforderlich ist, dann liegt bereits darin eine Abweichung vom dispositiven Recht des § 535 Abs. 1 BGB, weil der Betriebsinhaber als Mieter in diesen Fällen zur Mietminderung gem. § 536 BGB berechtigt wäre. Folglich verstößt eine solche Entgeltklausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist unwirksam.121) 3.94 Dabei kommt es auf die jeweilige Klauselgestaltung an, weil es darum geht, eine i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB festzustellende unangemessene Benachteiligung des Betriebsinhabers zu konkretisieren. Diese ist u. a. abhängig von der Störund Reparaturanfälligkeit der zur Verfügung gestellten Automaten sowie davon, innerhalb welcher Zeit der Aufsteller die Reparatur bzw. ein Ersatzgerät schuldet. Ist die Frist sehr kurz – etwa kürzer als eine Woche –, so mag der Ausschluss des Minderungsrechts des Betriebsinhabers noch akzeptabel erscheinen. Eine Frist von 30 Tagen ist jedoch allemal i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen.122) 2.

Mietvergütung

3.95 Ein Automatenaufstellvertrag ist wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) nichtig, wenn sich der Automatenaufsteller neben einer der Vorfinanzierung dienenden ___________ 119) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 120) OLG Schleswig, Urt. v. 22.3.1983 – 6 REMiet 4/82, NJW 1983, 1862; LG Berlin, Urt. v. 13.7.1988 – 26 O. 71/88, ZIP 1988, 1311. 121) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 122) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 918 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

3.91 b) Im Zweifel – insbesondere bei Unwirksamkeit einer Abrechnungsklausel – ist gem. §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass eine monatliche Abrechnung durchzuführen ist.119) 4.

Änderung der Verteilung

3.92 Aufgrund einer Vollmachtsklausel kann zwar die monatliche Abrechnung des Automatenaufstellers mit einem von mehreren Vertragspartnern allen gegenüber wirksam vorgenommen werden, nicht aber die Änderung der Verteilung der Einspielerlöse. Differenzieren die Klauseln nicht hinreichend nach den einzelnen Regelungstatbeständen, so sind sie insgesamt unwirksam.120) VII. Weitere Zahllasten 1.

Nutzungsentgelt

3.93 Ist z. B. das um eine wie auch immer gestaltete (zusätzliche) „Gebühr“ erhöhte Entgelt für die Gebrauchsüberlassung/Nutzung unabhängig davon zu bezahlen, ob eine Reparatur/Wartung der Automaten erforderlich ist, dann liegt bereits darin eine Abweichung vom dispositiven Recht des § 535 Abs. 1 BGB, weil der Betriebsinhaber als Mieter in diesen Fällen zur Mietminderung gem. § 536 BGB berechtigt wäre. Folglich verstößt eine solche Entgeltklausel gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist unwirksam.121) 3.94 Dabei kommt es auf die jeweilige Klauselgestaltung an, weil es darum geht, eine i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB festzustellende unangemessene Benachteiligung des Betriebsinhabers zu konkretisieren. Diese ist u. a. abhängig von der Störund Reparaturanfälligkeit der zur Verfügung gestellten Automaten sowie davon, innerhalb welcher Zeit der Aufsteller die Reparatur bzw. ein Ersatzgerät schuldet. Ist die Frist sehr kurz – etwa kürzer als eine Woche –, so mag der Ausschluss des Minderungsrechts des Betriebsinhabers noch akzeptabel erscheinen. Eine Frist von 30 Tagen ist jedoch allemal i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen.122) 2.

Mietvergütung

3.95 Ein Automatenaufstellvertrag ist wegen Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) nichtig, wenn sich der Automatenaufsteller neben einer der Vorfinanzierung dienenden ___________ 119) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 120) OLG Schleswig, Urt. v. 22.3.1983 – 6 REMiet 4/82, NJW 1983, 1862; LG Berlin, Urt. v. 13.7.1988 – 26 O. 71/88, ZIP 1988, 1311. 121) OLG Hamburg, Urt. v. 9.3.1983 – 5 U 114/82, NJW 1983, 1502 = ZIP 1983, 588. 122) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 918 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231.

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VIII. Übertragungsrecht

„Sicherheit“ eine Mietvergütung versprechen lässt, die den Anschaffungswert des Automaten um das Doppelte übersteigt.123) VIII. Übertragungsrecht 1.

Inhalt

Vertragsklauseln können das Recht des Aufstellers vorsehen, die Vertragsstel- 3.96 lung auf einen Rechtsnachfolger zu übertragen (Vertragsübertragungsklausel, Nachfolgeklausel i. w. S.). Der Aufsteller behält sich vor, seine Rechte und Pflichten aus dem Automatenaufstellvertrag auf einen Dritten zu übertragen. 2.

Wirksamkeit

a) § 309 Nr. 10 BGB. Eine Verbrauchereigenschaft ist allenfalls bei Eigentü- 3.97 mererklärungen oder Mithaftungserklärungen Dritter denkbar. Allerdings gilt § 309 Nr. 10 BGB im Übrigen auch im Unternehmerverkehr (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB).124) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Zusammenhang mit einem auf mehrere Jahre 3.98 abgeschlossenen Automatenaufstellvertrag, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufwies, führte der BGH aus, dass eine Vertragsübertragungsklausel ohne Widerspruchsrecht des Betriebsinhabers unwirksam sei, weil dieser typischerweise ein besonderes Interesse daran habe, sich über die Zuverlässigkeit und Solvenz des neuen Vertragspartners Gewissheit zu verschaffen. Bei Automatenaufstellverträgen spielen auf beiden Seiten personenbezogene Elemente eine beachtliche Rolle. Zu nennen sind etwa eine besondere Fachkunde des Aufstellers in Bezug auf die aufgestellten Geräte und ihre Auswechslung, betriebliche organisatorische Voraussetzungen für den Reparatur- und Störungsdienst, zuverlässige Abrechnungen; Fähigkeit des Vertragspartners, den Betrieb so zu gestalten und zu führen, dass die Automaten auch in Anspruch genommen werden. Eine Klausel, die dem Aufsteller die einseitige Vertragsübertragung erlaubt, ist daher unangemessen benachteiligend Auch wurde die Einseitigkeit der Klausel zu Lasten des Betriebsinhabers beanstandet.125) Dabei hat der BGH offen gelassen, ob das Übertragungsrecht dann hingenommen werden kann, wenn es auf Fälle begrenzt ist, in denen ein be___________ 123) KG, Urt. v. 25.5.1964 – 8 U 2207/63, NJW 1964, 1475. Vgl. aber BGH, Urt. v. 24.1.1979 – VIII ZR 16/78, NJW 1979, 758; BGH, Urt. v. 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, NJW 1996, 455. 124) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 125) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, BeckRS 9998, 101023 = ZIP 1984, 1093 = Zeller III, 298; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825 (lässt offen); LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856.

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VIII. Übertragungsrecht

„Sicherheit“ eine Mietvergütung versprechen lässt, die den Anschaffungswert des Automaten um das Doppelte übersteigt.123) VIII. Übertragungsrecht 1.

Inhalt

Vertragsklauseln können das Recht des Aufstellers vorsehen, die Vertragsstel- 3.96 lung auf einen Rechtsnachfolger zu übertragen (Vertragsübertragungsklausel, Nachfolgeklausel i. w. S.). Der Aufsteller behält sich vor, seine Rechte und Pflichten aus dem Automatenaufstellvertrag auf einen Dritten zu übertragen. 2.

Wirksamkeit

a) § 309 Nr. 10 BGB. Eine Verbrauchereigenschaft ist allenfalls bei Eigentü- 3.97 mererklärungen oder Mithaftungserklärungen Dritter denkbar. Allerdings gilt § 309 Nr. 10 BGB im Übrigen auch im Unternehmerverkehr (§ 310 Abs. 1 Satz 2 BGB).124) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Zusammenhang mit einem auf mehrere Jahre 3.98 abgeschlossenen Automatenaufstellvertrag, der neben mietvertraglichen Elementen auch personenbezogene Merkmale aufwies, führte der BGH aus, dass eine Vertragsübertragungsklausel ohne Widerspruchsrecht des Betriebsinhabers unwirksam sei, weil dieser typischerweise ein besonderes Interesse daran habe, sich über die Zuverlässigkeit und Solvenz des neuen Vertragspartners Gewissheit zu verschaffen. Bei Automatenaufstellverträgen spielen auf beiden Seiten personenbezogene Elemente eine beachtliche Rolle. Zu nennen sind etwa eine besondere Fachkunde des Aufstellers in Bezug auf die aufgestellten Geräte und ihre Auswechslung, betriebliche organisatorische Voraussetzungen für den Reparatur- und Störungsdienst, zuverlässige Abrechnungen; Fähigkeit des Vertragspartners, den Betrieb so zu gestalten und zu führen, dass die Automaten auch in Anspruch genommen werden. Eine Klausel, die dem Aufsteller die einseitige Vertragsübertragung erlaubt, ist daher unangemessen benachteiligend Auch wurde die Einseitigkeit der Klausel zu Lasten des Betriebsinhabers beanstandet.125) Dabei hat der BGH offen gelassen, ob das Übertragungsrecht dann hingenommen werden kann, wenn es auf Fälle begrenzt ist, in denen ein be___________ 123) KG, Urt. v. 25.5.1964 – 8 U 2207/63, NJW 1964, 1475. Vgl. aber BGH, Urt. v. 24.1.1979 – VIII ZR 16/78, NJW 1979, 758; BGH, Urt. v. 22.11.1995 – VIII ZR 57/95, NJW 1996, 455. 124) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 125) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 11.7.1984 – VIII ZR 35/83, BeckRS 9998, 101023 = ZIP 1984, 1093 = Zeller III, 298; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825 (lässt offen); LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856.

793

§ 38 Automatenaufstellverträge

rechtigtes Interesse des Aufstellers, wie etwa bei der Gesamtübertragung seines Geschäfts, ersichtlich ist.126) IX.

Nachfolgeklauseln

1.

Inhalt

3.99 Eine weitere Form der Perpetuierung des Vertragsverhältnisses127) stellen Nachfolgeklauseln (i. e. S.) dar, mit denen der Betriebsinhaber verpflichtet wird, bei Aufgabe der Gaststätte die Vertragsbindung auf den Erwerber zu übertragen und für den Eintritt eines Rechtsnachfolgers zu sorgen. Gibt der Betriebsinhaber aus Gründen auf, die in seinem Risikobereich liegen, bleibt er an die Klausel gebunden. Aufgrund der Nachfolgeklausel kann sich der Betriebsinhaber bei Aufgabe der Gaststätte von seinen Verpflichtungen aus dem Aufstellvertrag nur lösen, wenn er den neuen Inhaber der Gastwirtschaft zum (schriftlichen) Eintritt in den Vertrag verpflichtet. 2.

Wirksamkeit von Nachfolgeklauseln im Allgemeinen

3.100 a) Zulässigkeit. aa) Grundsatz. Gegen eine Nachfolgeklausel ergeben sich keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken.128) Allerdings bedarf diese Aussage einer zweifachen Ergänzung. 3.101 bb) Nicht zu verkennen ist, dass die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Weitergabe des Vertrags an einen Rechtsnachfolger eine empfindliche Einschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit darstellen kann. Eine derartige Einschränkung ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn die Interessen des Aufstellers an einer erweiterten Vertragsbindung höherrangig einzustufen wären. In Parallele zum Getränkelieferungsvertrag wird man daher fordern müssen, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung unberührt bleiben muss, jedenfalls die Klausel einer Entpflichtung des Betriebsinhabers im Fall ungewöhnlicher und nicht in seinen Risikobereich fallender Umstände, die zum Betriebsübergang führen, nicht entgegensteht.129)

___________ 126) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 127) Zu den sog. Erweiterungsklauseln siehe oben § 38 IV 6 m. w. N. 128) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 1973, 11. 129) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Pächter); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231 (Eigentümer).

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§ 38 Automatenaufstellverträge

rechtigtes Interesse des Aufstellers, wie etwa bei der Gesamtübertragung seines Geschäfts, ersichtlich ist.126) IX.

Nachfolgeklauseln

1.

Inhalt

3.99 Eine weitere Form der Perpetuierung des Vertragsverhältnisses127) stellen Nachfolgeklauseln (i. e. S.) dar, mit denen der Betriebsinhaber verpflichtet wird, bei Aufgabe der Gaststätte die Vertragsbindung auf den Erwerber zu übertragen und für den Eintritt eines Rechtsnachfolgers zu sorgen. Gibt der Betriebsinhaber aus Gründen auf, die in seinem Risikobereich liegen, bleibt er an die Klausel gebunden. Aufgrund der Nachfolgeklausel kann sich der Betriebsinhaber bei Aufgabe der Gaststätte von seinen Verpflichtungen aus dem Aufstellvertrag nur lösen, wenn er den neuen Inhaber der Gastwirtschaft zum (schriftlichen) Eintritt in den Vertrag verpflichtet. 2.

Wirksamkeit von Nachfolgeklauseln im Allgemeinen

3.100 a) Zulässigkeit. aa) Grundsatz. Gegen eine Nachfolgeklausel ergeben sich keine grundsätzlichen Wirksamkeitsbedenken.128) Allerdings bedarf diese Aussage einer zweifachen Ergänzung. 3.101 bb) Nicht zu verkennen ist, dass die Verpflichtung des Betriebsinhabers zur Weitergabe des Vertrags an einen Rechtsnachfolger eine empfindliche Einschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit darstellen kann. Eine derartige Einschränkung ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn die Interessen des Aufstellers an einer erweiterten Vertragsbindung höherrangig einzustufen wären. In Parallele zum Getränkelieferungsvertrag wird man daher fordern müssen, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung unberührt bleiben muss, jedenfalls die Klausel einer Entpflichtung des Betriebsinhabers im Fall ungewöhnlicher und nicht in seinen Risikobereich fallender Umstände, die zum Betriebsübergang führen, nicht entgegensteht.129)

___________ 126) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 127) Zu den sog. Erweiterungsklauseln siehe oben § 38 IV 6 m. w. N. 128) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 1973, 11. 129) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Pächter); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231 (Eigentümer).

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IX. Nachfolgeklauseln

cc) Zudem muss die sonstige Vertragsgestaltung dem Betriebsinhaber einen 3.102 ausreichenden Freiheitsraum belässt, was vor allem auch die Möglichkeit einschließt, ohne Zustimmung des Aufstellers die Verpflichtungen auf einen Rechtsnachfolger übertragen zu können. In seinem Urteil vom 6.10.1982 hatte der BGH eine Nachfolgeklausel als unangemessen angesehen, wonach sich der Betriebsinhaber auch bei von ihm nicht verschuldeter Aufgabe der Gaststätte von seinen Pflichten aus dem Automatenaufstellvertrag nur befreien konnte, wenn er selbst den Automatenaufstellvertrag in einer anderen Gaststätte fortführte oder aber den neuen Gaststätteninhaber zur Vertragsübernahme verpflichtete.130) Maßgebend sollte der Gesichtspunkt sein, dass die Nachfolgeklausel die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Betriebsinhabers bei einem Verkauf oder bei einer Weiterverpachtung stark beeinträchtigt, weil Interessenten ihrerseits nicht selten an Automatenaufstellverträge gebunden sind oder die Freiheit haben wollen, Bindungen dieser Art zu vermeiden oder doch zumindest zur Kreditschöpfung zu nutzen. Offengelassen wurde diese Frage dagegen in einer Entscheidung vom 21.3.1990.131) b) Kündigungsrecht. aa) Kündbarkeit. Ein aus § 314 BGB resultierendes Kün- 3.103 digungsrecht kann dem Betriebsinhaber nicht in wirksamer Weise genommen werden, sofern ihm die weitere Erfüllung des Vertrages schlechterdings nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls auch der Umfang der Aufstellpflicht von Belang, weil sonst der Nachfolger möglicherweise keine Chance hat, seine eigenen Vorstellungen von der Gestaltung einer Gaststätte durchzusetzen und die Chancen des veräußerungswilligen Betriebsinhaber unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeschränkt werden.132) Ist § 314 (insbesondere § 314 Abs. 1 Satz 2) BGB materiell erfüllt, so läuft die Nachfolgeklausel faktisch ins Leere. bb) Fehlen einer expliziten Kündigungsbefugnis. Die Wirksamkeit der Nach- 3.104 folgeklausel dürfte auch insofern nicht dadurch in Frage gestellt werden können, dass die Klausel ein solches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nicht ausdrücklich einräumt. Vielmehr besteht die Möglichkeit zur vorzeitigen Vertragsbeendigung auch dann, wenn eine vertragliche Regelung fehlt. Eine Nachfolgeklausel, die nur bei freiwilliger Überlassung der Gastwirtschaft an Dritte gelten will, ist dahin auszulegen, dass der Betriebsinhaber zur außerordentlichen Kün-

___________ 130) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Pächter); BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231 (Eigentümer). 131) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 132) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 29.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

digung aus wichtigem Grund berechtigt bleiben soll.133) Jedenfalls muss die Nachfolgeklausel zumindest einer derartigen einschränkenden Auslegung zugänglich sein, um Bestand zu haben.134) 3.105 cc) Risikoverteilung. Die Wirksamkeit von Nachfolgeklauseln hängt davon ab, dass der Betriebsinhaber jedenfalls für den Fall entpflichtet wird, dass er die Gastwirtschaft infolge außergewöhnlicher und nicht in seinem Risikobereich fallender Umstände aufgibt.135) Daher muss eine nach § 307 Abs. 1 BGB wirksame Nachfolgeklausel auf solche Ereignisse abstellen, die nicht in der Risikosphäre des Betriebsinhabers liegen, so dass dieser ohne sein Verschulden einen Nachfolger nicht finden kann. Unwirksam ist eine Nachfolgeklausel, nach der der Betriebsinhabers für den Eintritt eines Rechtsnachfolgers in den Vertrag zu sorgen hat, falls sie auch für den Fall einer unverschuldeten Betriebsaufgabe gilt oder er bei der Suche nach einem Nachfolger unverschuldet erfolglos bleibt.136) 3.106 c) Keine Differenzierung nach der Rechtsstellung des Betriebsinhabers. Der BGH differenziert im Rahmen der Interessenabwägung137) zu Recht nicht zwischen Grundstückseigentümern einerseits und Pächtern einer Gaststätte andererseits. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass die Verpflichtung zur Übertragung der Aufstellverpflichtung auf einen Geschäftsnachfolger für den Eigentümer besonders gravierend ist. Damit geht die aktuelle Rechtsprechung in bewusster Abweichung von früheren Entscheidungen,138) wonach die Belastung für den ___________ 133) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; a. A. BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231 (Eigentümer), wonach der Vertrag explizit eine Enthaftungsmöglichkeit vorsehen müsse. 134) BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 14.6.1983 – KZR 19/82, BeckRS 1983, 31168323 = Zeller III, 251; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. In diesem einschränkenden Sinne hatte der BGH derartige Klauseln auch schon vor Inkrafttreten des AGBG ausgelegt: BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 135) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.11.1972 – 10 U 84/72, MDR 1973, 224 = OLGZ 1973, 11. 136) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Köln, Urt. v. 24.5.1982 – 23 O. 25/82, Münzautomaten-Recht (MAR) März 1988; LG Ulm, Urt. v. 7.7.1987 – 2 O. 83/87, Münzautomaten-Recht (MAR) Januar 1987. 137) Siehe oben § 38 IX 2 b bb m. w. N. 138) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300 (Pächter); BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53 (Pächter).

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IX. Nachfolgeklauseln

Pächter größer als für den Eigentümer sei, weil der Pächter für die Fortführung der Gaststätte nicht sorgen könne, nunmehr von einer gleichartigen Belastung für Eigentümer und Pächter aus. Auch wenn ein Geschäftsnachfolger in aller Regel an der Anpachtung eines bindungsfreien Gaststättenobjekts interessiert sei, um Finanzierungsmittel des Getränkelieferanten in Anspruch nehmen zu können, falle die Suche nach einem Pächter, der eine bestehende Aufstellungsverpflichtung zu übernehmen bereit sei, dem Eigentümer des Grundstücks nicht schwerer als dem ausscheidenden Pächter.139) Der Pächter hat auf den Vertrag, den der Verpächter mit einem Pachtnachfol- 3.107 ger schließt, regelmäßig keinen Einfluss; er ist nicht einmal in der Lage, dafür zu sorgen, dass der Betrieb fortgeführt wird. Der Betriebsinhaber als Pächter kann nicht verbindlich über den Nachfolger entscheiden. Die Klausel ist für einen Pächter also nur dann wirksam, wenn er wie ein Eigentümer den Nachfolger auswählen kann.140) d) Eine geltungserhaltende Reduktion scheidet regelmäßig aus, es sei denn, 3.108 die Klausel ist teilbar.141) e) § 306 Abs. 1 BGB. Die Unwirksamkeit einer Rechtsnachfolgeklausel be- 3.109 rührt die Wirksamkeit des Vertrages im Übrigen nicht. 3.

Gesamtschuldklauseln

Unzulässig ist eine Formularbestimmung, nach der der Betriebsinhaber auch 3.110 noch nach Eintritt eines Nachfolgers gesamtschuldnerisch selbst dann weiter haften soll, wenn der Aufsteller der Nachfolge zugestimmt hatte. Die gesamtschuldnerische Haftung des übertragenden Betriebsinhabers neben dem übernehmenden ist deshalb unangemessen, weil sie den Aufsteller deutlich bevorteilt (Übersicherung) gegenüber dem Betriebsinhaber, der Mühe genug hat, den Vertrag zu übertragen, wenn er denn dazu bereit ist. Der Betriebsinhaber kann nicht für Handlungen des Nachfolgers verantwortlich gemacht werden. Dabei ist entscheidend, dass das Bonitäts- und Insolvenzrisiko des Nachfolgers ausschließlich Sache des Automatenaufstellers ist. Der ausscheidende Betriebsinhaber hat hierauf – weder direkt noch indirekt – irgendeinen Einfluss, zumal Gaststätten, wie die Erfahrung lehrt, in ihrem wirtschaftlichen Erfolg in entscheidendem Maße von Ruf und Ansehen des Betriebsinhabers abhängen.142) ___________ 139) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231 (Eigentümer); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 140) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 141) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 142) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

4.

Subsidiäre Ausfallhaftung

3.111 In gleicher Weise dürfte die Begründung einer subsidiären Ausfallhaftung des – ausscheidenden – Betriebsinhabers mit § 307 BGB unvereinbar sein.143) 5.

Bürgschaftsklauseln

3.112 Zu Weiterhaftungsklauseln in Form von Bürgschaftsklauseln siehe von Westphalen.144) 6.

Erklärte Zustimmung

3.113 Eine Inanspruchnahme des Betriebsinhabers aus einer von seinem Nachfolger begründeten Verbindlichkeit ist jedoch rechtsmissbräuchlich, soweit die Brauerei der Nachfolge zugestimmt oder ihre Zustimmung in rechtsmissbräuchlicher Weise verweigert hat. Eine entsprechende Klausel wäre unwirksam.145) X.

Schadensersatzklauseln

1.

Schadensersatz

3.114 Der Zeitraum, der für die Berechnung eines Schadensersatzes nach § 281 BGB vorzusehen ist, darf nicht im Belieben des Aufstellers stehen. Dabei kommt es auch hier entscheidend allein auf den Inhalt der Klausel an. In welchem Umfang der Klauselverwender von ihr Gebrauch macht, ist für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit ohne Belang.146) 2.

Schadensersatzpauschalierungen

3.115 a) Grundsatz. Schadenspauschalierungsabreden sind auch in Automatenaufstellverträgen grundsätzlich zulässig.147) 3.116 b) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a BGB. aa) Grundlagen. Im Hinblick auf § 309 Nr. 5 a BGB ist der Aufsteller aber gehalten, die geltend gemachten Schadenspauschalen nach der Art der jeweiligen Vertragsverletzung zu differenzieren. Differenziert die Klausel nicht nach den verschiedenen in Betracht kommenden Vertragsverletzungen des Betriebsinhabers (sog. Einheitspauschale), so darf die Pauschale den typischerweise geringsten Schaden nicht übersteigen.148) ___________ von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 21. von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 21. BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 147) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 148) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 143) 144) 145) 146)

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§ 38 Automatenaufstellverträge

4.

Subsidiäre Ausfallhaftung

3.111 In gleicher Weise dürfte die Begründung einer subsidiären Ausfallhaftung des – ausscheidenden – Betriebsinhabers mit § 307 BGB unvereinbar sein.143) 5.

Bürgschaftsklauseln

3.112 Zu Weiterhaftungsklauseln in Form von Bürgschaftsklauseln siehe von Westphalen.144) 6.

Erklärte Zustimmung

3.113 Eine Inanspruchnahme des Betriebsinhabers aus einer von seinem Nachfolger begründeten Verbindlichkeit ist jedoch rechtsmissbräuchlich, soweit die Brauerei der Nachfolge zugestimmt oder ihre Zustimmung in rechtsmissbräuchlicher Weise verweigert hat. Eine entsprechende Klausel wäre unwirksam.145) X.

Schadensersatzklauseln

1.

Schadensersatz

3.114 Der Zeitraum, der für die Berechnung eines Schadensersatzes nach § 281 BGB vorzusehen ist, darf nicht im Belieben des Aufstellers stehen. Dabei kommt es auch hier entscheidend allein auf den Inhalt der Klausel an. In welchem Umfang der Klauselverwender von ihr Gebrauch macht, ist für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit ohne Belang.146) 2.

Schadensersatzpauschalierungen

3.115 a) Grundsatz. Schadenspauschalierungsabreden sind auch in Automatenaufstellverträgen grundsätzlich zulässig.147) 3.116 b) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a BGB. aa) Grundlagen. Im Hinblick auf § 309 Nr. 5 a BGB ist der Aufsteller aber gehalten, die geltend gemachten Schadenspauschalen nach der Art der jeweiligen Vertragsverletzung zu differenzieren. Differenziert die Klausel nicht nach den verschiedenen in Betracht kommenden Vertragsverletzungen des Betriebsinhabers (sog. Einheitspauschale), so darf die Pauschale den typischerweise geringsten Schaden nicht übersteigen.148) ___________ von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 21. von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 21. BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 147) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 148) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 143) 144) 145) 146)

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X. Schadensersatzklauseln

Stets ist die Zeitdauer des jeweiligen – schuldhaften – Verstoßes in der Klausel 3.117 zu berücksichtigen, weil eine abstrakt-generelle Bewertung der jeweiligen Schadenspauschale vorzunehmen ist. Ein Zeitraum von zwölf Monaten ist gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unter Berücksichtigung von § 309 Nr. 5 a BGB unwirksam. Auch mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vereinbar ist es, wenn der Aufsteller sich das Recht ausbedingt, die (sechs) Monate „auszuwählen“ (Auswahl der Abrechnungsmonate), die ihm besonders günstig sind.149) Unwirksam sind Schadensersatzpauschalierungen, die in einem Missverhältnis 3.118 zur Höhe des branchenüblichen Gewinns stehen oder bei denen nicht auf die durchschnittlichen Einspielergebnisse abgestellt wird, sondern dem Aufsteller das Recht eingeräumt wird, den Schaden nach Bruttoerlösen zu bestimmen.150) bb) Absolute Pauschalen. Fehlt es an einer Differenzierung nach der Art der 3.119 jeweiligen Vertragsverletzung, so ist eine Schadenspauschale in Höhe von 2.500,00 €/Vertragsverletzung des Betriebsinhabers unangemessen.151) cc) Prozentuale Pauschalen. Schadenspauschalierungen in Höhe des typischen 3.120 Schadens sind möglich, z. B. 30 % des nach Abzug des Wirteanteils verbleibenden durchschnittlichen Einspielergebnisses.152) Unwirksam ist eine Schadenspauschale in Höhe von 70 % des Bruttoerlöses. Pauschalen von über 60 % des Bruttoerlöses sind ebenfalls unwirksam.153) Das Gleiche gilt, wenn die Schadensersatzpauschale 35 % bzw. 42 % des Bruttoerlöses beträgt, der branchenübliche Gewinn jedoch selbst nur 30 % ausmacht.154) c) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 b BGB. Zwar muss im Unternehmerverkehr 3.121 die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens nicht ausdrücklich eingeräumt werden. Der Gegenteilsbeweis darf aber weder konkludent noch ausdrücklich ausgeschlossen werden.155) ___________ 149) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 8.10.1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856. 150) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 8.10.1969 – VIII ZR 20/68, NJW 1970, 29; BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112 = Zeller II, 23; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856. 151) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 152) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; 153) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 154) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 155) BGH, Urt. v. 12.1.1994 – VIII ZR 165/92, NJW 1994, 1060.

799

§ 38 Automatenaufstellverträge

XI.

Vertragsstrafenklauseln

1.

§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 339 Satz 1, 286 Abs. 4 BGB

3.122 a) Grundsatz. Unwirksam ist eine Vertragsstrafenregelung, wenn sie verschuldensunabhängig gestaltet ist (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder die Vertragsstrafe überhöht ist.156) Dabei ist nicht erforderlich, dass die vertragliche Regelung nach dem Wortlaut Verschulden voraussetzt. Ist sie jedoch so formuliert, dass die Vertragsstrafe vom Betriebsinhaber nur verwirkt wird, wenn er die dafür maßgeblichen Gründe zu vertreten hat, dann wird an ein Verschulden des Verpflichteten angeknüpft. Eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe ist dann nicht zu erkennen.157) 3.123 Zwar kann das Verschuldenserfordernis durch AGB abbedungen werden, wenn bei dem betreffenden Vertragstyp gewichtige Gründe für eine schuldensunabhängige Haftung vorliegen. Dies dürfte aber bei Automatenaufstellverträgen ausgeschlossen sein.158) 3.124 b) Soweit eine Vertragsstrafe gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, kommt eine Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. § 343 BGB auch im Unternehmerverkehr nicht in Betracht (§ 348 BGB), und zwar unabhängig davon, ob der Betriebsinhaber eingetragener Kaufmann war.159) Dem Aufsteller bleibt nichts anderes übrig, als den Betriebsinhaber auf den konkret nachzuweisenden Schadensersatz zu verklagen. 2.

§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB

3.125 a) Die von § 309 Nr. 6 BGB nicht erfassten Vertragsstrafentypen sind nicht im Umkehrschluss generell als zulässig anzusehen. Vielmehr unterliegen Sie auch im Unternehmerverkehr der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein genereller Prüfungsmaßstab, eine von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelöste, typisierende Betrachtungsweise, zugrunde zu legen.160) ___________ 156) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439; LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948. 157) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 158) LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948. 159) BGH, Urt. v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, NJW 1983, 815; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 160) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439.

800

XI. Vertragsstrafenklauseln

b) Kumulationsverbot. aa) Grundsatz. Vereinzelt enthalten Automatenaufstell- 3.126 verträge Schadensersatz- und Vertragsstrafenklauseln nebeneinander. Dann ist die Anrechnungspflicht nach §§ 340 Abs. 2, 341 Abs. 2 BGB zu beachten, unabhängig davon, ob Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder wegen Schlechterfüllung verlangt wird. Das Verbot der Kumulation von Schadensersatz und Vertragsstrafen gilt auch im Unternehmerverkehr.161) Folglich kann die Verpflichtung des Automatenaufstellers, sich auf seinen Schadensersatz wegen Nichterfüllung die aus gleichem Grunde vom Betriebsinhaber verwirkte Vertragsstrafe anrechnen zu lassen (§ 340 Abs. 2 BGB), nicht durch AGB abbedungen werden.162) bb) Ausnahme. Ein Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatz- und 3.127 Vertragsstrafenansprüchen besteht allerdings im Geschäftsverkehr der Unternehmer bei Dauerschuldverhältnissen wie Automatenaufstellverträgen. Hier will der Verwender sich mit der Kumulation gegen das Abschalten seiner und das Aufstellen fremder Automaten sichern. Ebenso wie in den Bereichen des Wettbewerbsrechts sowie bei Patent- und Lizenzverletzungen ist ein anzuerkennendes Bedürfnis für die Kumulation von Schadensersatz- und Vertragsstrafenansprüchen anzuerkennen, aber nur dann, wenn der Sicherungszweck für die Zukunft nicht entfallen ist.163) cc) Die Klausel „Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche des Auf- 3.128 stellers werden hierdurch nicht berührt.“ stimmt mit der gesetzlichen Regelung überein. Nach § 340 Abs. 2 Satz 2 BGB ist die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen. Hier ergibt die Auslegung, dass es an einer Kumulation von Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Vertragsstrafenregelung fehlt.164) Keine Wirksamkeitsbedenken bestehen bei einer Vertragsstrafenregelung fol- 3.129 genden Inhalts: „Können alle oder einzelne Automaten aus vom Kunden zu vertretenden Gründen nicht oder nicht mehr aufgestellt werden, verwirkt der Kunde je Automat oder nicht erfülltem Vertragsjahr eine Vertragsstrafe von 250,00 € bei Geld- oder Warenspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit und von 150,00 € bei sonstigen Automatenarten. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche des Aufstellers werden hierdurch nicht berührt.“165) ___________ 161) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 162) BGH, Urt. v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, NJW 1975, 163 = Zeller I, 303; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 163) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 164) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 165) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439.

801

§ 38 Automatenaufstellverträge

3.130 dd) Streitig ist, ob eine Klausel, nach der die Strafe den Erfüllungsanspruch unberührt lässt, im Hinblick auf §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 340 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne weiteres zulässig ist.166) 3.131 c) Höhe. aa) Grundlagen. Unwirksam, weil unangemessen, kann eine Klausel auch dann sein, wenn sie letztlich nur der Schöpfung einer neuen Geldquelle dient.167) 3.132 Von einer unangemessen hoch angesetzten Strafe, die die Unwirksamkeit zur Folge hat, ist auszugehen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und dessen Folgen für den Vertragspartner steht. Dies ist dann der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe nicht an das Gewicht des Vertragsverstoßes anknüpft, wegen fortschreitender Dauer des vertragswidrigen Zustandes kontinuierlich steigt und wenn weder eine zeitliche noch eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen ist. Dann liegt die unangemessene Benachteiligung des Vertragsstrafenschuldners vor allem in der Gefahr, dass die ständig wachsende Vertragsstrafe seine eigenen Vertragsansprüche aufzehren, außer Verhältnis zum möglichen Schaden des Vertragsstrafengläubigers geraten und dem Automatenaufsteller sogar eine von seinem Sachinteresse nicht mehr gedeckte Vermögensquelle eröffnen kann.168) 3.133 Umgekehrt ist eine Vertragsstrafe nicht unangemessen hoch angesetzt, wenn sie mit den von ihr verfolgten Zwecken in Übereinstimmung steht. Der Gesetzgeber hat die Vertragsstrafe mit einer doppelten Zielrichtung zugelassen. Zum einen soll sie als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten. Zum anderen eröffnet sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis. Zur Verfolgung dieses Zwecks ist es sachgerecht und nicht unverhältnismäßig, wenn die Höhe der Strafe an den Umfang der geschuldeten Leistung anknüpft und durch ihn nach oben begrenzt wird. Schuldet der Betriebsinhaber bei Verwirkung der Vertragsstrafe wirtschaftlich nicht mehr als er bei gehöriger Erfüllung der übernommenen Verpflichtung an Leistung zu erbringen gehabt hätte, so bestehen hinsichtlich der Höhe keine Bedenken. Unwirksam wäre die vereinbarte Vertragsstrafenklausel nur, wenn die darin festgesetzte Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigen würde (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a BGB). Die Unangemessenheit kann sich also aus einem Vergleich des Vertragsstrafenbetrages mit der Gewinnerwartung des Au-

___________ 166) Bedenken bei OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, MDR 1994, 118. 167) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 168) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439.

802

XI. Vertragsstrafenklauseln

tomatenaufstellers und dem ihm durch die Nichterfüllung des Vertrages entstehenden Schaden ergeben.169) Knüpft die Vertragsstrafenklausel alleinig an die Verpflichtung zur Aufstellung 3.134 der Automaten an und sanktioniert damit die Nichteinhaltung der übernommenen Betriebspflicht, so rekurriert sie auf eine Hauptpflicht des Betriebsinhabers. Die Höhe der Vertragsstrafe findet ihr Äquivalent im Gewicht des Vertragsverstoßes. Zwar steigert die Vertragsstrafe sich mit der Dauer der Vertragsverletzung. Ist aber eine summenmäßige Beschränkung vorgesehen, etwa bemessen auf die Vertragslaufzeit, und steht der Höchstbetrag der Vertragsstrafe nicht außer Verhältnis zu dem dem Aufsteller bei Nichtbetrieb der Automaten entstehenden Schaden und knüpft sie damit an den Umfang der von dem Betriebsinhaber geschuldeten Leistung, seiner Betriebspflicht, an, so ergeben sich keine Wirksamkeitsbedenken.170) bb) Staffelung. Soweit Ausschließlichkeitsvereinbarungen durch eine Vertrags- 3.135 strafe abgesichert werden sollen, ist im Übrigen auch zu bedenken, dass die Höhe des eingetretenen Schadensersatzes entscheidend davon abhängig ist, ob die Vertragsverletzung zu Beginn oder unmittelbar vor Auslaufen des Vertrages verübt wird.171) Deshalb sollte die Vertragsstrafe so bemessen sein, dass sie tendenziell auch die Schäden adäquat widerspiegelt, welche unmittelbar vor Beendigung des Vertrages eintreten, weil und soweit der Betriebsinhaber die Ausschließlichkeitsverpflichtung verletzt. Eine gestaffelte Vertragsstrafenregelung ist daher angezeigt.172) Eine gestaffelte Vertragsstrafe von maximal 4.500,00 € bei einem erwarteten Schadensersatzanspruch wegen entgangenen Gewinns von 18.000,00 € ist zulässig.173) cc) Einheitspauschale. Differenziert eine Vertragsstrafenklausel nicht nach 3.136 den verschiedenen in Betracht kommenden Vertragsverletzungen des Betriebsinhabers (Einheitspauschale), so darf die Pauschale den typischerweise geringsten Schaden nicht übersteigen.174)

___________ 169) BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 170) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 171) OLG Celle, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 177/88, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 281; LG Essen, Urt. v. 14.7.1989 – 1 S 177/89, MDR 1989, 996 = Zeller IV 283. 172) LG Essen, Urt. v. 14.7.1989 – 1 S 177/89, MDR 1989, 996 = Zeller IV 283. 173) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 174) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

3.137 Die Unwirksamkeit einer – überhöhten – Vertragsstrafe wird nicht dadurch kompensiert, dass sich auch der Aufsteller gegenüber dem Betriebsinhaber in gleicher Weise verpflichtet.175) 3.138 dd) Welche absolute Grenze für eine Vertragsstrafe anzusetzen ist, wenn der Betriebsinhaber schuldhaft das ausschließliche Aufstellrecht verletzt, ist umstritten. Handelt es sich z. B. um die Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts, so ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.000,00 € für jeden Fall der Zuwiderhandlung nicht zu beanstanden.176) 3.139 Eine in einem Automatenaufstellvertrag vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe von 1.500,00 € kann je nach den Umständen angemessen sein. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Bifunktionalität der Vertragsstrafe. Die Vertragsstrafe darf nicht völlig losgelöst von dem typischerweise aufgrund der jeweiligen Vertragsverletzung eintretenden Schaden sein. Ihre Angemessenheit ist zu verneinen, wenn sie nur wenig geringer als die Gewinnerwartungen ist und kein Bedürfnis für einen derartigen Ausgleich besteht. So darf von dem Betriebsinhaber keine Vertragsstrafe verlangt werden (hier 1.500,00 € pro Verstoß), die bei wenigen Verstößen bereits den Nichterfüllungsschaden mehrerer Jahre erreicht. Daher ist eine Vertragsstrafe mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unvereinbar, die für jeden Fall der Vertragsverletzung eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.500,00 € vorsieht.177) 3.140 Vertragsstrafenklauseln für den Verlust des Aufstellplatzes oder sonstige Vertragsverstöße bis 2.500,00 € sind nicht gerechtfertigt. So der BGH in dem Urteil vom 21.3.1990, weil die Höhe der Vertragsstrafe in einem völlig unangemessenen Verhältnis zu dem im Höchstfall während der Gesamtvertragslaufzeit durch Nichterfüllung in Betracht kommenden Schaden (3.364,00 €) stand.178) 3.141 d) Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.179) Dem Aufsteller bleibt dann nichts anderes übrig, als den Betriebsinhaber auf den konkret entstandenen Schaden zu verklagen.

___________ 175) OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248. 176) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 177) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Celle, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 177/88, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 281; LG Essen, Urt. v. 14.7.1989 – 1 S 177/89, MDR 1989, 996 = Zeller IV, 283. 178) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; LG Aachen, Urt. v. 25.3.1987 – 7 S 445/86, NJW-RR 1987, 948. 179) BGH, Urt. v. 31.1.2003 – VII ZR 210/01, NJW 2003, 1805.

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XII. Kündigungsklauseln

XII. Kündigungsklauseln 1.

Schließung der Gaststätte

Das dem Betriebsinhaber zustehende außerordentliche Kündigungsrecht (§ 314 3.142 BGB), etwa bei nicht zu vertretender Schließung der Gaststätte, kann weder formularmäßig (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. §§ 314, 543 BGB) noch individuell (§ 138 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.180) 2.

Rentabilitätsklausel

a) Begriff. Rentabilitätsklauseln ermöglichen es dem Aufsteller, Geräte abzu- 3.143 räumen, deren Einspielergebnis ein ggf. näher beziffertes Rentabilitätsminimum nicht erreicht. Die Rentabilitätsklausel stellt der Sache nach ein außerordentliches Kündigungsrecht des Aufstellers dar. Sie berechtigt ihn zur jederzeitigen Abholung der Geräte. Dieses Recht wird häufig Abräumrecht genannt.181) b) Inhaltskontrolle. aa) 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Rentabilitätsklauseln stellen auf 3.144 ein „erforderliches Rentabilitätsminimum“ ab. Sie können leicht dazu führen, dass der Betriebsinhaber der Willkür des Automatenaufstellers ausgeliefert wird. Ein jederzeitiges Abholungsrecht des Aufstellers bei Unrentabilität ist als außerordentliches Kündigungsrecht stets unwirksam. Die Klausel ist wegen fehlender Bestimmtheit und Transparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beanstanden, weil der Betriebsinhaber von sich aus überhaupt nicht in der Lage ist, die Rentabilität eines Automaten aufgrund des Textes der Klausel nachzuprüfen. Er ist aber auch mangels Kenntnis der Kosten und der Kalkulation des Aufstellers hierzu überhaupt nicht in der Lage, von sich aus – ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens – festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Automatenaufsteller ein fristloses Kündigungsrecht für sich reklamieren kann.182) Fehlende Transparenz ist auch dann zu bejahen, wenn die Rentabilitätsklausel 3.145 auf „nicht ausreichende Einnahmen“ abstellt.183)

___________ 180) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 181) OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248. 182) BGH, Urt. v. 7.4.1982 – VIII ZR 323/80, NJW 1982, 1693 = ZIP 1982, 698 = Zeller III, 220; BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248. 183) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

3.146 Mangels hinreichender Bestimmtheit dürfte die Klausel unwirksam sein, wenn – wie häufig – lediglich auf ein „erforderliches Rentabilitätsminimum“ abgestellt wird.184) 3.147 Gleiche Bedenken können sich gegen ein Abräumrecht des Aufstellers erheben im Hinblick auf die Formulierung „wenn der Kasseninhalt nicht das für den Aufsteller erforderliche Rentabilitätsminimum erreicht“. Der Betriebsinhaber kann die Erfüllung dieser Voraussetzungen kaum nachprüfen, der Aufsteller sie möglicherweise manipulieren.185) 3.148 bb) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Obwohl die vorgenannten Klauseln wegen der konkreten Umstände der Vertragsgestaltung gelegentlich unbeanstandet gelassen worden ist,186) bestehen auch unabhängig von ihrer Formulierung im Einzelfall Bedenken.187) Soll die zumeist vereinbarte Ausschließlichkeitsbindung von der Entfernung einzelner Geräte unabhängig sein soll, so dass der Betriebsinhaber letztlich ohne eine angemessene Geräteversorgung bleibt, jedenfalls bleiben kann, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.188) Dies jedenfalls dann, wenn auch bei Abräumung der Geräte die Ausschließlichkeitsbindung des Betriebsinhabers bestehen bleiben soll, so dass dieser Gefahr läuft, unversehens keine Geräte mehr zur Verfügung zu haben. Dann handelt es sich um eine ggf. unzulässige Teilkündigungsklausel.189) Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn die Ausschließlichkeitsbindung des Betriebsinhabers mit vollständiger Rückgabe der Automaten endet.190) Teilweise haben entsprechende Klauseln in der Rechtsprechung Bedenken ausgelöst, ohne jedoch isoliert verworfen worden zu sein.191) 3.149 c) Rechtsfolge. Auch bei Nichtigkeit der Rentabilitätsklausel dürften i. d. R. die Hauptpflichten der Parteien – Gestattung und Aufstellung von Automaten in den Gasträumen gegen Beteiligung am Einspielergebnis – bestehen bleiben, so ___________ 184) OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248. 185) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248. 186) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825 (lässt offen). 187) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 188) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 189) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 190) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076, lässt offen. 191) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53.

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XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen

dass der Vertragszweck erreicht und der Vertrag sinnvoll durchgeführt werden kann. Von einer neuen von dem bisherigen Vertragsinhalt abweichenden Vertragsgestaltung bei Wegfall dieser Bestimmung oder deren Festsetzung durch eine am Parteiwillen orientierte Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen kann daher nicht die Rede sein.192) 3.

Negative Auskunft

Zu beachten sind § 305c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 3.150 Satz 2 BGB. Daher sollte die Kündigungsbefugnis eindeutig geregelt werden. Mangels Bestimmtheit ist die Kündigungsbefugnis „bei ungünstigen Auskünften“ unwirksam.193) 4.

Insolvenz

Unbedenklich i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist ein fristloses Kündigungsrecht 3.151 des Automatenaufstellers, wenn der Betriebsinhabers Insolvenz angemeldet hat.194) XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen 1.

Vertragsbruch

a) Pflichtverletzung. Der Betriebsinhaber verstößt gegen seine vertragliche 3.152 Treuepflicht, wenn er den Betrieb anderer Automaten in der Gaststätte duldet. Der Vertragszweck erschöpft sich nicht nur in dem Aufstellen (Belassen) der Geräte in der Gastwirtschaft. Vertragszweck ist vielmehr auch, diese Geräte in der Gastwirtschaft zu betreiben, damit sie für den Aufsteller Gewinn abwerfen. Dieser Vertragszweck ist in dem Augenblick gefährdet, wenn nicht gar zunichte gemacht, indem in der Gaststätte die Geräte anderer Aufsteller aufgestellt werden, um einen Teil des Aufkommens am Gewinn bzw. an den Spielermünzen für sich abzuzweigen.195) b) Wettbewerbsrecht. aa) Das bloße Ausnutzen eines von dem Betriebsinha- 3.153 ber begangenen Vertragsbruchs verstößt noch nicht schlechthin gegen die guten Sitten.196) ___________ 192) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 193) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 194) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 195) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 196) BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 739 = Zeller I, 467.

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XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen

dass der Vertragszweck erreicht und der Vertrag sinnvoll durchgeführt werden kann. Von einer neuen von dem bisherigen Vertragsinhalt abweichenden Vertragsgestaltung bei Wegfall dieser Bestimmung oder deren Festsetzung durch eine am Parteiwillen orientierte Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen kann daher nicht die Rede sein.192) 3.

Negative Auskunft

Zu beachten sind § 305c Abs. 2 BGB und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 3.150 Satz 2 BGB. Daher sollte die Kündigungsbefugnis eindeutig geregelt werden. Mangels Bestimmtheit ist die Kündigungsbefugnis „bei ungünstigen Auskünften“ unwirksam.193) 4.

Insolvenz

Unbedenklich i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist ein fristloses Kündigungsrecht 3.151 des Automatenaufstellers, wenn der Betriebsinhabers Insolvenz angemeldet hat.194) XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen 1.

Vertragsbruch

a) Pflichtverletzung. Der Betriebsinhaber verstößt gegen seine vertragliche 3.152 Treuepflicht, wenn er den Betrieb anderer Automaten in der Gaststätte duldet. Der Vertragszweck erschöpft sich nicht nur in dem Aufstellen (Belassen) der Geräte in der Gastwirtschaft. Vertragszweck ist vielmehr auch, diese Geräte in der Gastwirtschaft zu betreiben, damit sie für den Aufsteller Gewinn abwerfen. Dieser Vertragszweck ist in dem Augenblick gefährdet, wenn nicht gar zunichte gemacht, indem in der Gaststätte die Geräte anderer Aufsteller aufgestellt werden, um einen Teil des Aufkommens am Gewinn bzw. an den Spielermünzen für sich abzuzweigen.195) b) Wettbewerbsrecht. aa) Das bloße Ausnutzen eines von dem Betriebsinha- 3.153 ber begangenen Vertragsbruchs verstößt noch nicht schlechthin gegen die guten Sitten.196) ___________ 192) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 193) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 194) BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. 195) OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.1984 – U (Kart) 16/84, WuW 1985, 430; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 196) BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 739 = Zeller I, 467.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

3.154 bb) Verleitung zum Vertragsbruch. Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen ist der Vertrag nichtig, wenn der Automatenaufsteller in Kenntnis der Tatsache, dass in einer Gastwirtschaft bereits ein Unterhaltungsautomat eines Mitbewerbers aufgestellt ist, mit dem Betriebsinhaber einen Automatenaufstellvertrag über Musikautomaten und Spielautomaten abschließt, ohne sich zu vergewissern, dass dem nicht anderweitige vertragliche Verpflichtungen des Betriebsinhabers entgegenstehen. Der Automatenaufsteller darf sich nicht mit der Erklärung des Betriebsinhabers begnügen, er sei vertraglich nicht gebunden. Der Aufsteller muss sich ggf. durch Rückfrage bei dem Mitbewerber vergewissern, ob eine Bindung noch besteht.197) 3.155 Die Rücksichtnahme des Klauselverwenders auf die Interessen seines Vertragspartners beginnt in den Vertragsverhandlungen und gebietet, den Betriebsinhaber jedenfalls nicht durch ihn besonders günstig erscheinende Konditionen zum Vertragsbruch gegenüber einem anderen Automatenaufsteller zu verleiten.198) 3.156 c) Verletzt der Betriebsinhaber die vertragliche Ausschließlichkeit, dann kann er mit einer einstweiligen Verfügung gem. § 940 ZPO daran gehindert werden.199) 2.

Schadensersatz dem Grunde nach

3.157 a) Verhältnis zur Vertragsstrafe. Haben die Parteien in einem formularmäßigen Automatenaufstellvertrag die von einer Partei zu vertretende vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses lediglich mit einer Vertragsstrafe sanktioniert, so ist für weitergehende Schadensersatzansprüche des Automatenaufstellers regelmäßig kein Raum.200) 3.158 b) Anspruchsgrundlage. Zumeist wird die Frage nach der „richtigen“ Anspruchsgrundlage offengelassen.201) 3.158a c) Pflichtverletzung. Ein Betriebsinhaber, der im Widerspruch zu einem bestehenden Ausschließlichkeitsvertrag mit einem Automatenaufsteller einen weiteren Automatenaufstellvertrag abschließt, ist zum Schadensersatz verpflichtet.202) 3.159 Eine Schadensersatz begründende Vertragspflichtverletzung (§ 280 BGB) liegt dann nicht vor, wenn die Fortführung des Betriebs überhaupt oder in der vereinbarten Art dem Inhaber – sei er Eigentümer oder Pächter – nicht zugemutet ___________ 197) 198) 199) 200) 201)

BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 139 = Zeller I, 467. BGH, Urt. v. 4.5.1973 – I ZR 11/72, MDR 1973, 139 = Zeller I, 467. OLG Hamm, Urt. v. 29.5.1991 – 30 U 105/91, NJW-RR 1991, 1526. OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.5.1994 – 10 U 238/93, BB 1994, 1739. BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 202) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977.

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XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen

werden kann, weil außergewöhnliche, nicht in seinem Risikobereich fallende Umstände eingetreten sind.203) Der Betriebsinhaber macht sich schadensersatzpflichtig (§§ 241, 280 – 283 BGB), 3.160 wenn er den Charakter der Gaststätte in einer Weise ändert, dass die Einspielergebnisse der Automaten spürbar zurückgehen. So hat der Betriebsinhaber den Betrieb in unveränderter Form fortzuführen, so dass die bei Vertragsschluss prognostizierten Einspielergebnisse erhalten bleiben.204) Da der Automatenaufsteller den Besitz an den von ihm aufgestellten Automa- 3.161 ten behält, stellt deren Entfernung durch den Betriebsinhaber eine verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) dar.205) Gibt der Betriebsinhaber seinen Betrieb vor wirksamer Beendigung des Automa- 3.162 tenaufstellvertrages auf, so macht er sich, soweit ihn ein Verschulden trifft, dem Automatenaufsteller gegenüber schadensersatzpflichtig. Der Automatenaufstellvertrag wird durch die Betriebsaufgabe nicht von allein gegenstandslos, an den Verpflichtungen des Betriebsinhabers aus dem Automatenaufstellvertrag ändert sich dadurch grundsätzlich nichts.206) Der Betriebsinhaber hat gegenüber dem Automatenaufsteller die vertragliche 3.163 Nebenpflicht, die Geräte vor Diebstahl oder Beschädigung in zumutbarem Umfang zu schützen; er soll dabei nur für eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB) einzustehen haben.207) d) Vertretenmüssen. Verstößt der Betriebsinhaber durch Abschluss eines wei- 3.164 teren Automatenaufstellvertrages gegen das ausschließliche Aufstellrecht eines anderen Automatenaufstellers, so hat er die nachträgliche Unmöglichkeit der Erfüllung des ersten Automatenaufstellvertrages auch dann zu vertreten, wenn der vorrangig berechtigte Automatenaufsteller sich weigert, an den Hauseigentümer (Verpächter) des Betriebsinhabers monatlich für die Aufstellung des Automaten ein Entgelt zu bezahlen und der Betriebsinhabers von dem Verpächter bei Aufstellenlassen der Geräte durch den vorrangig berechtigten Automatenaufsteller gekündigt würde.208) e) Darlegung und Beweis. Es ist Sache des Aufstellers, gegenüber dem Be- 3.165 triebsinhaber den Nachweis einer objektiven Pflichtverletzung zu führen. Sa___________ 203) BGH, Urt. v. 11.11.1968 – VIII ZR 151/66, BGHZ 51, 55 = NJW 1969, 230 = Zeller I, 118; BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261; AG Kusel, Urt. v. 10.1.1991 – 1 C 296/90, NJW-RR 1991, 1525. 204) BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261; AG Kusel, Urt. v. 10.1.1991 – 1 C 296/90, NJW-RR 1991, 1525. 205) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.1984 – 10 U 108/84, MDR 1985, 497. 206) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 18. 207) AG Kusel, Urt. v. 10.1.1991 – 1 C 296/90, NJW-RR 1991, 1525. 208) LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

che des Betriebsinhabers ist es, den Nachweis des Nichtverschuldens zu führen (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).209) 3.166 Soweit die Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Betriebsinhabers verändert wird, greift der Verbotstatbestand des § 309 Nr. 12 a BGB ein. Diese Bestimmung ist nach § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auch im Unternehmerverkehr zu beachten.210) 3.167 f) Der Anspruch verjährt in drei Jahren (§§ 195, 199 BGB). 3.

Konkrete Schadensberechnung

3.168 a) Einführung. Soweit Schadensersatzpauschalierungs- (oder Vertragsstrafen-) klauseln unwirksam sind, bleibt es dem Aufsteller unbenommen, den Betriebsinhaber auf Zahlung des konkret entstandenen Schadens zu verklagen. 3.169 b) Zeitraum. Der Schadensersatzanspruch erfasst auch den entgangenen Gewinn aus dem Automatenaufstellvertrag für die restliche Vertragslaufzeit.211) 3.170 Macht der Automatenaufsteller einen monatlichen Einspielverlust für nicht aufgestellte Geräte in Höhe von 650,00 €/Monat geltend und bestreitet der Betriebsinhaber diese Behauptung nicht (§ 138 Abs. 3 ZPO), so schuldet er für jeden Monat einen entsprechenden Betrag.212) 3.171 c) Einwand fehlenden Schadens. Ist der Schadensersatzgläubiger Unternehmer, so entspricht es dem gewöhnlichen Lauf der Dinge (§ 252 Satz 2 BGB), dass er marktgängige Waren jederzeit zum Marktpreis absetzen kann. Hieraus folgt, dass der in entgangenem Gewinn bestehende Schaden des Verkäufers, der die vom Käufer nicht abgenommene Ware später zum gleichen Preis anderweitig verkauft, also einen „Deckungsverkauf“ vornimmt, allein hierdurch noch nicht entfällt. Vielmehr enthält die Regelung des § 252 Satz 2 BGB im Handelsverkehr zugunsten des Verkäufers die weitere Vermutung, dass dieser bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Kaufvertrags auch mit dem zweiten Käufer einen Vertrag über die von ihm vertriebene Ware abgeschlossen hätte und zu dessen Erfüllung imstande gewesen wäre, so dass ihm der entsprechende Gewinn aus diesem Zweitgeschäft entgangen ist. Demgegenüber ist es Sache des Käufers darzutun, dass es sich entweder bei der Kaufsache um nicht marktgängige Waren gehandelt hat oder der Verkäufer zur Erfüllung eines zusätzlichen Vertrags nicht in der Lage gewesen wäre.213) Diese Grundsätze gelten entsprechend auch ___________ 209) BGH, Urt. v. 15.3.1978 – VIII ZR 254/76, BGHZ 71, 80 = NJW 1978, 1155 = Zeller II, 261. 210) BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47. 211) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 212) LG Stuttgart, Urt. v. 7.7.1976 – 9 O. 12/76, Münzautomaten-Recht (MAR) April 1977. 213) BGH, Urt. v. 29.6.1994 – VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 = NJW 1994, 2478 = ZIP 1984, 1362.

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XIII. Pflichtverletzungen durch den Betriebsinhaber und ihre Folgen

für den Schadensersatzanspruch des Automatenaufstellers.214) Die anderweitige Aufstellung des Automaten wirkt daher nicht schadensmindernd, wenn der Aufsteller den neuen Platz ohnehin mit anderen – entweder neu beschafften oder seinem Lagerbestand entnommenen – Automaten besetzt hätte. Da zugunsten des Aufstellers die in § 252 Satz 2 BGB begründete Vermutung streitet, er hätte auch bei Erfüllung des Vertrages durch seinen Vertragspartner ein Zweitgeschäft mit dem anderen Gastwirt abgeschlossen, ist es Sache des Letztgenannten, sie durch den Beweis zu widerlegen, dass ihm die Durchführung des Zweitgeschäfts nicht möglich gewesen wäre.215) Sollte eingewendet werden, der Aufsteller habe Ersatzgeräte auf Lager gehabt, 3.172 ergibt sich hieraus, dass er zum Abschluss des Zweitgeschäfts mit weiteren Geräten aus seinem eigenen Bestand in der Lage gewesen wäre. Wenn der Aufsteller hingegen behauptet, nicht über einen Lagerbestand an Automaten zu verfügen, sondern die benötigten Geräte durch Neuanschaffung besorgen zu müssen, dann hat der Schädiger zu beweisen, dass ein solcher Zukauf für das Zweitgeschäft nicht erfolgt wäre. Der Vortrag des Aufstellers zu einer Neuanschaffung ist ausreichend für die Vermutung, dass er dem Zweitpächter auch andere Geräte zur Verfügung gestellt hätte.216) d) Rentabilitätsminimum. Von Bedeutung kann sein, ob der Aufsteller ver- 3.173 traglich die von ihm übernommene Pflicht, die Geräte dem Betriebsinhaber zu überlassen und aufzustellen, an ein Rentabilitätsminimum geknüpft hat. Danach kann der Aufsteller die Geräte nach einer Anzeigefrist abräumen, wenn der Kasseninhalt der Geräte nicht das erforderliche Rentabilitätsminimum erreicht. Dieses ist bei den unterschiedlichen Gerätearten auf die jeweiligen vierwöchigen Nettoumsätze berechnet worden. Für die streitgegenständlichen Automaten ergab sich damit ein Mindestnettoumsatz von 50,00 € im Monat. Diese Regelung verdeutlicht den branchenüblichen Gewinn, den der Aufsteller mit der Aufstellung der Geräte bei dem Betriebsinhaber zu erzielen beabsichtigte, so dass darin der ihm entstehende Schaden bei Nichterfüllung des Vertrages als ein Minimum seinen Ausdruck findet.217) e) Ersparte Aufwendungen. Wie stets sind ersparte Aufwendungen in Abzug 3.174 zu bringen. Der dem Aufsteller als Folge von Vertragsbrüchen entstehende Schaden liegt unter Berücksichtigung des Wirteanteils im Regelfall nur bei rund 30 % des Bruttoerlöses, weil er erhebliche Kosten infolge Erwerbs neuester ___________ 214) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 215) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 216) BGH, Urt. v. 29.6.1994 – VIII ZR 317/93, BGHZ 126, 305 = NJW 1994, 2478 = ZIP 1984, 1362; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 217) BGH, Urt. v. 18.5.1982 – KZR 14/81, BeckRS 1982, 31168331 = Zeller III, 225; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

Geräte, Kosten für Werkstatt, Fremdreparaturen, Beförderung, Bürounterhaltung und Rechtsberatung hat. Soweit bei dem Versuch einer konkreten Schadensberechnung einen Prozentsatz für ersparte Aufwendungen von 30 % ermittelt wurde (anteilige Vorhaltekosten für die Werkstatt sowie die ersparten anteiligen Verwaltungs- und Kraftfahrzeugkosten und die auf die fraglichen Geräte während ihrer Standzeit bei der Gegenseite entfallenden tatsächlichen Reparaturkosten) ist diese Berechnungsweise fehlerhaft, weil in ihr nicht auch die genannten weiteren Kostenpositionen berücksichtigt sind.218) 3.175 f) Schadensschätzung. Das Gericht kann allerdings eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO) vornehmen und ist dann berechtigt, von einem Bruttoerlös von 30 % auszugehen.219) 3.176 g) Entfernt der Betriebsinhaber die von dem Aufsteller aufgestellten Automaten und bringt er stattdessen Geräte eines Drittaufstellers an, so soll sein Vertragspartner neben der Wiederaufstellung seiner Automaten, auch den Abbau der Geräte des Dritten verlangen können, weil dessen Aufstellvertrag mit dem Betriebsinhaber nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein soll.220) Die Begründung erscheint in Fällen des bloßen Ausnutzens eines fremden Vertragsbruchs ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht unbedenklich. 3.177 Entfernt der Betriebsinhaber vertragswidrig die Automaten, so können dem Aufsteller auch ohne ein solches Zutrittsrecht besitzrechtliche Ansprüche (§§ 861, 862 BGB) auf Wiederanbringung seiner Geräte zustehen.221) 3.178 h) Wird eine Partei durch schuldhaftes Verhalten der anderen zur Kündigung des Automatenaufstellvertrages veranlasst, so kann sie von der anderen Ersatz des sog. Kündigungsschadens verlangen. Der BGH hat eine Schadensschätzung dahin angenommen, dass dem Automatenaufsteller 30 % des bisherigen Bruttoerlöses abzüglich Vergnügungssteuer zu ersetzen sind.222) 3.179 i) Prozessuales. Hinsichtlich der nach Urteilserlass fällig werdenden Schadensbeträge handelt es sich um eine Klage auf künftige Zahlung (§ 258 ZPO).223) Hinsichtlich der künftig fällig werdenden Leistungen können allerdings keine Verzugszinsen geltend machen. Denn Verzugszinsen sind keine Leistungen i. S. v. § 258 ZPO, sondern lediglich Sekundäransprüche, deren Entstehung ungewiss ist. Insoweit kann lediglich Klage gem. § 259 ZPO erhoben werden, wenn den ___________ 218) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 219) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825; LG Mainz, Urt. v. 21.6.2002 – 1 O. 430/01, BeckRS 2002, 16856. 220) OLG Hamm, Urt. v. 29.5.1991 – 30 U 105/91, NJW-RR 1991, 1526. 221) OLG Hamm, Urt. v. 29.5.1991 – 30 U 105/91, NJW-RR 1991, 1526. 222) BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076. 223) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825.

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XIX. Kündigung

Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen.224) 4.

Vertragsstrafe

a) Allgemein. Die Vertragsstrafe ist nur verwirkt, wenn der Schuldner die Zu- 3.180 widerhandlung gegen die übernommene Verpflichtung zu vertreten hat.225) Der Schuldner kann die Zuwiderhandlung möglicherweise auch dann nicht zu vertreten haben, wenn der Grund in seinen Risikobereich fällt (z. B. Erkrankung von in der Gaststätte mitarbeitenden Verwandten). Ein Verschulden des Kunden eines Automatenaufstellvertrages ist nicht schon darin zu erkennen, dass das Miet-/Pachtverhältnis aus Gründen aufgelöst wird, die zwar in seinen Risikobereich fallen, die er aber nicht zu vertreten hat.226) b) Die fehlende Konzessionsfähigkeit der Gaststättenräume fällt in den Risi- 3.181 kobereich des Betriebsinhabers und ist von ihm zu verantworten. Auch die unverschuldete persönliche Verhinderung befreit den Mieter grundsätzlich nicht von seinen Vertragspflichten. Diese bestehen allein aufgrund des Vertrages über die Gebrauchsüberlassung, ohne Rücksicht darauf, ob der Mieter/Pächter den Gebrauch ausübt, ausüben kann oder nicht. Er trägt als Sachleistungsgläubiger das Verwendungsrisiko (§§ 581 Abs. 2, 537 BGB). Alles, was von daher in den Risikobereich des Mieters/Pächters fällt, begründet deshalb seine im Grundsatz fortbestehende Leistungspflicht.227) XIX. Kündigung 1.

Kündigung durch den Verpächter

Der Verpächter eines Lokals handelt dann nicht sittenwidrig oder wettbewerbs- 3.182 widrig (§ 1 UWG), wenn er das Pachtverhältnis fristgerecht kündigt, um den Pächter zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages zu veranlassen, in dem ihm das alleinige Recht zur Automatenaufstellung eingeräumt wird, mit der zwangsläufigen Folge, dass ein ohne seine Beteiligung vom Pächter mit einem Dritten abgeschlossener Automatenaufstellvertrag mit längerer Laufzeit nicht fortgesetzt werden kann.228) ___________ 224) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 225) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, WM 1984, 931 = Zeller III, 342; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 226) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 227) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 228) BGH, Urt. v. 24.4.1997 – I ZR 210/94, NJW 1998, 76.

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XIX. Kündigung

Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen.224) 4.

Vertragsstrafe

a) Allgemein. Die Vertragsstrafe ist nur verwirkt, wenn der Schuldner die Zu- 3.180 widerhandlung gegen die übernommene Verpflichtung zu vertreten hat.225) Der Schuldner kann die Zuwiderhandlung möglicherweise auch dann nicht zu vertreten haben, wenn der Grund in seinen Risikobereich fällt (z. B. Erkrankung von in der Gaststätte mitarbeitenden Verwandten). Ein Verschulden des Kunden eines Automatenaufstellvertrages ist nicht schon darin zu erkennen, dass das Miet-/Pachtverhältnis aus Gründen aufgelöst wird, die zwar in seinen Risikobereich fallen, die er aber nicht zu vertreten hat.226) b) Die fehlende Konzessionsfähigkeit der Gaststättenräume fällt in den Risi- 3.181 kobereich des Betriebsinhabers und ist von ihm zu verantworten. Auch die unverschuldete persönliche Verhinderung befreit den Mieter grundsätzlich nicht von seinen Vertragspflichten. Diese bestehen allein aufgrund des Vertrages über die Gebrauchsüberlassung, ohne Rücksicht darauf, ob der Mieter/Pächter den Gebrauch ausübt, ausüben kann oder nicht. Er trägt als Sachleistungsgläubiger das Verwendungsrisiko (§§ 581 Abs. 2, 537 BGB). Alles, was von daher in den Risikobereich des Mieters/Pächters fällt, begründet deshalb seine im Grundsatz fortbestehende Leistungspflicht.227) XIX. Kündigung 1.

Kündigung durch den Verpächter

Der Verpächter eines Lokals handelt dann nicht sittenwidrig oder wettbewerbs- 3.182 widrig (§ 1 UWG), wenn er das Pachtverhältnis fristgerecht kündigt, um den Pächter zum Abschluss eines neuen Pachtvertrages zu veranlassen, in dem ihm das alleinige Recht zur Automatenaufstellung eingeräumt wird, mit der zwangsläufigen Folge, dass ein ohne seine Beteiligung vom Pächter mit einem Dritten abgeschlossener Automatenaufstellvertrag mit längerer Laufzeit nicht fortgesetzt werden kann.228) ___________ 224) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 225) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; BGH, Urt. v. 18.4.1984 – VIII ZR 50/83, WM 1984, 931 = Zeller III, 342; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 226) BGH, Urt. v. 24.1.1973 – VIII ZR 147/71, BeckRS 1973, 31125545 = Zeller I, 300; OLG Celle, Urt. v. 25.9.1987 – 2 U 267/86, NJW-RR 1988, 946 = Zeller IV, 248; OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 227) OLG Rostock, Urt. v. 17.3.2003 – 3 U 107/02, BeckRS 2004, 00439. 228) BGH, Urt. v. 24.4.1997 – I ZR 210/94, NJW 1998, 76.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

2.

Kündigung durch den Aufsteller

3.183 a) Zulässig ist eine Kündigung für den Fall der Beendigung des Nutzungsvertrages.229) 3.184 b) Nachfristsetzung (§ 314 Abs. 3 BGB). Eine fristlose Kündigung des Aufstellers wegen Störung des Vertrauensverhältnisses durch den Betriebsinhaber, z. B. durch Nichtaufstellung der vereinbarten Zahl von Automaten, wird, ähnlich wie beim Getränkelieferungsvertrag, regelmäßig erst nach Setzung einer Nachfrist zulässig sein, weil erst eine erfolglose Nachfristsetzung Klarheit darüber schafft, ob das Vertrauensverhältnis unheilbar zerstört ist. 3.185 c) Schadensersatz. Wird der Nutzungsvertrag über die Gastwirtschaft beendet, dann können seitens des Aufstellers Schadensersatzansprüche gegenüber dem Betriebsinhaber geltend gemacht werden, wenn dieser die Kündigung der Gaststätte i. S. d. § 276 BGB zu vertreten hat. Dies ergibt sich aus § 314 Abs. 4 BGB. Doch ist die Dauer der Schadensersatzhaftung des Betriebsinhabers auf die Zeitspanne bis zur nächstmöglichen – ordentlichen – Kündigung des Automatenaufstellvertrages begrenzt. Eine angemessene Abzinsung ist zwingend erforderlich, weil der Nichterfüllungsschaden immer durch das Erfüllungsinteresse begrenzt wird.230) 3.186 d) Rückführung. aa) Darlehen. Soweit ein Darlehen im Zusammenhang mit der Aufstellung von Automaten gewährt wurde, richtet sich das fristlose Kündigungsrecht des Automatenaufstellers nach den darlehensrechtlichen Bestimmungen (§§ 488 – 490 BGB). Denn in der Regel wird man davon ausgehen müssen, dass trotz der Trennung zwischen Automatenaufstellvertrag und Darlehen die Voraussetzungen eines einheitlichen Rechtsgeschäftes i. S. d. § 139 BGB gegeben sind, was in rechtlicher, nicht wirtschaftlicher Hinsicht voraussetzt, dass beide Parteien einen entsprechenden „Einheitlichkeitswillen“ hatten, beide Verträge miteinander zu verbinden.231) 3.187 bb) Zuschuss. Einem Automatenaufsteller soll gegen den Betriebsinhaber bei vorzeitiger Beendigung des Betriebs der Gaststätte ohne ausdrückliche Abrede kein Anspruch auf anteilige Rückzahlung eines gewährten verlorenen Zuschusses nach § 812 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BGB zustehen.232) 3. Kündigung durch den Betriebsinhaber 3.188 a) Ordentliche Kündigung. Da Automatenaufstellverträge inzwischen fast durchgehend mittels Formularvertrages, die feste Laufzeiten und genaue Kündigungsfristen ausweisen, geschlossen werden, hat die Problematik, mit wel___________ 229) 230) 231) 232)

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BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281. von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, A Rz. 18, 35. BGH, Urt. v. 30.4.1976 – V ZR 143/75, NJW 1976, 1931. LG Siegen, Urt. v. 21.12.1989 – 3 S 333/89, NJW-RR 1990, 632 = Zeller IV, 287); ähnlich zurückhaltend OLG Köln, Urt. v. 26.10.1983 – 16 U 52/83, Zeller III, 263.

XIX. Kündigung

cher Frist eine ordentliche Kündigung des Automatenaufstellvertrages zulässig ist, in der Praxis an Bedeutung verloren. Zu den verschiedenen Ansätzen kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.233) b) Außerordentliche Kündigung. aa) Kündigungsbefugnis. Der Kündigungs- 3.189 befugnis des Betriebsinhabers kommt entscheidende Bedeutung zu, weil die Auswahl der Geräte den Charakter einer Gaststätte bestimmt und der Betriebsinhaber insoweit – wenn auch bei Vertragsabschluss für ihn erkennbar – weitreichende Bindungen in seiner Betriebsführung übernimmt.234) Unabhängig von vertraglich festgelegten Laufzeiten besteht beim Automaten- 3.190 aufstellvertrag wie bei allen Dauerschuldverhältnissen für jede Partei das Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung, wenn ihr die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses aus Gründen unzumutbar wird, die nicht in ihrem Risikobereich liegen (§ 314 BGB).235) Dies gilt unabhängig davon, ob der Betriebsinhaber Pächter oder Eigentümer der Gaststätte ist.236) bb) Kündigungsgründe. aaa) Grundsatz. Zu fragen ist, ob dem Betriebsinha- 3.191 ber ein Kündigungsrecht nicht dann einzuräumen ist, wenn ihm durch außergewöhnliche und völlig außerhalb seines Verantwortungsbereichs liegende Umstände die Fortführung der Gaststätte und damit eine Erfüllung des Automatenaufstellvertrages unzumutbar geworden sind.237) bbb) Mehrfach hat der BGH erwogen, ob der (Fort-)Bestand des Pachtvertrages 3.192 über das Gastwirtschaftsgrundstück Geschäftsgrundlage des Automatenaufstellvertrages sein kann.238) Dies selbst dann, wenn der Aufsteller die Länge des Pachtvertrages kannte.239) An anderer Stelle wurden aber auch Bedenken gegen die Bindung eines Gaststättenpächters an einen langfristigen Automatenaufstellvertrag ohne Rücksicht auf die Dauer des Pachtvertrages angemeldet.240) Schließt der Betriebsinhaber einen Automatenaufstellvertrag mit einer Laufzeit, die länger ist als ___________ 233) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75; LG NürnbergFürth, Urt. v. 30.6.1970 – 7 S 16/70, NJW 1971, 52; LG Köln, Urt. v. 5.7.1972 – 9 O. 129/72, NJW 1972, 2127; LG Konstanz, Urt. v. 28.1.2005 – 11 S 119/04, NJW-RR 2005, 991. 234) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53. 235) OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 236) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231. 237) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 238) BGH, Urt. v. 2.7.1962 – VIII ZR 92/61, MDR 1962, 979 = Zeller I, 41 (verneinend); BGH, Urt. v. 20.3.1967 – VIII ZR 237/64, BeckRS 1967, 31178035 (bejahend); BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75 (verneinend); BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034 (verneinend). 239) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 273. 240) BGH, Urt. v. 10.11.1976 – VIII ZR 84/75, WM 1977, 112= Zeller I, 306.

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§ 38 Automatenaufstellverträge

die des Gaststättenpachtvertrages, so rechtfertigt selbst der Umstand, dass der Automatenaufsteller von der kürzeren Laufzeit des Pachtvertrages unterrichtet ist, es nicht, den Automatenaufstellvertrag dahin auszulegen, dass er – entgegen seinem klaren Wortlaut – der Pachtvertragsdauer angepasst werden müsse.241) 3.193 ccc) Bei einem Kauf von Spielautomaten war Geschäftsgrundlage, dass die Automaten in einer Gaststätte mit regem Besuch junger Leute aufgestellt würden, weil der Preis für die Automaten auf dieser Grundlage berechnet worden war. Es wurde eine Vertragsanpassung wegen Zweckstörung dahingehend erwogen, dass der Käufer die Automaten in einem anderen Lokal aufzustellen hätte, als sich die ursprünglichen Pläne zerschlugen.242) 3.194 ddd) Die fehlende Rentabilität eines Automaten ist für den Betriebsinhaber kein Grund zur fristlosen Kündigung des Automatenaufstellvertrages; denn insoweit ist seine eigene Risikosphäre betroffen. Die Entscheidung, ob der Betriebsinhaber in seiner Gaststätte Automaten aufstellt oder nicht, ist Teil seines Unternehmerrisikos. Die Anforderungen an eine einseitige Beendigung des Vertrages sind hoch. Die Voraussetzungen von § 314 BGB müssen vorliegen oder die Umstände müssen sich derart grundlegend geändert haben, dass ein weiteres Festhalten an dem Automatentyp dem Betriebsinhaber nicht zumutbar ist. Diese Hürde wird insofern nicht genommen.243) 3.195 eee) Selbst ein wesentlicher Umsatzrückgang rechtfertigt, auch wenn er zu Verlusten führt, eine sanktionsfreie Geschäftsaufgabe nicht. Dies gilt auch dann, wenn sich die Übernahme einer in ihrem Ruf abgewirtschafteten Gaststätte als unternehmerische Fehlentscheidung erweist.244) 3.196 fff) Keinesfalls berechtigt die mangelnde Rentabilität des Betriebes, sich vorzeitig vom Automatenaufstellvertrag zu lösen.245) Dabei hat – nach Aufhebung des § 279 BGB a. F. – der Betriebsinhaber eine fehlende Rentabilität des Betriebs jetzt erst recht dann zu vertreten, wenn sie auf der mangelhaften Betriebsführung oder einer unternehmerischen Fehlentscheidung bei Betriebsübernahme beruht. 3.197 ggg) Die fristlose Kündigung der angepachteten/angemieteten Räume wegen Zahlungsverzuges des Betriebsinhabers gibt kein Recht, sich vorzeitig von dem Automatenaufstellvertrag zu lösen. Hier liegt es nicht anders, als wenn der Be___________ 241) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 273. 242) BGH, Urt. v. 20.3.1967 – VIII ZR 237/64, BeckRS 1967, 31178035. 243) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 244) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 273. 245) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 29.2.1984 – VIII ZR 350/82, NJW 1985, 53 = ZIP 1984, 841 = Zeller III, 281; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJW-RR 1990, 1076; OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825.

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XIX. Kündigung

triebsinhaber die Gaststätte wegen ihm nicht ausreichender Rentabilität aufgibt.246) hhh) Ein wichtiger Grund der Kündigung kann in einer dauernden mangelhaften Betreuung der Automaten durch den Aufsteller gesehen werden, falls sich dieses auf das Einspielergebnis oder den Betrieb des Vertragspartners negativ auswirkt.247) iii) Ebenso können zumindest wiederholte Unredlichkeiten bei der Abrechnung die Vertrauensbasis auf Dauer zerstören. So liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vor, wenn der Aufsteller den Anteil des Betriebsinhabers wiederholt ungerechtfertigt kürzt.248) jjj) Der Tod des Betriebsinhabers berechtigt dessen Erben nur dann zur vorzeitigen Beendigung des Automatenaufstellvertrages, wenn sie den Geschäftsbetrieb nicht fortsetzen und die Betriebsfortsetzung ihnen auch nicht zumutbar ist.249) kkk) Soweit neue behördliche Auflagen/Verfügungen erlassen werden, wird man danach differenzieren müssen, ob der Betriebsinhaber Pächter oder Eigentümer der Gaststätte ist. Ist er Eigentümer, so trägt er das Risiko, wenn z. B. die Baubehörde verfügt, dass die Gaststätte – etwa wegen Baufälligkeit – geschlossen werden muss. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Betriebsinhaber die Gaststätte gepachtet hat. Behördliche Auflagen/Verfügungen liegen dann grundsätzlich nicht in der von ihm als Pächter beherrschten Risikosphäre, rechtfertigen also ein ihm zuzugestehendes, nicht entziehbares fristloses Kündigungsrecht. lll) Selbst schwere Erkrankungen des Betriebsinhabers berechtigten diesen nicht zur fristlosen Kündigung des Automatenaufstellvertrages. Das Risiko, dass seine Arbeitskraft erhalten bleibt, trägt grundsätzlich jeder Unternehmer selbst. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände, kann er dieses Risiko auch nicht über § 242 BGB auf seinen Vertragspartner abwälzen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Betriebsinhaber in der Lage, einen geeigneten Nachfolger zu finden. mmm) Enthält die Vertragsübertragungsklausel das Recht, den Vertrag ohne Zustimmung des Betriebsinhabers auf Dritte zu übertragen, so kann dem Betriebsinhaber ggf. ein „Rücktrittsrecht“ zustehen.250) nnn) Ein Konzessionsentzug gibt kein Kündigungsrecht, wenn dieser aus Gründen erfolgt, welche in der Person des Betriebsinhabers liegen. ___________ 246) BGH, Urt. v. 9.12.1970 – VIII ZR 9/69, WM 1971, 243 = Zeller I, 75; BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 196/89, NJWRR 1990, 1076. 247) OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 248) OLG Celle, Urt. v. 22.12.1970 – 14 U 122/70, GewA 1972, 199. 249) OLG Hamburg, Urt. v. 28.1.1976 – 5 U 144/75, MDR 1976, 577. 250) Siehe oben § 38 IX 2 m. w. N.

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3.198

3.199

3.200

3.201

3.202

3.203

3.204

Vierter Hauptteil: Finanzierung Erster Abschnitt: Allgemeine Fragen sowie Finanzierung von Unternehmerkunden § 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen I. Einführung Die Gewährung von Finanzierungen im Rahmen von Leistungs- und Getränke- 4.1 lieferungsverträgen dient aus Sicht des Getränkelieferanten der Sicherstellung bzw. Förderung eines verlässlichen Getränkeabsatzes. Für den Darlehensnehmer ermöglicht sie eine preisgünstige Fremdfinanzierung, die ihm im Hinblick auf seine Bonität anderweitig zumeist nicht zur Verfügung steht. II. 1.

Darlehensvertrag, Grundlagen Allgemein

§ 488 Abs. 1 BGB definiert den verzinslichen Gelddarlehensvertrag als zweisei- 4.2 tigen Vertrag, der den Darlehensgeber zur zeitlich begrenzten Verfügungstellung eines Geldbetrages in Gestalt der Verschaffung von Eigentum an Bargeld bzw. der Forderungsinhaberschaft an Buchgeld, den Darlehensnehmer zur Rückzahlung und bei entsprechender Abrede zur Entrichtung des vereinbarten Zinses verpflichtet.1) Kennzeichnend für den Darlehensvertrag ist die Vorleistung des Darlehensgebers, weil er den Darlehensbetrag zunächst in das Eigentum des Darlehensnehmers überführt und erst bei Laufzeitende in einer Summe bzw. bei Tilgungsdarlehen nach und nach Rückerstattung verlangen kann. 2.

Rechtsnatur

Der Darlehensvertrag ist ein Dauerschuldverhältnis.2) Dies folgt daraus, dass 4.3 sowohl der Umfang der Belassungspflicht des Darlehensgebers als auch derjenige einer etwaigen Zinspflicht des Darlehensnehmers zeitabhängig sind. 3.

Nachweis

Aus Beweisgründen sollten der Abschluss des Vertrages als solchem sowie der In- 4.4 halt der Vereinbarung schriftlich fixiert werden. Um ggf. den Nachweis einer Individualabrede (§§ 305 Abs. 1 Satz 3, 305b BGB) auch hinsichtlich des Finanzierungsteils des Getränkelieferungsvertrages leichter führen zu können, sollten entsprechende Vertragsentwürfe nebst Schriftverkehr, Aktennotizen und Reiseberichten zur Akte genommen werden.3) ___________ 1) 2) 3)

BGH, Urt. v. 27.3.1985 – VIII ZR 75/84, NJW 1985, 2417; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. Palandt-Weidenkaff, BGB, Vorbemerkungen vor § 488 Rz. 4. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 44.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

III. Besonderheiten der von Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen 1. Rechtsnatur 4.5 Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag sind gekoppelte Geschäfte, wobei zutreffend von einem einheitlichen typengemischten Vertrag ausgegangen wird.4) 2. Gegenseitiger Vertrag 4.6 Nach h. M. stehen die Pflicht zur Darlehensgewährung und die Getränkebezugspflicht im Synallagma. Dies auch dann, wenn das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers üblicherweise eingeschränkt ist und es damit zu einer Lockerung der Wechselbezüglichkeit kommt.5) Hierfür sprechen ggf. die Formulierung des streitgegenständlichen Vertrages („Abnahmeverpflichtung als Gegenleistung für die zugesagten Leistungen“), aber auch der im Vergleich zum freien Kundenverhältnis höhere Getränkebezugspreis, der sich aus den zusätzlichen Leistungen des Getränkelieferanten, wie etwa Darlehensgewährung und/oder Inventargestellung, begründet.6) Der h. M. ist auch für den Fall zuzustimmen, dass die Rückführung der Darlehensvaluta durch Abschreibung oder Rückvergütungsgutschriften7) erfolgt. Gegen das Vorliegen eines Synallagmas im technischen Sinne spricht auch nicht, dass die Rechtsprechung eine Reihe von Ausnahmen anerkannt hat, in denen sich das Darlehensgeschäft anders als der Getränkelieferungsvertrag im Übrigen entwickeln kann.8) 3. Entgeltlichkeit 4.7 a) Grundlagen. Begrifflich setzen nicht nur der Verbraucherdarlehensvertrag (§ 491 Abs. 1 BGB),9) sondern auch der allgemeine Darlehensvertrag eine Ent___________ 4)

5)

6)

7) 8) 9)

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BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245.; a. A. noch OLG Nürnberg, Urt. v. 3.12.1954 – 3 U 179/54, NJW 1955, 386 = Zeller I, 23. BGH, Urt. v. 6.2.1985 – VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124 = Zeller III, 349 (Alleinvertriebsvertrag über Maschinen); BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. Siehe oben §§ 16 III 9, 33 V 9 und unten § 40 IV, jeweils m. w. N. BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 = BeckRS 2009, 04578 = ZIP 2009, 261; BGH, Urt. v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 = NJW 2014, 3719 = ZIP 2014, 2119.

III. Besonderheiten der von Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen

geltlichkeit voraus. Unter den Begriff der Entgeltlichkeit sind sämtliche über die bloße Rückzahlung des Darlehensbetrages hinausgehenden Gegenleistungen des Darlehensnehmers zu verstehen. Die Art des Entgelts (Zinsen (§ 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 1, Abs. 2 BGB), sonstige laufzeitabhängige Kosten, laufzeitunabhängige Kosten), ist unerheblich.10) Die erforderliche Entgeltlichkeit besteht regelmäßig in der Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen. b) Getränkebezugsverpflichtung. Wird ein zinsloses (Abschreibungs-)Darlehen 4.8 als Leistung für den Abschluss einer Getränkebezugsverpflichtung zur Verfügung gestellt, so ist die Getränkebezugsverpflichtung das Entgelt und gleichsam ein „Zinsersatz“.11) Dies gilt unabhängig davon, ob die Valuta bei Nichterfüllung der Getränkebezugsverpflichtung nachträglich verzinslich gestellt ist. Dies ist auch auf rückzahlbare zinsfreie Zuschüsse im Rahmen eines Getränkelieferungsvertrages zu übertragen.12) 4.

Verwendungszweck

a) Allgemein. Die Darlehenshergabe erfolgt zweckgebunden, insbesondere zur 4.9 Finanzierung von Ausstattung und Mobiliar, ausnahmsweise auch zum Erwerb des Gaststättengrundstücks. Folge der Zweckgebundenheit ist, dass die klassisch „Brauereidarlehen“ genannten Darlehen nach § 399 BGB weder abtretbar noch verpfändbar oder pfändbar sind. Den Parteien eines Darlehensvertrages obliegt es grundsätzlich, frei darüber zu 4.10 entscheiden, ob der Darlehensnehmer die Mittel beliebig verwenden kann, um einen allgemeinen Liquiditätsbedarf zu decken, oder zweckgebunden einsetzen muss. Bei allgemeinen Betriebsmittelkrediten ist der Darlehensnehmer in der Verwendung frei. b) Sinnhaftigkeit der Angabe. Die Angabe eines betrieblich veranlassten Ver- 4.11 wendungszwecks, wie etwa Eröffnung, Betriebserweiterung, Renovierung, Umbau, Anschaffung von Gaststätteninventar, Finanzierung des Kaufpreises des von einem Dritten gekauften Inventars oder Ablösung des Inventars vom Vorbetreiber, Ausgleich von Verbindlichkeiten des Kunden, allgemein die Förderung der Absatzstätte im Rahmen der betrieblichen Nutzung, ist für die steu___________ 10) BGH, Urt. v. 16.10.2007 – XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 = NJW 2008, 1070 = ZIP 2007, 2430; BGH, Urt. v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 = NJW 2014, 3719 = ZIP 2014, 2119. 11) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.10.2016 – 2 U 89/16; LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833. 12) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314.

821

§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

erliche Anerkennung sinnvoll, damit der Darlehensnehmer Darlehenszinsen als Betriebsausgaben geltend machen kann. 4.12 Die konkrete Nennung des Verwendungszwecks hat darüber hinaus Bedeutung für die Heranziehung der Sondervorschriften des Verbraucherkreditrechts.13) Sollte es nach Widerruf zur Rückabwicklung kommen, so kommt dem Nachweis einer betrieblichen Nutzung des Kapitals bei der Berechnung des Nutzungsvorteils Bedeutung zu.14) 5.

Vereinbarungsdarlehen

4.13 a) Situation. Nicht selten wandeln Getränkelieferanten (Geld-)Schulden ihrer Kunden, insbesondere aus Warenlieferung und Pacht/Miete, in eine Schuld um, die nunmehr nach Darlehensrecht geschuldet werden soll.15) 4.14 b) Begriff. Begrifflich liegt ein Vereinbarungsdarlehen vor, wenn die Parteien eine bereits bestehende und durchsetzbare (Geld-)Schuld, der kein gesetzliches Verbot entgegensteht und die nicht bereits als Darlehensverbindlichkeit geschuldet wird, in eine solche aus Darlehen „umwandeln“. Vereinbarungsdarlehen sind aber auch denkbar in Bezug auf erst künftig entstehende Verbindlichkeiten. 4.15 c) Zulässigkeit. Dabei handelt es sich um eine zulässige Vertragsänderung gem. § 311 Abs. 1 Fall 2 BGB. 4.16 d) Arten. Beim Vereinbarungsdarlehen werden zwei Arten unterscheiden, wobei der Unterschied im Hinblick auf die Geltendmachung von Einwendungen aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis sowie auf das Fortbestehen von Sicherheiten von Bedeutung ist.16) Zum einen kennt man die einvernehmliche Behandlung einer als solcher fortbestehenden Schuld als Darlehen auf Grund eines Schuldabänderungsvertrags. Dabei wird das bisherige Schuldverhältnis hinsichtlich der Verzinsung der Forderung, der Kündigung, Tilgung, Verjährung etc. nunmehr dem Darlehensrecht unterstellt. Zum anderen kann eine kausale Schuldumschaffung (Novation) in dem Sinn gewollt sein, dass das alte Schuldverhältnis erlischt und an seine Stelle das durch Novation geschaffene Darlehensverhältnis tritt. 4.17 e) Abgrenzung. Welche rechtliche Bedeutung der Vereinbarung zukommt ist im Einzelfall durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. 4.18 aa) Im bloßen Hinausschieben der Fälligkeit einer Forderung liegt trotz der damit verbundenen darlehensähnlichen Wirkung nur eine Stundung und kein Vereinbarungsdarlehen. ___________ 13) Siehe unten § 41 III 2 m. w. N. 14) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. 15) BGH, Urt. v. 26.2.2002 – XI ZR 226/01, BeckRS 2003, 03242467; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 16) Staudinger-Freitag, BGB, § 488 Rz. 74 f.

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III. Besonderheiten der von Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen

bb) Anders als bei der Stundung wird dem Darlehensnehmer beim Vereinba- 4.19 rungsdarlehen ein echtes, zeitlich begrenztes, typischerweise verzinsliches Kapitalnutzungsrecht eingeräumt, auf das die allgemeinen Regeln des Darlehensrechts Anwendung finden. Von der Abänderung nicht betroffene Einwendungen aus dem alten Schuldverhältnis gelten dabei ebenso weiter wie die für die alte Schuld bestellten Sicherheiten. Im Ergebnis liegt ein einfacher Schuldabänderungsvertrag vor, der zwar auf den Inhalt der alten Schuld einwirkt, ohne diese durch eine neuer zu ersetzen. Die Änderung kann mit einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis verbunden werden. Dann sind dem Schuldner solche Einwendungen abgeschnitten sind, die er bei Abgabe des Anerkenntnisses kannte oder zumindest für möglich gehalten hat.17) cc) Statt die alte Schuld lediglich abzuändern, können die Parteien sie aber 4.20 auch durch eine neue – die Darlehensverbindlichkeit – ersetzen (Schuldumschaffung). Handelt es sich dabei um eine sog. kausale Schuldumschaffung, bewirkt diese das Erlöschen der umgewandelten Verbindlichkeit sowie der gegen diese ggf. bestehenden Einwendungen und der für sie bestellten Sicherheiten. Voraussetzung einer kausalen Schuldumschaffung ist, dass die alte Schuld tatsächlich bestanden hat. Die sog. abstrakte Schuldumschaffung und nach §§ 780, 781 BGB formbe- 4.21 dürftige Regelung ist in noch weiterem Umfang gegenüber der bestehenden Schuld rechtlich verselbständigt. Deren Begründung setzt nicht den rechtlichen Bestand der alten Verbindlichkeit voraus; sie kann bei Unwirksamkeit der ursprünglichen Verbindlichkeit nach § 812 Abs. 2 BGB herausverlangt werden. Einwendungen des Schuldners gegenüber der erneuerten Schuld und die für diese Verbindlichkeit bestellten Sicherheiten erlöschen ebenfalls. dd) Im Hinblick auf das Interesse des Schuldners an der Fortgeltung der Ein- 4.22 wendungen und das Interesse des Gläubigers am Fortbestand der Sicherheiten sowie in Anlehnung an den in § 364 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz, ist im Zweifel von einer einfachen Schuldabänderung auszugehen. Der bisherige Schuldgrund wird dann nicht ausgetauscht, die fortbestehende ursprüngliche Schuld wird lediglich dem Darlehensvertragsrecht unterstellt, vorhandene akzessorische Sicherheiten haften weiter. 6.

Banklizenz

a) Meinungsstand. Die Gewährung von Darlehen von Getränkelieferanten an 4.23 Gastwirte unterliegt nach h. M. nicht der aufsichtsrechtlichen Erlaubnispflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG, wenn die ausgereichten Darlehen eine Einheit mit in etwa laufzeitkongruenten Getränkeliefe___________ 17) BGH, Urt. v. 26.2.2002 – XI ZR 226/01, BeckRS 2003, 03242467; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

rungsverträgen bilden, über mehrere Jahre gehen und die Tilgung im Zusammenhang mit der abgenommenen Getränkemenge erfolgt. Die Vergabe von Darlehen durch Getränkelieferanten erfolgt deshalb nicht gewerbsmäßig i. S. d. § 1 KWG, weil mit der Darlehensvergabe trotz deren Entgeltlichkeit keine eigenständigen Erwerbszwecke verfolgt, sondern lediglich der Absatz der Getränke gefördert werden soll.18) Allerdings kann man insofern auch einen strengeren Standpunkt einnehmen. Danach kommen als Darlehensgeber nicht nur Banken, Sparkassen oder sonstige Kreditinstitute i. S. d. § 1 KWG, sondern auch Unternehmer (§§ 14, 491 BGB) in Betracht, deren Geschäftstätigkeit zwar nicht auf Bankgeschäfte gerichtet ist, die aber Darlehen im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit einem anderen gewähren. Dabei soll eine erstmalige Darlehensvergabe ausreichen.19) 4.24 b) Entscheidungserheblichkeit. Auf den Meinungsstreit dürfte es allerdings nicht ankommen, weil bei Fehlen einer etwa erforderlichen schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) für Bankgeschäfte i. S. d. § 1 KWG bei einer Kreditgewährung kein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB und damit keine Nichtigkeit des Vertrages festgestellt werden kann.20) IV.

Erscheinungsformen

1. Inventarisierungs-/Geldkredit 4.25 Getränkelieferanten geben je nach vereinbartem Verwendungszweck Inventarisierungskredite21) oder reine Geldkredite in unterschiedlichen Formen. Unerheblich ist, ob ein Geldkredit durch Zahlung von Geld oder durch den Bezug von Waren getilgt wird. Daher sind auch Abschreibungs- und (Rück-)Vergütungsgutschriftenfinanzierungen erfasst. Beide Darlehenstypen sind grundsätzlich endfällige Finanzierungen (Festkredite). Anders ist für „verlorene“ Zuschüsse ohne Rückzahlungsklausel zu entscheiden. Je nach der Art der Rückführung unterscheidet man – ggf. auch in Kombination – verschiedene Erscheinungsformen. 2.

Abschreibungs-/Amortisationsdarlehen

4.26 a) Grundlagen. Klassisch handelt(e) es sich bei Darlehensfinanzierungen in der Getränkewirtschaft um Abschreibungsdarlehen. Dabei erfolgt die Tilgung des Darlehens im Wesentlichen durch den Getränkebezug. Für jeden bezogenen und bezahlten Hektoliter wird der vereinbarte Eurobetrag (Amortisationsfaktor), in der Regel vierteljährlich und ggf. nach Vorlage der Absatzmeldungen des Getränkefachgroßhändlers, auf das geführte Finanzierungskonto als Tilgung ge___________ 18) Staudinger-Freitag, BGB, § 488 Rz. 96. BAFIN, Merkblatt, Hinweise zum Tatbestand des Kreditgeschäfts, 2009, Art. 1 a cc Abs. 2. 19) BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 = NZG 2009, 273 = ZIP 2009, 261. 20) Staudinger-Sack/Seibl, BGB, § 134 Rz. 179 m. w. N. 21) LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833.

824

IV. Erscheinungsformen

bucht und gutgeschrieben (hl-bezogene = abnahmebezogene Abschreibung).22) Es erfolgt weder eine monatliche Zahlung von Raten noch eine Endfälligstellung. Bei Abschreibungsdarlehen entspricht die Vertragslaufzeit des Darlehens der Laufzeit des Bezugsvertrages, weil die hl-Gutschriften längstens auf die vereinbarte Dauer des Getränkebezugs erteilt werden. Dies gilt auch für Festabschreibungsdarlehen. Bei einer Festabschreibung (zeitbezogene Abschreibung) wird für die Dauer des Bezuges der gebundenen Getränke ein feststehender Betrag zum Jahresende, ggf. auch zeitanteilig (pro rata temporis), gutgebracht.23) Bei ordnungsgemäßer Erfüllung muss nichts zurückgezahlt werden. b) Tilgung durch Aufgeld.24) Der Begriff des „Aufgeldes“25) ist mehrdeutig. Im 4.27 Regelfall wird darunter ein Betrag verstanden, den der Kunde des Getränkelieferanten zusätzlich zu bestehenden Zahlungsverpflichtungen aus Lieferung leistet, um insbesondere rückständige Ansprüche des Getränkelieferanten aus dem Liefergeschäft abzutragen. Im Zusammenhang mit der Rückführung der Finanzierung bedarf es der Formulierung „Tilgung durch Aufgeld“ nicht (mehr). Aufschläge für finanzierte Gastronomiekunden sind in den jeweiligen Abgabepreisen berücksichtigt. 3. Rückvergütungsdarlehen Eine eventuell zusätzlich gewährte Rückvergütung kann als Rechnungsstellungs- 4.28 sofortrabatt in Abzug gebracht, periodisch ausbezahlt oder – wie hier – als Til-

___________ 22) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251, dort etwas irreführend als Aufgeldzahlung bezeichnet; BGH, Urt. v. 21.3.1990 – VIII ZR 49/89, NJW-RR 1990, 816 = Zeller IV, 227; BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; OLG Brandenburg, Urt. v. 10.3.1998 – 6 U 159/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 21.4.1999 – VIII ZR 300/98 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.9.1999 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIIIZR 236/99; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.11.2009 – I-22 U 71/09, BeckRS 2012, 05469; LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90; LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697; LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14; AG Celle, Urt. v. 4.8.2016 – 150 C 494/16 (10.1). 23) KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss); OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134 (Provisionsvorauszahlung); OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566. 24) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 25) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146.

825

§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

gung gebucht werden.26) Ggf. handelt es sich auch um eine Rückvergütungsvorauszahlung27) und damit im Ergebnis um ein Darlehen. Empfänger sind insbesondere etablierte Gastwirte und selbst betreibende Hauseigentümer.28) Wie beim Abschreibungsdarlehen werden keine monatlichen Raten gezahlt, sondern die Tilgung des Darlehens erfolgt je nach der Höhe des Getränkeabsatzes durch Einbehalt und Verrechnung Je höher die Absätze sind, desto schneller tilgt sich das Darlehen. Dabei können Mindesttilgungen vereinbart sein,29) etwa dergestalt, dass zum Periodenende, etwa zum Jahresende, eine Differenzrate zu zahlen ist.30) 4.

Zuschüsse

4.29 Die Ausführungen zum Abschreibungsdarlehen gelten mit gewissen Modifikationen auch für (Investitionskosten-)Zuschüsse.31) Zuschussfinanzierungen wer___________ 26) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 27) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134; LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 28) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134 (Provisionszahlung); OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; LG Köln, Urt. v. 3.7.2003 – 8 O. 315/02, als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; AG Celle, Urt. v. 4.8.2016 – 150 C 494/16 (10.1). 29) OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 30) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 31) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; OLG Nürnberg, Urt. v. 6.7.1984 – 1 U 3935/83, Zeller III, 346; KG, Urt. v. 22.6.1987 – 4 U 4205/86; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, OLG-Report 1998, 161, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 250/98; OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.7.2000 – 8 U 239/99; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Tübingen, Urt. v. 4.9.1991 – 6 S 167/91, NJW-RR 1992, 112.

826

IV. Erscheinungsformen

den im Regelfall zinslos gewährt.32) Zwingend ist dies aber nicht. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung besteht nur dann, wenn die Getränkebezugsverpflichtung nicht oder minder erfüllt wird, der Vertrag gekündigt wird und dem Vertrag eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung jedenfalls im Wege der Auslegung zu entnehmen ist.33) Dann ist der noch nicht abgeschriebene Teil des Investitionskostenzuschusses zuzüglich Umsatzsteuer34) und einer Verzinsung seit der Auszahlung (Nachverzinsung) zurückzuzahlen.35) 5.

Tilgungsdarlehen

a) Grundlagen. Insofern verpflichtet sich der Getränkelieferant, dem Darle- 4.30 hensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen und zur Nutzung zu überlassen. Bei Raten-, Tilgungs- oder Teilzahlungsdarlehen erbringt der Darlehensnehmer während der Laufzeit Rückzahlungen auf die Hauptschuld. Damit reduzieren sich sowohl das Risiko des Darlehensgebers als auch die Zinslast des Darlehensnehmers nach und nach. Weiter verpflichtet sich der Darlehensnehmer, den geschuldeten Zins zu entrichten, die vereinbarten Sicherheiten zu bestellen und den Geldbetrag in periodischen Raten zurückzuzahlen.36) Allerdings ist wie folgt zu unterscheiden: b) Ratenkredit. aa) Bei Tilgungsdarlehen wird der Darlehensbetrag in gleich 4.31 bleibenden periodischen Raten getilgt. Hinzu kommen degressive Zinsraten.37) bb) Einen Sonderfall stellt das Annuitätendarlehen dar. Hier hat der Darle- 4.32 hensnehmer für die gesamte Laufzeit bis zur vollständigen Tilgung eine stets gleich bleibende Jahresleistung zu erbringen, indem er regelmäßig feste Raten zahlt. Die Zahlungen des Darlehensnehmers werden primär auf die jeweils fällig werdenden Zinsbeträge für den jeweils noch offenen Darlehensbetrag ange___________ 32) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. 33) Siehe unten § 40 I 2 c m. w. N. 34) OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 35) LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 36) BGH, Urt. v. 24.3.1981 – KZR 18/80, GRUR 1981, 61; LG Magdeburg, Urt. v. 11.1.2013 – 11 O. 1200/12 (302), BeckRS 2013, 17770. 37) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

rechnet und erst sekundär zur Tilgung verwendet. Im Zeitlauf bedeutet dies, dass der Tilgungsanteil beständig steigt, während die Zinsbelastung abnimmt.38) Da gem. § 289 Satz 1 BGB das Verbot von Zinseszinsen besteht, darf auf die jeweilige Rate kein Zins berechnet werden, sondern lediglich auf den darin enthaltenen Tilgungsanteil. 4.33 c) Festkredit. Darüber hinaus gibt es – allerdings eher selten, häufiger dagegen im Verhältnis zu Getränkefachgroßhändlern – tilgungsfreie/endfällige Darlehen (Festkredite). Charakteristisch hierfür ist, dass während der Laufzeit des Vertrages keinerlei Tilgungszahlungen zu leisten sind und der Darlehensnehmer die Valuta erst am Ende der Vertragslaufzeit in einem Einmalbetrag zurückzuzahlen hat. Während der Laufzeit sind nur Zinsen periodisch zu zahlen. Da der Darlehensgeber während der gesamten Vertragslaufzeit das volle Bonitätsrisiko trägt, werden hier in der Regel höhere Zinsen fällig. 6.

Kaufvorfinanzierung/Teilzahlungskauf

4.34 a) Grundlagen. In diesem Fall verkauft der Getränkelieferant zuvor nach Auswahl durch den Kunden beim Inventarlieferanten gekauftes bzw. beim Getränkelieferanten vorhandenes (Lagerinventar) oder bereits im Objekt befindliches Gaststätteninventar zu dem angegebenen Kaufpreis zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer an den Kunden.39) Der Kaufpreis wird von dem Getränkelieferanten vorfinanziert. Aufgrund dieser Vorleistung besteht eine wirtschaftliche Parallele zum Darlehensvertrag. Auch insofern gibt es die vorstehend berichteten Rückführungsalternativen.40) Gelegentlich wird vereinbart, dass die Umsatzsteuer außerhalb der Ratenzahlungsabsprache gesondert, sei es en bloque, sei es in Raten, ausgeglichen werden soll (sog. Umsatzsteuersondertilgung).41) Eine nachträgliche einseitige Umetikettierung der ursprünglichen Rechtsnatur des Vertrages ändert an dieser nichts.42) 4.35 b) Insofern ist der Trennungsgrundsatz zu beachten. Danach ist rechtlich und wirtschaftlich grundsätzlich strikt zwischen dem Finanzierungsgeschäft und dem mit den aufgenommenen Mitteln vom Darlehensnehmer finanzierten Geschäft zu unterscheiden.43) Bestätigt wird dies durch die verschiedenen Vorschriften über die Durchbrechung dieses Grundsatzes, u. a. §§ 358 – 360 BGB. ___________ 38) BGH, Urt. v. 27.1.1998 – XI ZR 158/97, NJW 1998, 1062 = ZIP 1998, 418. 39) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 40) Siehe oben § 39 IV 2, 3 und 5, jeweils m. w. N. 41) OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 42) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517. 43) BGH, Urt. v. 8.6.1978 – III ZR 136/76, BGHZ 72, 92 = NJW 1978, 2145.

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V. Abgrenzung/Auslegung

7.

Kostenbeteiligung

Praktisch können Kostenbeteiligungen an Werbeanlagen, Schanktechnik, In- 4.36 sertionskosten, Spannbändern und/oder Ausstattungen etc. werden. 8.

Wirtschaftliche Betrachtung

Die verschiedenen Finanzierungs- und damit verbundenen Rückführungsfor- 4.37 men unterscheiden sich wirtschaftlich selbst bei gleicher Hektoliterbelastung erheblich. Bei Tilgungsfinanzierungen hat der Gastwirt einen höheren Liquiditätsbedarf, das Ausfallrisiko des Getränkelieferanten und sein Bedarf an Sicherheiten steigen. 10.

Umsatzsteuer

Tilgungsfinanzierungen unterliegen nicht der Umsatzsteuer.44) Bei Rückvergü- 4.38 tungsgutschriften- und Abschreibungsfinanzierungen erfolgt die Auszahlung des Finanzierungsbetrages ohne Umsatzsteuer, wohingegen auf die Rückvergütung Umsatzsteuer anfällt, diese aber nicht gutgebracht wird. Bei Zuschüssen ist ein Vorsteuerabzug möglich.45) V.

Abgrenzung/Auslegung

Eine klare Begrifflichkeit erleichtert nicht nur die Rechtsdurchsetzung. Sie macht 4.39 auch eine zutreffende und ggf. auch einheitliche Buchung von Bilanzpositionen, etwa als „Bierlieferungsrechte und Darlehen“ bzw. „Ausleihungen“ möglich. 1.

Abschreibungsdarlehen/Zuschuss

Bei Zuschüssen bedarf es der Abgrenzung zum Abschreibungsdarlehen.46) 4.40 a) Grundlagen. Trotz des in § 133 BGB enthaltenen Verbots der Buchstabeninterpretation hat die Auslegung vom Wortlaut der Erklärung auszugehen.47) Sollen die Finanzmittel endgültig beim Empfänger verbleiben, dann liegt ein Zuschuss vor. Anders ist zu entscheiden, wenn sie zurückzuzahlen sind; dann handelt es sich um ein Darlehen. Redewendungen wie „getilgt“, „Tilgung“, „getilgte Restinvestition“ oder „Tilgung des gewährten Investitionsbetrages“ sprechen für ein Darlehen. Gleiches dürfte für Wortwendungen gelten wie „finan___________ 44) BGH, Urt. v. 15.12.2012 – VII ZR 99/10, NJW 2013, 678. 45) OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.9.2012 – 9 U 188/10, NJW-RR 2013, 467; LG Berlin, Urt. v. 30.11.2015 – 90 O. 57/15, BeckRS 2016, 06287. 46) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31. 47) BAG, Urt. v. 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, BAGE 132, 88 = NJW 2010, 394.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

zieren“ oder „Investitionsbetrag“. Nach dem natürlichen Wortsinn werden diese Begriffe im Zusammenhang mit der Hingabe von Darlehen gebraucht. 4.41 b) Rückzahlung. Bei Abschreibungsdarlehen ist am Ende der Vertragslaufzeit der noch nicht abgeschriebene Teil des Darlehens zurückzuzahlen.48) Der Zuschuss ist dagegen im Regelfall „verloren“, so dass auch dann, wenn sich die Absatzerwartungen des Getränkelieferanten nicht erfüllt haben, keine Rückzahlungsverpflichtung am Ende der Vertragslaufzeit besteht. Mangels entgegenstehender ausdrücklicher Abrede wird ein Zuschuss nicht getilgt, wenn auch aus bilanziellen Gründen eine „interne Abschreibung“, sei es hektoliterbezogen, sei es pro rata temporis, erfolgt. Nicht entscheidend ist die Wortwahl der Vereinbarung.49) 4.42 c) Zinsen. Ein Darlehen liegt auch dann vor, wenn es zinslos gewährt wird. Eine Verzinslichkeit findet sich eher beim (Abschreibungs-)Darlehen, sie ist beim Zuschuss ehe die Ausnahme,50) aber auch dort denkbar.51) 4.43 d) Sicherheiten. Für die Auslegung als (Abschreibungs-)Darlehen spricht die Verpflichtung, eine Bürgschaft zu bestellen.52) 4.44 e) Auch spricht ein Kündigungsrecht des Getränkelieferanten für den Fall des Minderbezuges oder einer Aufgabe der Gaststätte dafür, dass ein Darlehensvertrag vorliegt, wenn in diesen Fällen der noch offene Zuschussrest fällig ist oder fällig gestellt werden kann.53) Die Entgeltlichkeit der Kreditgewährung folgt daraus, dass sie im Gegenseitigkeitsverhältnis mit der Getränkeabnahmeverpflichtung steht.54) 4.45 f) Ein Zuschuss findet sich eher im Absatzweg Lebensmittelhandel sowie im Bereich des Sponsorings, Abschreibungsdarlehen sind dagegen für den Absatzweg Gastronomie typisch. Ein Zuschuss wird in der Regel für den bloßen Erwerb ___________ 48) LG Saarbrücken, Urt. v. 7.10.1996 – 1 O. 98/94. 49) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. 50) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Köln, Urt. v. 6.9.2000 – 17 U 46/99, BeckRS 2012, 09081; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. 51) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93. 52) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist. 53) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss). 54) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH, VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314.

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V. Abgrenzung/Auslegung

einer Absatzchance gezahlt. Er ist in der Regel nicht erfolgsabhängig und insbesondere nicht durch eine Mindestabnahmeverpflichtung unterlegt.55) 2.

Darlehen/Leihe

Wird Leihinventar gestellt, so liegt wirtschaftlich nicht selten ein Abschrei- 4.46 bungsdarlehen,56) ggf. auch ein Teilzahlungsgeschäft57), vor. Im Gegensatz zum Leihvertrag hat im Rahmen eines Darlehensvertrages der Darlehensnehmer nicht die ihm übergebene Sache in ihrer konkreten Gestalt an den Darlehensgeber zurückzugeben. Vielmehr verbleibt die betreffende Sache auf Dauer beim Darlehensnehmer und muss von diesem nur ihrem Wert nach erstattet werden. Wird Gaststätteninventar in einem Getränkelieferungsvertrag unter Verwendung der Worte „unentgeltliche Nutzungsüberlassung“ zur Verfügung gestellt, so deutet dies zunächst auf das Rechtsinstitut der Leihe hin. Der Gesamtzusammenhang mit anderen Vorschriften des Vertrages kann aber zu der Auslegung führen, dass wirtschaftlich ein Abschreibungsdarlehen gemeint ist.58) 3.

Teilzahlungsgeschäft/Leihe

Ungeachtet der irreführenden Vertragsüberschrift als „Leih- bzw. Getränkelie- 4.47 ferungsvertrag“ kann die Auslegung ergeben, dass der Sache nach ein Ratenzahlungskauf mit Tilgungsabrede vorliegt. Hierfür sprechen auch die in Vollzug der Vereinbarung erfolgte Erstellung einer Rechnung und der Umsatzsteuerausweis, die Wendungen „Kaufpreisschuld“, „verkaufter Gegenstand“ und die „Umwandlung der Kaufpreisschuld in ein Darlehen“.59) 4.

Darlehen/Bürgschaft

Ob es sich bei der Verpflichtung des in Anspruch Genommenen lediglich um 4.48 eine Bürgschaftshaftung handelt, bei der nach dem Willen der Vertragsparteien nur akzessorisch für eine fremde Schuld gehaftet werden sollte, beurteilt sich nach Wortlaut des Vertrages und der Interessenlage, welche für die Abgrenzung

___________ 55) LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 56) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 57) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517. 58) OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 59) BGH, Urt. v. 21.5.1953 – IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69 = NJW 1953, 1099; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Köln, Urt. v. 28.6.2001 – 1 U 9/01.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

zwischen selbstständiger und angelehnter Schuld bedeutsam ist.60) Darlehensund Bürgschaftsverträge sind von ihrer dogmatischen Konstruktion her wesensverschieden. Nur beim Darlehensvertrag stehen sich die Leistungspflichten des Darlehensgebers einerseits, nämlich das Verschaffen und Belassen des Kapitals, und die des Darlehensnehmers andererseits, die Abnahme der vereinbarten Geldsumme, die Zinszahlungen sowie die Rückerstattung, in einem Gegenseitigkeitsverhältnis gegenüber. Bei der Bürgschaft hingegen handelt es sich um einen einseitig verpflichtenden Vertrag, bei dem sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten (des Hauptschuldners) verpflichtet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit jenes Dritten (der Hauptschuld) einzustehen (§ 765 Abs. 1 BGB). Ferner schuldet der Verpflichtete nur beim Darlehensvertrag definitiv die Rückzahlung, während die Inanspruchnahme bei der Bürgschaft vom Eintritt des Bürgschaftsfalls abhängig bleibt. Allerdings ist auch der Bürge einem hohen Zahlungsrisiko ausgesetzt. In wirtschaftlicher Hinsicht stellt sich die Übernahme einer Bürgschaftsverbindlichkeit regelmäßig sogar als nachteiliger dar als die einer Darlehensschuld. Denn anders als bei der Darlehensbegründung, dank derer der Darlehensnehmer immerhin von der gewährten Darlehensvaluta profitiert, erhält der Bürge vom Bürgschaftsgläubiger keinerlei finanzielle Vorteile, die sein Bürgenrisiko ausgleichen. § 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB scheidet somit aus, wenn der in Anspruch Genommene nur im Rahmen einer Bürgschaft akzessorisch für eine fremde Schuld haften sollte. VI.

Stellung mehrerer Zahlungsschuldner

1.

Einführung

4.49 Ein Anspruch auf Rückzahlung des zur Verfügung gestellten Darlehens gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB steht einem Getränkelieferanten gegen eine bestimmte Person nur dann zu, wenn diese Allein- oder Mitvertragspartner eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages von Anfang gewesen oder jedenfalls nachträglich, auch im Wege eines Nachtrages, geworden ist (Vertragspartnerschaft) oder die Darlehensverbindlichkeit anfänglich oder nachträglich im Wege des Schuldbeitritts übernommen hat, ggf. auch in der Form der Schuldübernahme. Zu unterscheiden ist sonach zwischen dem anfänglichen gemeinsamen Abschluss eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages (gleichgründige Gesamtschuld) und der ggf. auch nur kurzzeitig späteren Übernahme einer Mitverpflichtung (Sicherungsgesamtschuld). Ein weiterer Differenzierungsansatz ergibt sich aus der Notwendigkeit des Inhalts der Mithaftungserklärung des (Gesellschafter-)Geschäftsführers.61) Hier kann es sich zum einen ___________ 60) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 61) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315.

832

VI. Stellung mehrerer Zahlungsschuldner

lediglich um einen Schuldbeitritt bzw. eine Schuldübernahme, zumeist zum Finanzierungsteil des Getränkelieferungsvertrages,62) zum anderen aber auch um einen Vertragsbeitritt bzw. eine Vertragsübernahme zum Getränkelieferungsvertrag insgesamt handeln. 2.

Einordnung

a) Grundlagen. aa) Grundlagen. Die rechtliche Qualifizierung der von dem 4.50 Ehepartner oder Angehörigen des Darlehensnehmers übernommenen Verpflichtung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung hängt davon ab, ob der Ehepartner oder Angehörige nach dem maßgeblichen Willen der Beteiligten als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem Darlehensnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta hat und im Gegenzug gleichgründig zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet ist oder, aber ob er ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaftet und damit eine ihn einseitig belastende Verpflichtung übernehmen sollte. Zu den bei der Ermittlung des wirklichen Parteiwillens zu beachtenden Auslegungsgrundsätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts als Ausgangspunkt jeder Auslegung und die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner. Dem Wortlaut ist allerdings bei Stärke der Verhandlungsposition des Kreditgebers und der allgemein üblichen Verwendung von Vertragsformularen grundsätzlich weniger Bedeutung beizumessen als sonst. Als Mitdarlehensnehmer ist daher ungeachtet der konkreten Vertragsbezeichnung in aller Regel nur derjenige anzusehen, der für den Darlehensgeber erkennbar ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat sowie im Wesentlichen gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta bzw. bestimmter Teile davon mitentscheiden darf.63) Ob diese Voraussetzungen im konkreten Einzelfall erfüllt sind, beurteilt sich ausschließlich nach den für den Darlehensgeber erkennbaren Verhältnissen auf Seiten des Mitdarlehensnehmers. Der Kreditgeber hat es folglich nicht in der Hand, durch vertragliche Formulierungen wie z. B. „Mitdarlehensnehmer“, „Mitantragsteller“, „Mitschuldner“ oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberechtigten Mitdarlehensnehmer zu machen.64)

___________ 62) Hierauf liegt der Schwerpunkt der Ausführungen in § 54. 63) BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 325/03, NJW 2005, 973 = ZIP 2005, 607; BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. 64) BGH, Urt. v. 19.9.1985 – VII ZR 238/84, NJW 1986, 580; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 1482; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04. Siehe unten § 53 II 1 m. w. N.

833

§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

4.51 bb) Maßgebend sind die zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung erkennbaren Verhältnisse der dem Getränkelieferanten gegenüberstehenden Personen.65) 4.52 b) Mitdarlehensnehmer/Vertragspartnerschaft. Zu prüfen ist, ob die miteinbezogene Person ein eigenes sachliches und/oder persönliches Interesse an der Darlehensaufnahme hatte, etwa weil sie Geschäftsführer einer ebenfalls als Darlehensnehmer mitverpflichteten GmbH war, die zudem eine 100prozentige Tochtergesellschaft einer GmbH & Co. KG war, an der der in Anspruch Genommene als Kommanditist beteiligt war.66) Weiter kommt es darauf an, ob sie als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung und Verwendung der Darlehensvaluta jedenfalls teilweise mitentscheiden konnte.67) Für eine Vertragspartnerstellung sprechende Umstände können sein, dass auch die weitere Person das Objekt mitbetrieben hat. Dass die andere Person Pächter des Objektes oder alleiniger Konzessionsinhaber war, ist insofern unerheblich. Pächter und Betreiber einer Gaststätte müssen nämlich nicht personenidentisch sein. Auch aus dem Umstand, wer Waren geordert hat, folgt nicht zwingend, dass die jeweils andere Person nicht Mitinhaber der Gaststätte ist. Wer seine Arbeitskraft jedenfalls überwiegend in den Gaststättenbetrieb einbringt, insbesondere ohne hierfür ein Entgelt zu erhalten, ist ebenfalls als Vertragspartner anzusehen.68) Darüber hinaus können von Bedeutung sein der Eintritt in ein bestehendes Pachtverhältnis sowie die Abgabe einer Vermieterpfandrechtsverzichtserklärung. Unerheblich ist dagegen, wenn der Darlehensbetrag abweichend von dem angegebenen Zweck verwendet wird.69) 4.53 c) Schuldbeitritt. Abzugrenzen ist die Position eines Vertragspartners, etwa die eines Mitdarlehensnehmers, von der eines bloß Mithaftenden. Die Abgrenzung erfolgt nach den zuvor skizzierten Kriterien.70) Formulierungen wie z. B. „Mitdarlehensnehmer“, „Mitantragsteller“ oder „Mitschuldner“ sind nicht allein entscheidend.71) ___________ 65) BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04. 66) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 325/03, NJW 2005, 973 = ZIP 2005, 607; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 67) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 68) OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04. 69) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 70) Siehe oben § 39 IX 2 und insbesondere 3, jeweils m. w. N. 71) BGH, Urt. v. 19.9.1985 – VII ZR 238/84, NJW 1986, 580; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 1482; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.3.2004 – I – 16 W 14/04.

834

VII. Leistungserbringung

3.

Darlegung und Beweis

Grundsätzlich muss der klagende Darlehensgeber beweisen, dass eine vertragli- 4.54 che Mitverpflichtung vorlag, wenn er darauf seine Klageforderung stützt. Wenn der Vertragswortlaut jedoch in dieser Hinsicht eindeutig ist und der Verpflichtete sich darauf beruft, es liege nur eine sonstige Mithaftung, etwa in Form einer Bürgschaft vor, so greifen die Grundsätze der sekundären Darlegungslast ein. Der Verpflichtete muss dann im Einzelnen darlegen, dass ihm die Valuta nicht zugutegekommen ist und er über ihre Verwendung nicht gleichberechtigt mitbestimmen konnte.72) 4.

Vorsteuerabzug bei Personenmehrheit

Eine Personenmehrheit, wie etwa (Ehe-)Partner, kann nur dann Empfänger 4.55 von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Leistungen sein, wenn sie als solche unternehmerisch tätig ist. Ist dies nicht der Fall, muss der Leistungsbezug den Parteien grundsätzlich zu gleichen Teilen zugeordnet werden. Die Vorsteuer ist dann im Regelfall nur anteilig nach Köpfen abzugsfähig. Eine Personenmehrheit kann nämlich nur dann Leistungsempfänger sein, wenn sie selbst unternehmerisch tätig ist. Ist dies nicht der Fall, muss der Leistungsbezug den Partnern grundsätzlich zu gleichen Teilen zugeordnet werden. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Räume allein für das Unternehmen einer der Personen genutzt werden und dieser die Pacht allein gezahlt hat. Dies steht auch im Einklang mit der europäischen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.73) VII. Leistungserbringung 1.

Grundlagen

§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Darlehensgeber verpflichtet wird, 4.56 dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Allerdings trifft den Darlehensgeber lediglich eine bloße Wertverschaffungspflicht, mit der er nach der Natur des Darlehens in Vorleistung zu treten hat. Außerdem muss die Darlehensvaluta nicht notwendig an den Darlehensnehmer selbst fließen. Prinzipiell kann sie auf dessen Veranlassung an einen Dritten gezahlt werden.74) 2.

Auszahlung/Überweisung

In der Praxis wird immer wieder die Auszahlung bzw. Überweisung des Darle- 4.57 hensbetrages angezweifelt. Dies nicht selten sogar dann, wenn der Darlehens___________ 72) BGH, Urt. v. 16.12.2008 – XI ZR 454/07, NJW 2009, 1494 = ZIP 2009, 655; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 73) FG Düsseldorf, Urt. v. 13.12.2013 – 1 K 2947/11 U, BeckRS 2014, 94333. 74) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

gläubiger einen Überweisungsträger vorlegt mit den entsprechenden Angaben (Darlehenssumme, Bezugnahme auf den Darlehensvertrag, Ausweis des Begünstigten) und einen damit korrespondierenden Kontoauszug. In diesen Fällen ist ein Bestreiten mit Nichtwissen gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig.75) 3.

Aufrechnung

4.58 Der Darlehensgeber kann nur dann gegen einen Darlehensauszahlungsanspruch des Darlehensnehmers aufrechnen, wenn ihm individualvertraglich unzweifelhaft eine entsprechende Befugnis zusteht (Fall des Vereinbarungsdarlehens).76) 4.

Umschuldung

4.59 Enthält der Darlehensvertrag eine Verrechnungsabrede, so liegt ein sog. Umschuldungsdarlehen vor (interne Umschuldung).77) Mit der Verrechnung ist der vereinbarte Darlehensbetrag dem Darlehensnehmer tatsächlich zur Verfügung gestellt worden. 5.

Finanzierungszusage und Annahme der Leistung

4.60 a) Allgemein. Der Getränkelieferant hat seine finanztechnischen Leistungen bereits mit der Erteilung der Finanzierungszusage im Getränkelieferungsvertrag und der Bereitstellung der Leistung erbracht. Die Leistungsgewährung als solche stellt insofern lediglich eine Vollzugsmaßnahme dar. 4.61 b) Verweigerung der Annahme. Jedenfalls bei verzinslichen Darlehen mit einmaliger Auszahlung dürfte nach Sinn und Zweck des Vertrages regelmäßig eine Abnahmepflicht i. S. einer Hauptleistungspflicht bestehen. Das Verwendungsrisiko trägt grundsätzlich allein der Darlehensnehmer.78) Beim nicht entgeltlichen Darlehen ist die Abnahme dagegen für den Darlehensgeber ohne wesentliche Bedeutung (§ 488 Abs. 3 Satz 3 BGB). 4.62 c) Im Übrigen. Sollte der Darlehensnehmer die Annahme der Leistung des Getränkelieferanten ablehnen, so kann er dadurch nicht die Wirksamkeit des Getränkelieferungsvertrages insgesamt, insbesondere der Getränkebezugsverpflichtung, unterlaufen. Er ist nämlich bereits mit Abschluss des Vertrages gebunden. Dass er später die vereinbarte Leistung nicht mehr entgegennehmen will, ist unerheblich. ___________ 75) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 76) BGH, Urt. v. 18.9.1985 – III ZR 214/83, BGHZ 95, 350 = NJW 1986, 43 = ZIP 1985, 1247; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 77) BGH, Urt. v. 26.2.2002 – XI ZR 226/01, BeckRS 2003, 03242467; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. Siehe oben § 39 III 5 m. w. N. 78) BGH, Urt. v. 12.3.1991 – XI ZR 190/90, NJW-RR 1991, 1817 = ZIP 1991, 575.

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VIII. Vertragszinsen

6.

Darlehensvorvertrag

Um nicht an der Einbeziehungshürde der überraschenden Klausel nach § 305c 4.63 Abs. 1 BGB zu scheitern, empfiehlt es sich, eine klarstellende Formulierung aufzunehmen. Hat sich in einem als Darlehensvorvertrag bezeichneten Vertrag der Getränkelieferant zu einer Darlehensgewährung bereiterklärt, so kann eine in diesem Vertrag enthaltene Klausel, nach der der Gastwirt unabhängig von der Inanspruchnahme dieses Darlehens eine Bezugsbindung eingeht, deswegen überraschend sein, weil er zwar mit einer Leistung für die Inanspruchnahme des Darlehens rechnen, nicht aber davon ausgehen muss, dass ihn die Bezugsbindung auch ohne Inanspruchnahme des Darlehens endgültig trifft. Im Übrigen war die Klausel auch deshalb überraschend, weil die Überschrift des Vertrages „Darlehensvorvertrag“ nicht erkennen ließ, dass die Verpflichtung zum Getränkebezug wesentlicher Vertragsinhalt war.79) 7.

Nichterfüllung der Voraussetzungen der Darlehensgewährung aus vom Gastwirt nicht zu vertretenden Gründen

Soll in einem Formularvertrag, nach dem der lang andauernden Verpflichtung 4.64 zum Warenbezug als Leistung die Gewährung eines – unter Umständen – zinslosen Darlehens gegenübersteht, die Bezugspflicht auch dann bestehen bleiben, wenn der Bezugsverpflichtete die Voraussetzungen für die Darlehensgewährung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zu erfüllen vermag, so verstößt eine derartige Regelung gegen das Äquivalenzprinzip und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.80) 8.

Umwegfinanzierung

Die Getränkebezugsverpflichtung bleibt bestehen, wenn das Darlehen von einem 4.65 Dritten zu gewähren war, aber aus Gründen in der Person des Darlehensnehmers versagt worden ist (§ 326 Abs. 2 Satz 1 BGB).81) VIII. Vertragszinsen 1.

Verzinslichkeit

a) Einführung. Die von Getränkelieferanten ausgereichten Finanzierungen sind 4.66 vielfach jedenfalls im Grundsatz verzinslich ausgestaltet. Der Zinssatz variiert ___________ 79) BGH, Urt. v. 1.3.1978 – VIII ZR 70/77, NJW 1978, 1519 = Zeller II, 38; OLG Düsseldorf, Urt. v. 8.11.1999 – 1 U 42/99; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 80) BGH, Urt. v. 16.10.1996 – VIII ZR 54/96, NJW-RR 1997, 304 (Tankstellenvertrag); KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03, sowie – 15 W 103/03, (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler); LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 81) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

und liegt häufig unter den marktüblichen Zinssätzen für Personen mit entsprechender Bonität. Er reduziert sich nicht selten bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Bezugsverpflichtung auf Null. Ebenso finden sich aber auch unverzinsliche Darlehen. 4.67 b) Abschreibungsdarlehen sind regelmäßig, jedenfalls zunächst,82) zinslos.83) Dies entsprach auch der gesetzlichen Regelung vor Inkrafttreten des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist juristisch weiterhin möglich. Aus wirtschaftlichen Gründen sollte aber eine Verzinsung vereinbart werden, jedenfalls die Zinslosigkeit als Leistung des Getränkelieferanten benannt werden. 4.68 c) In der Praxis findet sich das Ratendarlehen84) mit festen Tilgungsraten und gesondert – sei es monatlich,85) in der Regel quartalsweise, seltener monatlich, halbjährlich oder jährlich – zu zahlenden Zinsen.86) 2. Inhaltskontrolle 4.69 Ist vertraglich vorgesehen, dass Zinsrückstände dem Kapital hinzugerechnet werden, so kann dahinstehen, ob ein zur Unwirksamkeit führender Verstoß gegen das gesetzlich geregelte Zinseszinsverbot (§ 248 Abs. 1 BGB) vorliegt. Jedenfalls führt eine etwaige Unwirksamkeit nicht zur Gesamtnichtigkeit des Darlehensvertrages (§ 306 Abs. 1 BGB).87) IX. 1.

Sittenwidrigkeit von Mithaftungserklärungen Vertragspartner

4.70 Bei einem Mitdarlehensnehmer kommt eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages grundsätzlich nicht in Betracht.88) 2. Nahe Angehörige 4.71 Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungsübernahmen naher Angehöriger entwickelten Grundsätze gelten nicht ___________ 82) OLG München, Urt. v. 31.1.1995 – 25 U 3600/94, BeckRS 1995, 04936. 83) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93; LG Koblenz, Urt. v. 13.6.1991 – 10 O. 499/90. 84) Siehe oben § 39 IV 5 b m. w. N. 85) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.10.2001 – 19 U 97/01, BeckRS 2001, 30212399; OLG Köln, Urt. v. 9.1.2007 – 3 U 158/05, BeckRS 2007, 04453; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. 86) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. 87) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 88) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 1482; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 3.4.2004 – I-16 W 14/04; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00.

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X. Rückführung und Erfüllung

nur gegenüber Kreditinstituten, sondern auch gegenüber gewerblichen oder beruflichen Kreditgebern im Sinne des Kreditrechts. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften ziehen und als Unternehmer i. S. d. § 14 BGB anzusehen sind.89) Ersteres dürfte bei Getränkelieferanten durchweg zu verneinen sein, weil ihre unternehmerische Tätigkeit nicht auf die Erzielung von Zinseinnahmen aus Kreditierung, sondern auf das Generieren von Umsatzerlösen aus dem Verkauf von Getränken gerichtet ist. X.

Rückführung und Erfüllung

1.

Grundsatz

Der Darlehensnehmer hat die Erfüllung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs 4.72 vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen.90) 2.

Tilgungsfinanzierung

a) Rückführungszeitraum. Ein Getränkelieferungsvertrag muss hinsichtlich der 4.73 Rückführung des ausgereichten Darlehens keine ausdrückliche Regelung über den Zeitraum enthalten, in dem dieses zurückgezahlt werden soll. Ausreichend ist, wenn die Darlehensvaluta nebst monatlichen Tilgungsraten und Tilgungszeitpunkt, ggf. unter Hinweis auf monatlich zu zahlende gesonderte Zinsraten, angegeben ist. Dann ergibt sich der Rückführungszeitraum aus der errechneten Zahl der monatlichen Raten.91) b) Aufhebung der Ratenzahlungsabrede. Heben die Parteien eine Bezugsver- 4.74 pflichtung und eine damit zusammenhängende Ratenzahlungsabsprache einvernehmlich mit der Folge auf, dass der bislang Gebundene keine Getränke mehr zu beziehen braucht, dann entfällt auch die Berechtigung des ehemaligen Kunden, das Darlehen in Monatsraten zurückzuzahlen. Für einen entsprechenden Zusammenhang zwischen Bezugs- und Ratenzahlungsverpflichtung sprechen das Korrespondenzverhältnis der beiden Verpflichtungen sowie der Umstand, dass sie in den Verträgen durch die Bezeichnung „als Gegenleistung“ ausdrücklich in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gestellt wurden.92) Einer gesonderten Kündigung wegen der noch offenen Beträge bedarf es dann nicht mehr. c) Leistung an Erfüllungs statt. Zur Auslegung der Abrede in einem Inventar- 4.75 kaufvertrag zwischen dem Kunden des Getränkelieferanten und einem Dritten, wonach der Kunde seinen Kaufpreisanspruch gegen den Dritten an den Getränke___________ 89) BGH, Urt. v. 13.11.2001 – XI ZR 82/01, NJW 2002, 746 = ZIP 2002, 123. 90) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 91) OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. 92) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

lieferanten gegen Gutschrift auf seinem Darlehenskonto als Vereinbarung einer Leistung an Erfüllungs statt abtritt: Eine Leistung an Erfüllungs statt (§§ 362 Abs. 1, 364 Abs. 1 BGB) ist nur dann anzunehmen, wenn davon auszugehen ist, dass der Gläubiger bei verständiger Würdigung das volle Verwendungs- und Verwertungsrisiko für den ursprünglich nicht geschuldeten Leistungsgegenstand übernehmen will. Hiervon ist auszugehen, wenn ausweislich der Vertragsurkunden die Gutschrift auf dem Darlehenskonto des Kunden unabhängig von der Durchsetzbarkeit der abgetretenen Darlehensforderung erfolgen sollte.93) 4.76 d) § 367 Abs. 2 BGB. Der Darlehensnehmer, der behauptet, eine anderweitige Anrechnung i. S. v. § 367 Abs. 2 BGB getroffen zu haben, muss diesen Vortrag hinreichend unter Beweis stellen. Insofern obliegt es ihm, die Durchschriften der Überweisungsaufträge oder die entsprechenden Kontoauszüge vorzulegen, weil die Darlegungs- und Beweislast ihn als denjenigen trifft, der sich auf seine vom Gesetz abweichende Anrechnungsvereinbarung beruft.94) 4.77 e) Zu weiteren Fragen der Rückführung bei Tilgungsfinanzierungen wird auf die obergerichtliche Rechtsprechung verwiesen.95) 3.

Rückvergütungsgutschriftenfinanzierung

4.78 a) Zu § 367 Abs. 1 BGB ist eine Entscheidung des LG Berlin aus dem Jahre 2002 zu nennen.96) 4.79 b) Jährliche Mindesttilgung bei Hauseigentümervereinbarung und Betreiberwechsel. In dem dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 28.4.199897) zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich der Eigentümer im Rahmen einer Hauseigentümervereinbarung gegenüber der Brauerei verpflichtet, bei Neuverpachtung der Gaststätte vor Ablauf der vorgesehenen Pachtzeit dem neuen Pächter aufzuerlegen, die Verpflichtung des Vorpächters gegenüber der Brauerei zu übernehmen oder selbst die Bezugsverpflichtung zu erfüllen, wenn er die Gaststätte betreiben sollte. Nach Kündigung des Vertrages mit dem Vorpächter verhielt der Hauseigentümer sich entsprechend und bezog die gebundenen Getränke über den genannten Getränkefachgroßhändler. Nach erfolgter Neuverpachtung ___________ 93) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 94) LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 95) OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, OLGReport 1998, 161, rkr. durch Nichtannahmebeschl. des BGH v. 15.12.1998 – VIII 50/98; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG München, Urt. v. 14.4.1999 – 15 U 5558/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.3.2000 – VIII ZR 274/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 96) LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 97) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98.

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X. Rückführung und Erfüllung

und Erfüllung der Getränkebezugsverpflichtung durch den Nachpächter forderte die Brauerei gleichzeitig von dem Vorpächter das volle Darlehen zurück, ohne Rückvergütungsgutschriften zu erteilen. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Die Brauerei sei verpflichtet, auf die Darlehensschuld des Vorpächters fiktive Rückvergütungen in der mit dem Vorpächter vereinbarten Höhe für den Bezug ihrer Erzeugnisse anzurechnen. 4.

Abschreibungsfinanzierung

a) Auslegung. Die Vereinbarung der Rückführungsmodalität „Abnahme von 4.80 Bier“ stellt keine Erfüllungsabrede i. S. d. § 362 BGB dar. Sie räumt dem Gastwirt lediglich die Befugnis ein, seiner grundsätzlich nach § 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB gegebenen Geldrückzahlungsverpflichtung98) durch Abnahme der vereinbarten Mindestbezugsmenge Bier zu entsprechen. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass der Mindestbezug nach dem Darlehensvertrag in Geld „umgerechnet“ wird, was überflüssig wäre, sofern das Darlehen allein durch die Abnahme der festgesetzten Biermenge hätte „zurückgezahlt“ werden sollen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dieser Abrede um eine Leistung an Erfüllungsstatt (§ 364 BGB) oder erfüllungshalber handelt. Jedenfalls ist der Gastwirt im Fall des Nichterreichens der vertraglich vereinbarten Mindestabnahmemenge verpflichtet, den Differenzbetrag zwischen der vereinbarten monatlichen oder jährlichen Rückzahlung und der in Geld umgerechneten tatsächlichen Bezugsmenge in diesem Zeitraum durch Zahlung auszugleichen (Differenzrate).99) Hierdurch wird die Rückführung des Darlehens innerhalb des Bindungszeitraums, die sich aus dem Quotienten zwischen der jährlichen Abnahme von Bier (Jahresmindestabnahmemenge x Abschreibungsmenge) und der Darlehenshöhe ergibt, vereinbarungsgemäß sichergestellt.100) b) Anrechnung. Die sich aus dem Getränkebezug ergebenden Abschreibungs- 4.81 beträge werden regelmäßig auf das gewährte Kapital angerechnet. Daher scheidet eine nachträgliche Verrechnung auf Zinsforderungen aus, es sei denn, eine andere Tilgungsbestimmung ist getroffen worden. c) Nichtigkeit der Bezugsabrede. Ist der Getränkelieferungsvertrag nichtig, 4.82 wird auch die Darlehensrückführung, soweit sie als Aufschlag auf den Getränkepreis erfolgen soll,101) berührt. Entweder ist auch der Darlehensvertrag auf___________ 98) LG Dortmund, Urt. v. 9.1.2002 – 10 O. 196/01. 99) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348; OLG Hamm, Urt. v. 10.5.2012 – I-22 U 203/11, BeckRS 2014, 05566¸ KG, (Hinweis-)Beschl. v. 4.7.2017 – 4 U 107/15. 100) OLG Koblenz, Urt. v. 11.6.1999 – 8 U 1021/98, NJW-RR 2001, 348. 101) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.10.1993 – U Kart 1/93.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

grund § 139 BGB nichtig und es stehen dem Getränkelieferanten deshalb Ansprüche aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 oder Abs. 1 Satz 2 Fälle 1 oder 2 BGB zu oder die Darlehensrückzahlung ist nach § 313 BGB bzw. § 242 BGB an die neue Lage anzupassen, weil die Grundlage der Rückzahlungsweise (die Bezugsverpflichtung) entfallen ist.102) 4.83 d) Gutschriften zum Jahresende. Nicht zu beanstanden ist, dass der Getränkelieferant die Abrechnungen über bezogene Getränkemengen jeweils erst zum Ende eines jeden Jahres vornimmt, weil ihm nicht zugemutet werden kann, monatlich oder in noch kürzeren Abständen abzurechnen.103) 4.84 e) Darlegung und Beweis. aa) Grundsatz. Der Pflicht zur Substantiierung ist dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund einer Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind.104) 4.85 bb) Betreiber. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung eines von einem Getränkelieferanten gewährten Abschreibungsdarlehens liegt beim Gastwirt. Soweit die Rückzahlung nämlich nicht im Wege der Verrechnung entsprechend der Menge abgenommener Getränke erfolgt, muss die Rückzahlung in bar erfolgen. Es ist Sache des Gastwirts, eine Tilgung – ggf. größeren Ausmaßes – durch Bezug einer größeren Menge Getränke darzulegen und ggf. zu beweisen. Dies ist ihm auch keinesfalls unmöglich oder unzumutbar. Er ist wegen der Tilgungswirkung (§ 362 Abs. 1 BGB) gehalten, die Belege über die Getränkelieferungen aufzubewahren, um den Umfang seiner Darlehensrückzahlung im Wege der Tilgung belegen zu können.105) 4.86 cc) Nicht selbst bewirtschaftender Eigentümer. Ob diese Grundsätze für einen Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag mit einem nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümer gelten, bedarf ggf. besonderer Prüfung.106) Dass der Darlehensnehmer infolge Verpachtung des Objektes keinen Einblick in die Zahlen seines Pächters hat, fällt jedenfalls dann allein in seinen Risikobereich, wenn er die Gaststätte verpachtet anstelle sie selbst zu betreiben.107) 5.

Gesamtschuldnerschaft

4.87 a) Grundsatz. Jeder Gesamtschuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, dass der durch einen Kontoauszug ausgewiesene und von ___________ 102) Erman-Saenger, BGB, Vor § 488 Rz. 23. 103) LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 104) BGH, Beschl. v. 9.2.2009 – II ZR 77/08, NJW 2009, 2137 = ZIP 2009, 1031; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 105) LG Landau, Urt. v. 26.9.1994 – 4 O. 999/93. 106) OLG München, Urt. v. 14.4.1999 – 15 U 5558/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.3.2000 – VIII ZR 274/99. 107) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134.

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XI. Rückzahlung

dem Getränkelieferanten geltend gemachte Betrag nicht richtig ist. Er kann sich nicht darauf beschränken, die Richtigkeit der in den Kontoauszügen ausgewiesenen Zahlen zu bestreiten. Ein Bestreiten ist insbesondere dann nicht ausreichend, wenn sich Gesamtschuldner gegenseitig bevollmächtigt haben, unwiderruflich allein rechtsverbindliche Erklärungen gegenüber dem Getränkelieferanten mit Wirkung für alle Vertragspartner entgegennehmen oder abgeben zu können. Eine entsprechende Klausel ist in jedem Fall insoweit wirksam, als sich die Gesamtschuldner gegenseitig zur Entgegennahme rechtsverbindlicher Erklärungen bevollmächtigt haben.108) b) Interne Schuldübernahmeerklärungen wirken nicht zu Lasten des Gläubi- 4.88 gers. Sie entfalten keine Außenwirkung. Dies verdeutlichen die Vorschriften der §§ 415 (Abs. 1 Satz 1), 416 BGB. Dazu bedarf es einer ausdrücklichen, jedenfalls konkludenten Erklärung des Gläubigers. Entgegen dem Gesetzeswortlaut „Genehmigung“ i. S. einer nachträgliche Zustimmung (§ 184 Abs. 1 BGB) genügt auch eine vorherige Zustimmung (Einwilligung, § 183 Satz 1 BGB).109) Die Nichtreaktion auf ein Schreiben eines Gesamtschuldners genügt dagegen nicht. Bloßes Schweigen ist in der Regel keine Willenserklärung (§ 415 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 416 Abs. 1 Satz 2 BGB), sondern das Gegenteil einer Erklärung. Wer schweigt, setzt im Allgemeinen keinen Erklärungstatbestand. Er bringt weder Zustimmung noch Ablehnung zum Ausdruck. Schweigen auf ein Angebot zur Änderung oder Aufhebung eines Vertrages gilt grundsätzlich nicht als Zustimmung. Den Getränkelieferanten trifft auch keine Ablehnungspflicht. Sein Schweigen stellt entsprechend der Wertung des § 415 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 und des § 25 Abs. 1 HGB (die Fortführung eines Handelsgeschäfts stellt keine Schuldübernahme, sondern nur einen Schuldbeitritt dar), keine Zustimmung zur Schuldübernahme dar.110) XI.

Rückzahlung

1.

Anspruchsgrundlage

Ist der Darlehensvertrag wirksam, so ergibt sich der Darlehensrückzahlungsan- 4.89 spruch entweder aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB oder aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB. Bei Unwirksamkeit des Darlehensvertrages folgt ein entsprechender Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Einwendungen etwa nach § 123 BGB oder § 138 BGB sind daher unerheblich. Die Darlehensvaluta muss der Darlehensnehmer immer an den Darlehensgeber zurückzahlen, weil ihm das ___________ 108) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27; Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, rkr. durch Nichtannnahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII 50/98. 109) BGH, Urt. v. 13.12.1990 – IX ZR 79/90, NJW-RR 1991, 817. 110) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

Darlehenskapital vereinbarungsgemäß nicht endgültig, sondern nur vorübergehend zur Nutzung gewährt werden soll. Weder stehen § 817 Satz 2 BGB noch § 818 Abs. 3 BGB einer Rückforderung entgegen.111) 2.

Fälligkeit

4.90 a) Vereinbarungsdarlehen. Unabhängig von der konstruktiven Einordnung eines Vereinbarungsdarlehens112) hat eine entsprechende Vereinbarung zur Folge, dass die aus dem anderen Rechtsgrund gegebene Fälligkeit nunmehr einer neuen Fälligkeit unterliegt, insbesondere auch durch Einräumung einer Teilzahlungsabrede hinausgeschoben ist.113) 4.91 b) Abschreibungsdarlehen. Entscheidend für die Frage, ob eine Insolvenzforderung i. S. d. § 87 InsO vorliegt, ist der Zeitpunkt der Entstehung der Forderung, nicht derjenige der Fälligkeit, wie sich aus § 41 InsO ergibt. Die Entstehung der Forderung aus Abschreibungsdarlehen liegt in dem Abschluss des Darlehensvertrages. Wird darin das Auslaufen des Darlehens konkret, jedenfalls errechenbar, festgelegt, so steht der Rückzahlungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, dass er bis zum Ablauf des Darlehens nicht durch Abschreibungen aufgrund des Getränkebezuges erloschen ist. Daran ändert auch die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters nach § 35 InsO nichts. Denn eine solche Erklärung wird nicht rückwirkend, sondern ex nunc,114) lediglich danach entstandene Forderungen können gegen den Schuldner direkt geltend gemacht werden.115) 4.92 c) Stundung. Eine Stundung schiebt die Fälligkeit hinaus (anfängliche Stundung i. S. eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 205 BGB) oder beseitigt bei bereits eingetretener Fälligkeit insbesondere den Verzug des Hauptschuldners (nachträgliche Stundung in Form einer Vertragsänderung).116) Ein nicht unterschriebenes Schriftstück, hier Gesprächsprotokoll, begründet nicht den Beweis einer Stundungsabrede; dies zeigt bereits § 154 Abs. 2 BGB.117) Gegen eine Stundung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs spricht, dass der Hauptschuldner im Falle der Nichtzahlung weiter für die Folgen seiner Leistungsverzögerung einstehen muss, insbesondere als Mindestschaden Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 ___________ 111) BGH, Urt. v. 7.1.1995 – XI ZR 225/93, NJW 1995, 1152 = ZIP 1995, 453; BGH, Urt. v. 12.9.2006 – XI ZR 296/05, NJOZ 2007, 1189 = ZIP 2006, 2119; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 112) Siehe oben § 39 III 4 e m. w. N. 113) LG Karlsruhe, Urt. v. 16.6.1988 – 4 O. 574/86, Zeller IV, 251. 114) BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, NJW 2012, 1361. 115) AG Celle, Urt. v. 4.8.2016 – 150 C 494/16 (10.1). 116) OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. 117) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000.

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XI. Rückzahlung

BGB) zu zahlen hat. Hinzu kommt das Interesse des Getränkelieferanten, sich bei zweifelhafter Bonität des Hauptschuldners offensichtlich nicht der Möglichkeit begeben zu wollen, mit Aussicht auf Erfolg gegen einen Bürgen vorzugehen.118) Ggf. bedarf es der Abgrenzung zu einer vollstreckungsbeschränkenden Ver- 4.93 einbarung.119) 3.

Darlegung der Forderungshöhe

a) Grundsatz. Nach allgemeinen Grundsätzen hat der Darlehensgeber die Fäl- 4.94 ligkeit seines vertraglichen oder sich aus § 488 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB ergebenden Rückzahlungsanspruchs120) und damit den Ablauf der vereinbarten Laufzeit oder die Wirksamkeit der Kündigung zu beweisen. Dies gilt auch im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB.121) b) Kontoentwicklung. Die Höhe des Darlehensrückzahlungsanspruchs ist an- 4.95 hand der vorgelegten Kontoentwicklung substantiiert darzutun. Aus den vorgelegten Buchungsunterlagen muss sich der Anfangssaldo konkret ergeben. Es genügt im Übrigen, wenn unwidersprochen unter Hinweis auf die genannten Buchungsunterlagen vorgetragen wird, dass zuzüglich Zinsen und unter Anrechnung der vom Pächter geleisteten Zahlungen ein konkreter Zwischensaldo vorhanden war, der auch der Klageforderung zugrunde liegt. Dies hat der Schuldner, der aus seinen eigenen Unterlagen die Richtigkeit dieser Angaben ohne weiteres überprüfen kann, ggf. zu bestreiten. Sonst gilt § 138 Abs. 3 ZPO.122) Die Vorlage einer „offenen Posten-Liste“ und des „Ausdrucks aus der Buchhal- 4.96 tung“ zu einer angeblich aktuell noch bestehenden Darlehensschuld genügen für einen substantiierten und schlüssigen Vortrag. Aus der erstgenannten Liste allein lässt sich dagegen die behauptete Darlehensschuld noch nicht schlüssig erklären. Soweit der in Anspruch Genommene sich im Wesentlichen darauf beschränkt, pauschal zu rügen, diese Anlagen seien „rätselhaft“ und deshalb nicht geeignet, die Klageforderung zu begründen, handelt es sich um ein pauschales Bestreiten. Dieses genügt nach den konkreten Umständen nicht, um dem Vortrag bis zur Höhe der Klageforderung den Boden zu entziehen. Zum einen lässt sich aus dem „Ausdruck aus der Buchhaltung“ selbst ohne vertiefte buchhalterische Vorbildung entnehmen, auf welche Weise die Klageforderung errechnet worden ist. Zum anderen obliegt es dem in Anspruch Genommenen, konkret ___________ 118) 119) 120) 121) 122)

OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428. BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 258/86, NJW-RR 1987, 907. LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 0. 118/05. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99; LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06.

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§ 39 Grundfragen der Finanzierung mittels Getränkelieferungsverträgen

die Erfüllung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen.123) 4.97 c) Saldoanerkenntnis. aa) Periodenkontokorrent. Bei periodisch übersandten Rechnungsabschlüssen führt bei einer entsprechenden Regelung in den AGB des Getränkelieferanten ein fehlender Widerspruch zu einer Anerkenntniserklärung hinsichtlich des ausgewiesenen Saldos.124) 4.98 bb) Forderungsaufstellung. Eine Aufstellung früherer Verbindlichkeiten kann als konstitutives Schuldanerkenntnis gewertet werden.125) 4.

Vertragszinsen

4.99 a) Grundsatz. Zahlt der Darlehensnehmer das Darlehen bei Fälligkeit nicht zurück, hat der Darlehensgeber keinen Anspruch auf den Vertragszins. Allerdings kann ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen wegen verspäteter Rückzahlung aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB bestehen. 4.100 b) Vertragszins als Schadensersatz. Für Geldschulden stellt § 288 Abs. 4 BGB klar, dass über den gesetzlichen Verzugszins hinausgehende Verzögerungsschäden ersetzt verlangt werden können. Durch den Verzug des Darlehensnehmers hat er schuldhaft eine Vertragsverletzung begangen, die die Gegenseite des Darlehensvertrages berechtigt, anstelle des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 2, 286 BGB in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 628 Abs. 2 BGB den bisherigen Vertragszins als Schadenersatz wegen Nichterfüllung des vorzeitig beendeten Darlehensvertrages zu verlangen. Dabei ist die Summe der noch ausstehenden Entgelte unter Umständen um einen Abzinsungsfaktor, ersparte Aufwendungen und die Erträge aus einer anderen Verwertung des Vertragsgegenstandes zu vermindern. Dieser Zinsanspruch beschränkt sich auf das noch offene Darlehenskapital und ist weiter auf den Umfang beschränkt, in dem der Darlehensgeber eine rechtlich geschützte Zinserwartung hatte.126) 4.101 c) Herausgabe von Zinsvorteilen. Hat der Darlehensnehmer die empfangene Darlehensvaluta für seine Zwecke genutzt, so hat er darüber hinaus diesen Gebrauchsvorteil zu ersetzen. Maßgeblich ist grundsätzlich der vertraglich vereinbarte Zinssatz oder bei einem entsprechenden Nachweis der marktübliche Zins (§ 346 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB).127) Auch wenn der Gesetzgeber den ___________ 123) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 124) BGH, Urt. v. 28.1.1984 – I ZR 201/82, BGHZ 93, 307 = NJW 1985, 1706 = ZIP 1985, 599; LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 125) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 126) BGH, Urt. v. 8.2.2000 – XI ZR 313/98, NJW 2000, 1408; BGH, Urt. v. 28.4.1988 – III ZR 57/87, NJW 1988, 1967; LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 127) BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187.

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XII. Einwendungen

Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages vor Augen hatte,128) gilt die Ausnahme des § 346 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BGB für alle entgeltlichen Darlehensverträge. Dies greift einerseits zu weit, weil entgegen dem gesetzgeberischen Motiv auch Darlehen zu gewerblichen Zwecken privilegiert werden. Andererseits ist nicht verständlich, warum der Nachweis eines geringeren objektiven Wertes nur bei Darlehen, nicht aber bei Veräußerungsgeschäften möglich sein soll.129) 5.

Verzugszinsen

Der Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens hat keinen Entgeltcharakter 4.102 i. S. d. § 288 Abs. 2 BGB. Daher bleibt es bei der Regelung der §§ 291 Satz 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach der Zinssatz für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB beträgt.130) XII. Einwendungen 1.

Zurückbehaltungsrecht

Das Ausbleiben der Richtigstellung fehlerhafter Verbuchungen mag zwar als 4.103 Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts interpretiert werden. Dieses führt aber nicht zur Klageabweisung, sondern lediglich zu einer Zug-um-ZugVerurteilung (§ 274 Abs. 1 BGB).131) 2.

Erlass

Mit der Frage, ob in einer Vereinbarung, dass die Vollstreckung aus dem zu 4.104 leistenden Anerkenntnis damit hinsichtlich Hauptforderung, Zinsen und Kosten erledigt sein sollte, lediglich die Abrede einer Vollstreckungsbeschränkung oder aber ein bedingter Teilerlass der verbürgten Darlehensforderung zu sehen ist, befasste sich eine Entscheidung des OLG Köln vom 9.3.2011.132) 3.

Verzicht

Zu einem möglichen Verzicht auf etwaige Rechte, hier allerdings aufschiebend 4.105 bedingt durch die Zahlung von 130.000,00 € (§ 158 Abs. 1 BGB), wobei die Zahlung unstreitig nicht erfolgte, so dass die Bedingung nicht eingetreten war und der Verzicht somit nicht wirksam geworden war, nimmt das OLG Düsseldorf in einem Urteil aus dem Jahre 2001 Stellung.133) ___________ 128) BT-Drucks. 14/9266, S. 45. 129) Erman-Röthel, BGB, § 346 Rz. 17 m. w. N. 130) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 O. 118/05. 131) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517. 132) OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428. 133) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99.

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§ 40 Kündigung und Rücktritt

4.

Aufrechnung

4.106 a) Dort auch zur Aufrechnung mit einem (Gegen-)Schadensersatzanspruch des Gastwirts gegen den Getränkelieferanten wegen „Vereitelung“ der Darlehensrückzahlung, so dass dieser Eigentümer des Inventars geblieben sei und dem Gastwirt aufgrund von dessen höherer Werthaltigkeit ein Schaden entstanden sei, der aber letztlich nicht gegeben war, weil ein die getroffene Vereinbarung beeinträchtigendes Verhalten des Getränkelieferanten nicht vorlag.134) 4.107 b) In der Gerichtspraxis wird nicht selten erstmals in der Berufungsinstanz die (Hilfs-)Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen erklärt. Häufig scheitert dies am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 533 ZPO. Im Übrigen werden nicht selten weder hinreichend schlüssig noch hinreichend substantiierte angebliche Gegenforderungen vorgetragen.135) 4.108 Rechnet der in Anspruch Genommene gegen die Hauptforderung aus Darlehen mit einem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf, so ist bei der Streitwertfestsetzung § 45 Abs. 3 GKG zu beachten. Insofern genügt es, dass das Gericht die Hilfsaufrechnung als nicht genügend substantiiert ansieht.136) 5.

Verwirkung

4.109 Der Umstand der Nichtversendung von Kontoauszügen ist schon deshalb nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, wenn der Gesamtschuldner während des gesamten Vertragsverhältnisses keine Kontoauszüge erhalten hat.137) 6.

Gutschriften aus Inventarverwertung

4.110 Insofern können aus der Rechtsprechung einige Urteile berichtet werden.138) § 40 Kündigung und Rücktritt I. Ordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten 1.

Inhaltskontrolle

4.111 Im Allgemeinen unterliegen befristete Darlehen nicht der ordentlichen Kündigung. Die Regelung des § 308 Nr. 3 BGB gilt nicht für solche Rücktrittsvorbe___________ 134) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99. 135) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 136) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 137) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03. 138) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, WM 2001, 1028; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss); LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0.367/01; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00 als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12.

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§ 40 Kündigung und Rücktritt

4.

Aufrechnung

4.106 a) Dort auch zur Aufrechnung mit einem (Gegen-)Schadensersatzanspruch des Gastwirts gegen den Getränkelieferanten wegen „Vereitelung“ der Darlehensrückzahlung, so dass dieser Eigentümer des Inventars geblieben sei und dem Gastwirt aufgrund von dessen höherer Werthaltigkeit ein Schaden entstanden sei, der aber letztlich nicht gegeben war, weil ein die getroffene Vereinbarung beeinträchtigendes Verhalten des Getränkelieferanten nicht vorlag.134) 4.107 b) In der Gerichtspraxis wird nicht selten erstmals in der Berufungsinstanz die (Hilfs-)Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen erklärt. Häufig scheitert dies am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 533 ZPO. Im Übrigen werden nicht selten weder hinreichend schlüssig noch hinreichend substantiierte angebliche Gegenforderungen vorgetragen.135) 4.108 Rechnet der in Anspruch Genommene gegen die Hauptforderung aus Darlehen mit einem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf, so ist bei der Streitwertfestsetzung § 45 Abs. 3 GKG zu beachten. Insofern genügt es, dass das Gericht die Hilfsaufrechnung als nicht genügend substantiiert ansieht.136) 5.

Verwirkung

4.109 Der Umstand der Nichtversendung von Kontoauszügen ist schon deshalb nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, wenn der Gesamtschuldner während des gesamten Vertragsverhältnisses keine Kontoauszüge erhalten hat.137) 6.

Gutschriften aus Inventarverwertung

4.110 Insofern können aus der Rechtsprechung einige Urteile berichtet werden.138) § 40 Kündigung und Rücktritt I. Ordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten 1.

Inhaltskontrolle

4.111 Im Allgemeinen unterliegen befristete Darlehen nicht der ordentlichen Kündigung. Die Regelung des § 308 Nr. 3 BGB gilt nicht für solche Rücktrittsvorbe___________ 134) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99. 135) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 136) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 137) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03. 138) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, WM 2001, 1028; KG, Urt. v. 21.1.2003 – 7 U 279/02; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss); LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0.367/01; LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00 als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00; LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12.

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I. Ordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten

halte, Kündigungs- oder Lösungsrechte, die sich der Verwender im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses ausbedungen hat. 2.

Kündbarkeit

a) Kündigungsdarlehen. Ein Getränkelieferant kann ein Darlehen nicht nur 4.112 ordentlich kündigen, wenn der Getränkelieferungsvertrag eine entsprechende Regelung aufweist, sondern auch kraft Gesetzes nach § 488 Abs. 3 BGB. Ist ein Darlehen nach Ablauf der (zehnjährigen) ausschließlichen Getränkebezugsverpflichtung nicht getilgt und soll dieses ab diesem Zeitpunkt unter Fortfall der Ausschließlichkeitsbindung durch weiteren Getränkebezug bis zum Erreichen der Gesamtmindestabnahmemenge fortlaufend getilgt werden, so besteht mit Ablauf der ausschließlichen Getränkebezugsverpflichtung keine bestimmte Laufzeit mehr. Vielmehr verlängert sich das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Dauer, weil der Umfang des Getränkebezugs und damit der Umfang der Tilgung vollständig in den Händen des bislang ausschließlich Gebundenen liegen. Daher ist das Darlehen jedenfalls ab diesem Zeitpunkt als ein solches i. S. d. § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB anzusehen, bei dem für die Rückerstattung keine Zeit bestimmt ist. Folglich kann es nach § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB durch beide Vertragsparteien ordentlich mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden.139) b) Abschreibungsdarlehen. Der Darlehensgeber kann nicht einen Betrag, der 4.113 nach den vertraglichen Vereinbarungen nur unter besonderen Voraussetzungen fällig werden kann, durch „Kündigung“ zahlbar machen.140) c) Zuschuss. Fraglich und umstritten ist, ob beim Zuschuss grundsätzlich eine 4.114 Rückforderbarkeit anzunehmen ist. Vereinzelt wird dies bei Fehlen einer ausdrücklichen Abrede verneint.141) Andere Entscheidungen sind insofern großzügiger.142) Soweit der Zuschussvertrag nicht eine ausdrückliche Rückzahlungsklausel für den Fall des Nichteintritts bestimmter Voraussetzungen, insbesondere der Nichtabnahme einer bestimmten Getränkemenge, enthält oder sich eine entsprechende Regelung im Wege der Auslegung ergibt, bleibt es bei dem Grundsatz, dass zuschussweise gewährte Geldleistungen nicht rückforderbar sind. Sollte ___________ 139) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 140) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.9.1999 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99. 141) OLG Köln, Urt. v. 26.10.1983 – 16 U 52/83, Zeller III, 263 (Automatenaufstellvertrag); LG Siegen, Urt. v. 21.12.1989 – 3 S 333/89, NJW-RR 1990, 632 = Zeller IV, 287 (Automatenaufstellvertrag). 142) KG, Urt. v. 22.6.1987 – 2 U 4205/86, Zeller IV, 240 (Vergleich); OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, OLG-Report 1998, 161, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 250/98; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 30.11.2000 – 16 U 230/99, BeckRS 2014, 10153, BGH – VIII ZR 5/01, Revisionsrücknahme nach Nichtannahmebeschl., der ausnahmsweise begründet worden ist; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Tübingen, Urt. v. 4.9.1991 – 6 S 167/91, NJW-RR 1992, 112; LG Köln, Urt. v. 7.6.1994 – 27 O. 7/94.

849

§ 40 Kündigung und Rücktritt

der Getränkelieferant im Hinblick auf die zugrunde gelegte hl-Zahl einem Kalkulationsirrtum unterlegen sein, so liegt ein grundsätzlich unbeachtlicher Motivirrtum vor, der nicht zur Anfechtung berechtigt. Anders wird zu entscheiden sein, wenn die kalkulierte Menge als gemeinsam vertraglich bindende anzusehen ist und die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) greifen. Dann besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB. Nach dem „Prinzip der kommunizierenden Röhren“ müsste dann sowohl die abzunehmende Getränkemenge als auch der zur Verfügung gestellte Geldbetrag reduziert werden. 3.

Kündigung

4.115 a) Erklärung. Da für die Kündigung grundsätzlich Formfreiheit besteht, kann auch eine ordentliche Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB konkludent erklärt werden. Eine konkludente Kündigungserklärung kann in der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs, etwa durch Zustellung der Klage auf Rückzahlung oder eines entsprechenden Mahnbescheides oder durch ein sonstiges Verlangen auf Rückzahlung, der Zwangsvollstreckung oder einer Aufrechnungserklärung liegen.143) In Betracht kommt auch eine Anspruchsbegründung, in der der Gläubiger sich unter anderem auf sein Recht zur ordentlichen Kündigung beruft.144) 4.116 b) Zugang. Ob der zur Rückzahlung Verpflichtete das Kündigungsschreiben erhalten hat, kann im Falle der Klageerhebung auf Rückzahlung dahinstehen.145) 4.117 c) Mehrheit von Darlehensnehmern. Mehreren Darlehensnehmern gegenüber als Gesamtschuldnern kann die Kündigung grundsätzlich nur einheitlich erklärt wird.146) Aus § 425 Abs. 2 BGB lässt sich nichts Gegenteiliges folgern. Bei (Ehe)Partnern bedarf es eines an beide Kündigungsgegner adressierten Schreibens. Die Kündigung ist insgesamt nur wirksam, wenn sie allen Vertragsparteien zugeht. II.

Außerordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten – allgemeine Fragen

1.

Konkurrenzen

4.118 Einerseits ist zwischen ordentlichen Kündigungsgründen zu unterscheiden, seien sie vertraglich vereinbart oder dem Gesetz zu entnehmen. Andererseits stehen dem Getränkelieferanten neben den Rechten nach §§ 488 Abs. 3, 490 BGB auch außerordentliche gesetzliche Kündigungsmöglichkeiten aus wichtigem Grund nach §§ 313, 314 BGB zu. Dies ist unabhängig davon, ob sie im Geträn___________ 143) OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. 144) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 145) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03. Siehe auch § 33 III 8 a m. w. N. 146) BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI ZR 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524.

850

II. Außerordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten – allgemeine Fragen

kelieferungsvertrag ausdrücklich benannt sind oder nicht. § 490 Abs. 3 BGB stellt dies ausdrücklich klar. 2.

Inhaltskontrolle von Kündigungsklauseln

a) Leitbildrechtsprechung. aa) § 314 BGB. Da Darlehens- und Getränkeliefe- 4.119 rungsverträge ein Dauerschuldverhältnis begründen,147) ist § 314 BGB als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Jede Abweichung stellt nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB einen Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild des § 314 BGB dar.148) bb) §§ 281, 323 BGB. Formularmäßig ist es auch durch § 307 Abs. 2 Nr. 1 4.120 BGB nicht geboten, dass der Getränkelieferant die für die außerordentliche Kündigung erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen unter Beachtung der Tatbestandselemente der §§ 281, 323 BGB formuliert.149) Ein Verschulden des Kündigungsgegners wird allerdings nicht vorausgesetzt.150) cc) Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung. Bei Ver- 4.121 letzung vertraglicher Pflichten darf formularmäßig gem. §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 314 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht auf das Erfordernis einer vorherigen erfolglosen Abmahnung oder den Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist verzichtet werden.151) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Kündigungsgrund. Typische benannte Kündi- 4.122 gungsgründe sind die unmittelbar drohende Zahlungsunfähigkeit,152) eine nachträgliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, die Nichtbestellung, der Wegfall der Sicherheiten, die Veränderung der Werthaltigkeit gestellter Sicherheiten, die Zahlungseinstellung (Vermögensverfall)153) sowie weitere negative Veränderungen der Vermögensverhältnisse.154) Die vertragliche Regelung dieser Kündigungsgründe entspricht nicht nur der Gesetzeslage (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 490 Abs. 1 und 3, 313, 314 BGB). Sie begegnet auch deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil der Getränkelieferungsvertrag gerade darauf fußt, dass durch den Gaststättenbetrieb mit der fortlaufenden Getränkeabnahme ein Entgelt für die Leistungsgewährung erwirtschaftet wird. Diesem Mechanismus ___________ 147) Siehe oben § 2 IV m. w. N. 148) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 149) OLG München, Urt. v. 27.2.2008 – 7 U 4392/07, NJW-RR 2009, 57. 150) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 153/71, DB 1972, 2054. 151) BGH, Urt. v. 12.3.2003 – VIII ZR 2/02, NJW-RR 2003, 928; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. Siehe im Übrigen oben § 34 III 7 m. w. N. 152) BGH, Urt. v. 20.5.2003 – XI ZR 50/02, NJW 2003, 276. 153) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 154) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Münster, Urt. v. 18.8.2006 – 16 O. 105/06.

851

§ 40 Kündigung und Rücktritt

wird bei Vorliegen der vorgenannten Kündigungsgründe der Boden entzogen.155) Die Kündigungsgründe heben überwiegend auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse ab, die die Belange des Getränkelieferanten nicht unerheblich berühren, und sind deshalb durchweg sachgerecht. Tritt in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit einer für ein Darlehen bestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung ein, so kann der Darlehensgeber auch zu einer teilweisen Kündigung des Darlehens berechtigt sein.156) 4.123 bb) Wesentlicher bzw. schwerwiegender Verstoß. Sowohl gem. § 138 Abs. 1 BGB als auch nach § 307 BGB berechtigen nur wesentliche oder schwerwiegende Vertragsverstöße zur fristlosen Kündigung.157) Diese Einschränkung der Kündigungsbefugnis muss sich aus der Kündigungsregelung selbst ergeben.158) Einmalige Verstöße dürfen daher nicht sanktioniert werden.159) 4.124 cc) Vertretenmüssen. Es erscheint angezeigt, die Befugnis zur außerordentlichen Kündigung des Getränkelieferungsvertrages durch den Getränkelieferanten unter die Voraussetzung zu stellen, dass der Kunde die Kündigung zu vertreten hat. Damit wird auch dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis eines wesentlichen bzw. schwerwiegenden Verstoßes gegen die vertragliche Verpflichtung Rechnung getragen.160) 3.

Verschulden

4.125 Der zur Kündigung berechtigende wichtige Grund kann in einer Pflichtverletzung des Kündigungsgegners liegen (vgl. § 314 Abs. 2 BGB), aber auch in sonstigen Umständen, die das Festhalten am Vertrag für die kündigende Partei unzumutbar machen. Daher ist ein Verschulden des Kündigungsgegners weder erforderlich noch in jedem Fall ausreichend.161) Es kann aber bei der nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlichen Abwägung zu berücksichtigen sein.

___________ 155) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 156) OLG Celle, Urt. v. 1.7.2009 – 3 U 37/09, NJW-RR 2010, 406. 157) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202; BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; BGH, Urt. v. 23.11.1983 – VIII ZR 333/82, ZIP 1984, 335 = Zeller III, 266; BGH, Urt. v. 8.4.1992 – VIII ZR 94/91, NJW 1992, 2145; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288. 158) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80. 159) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 160) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Formularsammlung Vertriebsrecht, § 21 Rz. 77. 161) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 153/71, DB 1972, 2054.

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II. Außerordentliche Kündigung durch den Getränkelieferanten – allgemeine Fragen

4.

Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung oder Abmahnung

a) Unterscheidung. Einer Fristsetzung oder Abmahnung bedarf es nach § 314 4.126 Abs. 2 Satz 1 BGB bei einer Pflichtverletzung (§ 281 Abs. 3 BGB). Bei leistungsbezogenen Haupt- oder Nebenpflichten kommt eher eine Fristsetzung, bei nicht leistungsbezogenen Nebenpflichten, insbesondere Verhaltens- und Schutzpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB), kommt eher eine Abmahnung in Betracht. b) Kündigungsandrohung. Eine ausdrückliche Kündigungsandrohung ist nicht 4.127 mehr erforderlich. Im Hinblick auf § 314 Abs. 2 BGB macht es aber aus unternehmerischer Vorsicht Sinn, die Kündigung ausdrücklich anzudrohen, um dem Schuldner deutlich vor Augen zu führen, dass die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel steht und er für den Fall erneuter Verstöße mit rechtlichen Konsequenzen rechnen muss.162) c) Entbehrlichkeit. An die Voraussetzungen einer endgültigen und ernsthaften 4.128 Erfüllungsverweigerung nach §§ 314 Abs. 2 Satz 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind strenge Anforderungen zu stellen.163) Sie liegt nur vor, wenn der Schuldner eindeutig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und dies auch als sein letztes Wort verstanden wissen will.164) 5.

Kündigungserklärungsfrist

Während die Kündigung nach § 490 BGB an keine Frist gebunden ist und da- 4.129 her fristlos möglich ist, muss das Kündigungsrecht nach § 314 BGB innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes ausgeübt werden (§ 314 Abs. 3 BGB). Wegen der Vielgestaltigkeit von Dauerschuldverhältnissen ist aber eine einheitliche Bemessung der Frist ausgeschlossen.165) Bei der Fristlänge kann auch nicht § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprechend angewandt werden.166) Angesichts der Schwierigkeiten der Beurteilung der tatsächlichen Voraussetzungen der Kündigung mit dabei zu treffenden komplexen Prognoseentscheidungen und der Sinnhaftigkeit, Gespräche über eine Anpassung des Vertrages an die aktuelle Situation zu führen, ist es sinnvoller, auf den flexiblen Maßstab des § 242 BGB abzustellen. Diese Lösung findet ihre Grenze in den Grundsätzen der Verwirkung.

___________ 162) BGH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII ZR 3/11, NJW 2012, 53. 163) BGH, Urt. v. 3.7.1996 – VIII ZR 92/95, NJW-RR 1996, 1394; BGH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII ZR 3/11, BeckRS 2011, 26461. 164) BGH, Urt. v. 29.6.2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 = ZIP 2011, 1824; BGH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII ZR 3/11, BeckRS 2011, 26461. 165) Siehe oben § 33 III 8 c m. w. N. 166) BGH, Urt. v. 25.11.2010 – Xa ZR 48/09, NJW 2011, 1438.

853

§ 40 Kündigung und Rücktritt

III.

Kündigungsgründe nach §§ 490 Abs. 1 und 3, 314 Abs. 1 BGB

1.

Überblick

4.130 Der Getränkelieferant kann bei Darlehensverträgen mit bestimmten Laufzeiten nach erfolgter Auszahlung in der Regel nur außerordentlich kündigen, wenn folgende Kündigungsgründe vorliegen: Wiederholter Zahlungsverzug mit Zinsund Tilgungsleistungen als ein Hauptfall schuldhafter Pflichtverletzung (§§ 490 Abs. 3, 314 Abs. 1 BGB), Verfall der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers sowie wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit gestellter Sicherheiten (§ 490 Abs. 1 BGB), unrichtige Angaben des Darlehensnehmers über seine finanzielle Situation, sofern die Angaben für die Kreditentscheidung von Bedeutung waren (§§ 490 Abs. 3, 314 Abs. 1 BGB),167) und fehlende Bereitschaft zur Stellung von Ersatzsicherheiten ((§§ 490 Abs. 3, 314 Abs. 1 BGB). In diesem Zusammenhang bedarf es einer Gesamtwürdigung der jeweiligen Kündigungssituation. 2.

Kündigungsgrund Zahlungsverzug

4.131 a) Ratenverzug. aa) Grundsatz. Der Verzug mit Tilgungs- und/oder Zinsraten und unabhängig davon, ob die Raten nur Zins oder auch Tilgung beinhalten, berechtigt zur Kündigung.168) Soweit Zahlungen nicht geleistet werden, tritt infolge der kalendermäßigen Leistungsbestimmung i. S. d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB durch bloße Nichtzahlung Verzug ein. 4.132 bb) Rückstandsquote. Bei Unternehmerkunden fordern weder das Gesetz noch die Rechtsprechung den Verzug mit einer bestimmten Anzahl von Teilzahlungen noch das Erreichen einer bestimmten Rückstandsquote hinsichtlich der Darlehensvaluta insgesamt. Aus dem Rechtsgedanken der §§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a. A., 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a BGB lässt sich aber als Orientierungswert ein Tilgungsrückstand mit jedenfalls zwei aufeinander folgenden vollen Raten ableiten.169) Konsequent wäre es, wenn in entsprechender Anwendung von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 b BGB ein Verzug in Höhe von zwei Raten hinreichend ist, der sich über mehrere Monate angesammelt hat. Wie bei § 498 BGB ist eine Tilgungsbestimmung, jeweils nur auf jede zweite Rate leisten zu wollen, allerdings unbeachtlich. Im hier interessierenden Zusammenhang gilt dies jedenfalls dann, wenn der Getränkelieferungsvertrag insgesamt gekündigt wird. ___________ 167) BGH, Urt. v. 19.9.1979 – III ZR 93/76, NJW 1980, 399. 168) OLG Köln, Urt. v. 6.6.1974 – 5 U 27/73; KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2004 – I-14 U 156/03, BeckRS 2010, 24896, rkr. durch (Nichtzulassungs-)Beschl. d. BGH v. 19.10.2005 – VIII ZR 53/04. 169) BGH, Urt. v. 19.9.1985 – III ZR 213/83, BGHZ 95, 362 = NJW 1986, 46 = ZIP 1986, 1253; BGH, Urt. v. 1.10.1987 – III ZR 175/86, NJW-RR 1988, 763.

854

III. Kündigungsgründe nach §§ 490 Abs. 1 und 3, 314 Abs. 1 BGB

Gerät der Gastwirt mit der Darlehensrückzahlung in Rückstand, so ist eine Fäl- 4.133 ligstellung des gesamten Restdarlehens bei Fortbestand der Ausschließlichkeitsverpflichtung nur dann zulässig, wenn der Rückstand ein gewisses Ausmaß erreicht und dem Gastwirt erfolglos eine Nachfrist gesetzt worden ist.170) Denn die Verfall-/Vorfälligkeitsklausel steht bei Dauerschuldverhältnissen unter dem Vorbehalt, dass nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht schon jede geringfügige Vertragsverletzung zur Rückforderung des Restdarlehens berechtigt.171) cc) Verschulden. Auch im unternehmerischen Rechtsverkehr setzt eine Kün- 4.134 digung einen verschuldeten Zahlungsrückstand voraus.172) b) Restsaldo. Der Verzug betrifft jedoch nur die einzelnen trotz Fälligkeit nicht 4.135 entrichteten Raten, nicht dagegen den Restsaldo. Mit dieser Restschuld kann der Darlehensnehmer erst nach Kündigung derselben und Mahnung in Verzug geraten.173) 3.

Kündigungsgrund wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse

Die Vermögenslage des Schuldners muss sich wesentlich verschlechtern (§ 490 4.136 Abs. 1 BGB). Die Wesentlichkeit geht in der Gefährdung der Rückzahlung auf und ist kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Dies ist der Fall, wenn sie sich so zu Ungunsten des Schuldners ändert, dass die Rückzahlung des Darlehens gefährdet ist. Dazu bedarf es einer Gesamtschau aller wirtschaftlichen Umstände. Eine Verschlechterung kann etwa dann vorliegen, wenn weitere namhafte Verbindlichkeiten begründet werden, um die Weiterexistenz des Kreditnehmers zu gewährleisten, wenn andere Finanzierungsmöglichkeiten ausfallen oder wenn die Zwangsvollstreckung gegen den Darlehensnehmer eingeleitet wird. 4.

Gefährdung des Rückzahlungsanspruchs

§ 490 Abs. 1 BGB gewährt dem Darlehensgeber ein außerordentliches Kündi- 4.137 gungsrecht nur unter der weiteren Voraussetzung, dass die Rückerstattung des Darlehens durch den Kündigungsgrund gefährdet wird. Im Hinblick auf die Formulierung „einzutreten droht“ muss der Darlehensge- 4.138 ber den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung nicht abwarten, sondern hat bereits dann ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn sich die daraus folgende Gefährdung zur Rückzahlung des Darlehens für ___________ 170) RG, Urt. v. 30.10.1936 – VII 65/36, RGZ 152, 251. 171) BGH, Urt. v. 3.3.1971 – VIII ZR 55/70, NJW 1971, 1034; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 21.5.1975 – VIII ZR 215/72, WM 1975, 850 = Zeller I, 251. 172) BGH, Urt. v. 30.10.1985 – III ZR 251/84, BGHZ 96, 182 = NJW 1986, 424 = ZIP 1996, 95. 173) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566 (zu § 497 BGB a. F.).

855

§ 40 Kündigung und Rücktritt

den Darlehensgeber sichtbar abzeichnet.174) Wie das Wort „durch“ zeigt, ist zusätzlich zu verlangen, dass die Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens ihre Ursache gerade aufgrund der Vermögens- bzw. Sicherheitenverschlechterung haben. 4.139 Die entsprechenden Umstände einschließlich der Gefährdung der Rückzahlung des Darlehens hat der Getränkelieferant darzulegen und zu beweisen. Zunächst ist an Fälle akuter Ausfallgefährdung zu denken. Dieser Tatbestand muss entweder objektiv vorliegen oder der Getränkelieferant muss diesen durch pflichtgemäß ausgeübtes Ermessen unter Wahrung der Interessen des Darlehensnehmers zutreffend angenommen haben. Im Hinblick auf die besonders einschneidende Wirkung der Kündigung auf die wirtschaftliche und soziale Handlungsfähigkeit des Darlehensnehmers bedarf es einer überzeugenden Prognose hinsichtlich der aktuellen und drohenden Vermögensverschlechterung und des Gefährdungspotentials für den Rückzahlungsanspruch. Ein bloßer Verdacht rechtfertigt die Kündigung nicht. Entsprechende tatsächliche Umstände vorzutragen und zu beweisen dürfte nicht immer leicht sein. 5.

Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB und Insolvenz

4.140 a) Kündigungsbefugnis. Weder steht die Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens unter Verhängung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 22 Abs. 1 InsO) einer Kündigung nach § 490 Abs. 1 BGB entgegen noch findet die Kündigungssperre des § 112 InsO Anwendung. 4.141 b) Kündigungsgrund. Sowohl die materielle Insolvenz des Darlehensnehmers (vorliegen eines Eröffnungsgrundes) als auch die Stellung eines Insolvenzantrages oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewähren dem Getränkelieferanten das Recht, die von ihm gewährte Finanzierung zu kündigen.175) 4.142 c) Inhaltskontrolle. Allerdings dürften derartige Lösungsklauseln bei Verträgen über die fortlaufende Lieferung von Waren nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 119 InsO unwirksam sein, wenn sie an die Insolvenzeröffnung anknüpfen und im Voraus die Anwendung des § 103 InsO ausschließen. Der BGH stellt zudem ausdrücklich darauf ab, dass auch an den Insolvenzantrag ein Kündigungsrecht nicht geknüpft werden kann, weil bereits ab diesem Zeitpunkt § 119 InsO anwendbar sei. Dies gelte nur dann nicht, wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspreche.176) Insolvenzrechtlich unbedenklich dürften nur noch Klauseln, die an eine hinreichend konkrete Vermögensverschlechterung anknüpfen und eine Kündi___________ 174) BT-Drucks. 14/6040, S. 254. 175) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 176) BGH, Urt. v. 15.11.2012 – XI ZR 169/11, BGHZ 195, 348 = NJW 2013, 1159 = ZIP 2013, 274; BGH, Urt. v. 22.10.2013 – II ZR 394/12, NJW 2014, 698 = ZIP 2014, 23.

856

IV. Teilkündigung

gung etwa an die Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anknüpfen. Offen ist, wie Darlehensverträge zu behandeln sind. Die Regelungen des § 490 Abs. 1 BGB und des § 41 InsO sprechen für die Zulässigkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln bei Darlehensverträgen. 6.

Weitere Kündigungsgründe nach § 314 Abs. 1 BGB

a) Einstellung des Geschäftsbetriebes. Bei Schließung eines Gaststättenbe- 4.143 triebes, zu dessen Finanzierung ein Darlehen ausgereicht worden ist, ist dem Getränkelieferanten ein weiteres Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zuzumuten.177) b) Gewerbeabmeldung und Erlöschen der Konzession. Ebenfalls berechtigen 4.144 eine Gewerbeabmeldung bzw. ein Erlöschen der Konzession zur Kündigung des Vertrages. Behauptet der Gastwirt vertragskonformes Verhalten, so ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig.178) c) Annahmeverzug. Ein Abnahmeverzug, d. h. der Verzug mit der Abnahme 4.145 der Getränke, kann dagegen nicht zu einer Kündigung des Darlehens führen, das bisher vom Gastwirt entsprechend den jeweils fälligen Raten zurückgeführt und somit vertragsgerecht getilgt wurde.179) IV.

Teilkündigung

1.

Fragestellung

Getränkelieferungsverträge sehen häufig vor, dass die Bezugsverpflichtung fort- 4.146 besteht, wenn die Kündigung aus von dem Kunden zu vertretenden Gründen erfolgt. Fraglich ist, ob und inwieweit die Kündigung der Leistung(en) des Getränkelieferanten, insbesondere die Rückforderung des ausgereichten Darlehens wegen Zahlungsverzuges, unter Fortbestand der Getränkebezugsverpflichtung möglich ist. 2.

Abgrenzung und Einordnung

a) Objektive Teilkündigung. aa) Begriff. Eine (objektive) Teilkündigung dient 4.147 der einseitigen Änderung eines Vertrages gegen den Willen des(r) Vertragspartner(s). Mit ihr will der Kündigende sich unter Aufrechterhaltung des Ver___________ 177) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss); OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00; LG Berlin, Urt. v. 10.10.2012 – 10 O. 243/11. 178) OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 179) LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551.

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§ 40 Kündigung und Rücktritt

trages im Übrigen von Vertragspflichten lösen und dem anderen Teil die entsprechenden Vertragsrechte nehmen.180) 4.148 bb) Einordnung. Früher wurden entsprechende Regelungen auch als Verfallklauseln bezeichnet.181) Möglicherweise liegt eine solche Vereinbarung in der Regelung, dass durch die vorzeitige Darlehensrückzahlung die Bezugsvereinbarung nicht berührt wird, wenn darin ein Recht zu einer Teilkündigung wegen Zahlungsverzugs eingeräumt und nicht nur sichergestellt werden soll, dass es bei einer vorzeitigen (vertragsgemäßen) Ablöse des Darlehens bei der Bezugsvereinbarung verbleibt.182) 4.149 b) Subjektive Teilkündigung. Von einer subjektiven Teilkündigung spricht man dann, wenn der Getränkelieferungsvertrag als Dauerschuldverhältnis gegenüber mehreren Vertragspartnern besteht, nicht aber gegenüber beendet werden soll. Nachfolgend wird die praktisch bedeutsamere Fallgruppe der objektiven Teilkündigung angesprochen. 3.

Auslegung

4.150 Vorab ist ggf. zu fragen, ob sich die Kündigungserklärung durch den Getränkelieferanten auf den Vertrag insgesamt oder ausschließlich auf den Finanzierungsteil (Darlehen etc.) beschränkt. Mag auch das Interesse des Getränkelieferanten auf einen Fortbestand der Getränkebezugsverpflichtung gehen, so lässt sich daraus nicht die Annahme ableiten, im Regelfall werde nur der Finanzierungsteil des Vertrages gekündigt.183) Räumt der Vertrag ein fristloses Kündigungsrecht ein und wird hinsichtlich der einzelnen Kündigungsgründe nicht unterschieden, ob die darauf gestützte Kündigung zu einer Beendigung nur des jeweils betroffenen Vertragsteils Darlehensgewährung bzw. Getränkebezugsverpflichtung oder des ganzen Vertrages führt, so ergibt die Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB, dass das Kündigungsrecht des Getränkelieferanten einheitlich für den gesamten Vertrag geregelt ist und somit nur einheitlich für den ganzen Vertrag ausgeübt werden kann. Dafür spricht auch, dass das Darlehen im Falle einer fristlosen Kündigung sofort rückzahlbar ist.184) 4.151 Eine Einordnung als Teilkündigung ist aber dann möglich, wenn der Getränkelieferant sich in dem Getränkelieferungsvertrag ausdrücklich das Recht vorbehalten hat, den Gastwirt nach Kündigung des Darlehens an seiner Bezugsver___________ 180) OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. 181) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202. 182) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. 183) LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 O. 118/05; LG Heidelberg, Urt. v. 20.2.2007 – 2 O. 294/06, NJW-RR 2007, 1551. 184) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267.

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IV. Teilkündigung

pflichtung festzuhalten.185) Erst wenn letzteres festgestellt werden kann, stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer dann vorliegenden Teilkündigung.186) 4.

Einbeziehung

In diesem Zusammenhang ist ggf. zu berücksichtigen, ob nicht aufgrund der 4.152 Umstände des jeweiligen Individualvertrages (!) eine so enge Verbindung zwischen Darlehensvertrag und Getränkelieferungsverpflichtung besteht, dass ein Einheitlichkeitswille187) vorliegt. Ist dies der Fall, dann verstößt eine formularmäßig auf den Darlehensvertrag beschränkte Kündigungsregelung gegen das Vorrangprinzip des § 305b BGB.188) Bei der Formulierung von Teilkündigungsklauseln ist auf eine klare Formulie- 4.153 rung der Alternative Teilkündigung Wert zu legen. Der häufige Einschub – „auch teilweise“ – ist unklar und geht gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Getränkelieferanten. Wie soll nämlich dieser Teil berechnet werden? Soll etwa die Formulierung bedeuten, dass nur das Darlehen gekündigt werden kann und die Bezugspflicht weiter besteht? Welcher Teilungsmaßstab soll zugrunde gelegt werden? 5.

Inhaltskontrolle

a) Meinungsstand allgemein. Außerordentliche objektive Teilkündigungen sind 4.154 jedenfalls dann zulässig, wenn sie durch das Gesetz vorgesehen sind oder vertraglich gestattet sind. Als gesetzliche Spezialfälle zu nennen sind u. a. §§ 489 Abs. 1, 573b Abs. 1 Nr. 1 und 2, 608 Abs. 2 BGB und § 355 Abs. 3 HGB. Insofern dürfte allenfalls § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine allerdings nur theoretisch gewisse Bedeutung haben. Im Übrigen wird eine objektive Teilkündigung überwiegend für grundsätzlich unzulässig angesehen, weil hiermit eine Vertragsänderung zu Lasten der Gegenseite verbunden sei.189) Sei eine Vertragsänderung sachlich geboten, stelle das Gesetz mit § 313 BGB das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage zur Verfügung. Für eine Teilkündigung bestehe zudem kein Bedarf, weil sie zu keinen anderen Ergebnissen als eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB führen könne.190) ___________ 185) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232. 186) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. 187) BGH, Urt. v. 30.4.1976 – V ZR 143/74, NJW 1976, 1931. 188) So im Ergebnis wohl KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. 189) BGH, Urt. v. 5.11.1992 – IX ZR 200/91, NJW 1993, 1320; BGH, Urt. v. 6.10.1999 – VIII ZR 125/98, BGHZ 142, 358 = NJW 2000, 515 (unangemessene Benachteiligung in AGB). 190) MünchKomm-Gaier, BGB, § 314 Rz. 19.

859

§ 40 Kündigung und Rücktritt

4.155 b) Meinungsstand konkret. Diese Auffassung wird auch im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen vertreten. Vereinzelt wird die Regelung bereits wegen eines Verstoßes gegen das Vorrangprinzip des § 305b BGB nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam angesehen.191) Nach wohl überwiegender Meinung halte eine formularmäßig auf den Darlehensvertrag beschränkte Kündigungsregelung der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand.192) Die Hingabe bzw. die Gewährung eines zinslosen Darlehens und die Bezugsverpflichtung stellten eine wirtschaftliche Einheit dar. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Getränkelieferung auf einen bestimmten Zeitraum als Leistung für die Darlehensgewährung vereinbart wurde. Solle in einem Formularvertrag, nach dem der lang andauernden Verpflichtung zum Warenbezug als Leistung die Gewährung eines – unter Umständen – zinslosen Darlehens gegenübersteht, die Bezugspflicht auch dann bestehen bleiben, wenn der Bezugsverpflichtete die Voraussetzungen für die Darlehensgewährung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) nicht zu erfüllen vermag, so verstoße eine derartige Regelung gegen das Äquivalenzprinzip und sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Verpflichtung zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens nach Kündigung bzw. Teilkündigung halte nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand, wenn sich an der Bezugsbindung des Gastwirts zeitlich oder bezüglich der Menge etwas ändere. Der Gastwirt sei nicht in der Lage, sich das vollumfänglich gekündigte Darlehen (oder eine sonstige Leistung) bei einem anderen Getränkelieferanten zu beschaffen. Faktisch habe er eine solche (Re-)Finanzierungsmöglichkeit auch dann nicht, wenn – wie typischerweise bei diesen Klauselkonstellationen – die Ausschließlichkeitsbindung unverändert bestehen bleibt. Eine Beschaffung der zur Rückzahlung fällig gestellten Valuta über einen anderen Kreditgeber, insbesondere Kreditinstitute, werde dem Gastwirt in der Regel mangels hinreichender Sicherheiten kaum möglich sein. Soweit dem Gastwirt nicht hinreichendes Eigenkapital zur Verfügung stehe, bleibe ihm zur Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung lediglich die Möglichkeit zur Verwertung des in seinem (Voll-)Eigentum stehenden Gaststätteninventars. Letzteres könne von dem Gastwirt als überobligationsgemäß nicht verlangt werden.

___________ 191) von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, B Rz. 37. 192) RG, Urt. v. 23.9.1935 – VI 146/35, JW 1935, 3217 Nr. 1; BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232; BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, BGHZ 64, 278 = NJW 1975, 1507; BGH, Urt. v. 16.10.1996 – VIII ZR 54/96, WM 1997, 131 (Tankstellenvertrag); KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267 (lässt offen); OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2004 – VI-U (Kart) 41/03, BeckRS 2005, 06685; OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.7.2009 – 7 U 180/08; OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09.

860

IV. Teilkündigung

Dieser Auffassung wird in Rechtsprechung193) und Literatur194) mit folgender 4.156 Begründung zutreffend entgegengetreten: Das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Leistung (finanziellem Engagement des Getränkelieferanten) und Gegenleistung (Bezugsverpflichtung) des Gastwirts müsse zwar grundsätzlich in einem Äquivalenzverhältnis stehen. Insofern komme es aber auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an. Werde das Äquivalenzverhältnis durch einen Umstand gravierend verändert, der allein einer Vertragspartei, hier dem Gastwirt, zuzurechnen sei, so sei die Rechtsfolge (Darlehensrückzahlung) angemessen. Die langfristige Bindung des Gastwirts bestehe also nicht nur bis zum Zeitpunkt der Darlehensrückzahlung, sondern auch darüber hinaus bis zum Vertragsablauf fort.195) Dies gelte erst recht für den weitaus gravierenden Fall, in dem der Getränkelieferant zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt sei. Anderenfalls würde er rechtlos gestellt, wenn man eine Kündigung seinerseits nur bei gleichzeitigem Verzicht auf die Durchsetzung der vertraglichen Rechte, insbesondere im Zusammenhang mit der Bezugsverpflichtung, verlangte. Zahlungsverzug hat der Schuldner immer zu vertreten.196) Gegen ein anderes Ergebnis spreche auch, dass der mit seiner Zahlungsverpflichtung säumige Gastwirt für sein pflicht- und damit vertragswidriges Verhalten noch belohnt würde, wenn er als Veranlasser der fristlosen Kündigung als Folge derselben von seiner Bezugsverpflichtung befreit würde. Damit würde das Rechtsinstitut der Kündigung aus wichtigem Grund in diesem Fall ab absurdum geführt. c) Stellungnahme. Der Gesetzgeber erkennt mit den Bestimmungen der §§ 489 4.157 Abs. 1, 573b Abs. 1 Nr. 1, 608 Abs. 2 BGB, § 355 Abs. 3 HGB und § 29 Abs. 1 VVG bei Dauerschuldverhältnissen das Recht an, diese teilweise zu kündigen, um sie im Übrigen bestehen zu lassen. Dieser allgemeine Rechtsgedanke kann auch auf Getränkelieferungsrecht übertragen werden. Im Übrigen hat die Rechtsprechung sowohl für Bauträgerverträge197) als auch für Kreditverträge198) Ausnahmen anerkannt. Aber auch darüber hinaus sollte man einer vertraglichen Teilkündigungsabrede nicht die Wirksamkeit versagen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB kann sich die Teilkündigung sogar als milderes Mittel im Verhältnis zur Gesamtkündigung und zum Anspruch auf ___________ 193) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03; LG Freiburg, Urt. v. 28.7.2006 – 12 O. 118/05; LG Marburg, Urt. v. 14.2.2007 – 2 O. 243/06. 194) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 230. 195) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 196) Palandt-Grüneberg, BGB, § 313 Rz. 30. 197) BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275 = NJW 1986, 925; BGH, Urt. v. 20.8.2009 – VII ZR 212/07, NJW 2009, 3717. 198) BGH, Urt. v. 4.5.1999 – XI ZR 137/98, NJW 1999, 2269 = ZIP 1999, 1093; BGH, Urt. v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, BGHZ 179, 260 = NJW 2009, 2046 = ZIP 2009, 507.

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§ 40 Kündigung und Rücktritt

Ersatz des Nichterfüllungsschadens darstellen. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, ob der Getränkelieferant seine berechtigten Interessen nur per Teilkündigung effektiv durchsetzen kann und ob dies auch der Gegenseite zumutbar ist.199) Führt die Teilung des Vertrages aufgrund einer berechtigten Teilkündigung zu unangemessenen Nachteilen für die Gegenseite, so stellt sich die Frage, ob diese ihrerseits das gesamte Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund (§ 314 BGB) kündigen kann. Hat der Gastwirt die Kündigung aus wichtigem Grund zu vertreten und handelt es sich insbesondere um einen Vertragsverstoß von einigem Gewicht, so dürften Teilkündigungsklauseln auch im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Bestand haben. 4.158 Jedenfalls sollten nach hier vertretener Auffassung dann keine Wirksamkeitsbedenken gegen eine Teilkündigungsklausel bestehen, nach der der Getränkelieferant den Gastwirt nach berechtigter Kündigung aus wichtigem Grund solange an der Getränkebezugsverpflichtung festhalten kann, bis jener das zur Sicherung des Darlehens übereignete Gaststätteninventar vollständig zurückgegeben hat bzw. eine aktive Verwertung durch den Getränkelieferanten unter entsprechender Mitwirkung des Gastwirts (Bereitstellung, Herausgabe etc.) noch nicht abgeschlossen ist. 4.159 d) Inventarvorfinanzierung. Finanziert der Getränkelieferant Inventar unter Eigentumsvorbehalt vor (§ 449 Abs. 1 BGB) und macht er nach Rücktritt bzw. Kündigung (§ 449 Abs. 2 BGB bzw. § 508 BGB) sein Herausgabeverlangen geltend, so stellt sich die vorstehend skizzierte Frage ebenfalls. Anders ist wiederum zu entscheiden, wenn die Kündigungs-/Rücktrittsregelung zwar eine Herausgabe vorsieht, das Erlöschen der Getränkebezugsverpflichtung aber auf den Fall der vollständigen Rückgabe der vorfinanzierten Gegenstände hinausgeschoben ist. Dies dürfte bei Kündigungs-/Rücktrittserklärungen im Zweifel anzunehmen sein (§§ 157, 133 BGB). Bei entsprechenden vertraglichen Regelungen dürfte einer entsprechenden Auslegung allerdings ggf. § 305c Abs. 2 BGB entgegenstehen. 6.

Konsequenzen einer unwirksamen Teilkündigung

4.160 a) Geltungserhaltende Reduktion. Umstritten ist, ob bei Unwirksamkeit einer Teilkündigungsregelung eine Aufrechterhaltung des Getränkelieferungsvertrages – sei es über § 139 BGB analog, sei es nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion – möglich ist. Überwiegend wird diese Möglichkeit unabhängig von der Begründung bejaht.200) Gem. § 139 BGB (analog) würde ___________ 199) BGH, Urt. v. 21.11.1985 – VII ZR 366/83, BGHZ 96, 275 = NJW 1986, 925 (Bauträgervertrag). 200) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267; OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 329; OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 sowie – 15 W 103/03 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler).

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IV. Teilkündigung

sich die Unwirksamkeit auf die betreffende Vertragsregelung beschränken und nicht den Vertrag im Ganzen erfassen. Das entspreche regelmäßig auch dem erklärten Vertragswillen, insbesondere wenn dieser ausdrücklich die Fortgeltung des Vertrages im Übrigen vorsehe, wenn einzelne Klauseln nichtig sein sollten. Nach der Gegenauffassung,201) soll eine geltungserhaltende Reduktion ausscheiden, weil das Risiko der Klauselverwendung anderenfalls auf den Gastwirt verlagert würde. b) Umdeutung. Ggf. ist zu prüfen, ob eine unwirksame Teilkündigung nicht in 4.161 eine wirksame Kündigung des Gesamtvertrages umgedeutet werden kann. Gegen eine solche Umdeutung etwa, dass der Kündigende im Kündigungsschreiben ausdrücklich auf den Fortbestand des Getränkelieferungsvertrages bestanden hat, den Gastwirt in der Folgezeit weiterbeliefert hat und – jedenfalls erstinstanzlich – für die Folgejahre wegen Nichtabnahme der vereinbarten Bezugsmenge Schadensersatz geltend gemacht hat.202) c) Fortbestand. Bei der Kündigung handelt es sich um ein Gestaltungsrecht. Ist 4.162 die Teilkündigung unwirksam, so ist die Kündigung (insgesamt) unwirksam.203) Der Finanzierungsvertrag ist damit als Teil des Getränkelieferungsvertrages ebenfalls nicht beendet, sondern besteht fort.204) Die Kündigung des Getränkelieferungsvertrages führt nicht dazu, dass der fortbestehende Finanzierungsvertrag als Teil desselben nunmehr rückwirkend mit Datum der unwirksamen Teilkündigungserklärung beendet wird, sondern allenfalls zu einer Beendigung für die Zukunft.205) Damit kann der Getränkelieferungsvertrag erneut außerordentlich gekündigt werden. d) Einwand unzulässiger Rechtsausübung. Der Getränkelieferant soll sich aller- 4.163 dings dann nicht auf die Unwirksamkeit der (Teil-)Kündigung und damit auf die fortbestehende Getränkebezugsverpflichtung mit Erfolg berufen können, wenn das Darlehen aufgrund der Kündigung in vollem Umfang zurückgezahlt worden ist. Dies stelle eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens dar. Der Getränkelieferant habe durch seine (unzulässige) Teilkündigung den Vertragspartner zur Rückzahlung des Darlehens veranlasst. Mit diesem Verhalten setze er sich in Widerspruch, wenn er sich jetzt auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufe. Der Vertragspartner habe auch darauf vertrauen dürfen, dass mit der Rückzahlung des Darlehens aufgrund der Kündigung auch seine Getränkebezugsverpflichtung erfüllt sei. Dafür spreche auch, dass sich der Getränkelieferant nicht das Recht vorbehalten habe, den Vertragspartner nach Kündigung des Darlehens an seiner Getränkebezugsverpflich___________ 201) 202) 203) 204) 205)

Niebling, Anm. zu OLG München, Urt. v. 30.9.1994 – 21 U 1742/94, BB 1995, 330. OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09. LG Hamburg, Urt. v. 13.12.1989 – 5 O. 270/89, Zeller IV, 285. KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. OLG Dresden, Urt. v. 29.10.2009 – 8 U 195/09.

863

§ 40 Kündigung und Rücktritt

tung festzuhalten. Hierfür lasse sich auch das Recht des Getränkelieferanten anführen, im Falle der fristlosen Kündigung als Ausgleich für die infolge der Kündigung des Vertrages wegfallende Getränkebezugsverpflichtung eine Nachverzinsung geltend machen zu können.206) V.

Kündigung bei leihweiser Inventargestellung

1.

Kündbarkeit

4.164 Ist ein Leihvertrag nicht befristet und das ordentliche Rückforderungsrecht des Verleihers nach § 604 Abs. 3 BGB vertraglich ausgeschlossen, so ist er auch wegen unvorhersehbaren Eigenbedarfs nach § 605 Nr. 1 BGB kündbar. Der Eigenbedarf des Verleihers kann auch darin begründet sein, dass er aus wirtschaftlichen Gründen auf die Verwertung der Leihsache angewiesen ist. Bei der außerordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarfs nach § 605 Nr. 1 BGB muss der Verleiher zwar auf die Belange des Entleihers in billiger Weise Rücksicht nehmen, zumal dann, wenn dieser sich auf eine lange Dauer des Leihverhältnisses eingerichtet hat. Dabei ist er aber nicht verpflichtet, seine Interessen denen des Entleihers unterzuordnen.207) 2.

Abräumklausel

4.165 a) Grundsatz. Die Formularklausel in einem Getränkelieferungsvertrag, die es dem Getränkelieferanten gestattet, bei Vertragsverletzungen des Gastwirts auch ohne Kündigung des Vertrages die Rückgabe des leihweise überlassenen Gaststätteninventars zu verlangen (Abräumklausel), hält der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand. Für den Gastwirt hätte sie zur Folge, dass er die Vorteile des Getränkelieferungsvertrages – zumindest zum Teil – verliert, die Nachteile (Bezugsbindung) aber weiterhin tragen muss und dass ihm darüber hinaus die Grundlage für den Betrieb der Gaststätte und damit den Verkauf der bezogenen Getränke entzogen wird. Ein anerkennenswertes Interesse des Getränkelieferanten an einer derartigen Rechtsfolge ist nicht ersichtlich.208) 4.166 b) Einschränkung. Die vom BGH geäußerten Bedenken dürften allerdings einer Regelung nicht entgegengehalten werden können, nach der die Bezugsverpflichtung (Ausschließlichkeit) nach erklärter Kündigung erst dann endet, wenn der Getränkelieferant das leihweise überlassene Inventar vollständig zurückerhalten hat. Dem Getränkelieferanten kann nämlich nicht zugemutet werden, mit ansehen zu müssen, wie seine Mitbewerber unter Nutzung des von ihm vorfinanzierten Inventars Absätze und damit Gewinne erzielen. Ist der ___________ 206) KG, Urt. v. 22.12.1988 – 2 U 1915/88, NJW-RR 1989, 630 = Zeller IV, 267. 207) BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778. 208) BGH, Urt. v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693 = Zeller III, 80; OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2002 – 1 U 2314/01, NJW-RR 2002, 917; OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

864

VI. Rücktritt beim Ratenkauf

Getränkelieferant aus wichtigem Grund zur Kündigung seiner Leistung berechtigt, bleibt der Gastwirt jedenfalls so lange an die vereinbarte Getränkebezugsverpflichtung gebunden, als er nicht die ihm erbrachten Vorleistungen vollständig zurückgewährt hat. Anderenfalls könnte dem Gastwirt der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegengehalten werden. Der Getränkelieferant würde nämlich rechtlos gestellt, wenn er bei schuldhaftem Verhalten des Gastwirts sein Recht zur Kündigung der Inventarleihe nur bei einem gleichzeitigen Verzicht auf seine weitergehenden Rechte aus dem Vertrag, insbesondere aus der Getränkebezugsverpflichtung, ausüben könnte.209) Ebenfalls AGB-rechtlich unbedenklich sind Abräumklauseln, bei denen die 4.167 Verpflichtung zum Weiterbezug ausdrücklich verschuldensabhängig gestaltet ist und die Herausgabe des Inventars von einer vorherigen Kündigung abhängig ist. Dass die Kündigungsgründe nicht abschließend aufgezählt sind, ist unschädlich, denn jedenfalls ist eine außerordentliche Kündigung nur aus besonderen Gründen zulässig, die mit den ausdrücklich genannten vergleichbar sind. Durch eine entsprechende Regelung wird auch nicht das dem Gastwirt im Falle einer „Räumung“ zustehende Sonderkündigungsrecht abbedungen.210) c) Rechtsfolge. Bei Nichtigkeit einer Abräumklausel gilt allerdings dispositi- 4.168 ves Recht mit der Folge, dass jedenfalls ein Schadenersatz begründendes Recht zur außerordentlichen Kündigung des Dauerschuldverhältnisses nach § 314 BGB gegeben ist. Eine etwaige Unwirksamkeit würde also aus diesem Grunde nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertragswerkes führen müssen.211) VI.

Rücktritt beim Ratenkauf

1.

Keine Rücknahme ohne Rücktritt

a) Grundsatz. Der Getränkelieferant kann die Sache aufgrund des Eigentums- 4.169 vorbehalts nur dann gem. § 985 BGB herausverlangen, wenn er zuvor vom Vertrag zurückgetreten ist (§ 449 Abs. 2 BGB) oder der Kaufvertrag aus sonstigen Gründen unwirksam ist und das Besitzrecht des Käufers (§ 986 Abs. 1 i. V. m. dem Kaufvertrag) nicht (mehr) besteht.212) Denn bis zum Rücktritt bleibt er vertraglich zur Übergabe an den Käufer verpflichtet.

___________ 209) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245, zur Situation bei Darlehensgewährung. 210) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10, BeckRS 2012, 02826, Vorinstanz zu OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 211) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 212) BGH, Urt. v. 19.10.1994 – VIII ZR 252/93, NJW-RR 1995, 365; BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818 (für Verbraucher).

865

§ 40 Kündigung und Rücktritt

4.170 b) Verfallklausel. Ob eine Klausel, nach der der Verkäufer mit Eintritt des Zahlungsverzuges berechtigt sein soll, Herausgabe der Vorbehaltsware selbst dann zu verlangen, wenn er nicht zugleich vom Kaufvertrag zurücktritt, jedenfalls im b2b-Bereich zulässig ist, wird unterschiedlich beantwortet.213) 2.

Wahlrecht

4.171 Bei Zahlungsverzug kann der Getränkelieferant kündigen und nach Ablauf der gesetzten Nachfrist die gesamte Restschuld verlangen oder gem. § 323 Abs. 1 BGB nach Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten. 3.

Fälligkeit und Fristsetzung

4.172 Zu beachten ist, dass die Fristsetzung unwirksam ist, wenn sie vor Fälligkeit erfolgt ist. Eine vor Fälligkeit erklärte Fristsetzung wird auch nicht mit Eintritt der Fälligkeit wirksam. § 323 Abs. 4 BGB ist wörtlich zu nehmen; der Gläubiger kann also nur vor dem Eintritt der Fälligkeit zurücktreten und das Rücktrittsrecht entfällt mit dem Eintritt der Fälligkeit.214) 4.173 Auch im Unternehmerverkehr muss dem Käufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nachholung der Kaufpreiszahlung gesetzt werden. Abweichende AGB sind unwirksam.215) 4.

Folgen des Rücktritts

4.174 Mit dem Rücktritt entfällt ebenso wie mit der Kündigung die Teilzahlungsabrede. Wird der Rücktritt erklärt, sind die beiderseitigen Leistungen zurückzugewähren (§ 346 Abs. 1 BGB). Das Recht zum Besitz aus dem Kaufvertrag kommt zum Wegfall.216) 4.175 Auf Grundlage des Eigentumsvorbehalts kann der Getränkelieferant die Sache nach § 985 BGB herausverlangen.217) Bis zur vollständigen Bezahlung bleibt die Sache nämlich in seinem Volleigentum. Zwar erwirbt der Gastwirt ein Anwartschaftsrecht. Dieses ist aber auflösend bedingt durch den Rücktritt des Getränkelieferanten. Verzug mit der Kaufpreisschuld genügt nicht.

___________ 213) Zum Streitstand siehe Staudinger-Beckmann, BGB, § 449 Rz. 67, und MünchKommGrunewald, BGB, § 449 Rz. 14. 214) BGH, Urt. v. 14.6.2012 – VII ZR 148/10, BGHZ 193, 315 = NJW 2012, 3714 = ZIP 2012, 1463. 215) So für den b2c-Bereich BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 216) BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 217) Erman-Grunewald, BGB, § 449 Rz. 14.

866

VII. Weitere Fragen von Interesse

VII. Weitere Fragen von Interesse 1.

Fälligkeit

a) Darlehen. Mit wirksamer (ordentlicher bzw. außerordentlicher) Kündigung 4.176 ist der Restdarlehensbetrag grundsätzlich sofort und in einer Summe zur Rückzahlung fällig.218) b) Vertrag im Übrigen. Die Fälligstellung des Darlehens lässt den Vertrag im 4.177 Übrigen bei berechtigter Teilkündigung grundsätzlich unberührt. Der Gebundene ist etwa weiterhin dazu verpflichtet, ausschließlich über den Getränkelieferanten zu beziehen. 2.

Anspruchsgrundlagen bei Zuschuss

a) Bei Kündigung aufgrund von Vertragsverletzungen kann die Rückzahlung 4.178 eines anteiligen Zuschusses gem. §§ 346, 323 BGB verlangt werden. b) Hat der Getränkelieferant dem Gastwirt einen „verlorenen Zuschuss“ als 4.179 Leistung dafür gewährt, dass er seine Getränke in der Gaststätte anbietet und verkauft, so kann ihm bei berechtigter vorzeitiger Kündigung des Vertrages ein anteiliger Rückzahlungsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zustehen. Der Gastwirt ist sonach zur Rückzahlung verpflichtet und zwar in Höhe des Anteils, der der restlichen nicht erfüllten Vertragsdauer oder Gesamtabnahmemenge im Vergleich zur Gesamtgetränkebezugsverpflichtung entspricht.219) 3.

Abschreibungsdarlehen

a) Rückforderung. Kündigt ein Getränkelieferant den Bezugsvertrag zu Recht 4.180 vorzeitig, so kann die Rückführung durch Gutschriften für jeden bezogenen hl bzw. für jede vereinbarte Periode, insbesondere im Jahr, nicht mehr erfolgen. Dann kann der Getränkelieferant Rückzahlung des Geldbetrages verlangen, der nicht durch den Kauf und damit die Abnahme von Getränken abgegolten wurde.220) b) Abzinsung. Bei Insolvenz eines Getränkefachgroßhändlers kann der Insol- 4.181 venzverwalter einen zu diesem Zeitpunkt beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Getränkelieferungsvertrag nach § 103 InsO kündigen und Rückzahlung ___________ 218) OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566 (zu § 497 BGB a. F.). 219) OLG Zweibrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, OLG-Report 1998, 161, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII ZR 250/98; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288; LG Tübingen, Urt. v. 4.9.1991 – 6 S 167/91, NJW-RR 1992, 112. 220) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31; LG Berlin, Urt. v. 31.1.1990 – 99 O. 206/89, NJW-RR 1990, 820 = Zeller IV, 288.

867

§ 40 Kündigung und Rücktritt

des nicht durch Getränkebezug abgeschriebenen Betrags verlangen. Der durch die vorzeitige Fälligkeit des Darlehens entstandene Zinsgewinn ist durch Abzinsung auszugleichen. Im Rahmen eines Gesamtvermögensvergleichs ist zu prüfen, ob dem Gastwirt durch die vorzeitige Rückzahlung ein Schaden entstanden ist und ob dieser durch Wegfall der Abnahmeverpflichtung gleichwertige Leistungen von einem anderen Getränkelieferanten erhalten kann.221) 4. Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung 4.182 a) Grundsatz. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen, dass der Darlehensnehmer die Beweislast für die obligationsgemäße Erfüllung der Leistung auch dann trägt, wenn der Gläubiger aus der Nichterfüllung oder der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung neue Ansprüche, etwa eine Schadensersatzforderung, herleitet.222) Dies muss erst recht gelten, wenn der Gläubiger noch den ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltend macht und er aus der Nichterfüllung Rechte – etwa das Kündigungsrecht – herleitet. Entsprechendes kommt in der Vorschrift des § 543 Abs. 4 Satz 2 BGB zum Ausdruck, die den verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken enthält, dass der Schuldner auch im Fall der Kündigung die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung trägt.223) 4.183 b) Konsequenzen. Der Darlehensgeber hat daher nur die Entstehung (Valutierung des Darlehens), nicht aber die Fortdauer eines Darlehensrückzahlungsanspruchs darzulegen und zu beweisen. Demgegenüber muss der Darlehensnehmer vortragen, ob und in welchem Umfang er den Anspruch erfüllt hat.224) Der sich aus diesen beiden in verschiedene Richtungen weisenden Grundsätzen ergebende Widerspruch ist zu Lasten des für die Erfüllung Beweis belastenden Schuldners aufzulösen.225) 5. Vertragszinsen 4.184 Zu beachten ist, dass eine vertragliche Zinsabrede durch die fristlose Kündigung ex nunc ihre Wirksamkeit verliert. Der Vertragszins ist also bereits dann nicht mehr zu zahlen, wenn die Valuta etwa nach § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB durch ___________ 221) BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 227/99, NJW 2001, 1136 = ZIP 2001, 31. 222) BGH, Urt. v. 29.1.1969 – IV ZR 545/68, NJW 1969, 875; BGH, Urt. v. 17.12.1992 – III ZR 133/91, NJW 1993, 1704; BGH, Urt. v. 17.1.2007 – VIII ZR 135/04, NJW-RR 2007, 705 = ZIP 2007, 667; BGH, Urt. v. 11.2.2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 223) OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.1.1990 – 10 U 134/89, Zeller IV, 287; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. 224) BGH, Urt. v. 17.1.2007 – VIII ZR 135/04, NJW-RR 2007, 705; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99. 225) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.9.2001 – 5 U 13/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 12.7.2000 – VIII ZR 236/99.

868

VIII. Kündigung durch den Darlehensnehmer

Ablauf der Laufzeit des Darlehensvertrages bzw. einer Kündigung oder aufgrund einer Vorfälligkeitsklausel zur Rückzahlung fällig gestellt worden und der Darlehensnehmer mit der Rückzahlung in Verzug ist.226) 6. Verzugszinsen a) Allgemein. Der Darlehensgeber kann gem. § 289 Satz 2 BGB bei Verzug 4.185 des Darlehensnehmers mit der Rückzahlung der Valuta Verzugszinsen nach §§ 288 Abs. 4, 286 BGB sowie Ersatz des Verzögerungsschadens i. S. v. § 280 Abs. 2 BGB, ggf. auch pauschaliert, verlangen. Dies gilt auch bei Verzug mit einer einzelnen Rate. b) Anspruchsgrundlage sind die §§ 288, 286 BGB.

4.186

c) Voraussetzungen. Verzugszinsen (§ 288 BGB) und nicht nur Prozesszinsen 4.187 (§ 291 BGB) sind nur dann zuzusprechen, wenn die Voraussetzungen für diese hinreichend dargetan sind. Enthält das Kündigungsschreiben zwar eine Fristsetzung, so begründet dies noch keinen Verzug. Es fehlt an einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind trotz der Fristsetzung nicht erfüllt. Die einseitige Bestimmung einer Leistungszeit durch den Gläubiger fällt nicht unter diese Vorschrift. Hierzu bedarf es einer Leistungsbestimmung durch Gesetz, Rechtsgeschäft oder Urteil.227) Auch dann gerät der Schuldner aber nicht in Verzug, wenn der Gläubiger einen zu hohen Betrag festsetzt und der Schuldner den wirklich geschuldeten Betrag bis zum Leistungszeitpunkt nicht zuverlässig ermitteln kann.228) 7. Schadensersatzansprüche Aufgrund einer wirksamen Kündigung bestehen keine Schadenersatzansprüche 4.188 über den Kündigungszeitpunkt hinaus.229) VIII. Kündigung durch den Darlehensnehmer 1. Grundsatz Während der Laufzeit des Vertrags ist eine ordentliche Kündigung durch den 4.189 Kunden mit Rücksicht auf den Vertragszweck und das Amortisationsinteresse ausgeschlossen.230) ___________ 226) BGH, Urt. v. 18.3.2003 – XI ZR 202/02, BGHZ 154, 230 = ZIP 2003, 841; LG Köln, Urt. v. 10.10.1996 – 22 O. 126/96. 227) BGH, Urt. v. 25.10.2007 – III ZR 91/07, NJW 2008, 50; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 56/11. 228) BGH, Urt. v. 12.7.2006 – X ZR 157/05, NJW 2006, 3271. 229) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00 (Vertrag Brauerei-Getränkefachgroßhändler). 230) RG, Urt. v. 16.11.1907 – V 102/70, RGZ 67, 101; OLG Nürnberg, Urt. v. 3.12.1954 – 3 U 179/54, NJW 1955, 386 = Zeller I, 23.

869

§ 40 Kündigung und Rücktritt

2.

Ordentliche Kündigung

4.190 a) Konkurrenzen. Neben vertraglichen Kündigungsrechten des Darlehensnehmers ist an die allgemeinen Kündigungsrechte nach § 488 Abs. 3 BGB (gesetzlicher Ausnahmefall bei unverzinslichen Darlehen)231) und § 489 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 2 BGB zu denken. 4.191 b) Abdingbarkeit. Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 und 2 BGB durch AGB ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Er ist auch durch Individualvereinbarung nur bis zur Grenze des § 138 Abs. 1 BGB zulässig.232) 4.192 Gem. § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB können keine abweichenden Regelungen vereinbart werden. Vereinbarungen, die das Kündigungsrecht ausschließen oder erschweren, sind daher nichtig (§ 134 BGB). Dazu gehören auch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe und eine Vorfälligkeitsentschädigung (§ 490 Abs. 2 Satz 3 BGB), die sich auf den Zinsverlust des Darlehensgebers erstreckt. Praktisch bedeutsam kann dies im Zusammenhang mit Malusregelungen werden. 4.193 c) § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB. aa) Temporaler Anwendungsbereich. Die Neufassung gilt nach Art. 229 § 22 Abs. 2 und 3 EGBGB nicht für Altverträge. Allerdings enthielt § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a. F. eine entsprechende Regelung.233) 4.194 bb) Sachlicher Anwendungsbereich. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt für alle Arten von verzinslichen Gelddarlehensverträgen, unabhängig von der vereinbarten Laufzeit, dem Zweck des Darlehens, der Person des Darlehensnehmers, dem Zinssatz und der Länge der Zinsbindung.234) Die Regelung könnte bei lang laufenden, insbesondere unbefristeten Darlehensausreichungen gegenüber nicht betreibenden Hauseigentümern bedeutsam werden. 4.195 d) Rückzahlungsgebot. Sämtliche Kündigungsalternativen, nicht nur die des § 489 BGB und im Übrigen auch Kündigungen von Verbraucherdarlehen, stehen unter der Bedingung, dass der Darlehensnehmer den geschuldeten Betrag binnen zwei Wochen nach dem Wirksamwerden der Kündigung an den Darlehensgeber zurückzahlt (§ 489 Abs. 3 BGB).235) Das Rückzahlungsgebot soll nicht nur die Ernsthaftigkeit des Kündigungsbegehrens untermauern, sondern vor allem verhindern, dass der Darlehensnehmer auf den Neuabschluss eines Darlehensvertrags zu günstigeren Konditionen spekulieren kann. Unterbleibt die von § 489 Abs. 3 BGB geforderte Rückzahlung ganz oder teilweise, fällt die ___________ 231) 232) 233) 234)

OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2010 – I-22 U 97/10, BeckRS 2011, 07134. BGH, Urt. v. 7.5.1975 – VIII ZR 210/73, BGHZ 64, 288 = NJW 1975, 1268. BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 185/16, NJW 2017, 1378 = ZIP 2017, 660. BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 185/16, NJW 2017, 1378 = ZIP 2017, 660; OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2015 – 31 U 191/15, BeckRS 2016, 03248. 235) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 75.

870

VIII. Kündigung durch den Darlehensnehmer

vom Darlehensnehmer erklärte Kündigungswirkung ex tunc weg. Der Darlehensvertrag wird dann unverändert fortgesetzt. e) Reichweite. Steht dem Darlehensnehmer ein Kündigungsrecht nach § 489 4.196 (Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2) BGB zu und hat er die Kündigung wirksam erklärt, so bezieht sich eine solche Kündigung allein auf die darlehensrechtliche Komponente des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages, nicht dagegen auf die bezugsrechtliche Komponente. Insofern stellt sich – allerdings nur theoretisch – die Frage, ob dem Darlehensnehmer insofern ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB zusteht.236) 3.

Rücktrittsrecht

Nach Auszahlung des Darlehens wird das Rücktrittsrecht des Darlehensneh- 4.197 mers nach § 323 BGB durch das Kündigungsrecht aus § 314 BGB verdrängt.237) 4.

Außerordentliche Kündigung

Bei schwerwiegender Vertragsverletzung besteht ein außerordentliches Kündi- 4.198 gungsrecht nach § 314 BGB.238) 5.

Vorzeitige Erfüllung

a) Zinslose Darlehen. Ein unverzinsliches Darlehen ohne vertraglich fixierten 4.199 Leistungstermin kann der Darlehensnehmer kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung in § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB entsprechend der Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 BGB unabhängig von Zeitablauf oder Kündigung jederzeit, also auch schon vor Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs, zurückführen und damit die Vertragsbeendigung bewirken. Allerdings ist die Vorschrift abdingbar.239) § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB gilt unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer Unternehmer, Existenzgründer oder Verbraucher ist. Eine Kündigungserklärung ist nicht erforderlich. b) Verzinsliches Darlehen. Abweichend von § 271 Abs. 2 BGB ist beim ver- 4.200 zinslichen Darlehen das Recht des Schuldners zur vorzeitigen Tilgung vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen ausgeschlossen, weil der Gläubiger ein Interesse an der Kapitalanlage hat.240) Das folgt für unbefristete Darlehen aus einem Umkehrschluss aus § 488 Abs. 3 Satz 3 BGB. Eine Ausnahme gilt bei Verbraucherdarlehen (§ 500 Abs. 2 BGB). ___________ 236) Siehe hierzu oben § 33 V 9 m. w. N. 237) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 488 Rz. 21. 238) BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245. 239) MünchKomm-Berger, BGB, § 488 Rz. 223. 240) BGH, Urt. v. 24.4.1975 – III ZR 147/72, BGHZ 64, 278 = NJW 1975, 1507.

871

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

4.201 c) Abschreibungsdarlehen. Ist der Gastwirt oder sonstige Betreiber befugt das Darlehen durch einen Aufpreis auf die abgenommene Biermenge zu tilgen,241) so wird darin zumeist ein stillschweigender Ausschluss des Rechts zur vorzeitigen Darlehensrückzahlung (vgl. § 271 BGB) liegen.242) 4.202 d) Praxishinweis. Es liegt daher im Interesse der Beteiligten, im Darlehensund Getränkelieferungsvertrag im Zusammenhang mit den Regelungen über das Darlehen unter Beachtung der Einbeziehungs- und Inhaltsvorgaben der §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich klarzustellen, dass die vorzeitige Darlehensrückzahlung auf den Getränkebezugsvertrag keine Auswirkungen hat. Dies sowohl hinsichtlich der vereinbarten Vertragsdauer als auch der vereinbarten Menge. Zweiter Abschnitt: Finanzierung von Existenzgründern und Verbrauchern § 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts I. Allgemeines 1.

Anknüpfungspunkt

4.203 Die Vorschriften über den Verbraucherkredit knüpfen im Gegensatz zu den Bestimmungen der §§ 312 – 312k BGB nicht an die Art und Weise des Vertragsschlusses an, sondern bezwecken einen Schutz vor einem für den Verbraucher riskanten Vertragsinhalt.243) 2.

Harmonisierungskonzepte

4.204 a) Vollharmonisierung. In konzeptioneller Hinsicht wird die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG – ebenso wie die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) – durch den Übergang zum Grundsatz der Vollharmonisierung geprägt.244) Nach deren Art. 22 Abs. 1 sowie den Erwägungsgründen 9 und 10 dürfen die Mitgliedstaaten, soweit die Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, keine Bestimmungen in ihrem nationalen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen der Richtlinie abweichen. Anders als unter Geltung der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG mit den Änderungsrichtlinien 90/88/ EWG und 98/7/EG, die noch dem Grundsatz der Mindestharmonisierung verpflichtet waren, dürfen die Mitgliedstaaten damit über das in der Richtlinie vorgesehene Verbraucherschutzniveau nicht mehr hinausgehen. Sie haben die Vorgaben der Richtlinie vielmehr „eins zu eins“ umzusetzen. ___________ 241) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 242) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 243) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 244) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856.

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§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

4.201 c) Abschreibungsdarlehen. Ist der Gastwirt oder sonstige Betreiber befugt das Darlehen durch einen Aufpreis auf die abgenommene Biermenge zu tilgen,241) so wird darin zumeist ein stillschweigender Ausschluss des Rechts zur vorzeitigen Darlehensrückzahlung (vgl. § 271 BGB) liegen.242) 4.202 d) Praxishinweis. Es liegt daher im Interesse der Beteiligten, im Darlehensund Getränkelieferungsvertrag im Zusammenhang mit den Regelungen über das Darlehen unter Beachtung der Einbeziehungs- und Inhaltsvorgaben der §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich klarzustellen, dass die vorzeitige Darlehensrückzahlung auf den Getränkebezugsvertrag keine Auswirkungen hat. Dies sowohl hinsichtlich der vereinbarten Vertragsdauer als auch der vereinbarten Menge. Zweiter Abschnitt: Finanzierung von Existenzgründern und Verbrauchern § 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts I. Allgemeines 1.

Anknüpfungspunkt

4.203 Die Vorschriften über den Verbraucherkredit knüpfen im Gegensatz zu den Bestimmungen der §§ 312 – 312k BGB nicht an die Art und Weise des Vertragsschlusses an, sondern bezwecken einen Schutz vor einem für den Verbraucher riskanten Vertragsinhalt.243) 2.

Harmonisierungskonzepte

4.204 a) Vollharmonisierung. In konzeptioneller Hinsicht wird die Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG – ebenso wie die Verbraucherrechterichtlinie (VRRL) – durch den Übergang zum Grundsatz der Vollharmonisierung geprägt.244) Nach deren Art. 22 Abs. 1 sowie den Erwägungsgründen 9 und 10 dürfen die Mitgliedstaaten, soweit die Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, keine Bestimmungen in ihrem nationalen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen der Richtlinie abweichen. Anders als unter Geltung der Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG mit den Änderungsrichtlinien 90/88/ EWG und 98/7/EG, die noch dem Grundsatz der Mindestharmonisierung verpflichtet waren, dürfen die Mitgliedstaaten damit über das in der Richtlinie vorgesehene Verbraucherschutzniveau nicht mehr hinausgehen. Sie haben die Vorgaben der Richtlinie vielmehr „eins zu eins“ umzusetzen. ___________ 241) BGH, Urt. v. 16./17.9.1974 – VIII ZR 116/72, NJW 1974, 2089 = Zeller I, 241; OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.7.1977 – 6 U 54/77. 242) BGH, Urt. v. 20.3.1953 – V ZR 123/51, BeckRS 1953, 31201650 = Zeller I, 146. 243) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 244) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856.

872

II. Verbraucherdarlehensvertrag – Grundlagen

b) Mindestharmonisierung. Im Unterschied zur Verbraucherkreditrichtlinie 4.205 2008/48/EG liegt der Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU Richtlinie das Konzept der Mindestharmonisierung zugrunde. Lediglich die Regeln zur vorvertraglichen Information und zur Effektivzinsberechnung sind abschließend. Der Bundesgesetzgeber hat die Richtlinie konkreter und erweiternd (überschießend) umgesetzt.245) 3. Abgrenzung Die Vorschriften der §§ 312 – 312k BGB sind nachrangig zum spezielleren 4.206 Verbraucherkreditrecht (§ 312g Abs. 3 BGB). II.

Verbraucherdarlehensvertrag – Grundlagen

1.

Begrifflichkeiten

a) Verbraucherdarlehensvertrag. Verbraucherdarlehensvertrag ist jeder Dar- 4.207 lehensvertrag (§ 488 Abs. 1 BGB), bei dem Darlehensgeber ein Unternehmer (§ 14 BGB) und Darlehensnehmer ein Verbraucher (§ 13 BGB) ist. Somit handelt es sich um Verbraucherverträge i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB. b) Oberbegriff. Systematisch wird beim Verbraucherdarlehensvertrag seit dem 4.208 Jahre 2016 zwischen Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen (kurz AVD, § 491 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB) und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen (kurz IVD, § 491 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB) unterschieden. Soweit nachfolgend von Verbraucherdarlehensvertrag gesprochen wird, ist darunter der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag (AVD) zu verstehen. c) Verhältnis. Nach § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BGB schließen sich AVD und IVD 4.209 aus, weil hiernach kein AVD vorliegt, wenn es sich um einen IVD handelt.246) 2. Konsequenzen Bei der Normanwendung ist nunmehr wie folgt zu unterscheiden: x

4.210

Es gibt Vorschriften, die für den Verbraucherdarlehensvertrag schlechthin gelten. Zu nennen sind insbesondere §§ 356b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 3, 357a Abs. 3 Satz 1, 491 Abs. 1, 491a Abs. 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 3 Sätze 1 und 2, 492, 493 Abs. 1 – 3, 494 Abs. 1 – 6 Sätze 2 Halbs. 1 und Abs. 7, 495 Abs. 1 und 2, 496, 497 Abs. 1 – 3, 498 Abs. 1, 499 Abs. 3, 500 Abs. 2 Satz 1, 501, 502 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 504 Abs. 1, 505a, 505b Abs. 5, 505d BGB sowie Art. 247 §§ 2, 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 8 Abs. 2 und 3, 13, 14, 15 EGBGB.

Nur auf AVD finden beispielhaft Anwendung §§ 356b Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, 491 Abs. 2, 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2, 497 Abs. 2 und Abs. 3 Sätze ___________

x

245) BT-Drucks. 18/5922, S. 77. 246) BT-Drucks. 18/5922, S. 76.

873

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

1, 2, 4 und 5, 499 Abs. 1 und 2, 500 Abs. 1, 502 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3, 504 Abs. 2, 505, 505b Abs. 1 BGB sowie Art. 247 §§ 2 – 5 Abs. 1, 6 Abs. 3, 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10, 13a EGBGB. x

3.

Ausschließlich für IVD gelten u. a. §§ 356b Abs. 2 Sätze 2 und 4, 357a Abs. 3 Sätze 2 und 3, 491 Abs. 3, 491a Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 3, Abs. 4, 492a, 492b, 493 Abs. 4 und 5, 494 Abs. 6 Satz 3, 495 Abs. 3, 497 Abs. 4, 498 Abs. 2, 499 Abs. 3, 500 Abs. 2 Satz 2, 503, 505b Abs. 2 – 4, 505c BGB sowie Art. 247 §§ 1, 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 2, 8 Abs. 1, 11, 13b und 18 EGBGB. Entgeltlichkeit

4.211 Von einem Verbraucherdarlehensvertrag i. S. d. § 491 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 BGB kann man nur bei Entgeltlichkeit sprechen. Entgeltlichkeit liegt vor, wenn der vom Darlehensnehmer insgesamt aufzubringende Betrag die ausbezahlte Valuta zuzüglich der dem Darlehensgeber konkret entstandenen Kosten übersteigt. Auf die Höhe des zu zahlenden Entgelts kommt es nicht an. Auch bei „Einrechnung in die Rückzahlungssumme“ ist Entgeltlichkeit zu bejahen. Entsprechend Art. 2 Abs. 2 f der Richtlinie 2008/48/EG werden mit dem Erfordernis der Entgeltlichkeit aber zinslose Darlehen ausgenommen. Nicht entgeltlich ist danach etwa das zinslose und gebührenfreie Darlehen.247) Darlehen, für die keine Gegenleistung vereinbart wird, unterfallen der Vorschrift nicht.248) 4.

Zweckneutralität

4.212 Für den Begriff des Verbraucherdarlehensvertrages ist es grundsätzlich gleich, zu welchem Zweck, in welcher Höhe und zu welchen Bedingungen der Darlehensvertrag abgeschlossen ist.249) 5.

Bereichsausnahmen

4.213 Für AVD führt § 491 Abs. 2 Satz 2 BGB abschließend sämtliche Vollausnahmen von der Anwendbarkeit auf.250) Die Verträge bleiben Verbraucherverträge i. S. v. § 310 Abs. 3 BGB, so dass ggf. die §§ 312 ff., 355 ff. BGB anzuwenden sind.251)

___________ 247) BGH, Urt. v. 30.9.2014 – XI ZR 168/13, BGHZ 202, 302 = NJW 2014, 3719 = ZIP 2014, 2119. 248) BT-Drucks. 18/5922, S. 76. 249) BT-Drucks. 18/5922, S. 75. 250) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491 Rz. 2. 251) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 77.

874

III. Persönlicher Anwendungsbereich

6.

Anwendungsfälle

a) Vereinbarungsdarlehen. Vereinbarungsdarlehen unterfallen dem sachlichen 4.214 Anwendungsbereich des § 491 Abs. 2 BGB, wenn sie entgeltlicher Natur sind. Allerdings dürfte es im hier interessierenden Zusammenhang regelmäßig an den persönlichen Voraussetzungen fehlen. b) Notariell beurkundete Verträge werden erfasst.

4.215

c) Gerichtlich protokollierte Verträge. Wird ein Darlehensvertrag in ein ge- 4.216 richtliches Protokoll nach der ZPO aufgenommen oder durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, besteht kein Widerrufsrecht, wenn in das Protokoll oder den Beschluss der Sollzinssatz, die bei Abschluss des Vertrages in Rechnung gestellten Kosten des Darlehens sowie Voraussetzungen aufgenommen worden sind, unter denen der Sollzinssatz oder die Kosten angepasst werden können (§ 491 Abs. 4 BGB). Die Bestimmungen des § 358 Abs. 2 und 4 BGB und die §§ 491a–495, 505a–505d BGB gelten dann nicht. Für außergerichtliche Vergleiche gilt § 491 Abs. 4 BGB selbst dann nicht, wenn diese notariell beurkundet wurden. d) Verbundene Geschäfte. Auch verbundene Geschäfte sind erfasst. § 358 BGB 4.217 ändert nichts an der Rechtsnatur des in Frage stehenden Darlehensvertrages. III.

Persönlicher Anwendungsbereich

1.

Einführung

a) Unternehmer. Der Darlehensgeber muss Unternehmer i. S. d. § 14 BGB sein. 4.218 Zu denken ist nicht nur an Kreditinstitute, sondern auch an Unternehmer, deren Geschäftstätigkeit nicht auf Bankgeschäfte gerichtet ist und die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit Darlehen an Verbraucher gewähren. Die erstmalige Darlehensvergabe ist dabei ausreichend.252) Kennzeichnend für einen Unternehmer ist, dass er im Wettbewerb mit anderen Unternehmern Leistungen gegen Entgelt anbietet.253) Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.254) b) Verbraucher oder Existenzgründer. Verbraucherdarlehensverträge setzen 4.219 voraus, dass auf Darlehensnehmerseite ein Verbraucher (§ 491 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 vor Nr. 1 BGB) oder ein Existenzgründer (§ 513 BGB) steht. c) Praxishinweis. Darlehensverträge zwischen Getränkelieferanten und Perso- 4.220 nen, die eine Gaststätte betreiben, werden durchweg mit Unternehmern (§ 14 BGB) abgeschlossen. Nach diesseitiger Einschätzung ist dies in etwa 90 % der Finanzierungen der Fall. Dann sind die besonderen Schutzvorschriften der §§ 491 – 508 BGB nicht zu beachten. ___________ 252) BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, BGHZ 179, 126 = NZG 2009, 273 = ZIP 2009, 261. 253) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491 Rz. 4. 254) Siehe oben § 5 I 1 b m. w. N.

875

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

2.

Verwendungszweck

4.221 a) Grundsatz. Der persönliche Anwendungsbereich wird nicht statusbezogen, sondern funktions- bzw. zweckbezogen definiert. Abgestellt wird auf die konkrete Rolle des Darlehensnehmers im Vertragsgefüge sowie auf die Zwecke, die er mit dem Vertragsschluss verfolgt. 4.222 b) Auslegung. Ein Verwendungszweck, der zur Nichtanwendung der §§ 491 ff. BGB führt, muss durch mindestens konkludente Vereinbarung zum Vertragsinhalt geworden sein. Maßgebend ist nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts. Erforderlichenfalls sind die Begleitumstände einzubeziehen.255) Eine besondere Bedeutung hat dabei die vertragliche Angabe des Verwendungszwecks. Spricht beispielsweise der Inhalt des Vertragsangebotes ausdrücklich von einer bereits ausgeübten beruflichen Tätigkeit, indem dort von dem „bestehenden Geschäftsbetrieb“ die Rede ist, so kommt dem maßgebliche Bedeutung zu.256) Das Merkmal „nach dem Inhalt des Vertrages“ bedeutet nicht, dass die Zweckbestimmung (des Darlehens) ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen sein muss. Es soll die Vertragspartei im Interesse der Rechtssicherheit lediglich zu einer solchen Klarstellung anregen. 4.223 c) Vereinbarungswidrige Verwendung. War eine gewerbliche Verwendung vereinbart, wird das Darlehen aber trotzdem zu privaten Zwecken verwendet, so bleibt das Gesetz nicht anwendbar. 4.224 d) Änderungsvertrag. Unbenommen bleibt die Möglichkeit, den Verwendungszweck nachträglich durch Änderungsvertrag neu zu bestimmen. Dann dürfte es allerdings zumeist an der Verbraucher-/Existenzgründereigenschaft fehlen. Im Übrigen hat die Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit (§ 440 Abs. 2 ZPO) für sich.257) 3.

Darlegung und Beweis

4.225 Der Darlehensnehmer hat die Darlegungs- und Beweispflicht für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 491 Abs. 2 bzw. 3 BGB und damit hinsichtlich des Vorliegens eines Verbraucherdarlehens. Dazu gehören seine eigene Verbrauchereigenschaft sowie die gewerbliche oder selbstständige Unternehmertätigkeit des Darlehensgebers.258) Soweit später vorgetragen wird, dass entsprechende Anga___________ 255) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 – (Vertrag Automatenaufsteller-Getränkefachgroßhändler); OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 256) BGH, Urt. v. 22.12.1999 – VIII ZR 124/99, NJW-RR 2000, 1221 = ZIP 2000, 491. 257) OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 258) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, NJW 2004, 154 (unzureichende Angabe des Bestimmungszwecks).

876

III. Persönlicher Anwendungsbereich

ben unzutreffend seien, kommt es hierauf im Hinblick auf die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde (§§ 440 Abs. 2, 292 ZPO) nicht an.259) Allerdings bleibt jeder Partei die Möglichkeit offen, den Nachweis zu erbrin- 4.226 gen, dass die Angaben in der Vertragsurkunde anfänglich nicht der Richtigkeit entsprochen haben. So kann der Verbraucher einwenden, die unzutreffende Bezeichnung als gewerblicher Kredit sei seitens des Darlehensgebers zur Herbeiführung eines Umgehungstatbestandes veranlasst worden (§ 512 Satz 2 BGB). Ebenso kann der Darlehensgeber geltend machen, dass der vermeintliche Existenzgründer sich durch unzutreffende Angaben und die Verschleierung der wahren Zweckbestimmung die Stellung als Verbraucher/Existenzgründer erschlichen hatte, um in den Genuss der für ihn günstigeren Bestimmungen der §§ 491 – 513 BGB zu kommen. Hat der Kreditnehmer im umgekehrten Fall bei Vertragsabschluss erklärt, der Kredit diente gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Zwecken, so ist er daran festzuhalten, selbst wenn er den Kreditbetrag von Anfang an privaten Zwecken zuführen wollte (§ 242 BGB). Die Darlegungs- und Beweislast trägt jeweils die Partei, die einen vom Urkundeninhalt abweichenden Sachverhalt behauptet. Maßgeblich ist, was von beiden Parteien bei Vertragsschluss tatsächlich gewollt war.260) 4.

Maßgeblicher Zeitpunkt

a) Vertragsschluss. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wann die Verbraucher- 4.227 eigenschaft des Kreditnehmers vorliegen muss. Anerkannt ist, dass Veränderungen nach Vertragsschluss grundsätzlich irrelevant sind. Anwendbar ist das Verbraucherkreditrecht jedenfalls dann, wenn der Kreditnehmer zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages Verbraucher ist.261) b) Obgleich der Wortlaut des § 491 Abs. 1 BGB („Verbraucherdarlehensverträ- 4.228 ge“) es nahe legen könnte, die Verbrauchereigenschaft des Kreditnehmers im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu fordern und damit auf den Zugang der Annahmeerklärung abzustellen, dürfte es entscheidend auf den Zeitpunkt der Entäußerung (Abgabe) seiner auf Abschluss des Kreditvertrages gerichteten Willenserklärung ankommen. Für eine solche Auslegung sprechen sowohl die Verbraucherkreditrichtlinie als auch der Schutzzweck der Bestimmungen. Die Warnund Aufklärungsfunktion zum Schutz des Verbrauchers wird nur erreicht, wenn dieser im Zeitpunkt der Abgabe (Entäußerung) seiner Willenserklärung ___________ 259) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.4.1997 – 10 U 123/95, ZMR 1997, 417; OLG Celle, Urt. v. 10.6.1998 – 13 U 158/97, NJW-RR 1999, 1143; OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749. 260) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 491 Rz. 43. 261) BGH, Urt. v. 14.12.1994 – VIII ZR 46/94, BGHZ 128, 156 = NJW 1995, 722 = ZIP 1995, 105.

877

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

über die erforderlichen Informationen, konkret die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB, verfügt.262) 4.229 c) Verlust der Verbrauchereigenschaft. Verliert der Darlehensnehmer nach Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages seinen Status als Verbraucher, hat dies auf die Rechtsnatur des Vertrages als Verbraucherdarlehensvertrag keinen Einfluss. Gleiches gilt naturgemäß erst recht, wenn der Getränkelieferant als Darlehensgeber nachträglich seine Unternehmereigenschaft verlieren sollte, etwa weil er die gewerbliche Tätigkeit einstellt. 5.

Einzelbetrachtung

4.230 Hinsichtlich jedes gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB) mit auf die Darlehensrückzahlung Haftenden ist individuell zu prüfen, ob es sich um einen Unternehmer oder einen Verbraucher/Existenzgründer handelt.263) 6.

Verbraucherfinanzierungen

4.231 a) Grundsatz. Als Beispiel eines Verbrauchers i. S. d. § 13 BGB ist der nicht gewerblich tätige, vom Getränkelieferanten finanzierte private Hauseigentümer zu nennen. 4.232 b) Konsequenzen. aa) Unanwendbarkeit der 75.000,00 €-Grenze. Die Wertgrenze von 75.000,00 € gilt nicht für Verbraucher.264) Während die Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG noch für die Finanzierung sämtlicher Kreditnehmer galt, adressiert sich die Ausnahmevorschrift des § 513 BGB ausschließlich an Existenzgründer.265) 4.233 bb) Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts. Soweit Finanzierungen im Rahmen von Getränkelieferungsverträgen ausgereicht werden, ist das Verbraucherkreditrecht in seiner ganzen Breite und zumeist auf Dauer zu beachten. Zu denken ist insbesondere an die Vorschriften über die vorvertraglichen Informationen nach § 491a BGB, die Pflichtangaben und damit auch die Widerrufsinformation. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Finanzierungen in kleinerem Umfang (Ausnahme § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder um Anschlussfinanzierungssituationen, Nachträge und Änderungsvereinbarungen handelt, ob eine klassische Ratentilgung oder eine Abschreibung oder eine Rückführung über Rückvergütungsgutschriften vereinbart ist. ___________ 262) LG Düsseldorf, Urt. v. 11.5.2011 – 7 O. 285/09, BeckRS 2011, 24525. 263) Für den Fall eines Existenzgründungsdarlehens i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG vgl. BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.1993 – 6 W 46/93, NJW 1994, 867; OLG Hamm, Urt. v. 2.12.1998 – 12 U 146/98, OLGReport Hamm 1999, 202. 264) Siehe oben § 22 IV 5 m. w. N. 265) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 512 Rz. 2.

878

III. Persönlicher Anwendungsbereich

7.

Existenzgründerfinanzierungen

a) Grundsatz. Das Verbraucherkreditrecht ist bis zur 75.000,00 €-Grenze des 4.234 § 513 BGB anwendbar. b) Bezugspunkt. Bei der Berechnung der 75.000,00 €-Grenze ist vom Netto- 4.235 darlehensbetrag (§ 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB) auszugehen.266) Da es für die Grenze von 75.000,00 € auf den Gesamtanspruch des Darlehensnehmers ankommt, bleiben Auszahlungsmodalitäten wie z. B. eine gestreckte Auszahlung außer Betracht. c) Darlegung und Beweis. Ist streitig, ob die Grenze überschritten wurde, ist 4.236 nicht der im Vertrag festgeschriebene Betrag ausschlaggebend, sondern die Summe, die tatsächlich ausgezahlt wird. d) Zinslast. Die Einbeziehung der Zinslast in den Nettodarlehensbetrag ist 4.237 schon deshalb nicht fern liegend, weil Zinsen in der Regel das im Rahmen des § 491 BGB geschuldete Entgelt des Darlehens darstellen (vgl. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB).267) Der Kreditnehmer muss Zinsen im Rahmen seiner Kalkulation mit berücksichtigen, weil sie von ihm aufzubringen sind und Teil des von ihm zurückzuzahlenden Betrages sind. Daher könnte es auch aus Transparenzgründen geboten sein, dem Existenzgründer den Gesamtumfang seiner Kreditaufnahme zu verdeutlichen. Im Rahmen der Gesamtsystematik spricht dagegen allerdings der Umstand, dass es gem. § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EGBGB der getrennten Angabe des Nettodarlehensbetrages einerseits und des Sollzinssatzes andererseits bedarf. Hinzu kommt, dass der Nettodarlehensbetrag der Betrag ist, auf den der Verbraucher aufgrund des Darlehensvertrages Anspruch hat.268) Auf Zinsen hat aber nicht der Kreditnehmer, sondern der Kreditgeber einen Anspruch. Auch lässt sich der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit variablen Zinssätzen dagegen anführen, Zinsen im Rahmen des Schwellenwertes des § 513 BGB mit zu berücksichtigen. e) Verwendungszeitpunkt. Ein zur Existenzgründung aufgenommenes Darlehen 4.238 ohne zwischenzeitliche Verlängerung oder ähnliches fällt nicht allein dadurch aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts heraus, dass nach Vertragsschluss die Existenzgründung unter Einsatz der Darlehensvaluta erfolgt ist.269) f) Zusammenrechnung. Insofern sind verschiedene Fallkonstellationen zu un- 4.239 terscheiden. aa) Unstreitig dürfte sein, dass im Rahmen eines Vertrages, also bei Identität der Vertragsparteien und des Abschlussdatums, mehrere Finanzierungen zusammengerechnet werden können. Zu denken ist an eine Gesamtfi___________ 266) 267) 268) 269)

Erman-Nietsch, BGB, § 513 Rz. 8. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491 Rz. 3. Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 3 EGBGB Rz. 4. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 3.

879

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

nanzierung im Rahmen eines Getränkelieferungsvertrages mit einem Tilgungsanteil von 60.000,00 € und einem Abschreibungsanteil von 18.000,00 €. 4.240 bb) Umstritten ist, ob eine Zusammenrechnung und damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise möglich ist, wenn ein Kreditgeber einem Existenzgründer mehrere Kredite aufgrund verschiedener Verträge gewährt, die insgesamt über dem Schwellenwert von 75.000,00 € liegen. 4.241 aaa) Meinungsstand. Zur Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG wurde die Zusammenrechnung überwiegend abgelehnt. Bei der Feststellung der für den Wegfall des Verbraucherschutzes maßgeblichen Wertgrenze des § 513 BGB von 75.000,00 € sei jede auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung gesondert zu bewerten. Jedenfalls ohne Zusammenhang gewährte Darlehen oder Finanzierungshilfen könnten nicht zusammengerechnet werden prüfen (Einzelbetrachtung).270) Dies entspricht auch der heute überwiegend vertretenen Auffassung.271) 4.242 Demgegenüber wurde und wird vertreten, dass mehrere, eine wirtschaftliche Einheit bildende Darlehensverträge, bei denen einzeln der Betrag von 75.000,00 € nicht erreicht wird, die aber zusammengerechnet darüber liegen, den Ausnahmetatbestand erfüllen können, wenn der Darlehensgeber derselbe ist und sie gleichzeitig oder in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang gewährt werden.272) 4.243 bbb) Stellungnahme. Der Wortlaut des § 513 BGB stellt auf den einzelnen Kreditvertrag zum Zwecke der Existenzgründung ab. Obwohl es nach der Gesetzesbegründung nahe gelegen hätte, die Zusammenrechnung anzuordnen, hat der Gesetzgeber diesen Schritt nicht getan. Vielmehr ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Kreditbedarf in einem Kredit gedeckt wird.273) Anhaltspunkte dafür, ob es sich dabei um eine bewusste oder unbewusste Lücke handelt, liegen nicht vor. Der historische Gesetzgeber hatte dagegen die Frage der Wertgrenze bei der Aufnahme mehrerer Kredite bewusst offen gelassen, obgleich es einer gesonderten Regelung im BGB bedurft hätte.274) 4.244 Das Gesetz regelt einzelne Kreditverträge ersichtlich gesondert. Wenn dabei von einer Obergrenze gesprochen wird, so kann sich dies nur auf den Nettokreditbetrag des jeweiligen einzelnen Kreditvertrages beziehen. Die Gesetzessystematik könnte einer Zusammenrechnung der Nettokreditbeträge entgegenstehen. Bei § 513 BGB handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nach den für die Normauslegung geltenden Grundsätzen eng auszulegen ist. ___________ 270) 271) 272) 273) 274)

880

OLG Brandenburg, Urt. v. 31.8.2005 – 3 U 17/05, NJW 2006, 159. Statt vieler Erman-Nietsch, BGB, § 513 Rz. 8. So u. a. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 7. Begründung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 11/8274, S. 24. OLG Brandenburg, Urt. v. 5.5.1999 – 13 U 135/98, BeckRS 1999, 04274.

III. Persönlicher Anwendungsbereich

Eine Zusammenrechnung könnte sich auch wegen des Umgehungsverbots des 4.245 § 512 Satz 2 BGB verbieten. Diese Norm verfolgt den Zweck, dem vom Gesetz beabsichtigten Verbraucherschutz eine möglichst umfassende Geltung zu verschaffen und der Normvermeidung zu Lasten des Verbrauchers durch die Erschleichung von Ausnahmetatbeständen zu begegnen. Wenn der Kreditgeber dem Existenzgründer durch eine Aufspaltung des Kredits auf mehrere Kreditverträge den Verbraucherschutz freiwillig einräumt, bleibt er an die Vorschriften des Gesetzes gebunden (Tatbestandserschleichung i. S. d. § 512 Satz 2 BGB). Diesem Zweck würde eine Addition der Nettokreditbeträge zuwiderlaufen.275) Die Frage einer Umgehung oder Erschleichung der Betragsgrenze des § 513 BGB durch Aufspaltung des Kreditbedarfs des Verbrauchers in mehrere Einzelverträge stellt sich allerdings hier nicht. Wer eine Gesamtfinanzierung bewilligt und den Betrag in mehrere Raten aufteilt, verwirklicht nicht den Umgehungstatbestand des § 512 Satz 2 BGB.276) Das immer wieder vorgetragene Schutzzweckargument, der Verbraucherschutz 4.246 gebiete eine möglichst umfassende Geltung und der Normvermeidung zu Lasten des Existenzgründers durch die Erschleichung von Ausnahmetatbeständen sei zu entgegnen, verdient sonach keine Gefolgschaft. Hier geht es nämlich um die objektiv einschränkende Funktion der Wertgrenze und nicht um die erweiternde personale Funktion des § 513 BGB. Auch das immer wieder vorgetragene Argument, der Kreditgeber habe bewusst und gewollt eine Aufspaltung eines Großkredites vorgenommen, trägt nicht. Außerhalb des Bereichs des § 512 Satz 2 BGB läuft dieser Ansatz auf eine Unterstellung zu Lasten des Kreditgebers hinaus. cc) Ebenfalls umstritten ist die Zulässigkeit einer Werteaddition in Fällen, in 4.247 denen der Existenzgründer mehrere Kredite bei verschiedenen Kreditgebern aufnimmt. Praktische Relevanz hat diese Frage dann, wenn ein Existenzgründergastwirt hinsichtlich der Finanzierung und Bindung eines Getränkesortiments mit verschiedenen Brauereien zusammenarbeitet oder das Bier-/Biermischsortiment über eine Brauerei finanzieren und binden lässt, wohingegen die Finanzierung und Bindung des afG-Sortiments über einen Getränkefachgroßhändler erfolgt. Überwiegend werden auch insofern eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und 4.248 damit eine Addition der Einzelkreditwerte abgelehnt. Ohne Zusammenhang gewährte Darlehen oder Finanzierungshilfen anderer Unternehmer dürften

___________ 275) OLG Brandenburg, Urt. v. 5.5.1999 – 13 U 135/98, BeckRS 1999, 04274. 276) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 7 Fn. 27 mit zutreffender Kritik an der vorgenannten OLG-Entscheidung.

881

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

nicht zusammengerechnet werden.277) Andere Stimmen fordern eine Zusammenrechnung dann, wenn eine wirtschaftliche Einheit vorliegt.278) Wieder Andere stellen auf den letzten, die Wertgrenze übersteigenden Kreditvertrag ab mit dem Ergebnis, dass der Gesamtnettokreditbetrag über § 513 BGB aus dem Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts falle.279) Insofern kann auf die Ausführungen zur Gewährung mehrerer Kredite durch einen Kreditgeber verwiesen werden.280) 4.249 dd) Stehen auf Existenzgründerseite mehrere Personen, etwa als Gesamthandsgemeinschaft oder im Übrigen gesamtschuldnerisch Haftende, so scheidet nach h. M. eine Werteaddition ebenfalls aus. Insbesondere kann der einheitliche Kreditnehmerbegriff des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 3 KWG nicht herangezogen werden.281) 4.250 ee) Durch Nachfinanzierungen, etwa in Form einer Aufstockung des ursprünglich gewährten Kredits, wird der Anwendungsbereich des § 513 BGB nicht eröffnet, auch wenn die Grenze von 75.000,00 € später überschritten wird. Maßgeblich ist nämlich allein der Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages.282) Das Erfordernis einer nachträglichen Aufstockung eines Kredits dürfte für Kreditgeber und Existenzgründer zumeist nicht von vornherein absehbar sein.283) Im Zeitpunkt der späteren Kreditgewährung dürfte im Übrigen die Existenzgründungsphase regelmäßig abgeschlossen sein. Der Kreditnehmer ist dann als Unternehmer anzusehen, so dass sich die hier diskutierte Frage nicht (mehr) stellen dürfte. IV.

Exkurs: Darlehensvermittlung

1.

Praktische Relevanz

4.251 Denkbar ist, dass der Getränkefachgroßhändler als Vermittler für Brauereien auftreten, etwa in den Vertriebsmodellen 1 und insbesondere 2. Die umgekehrte Situation – Vermittlung der Brauerei für den Getränkefachgroßhändler – ist ebenfalls denkbar, so in den Vertriebsmodellen 3 und 4. In der Situation der Umwegfinanzierung vermittelt der Getränkelieferant dem Kunden dagegen eine ___________ 277) OLG Brandenburg, Urt. v. 5.5.1999 – 13 U 135/98, BeckRS 1999, 04274; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00. 278) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 513 Rz. 5. 279) Vortmann, ZIP 1992, 229. 280) Siehe oben § 41 III 7 f bb m. w. N. 281) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 512 Rz. 4. 282) Siehe oben § 41 III 4 m. w. N. 283) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00.

882

IV. Exkurs: Darlehensvermittlung

Bankenfinanzierung.284) Automatenaufsteller vermitteln ebenfalls Finanzierungswünsche aus ihrer Kundschaft an Getränkelieferanten. Daneben ist noch die Tätigkeit von Getränkeagenturen und selbstständigen Handelsvertretern zu nennen. Auch Hauseigentümer oder etwa eingetragene Vereine als Verpächter/Vermieter eines Objektes könnte man als erfasst betrachten, wenn sie einen Finanzierungswunsch ihres Pächters/Mieters an den Getränkelieferanten weiterleiten. Gleichwohl dürfte das Recht der Darlehensvermittlung aus zahlreichen nachfolgend angesprochenen Gründen i. d. R. nicht zu beachten sein. 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

a) Darlehensvermittler. Der Darlehensvermittler muss als Vermittler eigen- 4.252 ständig am Markt auftreten und ein in Ausübung seines Gewerbes handelnder Unternehmer i. S. v. § 14 BGB sein.285) Somit scheiden nicht betreibende Hauseigentümer in der Regel aus. Angestellte Außendienstmitarbeiter des Darlehensgebers stellen keine Darle- 4.253 hensvermittler dar. Hier liegt einerseits eine lediglich untergeordnete Tätigkeit vor. Andererseits fehlt es an einem eigenständigen Auftreten am Markt. Erfasst wird der Händler, dessen Kaufvertrag mit dem Darlehensnehmer kredi- 4.254 tiert wird. Sind der Kreditgeber und der Vermittler rechtlich oder wirtschaftlich maßgebliche 4.255 aneinander beteiligt, etwa konzernmäßig verflochten, scheidet die Einordnung als Darlehensvermittler aus. Die bloße Vertretung des Darlehensgebers gegenüber dem Darlehensnehmer be- 4.256 gründet für sich genommen noch nicht die Unanwendbarkeit des § 655a Abs. 1 BGB (vgl. Art. 3 Buchstabe f iii Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG).286) Nur wenn der Stellvertreter eigenständig am Markt auftritt, ist die Norm zu prüfen. Umstritten ist, ob ein Handelsvertreter des Darlehensgebers Vermittler i. S. d. 4.257 § 655a Abs. 1 BGB sein kann.287) Ein bloßer Tippgeber“ wird nicht erfasst. § 655a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 BGB 4.258 greift bereits nach dem Wortlaut nicht ein.288) ___________ 284) BGH, Urt. v. 14.6.1972 – VIII ZR 14/71, NJW 1972, 1459 = Zeller I, 212; OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880; OLG Düsseldorf, Urt. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/91; OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05. 285) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655a Rz. 4. 286) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/1794, S. 20. 287) Str., siehe u. a. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 655a Rz. 12; Erman-Nietsch, BGB, § 655a Rz. 5. 288) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/5922, S. 107.

883

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

4.259 b) Auftraggeber. aa) Grundlagen. Auftraggeber kann der Darlehensnehmer als Verbraucher oder ein diesem gleichgestellter Existenzgründer (§ 655e Abs. 2 BGB) bzw. der Empfänger der Finanzierungshilfe, der Darlehensgeber oder auch ein Dritter sein. Bei dem Dritten wird es sich regelmäßig um den Darlehensgeber handeln, der zusätzlich zum Verbraucher oder aber ausschließlich Partner des Vermittlungsvertrages ist. Letzterer muss nicht Verbraucher sein. Auf seine Schutzbedürftigkeit kommt es nach dem nunmehr im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers nicht an.289) 4.260 bb) Existenzgründer. Die Pflichten nach § 655a Abs. 2 BGB bestehen gemäß § 655e Abs. 2 BGB auch dann gegenüber Existenzgründer, wenn Vertragspartner des Vermittlungsvertrages nicht der Existenzgründer selbst, sondern ein Dritter ist.290) 3.

Darlehensvermittlungsvertrag

4.261 a) Vermitteln. § 655a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 3 BGB definiert den Vermittlungsvertrag. Vermitteln ist die bewusste Herbeiführung der Abschlussbereitschaft des Vertragspartners. Darunter fällt auch eine Hilfeleistung bei der Kreditaufnahme auf andere Weise.291) 4.262 b) Gegenstand der Vermittlung. Der Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages oder einer sonstigen Finanzierungshilfe i. S. d. § 506 BGB (vgl. § 655a Abs. 1 Satz 2 BGB) muss Ziel der Tätigkeit sein. 4.263 Als Gegenstand der Vermittlungstätigkeit nicht in Betracht kommen hingegen Ratenlieferungsverträge gem. § 510 BGB, die lediglich in einigen Bereichen ihrer rechtlichen Behandlung den Verbraucherdarlehensverträgen gleichgestellt werden. Die Regelungen, denen die Ratenlieferungsverträge unterstellt werden, sind in § 510 BGB abschließend enthalten; die §§ 655a f. BGB gehören nicht dazu. Das entspricht der früheren Rechtslage zu den §§ 15 f. VerbrKrG. 4.264 c) Entgeltlichkeit. Der Begriff des Entgelts ist weit zu verstehen. Abgesehen von Bagatellbeträgen mit eher symbolischem Charakter genügt ein geringfügiger wirtschaftlicher Vorteil, um die Entgeltlichkeit der Vermittlung zu begründen.292) In Betracht kommt jede Art von Gegenleistung, nicht nur Geld. Gleichgültig ist, ob das Entgelt als einmalige Vergütung oder eingerechnet in Zinsen, Teilzahlungsaufschlag oder Rückzahlungsraten bezahlt werden muss, oder wie es bezeichnet wird. ___________ 289) 290) 291) 292)

884

Palandt-Sprau, BGB, § 655a Rz. 6. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 13/1794, S. 21. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 655a Rz. 15. OLG Dresden, Urt. v. 29.2.2000 – 14 U 2551/99, BeckRS 2000, 30098795 = ZIP 2000, 830.

IV. Exkurs: Darlehensvermittlung

Die Kreditvermittlung erfolgt für den Verbraucher entgeltlich, wenn er unmit- 4.265 telbar vom Vermittler auf Zahlung der Provision in Anspruch genommen wird bzw. wenn ein Dritte zur Zahlung verpflichtet ist. Damit ist auch der Fall gemeint, dass zuerst der Kreditgeber die Vermittlungstätigkeit finanziert, indem er eine Provision an den Vermittler leistet, die dadurch entstandenen Kosten aber offen oder verdeckt, z. B. durch Aufschlag auf die Darlehenszinsen, auf den Verbraucher abwälzt (sog. offenes bzw. verdecktes Packing). 4.

Vorvertragliche Informationspflichten

a) Rechtsgrundlage ist §§ 655a Abs. 2, 491a (Abs. 2 Satz 2) BGB i. V. m. 4.266 Art. 247 § 13 Abs. 2 und § 13b Abs. 1 EGBGB. b) Informationspflichten über die Darlehensvermittlung. aa) Einführung. 4.267 § 655a Abs. 2 Satz 1 BGB verpflichtet den Darlehensvermittler zunächst zu einer vorvertraglichen Information in Bezug auf den Darlehensvermittlungsvertrag. bb) Adressat. Diese Informationen sind nicht zwingend an den Auftraggeber 4.268 und Vertragspartner des Vermittlers, sondern ggf. an den Verbraucher als potenziellen Darlehensnehmer bzw. Empfänger der entgeltlichen Finanzierungshilfe zu richten (arg. 2 Art. 247 § 13 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB). cc) Inhalt und Umfang. Ist der Darlehensvermittler auch vom Verbraucher 4.269 beauftragt, muss er diesen entsprechend dem Inhalt der Regelung des Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 4 EGBGB rechtzeitig vor Abschluss des Darlehensvermittlungsvertrages unterrichten und die Angaben in Textform (§ 126b BGB) zur Verfügung zu stellen. Wird der Vermittlungsvertrag dagegen ausschließlich mit einem Dritten, etwa dem Darlehensgeber, geschlossen, so hat der Vermittler den Verbraucher gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 2 EGBGB rechtzeitig vor Abschluss des vermittelten Vertrags in Textform über die Angaben gem. Art. 247 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 EGBGB zu unterrichten. Ausgenommen von der Angabepflicht sind Vergütungen sein, die erfolgsunabhängig und nicht auf den konkreten Kreditvertrag bezogen gewährt werden, und ebenso Vergütungen, die sich auf die Kreditkonditionen offenkundig nicht ausgewirkt haben.293) c) Informationen über den vermittelten Kredit. aa) Adressat. § 655a Abs. 2 4.270 Satz 2 BGB legt dem Darlehensvermittler die vorvertraglichen Pflichten des Darlehensgebers gem. § 491a BGB im Wege einer Mitverpflichtung auf. Somit hat er Kraft eigener Verpflichtung den Verbraucher mittels der Pflichtangaben zu unterrichten (§ 491a Abs. 1 BGB), ihm auf Verlangen einen Entwurf des vermittelten Kreditvertrages zu überlassen (§ 491a Abs. 2 BGB) sowie die vorvertraglichen Informationen zu erläutern (§ 491a Abs. 3 BGB). bb) Ausnahme: untergeordnete Vermittlungstätigkeit. Nach § 655a Abs. 2 4.271 Satz 3 BGB besteht eine Ausnahme für untergeordnete Vermittlungstätigkei___________ 293) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 29.

885

§ 41 Anwendungsvoraussetzungen des Verbraucherkreditrechts

ten. Darunter fallen alle Vermittlungstätigkeiten, die lediglich als Nebenleistung (§ 655a Abs. 2 Satz 3 a. E. BGB) zu einer Warenlieferung erbracht werden, insbesondere mit dem Ziel, dem Verbraucher die Finanzierung der Gegenleistung durch die Vermittlung entsprechender Hilfen zu erleichtern, z. B. beim verbundenen Geschäft i. S. v. § 358 Abs. 3 BGB oder ähnlichen Geschäften, und dadurch den eigenen Absatz zu fördern. 4.272 Eine untergeordnete Vermittlungsfunktion liegt vor, wenn der Vermittler bei Anbahnung oder Abschluss des Darlehensvertrages nur eine unbedeutende Rolle spielt, es sich also nicht um das typische Hauptgeschäftsfeld handelt.294) Im Anschluss an den Erwägungsgrund 24 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG und das nicht abschließende Regelbeispiel des § 655a Abs. 2 Satz 3 a. E. BGB kann von einer untergeordneten Funktion dann gesprochen werden, wenn die Tätigkeit als Vermittler nicht den Hauptzweck der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit bildet. Der Grund für diese Ausnahme ist auch, dass solchen Vermittlern häufig die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse fehlen. Folglich lässt sich eine „Vermittlungs-“ bzw. besser „Zuführungstätigkeit“ eines Getränkefachgroßhändlers im Vertriebsmodell 2 durchweg allenfalls als untergeordnete Vermittlungstätigkeit einordnen. 4.273 d) Rechtsfolgen bei Verstößen. aa) Fehlende Information. Die Auswirkungen einer fehlenden vorvertraglichen Information bestimmen sich nach § 655b Abs. 2 Fall 2 BGB. Danach ist der Darlehensvermittlungsvertrag nichtig. Dadurch wird sichergestellt, dass die durch die Darlehensvermittlung bewirkte Verteuerung, ggf. auch die Stellung als Doppelmakler, dem Verbraucher bewusst ist. 4.274 bb) Unrichtige Angaben. Grundsätzlich schadet auch eine inhaltlich fehlerhafte Information, außer bei den (zulässigen) Nebenentgelten. Insoweit gilt § 655d Satz 3 BGB. Weichen jedoch die vereinbarte Vergütung und die Angabe in der Information voneinander ab, so hat der Vermittler den Verbraucher im Ergebnis so zu stellen, dass dieser nur den jeweils niedrigeren Betrag schuldet. Der Rechtsgedanke des § 494 Abs. 3 BGB kann herangezogen werden, weil auch die Vergütung im Vertrag anzugeben ist. Dieses Regime ist zwingend zu Gunsten des Verbrauchers (§ 655e Abs. 1 Satz 1 BGB). 4.275 e) Auswirkungen auf den Darlehensvertrag. Werden die vorvertraglichen Pflichten nach Art. 247 § 13 Abs. 2 EGBGB verletzt, berührt dies die Wirksamkeit des Darlehensvertrages grundsätzlich nicht, wenn § 494 Abs. 1 BGB eingehalten ist. Dies stellt § 494 Abs. 1 BGB in der aktuellen Fassung durch die Worte „für den Verbraucherdarlehensvertrag“ klar.295) ___________ 294) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 97. 295) Begründung Regierungsentwurf BT-Drucks. 17/1394, S. 18.

886

I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

5.

Formvorschriften

Auf die Darlehensvermittlungsverträge zwischen dem Vermittler und einem Drit- 4.276 ten, z. B. dem Darlehensgeber, findet § 655b BGB insgesamt keine Anwendung. Im Übrigen: In dem hier interessierenden Zusammenhang wird die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Darlehensvermittler durchweg weiter daran scheitern, dass der Darlehensvermittlungsvertrag nicht die Schriftform des § 655b Abs. 1 Satz 1 BGB einhält. Damit wäre der Vertrag nichtig (§ 655b Abs. 2 BGB). Ein Verstoß gegen das Gebot der Mitteilung in Textform (§ 655b Abs. 1 Satz 3 BGB) berührt die Wirksamkeit des vermittelten Darlehensvertrages dagegen nicht. 6.

Verbraucherdarlehensvertrag

a) Vorvertragliche Informationen. aa) Rechtsgrundlage ist Art. 247 §§ 13 4.277 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. bb) Wissenswertes. Anzugeben sind der Name und die Anschrift des beteiligten 4.278 Darlehensvermittlers. cc) Rechtsfolgen bei Verstoß. Insofern kann verwiesen werden.296)

4.279

b) Pflichtangaben. aa) Rechtsgrundlage ist Art. 247 §§ 13 – 13b, 6 Abs. 1 4.280 EGBGB. bb) Wissenswertes. Der Darlehensvertrag muss den Namen und die Anschrift 4.281 des beteiligten Darlehensvermittlers neben den entsprechenden Angaben des Darlehensgebers enthalten. cc) Rechtsfolgen bei Verstoß. Die Nichtaufnahme des Darlehensvermittlers in 4.282 den Darlehensvertrag führt nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung, sondern gem. § 494 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags, die allerdings durch Auszahlung der Darlehensvaluta gem. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB geheilt wird.297) § 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses I.

Prüfung der Kreditwürdigkeit

1.

Prüfpflicht

a) Kreditverträge. Der Darlehensgeber ist als solcher grundsätzlich nicht ver- 4.283 pflichtet, die finanzielle Situation des Darlehensnehmers oder die Rentabilität der Darlehensaufnahme zu prüfen.298) Beides obliegt dem Darlehensnehmer in eigener Verantwortung. Wenn der Darlehensgeber eine solche Prüfung vor___________ 296) Siehe unten § 42 VI m. w. N. 297) LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004. 298) BGH, Urt. v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, NJW 1996, 1206 = ZIP 1996, 499.

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I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

5.

Formvorschriften

Auf die Darlehensvermittlungsverträge zwischen dem Vermittler und einem Drit- 4.276 ten, z. B. dem Darlehensgeber, findet § 655b BGB insgesamt keine Anwendung. Im Übrigen: In dem hier interessierenden Zusammenhang wird die Anwendbarkeit der Vorschriften über den Darlehensvermittler durchweg weiter daran scheitern, dass der Darlehensvermittlungsvertrag nicht die Schriftform des § 655b Abs. 1 Satz 1 BGB einhält. Damit wäre der Vertrag nichtig (§ 655b Abs. 2 BGB). Ein Verstoß gegen das Gebot der Mitteilung in Textform (§ 655b Abs. 1 Satz 3 BGB) berührt die Wirksamkeit des vermittelten Darlehensvertrages dagegen nicht. 6.

Verbraucherdarlehensvertrag

a) Vorvertragliche Informationen. aa) Rechtsgrundlage ist Art. 247 §§ 13 4.277 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB. bb) Wissenswertes. Anzugeben sind der Name und die Anschrift des beteiligten 4.278 Darlehensvermittlers. cc) Rechtsfolgen bei Verstoß. Insofern kann verwiesen werden.296)

4.279

b) Pflichtangaben. aa) Rechtsgrundlage ist Art. 247 §§ 13 – 13b, 6 Abs. 1 4.280 EGBGB. bb) Wissenswertes. Der Darlehensvertrag muss den Namen und die Anschrift 4.281 des beteiligten Darlehensvermittlers neben den entsprechenden Angaben des Darlehensgebers enthalten. cc) Rechtsfolgen bei Verstoß. Die Nichtaufnahme des Darlehensvermittlers in 4.282 den Darlehensvertrag führt nicht zur Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung, sondern gem. § 494 Abs. 1 BGB zur Nichtigkeit des Darlehensvertrags, die allerdings durch Auszahlung der Darlehensvaluta gem. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB geheilt wird.297) § 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses I.

Prüfung der Kreditwürdigkeit

1.

Prüfpflicht

a) Kreditverträge. Der Darlehensgeber ist als solcher grundsätzlich nicht ver- 4.283 pflichtet, die finanzielle Situation des Darlehensnehmers oder die Rentabilität der Darlehensaufnahme zu prüfen.298) Beides obliegt dem Darlehensnehmer in eigener Verantwortung. Wenn der Darlehensgeber eine solche Prüfung vor___________ 296) Siehe unten § 42 VI m. w. N. 297) LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004. 298) BGH, Urt. v. 16.1.1996 – XI ZR 151/95, NJW 1996, 1206 = ZIP 1996, 499.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

nimmt, so geschieht dies regelmäßig nur im eigenen Interesse und entfaltet keine Wirkungen zu Gunsten des Darlehensnehmers.299) 4.284 b) Verbraucherkreditverträge. Dies gilt allerdings seit dem 21.3.2016 (Art. 229 § 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) nicht (mehr) im Verbraucherkreditrecht. § 505a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet den Darlehensgeber nunmehr, vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers zu prüfen. Die Verpflichtung zur Prüfung der Kreditwürdigkeit bürdet dem Darlehensgeber eine Mitverantwortung für die Kreditaufnahme auf. Die Kreditwürdigkeitsprüfung wird nicht mehr als vorrangig im öffentlichen Interesse liegend, sondern gleichwertig auch als zivilrechtliche Schutzpflicht (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB) gegenüber dem Verbraucher verstanden.300) 2.

Abschlussverbot

4.285 § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB schreibt ausdrücklich vor, dass der Darlehensgeber einen Verbraucherdarlehensvertrag nur abschließen darf, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung ergibt, dass der Darlehensnehmer seine Pflichten aus dem Darlehensvertrag erfüllen kann. Mit nicht kreditwürdigen Verbrauchern dürfen keine Kreditverträge geschlossen werden.301) 3.

Normzweck

4.286 § 505a BGB basiert auf dem Prinzip einer verantwortungsvollen Kreditvergabe. Die Vorschrift will verhindern, dass der Verbraucher eine Kreditverbindlichkeit eingeht, die seine finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigt. Der einzelne Verbraucher soll vor der Gefahr der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit geschützt werden. Zugleich sollen die volkswirtschaftlich negativen Folgen einer massenhaft verantwortungslosen Kreditvergabe vermieden werden. Zwar prüften die Kreditinstitute bislang bereits aus eigenem Interesse die Kreditwürdigkeit eines Kunden. Dabei ging es aber vorrangig darum, Forderungsausfälle zu vermeiden. 4.

Sachliche Reichweite

4.287 Die §§ 505a–505d BGB schreiben die Prüfung der Kreditwürdigkeit (Bonität) für Verbraucherdarlehensverträge vor.302)

___________ 299) BGH, Urt. v. 21.10.1997 – XI ZR 25/97, NJW 1998, 305 = ZIP 1997, 2195, zur Gestellung von Sicherheiten. 300) BT-Drucks. 18/5922, S. 96. 301) BT-Drucks. 18/5922, S. 97. 302) Letzteres war nach der bis zum 20. März 2016 geltenden Rechtslage streitig. Siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 3.823 – 3.825 m. w. N.

888

I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

5.

Verhältnis zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 18a KWG

Die Prüfpflicht nach BGB besteht unabhängig von einer aufsichtsrechtlichen 4.288 Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach § 18a Kreditwesengesetz (KWG) und damit auch für finanzierende Getränkelieferanten. Auf die Frage, ob eine aufsichtsrechtliche Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach dem KWG besteht, kommt es daher nicht (mehr) an.303) 6.

Persönlicher Anwendungsbereich

Die Verweisung in § 513 BGB macht deutlich, dass die zivilrechtliche Prüfpflicht 4.289 auch gegenüber Existenzgründern besteht. 7.

Systematik

§ 505a BGB gibt lediglich das zu erzielende Ergebnis der vorzunehmenden Kre- 4.290 ditwürdigkeitsprüfung vor. Einzelheiten der Kreditwürdigkeitsprüfung bei AVD sind in § 505b Abs. 1 BGB geregelt. 8.

Abdingbarkeit

Angesichts des zwingenden Charakters der Norm, kann die Prüfpflicht weder 4.291 individualvertraglich noch in AGB abbedungen werden. Ebenfalls unwirksam wäre ein im Voraus erklärter Verzicht des Darlehensnehmers. 9.

Kreditwürdigkeit

a) Begriff. Unter Kreditwürdigkeit i. S. d. § 505a Abs. 1 Satz 1 BGB versteht 4.292 man die Wahrscheinlichkeit, mit der der Verbraucher seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag über die entgeltliche Finanzierungshilfe ordnungsgemäß und damit vollständig erfüllen wird.304) Der Darlehensgeber muss im Rahmen einer Prognose davon ausgehen können, dass der Darlehensnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachkommen kann (sog. Kapitaldiensttauglichkeit = Kapitaldienstfähigkeit). Erforderlich ist damit ein Wahrscheinlichkeitsurteil zu der Frage, ob der Darlehensnehmer Valuta und Zinsen wird zurückzahlen können. Es genügt nicht, wenn der Darlehensnehmer aus seinem laufenden Einkommen zwar die Zinsen zahlen kann, darüber hinaus aber keine Tilgungsleistungen wird erbringen können. b) Zeitpunkt der Prüfung. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit hat vor Ver- 4.293 tragsschluss zu erfolgen (§ 505a Abs. 1 Satz 1 BGB). c) Wahrscheinlichkeitsgrade. Ein Darlehensgeber darf einen AVD nur abschlie- 4.294 ßen, wenn die Kreditwürdigkeitsprüfung ergibt, dass keine erheblichen Zwei___________ 303) BT-Drucks. 18/5922, S. 96. 304) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

fel daran bestehen, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag bestehen, vertragsgemäß nachkommen wird (§ 505a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB, sog. einfache Kreditwürdigkeitsprüfung).305) Mehr Gewissheit kann der Darlehensgeber auf der Basis der eingeschränkten Prüfpflichten, die ihn insofern treffen, nach Einschätzung des Gesetzgebers nicht erreichen.306) 4.295 Erhebliche Zweifel an der Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung (§ 505a Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB) bestehen etwa dann, wenn das Darlehen für rein konsumtive Zwecke verwandt wird und die Einkommenssituation des Kreditnehmers sehr unsicher oder stark schwankend ist. Als Beispiele sind Finanzierungen von Existenzgründern oder von Saisonbetrieben zu nennen. Wenn kein sonstiges Vermögen vorhanden ist, kann der Darlehensgeber dann voraussichtlich weder aus dem laufenden Einkommen noch aus dem mit dem Darlehen angeschafften Gegenstand vollständige Befriedigung erlangen. Die mit der Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs „erhebliche Zweifel“ verbundene Rechtsunsicherheit dürfte in der Gerichtspraxis zu einer Prüfung im Einzelfall und ggf. der Bildung von Fallgruppen führen. 4.296 d) Erneute Prüfung der Kreditwürdigkeit. aa) Nachträgliche Aufstockung des Nettodarlehensbetrages. Wird nach Abschluss des Vertrages der Nettodarlehensbetrag deutlich erhöht, so bedarf es in der Regel einer erneuten Prüfung der Kreditwürdigkeit auf aktualisierter Grundlage (§ 505a Abs. 2 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Erhöhung bereits Bestandteil der ursprünglichen Kreditwürdigkeitsprüfung war. Der Begriff der deutlichen Erhöhung bezieht sich auf die Ausweitung des Nettodarlehens. Erhöhungen von unter 10% dürften nicht darunter fallen. Allerdings kommt es wohl auf die Einschätzung der Veränderung des Gesamtrisikos an. 4.297 bb) Im Übrigen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind Erhöhungen im Übrigen, etwa zwischen Angebotserstellung und Leistungsantrag, nicht erfasst. Ebenso besteht keine zivilrechtliche Pflicht gegenüber dem Darlehensnehmer, seine Kapitaldienstfähigkeit in regelmäßigen (etwa jährlichen Abständen) zu überprüfen. 10.

Beschaffung der benötigten Informationen

4.298 a) Selbstauskunft. Die Kreditwürdigkeitsprüfung bei AVD beruht maßgeblich auf Auskünften des Verbrauchers als externer Informationsquellen. Belege wie Gehaltsabrechnungen und Steuerbescheide sind beizufügen.

___________ 305) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 98. 306) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 98.

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I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

b) Drittauskünfte. Als weitere externe Quellen können Auskünfte von Kre- 4.299 ditdatenbanken307) wie der Schufa, der Creditreform oder ähnlicher Anbieter genutzt werden. Durch das Tatbestandsmerkmal „erforderlichenfalls“ wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Auskünfte nur subsidiär und ergänzend einzuholen sind. c) Eigene Erfahrungen. Es bleibt dem Darlehensgeber freigestellt, eine Prü- 4.300 fung aufgrund eigener Kenntnisse vorzunehmen, etwa auf Informationsmaterial aus der bisherigen Vertrags- und Lieferbeziehung sowie aus der Kredithistorie zurückzugreifen.308) d) Datenschutz. Die allgemeinen Bestimmungen zum Schutz personenbezo- 4.301 gener Daten werden nicht berührt (§ 505b Abs. 5 BGB). Die Vorgaben des BDSG zur Zulässigkeit der Datenerhebung und der Datenverwendung sind daher bei der Einholung der Informationen stets zu beachten. Der Darlehensgeber darf entsprechende Daten auch nicht für Geschäftshandlungen nutzen, die außerhalb der konkreten Finanzierung liegen. 11.

Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung

a) Grundlagen. Der Darlehensgeber muss insgesamt eine sachlich fundierte 4.302 und vertretbare Entscheidung treffen. Ob die eingeholten Prüfgrundlagen hinreichend sind, kann je nach den Umständen des Einzelfalles unterschiedlich zu beantworten sein. Insofern kommt es auch auf die persönliche Lage des Darlehensnehmers und das Kreditvolumen an. Der Darlehensgeber muss nicht stets alle nur denkbaren Aufklärungsmöglichkeiten ausschöpfen. Eine umfassende, individualisierte Bonitätsprüfung ist nicht geboten. Ein standardisiertes Verfahren dürfte im Hinblick darauf genügen, dass bereits die Richtlinie 2008/48/ EG gerade die grenzüberschreitende Kreditvergabe erleichtern will. b) Bewertungsgrundsätze. Die eingeholten Informationen hat der Darlehens- 4.303 geber sodann anhand eines nachvollziehbaren Maßstabs zu bewerten. Eine bestimmte Methode schreibt das Gesetz nicht vor. Der Darlehensgeber ist darin frei, in welcher Weise er die Informationen kombiniert und seiner Kreditwürdigkeitsprüfung zugrunde legt. Ob die eingeholten Angaben ausreichen, kann je nach den Umständen des Vertragsschlusses, der persönlichen Lage des Verbrauchers und dem vorgesehenen Kreditvolumen variieren. Bei nicht nachvollziehbaren oder negativen Ergebnissen kann die Prognose nicht positiv ausfallen. Gefordert wird ist zwar keine subjektive Gewissheit, sehr wohl aber ein deutlich überwiegendes, sachlich begründetes Wahrscheinlichkeitsurteil. Einen Anhaltspunkt für die Prüfung der Vertretbarkeit des Vorgehens könnten die ___________ 307) Erwägungsgrund 59 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. 308) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96.

891

§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

verwaltungsrechtlichen Grundsätze der Ermessensfehlerlehre i. V. m. den Grundsätzen fehlerfreier Beurteilung bieten.309) 12.

Überprüfung

4.304 a) Selbstauskunft. Was die Gewinnung des Informationsmaterials angeht, so darf sich der Unternehmer mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auf die vom Verbraucher im Rahmen einer Selbstauskunft erteilten Angaben verlassen. Nur einfache, nicht untermauerte Angaben des Verbrauchers können allerdings für sich genommen nicht als ausreichend erachtet werden, wenn ihnen keine Belege beigefügt sind. Der Unternehmer ist aber nicht verpflichtet, die Richtigkeit der vom Verbraucher erteilten Auskünfte systematisch und anlassunabhängig zu prüfen. 4.305 Aus der Rechtsprechung lassen sich im Zusammenhang mit einer bei einer Bürgschaft und anderen Mithaftungserklärungen eingeforderten Selbstauskunft folgende Grundsätze berichten: Schriftliche Angaben sind einer vergleichenden Stimmigkeitsprüfung zu unterziehen.310) Die vorgelegte Selbstauskunft enthält die eigenen Erklärungen des Bürgen im Zeitpunkt der Bürgschaftserteilung, deren Richtigkeit und Vollständigkeit er mit seiner Unterschrift unter einem entsprechenden Hinweis bestätigt hat.311) Der Angefragte musste davon ausgehen, dass der Gläubiger die Selbstauskunft zur Ermittlung der finanziellen Belastbarkeit des Bürgen heranzieht. Geringfügige Unrichtigkeiten sind unschädlich. Gleiches gilt für die Verwendung von Näherungswerten („ca.“) Darin liegt keine Angabe „ins Blaue hinein“.312) Soll ein Betrag von 60.000 € zu dem nach dem Businessplan benötigten 180.000 € zur Finanzierung „als unbefristetes Darlehen von Verwandten bereitgestellt“ werden, so ist diese Information nach der Rechtsprechung zu vage und nicht überprüfbar, zumal wenn dadurch ein Drittel des Finanzbedarfs abgedeckt werden soll. Es ist unzumutbar, die Finanzierungsplanung hinsichtlich eines derart großen Anteils nicht verifizieren zu können.313) Dort auch zu weiteren Aspekten wie zu einem nicht Erfolg versprechenden Gastronomiekonzept, familiären Bindungen und der Nichterfüllung von Bürgschaftsverbindlichkeiten durch Familienangehörige. 4.306 b) Drittauskünfte. Sofern der Darlehensgeber Auskünfte von Dritten einholt, dürfte es genügen, wenn er sich lediglich vergewissert (hat) bzw. bei aufkommenden Zweifeln erneut vergewissert, ob er es mit einem vertrauenswürdigen Anbieter zu tun hat und die erteilte Auskunft in sich schlüssig ist. Mängel in ___________ 309) 310) 311) 312) 313)

892

Ähnlich Erman-Nietsch, BGB, § 505d Rz. 6. BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). OLG Rostock, Beschl. v. 17.1.2004 – 1 U 77/02, BeckRS 2004, 08708. LG Stuttgart, Urt. v. 27.12.2012 – 21 O. 297/12, BeckRS 2014, 09584. OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844.

I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

der Sphäre der Auskunftei muss sich der Unternehmer nicht nach § 278 BGB als eigene zurechnen lassen. 13.

Kreditvergabeentscheidung

a) Entscheidung. Die Kreditwürdigkeit muss (positiv) festgestellt werden. Der 4.307 Wortlaut des § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB („wenn aus der Kreditwürdigkeitsprüfung hervorgeht“) verdeutlicht, dass zwischen der Kreditwürdigkeitsprüfung und der nachfolgenden Kreditvergabeentscheidung zu trennen ist. Der Kreditwürdigkeitsprüfung folgt der „Beschluss“ des Darlehensgebers über die Darlehensvergabe nach. Die Kreditvergabe basiert auf einem eigenen Wertungsspielraum und ist kein Element der Kreditwürdigkeitsprüfung. b) Folgerichtigkeit. Das Ergebnis der Kreditwürdigkeitsprüfung soll im Ein- 4.308 klang mit der Kreditvergabe stehen.314) Selbst bei einem positiven Ausgang der Kreditwürdigkeitsprüfung besteht noch keine Verpflichtung, das Darlehen zu gewähren. 14.

Dokumentation und Aufbewahrung

Die Sinnhaftigkeit der Dokumentation und Aufbewahrung folgt bereits aus 4.309 § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB („hervorgeht“). Zudem führen die Dokumentation und Aufbewahrung zu einer Beweiserleichterung für den Darlehensgeber. Im umgekehrten Fall, also bei fehlerhafter, nicht erfolgter oder vorzeitig vernichteter Dokumentation, greifen zugunsten des Darlehensnehmers, der seine Rechte aufgrund von § 505d BGB geltend machen will, Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr ein.315) Diese Beweislastverteilung ergibt sich aus der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG durch den EuGH.316) Schließlich kann die Auskunft ggf. auch im Rahmen einer Versagung der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO bedeutsam werden. 15.

Sanktionen bei Verstößen

a) § 505d BGB. aa) Systematik. § 505d BGB sanktioniert einen Verstoß ge- 4.310 gen den Pflichtenkatalog der §§ 505a – 505c BGB für alle Verbraucherdarlehen in einem differenzierten Modell.317) § 505d BGB regelt die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Kreditwürdigkeitsprüfung abschließend; insbesondere konkurrierende Ansprüche aus culpa in contrahendo sind ausgeschlossen.318) ___________ 314) 315) 316) 317) 318)

Erwägungsgrund 57 der Wohnimmobilienkreditrichtlinie. BT-Drucks. 18/5922, S. 99. EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-449/13, BeckRS 2014, 82755. BT-Drucks. 18/5922, S. 62. BT-Drucks. 18/11774, S. 36.

893

§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

4.311 bb) Anwendungsbereich. § 505d BGB gilt ausschließlich, zudem einheitlich für alle Arten von Verbraucherdarlehensverträgen. Die Vorschrift setzt denklogisch voraus, dass die versäumte oder nicht pflichtgemäße Prüfung nachholbar ist. 4.312 cc) Tatbestand. Der Eintritt der in § 505d Abs. 1 BGB genannten Rechtsfolgen hängt zum einen davon ab, dass ein Verstoß gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung festgestellt werden kann (§ 505d Abs. 1 Satz 1 BGB). Zum anderen muss sich der Verstoß in der Weise ausgewirkt haben, dass tatbestandlich ein Verstoß gegen das Kreditvergabeverbot vorliegt (§ 505d Abs. 1 Satz 5 BGB). Unerheblich ist dabei, ob der Darlehensgeber überhaupt keine Prüfung vorgenommen hat oder ob diese mangelhaft, etwa unvollständig oder lückenhaft, durchgeführt wurde. Sanktioniert wird bereits der Verstoß gegen das Abschlussverbot des § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB. 4.313 dd) Darlegung und Beweis. Dass der Darlehensgeber gegen seine Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen hat, muss grundsätzlich der Darlehensnehmer als Anspruchsteller beweisen. Das kann im Einzelfall Schwierigkeiten mit sich bringen, weil der Darlehensnehmer regelmäßig keinen Zugang zu den relevanten Prüfungsunterlagen des Darlehensgebers hat. Demgegenüber ist der Darlehensgeber für die Voraussetzungen des § 505d Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 BGB beweispflichtig.319) 4.314 ee) Relevanzprüfung nach § 505d Abs. 1 Satz 5 BGB. Allein das Unterlassen oder die Fehlerhaftigkeit einer Kreditwürdigkeitsprüfung genügen nicht. Die Verpflichtung zur Bonitätsprüfung stellt keinen Selbstzweck dar. Daher finden nach § 505d Abs. 1 Satz 5 BGB die Vergünstigungen für den Darlehensnehmer nach den Abs. 1 Sätze 1 – 4 keine Anwendung, wenn der Darlehensvertrag auch bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung hätte geschlossen werden dürfen. In diesen Fällen ist keine Besserstellung des Darlehensnehmers geboten, weil er durch die Versäumnisse des Darlehensgebers nicht belastet ist.320) Ebenso kommen die beiden Sanktionen nach § 505d Abs. 1 BGB dann nicht zur Anwendung, wenn der Vertragsschluss bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung zulässig gewesen wäre. Nach dem Gesetzeswortlaut der Ausnahmebestimmung trifft den Darlehensgeber die Beweislast, dass der Vertrag bei richtiger Kreditwürdigkeitsprüfung hätte geschlossen werden dürfen.321) 4.315 b) Vertragswirksamkeit. aa) § 134 BGB. Das Verbot des Vertragsabschlusses bei negativem Prüfungsergebnis stellt kein gesetzliches Verbot i. S. d. § 134 BGB dar (arg. § 505d Abs. 3 BGB).322) Eine unterlassene oder unzureichende ___________ 319) 320) 321) 322)

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BT-Drucks. 18/5922, S. 102. BT-Drucks. 18/5922, S. 103. BT-Drucks. 18/5922, S. 102. BT-Drucks. 18/5922, S. 98, 100, 101.

I. Prüfung der Kreditwürdigkeit

Prüfung der Kreditwürdigkeit führt nicht zur Nichtigkeit des gleichwohl geschlossenen Darlehensvertrages. Ein die Nichtigkeit des Vertrages nach § 134 BGB begründendes Abschlussverbot würde schon wegen der damit verbundenen Missbrauchsgefahr dem Zweck des Verbraucherschutzes zuwiderlaufen. Der die Bonitätsprüfung unterlassende oder jedenfalls nicht dokumentierende Darlehensgeber könnte sich jederzeit auf die Nichtigkeit des Vertrages berufen, ohne die strengeren Kündigungsvorschriften beachten zu müssen. Demgegenüber wäre der Darlehensnehmer nahezu schutzlos, der den empfangenen Betrag zur Rückabwicklung des nichtigen Vertrages umgehend zurückzahlen müsste. Eine Nichtigkeit würde zudem zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht führen mit komplexen Fragestellungen, etwa nach den Nutzungen des Verbrauchers und im Zusammenhang mit dem Einwand der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB). bb) § 138 BGB. Eine Sittenwidrigkeit des Vertrages nach § 138 BGB kann nur 4.316 dann in Betracht kommen, wenn über den bloßen Verstoß gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung hinaus weitere Umstände vorliegen, die den Vertrag als sittlich anstößig erscheinen lassen. c) Zinsermäßigung. Bei welchem Verstoß gegen die Pflicht zur Kreditwürdig- 4.317 keitsprüfung auch immer ermäßigt sich der im Darlehensvertrag vereinbarte gebundene unveränderliche Zinssatz verschuldensunabhängig auf den marktüblichen Zinssatz (§ 505d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 BGB). Dabei ist es unerheblich, ob der Darlehensnehmer seinen vertraglichen Pflichten noch nachkommen kann. Es genügt, dass der Darlehensgeber seine Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verletzt hat. Die Veränderung der Vertragsbedingungen ist in einer Abschrift des Vertrages festzuhalten, die dem Darlehensnehmer zur Verfügung zu stellen ist (§ 505d Abs. 1 Satz 4 BGB). Mit der Formulierung, dass sich der Zinssatz „ermäßigt“, wird zum Ausdruck gebracht, dass dann, wenn im Ausnahmefall der marktübliche Zins geringer ist als der vereinbarte, weiterhin der vereinbarte Zins zu zahlen ist.323) d) Sonderkündigungsrecht. aa) Konkurrenzen. Die beiden Sanktionsfolgen 4.318 Zinsermäßigung und Sonderkündigungsrecht bestehen nebeneinander. bb) Inhalt. Nach § 505d Abs. 1 Satz 3 BGB hat der Darlehensnehmer im Falle 4.319 einer nicht ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung zusätzlich ein außerordentliches, entschädigungsloses Kündigungsrecht.324) Der Darlehensnehmer hat die Option, das Darlehen zu dem marktüblichen Zinssatz fortzuführen oder sich durch Kündigung von dem Darlehensvertrag zu lösen. Die Unterrichtungspflicht nach § 505d Abs. 1 Satz 4 BGB gilt wiederum. ___________ 323) BT-Drucks. 18/5922, S. 102. 324) BT-Drucks. 18/5922, S. 102.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

4.320 e) Durchsetzungssperre bei Zahlungsschwierigkeiten. aa) Tatbestand. Die Sanktionen nach § 505d Abs. 1 BGB greifen nicht bei einer positiven Prognose. Ein Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers ist aber nach § 505d Abs. 2 BGB wegen Pflichtverletzung des Darlehensnehmers ausgeschlossen, wenn bei ordnungsgemäßer Kreditwürdigkeitsprüfung eine negative Prognose hätte gestellt werden müssen, so dass der Darlehensvertrag nicht hätte geschlossen werden dürfen. Es fehlt an einem Vertretenmüssen des Darlehensnehmers, wenn eine Kreditwürdigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Diese Gefahr hätte er durch eine Kreditwürdigkeitsprüfung selbst auf ein Minimum reduzieren können. 4.321 bb) Rechtsfolge. Folge der Pflichtverletzung durch den Darlehensgeber ist, dass sämtliche Ansprüche gegen den Darlehensnehmer ausgeschlossen sind (Einrede des Darlehensnehmers). Unerheblich ist, ob der Darlehensnehmer einzelne Raten nicht zahlt oder nach Gesamtfälligstellung durch den Darlehensgeber die gesamte Restverbindlichkeit schuldig bleibt. Von dem Begriff der nicht vertragsgemäßen Erfüllung sind sowohl die (auch vollständige) Nichtleistung als auch die verspätete Leistung erfasst.325) Unter diese Ansprüche fallen solche auf Verzugszinsen, Rechtsverfolgungskosten sowie sonstige materiell-rechtliche Ansprüche auf Ersatz weitergehender Schäden wegen Nichterfüllung sowie die Vorfälligkeitsentschädigung.326) 4.322 f) Unzureichende Angaben des Darlehensnehmers. § 505d Abs. 3 BGB schließt die Anwendung des § 505d Abs. 1 und 2 BGB dann aus, wenn der Mangel der Kreditwürdigkeitsprüfung auf vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig erteilten oder vorenthaltenen Informationen i. S. d. § 505b Abs. 1 – 3 BGB beruht. Hierzu ist der Darlehensnehmer in der vorvertraglich nach § 491a Abs. 1 i. V. m. Art. 247 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB verpflichtet. In der Regel dürfte sich die Mitwirkungspflicht darauf beschränken, die erbetenen Auskünfte zu erteilen. Bei der Vorschrift des § 505d Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Sanktion gegenüber dem Darlehensnehmer im Sinne einer exceptio doli.327) Soweit der Tatbestand erfüllt ist, wird die Pflichtverletzung nach den Grundsätzen der Zurechnung nach Schutzzweckgesichtspunkten als nicht erheblich betrachtet und sämtliche Vergünstigungen des § 505d BGB kommen dem Verbraucher nicht zu Gute. Hierfür trägt der Darlehensgeber die Beweislast. 4.323 g) Ausschluss des Kündigungsrechts des Darlehensgebers. Insofern kann verwiesen werden.328)

___________ 325) 326) 327) 328)

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BT-Drucks. 18/5922, S. 103. BT-Drucks. 18/5922, S. 103. BT-Drucks. 18/5922, S. 104. Siehe unten § 46 III 2 m. w. N.

II. Vorvertragliche Informationen – Grundfragen

II.

Vorvertragliche Informationen – Grundfragen

1.

Rechtsgrundlage

Grundlage der ersten Stufe der vorvertraglichen Informationen ist § 491a 4.324 Abs. 1 BGB. Ergänzend gilt für AVD das Muster Europäische Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI) gemäß Art. 247 § 2 EGBGB i. V. m. Anlage 4 zu Art 247 § 2 EGBGB. 2.

Temporaler Anwendungsbereich

Die vorvertraglichen Informationspflichten nach § 491a BGB erfassen nur Schuld- 4.325 verhältnisse, die nach dem 11.6.2010 entstanden sind. Bereits vor diesem Datum begründete Verbraucherdarlehensverträge sind nach der Übergangsbestimmung des Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB von den vorvertraglichen Informationspflichten nicht betroffen. 3.

Konkurrenzen

Die allgemeinen Informationspflichten nach Art. 246 – 246b EGBGB sind nach- 4.326 rangig und damit nicht zu beachten. 4.

Erforderlichkeit

Diese Informationspflicht besteht auch bei Darlehensfinanzierungen in Form 4.327 von Briefzweitschriften. 5.

Verpflichtung

a) Rechtsgrundlage. Bereits aus dem Wortlaut des § 491a Abs. 1 a. E. BGB 4.328 („… hat … zu unterrichten“) und dem des Art. 247 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB („… muss … unterrichten“) ergibt sich deutlich die gesetzliche Verpflichtung zur vorvertraglichen Information. § 491a Abs. 1 BGB begründet eine vorvertragliche Informationspflicht und setzt ein vorvertragliches Schuldverhältnis i. S. v. § 311 Abs. 2 BGB voraus. b) Verwendung. Die Verwendung des Musters ist bei AVD grundsätzlich 4.329 zwingend (Art. 247 § 2 Abs. 2 EGBGB). Andere Formulare oder Vordrucke sind damit nicht erlaubt. 6.

Verzicht

Ein Verzicht dürfte nicht möglich sein. Dies folgt auch aus § 512 Satz 1 BGB. 7.

4.330

Gestaltung

a) Grundsatz. Eine Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB entsprechende Ermäch- 4.331 tigung, in Format und Schriftgröße vom Muster abzuweichen, ist nicht vorgesehen. Anordnung und Reihenfolge der einzelnen Informationen sind daher 897

§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

verbindlich vorgegeben. Geringfügige Abweichungen im Schriftbild sind aber unschädlich, solange der Text für den durchschnittlichen Verbraucher noch gut lesbar ist.329) 4.332 b) Freiwillige Angaben. Das Muster enthält einige mit dem Fußnotenhinweis „Amtl. Anm.: Freiwillige Angaben des Kreditgebers“ versehene Hinweise (Ziffern 1 und 5). 4.333 c) Angabeerfordernisse „falls zutreffend“. Enthält das Muster den Klammernhinweis „falls zutreffend“, muss der Darlehensgeber das betreffende Kästchen ausfüllen, wenn die Information für den Darlehensvertrag relevant ist, oder die betreffende Information bzw. die gesamte Zeile streichen, wenn die Information für die in Frage kommende Darlehensart nicht relevant ist. Insofern sind wieder mehrere Möglichkeiten denkbar. Zum einen könnte man vertreten, den Text links zu streichen. Hierfür spricht das Wortlautargument, dagegen aber die Gefahr, dass zu viel gestrichen wird und dass die Musterunterrichtung nach und nach verändert wird. Zum anderen könnte der Text links und rechts durchgehend oder diagonal gestrichen werden. Schließlich und wohl vorzuziehen ist es, den Text links stehen zu lassen und lediglich rechts Angaben wie „Entfällt“ oder die Ankreuzalternativen ( ) Ja und ( ) Nein zu machen. 4.334 d) Vermerke in eckigen Klammern. Die Vermerke in eckigen Klammern dienen zur Erläuterung und sind durch die entsprechenden Angaben zu ersetzen. 4.335 e) Ziffer 5. Hinsichtlich dieser Angaben spricht Einiges dafür, bei Getränkelieferungsverträgen die gesamte Ziffer ohne Gefährdung der Gesetzlichkeitsfiktion streichen zu können. Bei Getränkelieferungsverträgen entspricht der Abschluss im Fernabsatz nicht der Vertragspraxis. Nach Anmerkung Satz 1 zu Ziffer 1 können nicht relevante Angaben gestrichen werden. Der Grundsatz der Belehrungsklarheit fordert, unnötig komplizierte Belehrungen (hier Informationen) zu vermeiden. Dies folgt auch aus dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.330) Die Gegenposition wäre formalistisch, während die hier vertretene Einschränkung auch aus Schutzzweckgesichtspunkten zur Vermeidung von Irreführung durch Überinformation geboten erscheint. Nach vermittelnder Auffassung könnte aus Gründen unternehmerischer Vorsicht der Text des Musters vollständig wiedergegeben werden und die Ziffer 5 insgesamt als nicht relevant gekennzeichnet werden. 4.336 f) Im Übrigen. Wird das Formular vom Darlehensgeber inhaltlich umgestaltet oder weicht er vom vorgegebenen Layout ab, kann die Gesetzlichkeitsfiktion

___________ 329) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 11. 330) BGH, Urt. v. 4.7.2002 – I ZR 55/00, NJW 2002, 3396 = ZIP 2002, 1730; BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734.

898

II. Vorvertragliche Informationen – Grundfragen

nicht eingreifen. Gleiches gilt, wenn eine Angabe fehlt oder sie unvollständig oder fehlerhaft ist.331) g) Zusätzliche Angaben. Zusätzliche Angaben, die nicht gesetzlich vorgeschrie- 4.337 ben sind, sind getrennt von den gesetzlichen Angaben zu übermitteln, damit der Verbraucher diese deutlich wahrnehmen kann (Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB). 8.

Bindung

a) Angebot. Die Standardinformationen stellen kein vertragswirksames Ange- 4.338 bot dar. Vielmehr befindet man sich noch im vorvertraglichen Bereich, allerdings unmittelbar vor Vertragsabschluss. Vorsorglich kann auf die Unverbindlichkeit durch ein Anschreiben und eine sonstige Erklärung ausdrücklich hingewiesen werden. Dem Kunden liegt somit auch (noch) nichts Annahmefähiges vor. Eine ent- 4.339 sprechende Willenserklärung des Kunden stellt daher lediglich ein (erstes) Angebot dar. Ohne ausdrückliche Annahmeerklärung bleibt es rechtsfolgenlos. Zwar könnte man vielleicht die Bindungsbefristung in Ziff. 4 Abs. 6 als Be- 4.340 stimmung einer „Annahmefrist“ (analog) § 148 BGB ansehen. Die Fristbestimmung als einseitiges Rechtsgeschäft kann, muss aber nicht Teil des Angebotes sein.332) Folge wäre dann nach § 150 Abs. 1 BGB, das eine verspätete Annahme eines Antrages als neuer Antrag anzusehen wäre. Gem. § 150 Abs. 2 BGB würde sich eine Annahme unter Erweiterung, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen ebenfalls als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag darstellen. Mangels eines entsprechenden Rechtsbindungswillens auf Seiten des Getränkelieferanten lässt sich aber aus der Bestimmung einer „Annahmefrist“ in Ziff. 4 Abs. 6 nichts dafür ableiten, dass es sich um ein Angebot handelt. b) Vertragsentwurf. Wohl unstreitig dürfte ein im Entwurf vorgelegter Ver- 4.341 trag ebenfalls unverbindlich sein und noch kein bindendes Angebot darstellen. Um einen anderen – rechtsirrigen – Eindruck zu vermeiden, sollte ein ggf. mit ausgehändigter Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) deutlich (Stempelaufdruck, Wasserzeichen etc.) als solcher gekennzeichnet sein und insbesondere noch nicht seitens des Getränkelieferanten gezeichnet sein. 9.

Durchführung

a) Verlangen. Der Unternehmer muss der Informationspflicht unabhängig 4.342 von einem Verlangen des Verbrauchers nachkommen.

___________ 331) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 11. 332) Palandt-Ellenberger, BGB, § 148 Rz. 2.

899

§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

4.343 b) Form. Das ausgefüllte Muster ist zumindest in Textform (Art. 247 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB i. V. m. § 126b BGB) und damit schriftlich, per E-Mail oder Telefax an den potentiellen Darlehensnehmer zu übermitteln. 4.344 c) Zeitpunkt. Der Darlehensnehmer muss rechtzeitig vor jeder vertraglichen Bindung und damit vor Vertragsabschluss die Möglichkeit haben, in Abwesenheit des Darlehensgebers verschiedene Angebote eingehend zu überprüfen und miteinander zu vergleichen, um eine eigenverantwortliche Entscheidung über das Für oder Wider des Vertragsschlusses treffen zu können.333) Der Vertragsschluss sollte der Information zeitnah folgen. Dies zum einen um die Information beim Verbraucher noch „wachzuhalten“. Zum anderen, um nachträglichen Änderungen mit der Folge einer Neuinformationspflicht vorzubeugen. Starre Mindestfristen sind abzulehnen. 4.345 d) Stand der Verhandlungen. Voraussetzung ist, dass die Verhandlungen über den Abschluss eines Darlehensvertrages zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher zumindest bereits soweit fortgeschritten sind, dass zwischen diesen ein gesetzliches Schuldverhältnis gem. § 311 Abs. 2 BGB anzunehmen ist.334) Ein späterer tatsächlicher Abschluss des Darlehensvertrages ist dagegen für die Anwendung des § 491a BGB ohne Bedeutung. Aus praktischen Erwägungen heraus sollte die Unterrichtung erst erfolgen, wenn die wesentlichen Vereinbarungen des Verbraucherdarlehensvertrages weitgehend feststehen. Daher sollte der Vertrag aus-/endverhandelt sein, der Verbraucher aber seine Vertragserklärung noch nicht abgegeben haben. 4.346 e) Vermeidung von Drucksituationen. Unternehmerveranlasste Drucksituationen (objektiv) bzw. der Eindruck (subjektiv) derselben sind zu vermeiden. Anders ist dagegen für Drucksituationen zu entscheiden, die vom Verbraucher/ Existenzgründer selbst veranlasst werden, etwa weil dieser auf eine baldige Zahlung drängt. 4.347 f) Konkretisierung. Der Verbraucher muss die Information vor einer rechtlichen Bindung, d. h. auch vor seinem eigenen verbindlichen Angebot, erhalten. Dann muss er die Gelegenheit haben, die Prüfung räumlich getrennt, nicht unbedingt aber an einem anderen Ort in Abwesenheit des Darlehensgebers335) ungestört und nach eigenem Ermessen hinreichend lang durchzuführen, bevor er seine bindende Willenserklärung abgibt (Art. 247 § 2 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Solange die Prüfungsmöglichkeit bestand, ist es unschädlich, wenn der Vertragsschluss am selben Tag vollzogen wird.336) Eine Mindestbedenkfrist muss nicht eingehalten werden. Ein Vertragsschluss unmittelbar nach Erteilung der In___________ 333) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 121. 334) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78. 335) Vgl. Erwägungsgrund 19 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG („mitnehmen und prüfen kann“). 336) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 121, 122.

900

II. Vorvertragliche Informationen – Grundfragen

formationen schadet nicht, wenn dem Darlehensnehmer zuvor ohne zeitlichen Druck bei räumlicher Abwesenheit des Darlehensgebers die Möglichkeit zur Prüfung eingeräumt wurde.337) g) Inhaltsabweichungen bzw. Zeitablauf. Unabhängig davon müssen die In- 4.348 formationen zutreffend sein. Bei unvollständigen Informationen bzw. nachträglich unvollständig bzw. fehlerhaft gewordenen Informationen müsste der Informationsvorgang neu anlaufen. Aus unternehmerischer Vorsicht empfiehlt sich eine erneute Unterrichtung, wenn ein Vertrag geschlossen werden soll, dessen Inhalt völlig anders gestaltet ist als die zeitlich vorhergehende Unterrichtung. Gleiches dürfte auch dann anzunehmen sein, wenn zwar keine Inhaltsdifferenz festzustellen ist, aber eine sehr lange Zeit nach der ursprünglich gegebenen vorvertraglichen Information vergangen ist. Unterbleibt der zunächst beabsichtigte Vertragsschluss und wird dieser zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem sich der Verbraucher doch noch zum Vertragsabschluss entschieden hat, nachgeholt, so dürfte nach den gesetzlichen Bestimmungen keine erneute Informationsverpflichtung bestehen. Aus unternehmerischer Vorsicht dürfte aber auch hier eine erneute Unterrichtung angezeigt sein. h) Probleme im Nachgang der Information. aa) Fallgruppen. Zu denken ist 4.349 an eine erforderliche Genehmigung durch einen Aufsichtsrat, zwischenzeitlich veranlasste Änderungen, die keiner Partei zuzurechnen sind, oder kundenseitig veranlasste nachträgliche Änderungen oder Rückdatierungen. bb) Konsequenzen. Bei darlehensrechtlicher Relevanz, insbesondere zum Nach- 4.350 teil des Kunden, dürfte eine erneute Information angezeigt sein. i) Unterzeichnung. Das Muster wird vom Darlehensnehmer nicht unterzeichnet. 4.351 j) Vermittlung. Es genügt, dem Verbraucher die Informationen mitzuteilen. 4.352 Eines „Nahebringens“ i. S. d. Vermittlung eines Grundverständnisses ist nicht geboten. Nicht hinreichend ist die Überlassung eines Vertragsentwurfs nach § 491a Abs. 2 BGB.338) k) Nachweis. Zum Nachweis der Übermittlung empfiehlt sich ein gesondertes 4.353 Empfangsbekenntnis. Die gesetzlichen Anforderungen ergeben sich aus § 309 Nr. 12 BGB und Art. 247 § 4 Abs. 2 EGBGB. Dieses Empfangsbekenntnis sollte mit genauen Orts- und Datumsangaben versehen werden und sowohl von dem/den Kunden als auch – getrennt davon – von dem Außendienstmitarbeiter des Getränkelieferanten unterzeichnet werden.

___________ 337) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 197. 338) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

10.

Gesetzlichkeitsfiktion

4.354 a) Wirkung. Die Verwendung und Übermittlung eines ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Musters fingiert die Erfüllung der vorvertraglichen Informationspflichten (Art. 247 § 2 Abs. 4 Satz 1 EGBGB i. V. m. Anlage 4). Satz 2 der vorgenannten Bestimmung erweitert die Fiktion u. a. auf außergeschäftraumvertragliche Informationspflichten nach § 312d Abs. 2 BGB. 4.355 b) Voraussetzungen. Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn das Muster unverändert verwendet und ordnungsgemäß, d. h. richtig und vollständig, ausgefüllt und übermittelt wird. Es müssen die tatsächlichen Darlehensbedingungen korrekt wiedergegeben und die Wünsche des Verbrauchers, soweit bekannt und der Darlehensgeber ihnen Rechnung tragen will, berücksichtigt werden.339) 4.356 Wird das Formular vom Darlehensgeber inhaltlich umgestaltet oder weicht es vom vorgegebenen Layout ab, kann die Gesetzlichkeitsfiktion nicht eingreifen. Gleiches gilt, wenn eine Angabe fehlt oder sie unvollständig oder fehlerhaft ist.340) 11.

Darlegung und Beweis

4.357 Die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der vorvertraglichen Pflichten zur Information obliegt analog § 312k BGB dem Darlehensgeber.341) Die Beweislast für eine nicht ordnungsgemäße Verwendung des Musters trägt der Verbraucher. III.

Europäischen Standardinformationen für AllgemeinVerbraucherdarlehensverträge (ESI)

4.358 Bei einem AVD müssen im Grundsatz zumindest die Basisinformationen nach Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB genannt werden. Je nach Lage der Dinge sind Modifikationen zu beachten. 1.

Namen und Anschrift des Darlehensgebers/Darlehensvermittlers

4.359 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 13, 13a EGBGB. Das Erfordernis der Angabe der ladungsfähigen Anschrift folgt aus Ziff. 1 des Musters. 4.360 b) Wissenswertes. Die Angabe des Namens und der genauen Postanschrift des Getränkelieferanten ist eine Pflichtangabe. Postfach- und Internetanschriften sind nicht ausreichend. Vielmehr muss eine Anschrift angegeben werden, die es ermöglicht, dem Darlehensgeber Schriftstücke zuzustellen (ladungsfähige Anschrift). De bloße Nennung eines Postfachs, einer Telefonnummer, einer E-Mail___________ 339) Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 2 EGBGB Rz. 3. 340) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643 S. 123. 341) EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-449/13, BeckRS 2014, 82755.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

Adresse oder Internetadresse oder sonstiger Kommunikationsdaten reicht somit nicht.342) Das Erfordernis der Angabe der ladungsfähigen Anschrift ergibt sich aus Ziffer 1 Satz 1 der Standardinformation nach Anlage 4 zu Art. 247 EGBGB. Eine Verpflichtung des Darlehensgebers zur Information über Namen und An- 4.361 schrift eines Darlehensvermittlers (Art. 247 § 13 Abs. 1, 13a EGBGB), der nicht ein solcher i. S. d. § 655a BGB sein muss, dürfte im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen nur ausnahmsweise praktisch werden.343) 2.

Art des Darlehens

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 4.362 EGBGB. b) Wissenswertes. Diese Angabe hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen be- 4.363 zieht sie sich auf die Vertragsart. Insofern kann unterschieden werden zwischen Darlehensverträgen (§§ 488, 491 BGB) und anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen, wie Ratenkaufverträgen (Teilzahlungsgeschäfte, § 507 BGB) und Zuschussverträgen.344) Zum anderen bezieht sich die Angabe aber auch auf die nähere Ausgestaltung des Vertrages, z. B. Darlehen mit oder ohne bestimmter Laufzeit und/oder regelmäßiger Tilgung oder Tilgung am Laufzeitende (Endfälligkeit), so etwa bei Abschreibungsdarlehen (hl-bezogen, pro rata temporis) oder Rückvergütungsgutschriftendarlehen einschließlich des Differenzratenmodells. In Betracht kommen befristete oder unbefristete Darlehen. Ggf. kann man angeben, ob es sich um ein Tilgungs- oder Annuitätendarlehen handelt. Allerdings werden insofern keine großen Hürden aufgerichtet. Es reicht die Verwendung eines entsprechenden Oberbegriffes aus, der die nähere Ausgestaltung des Kreditgeschäfts oder dessen Zweckrichtung indiziert. Eine detaillierte Beschreibung ist nicht erforderlich.345) c) Praxishinweis. Besonderheiten der Finanzierung durch Getränkelieferanten 4.364 sind hier nicht anzuführen. Hier genügen Angaben zur Befristung des Darlehens und zur Fälligkeit der Zahlungen (Endfälligkeit, Raten). 3.

Effektiver Jahreszins

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4.365 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 EGBGB.

___________ 342) 343) 344) 345)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 123. Siehe oben § 41 IV m. w. N. LG Heilbronn, Urt. v. 24.1.2018 – Ve 6 O. 311/17, BeckRS 2018, 651. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 123.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

b) Begriff. Unter effektivem Jahreszins versteht man die in einem Prozentsatz des Nettodarlehensbetrages anzugebende Gesamtbelastung pro Jahr, also die Summe aller jährlich anfallenden Zinsen und Kosten.346) 4.366 c) Zweck. Die verpflichtende Angabe des effektiven Jahreszinses dürfte die wohl wichtigste Informationsquelle für den Verbraucher sein. Sie führt ihm zum einen die aus der Kreditaufnahme erwachsende tatsächliche Zinsbelastung vor Augen und bietet zum anderen eine verlässliche und aussagekräftige Grundlage für Preis- und Konditionenvergleiche.347) 4.367 d) Berechnung. aa) Methode. Die Berechnung richtet sich gem. Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 3 EGBGB nach § 6 PAngV in der jeweils geltenden Fassung, insbesondere nach § 6 Abs. 3 PAngV i. V. m. Anhang 2 zur PAngV. Die in der Anlage zu § 6 Abs. 2 PAngV enthaltene Formel basiert auf der laufenden Wiederanlage von Zahlungen und verwendet eine laufende Kapitalisierung der Zinsen. Die Berechnung hat taggenau nach der 365-Tage-Methode (aktuarische oder AIBD-Methode) zu erfolgen.348) Dabei wird von 365 Tagen, in Schaltjahren von 366 Tagen, ausgegangen. Ein Standardmonat hat sonach im Regelfall 30,41666 Tage. Die Angabe des genauen Prozentsatzes hat nach § 6 Abs. 2 Satz 1 PAnGV i. V. m. dem Anhang zu § 6 PAngV auf zwei Dezimalstellen hinter dem Komma zu erfolgen. Ist die Ziffer der Dezimalstelle, die auf die zweite Dezimalstelle folgt, größer oder gleich 5, ist die zweite um den Wert 1 zu erhöhen. 4.368 bb) Faktoren. Die (nicht gesondert anzugebenden) Gesamtkosten bestimmen sich nach § 6 Abs. 3 PAngV. Sie umfassen neben den vom Darlehensnehmer zu entrichteten Zinsen auch alle sonstigen Kosten einschließlich etwaiger Vermittlungskosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag zu entrichten hat und die dem Darlehensgeber bekannt sind.349) Kosten für obligatorische Versicherungen und Sicherheiten sind mit einzubeziehen, wenn diese im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen und dem Darlehensgeber bekannt sind (§ 6 Abs. 3 Satz 1 PAngV).350) 4.369 cc) Toleranz. Der Genauigkeitsmaßstab ergab sich vor dem 21.3.2016 aus § 6 Abs. 2 Satz 5 PAngV a. F. Danach war der anzugebende Prozentsatz mit der im Kreditgewerbe üblichen Genauigkeit zu berechnen. War die Ziffer der darauf folgenden Dezimalstelle größer oder gleich 5, so erhöhte sich die Ziffer der ersten Dezimalstelle um den Wert 1. Abweichungen bis höchstens 0,05 Prozentpunkten sollten zulässig sein.351) ___________ 346) 347) 348) 349)

Vgl. dazu die Legaldefinition des § 492 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 19. Einzelheiten bei Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 492 Rz. 66. Die Definition folgt der Vorgabe aus Art. 3 g der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/ EG. 350) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 142. 351) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 494 Rz. 14.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

e) Bezeichnung. Um Verwechslungen mit dem Sollzinssatz zu vermeiden, ist 4.370 der effektive Jahreszins als solcher zu bezeichnen. Andere Bezeichnungen wie „Effektivzins“ oder „jährlicher Belastungssatz“ sind verwirrend und unzulässig.352) Leicht verständliche und gängige Abkürzungen, wie beispielsweise „effekt. Jahreszinssatz“, die vom Verbraucher wie die ausgeschriebene Bezeichnung verstanden wird, sind zulässig.353) f) Repräsentatives Beispiel Art. 247 § 3 Abs. 3 Satz 1 EGBGB schreibt vor, 4.371 dass die Höhe des effektiven Jahreszinses anhand eines repräsentativen, d. h. aussagekräftigen, Beispiels zu erläutern sind. Die Notwendigkeit der Angabe eines repräsentativen Beispiels dürfte mit dem konkreten, auf den Kunden zugeschnittenen Darlehen erfüllt sein. Nur wenn wesentliche Angaben noch nicht verfügbar sind, müsste wohl ein Beispiel angeführt werden, das im Bereich des Möglichen liegt und für den Kunden relevant ist. Maßstab hierfür ist, dass das Beispiel nicht irreführend sein darf. Daher muss die Berechnung vollständig sein und auf einer richtigen Grundlage beruhen. Nicht zu berücksichtigen ist das individuelle Kreditrisiko des speziellen Darlehensnehmers.354) 4.

Nettodarlehensbetrag

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 4 4.372 EGBGB. b) Begriff. Der Begriff des Nettodarlehensbetrages ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 4.373 Satz 2 EGBGB legal definiert als der (Höchst-)Betrag, der aufgrund des Darlehensvertrages ausgezahlt wird, auf einmal oder in Teilbeträgen. Gemeint ist der (Auszahlungs-)Betrag, auf den der Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrages effektiv Anspruch hat. Der Betrag informiert den Verbraucher über den Betrag, der ihm nach Abzug aller Abzüge (z. B. eines Disagios und aller Kosten) effektiv verbleibt und den er für den vereinbarten Darlehenszweck, z. B. den Kauf von Gaststätteninventars oder Umbaumaßnahmen, verwenden kann. Der Betrag gibt somit an, welche Summe dem Verbraucher nach Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen gewährt bzw. ausgezahlt wird.355) Der Begriff des Nettodarlehensbetrages darf nicht mit dem Gesamtbetrag i. S. d. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2 EGBGB verwechselt werden. c) Zahlungsmodalitäten. Es kommt nicht darauf an, dass der Betrag tatsäch- 4.374 lich dem Darlehensnehmer in voller Höhe zufließt, sei es im Wege der Barauszahlung, sei es durch Überweisung oder Verrechnung.356) Ebenfalls umfasst ___________ 352) 353) 354) 355) 356)

BGH, Beschl. v. 8.2.1996 – I ZR 147/94, NJW 1996, 1759. BGH, Urt. v. 20.10.1988 – I ZR 5/88, NJW-RR 1988, 233. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125. Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 3 EGBGB Rz. 4. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

sind Zahlungen an Dritte, die vom Verbraucher als Empfangsbevollmächtigte benannt sind.357) Da ein tatsächlicher Zufluss beim Darlehensnehmer nicht erforderlich ist,358) ist auch der zur internen Umschuldung beim selben Kreditgeber verwendete Betrag zu berücksichtigen. 4.375 d) Praxishinweis. Finanzierungen mit vereinbarter Überweisung des Nettodarlehensbetrages an den Verkäufer des Gaststätteninventars oder an den Vorbetreiber bei Ablösung werden somit erfasst. Stehen Umfang oder Höhe des Finanzierungsvolumens noch nicht fest, weil etwa die zu finanzierende Gaststätteneinrichtung noch nicht vollständig verhandelt oder Umbaumaßnahmen noch nicht abschließend beurteilt bzw. abgerechnet werden können, ist die Angabe der Höchstgrenze des Darlehens ausreichend. 5.

Sollzinssatz

4.376 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB. 4.377 b) Wissenswertes. Unter Sollzinssatz ist sowohl der gebundene (nicht veränderliche) als auch der veränderliche Prozentsatz zu verstehen, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen aufgewendet wird (§ 489 Abs. 5 Satz 1 BGB). Auf Grund zwingender europarechtlicher Vorgaben bedarf es der Angabe eines Jahreszinses. Anzugeben ist, ob dieser gebunden, also nicht veränderlich, oder ungebunden und damit veränderlich ist. Berechnet der Getränkelieferant für die Zurverfügungstellung der Darlehensvaluta keine Zinsen, so ist ein entsprechender Hinweis („zinslos“, „0 % Zinsen“) sinnvoll. Nach Art. 247 § 3 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ist die Angabe zum Sollzinssatz um die Bedingungen und den Zeitraum seiner Anwendung sowie die Art und Weise seiner Anpassung zu ergänzen. Ist der Sollzinssatz von einem Index oder einem Referenzzinssatz (§ 675g Abs. 3 Satz 2 BGB) abhängig, so ist dieser ebenfalls mit anzugeben (Art. 247 § 3 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). 6.

Vertragslaufzeit

4.378 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB. 4.379 b) Wissenswertes. Die Vertragslaufzeit bezeichnet den Zeitraum, über den das Darlehen dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden soll. Davon unterscheiden ist die insofern nicht mit erfasste Dauer der Getränkebezugsverpflichtung. Die Vertragslaufzeit kann entweder durch die Bezeichnung der Laufzeitdauer, insbesondere durch Jahres- oder Monatsangaben, oder durch ein festes Enddatum angegeben werden. Ist kein Ende der Vertragslaufzeit vereinbart, so ___________ 357) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125. 358) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

handelt es sich um ein unbefristetes Darlehen. Bei unbefristeten Verträgen ist „unbefristet“ anzugeben.359) Allein die Angabe einer bestimmten Anzahl von (Annuitäten-)Raten reicht als 4.380 Laufzeitangabe nicht aus. Dies jedenfalls dann, wenn sich der Zeitpunkt der Fälligkeit der letzten Teilzahlung (Schlusszahlung) nicht ausdrücklich aus dem Vertrag ergibt. Gleiches gilt aber auch dann, wenn sich das Enddatum nur errechnen lässt, weil sich der Tilgungsbeginn erst ab dem unbekannten Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens ermitteln lässt („rückzahlbar in monatlichen Raten in Höhe von … € ab dem … des Monats, der auf die Zahlung der Darlehensvaluta folgt“). Steht der Laufzeitbeginn bei Vertragsabschluss noch nicht fest, etwa weil die 4.381 Zahlung von der noch nicht bekannten Lieferung des Inventars durch Dritte abhängt, so ist die Vertragslaufzeit als Zeitraum möglichst genau zu umschreiben. Bei Getränkelieferungsverträgen kann der Rückführungszeitraum für die Fi- 4.382 nanzierung vor dem Ende der Bezugsverpflichtung liegen. Auszugehen ist von der Prognose im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Rechtsgedanke des Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB). c) Praxishinweis. Wird das Verbraucherdarlehen durch Abschreibung oder Rück- 4.383 vergütungsgutschriften getilgt, so bedarf es ebenfalls einer gesonderten Angabe der Laufzeit des Darlehensvertrages. Die bloße Errechenbarkeit aus der Laufzeit des bezugsrechtlichen Teiles des Getränkelieferungsvertrages genügt nicht mehr. Dies gilt auch unabhängig davon, ob hl-bezogene Gutschriften oder Festabschreibungsbeträge vereinbart sind. 7.

Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 4.384 EGBGB. b) Wissenswertes. Die Anforderungen sind erfüllt, wenn der Darlehensgeber 4.385 angibt, ob die Leistungspflichten des Darlehensnehmers in einer oder mehreren Raten zu erfolgen haben. Die einzelnen Beträge sind nominal anzugeben, einer Aufschlüsselung nach Zins- und Tilgungsanteilen bedarf es nicht. Auf eine genaue Aufführung der Anzahl der Raten kommt es nicht an. Gleiches gilt für die Zeitpunkte der jeweiligen Fälligkeit der einzelnen Raten. Es genügt daher, wenn die Zahlungstermine nach dem Kalender bestimmbar sind.360) Hier reicht es aus, wenn aus den erfolgten Angaben, z. B. “… zum Dritten des Monats“

___________ 359) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124. 360) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

entnommen werden kann, wann die jeweilige Rate fällig werden wird.361) Dies ist die genannte „Periodizität“. 4.386 c) Praxishinweis. Bei den Raten wird ggf. zwischen Regelraten, Umsatzsteuersondertilgungsrate(n)362) und Schlussrate zu unterscheiden sein. 8.

Gesamtbetrag

4.387 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 8 EGBGB. 4.388 b) Begriff. Unter Gesamtbetrag versteht man nach der Legaldefinition die Summe aus Nettodarlehensbetrag und Gesamtkosten (Zinsen und sonstigen Kosten) (Art. 247 § 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB).363) Der Gesamtbetrag umfasst alle finanziellen Verpflichtungen, die der Darlehensnehmer bei regulärem Vertragsverlauf zu tragen hat.364) Daher ist von einer vertragsgemäßen Erfüllung und einem normalem Tilgungsverlauf auszugehen. Auch endfällige Festkredite mit (teilweisem) Tilgungsersatz sind erfasst.365) Üblicherweise bedient man sich insofern eines Tilgungsplans. 4.389 c) Berechnung. Da bei der Finanzierung durch Getränkelieferanten typischerweise keine Bearbeitungskosten und Restschuldversicherungen anfallen, sind die Abweichungen vom Sollzinssatz erheblich geringer. Nicht dazu rechnen die Kosten für die Getränkebelieferung.366) Zudem stehen die Konditionen in der Regel bei Vertragsschluss für die gesamte Laufzeit fest. Daher lässt sich der Gesamtbetrag ohne weiteres errechnen. Bei veränderlichen Verbraucherdarlehensfinanzierungen ist ein fiktiver Gesamtbetrag auf der Basis der bei Vertragsschluss maßgeblichen Konditionen zu berechnen. 4.390 d) Aufschlüsselung. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung bedarf es keiner weiteren Aufschlüsselung der Einzelpositionen in Tilgungsraten, Zinsen und Kosten, weil für das Informationsbedürfnis des Verbrauchers die Angabe des Gesamtbetrages ausreichend ist.367) Der Gesamtbetrag kann danach in einer Summe genannt werden. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist vorrangig die Information über die sich aus der Kreditaufnahme ergebende finanzielle Gesamtbelastung. Hierfür ist die Angabe des Gesamtbetrages ausreichend. ___________ 361) 362) 363) 364) 365)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124. OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 141. BGH, Urt. v. 18.12.2001 – XI ZR 156/01, BGHZ 149, 302 = NJW 2002, 957 = ZIP 2002, 391. 366) A. A. LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833. 367) BGH, Urt. v. 19.10.2004 – XI ZR 337/03, NJW-RR 2005, 354 = ZIP 2004, 2373.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

e) Repräsentatives Beispiel. Nach Art. 247 § 3 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ist der 4.391 Gesamtbetrag anhand eines repräsentativen, d. h. aussagekräftigen, Beispiels zu erläutern. Berechnungen, die auf einer unrichtigen oder unvollständigen Grundlage beruhen, sind nicht repräsentativ. Dabei kann es sinnvoll sein, den Tilgungsplan heranzuziehen. Je nach dem Fortschritt der Vertragsverhandlungen hat sich der Darlehensgeber dabei an den Vorgaben des Darlehensnehmers zu orientieren, um ihm eine realistische Einschätzung der auf ihn zukommenden Belastung zu ermöglichen. Zu einer Offenlegung seiner Geschäftsstruktur zur Überprüfung ist der Darlehensgeber gegenüber dem Darlehensnehmer nicht verpflichtet.368) Berechnungen, die auf einer unvollständigen oder unrichtigen Grundlage beruhen, sind nicht repräsentativ im Sinne der Vorschrift, so dass der Informationspflicht nicht genügt wird. 9.

Auszahlungsbedingungen

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 4.392 EGBGB. b) Wissenswertes. Als Auszahlungsbedingungen gelten die konkreten vertrag- 4.393 lichen Voraussetzungen an das „Ob“, das „Wie“ und das „Wann“ der Auszahlung des Darlehens. Neben Zeitpunkt und Art der Auszahlung ist insbesondere die Person des Zahlungsempfängers in Person des Darlehensnehmers oder eines Dritten zu benennen, etwa wenn der Darlehensbetrag unmittelbar einem Dritten zufließen soll oder der Darlehensnehmer etwas anderes erhält, z. B. einen Gegenstand oder die Befreiung von einer Verbindlichkeit.369) Nicht genügend ist es, lediglich auszuführen, dass die Inanspruchnahme des Darlehens an Bedingungen geknüpft ist und diese im Darlehensvertrag geregelt sind. 10.

Sonstige Kosten

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 4.394 EGBGB. b) Begriff. Unter „sonstigen Kosten“ versteht man sämtliche mit dem Vertrags- 4.395 schluss und der ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung zusammenhängenden Kosten zulasten des Darlehensnehmers.370) Ohne Belang ist, ob diese vor Abschluss des Vertrags, bei der Auszahlung oder bei dessen Durchführung anfallen.371) Da es auf die ordnungsgemäße Abwicklung im Zusammenhang mit Abschluss oder Durchführung des Vertrags ankommt, werden Verzugskosten ___________ 368) 369) 370) 371)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 125. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124. BGH, Urt. v. 7.10.1997 – XI ZR 233/96, NJW 1998, 602 = ZIP 1998, 66. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

nicht erfasst. Kosten, die durch einen weiteren Vertrag anfallen, sind ebenfalls nicht anzugeben. 4.396 Kosten, die nicht unmittelbar aus dem Darlehensvertrag resultieren, fallen nicht unter die Mitteilungspflicht. In diesem Zusammenhang sind jedoch ggf. Art. 247 §§ 8 und 13 EGBGB zu beachten. Unter dem Begriff der Nebenleistung dürften sich Versicherungsprämien nur ausnahmsweise subsumieren lassen. Hierfür besteht auch kein Bedürfnis im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen zur Errechnung des effektiven Jahreszinses unter Einbeziehung dieser Position(en). Freiwillige Leistungen brauchen ebenfalls nicht aufgenommen zu werden. 4.397 c) Auszahlung. Im Gegensatz zu Bankdarlehen werden die von Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen ohne Abzug (eines Disagios) und damit zu 100 % ausgezahlt. Auch werden im Zusammenhang mit der Auszahlung keine Kosten erhoben. Hierauf sollte hingewiesen werden. 4.398 d) Sicherheitenbestellung. Anzugeben sind Einmalkosten für die Bestellung, Freigabe und Verwertung von Sicherheiten.372) Beispielhaft zu nennen sind Gerichts- und Notarkosten für die Bestellung, Abtretung oder Löschung von Grundpfandrechten oder Dienstbarkeiten einschließlich der vorausgehenden Kosten zur Ermittlung des Beleihungswertes, Avalprovisionen bei Bankbürgschaften sowie die Kosten eines abstrakten Schuldanerkenntnisses, von dessen Erteilung die Darlehensgewährung anhängig gemacht wird, sowie Kosten für die Freigabe von Sicherheiten, die Sachverständigenkosten bei der Bewertung oder Verwertung des Gaststätteninventars, Verwertungskosten in der Insolvenz nach § 171 Abs. 2 InsO. Nicht anzugeben sind dagegen Kosten, die unabhängig von der Darlehensgewährung entstehen wie Notar- und Grundbuchkosten für den Grundstückserwerb oder Schätzkosten für den mit dem Darlehen zu erwerbenden Gegenstand zur Bemessung des Kaufpreises.373) 4.399 e) Versicherungen. aa) Grundsatz. Wird vom Darlehensnehmer der Abschluss oder der Nachweis von Versicherungen als Bedingung verlangt, so sind die entsprechenden Kosten – soweit bekannt, im Übrigen dem Grunde nach – anzugeben. Dabei kommt es nicht darauf an, um welche Versicherung es sich handelt. Gleichgültig ist auch, ob sie bei Abschluss des Darlehensvertrags bereits bestanden hat. Allein maßgeblich ist, ob der Darlehensgeber sie verlangt. 4.400 bb) Sachversicherungen. Anzugeben sind (Umkehrschluss aus § 6 Abs. 4 PAngV) danach die Kosten der abzuschließenden Sachversicherungen, die der Werterhaltung der vom Darlehensnehmer gestellten Sicherheiten dienen, wenn der Abschluss der Versicherung gesetzlich vorgeschrieben oder – wie hier – ___________ 372) Zweifelnd im Hinblick auf die Richtlinienkonformität Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 29. 373) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 121.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

vom Getränkelieferanten etwa im Rahmen einer Sicherungsübereignung verlangt wird. Findet sich die Verpflichtung zur Sachversicherung des Inventars allerdings nicht im Getränkelieferungsvertrag, sondern in dem Sicherungsübereignungsvertrag, einer eigenständigen Vertragsurkunde, dann dürfte eine Angabepflicht entfallen, weil Kosten, die durch einen weiteren Vertrag anfallen, hier nicht anzugeben sind.374) cc) Bei sonstigen Versicherungen sind die Einzelprämie und der Zahlungs- 4.401 modus einzustellen. f) Ausweis. Allerdings bedarf es nach Auffassung des Gesetzgebers nicht (mehr) 4.402 der separaten Angabe etwaiger Versicherungskosten. Diese sind innerhalb der allgemeinen Vertragskosten (Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Nr. 10 EGBGB) anzugeben und dort als Versicherungskosten auszuweisen.375) g) Anpassung. Anzugeben ist ggf., unter welchen Bedingungen die Kosten 4.403 angepasst, d. h. einseitig verändert werden können.376) h) Praxishinweis. Kreditversicherungen und Nebenleistungen sind bei der Gast- 4.404 ronomiefinanzierung durch Getränkelieferanten nicht üblich. Die Bestimmung hat auch im Übrigen im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen keine Bedeutung. Wenn auch die Getränkelieferanten intern verschiedene Kundenkonten führen, so werden hierfür doch keine Kosten berechnet. 11.

Verzugszinsen

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 4.405 EGBGB. b) Wissenswertes. Der Darlehensnehmer ist für den Fall des Zahlungsverzugs 4.406 über die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen, über die Zinshöhe und deren mögliche zukünftigen Anpassungsvoraussetzungen zu informieren. Letzteres kommt in der Praxis des Getränkelieferungsvertrages nur äußerst selten vor. Angegeben werden muss die zum Zeitpunkt der Erstellung maßgebliche absolute Zahl. Der allgemeine Hinweis auf die nach § 497 Abs. 1 Satz 1 BGB einschlägige Formel „5 Prozentpunkte über dem Basiszins“ genügt nicht.377) Auch weitere Verzugskosten, die neben einem Verzugszins zulasten des Darlehensnehmers eintreten können, oder Vertragsstrafen wegen Nichterfüllung der darlehensrechtlichen Verpflichtungen, sind nicht anzugeben, weil sie durch Leistungsstörungen anfallen und deshalb nicht zu den Gesamtkosten gehören (§ 6 Abs. 4 Nr. 1 PAngV). ___________ 374) 375) 376) 377)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 145. Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 31. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 31.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

12.

Warnhinweis

4.407 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB. 4.408 b) Wissenswertes. Die Formulierung des Warnhinweises ergibt sich wörtlich aus dem Muster der Europäischen Standardinformationen (Ziff. 3 a. E. der Anlage 4 zu Art. 247 § 2 Abs. 2 EGBGB). Dort heißt es „Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z. B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren.“ Damit dem Verbraucher die von ihm zu vergegenwärtigenden Folgen deutlich werden und die Warnfunktion erfüllt wird, könnte man erwägen, den Hinweis den Gegebenheiten des jeweiligen Produkts anzupassen. Weitere Hinweise, z. B. eine Warnung vor anderen, objektiv mindestens ebenso gewichtigen Folgen wie etwa auf das Recht des Darlehensgebers zur außerordentlichen Kündigung bei Zahlungsverzug, sind im Übrigen nicht erforderlich.378) 4.409 c) Praxishinweis. Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen dürfte die Folge „Zwangsverkauf“ eher selten sein. Im Regelfall führen ausbleibende Zahlungen zur Kündigung des Darlehens und der Verwertung von Sicherheiten. Folgt man dieser Auffassung, so kann man im Interesse der Information des Verbrauchers zusätzlich auf diese Verzugsfolgen hinweisen. Zwingend dürfte eine entsprechende Ergänzung allerdings nicht sein. 13.

Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts

4.410 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB. 4.411 b) Wissenswertes. Bezüglich des Bestehens eines Widerrufsrechts genügt es bei der vorvertraglichen Information wegen der speziellen späteren Anforderungen an die Widerrufsinformation im Rahmen des Vertrages, wenn der Darlehensgeber darauf hinweist, ob ein Widerrufsrecht von 14 Tagen für den Vertrag vorgesehen ist oder nicht. Weitere Informationen müssen diesbezüglich nicht gegeben werden. Eine zusätzliche Information etwa über die Frist dürfte aber jedenfalls dann nicht schaden, wenn sie zutreffend ist. Der Hinweis auf ein „Nichtbestehen“ befremdet, bedarf es doch in diesem Fall bereits aus sachlichen und/oder persönlichen Gründen gar keiner Standardinformation. 14.

Recht zur vorzeitigen Erfüllung

4.412 a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB.

___________ 378) Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 3 EGBGB Rz. 2.

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III. Europäischen Standardinformationen für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge (ESI)

b) Wissenswertes. Der Verbraucher ist über das in § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB 4.413 verankerte Recht zur vorzeitigen Erfüllung des Darlehensvertrags zu informieren. 15.

Recht auf einen Vertragsentwurf

a) Rechtsgrundlage ist Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB, § 491a Abs. 2 BGB.

4.414

b) Wissenswertes. Die Bezugnahme auf § 491a Abs. 2 BGB erfasst das Recht 4.415 auf die unentgeltliche Vermittlung eines Vertragsentwurfs in Textform und dessen Ausschluss. Voraussetzung ist, dass der Darlehensgeber zum Vertragsabschluss bereit ist. 16.

Datenbankabfrage

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 16 4.416 EGBGB. b) Wissenswertes. Der Verbraucher ist auf seine Rechte aus § 29 Abs. 7 Satz 1 4.417 BDSG betreffend die Information über das Ergebnis einer Datenbankanfrage im Falle der Kreditverweigerung hinzuweisen.379) Anwendungsfälle sind die qualifizierte Selbstauskunft nach § 34 BDSG und die SCHUFA-Eigenauskunft nach § 19 BDSG. 17.

Notarkosten

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 1 4.418 EGBGB. b) Wissenswertes. Notarkosten können in der Regel nicht vorher mit einem 4.419 bestimmten Betrag angegeben werden. Deshalb genügt der Hinweis auf die Kostenübernahmepflicht an sich.380) c) Praxishinweis. Notarkosten können im Zusammenhang mit der Bestellung 4.420 oder Abtretung von Grundpfandrechten sowie notariellen Schuldanerkenntnissen entstehen. 18.

Sicherheiten

a) Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 4.421 EGBGB. b) Wissenswertes. Der Begriff Sicherheit (vgl. § 232 BGB) ist weit zu verstehen. 4.422 Dieser umfasst sämtliche Leistungsverpflichtungen des Darlehensnehmers oder eines aus dessen Sphäre stammenden Dritten, die im Falle einer Leistungsstörung von dem Darlehensgeber alternativ oder kumulativ beansprucht werden ___________ 379) Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 3 EGBGB Rz. 2. 380) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 126.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

können.381) Sämtliche verlangten Sicherheiten müssen stichwortartig angegeben werden. Die Angabe der Art der zu stellenden Sicherheit ist hinreichend. Die Verpflichtung zur Angabe eines Eigentumsvorbehalts ist zwar nur von Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB erfasst.382) Sie dürfte aber im Wege der Auslegung auch aus Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB folgen. Zusätzliche Angaben zur Höhe der Sicherheit sind nicht erforderlich, schaden aber nicht. 19.

Vorfälligkeitsentschädigung

4.423 a) Rechtsgrundlage ist Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB. 4.424 b) Wissenswertes. Getränkelieferanten vereinbaren allerdings regelmäßig keine Vorfälligkeitsentschädigung, so dass insofern keine Angabeverpflichtung besteht. Auch bei vorzeitiger Rückzahlung besteht die Getränkebezugsverpflichtung nämlich fort.383) Die Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung würde auch weder wirtschaftlich noch rechtlich Sinn machen, erst recht bei zinslosen oder niedrig verzinslichen Krediten. Anders ist die Situation möglicherweise, wenn der Getränkelieferant dem Kunden vertraglich die Möglichkeit zur vorzeitigen Rückführung des Darlehens unter Verzicht auf die Lieferrechte einräumt. Dann könnte die Vereinbarung einer Vorfälligkeitsentschädigung zum Teilausgleich des entgangenen Gewinns im Rahmen der gesetzlichen Höchstgrenzen nach § 502 BGB Sinn machen. Insofern bestünde eine Angabepflicht. 20.

Bindungszeitraum

4.425 a) Rechtsgrundlage ist Art. 247 § 4 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB. 4.426 b) Wissenswertes. Die Angabe ist fakultativ. Soweit der Darlehensgeber sich freiwillig für eine bestimmte Zeit an die Geltung der von ihm erteilten vorvertraglichen Informationen binden will, hat er diesen Zeitraum als Teil der vorvertraglichen Pflichtangaben zu benennen. IV.

Anspruch auf Vertragsentwurf

1.

Rechtsgrundlage

4.427 Rechtsgrundlage der zweiten Stufe vorvertraglicher Informationen ist § 491a Abs. 2 Satz 1 BGB. 2.

Wissenswertes

4.428 Der Verbraucher hat unabhängig von der Erfüllung der Informationspflichten i. S. v. § 491a Abs. 1 BGB durch den Unternehmer einen eigenen klagbaren ___________ 381) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 126. 382) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 507 Rz. 9. 383) Siehe oben § 33 V 9 m. w. N.

914

V. Erläuterungspflicht

Anspruch auf Übergabe eines Vertragsentwurfs (§ 491a Abs. 2 Satz 1 BGB). Die Übermittlung des Entwurfs ersetzt weder die Erfüllung der vorvertraglichen Informationen i. S. v. § 491a Abs. 1 und 3 BGB noch die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB.384) Umgekehrt besteht der Anspruch auch dann, wenn der Darlehensnehmer bereits die Standardinformationen erhalten hat. Die Informationspflicht muss auch dann erfüllt werden, wenn der Verbraucher 4.429 dies nicht verlangt oder ob ein Vertragsentwurf i. S. d. § 491a Abs. 2 BGB noch nicht vorliegt. Der Anspruch entsteht erst, wenn der Unternehmer zum Vertragsschluss be- 4.430 reit ist (§ 491a Abs. 2 Satz 2 BGB). Daran fehlt es zum Beispiel, wenn der Unternehmer den Abschluss von einer positiven Bonitätsprüfung abhängig macht.385) Ein Entgelt für den Entwurf kann nicht verlangt werden, weil eine gesetzliche 4.431 Pflicht des Unternehmers besteht. Eine bestimmte Form ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, so dass Textform 4.432 (§ 126b BGB) ausreicht, aber auch zumindest erforderlich sein dürfte, weil ein Entwurf Schriftzeichen voraussetzt. Für den Inhalt des Vertragsentwurfs gilt auch, wie für den Vertrag, die Verwei- 4.433 sung in § 492 Abs. 2 BGB auf Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB.386) Die Verpflichtung erstreckt sich darüber hinaus aber auf alle weiteren Vertragsbestandteile. Auszuhändigen ist somit ein vollständiger Textentwurf. V.

Erläuterungspflicht

1.

Rechtsgrundlage

Grundlage der Verpflichtung zu vorvertraglichen Erläuterungen als dritter 4.434 Stufe der vorvertraglichen Informationen ist § 491a Abs. 3 BGB.387) 2.

Modell des § 491a Abs. 3 BGB

a) Bezugspunkt. § 491a Abs. 3 BGB begründet ausschließlich kreditvertrags- 4.435 bezogene Erläuterungspflichten des Darlehensgebers. Dies gilt auch, soweit es um die Beurteilung der Frage geht, ob der Vertrag dem vom Darlehensnehmer verfolgten Zweck gerecht wird. Vertrag in diesem Sinne ist nämlich der Verbraucherdarlehensvertrag und nicht etwa ein ggf. mit im Darlehensvertrag zu finanzierender weiterer Vertrag.388) ___________ 384) 385) 386) 387)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a Rz. 3. Zur Rechtsprechung des BGH im Bankenbereich siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 3.657 – 3.662 m. w. N. 388) Heße/Niederhofer, MDR 2010, 968, 969.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

4.436 b) Zweck. Der Darlehensgeber hat keine Beratung zu leisten, sondern lediglich die Entscheidungsgrundlage vorzubereiten. Jede andere Interpretation stünde im Widerspruch zur Verbraucherkreditrichtlinie und verstieße gegen das Prinzip der Vollharmonisierung.389) Der Verbraucher selbst soll den Vertrag oder dessen Nachteile und Risiken beurteilen können. Ob der Abschluss des Vertrages für ihn wirtschaftlich sinnvoll ist, hat der Verbraucher sonach auf der Grundlage von Information und Erläuterung selbst zu entscheiden.390) Der Kreditsuchende soll wissen, was er unterschreibt, wenn ihm der fertige Vertrag vorgelegt wird. Dieses Ziel wird schon dann erreicht, wenn der Darlehensnehmer erkennen kann, ob der Vertrag den von ihm verfolgten Zwecken gerecht wird,391) und auf dieser Grundlage selbst entscheiden kann, ob er dem Vertragsangebot des Darlehensgebers zustimmen will oder nicht.392) Dagegen verpflichtet die Erläuterungspflicht den Darlehensgeber nicht dazu, dem Kreditsuchenden den für seine Zwecke und Vermögensverhältnisse am besten passenden Vertrag vorzulegen.393) 4.437 c) Rechtsnatur. § 491a Abs. 3 Satz 1 BGB statuiert eine im deutschen Recht bislang nicht normierte Pflicht.394) Die Erläuterungspflichten nach § 491a Abs. 3 BGB sind mehr als die bloße Mitteilung der Vertragsinhalte nach § 492 BGB und weniger als eine Beratungspflicht (aufgrund eines separat zu schließenden Beratungsvertrages) zu sehen (Mittelding). Sie dürften am ehesten den sich bisher auch schon als vorvertragliche Nebenpflicht zur Aufklärung aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Schutzpflichten entsprechen.395) 4.438 d) Konkurrenzen. Fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Aufklärungs- und Informationspflichten sowie Beratungspflichten396) weiterhin Geltung beanspruchen können. Nach der Gesetzesbegründung soll dies der Fall sein.397) Andere Erläuterungs- und Aufklärungspflichten bestehen weiter wie auch die Formulierung „ggf.“ zeigt. Gemeint sind hiermit insbesondere Aufklärungspflichten, die die Rechtsprechung bereits ausgearbeitet hat bzw. noch entwickeln wird.398) Hieran hat sich durch die Einfügung der Erläuterungspflicht nach § 491a Abs. 3 BGB nichts geändert. Dagegen spricht aber, dass die Verbraucherkreditrichtlinie auf dem Gedanken der Vollharmonisierung beruht ___________ 389) 390) 391) 392) 393) 394) 395) 396) 397) 398)

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Siehe oben § 41 I 2 a m. w. N. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a Rz. 4. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 491a Rz. 30. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 3.657 – 3.662 m. w. N. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78 f., 119. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 491a Rz. 33.

V. Erläuterungspflicht

und hinsichtlich der vorvertraglichen Informationen abschließend gedacht ist. Anderenfalls würden sich die Pflichten in Deutschland von denen in anderen Mitgliedstaaten unterscheiden. Allerdings werden in Art. 5 Abs. 1 a. E. Verbraucherkreditrichtlinie zusätzliche Informationen angesprochen, die der Darlehensgeber dem Verbraucher in einem gesonderten Dokument erteilen kann. Dies könnte dafür sprechen, dass in Einzelfällen eine von den Vorgaben der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG abweichende Informationspflicht des Darlehensgebers besteht. e) Verhältnis zu § 491a Abs. 1 BGB. Die Erläuterungspflicht geht bedeutend 4.439 weiter als die Unterrichtungspflicht nach § 491a Abs. 1 BGB. Die bloße Überlassung der vorvertraglichen Informationen genügt nicht. 3.

Erläuterungsbedarf

a) Grundlagen. Eine Verpflichtung zur Erläuterung nach § 491a Abs. 3 BGB 4.440 besteht nur, wenn wie § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB verdeutlicht („ggf.“) bei dem Verbraucher ein Bedarf nach weiterer Aufklärung gegeben ist. Besteht kein Anlass dafür, die vorvertragliche Information zu erläutern, etwa weil sie der Darlehensnehmer verstanden hat, so kann eine zusätzliche Erläuterung nicht verlangt werden.399) Das Wort „gegebenenfalls“ lässt Spielraum für eine weniger aufwändige Formulierung, wenn diese im Einzelfall nicht erforderlich ist. b) Der Umstand, dass bei den Vertragsverhandlungen ein Rechtsanwalt an- 4.441 wesend war, dürfte keine andere Beurteilung rechtfertigen. § 166 Abs. 1 BGB ist nicht anwendbar. c) Was den Umfang und die Zielrichtung der Erläuterung angeht, so kann der 4.442 Darlehensgeber vom Verständnishorizont eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers ausgehen400) bzw. sich an der für den Unternehmer im Einzelfall erkennbaren Verständnismöglichkeit des Darlehensnehmers ausrichten.401) Im Einzelfall können freilich Modifikationen geboten sein. Ist etwa aufgrund von Rückfragen erkennbar, dass der Verbraucher überfordert ist, oder handelt es sich um ein besonders komplexes oder innovatives Produkt, so ist dem Rechnung zu tragen. Etwaige Kosten sowie Haftungsrisiken sind darzulegen, wenn es sich um eine vom Standard abweichende Vertragsgestaltung handelt, die für den Verbraucher weit rei-

___________ 399) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 400) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856; BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077. 401) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

chende Folgen haben kann. Ist ein besonderer Erläuterungsbedarf des konkreten Darlehensnehmers erkennbar, soll dieser zu berücksichtigen sein.402) 4.443 d) Im Zweifel dürfte ein entsprechender Bedarf wohl zu bejahen sein, insbesondere dann, wenn das Gegenüber der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig ist und/oder nur über eine eingeschränkte Auffassungsgabe verfügt. Problematisch ist dies insofern, als das Gewinnerzielungsinteresse des Darlehensgebers dem Interesse des Darlehensnehmers am günstigsten Vertrag zuwiderläuft. Hier gilt es ein ausgewogenes Verhältnis zu finden. 4.

Verwendungszweck und Vermögensverhältnisse

4.444 a) Verwendungszweck. Verwendungszweck ist das vom Verbraucher mitgeteilte oder für den Darlehensgeber erkennbare Ziel des Verbrauchers. Der Darlehensgeber ist jedoch – anders als noch im ersten Entwurf der Kommission vorgesehen – nicht zur Prüfung verpflichtet, ob der Zweck, den der Verbraucher mit der Kreditaufnahme verfolgt, für diesen auch sinnvoll ist.403) Ob dies der Fall ist, hat den Darlehensgeber nur insoweit zu interessieren, wie es für seine (Unterstreichung vom Verfasser) Entscheidung, einen Vertrag abzuschließen, von Bedeutung sein kann. Eine Erläuterungs- oder gar Abratepflicht besteht im Rahmen des § 491a BGB nicht.404) Der Darlehensgeber muss dem Kreditnehmer lediglich erläutern, ob der Kreditvertrag dem von ihm verfolgten Zweck gerecht wird, also zur Zweckerreichung überhaupt tauglich ist. 4.445 Erkennbare Über- oder Unterfinanzierungen können leicht zu einem Erläuterungsbedarf führen ebenso wie aufgeschobene Auszahlungsbedingungen im Hinblick auf den Kreditnehmerbedarf in konkreto. Wer sich mit einem Kredit schnell aus einer Zahlungsschwierigkeit befreien will, wird nichts von einem Darlehen haben, das nach den AGB erst in sechs Monaten ausgezahlt werden kann. Ebenso dürfte einem Existenzgründer, der noch ohne laufende Einnahmen ist, kaum mit einem Darlehen gedient, das er sofort mit hohen Zins- und Tilgungsleistungen bedienen muss. 4.446 b) Vermögensverhältnisse. Vermögensverhältnisse bezeichnen die gesamte wirtschaftliche und finanzielle Lage des Verbrauchers. Der Wortlaut des § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB sieht allein eine Erläuterung der vertragstypischen Auswirkungen der Hauptmerkmale des Vertrages vor und blendet damit die konkreten wirtschaftlichen Folgen für den betreffenden Darlehensnehmer gezielt aus. Zweck der Erläuterungen ist es nach § 491a Abs. 3 Satz 1 BGB, den Kreditnehmer in die Lage zu versetzen, zu beurteilen, ob der Vertrag seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird. Wie bei § 490 Abs. 1 BGB werden unter diesem Begriff ___________ 402) So Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 45. 403) Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 45. 404) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79.

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V. Erläuterungspflicht

sämtliche Aktiva und Passiva des Kreditnehmers verstanden. Um die Vermögensverhältnisse beurteilen zu können, ist es logischerweise erforderlich, dass beide Parteien die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers hinreichend genau kennen. Das setzt zum einen voraus, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber alle dafür relevanten Tatsachen und Umstände mitteilt und der Darlehensgeber diese als professioneller Darlehensexperte entsprechend detailliert anfordert und auswertet. Die damit erforderliche Bonitätsprüfung ist auf Seiten des Kreditgebers ohne- 4.447 hin eine seit dem 21.3.2016 gemäß § 505a Abs. 1 Satz 2 BGB Vorbedingung für die zwingend geschuldete Erläuterung, ob das Darlehen den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers entspricht. Voraussetzung für die Möglichkeit zu einer Bonitätsprüfung des Darlehensgebers ist, dass der Darlehensnehmer auf Anfrage zweckdienliche, lückenlose und präzise Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen liefert. Erfolgt die Erläuterung ohne eine entsprechende Prüfung wird sie auf nicht ausreichender Basis erfolgen und ist damit regelhaft fehlerhaft. Der Kreditgeber wird sich auf etwaige Angaben des Kreditnehmers zwar verlassen dürfen, muss diese aber einer eigenen Prüfung im Hinblick auf das Darlehen unterziehen und wird auf die obligatorische Datenbankanfrage auch nicht verzichten dürfen. Die Bonitätsprüfung nach § 18a KWG bzw. § 505a BGB kann damit ohne weiteres als Konkretisierung der Erläuterungspflicht angesehen werden. 5.

Angemessene Erläuterungen

a) Erläuterungen. aa) Begriff. Im ursprünglichen Vorschlag der Kommission 4.448 war noch eine Beratungspflicht dahingehend vorgesehen, dass dem Verbraucher der für seine Zwecke und Möglichkeiten günstigste Tarif angeboten werden müsste. Diese heftig umstrittene Pflicht wurde allerdings nicht in die Richtlinie aufgenommen.405) Begrifflich versteht man daher unter Erläuterungen i. S. d. § 491a Abs. 3 BGB vor allem, dass der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer mittels dieser den Vertrag als solchen und die einzelnen Vertragsbedingungen verständlich zu machen hat. Gemeint ist eine Erklärung, Auseinanderlegung, Darlegung und Darstellung, ggf. auch mit Begründung und Veranschaulichung. Nicht dagegen geht es um eine Beratung oder Diskussion um den Vertrag und seine Bedingungen. Notwendig ist auch keine Konkretisierung oder Präzisierung über den Vertragstext hinaus. Eine Beratung des Verbrauchers würde einen eigens abgeschlossenen Beratungsvertrag voraussetzen. bb) Umfang. Die produktbezogene Erläuterungspflicht dient vor allem dazu, 4.449 dem Darlehensnehmer technische Fachbegriffe wie etwa den des effektiven Jahreszinses oder der Annuität verständlich zu machen; es handelt sich dabei nicht ___________ 405) Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 44.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

um die Statuierung einer umfassenden Beratungspflicht. Der Darlehensgeber hat somit nicht die Sinnhaftigkeit des mit der Kreditaufnahme verfolgten Zwecks zu hinterfragen. Eine Pflicht zum Hinweis auf eine günstigere Gestaltung, auf eine für die Zwecke und Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers optimal zugeschnittene Vertragsgestaltung oder auf andere Verträge des Unternehmers besteht auch im Rahmen des § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB nicht, denn das stellte eine Beratungsleistung dar. Die Verantwortung für die Kreditentscheidung bleibt beim Verbraucher.406) 4.450 b) Angemessenheit. Was nach Auffassung des Gesetzgebers angemessene Erläuterungen sind, macht der Wortlaut des Gesetzes nicht klar. In Satz 2 des § 491a Abs. 3 BGB gibt das Gesetz lediglich einige Hinweise. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen dem Kreditbewerber Gestaltungsalternativen hinsichtlich einzelner Vertragsbestandteile aufgezeigt werden, wenn dieser die Möglichkeit hat, durch eigene Erklärungen auf den Vertragsinhalt einzuwirken.407) Inhalt und Umfang der „angemessenen“ Erläuterungen richten sich nach der Komplexität des Darlehensgeschäfts, den durchschnittlichen oder für den Unternehmer erkennbaren konkreten Verständnismöglichkeiten des Verbrauchers und dessen Bedarf nach Erläuterungen.408) 6.

Konkretisierungen nach § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB

4.451 a) Überblick. Das Gesetz benennt als Formen der Information die Erläuterung der vorvertraglichen Informationen gem. § 491a Abs. 1 BGB, der Hauptmerkmale der vom Darlehensgeber angebotenen Verträge sowie der vertragstypischen Auswirkungen auf den Darlehensnehmer, einschließlich der Folgen bei Zahlungsverzug. 4.452 b) Rechtsnatur. § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB enthält nur Beispiele zur Konkretisierung der Erläuterungspflichten, nicht aber eine abschließende Regelung („ggf.“). Damit lässt die Vorschrift Spielraum für eine weniger aufwendige Erläuterung, wenn diese im Einzelfall nicht erforderlich ist. Das Wort „sowie“ kann sowohl alternativ als auch kumulativ verstanden werden. 4.453 c) Grundsatz. Der Darlehensgeber hat den Vertrag und die wesentlichen Vertragskonditionen verständlich zu machen sowie auf die vertragstypischen Auswirkungen und die Folgen bei Zahlungsverzug hinzuweisen. Gemeint sind die den Kreditnehmer nach dem Vertrag treffenden Zahlungspflichten nach Umfang, Häufigkeit sowie Art und Weise der Leistung. Hinzu kommen mögliche Haftungsrisiken und andere, mit dem Vertragsschluss möglicherweise zusammenhängende Gefahren, wie etwa auch die Auswirkungen auf verbundene Ge___________ 406) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 407) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. 408) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a Rz. 4.

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V. Erläuterungspflicht

schäfte. Weiter sind ggf. auch die Folgen nicht planmäßiger Abwicklung, wie die Folgen bei Zahlungsverzug, mögliche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, SCHUFA-Einträge und auch eine (Privat-)Insolvenz, zu erläutern. Anderenfalls kann der Kreditnehmer nicht die Folgen der Eingehung des Darlehensverhältnisses realisieren und keine rationale Entscheidung treffen. Bei Verwendung neu gestalteter oder ungewöhnlicher Vertragsklauseln vergrößert sich nach dem Willen des Gesetzgebers die Erläuterungspflicht.409) Dies gilt erst recht bei komplizierteren Vertragsklauseln und verbundenen Verträgen. d) Einzelaspekte. aa) Vorvertragliche Informationen. Ein Erläuterungsbe- 4.454 darf hinsichtlich der Standardinformationen (§ 491a Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BGB) kann sich insbesondere hinsichtlich der wesentlichen Merkmale des Kredits, der Kreditkosten und der anderen, dort aufgeführten rechtlichen Aspekte ergeben. bb) Hauptmerkmale der angebotenen Verträge. Erläuterung der Hauptmerk- 4.455 male der angebotenen Verträge (§ 491a Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BGB) bedeutet, dass die Hauptleistungspflichten, die Besonderheiten und die im Vertrag vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten für den Verbraucher aufzuzeigen sind.410) Zu den Hauptleistungspflichten beim Darlehen rechnen die im Synallagma stehenden Pflichten des Darlehensgebers auf Verschaffen und Belassen des Darlehens und die Pflichten des Darlehensnehmers zur Entrichtung des geschuldeten Zinses und zur Rückerstattung des Darlehens bei Fälligkeit (§ 488 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dabei sind die Höhe und Termine ihrer vorgesehenen Erfüllung anzugeben. Auch ist zu erläutern, wenn und unter welchen Voraussetzungen Bedingungen oder Befristungen bestehen, die unmittelbar die Hauptleistungen betreffen. Ebenso wie die Verbraucherkreditrichtlinie (Art. 5 Abs. 6) verwendet auch § 491a 4.456 Abs. 3 Satz 2 BGB den Plural. Der Darlehensgeber hat den Verbraucher auf verschiedene, ihm zur Verfügung stehende Gestaltungsvarianten hinzuweisen und diese zu erläutern. Die Erläuterungspflicht ist dabei produktbezogen, so dass gerade keine Beratung und Bewertung hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erfolgen muss.411) Keinesfalls berücksichtigen muss der Darlehensgeber Produkte anderer Anbieter.412) Ein Getränkelieferant beantwortet Finanzierungswünsche nicht, indem er ein 4.457 Tableau an denkbaren Vertragstypen aufzeigt. Vielmehr wird der Finanzierungswunsch im Wege längerer, zunehmend konkreter werdender Gespräche nach und nach zu einem konkret-individuellen, an Konzept, Betreiber und Objekt___________ 409) 410) 411) 412)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 79. Erman-Nietsch, BGB, § 491a Rz. 45. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 67.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

typ ausgerichteten Gesprächsergebnis verdichtet, das dann in einer vertraglichen Regelung umgesetzt wird.413) Daher dürfte die zweite Alternative des § 491a Abs. 3 Satz 2 BGB kaum praktisch werden. 4.458 cc) Vertragstypische Auswirkungen, einschließlich der Kosten bei Zahlungsverzug i. S. d. § 491a Abs. 3 Satz 2 3. und Alt. 4 BGB sind die finanziellen Belastungen und Risiken durch die Aufnahme des Darlehens.414) Auch Haftungsrisiken sind anzusprechen. Der Unternehmer hat die Bedingungen des Vertrages verständlich zu machen, so dass der Pflicht Genüge getan ist, wenn der Darlehensnehmer die Erläuterungen erfasst hat und auf deren Grundlage die angebotenen Produkte im Hinblick auf seine Bedürfnisse beurteilen kann. 4.459 e) Selbstredend bestehen keine vorvertraglichen Informationspflichten zu dem bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages.415) Eine andere Handhabung stellte eine nicht geschuldete Überinformation dar. Damit wäre die Parallele zur nicht geschuldeten Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation indiziert, was vermieden werden sollte. Anders ist möglicherweise für den Fall getrennter Finanzierungs- und Bindungsverträge zu entscheiden, soweit ein verbundenes Geschäft vorliegt. 7.

Verzicht

4.460 Ein selbstbestimmt und ausdrücklich erklärter Verzicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Angebot des Darlehensgebers auf weitere Informationen („Ich wünsche keine weiteren Erläuterungen.“) ist zulässig und stellt keinen Fall des § 512 Satz 1 BGB dar. Allerdings darf sich der Verzicht nicht auf sämtliche drei Stufen der vorvertraglichen Information beziehen. 4.461 Jedenfalls dann, wenn der Getränkelieferant die Standardinformationen (§ 491a Abs. 1 BGB) erläutert (§ 491a Abs. 3 Satz 2 Fall 2 BGB) und die darin in Bezug genommenen Anlagen, insbesondere den Vertragsentwurf (§ 491a Abs. 2 BGB) und den Tilgungsplan, ebenfalls mit angesprochen hat, dürfte ein entsprechendes Bedürfnis nach weiterer Aufklärung wohl zu verneinen sein. Bei Verbrauchern mit offenkundigen Verständnisschwierigkeiten mag dies anders zu beurteilen sein. Dann dürfte auch ein ausdrücklich erklärter Verzicht unbeachtlich sein. 8.

Durchführung der Erläuterungen

4.462 a) Zeitpunkt. Die Erläuterungen müssen nach dem Wortlaut des § 491a Abs. 3 Satz 1 BGB („… vor Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags …“) und Schutzzweck vor Vertragsabschluss und von sich aus erfolgen. Gemeint ist da___________ 413) Siehe oben § 9 III 1 m. w. N. 414) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a Rz. 4. 415) Siehe oben § 23 II m. w. N.

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V. Erläuterungspflicht

mit, dass der Darlehensnehmer noch nicht an sein Angebot gebunden ist. Nach Abgabe und Zugang seiner Willenserklärung kommt eine Erläuterung folglich nicht mehr in Betracht. b) Zeitspanne. Der Verbraucher muss Gelegenheit haben, die Informationen 4.463 nach § 491a Abs. 1 BGB zur Kenntnis zu nehmen, den Vertragsentwurf nach Abs. 2 vollständig und in Ruhe zu lesen, und die Erläuterungen nach Abs. 3 auf sich wirken zu lassen, um sich über das „ob“ eines Vertragsschlusses zu vergewissern. Daher bedarf es einer nicht zu knapp bemessenen Zeitspanne zwischen Unterrichtung, Übergabe des Vertragsentwurfs (soweit gewünscht) und den jedenfalls erforderlichen Erläuterungen einerseits und dem Vertragsschluss andererseits. Zugunsten des Getränkelieferanten ist bei der Bemessung der Zeitspanne allerdings zu berücksichtigen, dass in der Regel umfängliche, längere Vertragsgespräche vorausgegangen sind. c) Adressat. Die Erläuterungen werden gegenüber dem Darlehensnehmer per- 4.464 sönlich zu erfolgen haben. Dabei ist es grundsätzlich geboten, dass der Darlehensgeber auf konkrete Fragen des jeweiligen Verbrauchers eingeht (sog. individueller Einschlag) und sich vergewissert, ob Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen. d) Gespräch. Eines persönlichen (direkten) Gesprächs, bei dem ein Mitarbei- 4.465 ter des Getränkelieferanten und der Verbraucher körperlich anwesend sind, bedarf es sonach nicht zwingend. Hintergrund sind die Erwägungsgründe 6 und 7 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG, wonach insbesondere auch der Abschluss grenzüberschreitender Verbraucherkredite erleichtert werden sollte, bei denen es aber oftmals schon wegen der Entfernung nicht zu einem direkten Gespräch kommen kann.416) Diese Überlegungen lassen sich insbesondere auch auf die Distribution in Ferngebieten übertragen. e) Form. Eine Form ist für die Erläuterungen nach § 491a Abs. 3 BGB nicht 4.466 vorgeschrieben. Insbesondere gilt nicht das Textformerfordernis des § 492 Abs. 5 BGB für nachvertragliche Erläuterungen. Somit kann schriftlich, auch per E-Mail, aber auch (fern-)mündlich erläutert werden. Aus Nachweisgründen ist jedenfalls die Einhaltung der Textform des § 126b BGB sinnvoll. f) Standardisierung. Im Hinblick auf Wortlaut, Normzweck und auch aus 4.467 Gründen der Praktikabilität sollte eine formularmäßige, standardisierte und auf den konkreten Fall zugeschnittene Erläuterung genügen. Werden, etwa durch Rück- oder Anfragen des Kunden, keine Besonderheiten erkennbar, kann der Darlehensgeber die Erläuterung im Übrigen durchaus standardisiert vornehmen. g) Umfang. Ein Zuviel an Erläuterungen ist zu vermeiden. Der Umfang der 4.468 Information hat sich daher zu orientieren an den offenbar werdenden Proble___________ 416) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 78 f.

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§ 42 Im Vorfeld des Vertragsschlusses

men des konkreten Kunden, Einzelvertragsbestandteile zu begreifen, und am Grad der Komplexität des konkreten Vertrages. Das bedeutet wiederum nicht, dass die Erläuterung stets individuell vorzunehmen wäre. 9.

Nachweis

4.469 Bei persönlichen Gesprächen sollte auf eine Kopfparität geachtet werden; Gesprächsinhalt und –verlauf sollten möglichst in einer gegengezeichneten Gesprächsnotiz festgehalten werden. Den Erhalt der Erläuterungen sollte man sich quittieren lassen. Beim Postversand ist an ein Einschreiben mit Rückschein zu denken. VI.

Rechtsfolgen fehlender oder fehlerhafter vorvertraglicher Informationen

1.

Keine Vertragsnichtigkeit

4.470 Das Gesetz sieht keine unmittelbaren Sanktionen für den Fall der Verletzung der vorvertraglichen Informationspflichten vor. Da es an einer ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung fehlt, haben Verletzungen der Pflicht zur Information nach § 491a Abs. 1 BGB ebenso wie der Pflichten zur Information nach § 491a Abs. 2 und 3 BGB keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vertrages.417) 2.

Schadensersatz

4.471 a) Anspruchsgrundlagen. Ansprüche wegen Nichtverwendung, nicht ordnungsgemäßer Ausfüllung oder nicht rechtzeitiger Überlassung des ESI-Musters oder hinsichtlich der Erläuterungen des Vertrages können sich aus Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, § 491a (Abs. 3) BGB) oder wegen Vertragsverletzung (§§ 280 Abs. 1, 491a (Abs. 3) BGB) ergeben, wobei die Darlegungs- und Beweislast den Verbraucher trifft. 4.472 b) Rechtsfolgen. Die Schadensersatzverpflichtung aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen Verletzung einer Informationspflicht geht an sich auf Rückgängigmachung des möglicherweise geheilten Vertrages und Erstattung getätigter Aufwendungen.418) Hier dagegen ist eineVertragsanpassung die zutreffende Rechtsfolge. Da die Informationen aufgrund des beibehaltenen Schriftformerfordernisses (§ 492 Abs. 1 BGB) auch weitgehend Vertragsinhalt werden müssen, fragt es sich, ob unabhängig von der Nichtigkeitssanktion eines Formmangels und den Heilungsfolgen (gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB mit ermäßig-

___________ 417) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 491a Rz. 6. 418) Einzelheiten zu diesen und anderen Ansprüchen siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rn. 3.693 – 3.703 m. w. N.

924

I. Schriftformerfordernis

tem Zins) ein Schadensersatzanspruch gem. § 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung des (eventuell geheilten) Vertrages bestehen kann.419) c) Exkurs: spätere Abweichungen. Zwar ist der Darlehensgeber grundsätzlich 4.473 nicht an die in der vorvertraglichen Information genannten Konditionen gebunden. Mangels entgegenstehender Hinweise darf sich der Darlehensnehmer aber auf deren Fortgeltung verlassen und ist daher nicht gehalten, die ihm vorgelegte Vertragsurkunde auf Abweichungen durchzumustern. Weist der Darlehensgeber auf solche nicht gesondert hin, verhält er sich pflichtwidrig und widersprüchlich. Er macht sich deshalb schadensersatzpflichtig und muss sich überdies nach § 242 BGB an der vorvertraglichen Angabe festhalten lassen, sofern diese für den Darlehensnehmer günstiger ist. Im umgekehrten Fall ist der Vertragsinhalt maßgeblich.420) § 43 Schriftform und Vertragsinhalt I. Schriftformerfordernis 1.

Grundlagen

Grundsätzlich bedarf der Verbraucherdarlehensvertrag der Schriftform (§§ 492 4.474 Abs. 1 Satz 1, 126 BGB), soweit nicht eine strengere Form wie beispielsweise die öffentliche Beurkundung (§ 128 BGB), die notarielle Beurkundung (§ 126 Abs. 4 BGB) oder die gerichtliche Protokollierung (§ 127 BGB) vorgeschrieben ist. Der Abschluss in elektronischer Form (§ 126a BGB) ist entgegen dem Schutzzweck und der gesetzlichen Überschrift für beide Vertragspartner möglich (§ 492 Abs. 1 Satz 3 BGB). Elektronische Medien, insbesondere E-Mails, genügen nur dann, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Textform (§ 126b BGB) scheidet dagegen aus, weil sie in § 492 BGB nicht zugelassen ist.421) 2.

Normzweck

Ziel des Schriftformerfordernisses des § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine umfas- 4.475 sende Information über alle wesentlichen Kreditkonditionen, die Warnung vor übereilten und unüberlegten Vertragsabschlüssen und die Absicht, dem Verbraucher die Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts zu erleichtern.422)

___________ 419) 420) 421) 422)

Palandt-Grüneberg, BGB, Einführung vor Art. 238 EGBGB Rz. 11. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 57. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 2. BGH, Urt. v. 27.4.2004 – VIII ZR 49/03, NJW-RR 2004, 1683 = ZIP 2004, 1303; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18.

925

I. Schriftformerfordernis

tem Zins) ein Schadensersatzanspruch gem. § 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung des (eventuell geheilten) Vertrages bestehen kann.419) c) Exkurs: spätere Abweichungen. Zwar ist der Darlehensgeber grundsätzlich 4.473 nicht an die in der vorvertraglichen Information genannten Konditionen gebunden. Mangels entgegenstehender Hinweise darf sich der Darlehensnehmer aber auf deren Fortgeltung verlassen und ist daher nicht gehalten, die ihm vorgelegte Vertragsurkunde auf Abweichungen durchzumustern. Weist der Darlehensgeber auf solche nicht gesondert hin, verhält er sich pflichtwidrig und widersprüchlich. Er macht sich deshalb schadensersatzpflichtig und muss sich überdies nach § 242 BGB an der vorvertraglichen Angabe festhalten lassen, sofern diese für den Darlehensnehmer günstiger ist. Im umgekehrten Fall ist der Vertragsinhalt maßgeblich.420) § 43 Schriftform und Vertragsinhalt I. Schriftformerfordernis 1.

Grundlagen

Grundsätzlich bedarf der Verbraucherdarlehensvertrag der Schriftform (§§ 492 4.474 Abs. 1 Satz 1, 126 BGB), soweit nicht eine strengere Form wie beispielsweise die öffentliche Beurkundung (§ 128 BGB), die notarielle Beurkundung (§ 126 Abs. 4 BGB) oder die gerichtliche Protokollierung (§ 127 BGB) vorgeschrieben ist. Der Abschluss in elektronischer Form (§ 126a BGB) ist entgegen dem Schutzzweck und der gesetzlichen Überschrift für beide Vertragspartner möglich (§ 492 Abs. 1 Satz 3 BGB). Elektronische Medien, insbesondere E-Mails, genügen nur dann, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur verwendet wird. Textform (§ 126b BGB) scheidet dagegen aus, weil sie in § 492 BGB nicht zugelassen ist.421) 2.

Normzweck

Ziel des Schriftformerfordernisses des § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine umfas- 4.475 sende Information über alle wesentlichen Kreditkonditionen, die Warnung vor übereilten und unüberlegten Vertragsabschlüssen und die Absicht, dem Verbraucher die Entscheidung über die Ausübung des Widerrufsrechts zu erleichtern.422)

___________ 419) 420) 421) 422)

Palandt-Grüneberg, BGB, Einführung vor Art. 238 EGBGB Rz. 11. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 57. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 2. BGH, Urt. v. 27.4.2004 – VIII ZR 49/03, NJW-RR 2004, 1683 = ZIP 2004, 1303; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18.

925

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

3.

Vertragsabschluss

4.476 a) Grundlagen. Das Formerfordernis bezieht sich auf den Verbraucherdarlehensvertrag als solchen und damit auf die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen beider Seiten. Ob der Darlehensgeber das Angebot abgibt oder die Annahme erklärt, ist unerheblich. Nach § 492 Abs. 1 Satz 2 BGB reicht die getrennte schriftliche Niederlegung von Antrag und Annahme aus.423) Wie nach § 492 Abs. 1 Satz 5 BGB a. F. müssen die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in die vom Verbraucher zu unterzeichnende Urkunde aufgenommen werden.424) Es genügt, dass nur der Darlehensnehmer seine Erklärung unterschreibt, während für die Erklärung des Darlehensgebers bei Erstellung der Urkunde im Wege der Datenverarbeitung sogar ganz auf die eigenhändige Unterschrift verzichtet wird. 4.477 b) Blankounterschrift. Bei Blankounterzeichnung liegt keine formwirksame Willenserklärung vor (§§ 125 Satz 1, 494 Abs. 1 Fall 1 BGB).425) 4.478 c) Telefax. Die Erklärung per Telefax wahrt das Formerfordernis des § 126 Abs. 2 BGB nicht, weil das zugegangene Empfängerfax nur eine Kopie der Originalurkunde darstellt. Damit ist die Willenserklärung nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.426) 4.479 d) Schreibtablett. Die Unterzeichnung eines Verbraucherdarlehensvertrages auf einem elektronischen Schreibtablett mittels Touchscreen ist keine handschriftliche Unterzeichnung. Sie wahrt weder die gesetzliche Schriftform nach §§ 492 Abs. 1 Satz 1, 126 BGB noch die elektronische Form nach § 126a BGB.427) 4.480 e) Praxishinweis. Werden lediglich eine Widerrufsbelehrung und eine Bürgschaftsurkunde, nicht dagegen der Entwurf eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages unterschrieben, so fehlt es am formwirksamen Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages. Die vorgenannten Urkunden stellen nämlich keinen Bestandteil der vertraglichen Erklärungen dar und ergänzen diese auch nicht.428) ___________ 423) BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1199; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, BGHZ 145, 240 =NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 424) Str., wie hier Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 2; a. A. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 43. 425) BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 240/04, NJW-RR 2005, 1141 = ZIP 2005, 1179; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084. 426) BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 427) OLG München, Urt. v. 4.6.2012 – 19 U 771/12, NJW 2012, 3584. 428) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01.

926

I. Schriftformerfordernis

4.

Vertragsänderung

Dem Schriftformerfordernis unterliegt zwar auch eine Änderung des Verbrau- 4.481 cherdarlehensvertrages.429) Diese Frage stellt sich aber nur bei der Finanzierung privater Hauseigentümer. 5.

Anforderungen des § 126 BGB

a) Mündliche Nebenabreden. Nach dem sog. Vollständigkeitsprinzip ergänzt 4.482 um das Angabeerfordernis der „sämtlichen weiteren Vertragsbedingungen nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BEGBGB müssen in die Urkunde auch die für den Vertragsinhalt wesentlichen, zwischen den Parteien getroffenen Nebenabreden aufgenommen werden Anderenfalls erlangen sie wegen Formmangels keine Wirksamkeit, was nach § 139 BGB im Zweifel zur Nichtigkeit des ganzen Vertrags führt. b) Pflichtangaben. Etliche Pflichtangaben i. S. d. § 492 Abs. 2 BGB müssen 4.483 nach dem Vollständigkeitsprinzip in die Urkunde aufgenommen werden. Hierzu gehören etwa die Angaben über den Sollzinssatz, die vom Verbraucher zu tragenden Kosten sowie zu bestellende Sicherheiten.430) c) AGB. Zu den formbedürftigen Nebenabreden gehören für den Darlehens- 4.484 vertrag maßgebliche AGB. Nicht notwendig ist es aber, die AGB in den Vertragstext selbst aufzunehmen. Vielmehr genügt es, wenn diese der Vertragsurkunde in einer Art und Weise beigeheftet werden, die sie auch äußerlich als Teil der Urkunde erkennbar macht. macht wird.431) 6.

Zugang der Annahmeverklärung

a) Allgemein. Der Darlehensvertrag erst mit Zugang der Annahmeerklärung 4.485 des Darlehensgebers (bzw. der einheitlichen Urkunde) beim Darlehensnehmer wirksam wird.432) b) Verspäteter Zugang. Ein Schriftformmangel kann auch dann vorliegen, wenn 4.486 die Annahmeerklärung nicht mehr rechtzeitig i. S. d. § 147 Abs. 1 BGB zugeht. Zu denken ist etwa an die Situation, dass der Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag von dem Getränkelieferanten erst mehrere Wochen nach Zeichnung durch den Gastwirt gegengezeichnet wird. c) Zugangserleichterung. Zu denken ist an einen Verzicht auf die Annah- 4.487 meerklärung nach § 151 Satz 1 BGB. Ein solcher Verzicht ist auch bei formge___________ 429) 430) 431) 432)

BGH, Urt. v. 6.12.2005 – IX ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 18. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 19. BGH, Urt. v. 6.12.2005 – IX ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224.

927

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

bundenen Rechtsgeschäften zulässig433) und kann wirksam auch vorformuliert werden.434) 7.

Verbrauchervollmacht

4.488 Die Vollmacht zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages bedarf entgegen § 167 Abs. 2 BGB der Schriftform (§ 492 Abs. 4 Satz 1 BGB). 8.

Bestätigung

4.489 Ggf. ist eine Bestätigung des formnichtigen Vertrages gem. § 141 BGB zu prüfen. Diese ist nach allgemeinen Grundsätzen zwar formfrei möglich. Allerdings muss ein entsprechender Bestätigungswille der Parteien festgestellt werden.435) 9.

Rückabwicklung bei Formverstoß

4.490 Bei (Form-)Nichtigkeit des Darlehensvertrages erfolgt die Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht.436) Zu weiteren Einzelfragen wird auf die Rechtsprechung verwiesen.437) 10.

Heilung

4.491 a) Allgemein. Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB („Ungeachtet eines Mangels nach Absatz 1 …“) folgt, dass eine Verletzung des Schriftformerfordernisses durch Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens geheilt wird.438) 4.492 b) Problemanzeige. Bei verschiedenen Verstößen können die jeweiligen Sanktionen namentlich allesamt dann eintreten, wenn der Darlehensvertrag nur mündlich abgeschlossen worden war, andererseits aber nicht, wenn der Vertrag zwar schriftlich, aber nicht gem. den Anforderungen an die Schriftform nach § 492 Abs. 1 BGB abgefasst wurde, z. B. bei fehlender Unterschrift des Verbrauchers. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB enthält keine ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche Sanktionen eintreten, wenn die Schriftform des Vertrags „insgesamt“ nicht eingehalten wurde. 4.493 c) Lösung. Nach dem Schutzzweck des Schriftformerfordernisses und der Erheblichkeit des jeweiligen Formverstoßes ist zu differenzieren:439) ___________ 433) 434) 435) 436)

BGH, Urt. v. 27.4.2004 – VIII ZR 49/03, NJW-RR 2004, 1683 = ZIP 2004, 1303. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 492 Rz. 8. OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. LG Düsseldorf, Urt. v. 12.2.2001 – 9 O. 351/00, als Vorinstanz zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 437) OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.3.2002 – 14 U 65/01. 438) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 439) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224.

928

II. Grundfragen zum notwendigen Vertragsinhalt

aa) Nicht hinreichend über die wesentlichen Darlehenskonditionen informiert 4.494 und nicht ausreichend vor ungünstigen Vertragsregelungen gewarnt ist der Verbraucher, wenn die Vereinbarung nur mündlich getroffen wurde, der Verbraucher die Vertragserklärung nicht unterzeichnet hat oder wenn der Grundsatz der Urkundeneinheit nicht gewahrt ist. Dann kann er sich auf die Rechtsfolgen des § 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB, insbesondere die Zinsermäßigung nach § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB, ebenso wie ein Verbraucher berufen, der einen Vertrag ohne die notwendigen Pflichtangaben i. S. d. §§ 494 Abs. 1 Fall 2, 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB abgeschlossen hat.440) bb) Wurde dagegen lediglich die Vertrags-/Annahmeerklärung des Darlehens- 4.495 gebers nicht formwirksam abgegeben oder fehlt es an deren Zugang, so zieht die Heilung des Vertrages nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB weder eine Zinsreduktion nach sich noch gelten die Sanktionen nach § 494 Abs. 3 – 6 BGB, wenn eine formgültige, alle nach den verbraucherdarlehensrechtlichen Vorschriften erforderlichen Pflichtangaben enthaltende Vertragserklärung des Verbrauchers vorliegt, durch die er i. S. d. Verbraucherkreditrechts auch ohne förmlichen Zugang der Annahmeerklärung des Darlehensgebers hinreichend informiert und gewarnt ist.441) In diesem Fall ist nämlich dem Verbraucher die Rechtsfolge seiner Erklärung mit formgültiger Abgabe deutlich vor Augen geführt worden. II.

Grundfragen zum notwendigen Vertragsinhalt

1.

Anknüpfungspunkt

Anders als § 312b BGB a. F. knüpfen die Vorschriften über den Verbraucher- 4.496 kredit nicht an die Art und Weise des Vertragsschlusses an, sondern bezwecken einen Schutz vor einem für den Verbraucher riskanten Vertragsinhalt.442) 2.

Rechtsgrundlage

Welche Pflichtangaben im Verbraucherdarlehensvertrag enthalten sein müssen, 4.497 ergibt sich im Einzelnen aus § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB. Der gesetzlichen Systematik liegt der Gedanke zugrunde, das BGB schlank zu halten.443) 3.

Normzweck

Normzweck der Bestimmungen ist die umfassende Information des Verbrau- 4.498 chers über alle wesentlichen Konditionen des Darlehens, um ihm die finanzielle ___________ 440) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIIIZR 343/00. 441) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 442) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 443) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 207.

929

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

Gesamtbelastung zu verdeutlichen und einen sachgerechten Kostenvergleich mit konkurrierenden Angeboten bis zum Ablauf der Widerrufsfrist zu ermöglichen. 4.

Doppelung

4.499 Mit Ausnahme der Angaben nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 15 und 16 EGBGB sowie des repräsentativen Beispiels nach Art. 247 § 3 Abs. 3 EGBGB sind alle Basisangaben aus der vorvertraglichen Informationen des Angabenkataloges nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 14 EGBGB nochmals im Vertrag selbst anzuführen (§ 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 – 6 EGBGB). Dies um Doppelungen im Gesetzestext zu vermeiden.444) 5.

Rechtsfolgenwille

4.500 Die Pflichtangaben brauchen nicht vom rechtsgeschäftlichen Willen umfasst zu sein wie typischerweise der effektive Jahreszins, der ungeachtet seiner Bedeutung als Vergleichsgrundlage nur eine Rechengröße ist, die sich aus Vertragszins und Kosten ergibt. 6.

Verwendungszweck

4.501 Die Aufzählung der Pflichtangaben ist abschließend. Zu den Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB rechnet daher nicht der Verwendungszweck des Darlehens.445) Die schlichte Falschangabe des Verwendungszwecks führt daher nicht zur Nichtigkeit.446) Allerdings hängt hiervon gem. §§ 513, 13, 14 BGB ab, ob der Darlehensnehmer überhaupt Verbraucher/Existenzgründer ist und die Sondervorschriften über Verbraucherdarlehen anwendbar sind.447) 7.

Zeitpunkt

4.502 Maßgeblicher Zeitpunkt ist auch für veränderliche Konditionen der Vertragsabschluss (Rechtsgedanke des Art. 247 § 6 Abs. 3 EGBGB). 8.

Verständlichkeit

4.503 Die Pflichtangaben müssen aus sich heraus auch für einen geschäftlich unerfahrenen Darlehensnehmer klar und verständlich gestaltet sein (Art. 247 § 6 Abs. 1 vor Nr. 1 EGBGB).448) ___________ 444) 445) 446) 447) 448)

930

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 208. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.11.2005 – 24 U 44/05, BeckRS 2005, 14749 = ZMR 2006, 363. BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, NJW 2004, 154. Siehe oben § 41 III m. w. N. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 127.

III. Der notwendige Vertragsinhalt

9.

Verbrauchervollmacht

Die Vollmacht muss auch den inhaltlichen Erfordernissen (Pflichtangaben nach 4.504 § 492 Abs. 2 BGB, Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB) entsprechen (§ 492 Abs. 4 Satz 1 BGB). Ausgenommen sind nach § 492 Abs. 4 Satz 2 BGB lediglich notarielle Vollmachten (§ 128 BGB) und Prozessvollmachten (§§ 80 – 89 ZPO).449) Damit dürfte der Vertragsschluss unter Einschaltung eines Bevollmächtigten praktisch ausscheiden. 10.

Standort

Bei Verbraucherdarlehensverträgen, in gleicher Weise bei verbundenen Geschäften 4.505 nach § 358 BGB sowie bei zusammenhängenden Verträgen nach § 360 BGB, müssen alle nach Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB vorgeschriebenen Angaben und damit insbesondere auch die Widerrufsinformation im Vertrag enthalten sein (§ 492 Abs. 2 BGB, Ein-Urkunden-Modell). Eines gesonderten Hinweises im Vertragsformular auf den Standort der Informationen bedarf es daneben nicht.450) III.

Der notwendige Vertragsinhalt

Nachfolgend werden ausgewählte Fragen zu den notwendigen Pflichtangaben 4.506 i. S. d. Art. 247 § 6 EGBGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 14 EGBGB angesprochen, soweit diese nicht bereits im Zusammenhang mit den vorvertraglichen Informationen Gegenstand der Darstellung waren451). Anschließend werden die weiteren ergänzenden Angaben, die nicht für alle Verträge verpflichtend sind, sondern nur im Einzelfall für den konkreten Vertragsabschluss nach Art. 247 § 7 EGBGB relevant werden können, dargestellt. 1.

Name und Anschrift des Darlehensgebers

Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.507 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB.452) 2.

Name und Anschrift des Darlehensnehmers

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 2 4.508 EGBGB. b) Wissenswertes. Gefordert wird die ladungsfähige Postanschrift453) des Dar- 4.509 lehensnehmers. E-Mail- oder Internet-Anschriften sind nicht ausreichend. ___________ 449) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 60 f. m. w. N. 450) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 83, 128; BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077. 451) Siehe oben § 42 III m. w. N. 452) Im Übrigen siehe oben § 42 III 1 b m. w. N. 453) Wie vorstehend.

931

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

4.510 c) Praxishinweis. Um die konkrete Schreibweise der Vertragsdaten sicherzustellen, sollte man sich den Personalausweis oder den Reisepass des Kunden vorlegen lassen und hiervon ggf. eine Kopie ziehen. Bei Vertragspartnern, die nicht aus EU-Mitgliedstaaten stammen, gilt gleiches für Dokumente deutscher Behörden wie die Aufenthalts- und Gewerbeerlaubnis. Praktisch macht es Sinn, das Geburtsdatum mitanzugeben. Soweit es sich bei dem Kunden um im Handelsregister eingetragene Kaufleute und Gesellschaften handelt, ist der Handelsregisterauszug vorzulegen bzw. Einsicht in das Handelsregister zu nehmen.454) 4.511 Unter „Anschrift des Kunden“ sollte jedenfalls bei Neukunden nicht die neue Objektanschrift, sondern die letzte Geschäfts- oder Wohnanschrift des Kunden als Adresse angegeben werden. Nur so ist gewährleistet, dass die postalische Zustellung von Schriftverkehr und insbesondere Vertragsausfertigungen auch vor Eröffnung des Betriebs möglich ist. 3.

Art des Darlehens

4.512 Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB.455) 4.

Effektiver Jahreszins

4.513 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 EGBGB i. V. m. § 6 PAngV.456) 4.514 b) Ort. Der effektive Jahreszins ist in der Vertragsurkunde selbst anzugeben. Angaben in einer beigehefteten Tabelle oder in einer Anlage im Übrigen genügen nicht. 4.515 c) Erläuterung. Wie sich der effektive Jahreszins errechnet, bedarf im Vertrag keiner Erläuterung. Sollte das Verbraucherdarlehen zinslos ausgereicht worden sein, so empfiehlt es sich, den effektiven Jahreszins vorsorglich mit „0,00 %“ anzugeben. Anderenfalls könnte der Einwand einer fehlenden Pflichtangabe erhoben werden mit der Folge des Nichtbeginns der Widerrufsfrist (§ 356b Abs. 2 Satz 1 BGB). 4.516 d) Rechtsfolgen bei Verstoß. Fehlt die Angabe des effektiven Jahreszinses in einem Verbraucherdarlehensvertrag, so ist der Vertrag nach § 494 Abs. 1 Fall 2 BGB nichtig, solange nicht eine Heilung durch Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens eingetreten ist (§ 492 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dann ermäßigt sich allerdings der vereinbarte Sollzins nach § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den ge___________ 454) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 101. 455) Im Übrigen siehe oben § 42 III 2 b m. w. N. 456) BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417. Im Übrigen siehe oben § 42 III 3 b-f, jeweils m. w. N.

932

III. Der notwendige Vertragsinhalt

setzlichen Zinssatz (§ 246 BGB: 4 %).457) Wird der effektive Jahreszins zu hoch angegeben, so ist dies unerheblich. Bei zu niedriger Angabe wird der Nominalzins der Falschangabe entsprechend in der absoluten Zinsdifferenz, nicht etwa nur in der relativen, gem. § 494 Abs. 3 BGB herabgesetzt.458) 5.

Nettodarlehensbetrag

Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.517 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Satz 2 EGBGB.459) 6.

Sollzinssatz

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.518 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 EGBGB, § 489 Abs. 5 BGB.460) b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Werden die vereinbarten Sollzinsen nicht ange- 4.519 geben, so ist der Vertrag nach § 494 Abs. 1 Fall 2 BGB nichtig, soweit nicht eine Heilung durch Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB eingetreten ist. Allerdings ermäßigt sich dann der vereinbarte Sollzinssatz nach § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB auf 4 % (§ 246 BGB).461) 7.

Vertragslaufzeit

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.520 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB.462) b) Rechtsfolgen eines Verstoßes. Dem Darlehensnehmer steht ein jederzeitiges 4.521 uneingeschränktes Kündigungsrecht zu (§ 494 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 BGB). 8.

Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.522 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB.463) b) Ratendarlehen. Anzugeben sind die Höhe der einzelnen Raten, deren An- 4.523 zahl464) und die Termine der Fälligkeit. Für die Fälligkeit genügt ein nach dem Kalender bestimmbarer Zeitpunkt. ___________ 457) 458) 459) 460) 461) 462) 463) 464)

Einzelheiten siehe unten § 43 VI 5 m. w. N. Str., wie hier Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 90. Im Übrigen siehe oben § 42 III 4 b-d, jeweils m. w. N. Im Übrigen siehe oben § 42 III 5 b m. w. N. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 21. Im Übrigen siehe oben § 42 III 6 b-c, jeweils m. w. N. Im Übrigen siehe oben § 42 III 7 b-c, jeweils m. w. N. OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.10.1998 – 17 U 316/97, WM 1999, 222.

933

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

4.524 c) Endfällige Darlehen. Obgleich Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB von „einzelnen Teilzahlungen“ spricht, werden auch endfällige Darlehen erfasst.465) Vorrangig anzugeben sind die vertraglich vereinbarten Endfälligkeiten. Fehlt es an entsprechenden Regelungen, ist das Darlehen bei Fälligkeit zurückzuzahlen unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen nach §§ 489, 499, 500 BGB. 4.525 d) Praxishinweis. Von „Teilzahlungen“ und „Zahl“ kann nur bei Ratenfinanzierungen (auch Annuitäten) gesprochen werden, nicht dagegen bei Abschreibungs- und Rückvergütungsgutschriftenfinanzierungen als Beispiele für endfällige Darlehen. Gleiches gilt ggf. auch bei Mischmodellen, wie dem Jahresratenmodell, für den nicht durch Raten zurückzuführenden Teil des Darlehens. Bei Darlehen, die durch Abschreibung oder Rückvergütungsgutschriften getilgt werden, könnten die entsprechenden Angaben lauten „bis zur vollständigen Abschreibung des Darlehens“ bzw. „bis zur vollständigen Tilgung des Darlehens“. Weiter sollte angegeben werden, ob das Darlehen mit einem bestimmten Betrag pro bezogenem Hektoliter Fassbier oder Flaschenbier getilgt wird oder zeitanteilig pro Jahr des Bezugs. Eine Regelung zur Fälligkeit des nicht getilgten Restdarlehens bei Ablauf der Bezugsbindung ist entbehrlich.466) 4.526 e) Rechtsfolgen bei Verstoß. Da der Wortlaut des § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB eindeutig ist, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung aus. Die Nichtangabe der Anzahl der einzelnen Teilleistungen bleibt daher ohne Folgen.467) 9.

Gesamtbetrag

4.527 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 8, 3 Abs. 2 Satz 1, 6 Abs. 3 EGBGB.468) 4.528 b) Zweck. Die Pflicht des Darlehensgebers zur Angabe des Gesamtbetrages legt nicht die vertraglichen Hauptleistungspflichten fest, sondern regelt nur die vertragliche Information des Verbrauchers über den insgesamt zurückzuzahlenden Betrag.469) Durch den Vergleich des Gesamtbetrages mit dem Nettodarlehensbetrag kann der Verbraucher die von ihm zu erbringende Gesamtleistung richtig einschätzen. Subtrahiert man nämlich den Nettodarlehensbetrag vom Gesamtbetrag, so zeigt sich für den Darlehensnehmer die vollständige Gegenleistung für den Kredit über die gesamte Laufzeit. Die Angabe des Gesamtbetrages soll ihm einen Konditionenvergleich ermöglichen. ___________ 465) BGH, Urt. v. 19.10.2004 – XI ZR 337/03, NJW-RR 2005, 354 = ZIP 2004, 2373; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084. 466) A. A. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 93. 467) BGH, Urt. v. 19.10.2004 – XI ZR 337/03, NJW-RR 2005, 354 = ZIP 2004, 2373, lässt offen. 468) Im Übrigen siehe oben § 42 III 8 b-e, jeweils m. w. N. 469) BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 = NJW 2014, 2420 = ZIP 2014, 1266; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 406/13, BGHZ 205, 249 = NJW 2015, 2414 = ZIP 2015, 1383.

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III. Der notwendige Vertragsinhalt

c) Erläuterung. Der Begriff des Gesamtbetrages ist im Vertrag nicht zu erläu- 4.529 tern. d) Fehlen der Angabe. Die Angabe des Gesamtbetrages fehlt auch dann, wenn 4.530 der angegebene Betrag erkennbar nur für die Zeit der Zinsfestschreibung und nicht für die Gesamtlaufzeit berechnet worden ist.470) e) Rechtsfolgen bei Verstoß. Im Falle der Nichtangabe des Gesamtbetrages 4.531 ist der Vertrag an sich nichtig (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB). Allerdings besteht wiederum die Möglichkeit der Heilung durch Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens (§ 494 Abs. 2 Satz 1 BGB) mit der Konsequenz der Reduktion des Sollzinssatzes auf 4 % gem. §§ 494 Abs. 2 Satz 2, 246 BGB.471) 10.

Auszahlungsbedingungen

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.532 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB.472) b) Leistungsvorbehalte. aa) Einführung. Mit Vertragsabschluss stehen dem 4.533 Kunden des Getränkelieferanten grundsätzlich alle vertraglichen Ansprüche auf Erfüllung zu. Daran ändert auch eine Widerruflichkeit des Vertrages nichts. bb) Leistungsvorbehalt i. e. S. Im Falle des Widerrufs droht eine Rückabwick- 4.534 lung der erbrachten Leistung. Üblicherweise werden daher Vertragsklauseln aufgenommen, wonach das Darlehen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist (unter Einrechnung der Postlaufzeit) ausgezahlt wird (Leistungsvorbehalt i. e. S.). Wirksamkeitsbedenken bestehen insofern, auch im Hinblick auf § 308 Nr. 1 Halbs. 2 BGB, nicht. cc) Leistungsvorbehalt i. w. S. In der Praxis wird die Auszahlung der Darle- 4.535 hensvaluta vertraglich von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht (sog. Leistungsvorbehalt i. w. S.). Als Beispiele können genannt werden: Stellung der Sicherheiten,473) Freisein der Sicherheiten von Rechten Dritter (Verpächter/Vermieterpfandrechtsverzichtserklärung, Zubehörhaftungsverzichtserklärung, Eigentumsvorbehalt des Inventarlieferanten oder eines sonstigen Voreigentümers), Vorlage aktueller Grundbuchauszüge, Nachweis des der Beleihung zugrunde liegenden Verkehrswertes z. B. durch Wertgutachten, Nachweis des Bestehens eines Miet- oder Pachtvertrages für die Dauer der Laufzeit der Getränkebezugsverpflichtung, Vorlage einer Kopie der Gewerbeanmeldung, Nachweis der Umsatzsteuernummer insbesondere bei nicht selbst bewirtschaftenden Hauseigentümern und Vereinen, Vorlage der (vorläufigen) Gaststättenerlaub___________ 470) BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084. 471) Einzelheiten siehe unten § 43 VI 5 m. w. N. 472) Im Übrigen siehe oben § 42 III 9 b m. w. N. 473) OLG Brandenburg, Urt. v. 13.1.2010 – 3 U 155/08, BeckRS 2010, 03475 (Bürgschaft).

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

nis (Konzession) der zuständigen Ordnungsbehörde, Vorlage einer qualifizierten Selbstauskunft nach § 34 BDSG sowie einer SCHUFA-Eigenauskunft nach § 19 BDSG, die im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung nicht älter als einen Monat ist, Vorlage der vom Kunden unterzeichneten Inventarrechnungen etc. 4.536 c) Abgrenzung. In der Vertrags- und Vertriebspraxis können sich Abgrenzungsschwierigkeiten zur Pflichtangabe „Weitere Vertragsbedingungen“474) sowie zur Pflichtangabe „Verlangte Sicherheiten und Versicherungen“475) ergeben. Drei Sachverhaltskonstellationen sind jedenfalls denkbar. Erstens werden die Gestellung von Sicherheiten und/oder der Abschluss von Versicherungen vertraglich als Auszahlungsbedingung definiert und entsprechend abgewickelt. Dann sind die insofern gemachten Ausführungen maßgeblich. Finden sich im Vertrag keine Hinweise auf die Verpflichtung zur Bestellung von Sicherheiten und/ oder den Abschluss von Versicherungen, so handelt es sich zweitens weder um weitere Vertragsbedingungen noch um verlangte Sicherheiten und Versicherungen in diesem Sinne. Soweit es sich nicht um Darlehen über 75.000,00 € handelt, können die Gestellung von Sicherheiten und/oder der Abschluss von Versicherungen nicht gefordert werden (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB, ggf. im Wege des Erst-Recht-Schlusses). Drittens ist an den in der Praxis nicht seltenen Fall zu denken, dass entsprechende Verpflichtungen zwar im Getränkelieferungsvertrag enthalten sind, die Auszahlung davon aber letztlich ganz oder zumindest teilweise nicht abhängig gemacht wird. Dieser Fall dürfte im Ergebnis wie die Sachverhalte der ersten Fallgruppe zu behandeln sein. 4.537 d) Auszahlung. aa) Grundsatz. Die Leistungen des Getränkelieferanten sind grundsätzlich sofort mit Vertragsschluss fällig (§ 271 Abs. 1 BGB). 4.538 bb) Auszahlungsempfänger. Als Auszahlungsempfänger kommt zunächst der Darlehensnehmer selbst in Betracht. Erfolgt die Auszahlung auf Weisung und Rechnung des Kunden an einen Dritten (§ 362 Abs. 2 BGB), den dieser als Empfangsbevollmächtigten benannt hat, so etwa bei vereinbarter Überweisung der Darlehensvaluta an den Verkäufer des Gaststätteninventars, so ist auch dieses zu regeln. Gleiches gilt in der Situation der Ablösung bei Zahlung an den Vorbetreiber. In den beiden letztgenannten Fällen sind auch die Voraussetzungen (des ordnungsgemäßen Empfangs etc.) anzugeben. Beispiel: „Die Auszahlung/ Zahlung erfolgt an den Inventarverkäufer, nachdem dem Getränkelieferanten die auf den Kunden ausgestellten oder von diesem zum Zeichen des ordnungsgemäßen Empfangs unterzeichneten Rechnungen vorliegen.“ Anzugeben ist auch, dass der Darlehensnehmer etwas anderes erhält, z. B. einen Gegenstand oder die Befreiung von einer Verbindlichkeit.476) ___________ 474) Siehe unten § 43 III 19 m. w. N. 475) Siehe unten § 43 III 21 m. w. N. 476) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 124.

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III. Der notwendige Vertragsinhalt

cc) Verrechnung. Anzugeben sind Verrechnungsklauseln der Darlehensvaluta 4.539 mit Kaufpreisforderungen oder sonstigen Forderungen des Lieferanten etwa aus Inventarkauf, Warenlieferung oder Pacht/Miete. Beispiel: „Die Verrechnung der Darlehensvaluta erfolgt mit Kaufpreisforderungen oder sonstigen Forderungen des Getränkelieferanten.“, „Die Auszahlung wird dadurch ersetzt, dass das gewährte Darlehen dem Kaufpreiskonto (alternativ dem Warenkonto) des Kunden gutgeschrieben wird.“ 11.

Sonstige Kosten und die Bedingungen der Anpassung

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.540 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB.477) b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Im Falle des Verstoßes besteht keine Zahlungs- 4.541 pflicht (§ 494 Abs. 4 Satz 1 BGB). Bei bereits erfolgten Zahlungen hat der Verbraucher Rückgriffsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus ungerechtfertigter Bereicherung. Kosten, die an einen Dritten zu entrichten sind, sind trotz fehlender Vertragsangabe zu begleichen, wenn sie auf ein gesondertes Vertragsverhältnis zu dem Dritten zurückzuführen sind. 12.

Verzugszinsen

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.542 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB.478) b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Fehlende Angaben führen zur Vertragsnichtig- 4.543 keit nach § 494 Abs. 1 BGB. 13.

Warnhinweis

a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 4.544 Abs. 1 Nr. 12 EGBGB.479) b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Fehlt der Hinweis, führt dies zur Nichtigkeit 4.545 nach § 494 Abs. 1 BGB. 14.

Bestehen eines Widerrufsrechts

Während in der vorvertraglichen Information gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 4.546 EGBGB nur auf das „Ob“ des Widerrufsrechts einzugehen ist, sind in den Vertrag selbst Informationen über das Bestehen eines Widerrufsrechts, die Frist sowie die Modalitäten seiner Ausübung aufzunehmen (§ 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EGBGB i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 13 ___________ 477) Im Übrigen siehe oben § 42 III 10 b-g, jeweils m. w. N. 478) Im Übrigen siehe oben § 42 III 11 b m. w. N. 479) Im Übrigen siehe oben § 42 III 12 b und c, jeweils m. w. N.

937

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

EGBGB). Eine gesonderte Widerrufsbelehrung reicht nicht aus. Wegen der herausragenden Bedeutung dieser Pflichtangabe bedarf es einer umfänglicheren Darstellung, die im späteren Text erfolgt.480) 15.

Recht des Darlehensnehmers zur vorzeitigen Erfüllung

4.547 Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB.481) 16.

Zuständige Aufsichtsbehörde

4.548 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB.482) 4.549 b) Wissenswertes. Zuständige Aufsichtsbehörde für Kreditgeschäfte von Banken und Finanzdienstleistern ist in der Regel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFIN) in Bonn. Darlehensverträge der Brauereien und der Getränkefachgroßhändler unterliegen nicht der Aufsicht der BaFin oder einer anderen Aufsichtsbehörde.483) Daher bedarf es im Regelfall keine Angabe. Anders mag dies bei staatseigenen Brauereien sein. 17.

Hinweis auf Anspruch auf einen Tilgungsplan

4.550 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EGBGB. 4.551 b) Wissenswertes. Zwar gehört ein Tilgungsplan nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu den zwingend vorgeschriebenen Informationen. Er muss daher dem Darlehensvertrag nicht beigefügt werden. Der Darlehensvertrag muss aber als Pflichtangabe gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB einen ausdrücklichen Hinweis auf das Bestehen eines Anspruchs des Darlehensnehmers auf einen Tilgungsplan enthalten. Eine Beifügung erscheint aus praktischen Gründen sinnvoll. Eine nähere Erläuterung des Inhalts des Tilgungsplans ist nicht geboten. 4.552 c) Rechtsfolgen bei Verstoß. Fehlt der Hinweis, führt dies zur Nichtigkeit nach § 494 Abs. 1 BGB. 18.

Das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrages

4.553 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB.484) ___________ 480) 481) 482) 483) 484)

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Siehe unten § 43 IV m. w. N. Im Übrigen siehe oben § 42 III 14 b m. w. N. BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417. Siehe oben § 39 III 6 m. w. N. BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417.

III. Der notwendige Vertragsinhalt

b) Meinungsstand. Das Angabeerfordernis bezieht sich nur auf den darlehens- 4.554 rechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages. Die Reichweite der Regelung ist umstritten. Nach der Vorstellung des deutschen Gesetzgebers ist dem Darlehensnehmer zu verdeutlichen, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie er selbst den Vertrag kündigen kann.485) Konsequenz wäre, dass alle gesetzlichen Kündigungsregeln in den Vertrag aufgenommen werden müssten.486) Andere folgern aus dem Passus lediglich eine Verpflichtung des Darlehensgebers, auf den regulären Vertragsverlauf und die daraus resultierenden gegenseitigen ordentlichen vertraglichen und gesetzlichen Lösungsrechte hinzuweisen.487) Nach einer weiteren Auffassung werden nur die Kündigungsrechte des Darlehensnehmers erfasst.488) c) Praxishinweis. Aus unternehmerischer Vorsicht wird hier der strengeren 4.555 Auffassung gefolgt. Bei Getränkelieferungsverträgen sind daher die Gründe aufzuzählen, die zur fristlosen Kündigung des Darlehens berechtigen, aber auch das Kündigungsrecht bei Nichterreichen der vereinbarten Mindestabnahmemenge sowie das Recht auf Kündigung bei Zahlungsverzug nach § 498 BGB. Anzugeben ist die Modalitäten, die bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung einzuhalten sind. Bei einem befristeten Darlehensvertrag ist zumindest die Möglichkeit der Kündigung nach § 314 BGB anzugeben.489) Wie sich ausdrücklich aus der zitierten Begründung des Regierungsentwurfs ergibt, kann abstrakt auf die Vorschrift des § 314 BGB verwiesen werden. Weder muss der Wortlaut der Bestimmung wiederholt noch der wichtige Grund näher definiert werden. Damit die Rechte des Darlehensnehmers nicht verkürzt werden und er sein Kündigungsrecht fristgerecht ausüben kann, wird ein Hinweis auf § 314 Abs. 3 BGB im Vertrag für erforderlich erachtet. Die Formulierung könnte lauten „… Die Kündigung ist nur innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes möglich.“ Mit der Regelung des Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB soll dem Verbraucher im Vertrag deutlich gemacht werden, unter welchen Voraussetzungen der Darlehensgeber wirksam kündigen kann und wie er selbst sein Kündigungsrecht ausüben kann. Steht dem Darlehensnehmer im Einzelfall bei gebundenem Sollzinssatz ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB oder bei veränderlichem Sollzinssatz nach § 489 Abs. 2 BGB zu, so ist auch auf diese Kündigungsmöglichkeit hinzuweisen. Gleiches

___________ 485) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 486) S So u. a. OLG Hamm, Urt. v. 11.9.2017 – 31 U 27/16, BeckRS 2017, 130261. 487) Etwa LG Köln, Urt. v. 10.10.2017 – 21 O. 23/17, BeckRS 2017, 128090; LG Heilbronn, Urt. v. 24.1.2018 – Ve 6 O. 311/17, BeckRS 2018, 651. 488) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 27. 489) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. Zu Recht kritisch LG Köln, Urt. v. 10.10.2017 – 21 O. 23/17, BeckRS 2017, 128090.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

gilt für die Kündigungsmöglichkeit nach § 500 Abs. 1 BGB bei unbefristeten Darlehen.490) 4.556 d) Rechtsfolgen bei Verstoß. Fehlen die Angaben zur Laufzeit oder zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers, kann der Darlehensnehmer trotz Heilung gem. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB uneingeschränkt kündigen (§ 494 Abs. 6 Satz 1 BGB). Im Übrigen besteht ein unbefristetes Widerrufsrecht.491) 19.

Weitere Vertragsbedingungen

4.557 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EGBGB. 4.558 b) AGB. Zu den „weiteren Vertragsbedingungen“ gehören auch in Bezug genommene AGB, soweit sie sich auch auf den Darlehensvertrag beziehen (können).492) 20.

Notarkosten

4.559 a) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB.493) 4.560 b) Wissenswertes. Der Vertrag muss einen Hinweis enthalten, wenn infolge des Vertragsschlusses Notarkosten anfallen, sei es bei Abschluss oder bei der Durchführung des Vertrages, insbesondere für die Bestellung von Sicherheiten. Die Vorschrift verlangt nur die Angabe der Kostenpflicht, einer Bezifferung bedarf also nicht. Die Höhe der Kosten steht nämlich in der Regel noch nicht fest. 4.561 c) Rechtsfolgen bei Verstoß. Die Nichtbeachtung ist folgenlos, insbesondere zieht sie nicht die Nichtigkeit nach sich (Größenschluss aus § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB). Die Rechtsfolge einer Vertragsnichtigkeit wäre hier auch unverhältnismäßig. 21.

Verlangte Sicherheiten und Versicherungen

4.562 a) Rechtsgrundlage ist Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB.494) 4.563 b) Allgemeines. Gefordert wird eine Angabe, welche Sicherheiten und Versicherungen der Darlehensgeber im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss schuldrechtlich verlangt, ohne dass diese Auszahlungsbedingungen sind. Wie in der Praxis häufig kann somit das dingliche Vollzugsgeschäft ebenso wie die ___________ 490) 491) 492) 493) 494)

940

Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 6 EGBGB Rz. 3. LG Berlin, Urt. v. 5.12.2017 – 4 O. 150/16, becklink 2008524. BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077. Im Übrigen siehe oben § 42 III 17 b und c, jeweils m. w. N. Im Übrigen siehe oben § 42 III 18 b m. w. N.

III. Der notwendige Vertragsinhalt

weitere Sicherungsvereinbarung Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sein.495) c) Sicherheiten. aa) Grundlagen. Der Begriff „Sicherheit“ ist weit auszulegen 4.564 und umfasst alle zusätzlichen Ansprüche für den Fall der Nichtzahlung.496) Zum Schutz des Verbraucherdarlehensnehmers muss in der Vertragsurkunde die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung von Sicherheiten aufgenommen werden. Der Vollzug dieser Verpflichtung und damit die dingliche Bestellung können außerhalb der Vertragsurkunde erfolgen. Die zu bestellenden Sicherheiten müssen so konkret wie möglich benannt wer- 4.565 den, In diesem Zusammenhang ist über § 232 BGB hinaus an die Bestellung oder die Abtretung eines Grundpfandrechts, eine Sicherungsübereignung von Inventar oder Kraftfahrzeugen, einen Eigentumsvorbehalt an Gaststätteninventar, eine Lohn- und Gehaltsabtretung, eine Abtretung des Rückkaufwertes von Lebensversicherungen oder beispielsweise ein notarielles Schuldanerkenntnis zu denken. Für den eher seltenen Fall, dass bereits Sicherheiten bestellt und damit vor- 4.566 handen sind, genügt ein allgemeiner Hinweis auf den Fortbestand der bestehenden Sicherheiten. Nicht erforderlich ist die Aufzählung der bereits bestehenden Sicherheiten. bb) Grundbuchsicherheiten. Insofern ist zu differenzieren. Grundpfandrechte 4.567 sind erfasst, nicht dagegen Dienstbarkeiten. cc) Bankbürgschaften. Auch insofern besteht ein Angabeerfordernis.

4.568

d) Versicherungen. aa) Grundlagen. Ein jedenfalls mittelbarer Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag liegt vor, wenn eine Versicherung abgeschlossen wird, die die Werterhaltung eines Guts bezweckt, das der Sicherung des Kredits dient. bb) Sachversicherungen. Erfasst werden somit Sachversicherungen, die der Werterhaltung der vom Darlehensnehmer gestellten Sicherheiten dienen, soweit der Abschluss der Versicherung gesetzlich vorgeschrieben oder – wie in diesem Zusammenhang – vom Darlehensgeber verlangt wird.497) Eine Vollkaskoversicherung ist zu berücksichtigen, wenn sie bei Kfz-Sicherungsübereignungen als zusätzliche Sicherheit vorausgesetzt wird. Folglich ist z. B. auch eine Feuer-, Leitungswasser- oder Diebstahlsversicherung, deren Abschluss verlangt wird, zu benennen. cc) Personenversicherungen. Üblicherweise wird im Zusammenhang mit Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen nicht der Abschluss einer Restschuld-

4.569

___________ 495) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 496) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 497) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 106.

941

4.570

4.571 4.572 4.573

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

versicherung verlangt, so dass schon deshalb keine Angabepflicht besteht. Ob auch Risikolebensversicherungen als Sicherheit hierzu gehören, ist zweifelhaft. Bisher wurde die Frage lediglich für Tilgungsaussetzungen während der Laufzeit von Festkrediten sowie im Rahmen einer Baufinanzierung diskutiert und bejaht.498) 4.574 e) Rechtsfolgen bei Verstoß. Soweit es sich dabei nicht um Darlehen über 75.000,00 € handelt, können die Sicherheiten nicht gefordert werden (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Anderenfalls kann die Sicherheit nachgefordert werden, soweit sich der Darlehensgeber dies vertraglich vorbehalten hat. 4.575 Eine Sicherheit, die im Darlehensvertrag nicht angegeben ist, aber vom Verbraucher bereits eingeräumt worden ist, muss der Darlehensgeber, wenn die Verbindlichkeit durch Heilung wirksam wird, nicht gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zurückgewähren.499) Die Sicherheit sichert in diesem Fall mit Rechtsgrund eine wirksame Verbindlichkeit aus einem Verbraucherdarlehensvertrag. IV.

Widerrufsinformation

1.

Rechtsgrundlage

4.576 Das Erfordernis einer Information über ein Widerrufsrecht folgt aus § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2, 3 Abs. 1 Nr. 13 EGBGB.500) 2.

Erforderlichkeit

4.577 a) Grundsatz. Bei Verbraucherdarlehensverträgen tritt die Widerrufsinformation an die Stelle der Widerrufsbelehrung nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB. Gleiches gilt für verbundene Geschäfte (§ 358 BGB) sowie für Verträge nach § 360 BGB. Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.501) 4.578 b) Ausnahmen. Es gibt zwei Fälle, in denen eine Widerrufsinformation entbehrlich ist. Zum einen, wenn der Darlehensvertrag im Zuge eines gerichtlich protokollierten oder festgestellten (§ 278 Abs. 6 ZPO) Vergleichs geschlossen wurde (§ 491 Abs. 4 BGB), zum anderen gem. § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei auf Grund gesetzlicher Anordnung notariell zu beurkundenden Verbraucherdarlehensverträgen. Im Darlehensrecht gibt es allerdings keinen Anwendungsbe___________ 498) BGH, Urt. v. 8.6.2004 – XI ZR 150/03, BGHZ 159, 270 = NJW 2004, 2820 = ZIP 2004, 1445; BGH, Urt. v. 14.9.2004 – XI ZR 11/04, NJW-RR 2005, 483 = ZIP 2004, 280; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084. 499) Anders der BGH, Urt. v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, BGHZ 177, 345 = NJW 2008, 3208 = ZIP 2008, 1669 für den Fall eines abstrakten Schuldversprechens nach § 780 BGB. 500) BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417. 501) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 126.

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IV. Widerrufsinformation

reich für die Ausnahme, weil weder für AVD noch für IVD die notarielle Form vorgeschrieben ist. c) Sammelbelehrung. Eine einheitliche Widerrufsinformation genügt in Fäl- 4.579 len, in denen mehrere Darlehensverträge in einer Vertragsurkunde zusammengefasst sind, ohne dass mittels der Verwendung einer einheitlichen Information zugleich eine Vorentscheidung darüber getroffen ist, ob der Widerruf der auf den Abschluss eines der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen zugleich Auswirkungen auf den Bestand der übrigen Darlehensverträge hat.502) Gewährt der Getränkelieferant etwa sowohl ein Tilgungs- als auch ein Abschreibungsdarlehen an einen Verbraucher, kann sonach im Vertrag eine einheitliche Widerrufsinformation erfolgen. 3.

Standort

a) Grundsatz. Nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB 4.580 müssen die Angaben zum Widerrufsrecht „im Vertrag“ erfolgen (Ein-UrkundenModell).503) Eines gesonderten Hinweises im Vertragsformular auf den Standort der Informationen bedarf es daneben nicht.504) b) Praxishinweis. Im Regelfall eines Darlehens- und Getränkelieferungsver- 4.581 trages liegt ein gemischter Vertrag vor. Die Widerrufsinformation bezieht sich lediglich auf den (Verbraucher-)Darlehensteil des Getränkelieferungsvertrages. Soweit es sich bei dem Vertragspartner des Getränkelieferanten um einen Verbraucher oder Existenzgründer handelt, bedarf es grundsätzlich einerseits einer vertragsimmanenten Widerrufsinformation hinsichtlich des Darlehensteils, andererseits einer gesonderten Widerrufsbelehrung als Anlage hinsichtlich der Getränkebezugsverpflichtung. Gleiches gilt, soweit ausnahmsweise getrennte Finanzierungs- und Bindungsverträge geschlossen werden. Dann haben beide Verträge – der Finanzierungsvertrag im Rahmen der Pflichtangabe Widerrufsinformation und der finanzierte Vertrag (Getränkebezugsvertrag) im Rahmen der Widerrufsbelehrung – über das Widerrufsrecht zu informieren. 4.

Formale Gestaltung

a) Grundsatz. Jedenfalls seit dem 11.6.2010 besteht keine Pflicht mehr zur 4.582 Hervorhebung der in einen Verbraucherdarlehensvertrag aufzunehmenden Pflichtangaben zum Widerrufsrecht. Nach dem zu diesem Zeitpunkt eingeführten Art. 247 § 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB muss die Widerrufsinformation die erforderlichen Angaben klar und verständlich, aber nicht ___________ 502) BGH, Bechl. v. 29.8.2017 – XI ZR 318/16; BeckRS 2017, 124946; BGH, Bechl. v. 12.9.2017 – XI ZR 466/16, BeckRS 2017, 126783. 503) Siehe oben § 43 III 10 m. w. N. 504) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

optisch hervorgehoben505) aufnehmen. Eine Pflicht zur Hervorhebung ergibt sich auch nicht aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB. Diese Vorschrift spricht zwar von einer hervorgehobenen und deutlich gestalteten Form. Dies betrifft aber lediglich diejenigen Fälle, in denen es um die Erlangung der Gesetzlichkeitsfiktion durch die freiwillige Verwendung des in der Vorschrift genannten Musters für eine Widerrufsinformation gemäß Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB geht. 4.583 b) Ankreuzoptionen. Bei Ankreuzoptionen („Baukastenformular“) in einer formularmäßigen Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag handelt es sich, wie sich bereits aus dem optionalen Charakter ergibt, nicht um die Widerrufsinformation selbst, soweit sie vom Verwender tatsächlich angekreuzt wurde. Nicht vom Verwender markierte Optionen stellen hingegen keine Zusätze zur Information dar, sondern werden nicht Vertragsbestandteil. Die Gefahr, dass sich ein Verbraucher auch mit nicht angekreuzten Textvarianten befasst, ist gering. Ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher wird sich regelmäßig nur mit denjenigen Textvarianten beschäftigen, die markiert sind. Das Gebot der klaren und verständlichen Gestaltung einer formularmäßigen Widerrufsinformation in einem Verbraucherdarlehensvertrag ist daher nicht verletzt. Es genügt, wenn sich für den Verbraucher einfach erschließt, welche Textvariante ihn betrifft.506) 5.

Anforderungen an den Inhalt

4.584 a) Grundsatz. Grundsätzlich muss eine Widerrufsinformation den Verbraucher inhaltlich richtig unterrichten, ansonsten sie nicht geeignet ist, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen.507) Abzustellen ist das Leitbild eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers. Damit wäre ein nur flüchtiges Hinweglesen über einen Darlehensvertragstext schon aufgrund der mit einem solchen Vertrag regelmäßig verbundenen längerfristigen Festlegungswirkung nicht vereinbar.508) 4.585 b) Überblick. Die Formulierung „und anderen Umständen“ in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 EGBGB dürfte sich i. S. d. bekannten üblichen Voraussetzungen einer Widerrufsbelehrung nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB verstehen lassen. Ergänzend ist den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB ___________ 505) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856. 506) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178; BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856. 507) BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 508) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856; BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417; BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077.

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IV. Widerrufsinformation

zu genügen. Der Verbraucher darf über den Beginn der Widerrufsfrist nicht im Unklaren gelassen werden.509) Angaben zu folgenden Umständen sind erforderlich: Widerrufsrecht (Frist, Beginn, Dauer, Fristwahrung) und andere Umstände für die Erklärung (Empfänger mit Name und Anschrift, Form, Entbehrlichkeit einer Begründung) sowie Hinweise auf die Rückabwicklung und die Verpflichtung zur Zinszahlung mit Angabe des täglichen Zinsbetrages.510) Hinsichtlich der Abhängigkeit des Beginns der Widerrufsfrist von der Erfüllung der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB bedarf es allerdings keiner vollständigen Aufzählung in der Widerrufsinformation; jedoch müssen genannte Beispiele auf den konkreten Vertragstyp zutreffen.511) c) Beginn der Widerrufsfrist. Ein normal informierter, angemessen aufmerk- 4.586 samer und verständiger Verbraucher muss die Bedingungen, unter denen die Widerrufsfrist anlaufen soll, aus der Widerrufsinformation erschließen können. Die Muster für die Widerrufsinformation verlangen aber keine vollständige Übernahme sämtlicher im Gesetz genannter Pflichtangaben, sondern enthalten ausdrücklich nur eine beispielhafte Aufzählung. Dass infolgedessen der Darlehensnehmer nicht allein durch die Lektüre der Widerrufsinformation, sondern erst durch ergänzendes Studium des Vertragstextes Klarheit über die Frage gewinnen kann, ob die für den Beginn des Fristablaufs erforderlichen Pflichtangaben im Vertrag in vollständiger Weise enthalten sind, ist Konsequenz der gesetzlichen Konzeption und führt nicht zu einer nicht ausreichenden und damit unwirksamen Widerrufsinformation.512) Für sich klar und verständlich ist die Wendung, die Widerrufsfrist beginnt „nach 4.587 Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB […] erhalten hat“. Der Unternehmer muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst. Die Information zum Beginn der Widerrufsfrist leidet in ihrer Klarheit und Verständlichkeit auch nicht aufgrund des Umstands, dass der Regelungsgehalt des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen erläutert wird Entsprechen die zur Erläuterung des Verweises auf § 492 Abs. 2 BGB in einem Klammerzusatz angefügten Beispiele aber nicht den gesetzlichen Vorgaben, weil sie zusätzliche „Pflichtangaben“ benennen, liegt darin das mit Vertragsschluss angenommene Angebot, das Anlaufen der Widerrufsfrist von der zusätzlichen Erteilung dieser Angaben im Darlehensvertrag abhängig zu machen.513) ___________ 509) 510) 511) 512)

BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 28. BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417; LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004. 513) BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – XI ZR 6/16, BeckRS 2016, 19930, BGH, Urt. v. 22.11.2016 – XI ZR 434/15, NJW 2017, 1306 = ZIP 2017, 417; LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

4.588 Der Begriff „Vertragsurkunde“ ist für sich ohne Rücksicht auf die Umstände des Zustandekommens des Darlehensvertrags niemals undeutlich. Er kann objektiv auch nicht anders und insbesondere nicht dahin ausgelegt werden, er meine in einem bestimmten Kontext den schriftlichen Vertragsantrag des Darlehensgebers.514) 4.589 d) Modalitäten der Ausübung. aa) Form. Die Erklärung des Widerrufs ist abgesehen vom Ausschluss rein tatsächlichen Verhaltens an keine Form mehr gebunden (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ein mündlicher oder telefonischer Widerruf darf daher nicht ausgeschlossen werden 4.590 bb) Widerrufsempfänger und Anschrift. Anzugeben sind Name bzw. die Firma und die ladungsfähige Anschrift des Widerrufsempfängers. Die Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite (Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB) spricht unter Ziff. 1 Satz 1 von „ladungsfähiger Anschrift“. Die Angabe des Postfachs ist nicht (mehr) zulässig. Gem. Ziff. 1 Satz 2 können zusätzlich die Telefaxnummer, die E-Mail-Adresse oder auch eine Internet-Adresse angegeben werden. 4.591 cc) Rechtzeitige Absendung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Dieses Angabeerfordernis folgt aus § 355 Abs. 1 Satz 5 BGB. 4.592 e) Hinweis auf Verpflichtung zur Rückzahlung. aa) Rechtsgrundlage ist § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 Fall 3 EGBGB. 4.593 bb) Wissenswertes. In der Widerrufsinformation ist als erste Widerrufsfolge anzugeben, dass der Darlehensnehmer das Darlehen, soweit es ausbezahlt wurde, spätestens innerhalb von 30 Tagen (§ 357a Abs. 1 BGB) zurückzuzahlen hat und für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu zahlen (§ 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 Fall 3 EGBGB). Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung (§ 355 Abs. 3 Satz 2 BGB). 4.594 Der Hinweis auf die Widerrufsfolge ist nach dem Rechtsgedanken des Gestaltungshinweises 3 Satz 1 der Musterbelehrung nach Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB515) entbehrlich, wenn die beiderseitigen Leistungen erst nach Ablauf der Widerrufsfrist erbracht werden. 4.595 f) Hinweis auf Verpflichtung zur Verzinsung und Angabe des Tageszinses. aa) Rechtsgrundlage ist Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 Fall 4 EGBGB. 4.596 bb) Wissenswertes. In der Widerrufsinformation ist anzugeben, dass der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzah___________ 514) BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 6/16, BeckRS 2016, 19930; BGH. Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 381/16, NJW-RR 2017, 886. 515) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 69. BGH, Urt. v. 2.2.2011 – VIII ZR 103/10, NJW-RR 2011, 785 = ZIP 2011, 572 (§ 312b BGB).

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IV. Widerrufsinformation

lung des Darlehens den vereinbarten Sollzins, nicht den marktüblichen Zins, zu entrichten hat (§ 357a Abs. 3 Satz 1 BGB). Zudem ist der genaue Zinsbetrag als Tagespreis anzugeben (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). Dazu muss der bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens zu zahlende Zinsbetrag taggenau berechnet werden. Centbeträge sind als Dezimalstellen auszuweisen. Zur Klarstellung hat die Information den Hinweis zu enthalten, dass sich dieser Betrag verringert, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wird. g) Hinweis auf Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen an öffentliche Stel- 4.597 len. § 357a Abs. 3 Satz 5 BGB räumt dem Unternehmer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen ein, die er gegenüber öffentlichen Stellen erbringen musste. Hierauf muss in der Widerrufsinformation nach h. M. nicht zwingend hingewiesen werden.516) Die Vorschrift erfasst ebenso wie der Gestaltungshinweis 5 der Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB Notarkosten für Grundbuchsicherheiten (etwa für Grundschuldbestellungen, nicht aber im Zusammenhang mit Dienstbarkeiten), an Einwohnermeldeämter oder Kraftfahrzeugzulassungsstellen zu zahlende Kosten, nicht aber Kosten für Anfragen bei privaten Auskunfteien.517) Für den Fall, dass sich der Darlehensgeber die Geltendmachung dieses Anspruchs vorbehalten will, ist nach dem Gestaltungshinweis 5 der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 EGBGB über diese Rechtsfolge zu informieren. 6.

Rechtsfolgen bei Verstoß

a) Fehlt die Widerrufsinformation als Pflichtangabe, so ist der Vertrag zum ei- 4.598 nen grundsätzlich nichtig (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB). Zwar kann der Vertrag, wenn er nicht durch erneuten formgerechten Vertragsschluss mit allen Pflichtangaben ersetzt wird, durch Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens geheilt werden (§ 494 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dazu müssen die Pflichtangaben aber nachgeholt werden (§ 492 Abs. 6 BGB).518) Ein mögliches Widerrufsrecht ergibt sich nicht daraus, dass dem Darlehensvertrag das standardisierte Merkblatt angehängt ist, in dem auch auf ein Widerrufsrecht hingewiesen wird. Denn es ist für die Beteiligten offensichtlich, dass sie die in dem Vertrag verwendete Widerrufsinformation unterzeichnet haben, so dass diese auch für sie Geltung hat.519) b) Weit gravierender ist zum anderen die Rechtsfolge des Nichtbeginns der 4.599 Widerrufsfrist nach § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB („ewiges Widerrufsrecht“).

___________ 516) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 29. Vgl. auch LG Aurich, Urt. v. 27.4.2017 – 1 O. 806/16, BeckRS 2017, 113926. 517) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 83. 518) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 495 Rz. 2. 519) LG Münster, Urt. v. 25.11.2015 – 014 0. 32/15, BeckRS 11773.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

7.

Gesetzliches Muster

4.600 a) Muster. Während die zugrunde liegende Richtlinie kein Muster einer Widerrufsinformation enthält, sind nach deutschem Recht für den Darlehensvertrag die Musterinformationen gemäß Anlagen 7 und 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB mit den Gestaltungshinweisen 6 a-c, ggf. auch 6d-f einschlägig. Die Gestaltungshinweise tragen den besonderen Ausprägungen insbesondere bei verbundenen Verträgen Rechnung und ergänzen den stets zu beachtenden Rumpf. 4.601 b) Optionalität. Der Getränkelieferant muss das gesetzliche Muster nicht verwenden.520) 4.602 c) Rang. Da auch das Muster selbst am Rang des formellen Gesetzes teil hat, darf es von den Gerichten im Grundsatz nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft und womöglich als gesetzeswidrig verworfen werden. Gerichte können auch keine zusätzlichen oder abweichenden Angaben verlangen. Möglich bleibt allerdings eine richtlinienkonforme Auslegung. 4.603 d) Gesetzlichkeitsfiktion. Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag zur Pflichtangabe „Widerrufsinformation“ eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlicher Form, die dem Muster nach den Anlagen 7 oder 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entspricht, dann genügt diese den gesetzlichen Anforderungen nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB (Gesetzlichkeitsfiktion gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB).521) Mit dem Begriff „Vertragsklausel“ wird eine AGB nicht vorausgesetzt, aber zumeist vorliegen.522) Die Fiktion bedeutet, dass die Angaben Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB, also dem Gesetz, entsprechen und bewirkt Rechtssicherheit für den Darlehensgeber und eine angemessene Information des Darlehensnehmers. 4.604 e) Nachholung. Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur bei Verwendung des Musters im Verbraucherdarlehensvertrag, d. h. in der Vertragsurkunde oder einer sonstigen Unterlage i. S. v. § 356b Abs. 1 BGB ein, nicht hingegen bei einer Nachholung der Widerrufsinformation.523) 4.605 f) Richtige Verwendung. aa) Grundsatz. Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn der Darlehensgeber einen Text verwendet, der dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht und dieses richtig nach Maßgabe der Gestaltungshinweise den tatsächlichen Beson-

___________ 520) BGH, Urt. v. 23.2.2016 – XI ZR 101/15, BGHZ 209, 86 = NJW 2016, 1881 = ZIP 2016, 856. 521) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 21. 522) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 21. 523) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 22.

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IV. Widerrufsinformation

derheiten des Vertragsverhältnisse anpasst.524) Jede eigene inhaltliche Bearbeitung aus welchen Motiven auch immer schließt die Schutzwirkung aus.525) Dies gilt auch dann, wenn es sich um solche Hinweise handelt, die über die Vorgaben des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB hinausgehen.526) bb) Gestaltung. Eine Hervorhebung etwa durch die Verwendung einer beson- 4.606 deren Schriftgröße, Farbe oder Umrandung ist möglich, aber nicht notwendig.527) Abweichungen sind nur im Rahmen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB 4.607 i. V. m. Gestaltungshinweis 8 f zulässig. Unter Beachtung dieser Vorgabe kann der Darlehensgeber gem. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB in Format und Schriftgröße von den Mustern abweichen, also das Layout des Vertrages anpassen.528) Dabei muss aber das Deutlichkeitsgebot gewahrt bleiben. cc) Inhalt. aaa) Bedenkenfreie Formulierungen. Rein sprachliche oder redak- 4.608 tionelle Anpassungen können dagegen im Einzelfall unschädlich sein. Zu den unbedenklichen Anpassungen rechnen z. B. das Einrücken oder Zentrieren von Überschriften, der Verzicht auf eine Einrahmung oder deren individuelle Gestaltung. Ebenfalls bleibt die Gesetzlichkeitsfiktion erhalten, wenn der Unternehmer die Widerrufsbelehrung im Text einem konkreten Verbrauchervertrag zuordnet oder ohne Abstriche bei der Verständlichkeit des Textes Begriffe des Musters durch Synonyme ersetzt. Ebenso geht die Gesetzlichkeitsfiktion nicht verloren, wenn der Unternehmer von sich selbst nicht in wörtlicher Übereinstimmung mit dem Muster in der dritten Person Singular, sondern in der ersten Person Plural spricht.529) Gerade im Hinblick auf die Einbettung der Widerrufsinformation in den Ver- 4.609 trag erscheint es gerechtfertigt, den Darlehensgeber und den Darlehensnehmer entsprechend der Bezeichnung im Vertrag im Übrigen zu benennen. Daher ist die Verwendung der Ersatzbegriffe „Brauerei“ bzw. „Getränkefachgroßhändler“ sowie „Kunde“ nicht nur aus Verständnisgründen sinnvoll, sondern auch zulässig.

___________ 524) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 22. BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 525) BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858; OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2015 – 31 U 1126/14, BeckRS 2015, 08481; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2015 – 6 U 21/15, BeckRS 2015, 17268; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.1.2016 – 17 U 16/15, BeckRS 2016, 02801 = ZIP 2016, 409. 526) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 29. 527) Siehe oben § 43 IV 4 a m. w. N. 528) Palandt-Weidenkaff, BGB, Art. 247 § 6 EGBGB Rz. 4. 529) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

4.610 bbb) Benennung. Formulierungen in der Ich-Form schaden nicht.530) Dies gilt auch in der umgekehrten Situation, bei der anstelle von „Darlehensgeber“ „wir“ formuliert wird.531) 4.611 ccc) Vertragspartnerschaft. Keine Einwände bestehen dagegen hinsichtlich einer Widerrufsbelehrung, wonach jeder Vertragspartner seine auf Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung ohne Rücksicht auf das Schicksal der Vertragserklärung des anderen Vertragspartners widerrufen kann.532) 4.612 ddd) Rechtsfolgen des Widerrufs. Einer Differenzierung zwischen den Folgen des Widerrufs nur eines Verbrauchers oder sämtlicher Vertragspartner bedarf es nicht.533) 4.613 eee) Widerrufserstreckung. Zwar wirkt der Widerruf nur eines Verbrauchers nicht zugleich für und gegen die anderen, weil der Widerruf nicht unter die Sondervorschriften der §§ 422 – 425 BGB fällt. Nach § 139 BGB führt er aber regelmäßig dazu, dass sich der Vertrag im Verhältnis zu sämtlichen Darlehensnehmern in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt. Gibt die Widerrufsinformation dies der Sache nach wieder, ist sie ordnungsgemäß und wirksam.534) 4.614 g) Unzulässige Abweichungen. aa) Gestaltungshinweise müssen umgesetzt werden und dürfen nicht im Text erscheinen.535) Durch die Gestaltungshinweise nicht geforderte Weglassungen oder Ergänzungen, auch geringster Art, führen zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion; die Widerrufsfrist beginnt dann nicht zu laufen.536) So muss der Klammerzusatz in Satz 2 der Musterinformation gemäß Anlage 7 unverändert verwendet werden, damit die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.537) Unzulässig ist es z. B., Gestaltungshinweise des Musters oder sonstige Bearbeitungshinweise – auch in Form von Fußnoten538) – in den Be___________ 530) OLG Hamm, Urt. v. 2.2.2015 – 31 U 126/14, BeckRS 2015, 08481. 531) OLG Hamburg, Urt. v. 3.7.2015 – 13 U 26/15, BeckRS 2015, 14536. 532) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306. 533) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306. 534) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306. 535) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. Anders dagegen bei umgesetzten Gestaltungshinweisen zu finanzierten Geschäften, BGH, Bechl. v. 24.1.2017 – XI ZR 66/16, BeckRS 2017, 101784. 536) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 22. 537) LG Verden, Urt. v. 8.5.2015 – 4 O. 264/14, BeckRS 2015, 15606. 538) Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen ist die Verwendung von Fußnoten allerdings nicht gebräuchlich. Daher müssen Hinweise auf ausgewählte Rechtsprechung genügen: BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958; BGH, Bechl. v. 24.1.2017 – XI ZR 66/16, BeckRS 2017, 101784; BGH, Urt. v. 14.3.2017 – XI ZR 442/16, NJW-RR 2017, 812; OLG Nürnberg, Urt. v. 11.11.2015 – 14 U 2439/14, BeckRS 2015, 18863.

950

IV. Widerrufsinformation

lehrungstext übernimmt oder auf einen Textteil verzichtet, der in einem verbindlich vorgegebenen Gestaltungshinweise vorgeschrieben ist.539) Ebenfalls weniger deutlich ist die Belehrung über „Finanzierte Geschäfte“, 4.615 wenn abweichend von dem einschlägigen Gestaltungshinweis der Musterwiderrufsinformation anders lautende Texte eingefügt werden. Das Muster sieht vor, dass der Unternehmer die Subsumtion vornimmt und entsprechend belehrt. Unerheblich ist, dass auf die Belehrung zu den finanzierten Geschäften hätte verzichtet werden können. Entscheidet sich der Verwender für die Aufnahme dieser Passage, muss sie dem Muster entsprechen, um dem Verwender die Schutzwirkung zu erhalten.540) bb) Überschriften. Die Einfügung von Überschriften, die das gesetzliche 4.616 Muster nicht vorsieht, nicht dagegen die Ergänzung der gesetzlichen Überschrift, macht die Widerrufsinformation insuffizient.541) Zum Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion führt auch ein Weglassen der Zwischenüberschrift „Widerrufsrecht“ als auch der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“.542) Dafür ist es ohne Belang, dass es sich bei dem aufgenommenen Darlehen nicht um ein verbundenes Geschäft handelte, so dass Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung in ihrer hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung dem Unternehmer anheim gab, auf Hinweise für finanzierte Geschäfte zu verzichten.543) cc) Beginn der Widerrufsfrist. „Frühestens“-Belehrungen unter Verweis auf 4.617 den Erhalt „Ihres Antrags“ sind in Ordnung.544) Fehlerhaft ist es, wenn in dem über den Fristbeginn belehrenden Teil von dem Muster insofern abgewichen wird, als anstelle des Fristbeginns nach dem Muster („frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“) über einen Fristbeginn „einen Tag, nachdem Sie diese Be-

___________ 539) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 540) BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2015 – 6 U 21/15, BeckRS 2015, 17268; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 27.1.2016 – 17 U 16/15, BeckRS 2016, 02801 = ZIP 2016, 409. 541) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958; BGH, Urt. v. 20.6.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 = ZIP 2017, 1755. 542) BGH, Urt. v. 1.12.2010 – VIII ZR 82/10, NJW 2011, 1061 = ZIP 2011, 178. 543) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306. 544) BGH, Bechl. v. 17.1.2017 – XI ZR 128/16, BeckRS 2017, 100759; BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 = ZIP 2017, 911.

951

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

lehrung, eine Abschrift Ihrer Beitrittserklärung sowie des atypisch stillen Gesellschaftsvertrag … erhalten haben“ belehrt wird.545) 4.618 Anders dagegen die Rechtsprechung zu § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB a. F. Danach mache der Verwender einer Widerrufsbelehrung mit der erkennbar an den Verbraucher gerichteten Fußnote „Die Widerrufsfrist beträgt gem. § 355 II 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann.“ im Anschluss an die Angabe „zwei Wochen (einem Monat)“ hinreichend deutlich, von welchen Voraussetzungen die Geltung einer der beiden im Text alternativ genannten Fristlängen abhängt. Eine so gestaltete Sammelbelehrung – hier: für die ursprüngliche und die Nachbelehrung – sei nach allgemeinen Grundsätzen zulässig.546) 4.619 dd) Zusätze. Die zusatzfreundliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit Widerrufsbelehrungen dürfte angesichts des erkennbar entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers nicht auf Widerrufsinformationen übertragbar sein. Gleiches gilt für sonstige Informationen, welche im Muster nicht ermöglicht werden.547) 4.620 Unzulässig ist der Zusatz „Die Erklärung (des Widerrufs) muss dem Erklärungsempfänger jedoch (innerhalb der Frist) zugehen“. Geht der Widerruf nämlich auf dem Postwege verloren, bleibt die Widerrufsfrist gewahrt, wenn der Verbraucher den Widerruf unverzüglich wiederholt, nachdem er vom fehlenden Zugang Kenntnis erlangt hat.548) 4.621 Bei dem Zusatz, „… bei mehreren Darlehensnehmern könne „jeder Darlehensnehmer seine Willenserklärung gesondert widerrufen“ handelt es sich um eine inhaltlich zutreffende Vervollständigung, die über die vom Muster für die Widerrufsbelehrung behandelten Themen hinaus lediglich ergänzende und rechtlich richtige Informationen vermittelt, ohne in den Text des Musters einzugreifen oder auf ihn bezogene Angaben zu machen.549) ___________ 545) BGH, Urt. v. 18.3.2014 – II ZR 109/13, NJW 2014, 2022 = ZIP 2014, 913. Zur Verwendung des Wortes ಱfrühestens“ siehe auch BGH, Urt. v. 15.8.2012 – VIII ZR 378/11, BGHZ 194, 238 = NJW 2012, 3298 = ZIP 2012, 1918; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958; BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306; OLG Stuttgart, Urt. v. 29.9.2015 – 6 U 21/15, BeckRS 2015, 17268. 546) BGH, Bechl. v. 24.1.2017 – XI ZR 66/16, BeckRS 2017, 101784; BGH, Urt. v. 21.2.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823; BGH, Urt. v. 14.3.2017 – XI ZR 442/16, NJW-RR 2017, 812. 547) BR-Drucks. 157/10 v. 26.3.2010, S. 33 Mitte. 548) OLG Dresden, Urt. v. 20.10.1999 – 8 U 2081/99, NJW-RR 2000, 354; LG Berlin, Urt. v. 3.11.2005 – 5 O. 261/05, NJW-RR 2006, 639 (§ 312b BGB). 549) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958; BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306.

952

V. Nachholung von Pflichtangaben

ee) Rückzahlungsvorbehalt. Schädlich sind Hinweise wie „Der Widerruf des 4.622 Darlehensvertrages gilt als nicht erfolgt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt.“550) ff) Durchschlagsklauseln. Will der Darlehensgeber für den Fall der Ausübung 4.623 des Widerrufsrechts über die bloße Information hinausgehende Rechtsfolgen vereinbaren (z. B. Durchschlagsklauseln), so ist dies – soweit rechtlich zulässig – nur an anderer Stelle möglich.551) h) Praxishinweis. Greift die Gesetzlichkeitsfiktion nicht ein, so muss die Wi- 4.624 derrufsinformation noch nicht endgültig verworfen werden. Hinreichend ist nämlich, dass den gesetzlichen Anforderungen genügt ist. V.

Nachholung von Pflichtangaben

1.

Praktische Bedeutung

Eine fehlende oder nicht vollständige Pflichtangabe, insbesondere zum Wider- 4.625 rufsrecht, kann nach § 492 Abs. 6 BGB nachgeholt werden, um den Beginn der Widerrufsfrist auszulösen (§ 356b Abs. 2 Sätze 1 oder 2 BGB). Allerdings dürfte die praktische Bedeutung des § 492 Abs. 6 BGB im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen durchweg gering sein. Die Vorschrift findet zwar auch auf Existenzgründer Anwendung (§ 513 BGB). In der Situation der Nachholung dürfte aber regelmäßig die Existenzgründungsphase abgeschlossen sein, so dass nunmehr ein Unternehmerdarlehensvertrag i. S. d. §§ 488 – 490, 14 BGB geschlossen werden kann. 2.

Neuabschluss

Ist ein Verbraucherdarlehensvertrag wegen Fehlens aller oder einzelner zwin- 4.626 gend notwendiger Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6, 9 – 13 EGBGB unwirksam (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB), kann dieser Mangel grundsätzlich nur durch erneuten (formgerechten) Vertragsschluss mit allen Pflichtangaben beseitigt werden. Im Übrigen kommt eine Nachholung bei Fehlern im Zusammenhang mit den fakultativen Angaben nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB in Betracht (arg. e § 494 Abs. 1 BGB).

___________ 550) BGH, Urt. v. 26.10.2010 – XI ZR 367/07, NJW-RR 2011, 403; BGH, Urt. v. 28.6.2011 – XI ZR 349/10, NJW-RR 2012, 183 = ZIP 2011, 1858; BGH, Urt. v. 20.6.2017 – XI ZR 72/16, NJW-RR 2017, 1197 = ZIP 2017, 1755. 551) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958.

953

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

3.

Voraussetzungen

4.627 a) Wirksamer Vertrag. Nach dem Wortlaut des § 492 Abs. 6 Satz 1 BGB kommt eine einseitige Nachholung von fehlender oder fehlerhafter Pflichtangaben nur bei wirksam abgeschlossenen Verträgen in Betracht. Zu denken ist an Angaben nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB. Fehlen dagegen Pflichtangaben nach Art. 247 §§ 6 und 10 – 13 EGBGB, so ist der Vertrag zunächst nichtig (§ 494 Abs. 1 BGB). Eine Nachholung kommt dann nur in Betracht, wenn der Vertrag durch nach Empfang oder Inanspruchnahme des Darlehens i. S. d. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB geheilt ist. 4.628 b) Nachholbarkeit. Nachgeholt werden können nur Angaben, die gesetzlich vorgeschrieben sind. So etwa die Angabe zur Verpflichtung zur Tragung der Notarkosten gegenüber dem Notar.552) Die Nachholung von Informationen darf keine Vertragsänderung beinhalten.553) 4.629 c) Um die Widerrufsfrist auszulösen, müssen nur solche Angaben nachgeholt werden, die für das konkrete Vertragsverhältnis (noch) von Relevanz sind.554) 4.630 d) Form. Vorgeschriebene Form für die Nachholung nicht oder nicht vollständig enthaltener Pflichtangaben ist gem. § 492 Abs. 6 Satz 1 BGB mindestens die Textform (§ 126b BGB), also die Wiedergabe auf einem zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Datenträger. 4.

Vollzug

4.631 Hinsichtlich der Rechtsfolgen bei Nachholung von fehlenden oder unvollständigen Pflichtangaben ist danach zu unterscheiden, ob die Nachholung zu einer Vertragsänderung nach § 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB geführt hat oder nicht (§ 492 Abs. 6 Sätze 2 und 3 BGB). 4.632 a) Vertragsänderung. Führt das Fehlen von Angaben zu veränderten Vertragsbedingungen, beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn der Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrags mit den Änderungen erhalten hat und damit eine Neubeurkundung erfolgt ist (§§ 492 Abs. 6 Satz 2, 494 Abs. 7, 356b Abs. 2 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 3 BGB).555) Hierauf ist der Darlehensnehmer hinzuweisen (§ 492 Abs. 6 Satz 4 BGB). Der Hinweis ist keine formale Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist. Es handelt sich aber um eine Nebenpflicht des Darlehensgebers, bei deren Verletzung der Darlehensgeber sich in der Regel

___________ 552) 553) 554) 554) 555)

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Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 8. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 16. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 18. BT-Drucks. 16 zu Nr. 4b. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 8.

VI. Rechtsfolgen fehlender Pflichtangaben

nicht auf den Fristablauf berufen kann (§ 242 BGB) und einem Anspruch aus § 280 BGB ausgesetzt sein kann.556) b) Keine Vertragsänderung. Bei einem anfänglich wirksamen, aber geheilten Ver- 4.633 trag, bei dem sich die Vertragsbedingungen nicht gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB geändert haben, reicht die bloße Mitteilung der unterlassenen Angaben, sofern der Verbraucher spätestens im Zeitpunkt der Nachholung eine der in § 356b Abs. 1 BGB genannten Unterlagen erhalten hat (§ 492 Abs. 6 Satz 3 BGB). 5.

Widerrufsfrist

a) Widerrufsfrist. Die Widerrufsfrist beträgt einen Monat (§ 356b Abs. 2 Satz 3 4.634 BGB), worauf in der Widerrufsinformation hinzuweisen ist (§ 492 Abs. 6 Satz 4 BGB). b) Beginn. Fehlen in der Urkunde i. S. d. § 356b Abs. 1 BGB Pflichtangaben 4.635 nach § 492 Abs. 2 BGB, beginnt die Widerrufsfrist von einem Monat erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Abs. 6 BGB (§ 356b Abs. 2 Sätze 1 und 2 BGB), und Aushändigung dieser (neuen) Vertragsabschrift, falls die nachgeholten Informationen zu einer Vertragsänderung führen. Enthält die neue Vertragsabschrift die Pflichtangaben nicht oder nicht richtig, gilt § 356b Abs. 2 BGB.557) Bei Nachholung fehlender Angaben beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn der Darlehensnehmer eine Abschrift des Vertrags mit den vorgenommenen Änderungen erhalten hat (§ 356b Abs. 3 BGB). c) Ablauf. Dem Darlehensgeber wird es aber nach Treu und Glauben regelmä- 4.636 ßig verwehrt sein, sich auf den Ablauf der Widerrufsfrist zu berufen. Zudem stehen dem Darlehensnehmer ggf. Schadensersatzansprüche aus § 280 BGB zu.558) VI.

Rechtsfolgen fehlender Pflichtangaben

1.

Grundsatz

Der Verbraucherdarlehensvertrag ist an sich von Anfang an nichtig, wenn eine der 4.637 in Art. 247 §§ 6, 10 – 13 EGBGB vorgeschriebenen Angaben fehlt (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB). Bei Fehlen einer oder mehrerer Pflichtangaben tritt stets Gesamtnichtigkeit des Vertrages ein, für die Anwendung des § 139 BGB ist kein Raum.559) 2.

Ausnahmen

Der Gesetzgeber normiert in § 494 Abs. 2 – 6 BGB einen abschließenden Kata- 4.638 log der gesetzlichen Sanktionen. Nur die dort angeführten Rechtsfolgen kom___________ 556) 557) 558) 559)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 18. Palandt-Grüneberg, BGB, § 356b Rz. 4. Erman-Nietsch, BGB, § 492 Rz. 35. Erman-Nietsch, BGB, § 494 Rz. 4.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

men zur Anwendung. Systematisch folgt hieraus, dass andere als die durch Verweisung auf die Vorschrift des Art. 247 §§ 6 und 10 – 13 EGBGB mögliche Formverstöße gerade nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen. Diese Formverstöße bedürfen auch keiner etwaigen Heilung, wie sie für andere Formmängel in § 494 Abs. 2 – 7 BGB speziell vorgesehen sind. Dann bleibt der Verbraucherdarlehensvertrag wirksam, auch wenn einzelne Angaben fehlen. Inhaltlich handelt es sich um Formverstöße von geringerem Gewicht, die die Interessen des Verbrauchers nur unwesentlich beeinträchtigen. 3.

Sanktionslos bleibende Mängel

4.639 Keine besonderen Folgen nach § 494 Abs. 2 – 6 BGB haben insbesondere das Fehlen folgender Angaben: Name und Anschrift des Darlehensgebers bzw. des Darlehensvermittlers sowie des Darlehensnehmers, die Art des Darlehens, der Nettodarlehensbetrag, Betrag, Zahl und Fälligkeit der Teilzahlungen, die Nichtangabe des effektiven Jahreszinses (mit 0,00 %) bei zinslosen Darlehen, die Auszahlungsbedingungen, der Verzugszinssatz, der Warnhinweis zu den Folgen ausbleibender Zahlungen, der Hinweis auf das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung, die zuständige Aufsichtsbehörde, der Hinweis auf den Anspruch auf einen Tilgungsplan, die Angabe der weiteren Vertragsbedingungen sowie der Notarkosten.560) 4.

Angaben gemäß Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB

4.640 a) Grundsatz. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit tritt weiter dann nicht ein, wenn Angaben gem. Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB fehlen. Dies ist eine Folge der Nichtnennung der Angaben gem. Art. 247 § 7, 8 EGBGB in § 494 Abs. 1 BGB. Insofern reicht es für den Verbraucherschutz, dass der Darlehensgeber seinen entsprechenden Anspruch verliert, wenn er die gesetzlich geforderten Pflichtangaben hierüber unterlässt. Käme es stattdessen zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages, wäre dies für den Verbraucher nachteilig. 4.641 b) Ausnahme. Allerdings sind Angaben zu Sicherheiten und vom Darlehensnehmer zu tragenden Notarkosten nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB als „für den Vertrag bedeutsam“ in der Regel und Angaben zu Zusatzleistungen gem. Art. 247 § 8 EGBGB stets Voraussetzung für das Zustandekommen eines Darlehensvertrages und damit weitere Vertragsbedingungen gem. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB.561) Fehlen sie, müsste der Darlehensvertrag nichtig sein. Aus § 494 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 6 Satz 2 BGB ergibt sich aber, dass die Nichtigkeitsfolge in diesen Fällen nicht eintritt. Jedoch schuldet der Darlehensneh___________ 560) BGH, Urt. v. 19.10.2004 – XI ZR 337/03, NJW-RR 2005, 354 = ZIP 2004, 2373, mit Ablehnung einer richtlinienkonformen Auslegung; MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 494 Rz. 27. 561) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 129.

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VI. Rechtsfolgen fehlender Pflichtangaben

mer keine Kosten oder Sicherheiten, über die im Vertrag keine Angaben gemacht wurden.562) Dies gilt auch, wenn dadurch nicht alle sonstigen Kosten gem. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB angegeben sind.563) c) Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fehlen der nach Art. 247 §§ 7 und 8 EGBGB 4.642 erforderlichen Pflichtangaben beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, bevor der Darlehensnehmer auch diese Informationen erhalten hat (§ 356b Abs. 2 Satz 1 BGB). 5.

Ermäßigung des Sollzinssatzes

a) Grundsatz. Bei Fehlen der Angabe des Sollzinssatzes, des effektiven Jahres- 4.643 zinses oder des Gesamtbetrages wird die Darlehensvaluta auf die vereinbarte Laufzeit nicht zinslos zur Verfügung gestellt. Vielmehr steht dem Darlehensgeber ein wenn auch ermäßigter Zinsanspruch zu (sog. Zinsreduktion des Sollzinssatzes auf den gesetzlichen Zinssatz (§§ 494 Abs. 2 Satz 2, 246 BGB)).564) b) Umstritten ist, was bei unverzinslichen Finanzierungen oder solchen Fi- 4.644 nanzierungen gilt, bei denen der vertragliche Sollzinssatz unter dem gesetzlichen Zinssatz von 4 % (§ 246 BGB) und bei Existenzgründern von 5 % (§ 352 HGB) liegt. Mit der Begründung, dass die unrichtige Angabe des Effektivzinses nicht strenger geahndet werden soll als eine fehlende Angabe, die gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB zur Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes führt, wird eine Kürzung unterhalb des gesetzlichen Zinssatzes teilweise als ausgeschlossen angesehen.565) Demgegenüber kann nach h. M. der Sollzinssatz gem. § 494 Abs. 3 BGB auch unter dem gesetzlichen Zinssatz „heruntergerechnet“ werden. Da § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB von „ermäßigt“ spricht, komme keine Anhebung auf 4 % in Betracht. Ein Tatbestand der Heilung mit entsprechenden „Ersatzregeln“ gem. § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB liege bei der Falschangabe des Effektivzinssatzes gerade nicht vor. Auch entspreche es grundsätzlich dem Willen des Gesetzgebers, den Darlehensgeber an seine Falschangaben binden zu wollen.566) Des Weiteren könne eine falsche Angabe des Effektivzinssatzes im Vergleich zur Nichtangabe umso mehr geeignet sein, den Verbraucher über die maßgeblichen und für ihn entscheidungsrelevanten Konditionen des Darlehens zu täuschen.567) Ergibt sich ein heruntergerechneter Zinssatz, der unter dem gesetzlichen Zinssatz liegt (negativer Zinssatz), so sei dieser soweit auf die im Effektivzinssatz beinhalteten Einmalkosten zu verrechnen, bis diese „aufgebraucht“ sind. Ergäbe sich eine Überzahlung der Zinsen, so habe der Darlehensnehmer einen Anspruch ___________ 562) 563) 564) 565) 566) 567)

Palandt-Weidenkaff, BGB, § 494 Rz. 11. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 494 Rz. 7. OLG München, Urt. v. 4.6.2012 – 19 U 771/12, BeckRS 2012, 12079. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 494 Rz. 34. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 21. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 494 Rz. 88.

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§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

auf Rückzahlung nach Bereicherungsrecht. Eine Minderung des Nettodarlehensbetrages erfolge nicht.568) 6.

Neuberechnung vereinbarter Teilzahlungen

4.645 Da der Verbraucher weniger schuldet, sind bei Teilzahlungsdarlehen die (Annuitäten-)Raten, ausgehend von einer verminderten Gesamtschuld unter Berücksichtigung der verminderten Zinsen oder Kosten vom Darlehensgeber in Textform neu zu berechnen (§ 494 Abs. 5 BGB). Der Verbraucher hat kein Wahlrecht, die überzahlten Zinsen auf die Darlehenstilgung zu verrechnen.569) 7.

Wegfall von Rechten

4.646 a) Fallgruppen. Zu denken ist an fehlende Angaben der Kosten (§ 494 Abs. 4 Satz 1 BGB) oder der Voraussetzungen der Kosten-/Zinsanpassung (§ 494 Abs. 4 Satz 2 BGB) oder fehlende Angaben zu Sicherheiten (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BGB, Ausnahme § 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB bei AVD über 75.000,00 €). 4.647 b) Konsequenzen. Es tritt keine Nichtigkeit ein. Anpassungsmöglichkeiten bestehen nicht. Die Positionen können nicht gefordert werden. Solange eine Heilung nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht eingetreten ist, sind beide Vertragspartner nicht gebunden und können keine Erfüllung verlangen. 4.648 c) Drittkosten. Soweit auch Kosten anzugeben sind, die rechtlich nicht dem Darlehensgeber, sondern einem Dritten, z. B. einem Darlehensvermittler, einem Versicherungsunternehmen, Notar, Grundbuchamt, Schätzer etc. „geschuldet“ werden, fragt es sich, wie sich die Sanktion auswirken soll. Ist der Vertrag mit dem Dritten, z. B. dem Darlehensvermittler, Lebensversicherer, wirksam – ggf. in gesonderter Urkunde wie z. B. durch § 655b Abs. 1 BGB vorgeschrieben – geschlossen, kann die unterlassene Angabe der betreffenden Kosten im Darlehensvertrag nicht zu Lasten des Dritten gehen. Vielmehr kann sich die Sanktion nur im Verhältnis des Verbrauchers zum Darlehensgeber auswirken. § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB ist dann entsprechend dem Gesetzeszweck dahingehend auszulegen, dass der Darlehensgeber den Verbraucher so zu stellen hat, als ob dieser die Kosten nicht schulde (Freistellungsanspruch). Der Verbraucher kann also im Rahmen des § 242 BGB Erstattung oder Gutschrift eines entsprechenden Geldbetrages verlangen.570) ___________ 568) Erman-Nietsch, BGB, § 494 Rz. 19. 569) BGH, Urt. v. 20.1.2009 – XI ZR 504/07, BGHZ 179, 260 = NJW 2009, 2046 = ZIP 2009, 507. 570) So Erman-Nietsch, BGB, § 494 Rz. 20; a. A. BGH, Urt. v. 18.1.2005 – XI ZR 17/04, BGHZ 162, 20 = NJW 2005, 985 = ZIP 2005, 339; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 76/06, NJW-RR 2008, 643 = ZIP 2008, 357.

958

VII. Heilung

d) Sicherheiten. Die Sicherheiten sichern in diesem Fall mit Rechtsgrund eine 4.649 wirksame Verbindlichkeit aus einem Verbraucherdarlehensvertrag. 8.

Jederzeitiges Kündigungsrecht

Insofern kann verwiesen werden.571) 9.

4.650

Nichtbeginn der Widerrufsfrist

Enthält ein Verbraucherdarlehensvertrag nur eine der vorgeschriebenen Pflichtan- 4.651 gaben nicht, beginnt wenn dieser als solcher gleichwohl wirksam ist die Widerrufsfrist zunächst nicht zu laufen (§ 356b Abs. 2 Satz 1 BGB). Das gilt auch, wenn ein ursprünglich formnichtiger Vertrag nachträglich gemäß § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB geheilt wird.572) VII. Heilung 1.

Grundsatz

Die strikte Sanktion der Gesamtnichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages 4.652 (§ 494 Abs. 1 Fall 2 BGB) steht unter dem Vorbehalt einer Heilung nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB. 2.

Zweck

Nach der Gesetzesbegründung soll der Darlehensnehmer, der sich auf die Nut- 4.653 zung des Darlehenskapitals eingestellt hat, davor geschützt werden, das Darlehen nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB sofort zurückzahlen zu müssen.573) 3.

Anwendungsbereich

Zu beachten ist, dass sich der Anwendungsbereich der Heilungswirkung nach 4.654 § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB nur auf die beiden Alternativen der fehlenden Schriftform und des Fehlens zwingender Pflichtangaben bezieht. Hinsichtlich weiterer Nichtigkeitsgründe, wie etwa nach §§ 134, 138 BGB, scheidet eine Heilung nach § 494 BGB aus. Gleiches gilt für etwaig bestehende Anfechtungsrechte nach §§ 119, 123 BGB. 4.

Heilungsvoraussetzungen

Voraussetzung einer Heilung ist entweder der Empfang des Darlehens oder 4.655 dessen Inanspruchnahme (§ 494 Abs. 2 Satz 1 BGB). ___________ 571) Siehe unten § 46 IV 2 m. w. N. 572) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 573) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 21.

959

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

4.656 a) Empfang des Darlehens. Ein Empfang des Darlehens liegt vor, wenn der Darlehensnehmer das Kapital für seine Zwecke nutzen kann. Dafür muss das Darlehen durch eine Leistungshandlung des Darlehensgebers vollständig aus dem Vermögen des Darlehensgebers ausscheiden und dem des Darlehensnehmers absprachegemäß endgültig zugeführt werden.574) Ein Empfang des Darlehens liegt neben der Barauszahlung an den Verbraucher575) insbesondere vor bei Überweisung und Gutschrift576) auf ein vom Darlehensnehmer bezeichnetes Konto.577) 4.657 Bei absprachegemäßer Verrechnung des Valutierungsanspruchs mit bestehenden Verbindlichkeiten des Verbrauchers gegenüber dem Darlehensgeber liegt ebenfalls ein Empfang vor.578) Bei Umbuchung auf ein Darlehenskonto ist insbesondere an die Fälle der Umwandlung einer Forderung aus Inventarverkauf unter Eigentumsvorbehalt oder sonstige Fälle der Umbuchung, etwa von Warenforderungen oder Forderungen aus Miet- oder Pachtverhältnissen, zu denken.579) 4.658 Wird die Darlehensvaluta vereinbarungsgemäß auf Weisung des Darlehensnehmers an einen Dritten gezahlt, z. B. an den Einrichter und Verkäufer des finanzierten Gaststätteninventars, so hat der Darlehensnehmer den Darlehensbetrag gleichfalls empfangen.580) Bei verbundenen Verträgen empfängt der Darlehensnehmer das Darlehen durch weisungsgemäße Auszahlung an den Verkäufer.581) 4.659 b) Inanspruchnahme des Darlehens. Inanspruchnahme erfordert eine Disposition des Verbrauchers als Darlehensnehmer mit Wirkung gegenüber dem Darlehensgeber zumindest als das an den Darlehensgeber gerichtete Verlangen, das Geld zur Verfügung zu stellen, dem der Darlehensgeber entspricht, indem er auszahlt, überweist oder einen Scheck einlöst. Praktisch relevante Fälle sind

___________ 574) BGH, Urt. v. 7.3.1985 – III ZR 211/83, NJW-RR 1986, 140; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, NJW-RR 2006, 1419 = ZIP 2006, 1238. 575) OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 576) Erman-Nietsch, BGB, § 494 Rz. 7. 577) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 494 Rz. 55. 578) BGH, Urt. v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, NJW 2000, 2816. 579) OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 580) BGH, Urt. v. 4.4.2000 – XI ZR 200/99, NJW 2000, 2816; BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 = BeckRS 2002, 30292933; BGH, Urt. v. 21.3.2006 – XI ZR 204/03, BeckRS 2006, 04893 = ZIP 2006, 846; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084; KG, Urt. v. 29.6.2010 – 4 U 241/08 (Zuschuss). 581) BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 106/05, BGHZ 167, 239 = NJW 2006, 1955 = ZIP 2006, 1084; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187.

960

VII. Heilung

die Einlösung des übergebenen Schecks und die Nutzung des mit dem Darlehen finanzierten Gaststätteninventars.582) Werden die Konditionen eines bereits ausgezahlten Verbraucherdarlehens durch 4.660 eine Nachtragsvereinbarung geändert, so liegt die Inanspruchnahme in der Fortsetzung der Darlehensnutzung.583) 5.

Allgemeine Wirkungen der Heilung

a) Grundsatz. Sind die Heilungstatbestände des § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB er- 4.661 füllt, so erlangt der Verbraucherdarlehensvertrag einschließlich der Nebenabreden ex nunc voll umfängliche Gültigkeit wie vereinbart, allerdings unter teilweiser Modifikation des Vertragsinhalts (§ 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB). b) Mehrere Verstöße. Fehlen mehrere Pflichtangaben, tritt im Fall einer Hei- 4.662 lung der Formnichtigkeit des Verbraucherdarlehensvertrages eine Kumulation der in § 494 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 – 6 BGB genannten Einzelsanktionen ein.584) 6.

Anspruch auf Vertragsabschrift

In Ergänzung zu § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB normiert § 494 Abs. 7 BGB einen 4.663 Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber auf die Zurverfügungstellung einer Abschrift des Vertrages mit den geänderten Bedingungen.585) Ziel ist es, den Verbraucher über die tatsächliche Höhe der Darlehensschuld und der zu leistenden Teilzahlungen in Kenntnis zu setzen. Die Abschrift des Vertrages muss die sich aus § 494 Abs. 2 Satz 2 bis Abs. 6 BGB ergebenden Änderungen beinhalten (§ 494 Abs. 7 BGB). Die Verpflichtung zur vollständigen Neuunterrichtung des Darlehensnehmers dürfte in der Praxis in der Regel dazu führen, dass der Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag insgesamt neu zu erstellen ist. 7.

Neubeginn der Widerrufsfrist

Die Heilung des zunächst nach § 494 Abs. 1 Fall 1 oder 2 BGB nichtigen 4.664 Verbraucherdarlehensvertrages bewirkt nach § 356 Abs. 3 BGB und damit abweichend von § 356b Abs. 1 BGB, dass mit Aushändigung der neuen Vertragsabschrift ex nunc die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Anderes gilt, wenn der Darlehensgeber die Pflichtangaben noch vor der Auszahlung erteilt hat.

___________ 582) BGH, Urt. v. 11.10.1995 – VIII ZR 325/94, BGHZ 131, 66 = NJW 1995, 3386 = ZIP 1995, 1808; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 583) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 584) BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224. 585) OLG München, Urt. v. 4.6.2012 – 19 U 771/12, BeckRS 2012, 12079.

961

§ 43 Schriftform und Vertragsinhalt

VIII. Rechtsfolgen unrichtiger Pflichtangaben 1.

Unproblematische Fallgruppen

4.665 a) Effektiver Jahreszins. Die Situation der unrichtigen Angabe des effektiven Jahreszinses ist vom Gesetzgeber in § 494 Abs. 3 BGB ausdrücklich geregelt worden. Das Gesetz ordnet eine Anpassung an. Weder wird der Vertrag für nichtig erklärt noch dem Darlehensnehmer ein dauerhaftes Widerrufsrecht eingeräumt. 4.666 b) Zinsanpassung. Eine Zinsanpassungsklausel, aus der die Änderungsvoraussetzungen nicht nachvollziehbar sind, ist als nichtssagende Klausel so wie eine fehlende zu behandeln mit der Folge, dass der Vertrag zwar wirksam ist, Zinsänderungen zum Nachteil des Verbrauchers aber gem. § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht einseitig bestimmt werden können.586) 4.667 c) Gesamtbetrag. Die Sanktion der Nichtigkeit tritt nur ein, wenn die Gesamtbetragsangabe fehlt.587) Die Angabe eines unrichtigen Gesamtbetrags ist im Unterschied zum Fehlen des Gesamtbetrags grundsätzlich unschädlich und führt nicht zum Eingreifen des § 494 Abs. 2 Satz 2 BGB. 2.

Widerrufsrecht

4.668 Bei Verbraucherdarlehensverträgen treten gem. § 492 Abs. 2 BGB an die Stelle der Widerrufsbelehrung, z. B. nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB, die Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB. Erforderlich sind danach Angaben zur Widerrufsfrist, zu den Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie zur Rückabwicklung nach § 357a BGB. Fehlt eine dieser Angaben, tritt die Nichtigkeitsfolge von § 494 Abs. 1 BGB ein. Sind alle Angaben gemacht, jedoch eine oder mehrere unrichtig oder wird gegen das Erfordernis der Klarheit und Verständlichkeit (Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB) verstoßen, so beginnt die Widerrufsfrist gem. § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu laufen mit der Folge eines unbefristeten Widerrufsrechts.588) Die Wirksamkeit des Vertrags wird hiervon aber nicht berührt. Dies gilt jedenfalls so lange, als die fehlerhafte Pflichtangabe nicht nachgeholt wird.589) 3.

Pflichtangaben im Übrigen

4.669 § 494 BGB normiert diejenigen Sanktionen, die aus der Nichteinhaltung des § 492 BGB resultieren. Zweifelhaft ist, ob dem Fehlen einer Pflichtangabe auch die Unrichtigkeit von Pflichtangaben gleichgesetzt werden kann. ___________ 586) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 90. Zu einer etwaigen Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB siehe BGH, Urt. v. 21.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = NJW 2009, 2051 = ZIP 2009, 1106. 587) KG, Urt. v. 5.4.2005 – 4 U 91/04, BeckRS 2005, 09262. 588) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077. 589) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 164.

962

VIII. Rechtsfolgen unrichtiger Pflichtangaben

a) Meinungsstand. Eine erste M. M. nimmt auch insofern Nichtigkeit an. Sei- 4.670 en Pflichtangaben fehlerhaft und gehörten sie gleichzeitig zu den essentialia negotii des Darlehensvertrages, so könne eine Einigung über einen solchen Punkt und dessen fehlerhafte Niederlegung im Darlehensvertrag die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 494 Abs. 1 Fall 1 BGB nach sich ziehen.590) Nach einer zweiten M. M. sei zu differenzieren. Grundsätzlich führten unrich- 4.671 tige Angaben nicht zur Nichtigkeit. Anders bei erheblicher Abweichung vom wirklich Vereinbarten und bei grober Unrichtigkeit ohne Informationsgehalt.591) Eine dritte und h. M. verneint ebenfalls grundsätzlich eine Nichtigkeit und ei- 4.672 nen Nichtbeginn der Widerrufsfrist. Fehlerhafte Pflichtangaben würden nicht sanktioniert. Ergebe sich keine Formnichtigkeit nach § 494 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB und weise die fehlerhafte Angabe auch nicht auf eine fehlende andere Pflichtangabe hin, die sanktioniert sei – so könne etwa ein fehlerhafter Gesamtbetrag gem. § 494 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB seinen Grund in einer fehlerhaften Kostenposition gem. § 494 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB haben, was durch § 494 Abs. 4 BGB sanktioniert werde –, so bleibe die fehlerhafte Angabe folgenlos. Die fehlerhafte Pflichtangabe verfüge zwar nicht über den gleichen Informationswert wie eine zutreffende. Dies sei aber gerade nicht der fehlenden Pflichtangabe gleichzusetzen. Die Sanktion der Nichtigkeit trete nur ein, wenn eine der vorgeschriebenen Pflichtangaben vollständig fehle.592) b) Stellungnahme. § 494 Abs. 1 BGB stellt eindeutig auf das Fehlen der vor- 4.673 geschriebenen Angaben ab. Neben dem Wortlautargument aus § 494 Abs. 1 BGB kann im Rahmen der systematischen Interpretation die Regelung des § 494 Abs. 3 BGB zur fehlerhaften Angabe des effektiven Jahreszinses angeführt werden. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung für das Vorliegen einer Falschangabe. Das Gesetz enthält in § 494 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 6 BGB eine differenzierende Rechtsfolgenanordnung, die weder den Schluss auf eine Nichtigkeit noch auf eine dauerhafte Widerruflichkeit zulässt. § 494 Abs. 3 BGB legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber allein unter den dort genannten Voraussetzungen eine Sanktionierung fehlerhafter Angaben vorsehen wollte. Da andere Fälle der unrichtigen Angabe weder in der konkreten Norm noch aus der Gesamtsystematik des Regelungszusammenhangs ersichtlich sind, ist von einer abschließenden Regelung auszugehen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Reform des Jahres 2010 in Kenntnis der Auslegungsdifferenzen erfolgt ist und jeden Hinweis auf die von den Mindermeinungen vertretenen Ansätze vermissen lässt. Abweichend von der Rechtslage ___________ 590) OLG Celle, Urt. v. 20.12.2000 – 3 U 69/00, BeckRS 2002, 04450. 591) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 494 Rz. 12. 592) BGH, Urt. v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, NJW-RR 2006, 1419 = ZIP 2006, 1238.

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§ 44 Widerruf

nach § 1a Abs. 3 AbzG gilt sonach für sonstige unrichtige Angaben, dass sie die Wirksamkeit des Verbraucherdarlehensvertrages grundsätzlich unberührt lassen.593) Eine zu weite Ausdehnung der Nichtigkeitsgründe könnte beiderseits Interessenwidrigkeiten begründen. Unklar bliebe, ab welchem Grad der Unrichtigkeit ein Vertrag so gefährdet wäre, dass seine Rechtsbeständigkeit im Zweifel stünde. Die Konfliktlösung liegt nicht in der Nichtigkeit, sondern ergibt sich aus dem Umfang der Leistungspflichten, die sich ihrerseits an den gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Angaben ausrichtet. Sie liegt außerdem in Ersatzansprüchen des Verbrauchers. Sollte der Verbraucher vorsätzlich falsche Pflichtangaben erhalten haben, so verbleibt ihm die Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 123, 119 BGB. Sonach führt nur die fehlende Angabe zur Nichtigkeit nach § 494 Abs. 1 Fall 2 BGB, nicht jedoch eine falsche Angabe.594) § 44 Widerruf I. Widerruf 1.

Einführung

4.674 Der Vorteil eines Widerrufs des Verbraucherdarlehensvertrages (§ 495 Abs. 1 BGB) im Vergleich mit einer Kündigung (§§ 494 Abs. 6 Satz 1, 500 Abs. 1 BGB) liegt für den Verbraucher insbesondere darin, dass er bei einer Kündigung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet sein kann (§ 502 BGB). Die nachfolgenden Hinweise beschränken sich auf einige Besonderheiten bei Verbraucherkreditverträgen. Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen.595) 2.

Widerrufsrecht

4.675 a) Grundsatz. Das gesetzliche Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge folgt aus § 495 Abs. 1 BGB i. V. m. der Blankettnorm des § 355 BGB. Wie alle verbraucherkreditrechtlichen Widerrufsrechte setzt auch dieses Widerrufsrecht voraus, dass der Verbraucherdarlehensvertrag in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der §§ 491 Abs. 1, 13, 513 BGB fällt und der Vertrag formwirksam (§ 492 BGB i. V. m. Art. 247 EGBGB) zustande gekommen oder jedenfalls nach § 494 BGB geheilt worden ist. 4.676 b) Auch ein bereits gekündigter Vertrag kann widerrufen werden.596) ___________ 593) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, NJW 2004, 154 (unzureichende Angabe des Verwendungszwecks); BGH, Urt. v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, NJW-RR 2004, 632 = ZIP 2004, 549; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, NJW-RR 2006, 1419 = ZIP 2006, 1238. 594) BGH, Urt. v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, NJW-RR 2004, 632 = ZIP 2004, 549; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 595) Siehe oben § 25 m. w. N. 596) LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 20.4.2015 – 6 O. 9499/14, BeckRS 2015, 08135.

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§ 44 Widerruf

nach § 1a Abs. 3 AbzG gilt sonach für sonstige unrichtige Angaben, dass sie die Wirksamkeit des Verbraucherdarlehensvertrages grundsätzlich unberührt lassen.593) Eine zu weite Ausdehnung der Nichtigkeitsgründe könnte beiderseits Interessenwidrigkeiten begründen. Unklar bliebe, ab welchem Grad der Unrichtigkeit ein Vertrag so gefährdet wäre, dass seine Rechtsbeständigkeit im Zweifel stünde. Die Konfliktlösung liegt nicht in der Nichtigkeit, sondern ergibt sich aus dem Umfang der Leistungspflichten, die sich ihrerseits an den gegenseitigen Abhängigkeiten der einzelnen Angaben ausrichtet. Sie liegt außerdem in Ersatzansprüchen des Verbrauchers. Sollte der Verbraucher vorsätzlich falsche Pflichtangaben erhalten haben, so verbleibt ihm die Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 123, 119 BGB. Sonach führt nur die fehlende Angabe zur Nichtigkeit nach § 494 Abs. 1 Fall 2 BGB, nicht jedoch eine falsche Angabe.594) § 44 Widerruf I. Widerruf 1.

Einführung

4.674 Der Vorteil eines Widerrufs des Verbraucherdarlehensvertrages (§ 495 Abs. 1 BGB) im Vergleich mit einer Kündigung (§§ 494 Abs. 6 Satz 1, 500 Abs. 1 BGB) liegt für den Verbraucher insbesondere darin, dass er bei einer Kündigung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung verpflichtet sein kann (§ 502 BGB). Die nachfolgenden Hinweise beschränken sich auf einige Besonderheiten bei Verbraucherkreditverträgen. Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen.595) 2.

Widerrufsrecht

4.675 a) Grundsatz. Das gesetzliche Widerrufsrecht für Verbraucherdarlehensverträge folgt aus § 495 Abs. 1 BGB i. V. m. der Blankettnorm des § 355 BGB. Wie alle verbraucherkreditrechtlichen Widerrufsrechte setzt auch dieses Widerrufsrecht voraus, dass der Verbraucherdarlehensvertrag in den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der §§ 491 Abs. 1, 13, 513 BGB fällt und der Vertrag formwirksam (§ 492 BGB i. V. m. Art. 247 EGBGB) zustande gekommen oder jedenfalls nach § 494 BGB geheilt worden ist. 4.676 b) Auch ein bereits gekündigter Vertrag kann widerrufen werden.596) ___________ 593) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 134/02, NJW 2004, 154 (unzureichende Angabe des Verwendungszwecks); BGH, Urt. v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, NJW-RR 2004, 632 = ZIP 2004, 549; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 9.5.2006 – XI ZR 119/05, NJW-RR 2006, 1419 = ZIP 2006, 1238. 594) BGH, Urt. v. 2.12.2003 – XI ZR 53/02, NJW-RR 2004, 632 = ZIP 2004, 549; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 595) Siehe oben § 25 m. w. N. 596) LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 20.4.2015 – 6 O. 9499/14, BeckRS 2015, 08135.

964

I. Widerruf

3.

Ausnahmen

a) Vollausnahmen. Liegt eine der Vollausnahmen des § 491 Abs. 2 BGB vor, 4.677 so besteht kein gesetzliches Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB. Folge ist, dass allein die §§ 488 – 490 BGB Anwendung finden. b) Notariell beurkundete Verträge. Der Ausschluss des Widerrufsrechts für 4.678 Darlehensverträge, für die das Gesetz eine notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) vorschreibt; wurde beibehalten (§ 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Voraussetzung ist, dass der Notar bestätigt, dass die Rechte aus §§ 491a und 492 BGB gewahrt sind, mithin die vorvertraglichen Informationspflichten beachtet und insbesondere die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB gemacht sind.597) Da dieses dem Notar kaum möglich sein wird, ist die praktische Bedeutung der Ausnahme gering. 4.

Verhältnis zu § 312g BGB

Wurde der Verbraucherdarlehensvertrag in der Situation des § 312b BGB ge- 4.679 schlossen und steht dem Verbraucher auch aus diesem Grunde tatsächlich ein Widerrufsrecht zu, hat das Verbraucherkreditrecht gemäß § 312g Abs. 3 BGB Vorrang. Dies kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 495 Abs. 2 BGB praktisch werden. 5.

Widerrufsberechtigung bei Mehrheit von Darlehensnehmern

Jeder Gesamtschuldner, der die persönlichen Voraussetzungen eines Verbrauchers 4.680 gem. §§13, 513 BGB erfüllt, hat ein eigenes, selbstständig auszuübendes Widerrufsrecht,598) zumeist mit Wirkung für alle. 6.

Widerrufserklärung

Da § 355 Abs. 1 Satz 3 BGB eine eindeutige Widerrufserklärung voraussetzt, 4.681 kann der Widerruf nicht durch kommentarlose Rücksendung, z. B. durch Zurückweisung oder Rückgabe von Inventar, erfolgen.599) 7.

Widerrufsgegenstand

Wird die Getränkebezugsverpflichtung von der Gewährung eines Darlehens 4.682 abhängig gemacht, so ist entgegen der Rechtslage nach dem AbzG der Darlehensvertrag selbst Gegenstand des Widerrufs.600) ___________ 597) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 84. 598) BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306; OLG Hamm, Urt. v. 11.4.2000 – 19 U 118/99. Siehe oben § 25 III 1 m. w. N. 599) Siehe oben § 25 VI 3 d m. w. N. 600) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 55.

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§ 44 Widerruf

8.

Widerrufsfrist

4.683 a) Grundsatz. Die Widerrufserklärungsfrist beträgt 14 Tage (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 EGBGB i. V. m. § 355 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Angabe von „zwei Wochen“ anstatt von „14 Tagen“ ist ebenso zutreffend.601) 4.683a b) Ausnahme. Im Falle der Nachholung von Pflichtangaben beträgt die Widerrufserklärungsfrist einen Monat (§ 356b Abs. 2 Satz 3 BGB). 9.

Beginn der Widerrufsfrist

4.684 a) Überblick. Kumulativ müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. x

Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages (§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i. V. m. Abs. 1 Satz 2 der Musterinformation nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB).

x

Weiter ist Voraussetzung, dass dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist (Erhalt der Vertragsunterlagen, § 356b Abs. 1 BGB).

x

Schließlich wird vorausgesetzt, dass der Vertragsbeleg sämtliche gesetzlich vorgeschriebene Pflichtangaben und damit auch, aber nicht etwa nur die Widerrufsinformation enthält (§ 356b Abs. 2 Sätze 1 – 3 BGB i. V. m. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 – 13 EGBGB).

4.685 b) Vertragsschluss. aa) Anforderungen. Ein Vertragsschluss liegt vor, wenn beide Vertragsparteien den Vertrag unterschrieben haben. Wird vom Getränkelieferanten der Vertragsabschluss so praktiziert, dass zunächst der Gastwirt in Abwesenheit eines (Abschluss-)Unterschriftsberechtigten des Getränkelieferanten unterschreibt, so beginnt die Widerrufsfrist erst mit dem (nachweisbaren) Zugang des von dem Getränkelieferanten gegengezeichneten Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages beim Gastwirt. 4.686 bb) Nachweis. Im Hinblick auf die Beginnvoraussetzung „Vertragsschluss“ ist der Nachweis desselben von besonderer Bedeutung. Bei persönlicher Übergabe des Vertrages ist an eine Dokumentation durch Empfangs- oder Aushändigungsquittung zu denken. Wird der Weg der Übersendung mit der Post gewählt, so empfiehlt sich eine Zustellung per Einschreiben mit Rückschein. Insofern genügt zum Nachweis der Zustellung der postalische Rückschein (§ 175 Satz 2 ZPO). Durch ein Einwurfeinschreiben kann der Beweis des Zugangs einer Briefsendung ebenfalls geführt werden.602) Voraussetzung dieses Anscheinsbeweises ist allerdings, dass der Briefkasteneinwurf ordnungsgemäß dokumen___________ 601) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 70. 602) BGH, Urt. v. 6.12.2011 – XI ZR 401/10, NJW 2012, 1066.

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I. Widerruf

tiert worden ist.603) Der Inhalt des Schreibens bleibt allerdings vom Erklärenden zu beweisen. c) Zurverfügungstellung der Vertragsunterlagen. Die Widerrufsfrist beginnt 4.687 weiter auch dann nicht, bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer entweder jedenfalls in Textform eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde oder den schriftlichen Antrag des Darlehensnehmers bzw. eine Abschrift der Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt hat (§ 356b Abs. 1 BGB). Zulässig ist damit sowohl eine Aushändigung der Vertragserklärungen als auch die Übersendung auf dem Postwege, jeweils gesondert an die einzelnen Darlehensnehmer. d) Pflichtangaben. aa) Fehlende Pflichtangaben. Die vollständige Erteilung 4.688 der erforderlichen Pflichtangaben, insbesondere einer Widerrufsinformation, ist deshalb so bedeutsam, weil dem Verbraucher bis zur Nachholung der fehlenden Angabe(n) mangels Fristbeginns auf die gesamte Vertragsdauer ein „ewiges Widerrufsrecht“ zusteht, solange keine Verwirkung vorliegt.604) Werden die erforderlichen Informationen nicht erteilt, ist der Vertrag nichtig 4.689 (§ 494 Abs. 1 BGB), soweit keine Heilung gem. § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Nachholung der Pflichtangaben eintritt. bb) Fehlerhafte Pflichtangaben. Im nicht geregelten Fall einer vorhandenen, 4.690 aber inhaltlich unrichtigen Pflichtangabe, die für das Vertragsverhältnis noch von Bedeutung ist, beginnt die Widerrufsfrist ebenfalls erst mit der wirksamen Nachholung gem. § 492 Abs. 6 BGB.605) 10.

Modalitäten der Ausübung

a) Form. Abgesehen von der hier nicht maßgeblichen Sondervorschrift des 4.691 § 356a Abs. 1 BGB bedarf der Widerruf mangels entsprechender Sondervorschriften nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB keiner Form. Er kann also auch mündlich erklärt werden. Dies gilt für sämtliche hier relevanten Fallgruppen (§§ 495 Abs. 1, 506 Abs. 1 BGB). b) Rechtzeitigkeit. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige 4.692 Absendung des Widerrufs (§ 355 Abs. 1 Satz 5 BGB). c) Rückzahlung. Nach geltendem Recht ist die Rückzahlung des Darlehensbe- 4.693 trages – auch bei verbundenen Verträgen – nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Widerrufs, auch dann nicht, wenn die Parteien dies vertraglich bestimmt haben sollten (§ 361 Abs. 2 Satz 1 BGB).606)

___________ 603) 604) 605) 606)

Str., vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 130 Rz. 21 m. w. N. LG Siegen, Urt. v. 24.7.2015 –2 O. 350/14, BeckRS 2015, 15604. Str., wie hier Palandt-Grüneberg, BGB, § 356b Rz. 3. Palandt-Grüneberg, BGB, § 358 Rz. 6.

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§ 44 Widerruf

11.

Erlöschen des Widerrufsrechts

4.694 Der Erlöschenstatbestand des § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB gilt nach Wortlaut und Systematik (Gegenschluss) nicht. Dies gilt auch für Altverträge. Bestätigt wird dies durch einen Gegenschluss aus der Regelung für IVD in § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB. § 355 BGB als lex generalis enthält keine Regelung. § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt nur in den genannten Vertragsschlusssituationen. Damit gibt es keine spezielle gesetzliche Erlöschensregelung. Bestätigt wird dies durch die Sonderregelung des § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB für Finanzdienstleistungen. 12.

Verjährung

4.695 § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf das Widerrufsrecht nicht anwendbar.607) 13.

Verwirkung

4.696 a) Fallgruppen. aa) Fehlende Pflichtangaben. Fehlen im Darlehensvertrag die erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB und sind diese auch nicht nachgeholt worden, so besteht nach § 356b Abs. 2 Satz 1 BGB ein ewiges Widerrufsrecht. Eine Verwirkung dürfte dann nach geltendem Recht ausgeschlossen sein. Gleiches gilt naturgemäß für den Sonderfall des Fehlens der Pflichtangabe Widerrufsinformation.608) 4.697 bb) Fehlerhafte Pflichtangaben. Praktisch werden kann die Frage der Verwirkung eines Widerrufsrechts nach diesseitiger Auffassung allenfalls noch bei einer fehlerhaften Widerrufsinformation werden.609) 4.698 b) Einordnung. Der Einwand der Verwirkung stellt einen Unterfall der Einwendung unzulässiger Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens610) und gehört damit zu den Fallgruppen des § 242 BGB, wobei der Verstoß gegen Treu und Glauben hier in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung liegt. 4.699 c) Tatbestand. Die Verwirkung eines Rechtes tritt ein, wenn es vom Berechtigten über längere Zeit hinweg nicht geltend gemacht worden ist und der andere Teil sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde.611) Sie knüpft nicht an eine aus___________ 607) BGH, Urt. v. 10.10.2017 – XI ZR 555/16, NJW 2018, 225. 608) BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR 327/04, NJW 2006, 497 = ZIP 2006, 221; BGH, Urt. v. 17.10.2006 – XI ZR 205/05, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2007, 18. 609) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 610) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958; BGH, Urt. v. 11.10.2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 = NJW 2017, 243 = ZIP 2016, 2306. 611) BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230; OLG Bremen, Urt. v. 26.2.2016 – 2 U 92/15, NJW-RR 2016, 875.

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I. Widerruf

drückliche oder stillschweigende Willenserklärung an, sondern an eine gesetzliche Wertung anderweitiger Umstände.612) Voraussetzung einer Verwirkung der Widerrufsmöglichkeit wegen illoyal verspäteter Inanspruchnahme ist, dass der Verbraucher trotz Kenntnis von seinem Widerrufsrecht längere Zeit (Zeitmoment) hiervon keinen Gebrauch macht und der Unternehmer sich auf Grund besonderer Umstände darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass mit der Ausübung des Widerrufs auch in Zukunft nicht zu rechnen ist (Vertrauenstatbestand als Umstandsmoment).613) Aus dem Verhalten des Widerrufsberechtigten muss objektiv der Verzicht auf die Widerrufserklärung hervorgehen („beredtes Schweigen“) und der Widerrufsgegner muss sich darauf eingerichtet haben.614) d) Zeitmoment. Der Zeitablauf allein kann bei fehlerhafter oder unterbliebe- 4.700 ner Information die Verwirkung nicht begründen.615) Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahe kommt, mindert die erforderliche Zeitdauer. Die Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten wird wesentlich bestimmt durch den Umfang seiner Vertrauenssituation und seinen Informationsstand.616) Auf die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen eines Widerrufsrechts kommt es insoweit nicht an.617) Eine dem Widerruf vorausgegangene einvernehmliche Aufhebung des Vertrags begründet den Verwirkungseinwand nicht.618) ___________ 612) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 613) BGH, Urt. v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, NJW 2003, 2821 = ZIP 2003, 1592; BGH, Urt. v. 14.6.2004 – II ZR 395/01, NJW 2004, 2731 = ZIP 2004, 1402; BGH, Urt. v. 18.10.2004 – II ZR 352/02, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2004, 2319; OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575; KG, Urt. v. 16.8.2012 – 8 U 101/12, BeckRS 2012, 21953. 614) BGH, Urt. v. 27.3.2001 – VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535; BGH, Urt. v. 18.10.2001 – I ZR 91/99, NJW 2002, 669 = ZIP 2002, 400; BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 615) BGH, Urt. v. 16.4.1986 – VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351 = NJW 1986, 1988 = ZIP 1986, 781 = Zeller III, 108; BGH, Urt. v. 3.7.1991 – VIII ZR 201/90, NJW 1991, 2903 = ZIP 1991, 1011 = Zeller IV, 124; BGH, Urt. v. 22.1.1992 – VIII ZR 374/89, NJW-RR 1992, 593; BGH, Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 = NJW 1993, 64 = ZIP 1992, 1573; BGH, Urt. v. 21.10.1992 – VIII ZR 99/91, NJW-RR 1993, 562; BGH, Urt. v. 23.1.2014 – VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230. 616) OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575, m. w. N. 617) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.1.2014 – I-14 U 55/13, NJW 2014, 1599. 618) OLG Hamm, Urt. v. 25.3.2015 – 31 U 155/411, BeckRS 2015, 08430 = ZIP 2015, 1113.75.

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§ 44 Widerruf

4.701 Bei Altverträgen steht auch eine lange Zeit der Vertragsdurchführung der Möglichkeit des Widerrufs grundsätzlich nicht entgegen.619) Im Übrigen ist an die Zeitgrenze der regelmäßigen dreijährigenVerjährungsfrist nach § 195 BGB zu denken.620) Im Übrigen könnten die Aufbewahrungsfristen von sechs bzw. zehn Jahren für bestimmte Buchungsunterlagen nach § 257 Abs. 4 HGB bedeutsam sein. 4.702 e) Umstandsmoment. aa) Grundlagen. Ist dem Verbraucher eine Widerrufsinformation erteilt worden, so bedarf es der Differenzierung. Zu fragen ist, ob der durchschnittliche Verbraucher über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solchem im Unklaren gelassen wird. Informationen, die das Widerrufsrecht von irgendwelchen Bedingungen abhängig machen oder an seine Ausübung unzulässige, nachteilige Rechtsfolgen knüpfen, können keinen Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Unternehmers begründen. 4.703 bb) Fehlerhafte Widerrufsinformation. Dies etwa dann, wenn die Belehrung eine fehlerhafte und deshalb unwirksame Einschränkung dahingehend enthält, dass der Widerruf als nicht erfolgt gilt, wenn das Darlehen nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt wird.621) Anderes ist dagegen zu entscheiden, wenn der Verbraucher aufgrund der Fehlerhaftigkeit der Belehrung keinen Anlass zu der Annahme hat, nach Ablauf der genannten Frist stehe ihm noch ein Widerrufsrecht zu.622) 4.704 cc) Unbeachtliche Umstände. Der formale, eine bloße Ungenauigkeit in der Darstellung des Fristbeginns darstellende Fehler einer Widerrufsinformation führt nicht zu einer sachlichen Verfälschung der Information über das Widerrufsrecht und hat deshalb keinen Einfluss auf die Entscheidung des Verbrauchers gehabt, an dem Geschäft festzuhalten. Auch besteht keine Verpflichtung des Unternehmers, die Belehrung nachzuholen. Ebenfalls unerheblich ist, dass im Zeitpunkt des Widerrufs die handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen des § 257 Abs. 4 HGB noch nicht abgelaufen waren.623) 4.705 Nicht schutzwürdig ist das Vertrauen des Unternehmers auch auf ein weiterhin vertragstreues Verhalten. Unbeachtlich sind das Gewicht des Belehrungsfehlers, der Umstand der Belehrung an sich, die Motivation, die den Verbraucher ___________ 619) BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 1995, 996; BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593; BGH, Urt. v. 17.10.2006 – XI ZR 205/05, NJW-RR 2005, 180 = ZIP 2007, 18. Großzügiger OLG Bremen, Urt. v. 26.2.2016 – 2 U 92/15, NJW-RR 2016, 875 für Widerruf des Darlehensvertrages nach sechs Jahren. 620) OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.1.2014 – I-14 U 55/13, NJW 2014, 1599. 621) BGH, Urt. v. 12.12.2005 – II ZR 327/04, NJW 2006, 497 = ZIP 2006, 221. Großzügiger OLG Bremen, Urt. v. 26.2.2016 – 2 U 92/15, NJW-RR 2016, 875 für Widerruf nach sechs Jahren. 622) OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575. 623) OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575.

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II. Ansprüche als Folge eines Widerrufs

zum Widerruf veranlasste, oder die durch den Widerruf ausgelösten Rechtsfolgen.624) dd) Beiderseits vollständige Vertragserfüllung. Eine Verwirkung dürfte je- 4.706 denfalls dann ausgeschlossen sein, wenn die beiderseitigen Pflichten aus dem Darlehensvertrag noch nicht (nahezu) vollständig erfüllt sind.625) § 356 Abs. 4 Satz 3 BGB enthält insofern einen allgemeinen Rechtsgedanken. Die bloße Vertragstreue wird als nicht geeignet angesehen, ein schützenswürdiges Vertrauen des Darlehensgebers zu rechtfertigen. Bei vollständiger, beiderseitiger Erfüllung sämtlicher Vertragspflichten aus dem Vertrag dürfte dagegen auch das Umstandsmoment erfüllt sein.626) Dann beginnt die Verwirkungsfrist. ee) Möglichkeit der Nachholung der Information. Schließlich steht der Ver- 4.707 wirkung entgegen, dass der Unternehmer mit Nachholung der Belehrung nach §§ 492 Abs. 6, 356b Abs. 2 BGB selbst für klare Verhältnisse sorgen kann. II.

Ansprüche als Folge eines Widerrufs

1.

Einführung

Die Rechtsfolgen des Widerrufs richten sich nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB, er- 4.708 gänzt durch Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB, soweit nicht § 357a BGB als Sondervorschrift einschlägig ist.627) Die Widerrufsfolgen werden nunmehr einheitlich in §§ 355, 356b, 358 – 360 BGB geregelt. Ein Rekurs auf das Rücktrittsrecht erfolgt nicht mehr.628) 2.

Ansprüche des Darlehensgebers

a) Darlehensvaluta. Nach ausgesprochenem Widerruf muss der Darlehens- 4.709 nehmer spätestens innerhalb einer Höchstfrist von 30 Tagen die empfangene Darlehensvaluta zurückzahlen (§ 357a Abs. 1 BGB). Bei Geldleistungen wird nicht die Rückgabe der konkreten Geldzeichen geschuldet, sondern lediglich die Rückgewähr des Geldwertes.629) Der Fristbeginn bestimmt sich nach § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB. Für den Ver- 4.710 braucher beginnt die Frist mit der Abgabe der Willenserklärung und für den Unternehmer mit Zugang der Widerrufserklärung des Verbrauchers. ___________ 624) BGH, Urt. v. 12.7.2016 – XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 = NJW 2016, 3512 = ZIP 2016, 1958. 625) KG, Urt. v. 16.8.2012 – 8 U 101/12, BeckRS 2012, 21953; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.1.2014 – 14 U 55/13, NJW 2014, 1599; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.2.2014 – 17 W 11/14, BeckRS 2015, 05107. 626) OLG Köln, Urt. v. 25.1.2012 – 13 U 30/11, BeckRS 2012, 09575. 627) KG, Urt. v. 16.8.2012 – 8 U 101/12, BeckRS 2012, 21953; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.1.2014 – 14 U 55/13, NJW 2014, 1599; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 10.2.2014 – 17 W 11/14, BeckRS 2015, 05107. 628) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 71, 65. 629) BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211.

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§ 45 Weitere Informationspflichten

4.711 b) Vereinbarter Zinssatz. Für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens ist der (vertraglich) vereinbarte Sollzins zu entrichten (§ 357a Abs. 3 Satz 1 BGB, Abs. 2 Satz 1 Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB). 4.712 c) Aufwendungsersatz. § 357a Abs. 3 Satz 5 BGB räumt dem Unternehmer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen ein, die er gegenüber öffentlichen Stellen erbringen musste. 3.

Gegenansprüche des Darlehensnehmers

4.713 a) Empfangene Leistungen auf Seiten des Getränkelieferanten als Darlehensgeber sind die vom Darlehensnehmer entrichteten Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Sicherheiten. Der Darlehensnehmer kann daher nach Widerruf der Darlehenserklärung vom Darlehensgeber die aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 357a Abs. 1 BGB zurückfordern sowie die Rückabtretung gewährter Sicherheiten, etwa der Rechte aus einer Kapitallebensversicherung, verlangen. Empfangene Leistungen sind unverzüglich zurückzugewähren (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB). Für den Zeitraum zwischen Empfang und Rückzahlung besteht eine Verpflichtung zur Verzinsung in Höhe des gesetzlichen Verzugszinssatzes.630) 4.714 b) Wertersatz. Nach geltender Rechtslage können Darlehensnehmer Ansprüche auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen nicht mehr stellen. Die nach der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage umstrittene Frage, ob der Getränkelieferant als Darlehensgeber eine Überlassungsentschädigung für die an ihn geleisteten Zinsen und Tilgungen schuldet,631) dürfte sich nach geltendem Recht nicht mehr stellen. Zum einen sind das Rechtsfolgenregime der §§ 357, 357a BGB und die Grundnorm des § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB abschließend. Zum anderen ist die Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften der §§ 346 ff. BGB entfallen. § 45 Weitere Informationspflichten I. Abschrift des Vertrages 4.715 Der Darlehensgeber ist gem. § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB verpflichtet, den Partnern des Darlehensvertrages sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) nach Vertragsschluss ein Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ggf. auch eine Abschrift weiterer erforderlicher Urkunden, jedenfalls in Textform, auch durch Übersenden per Post („zur Verfügung stellen“)632) zu überlassen. Zu denken ist an eine ___________ 630) BGH, Urt. v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401 = ZIP 2007, 1200; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 631) Zur Altrechtslage Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1628, 3.887, jeweils m. w. N. 632) BT-Drucks. 14/7052, S. 201.

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§ 45 Weitere Informationspflichten

4.711 b) Vereinbarter Zinssatz. Für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens ist der (vertraglich) vereinbarte Sollzins zu entrichten (§ 357a Abs. 3 Satz 1 BGB, Abs. 2 Satz 1 Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB). 4.712 c) Aufwendungsersatz. § 357a Abs. 3 Satz 5 BGB räumt dem Unternehmer einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen ein, die er gegenüber öffentlichen Stellen erbringen musste. 3.

Gegenansprüche des Darlehensnehmers

4.713 a) Empfangene Leistungen auf Seiten des Getränkelieferanten als Darlehensgeber sind die vom Darlehensnehmer entrichteten Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Sicherheiten. Der Darlehensnehmer kann daher nach Widerruf der Darlehenserklärung vom Darlehensgeber die aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gemäß § 357a Abs. 1 BGB zurückfordern sowie die Rückabtretung gewährter Sicherheiten, etwa der Rechte aus einer Kapitallebensversicherung, verlangen. Empfangene Leistungen sind unverzüglich zurückzugewähren (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB). Für den Zeitraum zwischen Empfang und Rückzahlung besteht eine Verpflichtung zur Verzinsung in Höhe des gesetzlichen Verzugszinssatzes.630) 4.714 b) Wertersatz. Nach geltender Rechtslage können Darlehensnehmer Ansprüche auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen nicht mehr stellen. Die nach der bis zum 12.6.2014 geltenden Rechtslage umstrittene Frage, ob der Getränkelieferant als Darlehensgeber eine Überlassungsentschädigung für die an ihn geleisteten Zinsen und Tilgungen schuldet,631) dürfte sich nach geltendem Recht nicht mehr stellen. Zum einen sind das Rechtsfolgenregime der §§ 357, 357a BGB und die Grundnorm des § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB abschließend. Zum anderen ist die Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften der §§ 346 ff. BGB entfallen. § 45 Weitere Informationspflichten I. Abschrift des Vertrages 4.715 Der Darlehensgeber ist gem. § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB verpflichtet, den Partnern des Darlehensvertrages sofort (§ 271 Abs. 1 BGB) nach Vertragsschluss ein Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ggf. auch eine Abschrift weiterer erforderlicher Urkunden, jedenfalls in Textform, auch durch Übersenden per Post („zur Verfügung stellen“)632) zu überlassen. Zu denken ist an eine ___________ 630) BGH, Urt. v. 24.4.2007 – XI ZR 17/06, BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401 = ZIP 2007, 1200; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952. 631) Zur Altrechtslage Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.1628, 3.887, jeweils m. w. N. 632) BT-Drucks. 14/7052, S. 201.

972

II. Tilgungsplan

Durchschrift, eine Fotokopie, eine Telekopie oder ein Telefax. Aushändigung ist für den Vertragsschluss nicht notwendig, denn § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt diesen gerade als zeitlich vorhergehend voraus. Die Pflicht bezieht sich auf die zum Darlehensvertrag von beiden Seiten abgegebenen Erklärungen und Hinweise. Sie können in einem Schriftstück zusammengefasst werden. Dieses muss alle Bestandteile gem. § 492 Abs. 2 BGB enthalten. Unterschriften muss es nicht aufweisen. Ein elektronisches Dokument genügt. Kosten für die Abschrift kann der Darlehensgeber nicht verlangen. Die Übersendung oder persönliche Aushändigung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung des Darlehensvertrages (vgl. § 494 Abs. 1 BGB).633) Die Widerrufsfrist beginnt allerdings mit Überlassung der entsprechenden Abschrift zu laufen (§ 356b Abs. 1 BGB). Der Darlehensgeber muss erst auf Verlangen des Darlehensnehmers hin tätig werden. Darüber hinaus kann der Darlehensnehmer den klagbaren Anspruch nach § 492 Abs. 3 Satz 1 BGB einredeweise im Wege des Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB Zahlungsansprüchen des Darlehensgebers entgegensetzen. Schließlich begründet die Vorschrift eine vertragliche Nebenpflicht, deren schuldhafte Verletzung zu Schadensersatzansprüchen des Darlehensnehmers führen kann. Sinnvoll ist es, sich die Übergabe der Vertragsabschrift vom Darlehensnehmer in Form eines gesondert unterschriebenen Empfangsbekenntnisses (§ 309 Nr. 12 b BGB) bestätigen zu lassen. II.

Tilgungsplan

1.

Anspruch

Bei Verbraucherdarlehen mit bestimmter Laufzeit hat der Darlehensnehmer 4.716 nach Vertragsabschluss kostenlos und zu jedem beliebigen Zeitpunkt („jederzeit“) Anspruch auf Aushändigung eines Tilgungsplans nach Art. 247 § 14 EGBGB in Textform, auch wiederholt (§ 492 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 BGB; Art. 247 § 14 Abs. 3 Satz 1 EGBGB).634) Bei Abschreibungsdarlehen und Finanzierungen mit Rückvergütungsgutschrif- 4.717 ten besteht der Anspruch naturgemäß nicht. Dies gilt auch für damit kombinierte Tilgungsrückführungen, soweit es sich nicht um den Tilgungsteil handelt. Anwendungsfälle sind Stundungen, das „Dranhängen von Raten“, die Reduzierung von Raten oder etwa Zinsanpassungen. Allerdings setzt der Anspruch des Darlehensnehmers nicht voraus, dass einer der genannten Fälle vorliegt. 2.

Inhalt

Aus dem Tilgungsplan muss nach Art. 247 § 14 Abs. 1 EGBGB im Einzelnen 4.718 hervorgehen der jeweilige und damit aktuelle Darlehensstand und die einzelnen ___________ 633) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 4. 634) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 5.

973

§ 45 Weitere Informationspflichten

zu leistenden Teilzahlungen und Zahlungsbedingungen. Der enthaltene Zinsund Tilgungsanteil ist anzugeben sowie weiter, welche Bedingungen für diese Zahlungen gelten. Dabei ist aufzuschlüsseln, welche Zahlungen wofür erfolgen. Sind der Sollzinssatz oder die sonstigen Kosten variabel, ist nach Art. 247 § 14 Abs. 2 EGBGB darauf hinzuweisen, dass die Daten des Tilgungsplans nur bis zur nächsten Anpassung gelten. 3.

Erfüllung

4.719 Der Anspruch ist als erfüllt anzusehen, wenn dem Darlehensnehmer ein Tilgungsplan überlassen wurde und sich die darin enthaltenen Angaben nicht verändert haben. Die Kredithistorie muss nicht dargestellt werden. Aus dem Wortlaut des Art. 247 § 14 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, dass nur die noch zu leistenden Zahlungen anzugeben sind folgt, dass ein Hinweis auf mögliche Sondertilgungen entbehrlich ist. Einer Erläuterung des Inhalts des Tilgungsplans bedarf es nicht.635) 4.

Erneuter Tilgungsplan

4.720 Wie § 492 Abs. 3 Satz 2 BGB mit der Formulierung „jederzeit“ verdeutlicht, genügt ein anfänglich erstellter Tilgungsplan ggf. nicht. Hierfür spricht auch die Regelung des Art. 247 § 14 Abs. 3 Satz 2 EGBGB, in der klargestellt wird, dass der Anspruch nicht erlischt, solange das Vertragsverhältnis besteht. Ob ein mehrmaliges Verlangen des Darlehensnehmers nach einem Tilgungsplan innerhalb eines Jahres rechtsmissbräuchlich ist, erscheint jedenfalls dann zweifelhaft, wenn zwischenzeitlich vom Verbraucher nicht verantwortete Änderungen im Rahmen der Berechnung erfolgt sind. 5.

Entgelt

4.721 Da der Darlehensgeber in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung handelt, kann er für die Aushändigung eines Tilgungsplans kein Entgelt verlangen.636) III.

Ablauf der Sollzinsbindung

4.722 Die Vorschrift des § 493 Abs. 1 BGB dürfte auch bei den angesprochenen befristeten Darlehensfinanzierungen kaum praktische Bedeutung haben. Anders vielleicht in der Situation der Umwegfinanzierung. Informationspflichtig wäre dann das Kreditinstitut.

___________ 635) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 492 Rz. 136. 636) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 492 Rz. 5.

974

VII. Abtretung

IV.

Fortsetzungsbereitschaft bei nahem Vertragsende

§ 493 Abs. 2 BGB basiert nicht auf der Verbraucherkreditrichtlinie. Gleichwohl 4.723 stehen sie nicht zum europäischen Recht im Widerspruch. Wie aus Erwägungsgrund 9 der Richtlinie hervorgeht, regelt diese die Informationspflichten während des Vertragsverhältnisses nicht abschließend.637) Erfasst werden Verträge mit einem festen Endtermin, Unter „Beendigung“ dürfte entgegen dem zu weiten Wortlaut nicht die Kündigung zu verstehen sein. In gleicher Weise ist auch das in § 493 Abs. 2 Satz 1 BGB verwendete Wort „Darlehensverhältnis“ eingeschränkt i. S. v. „Darlehensvertrag“ zu interpretieren. Geht es um die Bereitschaft des Darlehensgebers zur Fortführung des Vertrags, muss den Anforderungen des § 491a BGB an die vorvertraglichen Informationen Genüge getan werden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers handelt es sich um die Mitteilung der aktuellen Konditionen, nicht um einen verbindlichen Folgeantrag.638) Praktische Probleme, die allerdings vermeidbar sind, könnten bei Nachträgen 4.724 oder Anschlussvereinbarungen entstehen. Richtigerweise wird hier ein neuer Vertrag geschlossen unter Abrechnung und Aufhebung des bestehenden. Insofern ist dann der persönliche Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts nicht mehr gegeben. V.

Anpassung des veränderlichen Sollzinssatzes

Da Darlehens- und Getränkelieferungsverträge in der Regel keinen veränder- 4.725 lichen Sollzinssatz aufweisen, hat § 493 Abs. 3 BGB keine Bedeutung. VI.

Absicht vorzeitiger Rückzahlung

Hat der Darlehensnehmer die Absicht, das Darlehen vorzeitig zurückzuführen 4.726 (§ 500 Abs. 2 BGB), so steht ihm ein Auskunftsanspruch unter der Voraussetzung zu, dass er entschuldbar über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer die verlangte Auskunft zu erteilen.639) VII. Abtretung 1.

Tatbestand

Wird eine Forderung des Darlehensgebers aus einem Verbraucherdarlehensver- 4.727 trag an einen Dritten abgetreten oder findet in der Person des Darlehensgebers ein Wechsel statt, so ist der Darlehensnehmer wie nach der (Ausnahme-)Vorschrift des § 409 BGB unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger640) dar___________ 637) 638) 639) 640)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/1143, S. 97. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 17. BGH, Urt. v. 5.11.2002 – XI ZR 381/01, BGHZ 152, 307 = NJW 2003, 582 = ZIP 2003, 69. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/1143, S. 80.

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§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

über sowie über die Kontaktdaten des neuen Gläubigers nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3 EGBGB zu unterrichten (§ 496 Abs. 2 Satz 1 BGB). Unter die zweitgenannte Alternative fallen sowohl eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme als auch eine gesetzliche Rechtsnachfolge (Erbgang (§ 1922 BGB) und Maßnahmen nach dem UmwG641), nicht jedoch ein bloßer Rechtsformwechsel.642) Die Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn der Darlehensnehmer – wie im Falle der Vertragsübernahme – an dem den Wechsel auslösenden Tatbestand beteiligt war. Die Unterrichtung ist bei Abtretungen entbehrlich, wenn der bisherige Darlehensgeber mit dem neuen Gläubiger vereinbart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bisherige Darlehensgeber auftritt (§ 496 Abs. 2 Satz 2 BGB). Fallen die vorgenannten Voraussetzungen fort, ist die Unterrichtung unverzüglich nachzuholen (§ 496 Abs. 2 Satz 3 BGB). 2.

Praktische Bedeutung

4.728 Die Erweiterung der Passivlegitimation hinsichtlich der Informationspflicht nach § 493 Abs. 1 – 3 BGB auf den Zessionar gem. § 496 Abs. 2 BGB kann durchaus von praktischem Interesse sein. Zu denken ist an Übernahmen von Verträgen durch Andere, insbesondere andere Getränkelieferanten, und dies auch gruppen- bzw. konzernintern. Gleiches gilt für Refinanzierungen mit Sicherungsabtretungen im Vertriebsmodell 3, bei denen in Ermangelung entsprechender Sicherheiten des Getränkefachgroßhändlers als Sicherheit die jeweilige Darlehensvaluta aus dessen Verhältnis zum Darlehensnehmer ggf. neben weiteren Ansprüchen an die Brauerei abgetreten wird. Bei der Vertragsübernahme ist der Übernehmende informationspflichtig. Abweichende Regelungen sind aber möglich.643) § 46 Zahlungsverzug, Kündigung I. Verzug des Darlehensnehmers 4.729 a) Anwendungsbereich. § 497 BGB betrifft lediglich die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges des Verbrauchers/Existenzgründers hinsichtlich des verbraucherdarlehensrechtlichen Teils, soweit dieser wirksam ist, nicht dagegen den bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages. 4.730 b) Zahlungsverzug. Hinsichtlich der Verzugsvoraussetzungen gilt § 286 BGB. Auch im Rahmen des § 497 BGB können Fälligstellung und Mahnung verbunden werden.

___________ 641) Siehe oben § 15 I 2 b m. w. N. 642) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 496 Rz. 12. 643) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/9821, S16.

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§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

über sowie über die Kontaktdaten des neuen Gläubigers nach Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3 EGBGB zu unterrichten (§ 496 Abs. 2 Satz 1 BGB). Unter die zweitgenannte Alternative fallen sowohl eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme als auch eine gesetzliche Rechtsnachfolge (Erbgang (§ 1922 BGB) und Maßnahmen nach dem UmwG641), nicht jedoch ein bloßer Rechtsformwechsel.642) Die Mitteilungspflicht besteht auch dann, wenn der Darlehensnehmer – wie im Falle der Vertragsübernahme – an dem den Wechsel auslösenden Tatbestand beteiligt war. Die Unterrichtung ist bei Abtretungen entbehrlich, wenn der bisherige Darlehensgeber mit dem neuen Gläubiger vereinbart hat, dass im Verhältnis zum Darlehensnehmer weiterhin allein der bisherige Darlehensgeber auftritt (§ 496 Abs. 2 Satz 2 BGB). Fallen die vorgenannten Voraussetzungen fort, ist die Unterrichtung unverzüglich nachzuholen (§ 496 Abs. 2 Satz 3 BGB). 2.

Praktische Bedeutung

4.728 Die Erweiterung der Passivlegitimation hinsichtlich der Informationspflicht nach § 493 Abs. 1 – 3 BGB auf den Zessionar gem. § 496 Abs. 2 BGB kann durchaus von praktischem Interesse sein. Zu denken ist an Übernahmen von Verträgen durch Andere, insbesondere andere Getränkelieferanten, und dies auch gruppen- bzw. konzernintern. Gleiches gilt für Refinanzierungen mit Sicherungsabtretungen im Vertriebsmodell 3, bei denen in Ermangelung entsprechender Sicherheiten des Getränkefachgroßhändlers als Sicherheit die jeweilige Darlehensvaluta aus dessen Verhältnis zum Darlehensnehmer ggf. neben weiteren Ansprüchen an die Brauerei abgetreten wird. Bei der Vertragsübernahme ist der Übernehmende informationspflichtig. Abweichende Regelungen sind aber möglich.643) § 46 Zahlungsverzug, Kündigung I. Verzug des Darlehensnehmers 4.729 a) Anwendungsbereich. § 497 BGB betrifft lediglich die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges des Verbrauchers/Existenzgründers hinsichtlich des verbraucherdarlehensrechtlichen Teils, soweit dieser wirksam ist, nicht dagegen den bezugsrechtlichen Teil des Getränkelieferungsvertrages. 4.730 b) Zahlungsverzug. Hinsichtlich der Verzugsvoraussetzungen gilt § 286 BGB. Auch im Rahmen des § 497 BGB können Fälligstellung und Mahnung verbunden werden.

___________ 641) Siehe oben § 15 I 2 b m. w. N. 642) Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 496 Rz. 12. 643) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/9821, S16.

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II. Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

c) Vertragszins. Bereits mit Eintritt des Zahlungsverzugs des Darlehensneh- 4.731 mers kommt der Anspruch des Darlehensgebers auf Weiterzahlung des Vertragszinses zum Wegfall.644) d) Geschuldeter Betrag. Unter diesen Begriff fallen sowohl Annuitätenraten 4.732 als auch Einzelraten. e) Inhaltskontrolle. Klauseln, die im Zusammenhang mit Verzugszinsen von 4.733 § 497 BGB abweichende Regelungen enthalten, sind unwirksam (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dies gilt insbesondere auch für die Berechnung der Verzugszinsen (§ 497 Abs. 1 BGB). 1.

Verzugsschaden

a) Verbuchung. Nicht immer beachtet wird, dass die nach Eintritt des Verzugs 4.734 anfallenden Zinsen auf einem gesonderten Konto (Sonderkonto) zu verbuchen sind und nicht in ein Kontokorrent mit dem geschuldeten Betrag oder anderen Forderungen des Darlehensgebers eingestellt werden dürfen (§ 497 Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine Zahlungsklage ist nur dann schlüssig, wenn der Darlehensgeber die ordnungsgemäße Kontentrennung darlegt und ggf. beweist. b) Deckelung. Hinsichtlich der Verzugszinsen gilt § 289 Satz 2 BGB mit der 4.735 Maßgabe, dass der Darlehensgeber Schadensersatz nur bis zur Höhe des gesetzlichen Zinssatzes (§ 246 BGB) verlangen kann (§ 497 Abs. 2 Satz 2 BGB). 2.

Anrechnung von Teilleistungen

Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen wäre der Darlehensgeber nicht 4.736 verpflichtet, Teilleistungen des Darlehensnehmers anzunehmen (§ 266 BGB). Zu beachten ist, dass § 497 Abs. 3 Satz 1 BGB eine von § 367 Abs. 1 BGB abweichende Verbuchung vorschreibt. § 497 Abs. 3 Satz 1 BGB steht der Vereinbarung eines Annuitätendarlehens 4.737 nicht entgegen, weil diese Vorschrift Ratenverzug des Kreditnehmers voraussetzt.645) II.

Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

1.

Anwendungsbereich

a) Sachlicher Anwendungsbereich. aa) Finanzierung. § 498 BGB regelt nur 4.738 die Kündigung wegen Zahlungsverzuges bei Verbraucherdarlehen und anderen Verbraucherkreditverträgen (§ 506 Abs. 1 BGB) und ist nur insoweit eine Son___________ 644) BGH, Urt. v. 19.1.2016 – XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 = NJW 2016, 1379 = ZIP 2016, 709. 645) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00.

977

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

derregelung gegenüber dem allgemeinen Recht zur außerordentlichen Kündigung.646) 4.739 Ein Gegenschluss aus dem Wortlaut („in Teilzahlungen zu tilgen ist“) (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB) ergibt, dass Abschreibungs- und Rückvergütungsgutschriftendarlehen nicht erfasst sind. 4.740 bb) Bindung. Wird die Kündigung allein oder zusätzlich auf andere Kündigungsgründe gestützt, zu denken ist an die Fallgruppen des Fremdbezuges, der Einstellung des Getränkebezuges, der Schließung der Gaststätte, des Vermögensverfalls, der Insolvenz oder anderer wesentlicher Verletzungen vertraglicher Verpflichtungen, macht eine Fristsetzung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB keinen Sinn. Insofern ist der Gläubiger zur sofortigen Kündigung berechtigt. 4.741 b) Persönlicher Anwendungsbereich. Ist der Darlehensnehmer Existenzgründer (§ 513 BGB) oder Verbraucher (§ 13 BGB), müssen die Voraussetzungen des § 498 BGB geprüft werden. Gleiches gilt für mithaftende Personen mit diesem Status. Dabei handelt es sich um einzelwirkende Tatsachen i. S. d. § 425 Abs. 2 BGB („insbesondere“).647) Auf sonstige, nicht dem Schutzbereich des § 498 BGB unterliegende Darlehensnehmer kann die Kündigung schon dann erstreckt werden, wenn die Voraussetzungen einer Kündigung in der Person eines anderen Gesamtschuldners erfüllt sind; auch eine Androhung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB ist insoweit entbehrlich. 2.

Konkurrenzen

4.742 Die außerordentlichen Kündigungsrechte aus § 490 Abs. 1 BGB648) und § 314 BGB, soweit sie nicht auf Verzug beruhen, bleiben unberührt.649) 3.

Abdingbarkeit

4.743 Abweichende Regelungen zu Lasten des Verbrauchers sind gem. § 512 Satz 1 BGB unzulässig. So darf die Zwei-Wochen-Frist nicht verkürzt werden. 4.

Kündigungsgrund Ratenverzug

4.744 Bei einer fristlosen Kündigung wegen Ratenverzugs nach § 498 BGB müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt werden. ___________ 646) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIII ZR 343/00. 647) BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133 = ZIP 2000, 1493 (Leasingvertrag); BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI ZR 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524 (Darlehensvertrag); OLG Hamm, Urt. v. 14.2.1997 – 7 U 60/96, OLGReport 1997, 101. 648) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/9821, S. 21. 649) BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292; OLG Hamm, Urt. v. 5.6.1998 – 30 U 163/97, NJW-RR 1998, 1672.

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II. Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

a) Zahlungsverzug. Durch einen Tilgungsplan nach § 492 Abs. 3 Satz 2, 4.745 Art. 247 § 14 EGBGB wird i. d. R. die Voraussetzung von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB, also die Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender, gegeben sein, so dass eine Mahnung durch den Darlehensgeber nicht erforderlich ist. Gleiches gilt bei einem Teilzahlungsplan nach § 492 Abs. 2, Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB. Der Darlehensnehmer gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht er- 4.746 füllt, in dem die Forderung wirksam (durchsetzbar, keine Leistungsverweigerungsrechte) und fällig ist, angemahnt und noch möglich (nachholbar) ist und er die Verzögerung zu vertreten hat. In der Situation der §§ 358 – 360 BGB ist daher § 359 Abs. 1 Satz 1 BGB dann zu beachten, wenn der Verbraucher sich vor der Kündigungserklärung auf etwaige Leistungsverweigerungsrechte berufen hat. b) Mindestrückstand.650) aa) Zahl der Raten. Aus dem Wortlaut des § 498 4.747 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a BGB folgert die h. M., dass § 498 BGB nur Verbraucherdarlehensverträge anwendbar sei, die in mindestens drei Raten zu tilgen sind.651) Der Verzug mit Anzahlungsraten, d. h. Raten, die schon vor Lieferung der Sache oder Erbringung der sonstigen Leistung zu entrichten sind, bleibt somit bei der Prüfung außer Betracht.652) bb) Teilverzug. Es ist ausreichend, wenn nur ein auch geringfügiger Teil der 4.748 Rate offen ist. cc) Tilgungsbestimmung. Nach h. M. liegt in einer Teilzahlungsvereinba- 4.749 rung die Abrede, dass die Zahlung auf die jeweils älteste offene Rate verrechnet wird.653) Der Verbraucher kann nicht nur jede zweite Rate tilgen. Eine Umgehung des 4.750 Kündigungserfordernisses von mindestens zwei aufeinander folgenden Raten durch Tilgungsbestimmung (analog § 366 Abs. 1 BGB) ist nicht möglich.654) dd) Fristgerechter Zahlungseingang. Eine „nachgeholte Zahlung“ des rück- 4.751 ständigen Betrages muss innerhalb der gesetzten Frist auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben worden sein. Der Schuldner trägt bei Geldschulden das Risiko der Verzögerung. Im Interesse einer einheitlichen Auslegung des § 270 BGB gilt dies auch für Verbraucher.655)

___________ 650) 651) 652) 653) 654) 655)

OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 498 Rz. 1. Str., wie hier Erman-Nietsch, BGB, § 498 Rz. 9. BGH, Urt. v. 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, NJW 1984, 2404. Str., wie hier Palandt-Weidenkaff, BGB, § 498 Rz. 3. EuGH, Urt. v. 3.4.2008 – C-306/09, NJW 2008, 1935 = ZIP 2008, 732.

979

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

4.752 ee) Darlegung und Beweis. Der Getränkelieferant muss den Eintritt des Ratenverzuges darlegen.656) 4.753 c) Gesamtrückstand. Bei Vertragslaufzeiten von mehr als drei Jahren muss der Zahlungsrückstand mindestens 5 % des Nennbetrags des Darlehens betragen, bei einer Laufzeit bis zu drei Jahren 10 % des Nennbetrags (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b BGB). Die Rückstandsquote bezieht sich auf sämtliche Zahlungsrückstände des Darlehensnehmers. Sie muss sich nicht aus zwei aufeinander folgenden, nicht oder nicht vollständig bezahlten Raten ergeben. Die Rückstandsquote und damit der qualifizierte Ratenverzug müssen jedenfalls zum Zeitpunkt der Kündigungsandrohung mit Fristsetzung gegeben sein. 5.

Zweiwöchige Nachfrist mit Kündigungsandrohung

4.754 a) Erforderlichkeit. Vor der Kündigung muss der Darlehensgeber nach Eintritt der Voraussetzungen des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB erfolglos eine (Mindest-)Frist von zwei Wochen zur Zahlung des rückständigen Betrages unter Androhung der Gesamtfälligstellung bei fruchtlosem Ablauf der Nachfrist gesetzt haben (§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB).657) Die Frist beginnt mit Zugang des Schreibens bei dem Darlehensnehmer. Dieses ist bei der Fristberechnung und Fristangabe im Schreiben zu berücksichtigen.658) 4.755 b) Entbehrlichkeit. Verweigert der Verbraucher ernsthaft und endgültig, weitere Leistungen zu erbringen, so ist eine Nachfristsetzung in Rechtsanalogie zu den §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Eine Fristsetzung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB wäre in diesem Falle sinnlos und nur eine „nutzlose, durch nichts zu rechtfertigende Förmelei“.659) 4.756 c) Inhalt. In der Erklärung muss der rückständige Betrag genau beziffert werden, der sich auf dasjenige erstreckt, was der Darlehensnehmer nach § 497 Abs. 1 und 2 BGB zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung schuldet. Der rückständige gesamte noch geschuldete (offene) Betrag (§§ 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 497 Abs. 1 Satz 1 a. A. BGB) muss also ausgerechnet und konkret angegeben werden einschließlich Nebenforderungen wie Verzugszinsen (auch Tageszinsen) und bereits aufgelaufener Rechtsverfolgungskosten.660) Nach Absendung des Schreibens anfallende Verzugszinsen können entweder bei entsprechendem Hinweis, ggf. auch bis zum Ablauf der gesetzten Frist, eingerechnet werden ___________ 656) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – VIIIZR 343/00. 657) OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2013 – 9 U 43/12, BeckRS 2013, 22396. 658) LG Berlin, Urt. v. 29.1.2002 – 10 0. 367/01. 659) BGH, Urt. v. 5.12.2006 – XI ZR 341/05, NJW-RR 2007, 1202 = ZIP 2007, 414. 660) BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406.

980

II. Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

oder aber als Zusatzposition, etwa durch die Formulierung „Hinzu kommen Tageszinsen in Höhe von … €.“ angegeben werden. Die vom Darlehensnehmer nach erfolgter Kündigung zu zahlende Restschuld 4.757 braucht in der Erklärung nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB allerdings nicht angeführt zu werden.661) Der Wortlaut des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB „rückständiger Betrag“ und der Normzweck sprechen für eine gegenteilige Interpretation.662) Auch nur geringfügige Zuvielforderungen führen zur Unwirksamkeit der Frist- 4.758 setzung und damit zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt, es sei denn, es handelt sich um geringe Cent-Beträge oder offensichtliche „Zahlendreher“.663) Ebenso schadet die Berechnung unberechtigter „Mahngebühren“ oder „Inkassokosten“.664) Im Rahmen der qualifizierten Mahnung ist Vorsicht mit der Angabe von wei- 4.759 terberechneten Gebühren für Rücklastschriften bzw. in Rechnung gestellten Mahnkosten angebracht. Wird nämlich, wie zumeist, die abstrakte Schadensberechnung gewählt, kann der Kreditgeber nicht zusätzlich Mahnkosten oder etwaige erhöhte Verwaltungskosten als Gemeinkosten verlangen. Tut er dies dennoch, so besteht die Gefahr, dass nicht berechtigte Kosten zur Unwirksamkeit der nachfolgenden Kündigung führen können.665) d) Verbindungsverbot. Erst nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist kann der 4.760 Darlehensgeber den Darlehensvertrag wirksam kündigen. Die Kündigungserklärung kann nicht aufschiebend mit einer Nachfristsetzung verbunden werden, weil damit die Regelung des § 498 Abs. 1 Satz 2 BGB unterlaufen werden würde.666) Ebenfalls kann die Kündigung nicht unter die aufschiebende Bedingung der nicht rechtzeitigen Zahlung gestellt werden.667) e) Nichtzahlung. Bei der Fristsetzung in der Kündigungsandrohung ist nach 4.761 § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB zu beachten, dass nur die Zahlung bzw. die rechtzeitige Abbuchung vom Konto des Schuldners, nicht jedoch der Eingang des Geldes beim Darlehensgeber innerhalb der Zwei-Wochen-Frist verlangt werden darf. Ansonsten würde eine unzulässige Verkürzung der gesetzlich vorge-

___________ 661) OLG Köln, Urt. v. 21.7.1999 – 11 U 21/99, OLG-Report 1999, 412; OLG Nürnberg, Urt. v. 27.4.2009 – 14 U 1037/08, BeckRS 2009, 12472 = ZIP 2009, 1801. 662) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.1.1995 – 24 U 81/94, WM 1995, 1530. 663) BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406. 664) OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.11.2013 – 9 U 43/12, BeckRS 2013, 22396. 665) BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406. 666) OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.7.1997 – 24 W 80/96, OLG-Report 1997, 274; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.1998 – 22 U 104/98, NJW-RR 1999, 259. 667) LG Bonn, Urt. v. 14.4.1997 – 13 O. 54/97, NJW-RR 1998, 979.

981

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

schriebenen Zwei-Wochen-Frist mit der Rechtsfolge eintreten, dass eine aufgrund der Androhung ausgesprochene Kündigung unwirksam ist.668) 4.762 f) Erklärung. Die Verwendung des Wortes „Kündigung“ ist nicht Voraussetzung einer wirksamen Androhung.669) Auch muss nicht notwendigerweise die Kündigung selbst angedroht werden. 4.763 g) Form und Frist. Die geschäftsähnliche Handlung der Nachfristsetzung ist auf einem dauerhaften Datenträger (Textform) zu verkörpern.670) In der Vertragspraxis werden vom Gläubiger im Hinblick auf den normalen Postlauf unterschiedliche Fristen gesetzt. Eine Frist von zwei Wochen nach Briefdatum (Datum der Nachfristsetzung) dürfte genügen.671) 4.764 h) Rechtsfolgen eines Verstoßes. Das Risiko des Verstoßes gegen § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB ist groß. aa) Unwirksamkeit der Kündigung. Erfüllt die Kündigungsandrohung nicht die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere bei Fehlen einer Nachfristsetzung, so ist die sich daran anschließende Kündigung des Darlehensvertrages unwirksam.672) 4.765 bb) Schadensersatz. Liegen die Voraussetzungen für eine auf Ratenverzug gestützte Gesamtfälligstellung des Darlehens nicht vor, so stellt die Kündigung des Darlehensvertrages eine Vertragsverletzung dar, die bei schuldhaftem Handeln des Gläubigers einen Schadensersatzanspruch begründen kann.673) 6.

Gesprächsangebot

4.766 Das Angebot eines Gesprächs über die Möglichkeiten einer einverständlichen Regelung etwa im Sinne einer Reduzierung der Raten, einer Tilgungsaussetzung oder einer Prolongation, ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Schon dem Wortlaut des § 498 Abs. 1 Satz 2 BGB nach handelt es sich nämlich um eine bloße Sollvorschrift.674) Dabei ist die Textform zu wahren.675) 7.

Kündigungsberechtigung

4.767 a) Grundsatz. Die Berechtigung zur Kündigung entsteht erst mit Ablauf der gesetzten Zahlungsfrist.676) ___________ 668) 669) 670) 671) 672) 673) 674) 675) 676)

982

Str., wie hier OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.1997 – 24 U 54/96, NJW-RR 1998, 780. OLG Köln, Urt. v. 21.7.1999 – 11 U 21/99, OLG-Report 1999, 412. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 492 Rz. 7. OLG Köln, Urt. v. 21.7.1999 – 11 U 21/99, OLG-Report 1999, 412; a. A. Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 226: drei Wochen. OLG Celle, Beschl. v. 9.11.2006 – 3 W 126/06, BeckRS 2006, 13790. Erman-Nietsch, BGB, § 498 Rz. 32. BGH, Urt. v. 14.2.2001 – VIII ZR 277/99, NJW 2001, 1249 = ZIP 2001, 641. Str., wie hier MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 56. BGH, Urt. v. 24.4.1996 – VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033 = ZIP 1996, 1170.

II. Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

b) Situationen. Nach Ablauf der gesetzten Nachfrist können sich folgende Si- 4.768 tuationen ergeben: aa) Hat der Darlehensnehmer den rückständigen Betrag vor Ausspruch der Kündigung vollständig gezahlt, so ist der Verzug ex nunc beseitigt.677) Die Fristüberschreitung ist entsprechend § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB unbeachtlich. Die Kündigungsvoraussetzungen sind entfallen. Das Darlehensverhältnis wird unverändert fortgesetzt. Zins- oder Schadensersatzansprüche i. S. d. § 497 Abs. 1 BGB bleiben allerdings unberührt. bb) Das Darlehensverhältnis wird ebenfalls unverändert fortgesetzt, wenn der 4.769 Darlehensnehmer erst nach Fristablauf, aber noch vor dem Ausspruch der Kündigung zahlt. cc) Erbringt der Darlehensnehmer entgegen der Zahlungsaufforderung nur Teil- 4.770 zahlungen und wird dadurch die Rückstandsquote unter die 10 oder 5 % der Nr. 1 des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b BGB gedrückt, so bleiben im Hinblick auf den noch offenen Betrag die Kündigungsvoraussetzungen erhalten. Der Gläubiger bleibt zur Kündigung berechtigt. Nur die Leistung des vollen rückständigen Betrags beseitigt das Kündigungsrecht, wie das auch für die mietrechtliche Parallele nach §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB gilt. Teilzahlungen bewahren den Verbraucher demgemäß nicht vor der Kündigung.678) Das gilt erst recht, wenn nach Fristablauf keine vollständige Zahlung zu verzeichnen ist.679) 8.

Kündigungserklärung

a) Allgemein. § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt klar, dass es zur Fälligkeit der 4.771 Restschuld einer Kündigungserklärung des Darlehensgebers bedarf. In der Androhung der Kündigung liegt nicht die Kündigung selbst noch weniger die Gesamtfälligkeit. Vielmehr bedarf es einer gesonderten Kündigungserklärung. Diese ist zwar von Gesetzes wegen nicht formgebunden und kann damit grundsätzlich auch konkludent erklärt werden.680) Zumindest sollte sie aber auf einem dauerhaften Datenträger (§§ 492 Abs. 5, 126b Satz 2 BGB) und damit vor allem in Textform erklärt werden.681) b) Kündigungserklärungsfrist. Die Kündigungserklärung muss auch entspre- 4.772 chend § 314 Abs. 3 BGB innerhalb eines angemessenen Zeitraumes nach der Kenntnis des Darlehensgebers vom Vorliegen des Kündigungsgrundes erfolgen, sonst kann der Darlehensnehmer sich ggf. auf Verwirkung berufen. Bei der einzelfallabhängigen Bestimmung dieser Frist ist die starre Zwei-Wochen-Frist ___________ 677) 678) 679) 680) 681)

BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406. BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406. BGH, Urt. v. 24.4.1996 – VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033 = ZIP 1996, 1170. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 498 Rz. 24. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 70 f.

983

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

der Sonderregelung für Dienstverträge in § 626 Abs. 2 BGB weder direkt noch entsprechend anzuwenden.682) Die anderenfalls einzuhaltende Zwei-WochenFrist für den Kündigungsausspruch ist insbesondere auch deshalb zu kurz, weil die gesetzlichen Kündigungsvoraussetzungen über Wochen bereits herbeigeführt werden müssen. Aus Gründen unternehmerischer Vorsicht sollte allerdings nach Ablauf der in der Kündigungsandrohung gesetzten Frist möglichst schnell, spätestens innerhalb von zwei Wochen gekündigt werden. 4.773 Wird die Kündigung nicht innerhalb angemessener Frist ausgesprochen, muss die Kündigungsandrohung unter erneuter Fristsetzung wiederholt werden.683) 9.

Kündigung gegenüber Gesamtschuldnern

4.774 a) Grundsatz. Damit die Kündigung insgesamt rechtswirksam ist, müssen alle Einzelkündigungen wirksam sein. Die Kündigungsvoraussetzungen des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BGB müssen nur in der Person desjenigen Gesamtschuldners vorliegen, der in den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts als Verbraucher bzw. Existenzgründer fällt.684) Anderenfalls geht die Kündigung ins Leere.685) Auf sonstige, nicht in den Schutzbereich des § 498 BGB unterliegende Darlehensnehmer kann die Kündigung dagegen schon dann erstreckt werden, wenn die Voraussetzungen einer Kündigung in der Person eines anderen Gesamtschuldners erfüllt sind; auch eine Androhung nach § 498 Satz 1 Nr. 2 BGB ist insoweit entbehrlich. 4.775 b) Nachfristsetzung mit Kündigungsandrohung. Die qualifizierte Mahnung ist als einzelwirkende Tatsache (§ 425 Abs. 2 BGB) ggf. jedem Einzelnen davon gesondert zu erklären.686) 4.776 c) Kündigungserklärung. Das Vertragsverhältnis kann nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern gekündigt werden.687) Ansonsten könnte sich der Verbraucher, dem gegenüber nicht wirksam gekündigt wurde, gleichwohl (Regress-)Forderungen der Gesamtschuldner nach § 426 BGB ausgesetzt sehen. Die Kündigung muss gegenüber jeder einzelnen Person erklärt werden, wenngleich die Voraussetzungen nach § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB nur in der ___________ 682) BGH, Beschl. v. 12.7.1984 – III ZR 32/84, BeckRS 1984, 31068654; OLG Nürnberg, Urt. v. 27.4.2009 – 14 U 1037/08, BeckRS 2009, 12472 = ZIP 2009, 1801 (Bedenkzeit von bis zu sieben Wochen); a. A. OLG Köln, Urt. v. 21.7.1999 – 11 U 21/99, OLG-Report 1999, 412. 683) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 498 Rz. 24. 684) BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133= ZIP 2000, 1493; BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 3/01, BeckRS 2002, 09807 = ZIP 2003, 22. 685) OLG Hamm, Urt. v. 23.3.1999 – 7 U 81/98, BeckRS 1999, 04299. 686) BGH, Urt. v. 26.1.2005 – VIII ZR 90/04, NJW-RR 2005, 1410 = ZIP 2005, 406. 687) BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133= ZIP 2000, 1493; BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI ZR 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524.

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II. Außerordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 498 BGB

Person eines Gesamtschuldners erfüllt sein müssen. Deshalb ist auch jeder von ihnen in Verzug zu setzen und sind jedem gegenüber Nachfristsetzung und Androhung zu erklären, will der Kreditgeber die Gesamtfälligkeit gegenüber allen Gesamtschuldnern erreichen will.688) Eine durch AGB bestimmte gegenseitige Empfangsbevollmächtigung ist gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.689) Bei einer gemeinsamen Anschrift ist jedenfalls bei Eheleuten bzw. Partnern ein einheitlich adressiertes Schreiben ausreichend.690) 10.

Kündigungsfolgen

a) Fälligkeit. Ein Darlehen ist gem. § 488 Abs. 3 Satz 1 BGB fällig, wenn der 4.777 Darlehensgeber gekündigt hat. Eine Teilzahlungsabrede fällt mit Wirkung ex tunc weg. b) Vertragszins. Jedenfalls mit Zugang der Kündigungserklärung entfällt die 4.778 Verpflichtung zur Weiterzahlung des Vertragszinses.691) c) Restschuld. Restschuld (Restsaldo) ist der Betrag, der sich aufgrund der Kün- 4.779 digung ergibt. Die Kündigung nach § 498 BGB bezieht sich allein auf die noch offenen, bei planmäßigem Verlauf des Darlehensvertrags erst künftig fällig werdenden Raten, nicht dagegen auf rückständige Raten. Der Darlehensnehmer gerät mit der Restschuld erst in Verzug, wenn mit der Kündigung sofortige Rückzahlung begehrt (nochmalige Mahnung, Leistungsaufforderung nach § 286 Abs. 1 BGB) wird oder der Darlehensgeber gleichzeitig eine Rückzahlungsfrist setzt (§ 286 Abs. 2 Nr. 2, § 286 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Erfüllungsverweigerung und damit eine Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB kann zwar auch in der Nichterfüllung der Restschuld oder auch in der Zahlung bloßer Teilbeträge liegen. Die bloße Zahlungsverweigerung kann auch konkludent erklärt werden, was aber aufgrund der strengen Anforderungen an die Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB nicht genügt. Ggf. hilft ein Hinweis nach § 286 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BGB.692) Für den Verzug des Darlehensnehmers ist zudem erforderlich, dass ihm ein Verschulden zu Last fällt. Dies zeigt der Wortlaut des § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, wo von Verzug und nicht von Rückstand gesprochen wird.

___________ 688) BGH, Urt. v. 28.6.2000 – VIII ZR 240/99, BGHZ 144, 370 = NJW 2000, 3133= ZIP 2000, 1493. 689) Siehe unten § 59 IV 4, insbesondere c cc, m. w. N. 690) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, NJW 1989, 2383 = NJW-RR 1989, 1206. 691) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 26. Im Übrigen siehe oben § 44 I 1 c m. w. N. 692) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566.

985

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

III.

Ordentliche Kündigung durch den Darlehensgeber nach § 499 BGB

1.

Kündigungsrecht

4.780 a) Vertragliche Vereinbarung. Befristete Darlehensverträge können grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden. Ein solches Kündigungsrecht kann zwar an sich individualvertraglich vereinbart werden. Dies gilt aber nicht bei (ausdrücklich oder konkludent) unbefristeten Verbraucherdarlehensverträgen (§ 499 Abs. 1 Fall 1 BGB). Bezüglich unbefristeter Verträge ist in Abweichung von § 488 Abs. 3 BGB eine Verkürzung der Kündigungsfrist auf höchstens zwei Monate ebenfalls nicht möglich (§ 499 Abs. 1 Fall 2 BGB). Dies gilt auch für sonstige Verbraucherfinanzierungen (§ 506 Abs. 1 BGB). Fehlt es an einer Abrede oder ist diese unwirksam, wäre eine ordentliche Kündigung demnach ausgeschlossen. 4.781 b) Rückgriff auf § 488 Abs. 3 BGB. Um diese harte Konsequenz zu vermeiden, wird zutreffend die Zulässigkeit eines Rückgriffs auf das gesetzliche Kündigungsrecht des § 488 Abs. 3 BGB gefordert.693) 2.

Unzureichende Kreditwürdigkeitsprüfung

4.782 a) Sachlicher Anwendungsbereich. § 499 Abs. 3 BGB gilt im Gegensatz zu den Abs. 1 und 2 der Vorschrift für alle Verbraucherdarlehensverträge i. S. d. § 491 Abs. 1 Satz 2 BGB unmittelbar sowie gemäß § 506 Abs. 1 BGB für entgeltliche Zahlungsaufschübe und sonstige entgeltliche Finanzierungshilfen entsprechend. 4.783 b) Sanktionsverbot. § 499 Abs. 3 Satz 1 BGB verbietet eine Kündigung oder andere Beendigung sowie eine Änderung des Darlehensvertrags, wenn die von dem Darlehensnehmer vor Vertragsschluss gemachten Angaben unvollständig waren oder weil die Kreditwürdigkeitsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Verstößt der Darlehensgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung, sei es durch Durchführungsmängel, sei es durch eine nicht hinreichende Fragestellung, stehen ihm keine Rechte zur Loslösung vom Vertrag oder zu dessen Änderung zu. Die Begründung, die Kreditwürdigkeitsprüfung sei unvollständig oder sonst fehlerhaft, steht dem Darlehensgeber nicht zur Verfügung. Gestaltungsrechte nach §§ 314, 313 Abs. 1 oder 3, 323, 119 Abs. 2 BGB scheiden aus. Der Vertrag bleibt selbst dann wirksam, wenn der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag abschließt, der aufgrund des Ergebnisses der Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hätte geschlossen werden dürfen. Er kann vom Kreditgeber auch nicht mit der Begründung, er hätte nie abgeschlossen werden dürfen, vorzeitig beendet werden. 4.784 c) Ausnahme bei Vorsatz. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn der Darlehensnehmer die nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB erbetenen Informationen ___________ 693) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 499 Rz. 4.

986

IV. Kündigung durch den Darlehensnehmer

wissentlich vorenthalten oder nicht vollständig erteilt hat, er wissentlich unrichtige Angaben macht oder etwa Dokumente fälscht (§ 499 Abs. 3 Satz 2 BGB).694) Aber auch dann hängt die zulässige Reaktion des Darlehensgebers davon ab, welche Bedeutung die Informationen nach § 505b BGB für die Kreditvergabeentscheidung gehabt haben. Hatten sie keinen entscheidenden Einfluss und damit keine Ursächlichkeit für die Kreditvergabeentscheidung, so verbleibt es bei der Regelung des § 499 Abs. 3 Satz 1 BGB. Nicht ausgeschlossen ist das Recht des Darlehensgebers, den Vertrag vorzeitig 4.785 zu kündigen oder auf andere Weise zu beenden.695) IV.

Kündigung durch den Darlehensnehmer

1.

Allgemeine Kündigungsrechte

Da es sich bei den Vorschriften der §§ 488 Abs. 3, 489 BGB um allgemeine Dar- 4.786 lehensbestimmungen handelt, gelten sie auch für Existenzgründer und Verbraucher.696) Insofern kann verwiesen werden.697) 2.

§ 494 Abs. 6 Satz 1 BGB

a) Allgemein. Fehlen Angaben zur Laufzeit (§ 494 Abs. 6 Satz 1 Fall 1 BGB 4.787 i. V. m. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 6 EGBGB) oder zum Kündigungsrecht, etwa gem. §§ 489, 500, 314 BGB (§ 494 Abs. 6 Satz 1 Fall 2 BGB i. V. m. § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB), kann der Verbraucher jederzeit kündigen (§ 494 Abs. 6 Satz 1 BGB), soweit nicht der Schwellenwert von 75.000,00 € überschritten ist (§ 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Auch im Falle der Heilung nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB bleibt es bei dieser Rechtsfolge.698) Befristete Verträge werden sonach dem für unbefristete AVD geltenden Leitbild des § 500 Abs. 1 Satz 1 BGB unterworfen. Der Vertrag bleibt aber ein befristeter und kann daher vom Darlehensgeber nicht ordentlich gekündigt werden.699) b) Reichweite. Umstritten ist, ob sich § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB nur auf das 4.788 Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder auch auf das Kündigungsrecht des Darlehensgebers bezieht. Nach dem Wortlaut („Fehlen Angaben zum Kündigungsrecht“) kann sich § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB nur auf die Vorschrift beziehen, die das Erfordernis ihrer Angabe aufstellt, d. h. auf Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 5 EGBGB. Nach der Gesetzesbegründung zu § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB müssen im Verbraucherdarlehensvertrag beide Kündigungsrechte angegeben ___________ 694) 695) 696) 697) 698) 699)

BT-Drucks. 18/5922, S. 89. BT-Drucks. 18/5922, S. 103. OLG Hamm, Beschl. v. 30.12.2015 – 31 U 191/15, BeckRS 2016, 03248. Siehe oben § 40 VIII m. w. N. Erman-Nietsch, BGB, § 494 Rz. 23. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 494 Rz. 38.

987

§ 46 Zahlungsverzug, Kündigung

werden. Der Darlehensnehmer muss wissen, wann der Darlehensgeber kündigen kann und unter welchen Voraussetzungen er sein Kündigungsrecht ausüben kann.700) 3.

Ordentliches Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB

4.789 a) Kündigungsrecht. Der Darlehensnehmer kann nach § 500 Abs. 1 Satz 1 BGB, anders als der Darlehensgeber, einen unbefristeten AVD abweichend von § 488 Abs. 3 Satz 2 BGB jederzeit701) ganz oder teilweise ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, soweit diese nicht nach § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB wirksam vereinbart ist, kündigen. Eine gesetzliche Kündigungsfrist ist nicht vorgesehen.702) Praktisch werden könnten diese Bestimmungen bei Verbraucherdarlehensverträgen ohne festes Laufzeitende, insbesondere bei Rückführungen über Abschreibungen oder Rückvergütungsgutschriften, ggf. auch bei Mengenverträgen, Verlängerungsklauseln sowie in Nachtrags- sowie Anschlussfinanzierungssituationen. 4.790 b) Abdingbarkeit. § 500 Abs. 1 Satz 2 BGB lässt bei unbefristeten Verträgen eine Vereinbarung über eine Kündigungsfrist bis zu einem Monat zu. Insofern handelt es sich um eine anderweitige Bestimmung i. S. d. § 512 Satz 1 BGB.703) 4.791 c) Auslegung. Ist eine Kündigungsfrist nicht vereinbart, so kann eine überobligationsmäßige Leistung des Darlehensnehmers nicht nur als vorzeitige Erfüllung gemäß § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern auch als konkludente Teilkündigung auszulegen sein. 4.792 d) Kündigungsfrist. Ist neben einem Verbraucher auch ein Unternehmer am Vertrag beteiligt, so bestimmt sich die Kündigungsfrist gleichwohl einheitlich nach § 500 Abs. 1 BGB.704) 4.793 e) Die ex tunc wirkende Fiktion unterbliebener Kündigung bei Unterbleiben der Rückzahlung nach § 489 Abs. 3 BGB gilt nach h. M. für alle ordentlichen Kündigungen des Darlehensnehmers und damit auch des Verbrauchers in Fall des § 500 Abs. 1 BGB, jedenfalls bei ausdrücklich erklärter Kündigung.705) 4.

Recht zur vorzeitigen Erfüllung nach § 500 Abs. 2 Satz 1BGB

4.794 a) Anwendungsbereich. Nach Wortlaut und Systematik handelt es sich bei der Regelung in § 500 Abs. 2 BGB um eine Ausnahmebestimmung, die nicht für Unternehmerdarlehen gilt. ___________ 700) 701) 702) 703) 704) 705)

988

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 131. Erman-Nietsch, BGB, § 500 Rz. 2. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 96. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 500 Rz. 5. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 489 Rz. 12.

I. Grundlagen

b) Tatbestand. Das Recht zur vorzeitigen Erfüllung hat der Verbraucher ohne Vorliegen eines berechtigten Interesses gemäß § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB bei unbefristeten und auch bei befristeten, d. h. mit einer bestimmten Laufzeit versehenen und nach § 500 Abs. 1 BGB nicht kündbaren, Darlehensverträgen.706) Der Darlehensnehmer ist jederzeit und ohne Kündigung bzw. Angabe der Gründe zur vorzeitigen vollständigen oder teilweisen Erfüllung berechtigt. c) Verhältnis zur Kündigung. Die vorzeitige Rückzahlung i. S. v. § 500 Abs. 2 BGB ist keine Kündigung ebenso wie die Kündigung keine vorzeitige Rückzahlung ist.707) d) Reichweite. Das Recht zur vorzeitigen Erfüllung des Darlehensvertrages bezieht sich ausschließlich auf den Verbraucherdarlehensvertrag. Hierfür sprechen sowohl Wortlaut als auch Systematik der §§ 500 (Abs. 2), 502, 510 Abs. 1 Satz 1, 512 BGB als auch Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG, wo ausdrücklich von „Verbindlichkeiten aus einem Darlehensvertrag“ gesprochen wird. Gleiches folgt auch aus einer Zusammenschau des § 356 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB mit § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB. Eine vorzeitige Rückführung der Darlehensfinanzierung beendet daher die Getränkebezugsverpflichtung nicht.708) e) Umfang. Die vorzeitige Erfüllung bezieht sich nicht nur auf die Rückzahlungsforderung, sondern auch auf andere Verpflichtungen, die Verbindlichkeiten aus dem AVD sind. Dies ist insbesondere die Verpflichtung zu Teilzahlungen aus einem Teilzahlungsgeschäft (§ 506 Abs. 1 BGB).709) f) Rechtsfolgen. Rechtsfolge der vorzeitigen Erfüllung ist einerseits ein Anspruch des Darlehensgebers auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 BGB. Andererseits werden durch die vorzeitige die Finanzierungskosten vermindert. (§ 501 BGB).

4.795

4.796 4.797

4.798

4.799

4.800

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge I. Grundlagen 1.

Sachliche Anwendungsvoraussetzungen

a) Begriff. Unter IVD sind nach § 491 Abs. 3 Satz 1 BGB entgeltliche Darle- 4.801 hensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer zu verstehen, die nach § 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast gesichert sind oder nach Nr. 2 für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind. ___________ 706) 707) 708) 709)

Palandt-Weidenkaff, BGB, § 500 Rz. 3. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 494 Rz. 10. Siehe oben § 33 V 9 m. w. N. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 85.

989

I. Grundlagen

b) Tatbestand. Das Recht zur vorzeitigen Erfüllung hat der Verbraucher ohne Vorliegen eines berechtigten Interesses gemäß § 500 Abs. 2 Satz 1 BGB bei unbefristeten und auch bei befristeten, d. h. mit einer bestimmten Laufzeit versehenen und nach § 500 Abs. 1 BGB nicht kündbaren, Darlehensverträgen.706) Der Darlehensnehmer ist jederzeit und ohne Kündigung bzw. Angabe der Gründe zur vorzeitigen vollständigen oder teilweisen Erfüllung berechtigt. c) Verhältnis zur Kündigung. Die vorzeitige Rückzahlung i. S. v. § 500 Abs. 2 BGB ist keine Kündigung ebenso wie die Kündigung keine vorzeitige Rückzahlung ist.707) d) Reichweite. Das Recht zur vorzeitigen Erfüllung des Darlehensvertrages bezieht sich ausschließlich auf den Verbraucherdarlehensvertrag. Hierfür sprechen sowohl Wortlaut als auch Systematik der §§ 500 (Abs. 2), 502, 510 Abs. 1 Satz 1, 512 BGB als auch Art. 16 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG, wo ausdrücklich von „Verbindlichkeiten aus einem Darlehensvertrag“ gesprochen wird. Gleiches folgt auch aus einer Zusammenschau des § 356 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB mit § 356c Abs. 2 Satz 2 BGB. Eine vorzeitige Rückführung der Darlehensfinanzierung beendet daher die Getränkebezugsverpflichtung nicht.708) e) Umfang. Die vorzeitige Erfüllung bezieht sich nicht nur auf die Rückzahlungsforderung, sondern auch auf andere Verpflichtungen, die Verbindlichkeiten aus dem AVD sind. Dies ist insbesondere die Verpflichtung zu Teilzahlungen aus einem Teilzahlungsgeschäft (§ 506 Abs. 1 BGB).709) f) Rechtsfolgen. Rechtsfolge der vorzeitigen Erfüllung ist einerseits ein Anspruch des Darlehensgebers auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 BGB. Andererseits werden durch die vorzeitige die Finanzierungskosten vermindert. (§ 501 BGB).

4.795

4.796 4.797

4.798

4.799

4.800

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge I. Grundlagen 1.

Sachliche Anwendungsvoraussetzungen

a) Begriff. Unter IVD sind nach § 491 Abs. 3 Satz 1 BGB entgeltliche Darle- 4.801 hensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer zu verstehen, die nach § 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast gesichert sind oder nach Nr. 2 für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind. ___________ 706) 707) 708) 709)

Palandt-Weidenkaff, BGB, § 500 Rz. 3. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 494 Rz. 10. Siehe oben § 33 V 9 m. w. N. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 85.

989

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

4.802 b) Bereichsausnahmen. § 491 Abs. 3 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 4 BGB enthalten Voll- bzw. Teilausnahmen. 2.

Erweiterter Anwendungsbereich

4.803 § 491 Abs. 3 Satz 1 BGB hat einen erheblich weiteren Anwendungsbereich als § 503 a. F. BGB.710) Insbesondere folgende Tatbestände sind von Bedeutung:711) 4.804 a) Besicherung. Die vormalige Beschränkung auf die Abhängigmachung der Darlehensgewährung von dessen grundpfandrechtlicher Besicherung wird um die Besicherung durch Reallasten erweitert (§ 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). 4.805 b) Eigentumserwerb oder -erhaltung. Ein IVD liegt nunmehr auch vor, soweit das Darlehen dem Erwerb oder der Erhaltung des Eigentums an einem Grundstück, einem grundstücksgleichen Recht oder einem bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden dient (§ 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB). 4.806 c) Gewerbeimmobilien. Um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden, wurde die in der Richtlinie vorhandene Beschränkung auf Wohnimmobilien ausdrücklich nicht ins deutsche Recht übernommen. Es genügt somit jeglicher Immobilienbezug.712) Auch Gewerbeimmobilien sind erfasst.713) 4.807 d) Zweckneutralität. Der Verwendungszweck des Darlehens ist für die Anwendbarkeit ohne Belang. Daher kann das Verbraucherdarlehen für jeden Anlass verwendet werden kann.714) 3.

Besicherung mit Hilfe eines Grundstücks

4.808 a) Grundstücksbezug. aa) Allgemein. Besicherter IVD ist ein Verbraucherdarlehensvertrag, der durch ein Grundpfandrecht (Hypothek, Grund- und Rentenschuld) oder eine Reallast715) besichert ist und damit einen Grundstücksbezug aufweist (§ 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). Gedacht ist insbesondere an den Fall, dass die Darlehensauszahlung von der Gestellung der Sicherheit abhängig gemacht wird. 4.809 bb) Bedingungen. Nicht (mehr) vorausgesetzt wird, dass wegen der dinglichen Sicherung günstigere Bedingungen für das Verbraucherdarlehen vereinbart wurden. Maßgebend ist allein die auch nur vorgesehene faktische Besicherung durch ein Grundpfandrecht.716) ___________ 710) 711) 712) 713) 714) 715) 716)

990

BT-Drucks. 18/5922, S. 75. Im Übrigen siehe unten § 47 I 3 a und b sowie 4, jeweils m. w. N. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 75. BT-Drucks. 18/5922, S. 75, 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 76. BT-Drucks. 18/5922, S. 76.

I. Grundlagen

cc) Werthaltigkeit. Auf die Werthaltigkeit der Besicherung soll es nicht an- 4.810 kommen.717) dd) Person des Sicherungsgebers. Da es auf die Besicherungsform und nicht 4.811 auf die Person des Sicherungsgebers ankommt, muss der Darlehensnehmer nicht zwingend der Sicherungsgeber sein.718) Ausschlaggebend ist einzig die faktische Besicherung des Darlehens durch ein Grundpfandrecht gleich, ob diese durch den Darlehensnehmer oder einen Drittsicherungsgeber erfolgt.719) b) Besicherung. aa) Die Sicherung kann auch rein schuldrechtlicher Natur 4.812 sein (etwa nur durch Einbindung in der Sicherungsabrede). Erheblich ist allein, dass eine Verbindung zwischen dem dinglichen Recht und dem Darlehensvertrag vorhanden ist.720) bb) Neubestellung. Wie sich aus Wortlaut „besichert sind“ ergibt, muss das 4.813 Grundpfandrecht nicht neu bestellt werden. Ein Darlehensvertrag ist auch dann grundpfandrechtlich gesichert, wenn er von der Sicherungsabrede einer schon bestehenden dinglichen Sicherung umfasst wird.721) cc) Teilabsicherung. Wird nur ein Teil des Darlehens durch ein Grundpfand- 4.814 recht besichert, so genügt dies. 4.

Eigentumserwerb oder -erhaltung

a) Zweckrichtung. aa) Allgemein. Nach § 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB unter- 4.815 fallen dem Begriff des IVD darüber hinaus alle Verbraucherdarlehensverträge, die zum Zweck des Erwerbs oder der Erhaltung von Eigentumsrechten an einem Grundstück oder einem vorhandenen oder geplanten Gebäude oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten abgeschlossen werden, ohne dass hierbei eine grundpfandrechtliche Sicherung vorhanden sein muss, insbesondere vollzogen wird. bb) Angabe. Der Verwendungszweck ist Motiv des Vertragsschlusses. Er muss 4.816 dem Darlehensgeber zumindest bekannt sein, braucht aber nicht in den Vertragstext aufgenommen zu werden.722) cc) Tatsächliche Verwendung. Maßgeblich ist allein die für den Darlehensge- 4.817 ber erkennbare Zwecksetzung. Daher ist auch die spätere tatsächliche Verwen___________ 717) BGH, Urt. v. 18.3.2003 – XI ZR 422/01, NJW 2003, 2093 = ZIP 2003, 894. 718) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 76/907, NJW-RR 2008, 643. 719) BGH, Urt. v. 26.10.2004 – XI ZR 255/03, BGHZ 161, 15 = NJW 2005, 664 = ZIP 2005, 69; BGH, Urt. v. 21.6.2005 – XI ZR 88/94, NJW 2005, 2985 = ZIP 2005, 1357; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 29/05, BGHZ 167, 223 = NJW 2006, 1952 = ZIP 2006, 987. 720) BT-Drucks. 18/5922, S. 77. 721) BT-Drucks. 18/5922, S. 76. 722) BT-Drucks. 18/5922, S. 78.

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§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

dung für einen anderen als die in der Vorschrift genannten Zwecke für die Einordnung unbeachtlich.723) 4.818 dd) Gegenstände. Was die möglichen Gegenstände angeht, deren Erwerb oder Erhaltung das Darlehen dienen muss, so nennt das Gesetz als ersten Bezugspunkt Eigentumsrechte an Grundstücken. Der Begriff „Eigentum“ ist weit zu verstehen und umfasst sämtliche Formen des Eigentums an einem Grundstück (Alleineigentum, Miteigentum, auch Wohnungseigentum).724) 4.819 Vom Begriff der grundstücksgleichen Rechte wird neben beschränkten dinglichen Rechten auch das Erbbaurecht erfasst.725) 4.820 b) Erwerb. Für den Erwerb genügt es, wenn er nur geplant ist. Ein tatsächlicher Erwerb oder eine erfolgreiche Erhaltung des Gegenstands ist nicht erforderlich.726) 4.821 c) Erhaltung. Die Erhaltung bezieht sich sowohl auf das Eigentumsrecht als auch das grundstücksgleiche Recht als solches. Darunter fallen alle Maßnahmen zur Abwendung eines ansonsten drohenden Verlustes, z. B. einer drohenden Zwangs- oder Teilungsversteigerung.727) 4.822 Ausgeschlossen sind Darlehen zum Zweck zur Substanzerhaltungen des Eigentums.728) Die bloße Renovierung eines Gebäudes dient nicht dem Erhalt des Gebäudes.729) Gleiches gilt für wertsteigernde Maßnahmen, wie etwa Ausbauten oder Sanierungen, selbst wenn sie sehr umfangreich sind.730) Sind solche Kredite besichert, unterfallen sie aber § 491 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB.731) Sind sie dagegen unbesichert, so gelten sie nach § 491 Abs. 2 Satz 1 BGB als AVD.732) 4.823 Der Erhalt eines Gebäudes ist dann Zweck der Darlehensaufnahme, wenn mit dessen Valuta ein ansonsten drohender Eigentumsverlust abgewendet werden soll. Erfasst werden auch gemischt genutzte Immobilien. 5.

Entgeltlichkeit

4.824 Keine Kosten in Form eines Entgelts stellen die Kosten der Besicherung eines Kredits dar.733) ___________ 723) 724) 725) 726) 727) 728) 729) 730) 731) 732) 733)

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BT-Drucks. 18/5922, S. 75. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. BT-Drucks. 18/5922, S. 77. Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2014/17/EU; BT-Drucks. 18/5922, S. 77. Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 2014/17/EU. Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2014/17/EU. Erwägungsgrund 18 und Art. 46 der Richtlinie 2014/17/EU. BT-Drucks. 18/5922, S. 76.

II. Prüfung der Kreditwürdigkeit

II.

Prüfung der Kreditwürdigkeit

1.

Rechtsgrundlagen

Besonderheiten der Prüfung der Kreditwürdigung für IVD sind in § 505b 4.825 Abs. 2 – 4 BGB geregelt. Für die Durchführung der Kreditwürdigkeitsprüfung bei IVD sollten auf Grundlage von § 505e BGB in einer Rechtsverordnung (KreditwürdigkeitsV) Leitlinien erlassen werden. 2.

Verschärfte Kreditwürdigkeitsprüfung

Die Prüfanforderungen sind bei IVD deutlich höher (§ 505a Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 4.826 BGB).734) Nach § 505b Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Darlehensgeber die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers eingehend (unbestimmter Rechtsbegriff) zu prüfen. Nach der Gesetzesbegründung ist primär auf die Fähigkeit des Darlehensnehmers zur Vertragserfüllung abzustellen.735) Der Darlehensgeber darf mit dem Darlehensnehmer auch nur dann den Vertrag schließen, wenn wahrscheinlich ist, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, die im Zusammenhang mit dem Darlehensvertrag stehen, voraussichtlich (unbestimmter Rechtsbegriff) vertragsgemäß nachkommen kann (positiven Prognose). Kreditwürdigkeit liegt bei einem IVD somit nur vor, wenn der Unternehmer zu einem eindeutig positiven Urteil über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers gelangt (sog. Kapitaldiensttauglichkeit = Kapitaldienstfähigkeit, § 505b Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Gründe, die für eine vertragsgemäße Rückführung des Darlehens sprechen, müssen mithin verbleibende Zweifel ganz deutlich überwiegen. Die unterschiedliche Tiefe der Kreditwürdigkeitsprüfung ist als bewusste gesetzgeberische Entscheidung hinzunehmen. 3.

Zu berücksichtigende Informationsquellen

a) Quellen. Der Darlehensgeber hat die erforderlichen Informationen aus ein- 4.827 schlägigen internen oder externen Quellen zu gewinnen. § 505b Abs. 3 Satz 1 BGB nennt erstrangig interne Quellen, woraus sich eine geänderte Relevanzreihenfolge ergibt.736) Zu denken ist an Aufzeichnungen und Unterlagen des Darlehensgebers insbesondere zur Kredit- und Kontoführungshistorie des Darlehensnehmers. Letzteren trifft eine Mitwirkungspflicht. Externe Quellen sind die Auskünfte des Darlehensnehmers sowie der Auskunftsstellen nach § 505b Abs. 1 BGB.737) b) Umfang. Der Darlehensgeber muss nach § 505b Abs. 2 Satz 1 BGB not- 4.828 wendige, ausreichende und angemessene Informationen einholen. Er muss aber ___________ 734) 735) 736) 737)

BT-Drucks. 18/5922, S. 98. BT-Drucks. 18/5922, S. 98, 99. BT-Drucks. 18/5922, S. 99. BT-Drucks. 18/5922, S. 99. Siehe oben § 42 I 10 m. w. N.

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§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

nicht alle denkbaren Quellen ausschöpfen. Wiederum unterliegt es seiner pflichtgemäßen Einschätzung, welche Informationsquellen er im Einzelnen heranzieht und wie er sie kombiniert. Das gewählte Vorgehen muss lediglich plausibel und nachvollziehbar sein. 4.829 c) Überprüfung. Die Prüfpflicht des Darlehensgebers bezüglich der an ihn gelangten Informationen nach § 505b Abs. 3 Satz 3 BGB verdeutlicht die Notwendigkeit, die zusammengetragenen Informationen verantwortlich zu würdigen.738) Mit einfachen, nicht untermauerten Angaben des Darlehensnehmers darf sich der Darlehensgeber nicht begnügen. Es bedarf einer Plausibilitätskontrolle. Unstimmigkeiten darf sich der Darlehensgeber nicht verschließen, so etwa wenn die Angaben des Darlehensnehmers nicht zu seiner bisherigen Kontoführung passen. Ohne besondere Anhaltspunkte muss der Darlehensgeber aber nicht mit vorsätzlichen Manipulationen rechnen und vorgelegte Unterlagen nicht etwa auf versteckte Fälschungen untersuchen. 4.

Beurteilung der künftigen Kapitaldienstfähigkeit

4.830 a) Grundlagen. Die Prüfung muss auf der Grundlage notwendiger, ausreichender und angemessener Informationen zu Einnahmen, Ausgaben sowie anderen finanziellen und wirtschaftlichen Umständen des Verbrauchers erfolgen (§ 505b Abs. 2 Satz 1 BGB) und ist damit deutlich umfangreicher als bei AVD.739) Die ermittelten Tatsachen sind dahingehend angemessen zu würdigen, ob sie für die Einschätzung der Kreditwürdigkeit relevant sind und der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag voraussichtlich nachkommen kann (sog. Kapitaldiensttauglichkeit = Kapitaldienstfähigkeit, § 505b Abs. 2 Satz 2 BGB).740) 4.831 b) Prüftiefe. Zu berücksichtigen sind u. a. mögliche und belegbare künftige Zahlungserhöhungen, weitere, insbesondere regelmäßige Zahlungsverpflichtungen, Schulden, Einkommen, Ersparnisse und sonstige Vermögenswerte wie Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung oder aus der Altersabsicherung. Dabei kommt es auch auf das Alter des Darlehensnehmers an. Auch künftige Ereignisse während der Laufzeit des Darlehens, wie ein verringertes Einkommen für den Fall, dass die Darlehenslaufzeit in die Zeit des Ruhestands hineinreicht, sind einzubeziehen.741) Der Darlehensgeber ist allerdings nicht gehalten, höchstpersönliche oder gar intime Details der Lebensführung des Darlehensnehmers umfassend auszuforschen.

___________ 738) 739) 740) 741)

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EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-449/13, BeckRS 2014, 82755. BT-Drucks. 18/5922, S. 98 f. BT-Drucks. 18/5922, S. 98 f. BT-Drucks. 18/5922, S. 99.

II. Prüfung der Kreditwürdigkeit

c) Prognosezeitraum. Die (positive) Einschätzung darf sich nicht auf die Leis- 4.832 tungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beschränken, sondern muss sich auf die gesamte Laufzeit des Darlehens erstrecken. Daher sind absehbare künftige Entwicklungen in Rechnung zu stellen und im Rahmen von Berechnungsszenarien abzubilden. d) Werthaltigkeit der Immobilie. aa) Rückblick. Bei IVD war früher der al- 4.833 les entscheidende Faktor für die Kreditgewährung die Werthaltigkeit der Immobilie und zwar unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners. Nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers stellt zwar der Wert der Immobilie ein wichtiges Element für die Festlegung der Summe des Kredits, die einem Verbraucher im Rahmen eines besicherten Kreditvertrags gewährt werden kann, dar. Der Schwerpunkt bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit soll aber auf die Fähigkeit des Verbrauchers gelegt werden, seinen Verpflichtungen aus dem Kreditvertrag nachzukommen. Die Möglichkeit, dass der Wert der Immobilie die Kreditsumme übersteigen oder in Zukunft steigen könnte, sollte daher i. d. R. nicht ausreichend für die Gewährung des betreffenden Kredits sein.742) Entsprechend war § 505b Abs. 2 Satz 3 BGB 2016 formuliert. bb) Geltendes Recht. Nach § 505b Abs. 2 Satz 3 BGB 2017743) darf sich die 4.834 Kreditwürdigkeitsprüfung nicht hauptsächlich (unbestimmter Rechtsbegriff) darauf stützen, dass der Wert der Wohnimmobilie den Darlehensbetrag übersteigt, oder auf die Annahme, dass dieser Wert zunimmt, es sei denn, der Darlehensvertrag dient zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie. Entgegen dem Wortlaut („zum Bau oder zur Renovierung der Wohnimmobilie“) sind lediglich der Ausbau und die Renovierung einer bestehenden Wohnimmobilie erfasst. cc) Ausblick. Um Unklarheiten hinsichtlich der Kriterien und Parameter bei 4.835 der Kreditwürdigkeitsprüfung zu vermeiden, sollen Leitlinien zu Kriterien und Methoden der Kreditwürdigkeitsprüfung in einer gemeinsamen Rechtsverordnung von BMF und BMJV festgelegt werden.744) Geregelt werden sollen u. a. die Grundlagen der Kreditwürdigkeitsprüfung (§ 2), die Anforderungen an die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit künftiger Entwicklungen (§ 3) und die zu berücksichtigenden Faktoren (§ 4). e) Belastungen. Die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung nimmt bei höheren 4.836 (Vor-)Belastungen der Immobilie naturgemäß ab. Dann kommt es für die Kreditwürdigkeitsprüfung hinsichtlich des nicht abgesicherten Darlehensteils auf die laufenden Einkommensverhältnisse des Darlehensnehmers an. Auf das sonsti___________ 742) Erwägungsgrund 55 der Richtlinie 2014/17/EU. 743) FinanzaufsichtsrechtergänzungsG, BGBl. vom 9. Juni 2017, BGBl. I 1495. 744) BT-Drucks. 18/10935, S. 19. Immobiliar-Kreditwürdigkeitsprüfungsleitlinien-Verordnung (ImmoKWPLV), Referentenentwurf einer gemeinsamen Verordnung des BMF und BMJV, Stand 21. Juli 2017.

995

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

ge Vermögen hat der Darlehensgeber bereits mit der persönlichen Haftungsübernahme nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung jederzeitigen Zugriff. 5.

Dokumentation und Aufbewahrung

4.837 a) Pflicht. aa) Allgemein. § 505b Abs. 4 BGB schreibt die Festlegung sowie die Dokumentation der Verfahren und Angaben, auf die sich die Kreditwürdigkeitsprüfung stützt, vor. 4.838 bb) Besonderheiten bei grundpfandrechtlich besicherten IVD. Die Spezialvorschrift des § 505c Nr. 3 BGB bestätigt die Pflicht des Darlehensgebers zur Dokumentation und Aufbewahrung der Bewertung der als Sicherheit bei IVD dienenden Immobilien. Erfasst werden nicht nur das Bewertungsergebnis, sondern auch sämtliche relevanten Unterlagen und sonstigen Dokumente, die Grundlage der Bewertung geworden sind. Zwecks besserer Nachvollziehbarkeit ist die Bewertung auf einem dauerhaften Datenträger aufzubewahren. Gemeint ist Textform (§ 126b BGB) oder Speicherung. 4.839 b) Information. Basiert eine negative Beurteilung der Kreditwürdigkeit auf einer Abfrage bei einer Kreditdatenbank, so sollte der Darlehensnehmer darüber in Kenntnis gesetzt werden, um sein Recht wahrnehmen zu können, Zugang zu seinen personenbezogenen Daten zu erhalten und diese ggf. berichtigen oder löschen zu lassen.745) Gleiches gilt in der Situation des § 505c BGB. Der Darlehensnehmer kann die Herausgabe der Dokumente zur Bewertung verlangen. 4.840 c) Dauer der Aufbewahrung. Vorgaben zur Dauer der Aufbewahrung enthalten weder § 505b Abs. 4 BGB noch § 505c Nr. 3 BGB. Die maßgeblichen Informationen sollten praktischerweise solange aufbewahrt werden, wie der Darlehensnehmer Ansprüche aus einer unzureichenden Kreditwürdigkeitsprüfung geltend machen kann.746) III.

Im Vorfeld des Vertragsschlusses

1.

Hinweise zur Kreditwürdigkeitsprüfung

4.841 a) Grundlagen. Vor Erteilung der vorvertraglichen Informationen muss der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer mitteilen, welche Informationen und Nachweise er wann vom Darlehensnehmer benötigt, um eine ordnungsgemäße Kreditwürdigkeitsprüfung vornehmen zu können (Art. 247 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB).747) Zu denken ist u. a. an Selbstauskünfte, Personenstandsurkunden, Gehaltsnachweise, Kontoauszüge, Grundbuchauszüge, Jahresabschluss und GuV aus vorheriger Tätigkeit. Der Darlehensgeber muss dem Darlehensnehmer dar___________ 745) Erwägungsgrund 61 der Richtlinie 2014/17/EU. 746) BT-Drucks. 18/5922, S. 99. 747) BT-Drucks. 18/5922, S. 111.

996

III. Im Vorfeld des Vertragsschlusses

auf ggf. auch standardisiert darauf hinweisen, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung eine notwendige Voraussetzung für den Vertragsabschluss darstellt und nur durchgeführt werden kann, wenn die dafür benötigten Informationen und Nachweise richtig und vollständig beigebracht werden (Art. 247 § 1 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Dem Darlehensnehmer soll damit vor allem seine Mitwirkungspflicht deutlich gemacht werden.748) Ein Formerfordernis besteht nicht. Daher ist ein mündlicher Hinweis grundsätzlich möglich. Gleichwohl macht es schon aus Beweisgründen Sinn, mündliche Erklärungen jedenfalls in Textform belegen zu können. Ein eigenes Informationsblatt, das übergeben wird, ist daher sinnvoll. b) Form und Zeitpunkt. Die Information hat in Textform und unverzüglich 4.842 nach Erhalt der Angaben nach Art. 247 § 1 Abs. 1 EGBGB und „rechtzeitig“ vor Abgabe der Vertragserklärung des Darlehensnehmers zu erfolgen (Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Der Zeitpunkt für die Übermittlung der vorvertraglichen Informationen ist damit nicht mehr nur als spätester Zeitpunkt – rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung des Darlehensnehmers – geregelt, sondern als möglichst frühzeitige Erteilung der Information an ein Verhalten des Darlehensinteressenten geknüpft. 2.

ESIS-Merkblatt

a) Rechtsgrundlage. Grundlage der Hauptinformation ist ein standardisiertes 4.843 Merkblatt (§§ 506 Abs. 1 Satz 1, 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 1 EGBGB i. V. m. Anlage 6 zu Art 247 § 1 Abs. 2 EGBGB). b) Verwendungsverpflichtung. Das europaweit einheitliche ESIS-Merkblatt 4.844 (ESIS = European Standardised Information Sheet) gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB muss grundsätzlich verwendet werden (Art. 247 § 1 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EGBGB)749) und ist entsprechend zu Hinweisen zu A und B auszufüllen. Das Merkblatt ist auch jedem Vertragsangebot und Vertragsvorschlag beizufügen. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn der Darlehensnehmer bereits ein Merkblatt erhalten hat, das über die speziellen Bedingungen des Vertragsangebots informiert (Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 4 EGBGB). c) Inhalt. Das ESIS-Merkblatt sieht in Ziff. 4 vor, dass der Darlehensnehmer 4.845 darüber zu informieren ist, ob für die Eintragung der Hypothek bzw. Grundschuld eine Gebühr fällig wird. Nach Art. 247 § 1 Abs. 3 Satz 1 EGBGB sind weitere vorvertragliche Infor- 4.846 mationen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, in einem gesonderten Dokument zu erteilen sind, das dem ESIS-Merkblatt aber beigefügt werden kann. ___________ 748) BT-Drucks. 18/5922, S. 111. 749) Siehe oben § 42 II 5 m. w. N.

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§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

4.847 Nach Art. 247 § 1 Abs. 3 Satz 2 EGBGB muss die weitere vorvertragliche Information auch einen deutlich gestalteten Hinweis darauf enthalten, dass der Darlehensgeber Forderungen aus dem Darlehensvertrag abtreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten übertragen darf, soweit nicht die Abtretung im Vertrag ausgeschlossen wird oder der Darlehensnehmer der Übertragung zustimmen muss. Der Hinweis auf die Abtretbarkeit bezieht sich auf alle Forderungen aus dem Darlehensvertrag. 4.848 d) Fiktion. In § 491a Abs. 4 Satz 2 BGB findet sich durch Verweisung auf Art. 247 § 1 Abs. 2 Satz 6 EGBGB die Fiktion, dass die nach § 312d Abs. 2 BGB erforderlichen Angaben durch Übermittlung des vollständig ausgefüllten ESISMerkblatts ebenfalls als erfüllt gelten. 3.

Vertragsentwurf

4.849 Unterbreitet der Darlehensgeber bei einem IVD dem Darlehensnehmer ein Angebot (§ 145 BGB) oder einen bindenden Vorschlag für bestimmte Vertragsbestimmungen, so muss er dem Darlehensnehmer (aktiv) anbieten, einen Vertragsentwurf auszuhändigen oder zu übermitteln (§ 491a Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BGB). Besteht kein Widerrufsrecht nach § 495 BGB, ist der Darlehensgeber zudem verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Vertragsentwurf auszuhändigen oder zu übermitteln (§ 491a Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BGB). 4.

Bedenkzeit

4.850 a) Grundlagen. Immobiliengeschäfte sind grundsätzlich nicht widerruflich (arg. e § 495 Abs. 2 BGB). Stattdessen ordnet § 495 Abs. 3 BGB an, dass dem Verbraucher vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen ist. Anders als das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB greift die Bedenkzeit also nicht kraft Gesetzes ein. Während dieser Zeit soll es dem Darlehensnehmer möglich sein, Angebote zu vergleichen, ihre Auswirkungen zu bewerten und eine fundierte Entscheidung zu treffen.750) Es handelt sich um eine Annahmefrist (§ 148 BGB). Der Darlehensnehmer kann das Angebot des Darlehensgebers jederzeit annehmen; der Einhaltung eines zeitlichen Mindestabstands zwischen Angebot und darauf folgender Annahme bedarf es nicht. Dann ist der Vertrag endgültig zustande gekommen. Mit dem Ablauf der Bedenkzeit erlischt das Angebot. Eine verspätete Annahme gilt nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot, das der Darlehensgeber annehmen kann, aber nicht muss.751) 4.851 b) Praxishinweis. In der Praxis dürfte die Mindestfrist von sieben Kalendertagen regelmäßig nicht effektiv zur Verfügung stehen. Verhandelt der Verbrau___________ 750) BT-Drucks. 18/5922, S. 85. 751) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 495 Rz. 21.

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V. Pflichtangaben

cher nämlich mit verschiedenen Getränkelieferanten und werden ihm mehrere Angebote an verschiedenen Tagen vorgelegt, so beginnen die Fristen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Dann muss sich der Verbraucher ggf. innerhalb einer Frist von weniger als sieben Tagen – gerechnet nach der Frist des letzten Angebots – entscheiden. IV.

Schriftform

Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nimmt nicht auf Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 4.852 Nr. 6 EGBGB Bezug nimmt. Daher müssen mündliche Nebenabreden das Schriftformerfordernis wohl nicht zu wahren. V.

Pflichtangaben

Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sind nur die Angaben nach Art. 247 4.853 § 3 Abs. 1 Nr. 1 – 7, 10 und 13 sowie Abs. 4 BGB zwingend. Die Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 – 6 EGBG sind hingegen entbehrlich.752) Nachfolgend müssen ausgewählte Hinweise auf Besonderheiten genügen. 1.

Namen und Anschrift des Darlehensvermittlers

§§ 506 Abs. 1 Satz 1, 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 und 4.854 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB schreiben die Angabe des Darlehensvermittlers vor. 2.

Effektiver Jahreszins

Kosten für die Bestellung von Sicherheiten sind im Gegensatz zu den Kosten 4.855 für die Immobilienbewertung nicht in die Berechnung einzustellen (arg. e § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV). 3.

Sollzinssatz

a) Veränderlichkeit. Die Vereinbarung eines veränderlichen Sollzinssatzes, der 4.856 sich nach einem Index oder Referenzzinssatz (§ 675g Abs. 3 Satz 2 BGB) richtet, ist bei IVD nur dann wirksam, wenn der Index oder Referenzzinssatz objektiv eindeutig bestimmt und für Darlehensgeber und Darlehensnehmer verfügbar und überprüfbar ist. b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Liegt eine nach § 492 Abs. 7 BGB unzulässige 4.857 Vereinbarung vor, wird kein Zins geschuldet. Der Vertrag im Übrigen aber wirksam.753) ___________ 752) BT-Drucks. 18/7584, S. 147. 753) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 67.

999

§ 47 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge

4.

Verlangte Sicherheiten und Versicherungen

4.858 a) Grundlagen. Beim IVD gilt weder Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EGBGB noch Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB. Gleichwohl hielt der Gesetzgeber die Sicherheitenbestellung beim IVD für ein so wesentliches Element, dass er eine Erwähnung im Vertrag als unabdingbar ansah (arg. e § 494 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 BGB).754) 4.859 b) Rechtsfolgen bei Verstoß. Zweifelhaft ist, ob man die in Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB verankerte Pflicht, die Art des Darlehens als „grundpfandrechtlich besicherten Kredit“ anzugeben, im vorliegenden Zusammenhang heranziehen kann.755) Jedenfalls ist eine trotz fehlender Angabe bestellte Sicherheit wirksam.756) 5.

Widerrufsinformation

4.860 a) Muster. Für IVD gibt es ein eigenes Muster (Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB) mit Gestaltungshinweisen.757) 4.861 b) Fehler. Einerseits wird vertreten, eine Widerrufsinformation in einem IVD ist inhaltlich unrichtig, wenn beispielhaft Pflichtangaben aufgezählt werden, die keine solchen sind (Angabe zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrages, Angabe der für die Sparkasse zuständigen Aufsichtsbehörde).758) Andererseits wird darin eine unbedenkliche Vereinbarung zusätzlicher Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist gesehen.759) VI.

Widerruf

1.

Beginn der Widerrufsfrist

4.862 Die Widerrufsfrist beginnt ausschließlich mit der fehlerfreien Widerrufsinformation in der Vertragsurkunde (§§ 356b Abs. 2 Satz 2, 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB i. V. m. Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB). Der Beginn der Widerrufsfrist wird also nicht an die Aufnahme der sonstigen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB geknüpft. 2.

Erlöschensfrist

4.863 a) Grundlagen. Von der Ausnahme für Verträge über Finanzdienstleistungen in § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB macht seit dem 21.3.2016 § 356b Abs. 2 Satz 4 ___________ 754) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/5922, S. 87. 755) Bejahend Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 494 Rz. 18a, verneinend MünchKommSchürnbrand, BGB, § 494 Rz. 40. 756) BGH, Urt. v. 22.7.2008 – XI ZR 389/07, BGHZ 177, 345 = NJW 2008, 3208 = ZIP 2008, 1669. 757) Zur Altrechtslage vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 741/16, NJW-RR 2017, 1077. 758) LG Saarbrücken, Urt. v. 8.9.2017 – 1 O. 90/17, BeckRS 2017, 124317. 759) LG Köln, Urt. v. 24.5.2017 – 5 O 362/15, BeckRS 2017, 136004.

1000

VII. Vorzeitige Rückzahlung

BGB für IVD eine Gegenausnahme, demzufolge das Widerrufsrecht spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen erlischt. Bei Finanzdienstleistungen ist im Übrigen an den Erlöschenstatbestand der beiderseitigen vollständigen Erfüllung vor Ausübung des Widerrufsrechts (§ 356 Abs. 4 Satz 3 BGB) zu denken. Der absolute Erlöschenstatbestand des § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB entspricht den Vorbildern der §§ 356 Abs. 3 Satz 2, 356a Abs. 3 Satz 2 und 356c Abs. 2 BGB. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass eine nicht erfolgte oder als nicht erfolgt zu wertende Widerrufsinformation künftig nicht zum Entstehen möglicher „ewiger Widerrufsrechte“ führt.760) Auch in dem Fall, dass Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 4.864 § 6 Abs. 2 EGBGB fehlen (§ 356b Abs. 2 Satz 2 BGB), gibt es kein ewiges Widerrufsrecht mehr. b) Dauer. Die Erlöschensfrist beträgt zwölf Monate und 14 Tage nach Ver- 4.865 tragsschluss. c) Beginn. Die Frist beginnt gemäß § 356b Abs. 1 BGB nach Zurverfügung- 4.866 stellung der Vertragsurkunde, des schriftlichen Antrags des Darlehensnehmers oder der Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags, wenn diese Zeitpunkte nach dem Vertragsschluss liegen. 3.

Rechtsfolgen des Widerrufs

Nur für den Fall eines IVD steht dem Verbraucher das Recht zu, nachzuwei- 4.867 sen, dass der Wert des Gebrauchsvorteils geringer war als der vereinbarte Sollzinssatz (§ 357a Abs. 3 Sätze 2 und 3 BGB; vgl. auch den Gestaltungshinweis 4 der Anlage 7 zu Art. 247 EGBGB). Zum Nachweis eines geringeren Gebrauchsvorteils kann der Verbraucher in einem gerichtlichen Verfahren auf die EWUZinsstatistiken, die die Monatsberichte der Deutschen Bundesbank abgelöst haben und Zinssätze für die unterschiedlichen Darlehensarten ausweisen, verweisen. Ein entsprechend substantiierter Tatsachenvortrag reicht für die richterliche Überzeugung nach § 287 ZPO aus.761) VII. Vorzeitige Rückzahlung Bei einem IVD hat der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer, der mitteilt, 4.868 dass er eine vorzeitige Rückzahlung gemäß § 500 Abs. 2 BGB beabsichtigt, nach näherer Maßgabe des § 493 Abs. 5 BGB die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen zu überlassen.

___________ 760) BT-Drucks. 18/5922, S. 74. 761) OLG Schleswig, Beschl. v. 17.3.2010 – 5 U 2/10, NJOZ 2011, 145; OLG Brandenburg, Urt. v. 14.7.2010 – 4 U 141/09, NJOZ 2010, 1980.

1001

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

VIII. Kündigung 4.869 Bei IVD, für die ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, kann der Darlehensnehmer gemäß § 500 Abs. 2 Satz 2 BGB abweichend von Satz 1 seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. § 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte I. Grundlagen 1.

Anwendbares Recht

4.870 Gemäß § 506 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB gelten mit Ausnahme von §§ 492 Abs. 4, 504 – 505 BGB grundsätzlich die §§ 491a–505e BGB betreffend Verbraucherdarlehen entsprechend (Rechtsgrundverweisung).762) 2.

Unterscheidung

4.871 Das Gesetz (§ 506 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB) unterscheidet wie beim Verbraucherdarlehensvertrag zwischen Allgemein- und Immobiliar-Finanzierungshilfen. 3.

Entgeltlichkeit

4.872 Konstitutive Voraussetzung ist die Entgeltlichkeit der Finanzierungshilfe. Darunter ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers für die Kreditgewährung zu verstehen. 4.

Geltung der §§ 358 – 360 BGB

4.873 Während § 360 BGB auf sämtliche Fallgruppen der Finanzierungshilfen anwendbar ist,763) muss hinsichtlich der §§ 358, 359 BGB unterschieden werden. Die Vorschriften gelten auch für den entgeltlichen Zahlungsaufschub und die sonstige Finanzierungshilfe (§ 506 Abs. 1 und 2 BGB), nicht dagegen für das Teilzahlungsgeschäft (§§ 506 Abs. 3, 507, 508 BGB). II.

Erscheinungsformen

1.

Zahlungsaufschub

4.874 a) Allgemein-Zahlungsaufschub. Unter einem „Zahlungsaufschub“ i. S. d. § 506 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB versteht man jede Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung, durch die die Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit der Forderung auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben ___________ 762) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 91. 763) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 94a.

1002

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

VIII. Kündigung 4.869 Bei IVD, für die ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, kann der Darlehensnehmer gemäß § 500 Abs. 2 Satz 2 BGB abweichend von Satz 1 seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. § 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte I. Grundlagen 1.

Anwendbares Recht

4.870 Gemäß § 506 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB gelten mit Ausnahme von §§ 492 Abs. 4, 504 – 505 BGB grundsätzlich die §§ 491a–505e BGB betreffend Verbraucherdarlehen entsprechend (Rechtsgrundverweisung).762) 2.

Unterscheidung

4.871 Das Gesetz (§ 506 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB) unterscheidet wie beim Verbraucherdarlehensvertrag zwischen Allgemein- und Immobiliar-Finanzierungshilfen. 3.

Entgeltlichkeit

4.872 Konstitutive Voraussetzung ist die Entgeltlichkeit der Finanzierungshilfe. Darunter ist jede Art von Gegenleistung des Verbrauchers für die Kreditgewährung zu verstehen. 4.

Geltung der §§ 358 – 360 BGB

4.873 Während § 360 BGB auf sämtliche Fallgruppen der Finanzierungshilfen anwendbar ist,763) muss hinsichtlich der §§ 358, 359 BGB unterschieden werden. Die Vorschriften gelten auch für den entgeltlichen Zahlungsaufschub und die sonstige Finanzierungshilfe (§ 506 Abs. 1 und 2 BGB), nicht dagegen für das Teilzahlungsgeschäft (§§ 506 Abs. 3, 507, 508 BGB). II.

Erscheinungsformen

1.

Zahlungsaufschub

4.874 a) Allgemein-Zahlungsaufschub. Unter einem „Zahlungsaufschub“ i. S. d. § 506 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB versteht man jede Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner einer Geldforderung, durch die die Fälligkeit oder Durchsetzbarkeit der Forderung auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben ___________ 762) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 91. 763) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 94a.

1002

II. Erscheinungsformen

wird, als dies den allgemeinen Regeln (§§ 271 Abs. 1, 320 BGB) entspricht.764) Dem Verbraucher wird auf mittelbarem Wege Kaufkraft überlassen.765) Es macht keinen Unterschied, ob der Zahlungsaufschub schon bei der Begründung der Forderung vereinbart oder eine bestehende Forderung vor oder nach Fälligkeit gestundet wird. Die Gewährung eines Barzahlungsrabatts (Skonto) genügt nicht. b) Immobiliarbezug. Beziehen sich der Zahlungsaufschub oder die Finanzie- 4.875 rungshilfe auf den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder auf den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten oder ist der Anspruch des Unternehmers durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast gesichert, so wird der sachliche Anwendungsbereich gemäß § 506 Abs. 1 Satz 2 BGB erweitert und die für IVD geltenden, in § 506 Abs. 1 Satz 1 BGB genannten Bestimmungen gelten entsprechend. c) Entgeltlichkeit. Ein Zahlungsaufschub ist entgeltlich, wenn der Verbrau- 4.876 cher wenn der Verbraucher für den Aufschub eine zusätzliche oder erhöhte Gegenleistung zu erbringen hat.766) Maßgeblich ist, ob die Summe der Raten höher ist als ein hypothetisch einmalig zu zahlender „Barzahlungspreis“.767) Die unentgeltliche Stundung einer Forderung wird als entgeltlich fingiert, 4.877 wenn sie grundpfandrechtlich besichert ist (§ 506 Abs. 1 Satz 3 BGB). Schuldrechtlicher Verpflichtungstatbestand ist die schuldrechtliche Sicherungsabrede. Die Fiktion greift nur ein, wenn der Unternehmer die Stellung der Sicherheit im Zusammenhang mit der Einräumung des Zahlungsaufschubs verlangt. Die Erstreckung einer früher bestellten Sicherheit auf die Stundung genügt nicht. Die Bestellung der Sicherheit muss bei Abschluss des Vertrags noch nicht vollzogen sein.768) 2.

Sonstige Finanzierungshilfe

a) Allgemein. Bei einer „sonstigen Finanzierungshilfe“ i. S. d. § 506 Abs. Satz 1 4.878 Fall 2, Abs. 2 BGB handelt es sich um die zeitweilige, entgeltliche Überlassung von Kaufkraft an den Verbraucher in einer nicht als Darlehen oder Zahlungsaufschub zu qualifizierenden Form zur vorzugsweisen Verwendung künftigen Einkommens für konsumtive oder investive Zwecke.769) ___________ 764) 765) 766) 767) 768) 769)

Palandt-Weidenkaff, BGB, Vorbemerkungen vor § 506 Rz. 3. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 506 Rz. 4. Palandt-Weidenkaff, BGB, Vorbemerkungen § 506 Rz. 6. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 29. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 506 Rz. 7. BGH, Urt. v. 24.4.1996 – VIII ZR 150/96, NJW 1996, 2033 = ZIP 1996, 1170.

1003

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

4.879 b) Entgeltliche Nutzungsverträge. Im Übrigen ist ggf. § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beachten. Entgeltliche Gebrauchsüberlassungsverträge weisen nur dann eine Kreditfunktion auf, wenn das Investitionsinteresse wie hier von dem Kunden des Getränkelieferanten ausgeht und der Letztgenannte den Gegenstand dann zur Weiterüberlassung an den Kunden anschafft.770) Das zu zahlende Entgelt deckt dann sowohl die Nutzungsüberlassung als auch die (Vor-)Finanzierung des Gegenstandes ab. Üblicherweise verbleibt der überlassene Gegenstand nach Vertragsablauf bei dem Kunden, denn dann hat sich das Investment des Getränkelieferanten in der Regel amortisiert. Der Begriff des „Gegenstandes“ ist weit zu verstehen (§ 90 BGB). Er umfasst insbesondere auch bewegliche und unbewegliche Sachen.771) 4.880 Voraussetzung des Katalogtatbestandes der Nr. 1 des § 506 Abs. 2 Satz 1 BGB ist eine anfängliche oder nachträgliche Erwerbsverpflicht des Verbrauchers. Eine Erwerbsoption des Verbrauchers genügt demgegenüber nicht.772) § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB greift, wenn der Unternehmer das Recht hat, den Erwerb durch den Verbraucher zu verlangen, insbesondere ein Andienungsrecht nach Ablauf des Nutzungszeitraumes besteht. Entsprechendes kann sich sowohl im Vertrag als auch in den AGB finden. Voraussetzung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB ist ein(e) Restwertgarantie des Verbrauchers mit einem bestimmten Betrag, die im Ergebnis eine Vollamortisation sichern soll.773) Im Fall des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB sind gem. § 506 Abs. 2 Satz 2 BGB das Recht des Verbrauchers auf vorzeitige Rückzahlung (§ 500 Abs. 2 BGB) und der dadurch ausgelöste Anspruch des Unternehmers auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 502 BGB) ausgeschlossen.774) 3.

Teilzahlungsgeschäft

4.881 a) Grundlagen. Teilzahlungsgeschäfte sind vor allem Verträge, die die Lieferung einer bestimmten, i. d. R. gekauften, beweglichen Sache gegen Teilzahlung (Raten) zu Gegenstand haben. Sie stellen eine praktisch besonders bedeutsame Erscheinungsform des Zahlungsaufschubs dar. Gemäß § 506 Abs. 3 BGB gelten zusätzlich und vorrangig die Sondervorschriften der §§ 507, 508 BGB. 4.882 b) Abgrenzung. Weder ein entgeltlicher Zahlungsaufschub noch ein Teilzahlungsgeschäft liegen vor, wenn zwei Verträge abgeschlossen werden und die Teilzahlungsabrede sogleich durch die Zahlung der Darlehensvaluta an den Verkäufer erfüllt wird. Der Kaufpreis wird nicht vom Verkäufer selbst, sondern von einem Dritten (Darlehensgeber) kreditiert. Dann handelt es sich um einen ___________ 770) 771) 772) 773) 774)

MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 506 Rz. 25. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 92. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 92. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 91. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 85.

1004

IV. Prüfung der Kreditwürdigkeit

mit einem Darlehen verbundenen (Kauf-)Vertrag i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 BGB.775) Die Finanzierung des Kaufpreises durch ein Darlehen, das der Darlehensgeber an den Verkäufer leistet und das durch Darlehensraten des Verbrauchers an den Darlehensgeber getilgt wird, stellt den klassischen Fall des verbundenen Geschäfts dar.776) Deshalb ist der Verweis auf die §§ 358 BGB obsolet; die Anwendung dieser Bestimmungen ergibt sich unmittelbar aus § 358 Abs. 3 BGB. 4.

Praktische Bedeutung

Bei nachträglichen Stundungen, Schuldanerkenntnissen und Umschuldungen 4.883 dürfte es i. d. R. am persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts fehlen, soweit nicht die unternehmerische Tätigkeit durch Geschäftsaufgabe beendet ist.777) Praktische Bedeutung können die für Teilzahlungsgeschäfte maßgeblichen Regelungen bei Kauf- und Getränkelieferungsverträgen haben, bei denen die Getränkelieferanten hinsichtlich des von ihnen vorfinanzierten Gaststätteninventars als Warenkreditgeber auftreten. In der Regel wird Raten zu zahlen sein. Erfasst wird aber auch der Fall, dass die gesamte Vergütung gestundet und für einen späteren Termin auf einmal fällig gestellt wird. Diese Voraussetzungen dürften durchweg erfüllt sein. Dann sind die Vorschriften über das Teilzahlungsgeschäft zu beachten. III.

Persönlicher Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich der §§ 506 – 508 BGB deckt sich mit dem- 4.884 jenigen der §§ 491 – 505e BGB.778) Voraussetzung ist daher ein Vertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB)779) und einem Verbraucher (§ 13 BGB), wobei der Unternehmer die Finanzierungshilfe zu gewähren und der Verbraucher die Hilfe in Anspruch zu nehmen hat. § 513 BGB ordnet die Erstreckung der §§ 491 – 512 BGB den Existenzgründer an und erweitert damit den persönlichen Anwendungsbereich auch der Vorschriften über Finanzierungshilfen. IV.

Prüfung der Kreditwürdigkeit

§ 506 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB schreiben ausdrücklich die Anwendung der 4.885 Vorschriften für eine Kreditwürdigkeitsprüfung nach §§ 505a – 505e BGB vor.

___________ 775) 776) 777) 778) 779)

Erman-Nietsch, BGB, § 506 Rz. 4. Palandt-Weidenkaff, BGB, § 506 Rz. 6. Siehe oben § 22 III 16 m. w. N. Eingehend hiezu oben §§ 42 III und 22, jeweils m. w. N. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000.

1005

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

V.

Vorvertragliche Informationen

1.

Rechtsgrundlage

4.886 Der Katalog der Basisinformationen nach Art. 247 §§ 1 – 11 EGBGB gilt gemäß Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 1 EGBGB auch für entgeltliche Finanzierungshilfen i. S. d. § 506 BGB. Daher bedarf es auch im Zusammenhang mit Inventarvorfinanzierungen durch einen Kauf- und Getränkelieferungsvertrag vorvertraglicher Informationen. Hierfür spricht, dass § 507 BGB lex specialis zu § 506 BGB ist (arg. e § 506 Abs. 3 BGB). In § 506 Abs. 1 BGB wird § 491a Abs. 1 BGB insgesamt in Bezug genommen. Gleiches folgt aus Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BGB. 2.

Muster

4.887 Für Allgemein-Finanzierungshilfen gilt das Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB, für Immobiliar-Finanzierungshilfen dagegen das Muster nach Anlage 6 zu Art. 247 § 1 Abs. 2 EGBGB. 3.

Angabebesonderheiten

4.888 Nach Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB bedarf es bei allen entgeltlichen Finanzierungshilfen, die mit einem anderen Vertrag gemäß § 358 BGB verbunden sind oder in denen eine Ware oder Leistung gemäß § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB angegeben ist, in der vorvertraglichen Information der beiden nachfolgend angesprochen weiteren Angaben. 4.889 a) Finanzierter Gegenstand. Der Begriff „Gegenstand“ ist weit zu verstehen und umfasst wie in § 506 Abs. 2 BGB insbesondere sämtliche Formen von Kaufverträgen.780) Ausreichend ist regelmäßig eine Gattungsbezeichnung. 4.890 b) Barzahlungspreis. aa) Begriff. Barzahlungspreis der übliche Preis bei Barzahlungsgeschäften (Listenpreis) einschließlich Umsatzsteuer und dies unabhängig von einer etwaigen Vorsteuerabzugsberechtigung781) und damit ohne Abzug von Rabatten und Skonti. Der Barzahlungspreis tritt bei Teilzahlungsgeschäften an die Stelle des Nettodarlehensbetrages (vgl. § 506 Abs. 4 Satz 2 BGB). 4.891 bb) Anschaffungspreis. Hat der Unternehmer den Gegenstand für den Verbraucher erworben, tritt an die Stelle des Barzahlungspreises der Anschaffungspreis, zu dem ebenfalls die Umsatzsteuer gehört.782) Art. 247 § 12 Abs. 2 Satz 3 EGBGB entspricht § 506 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 BGB i. V. m. Art. 247 § 12 Abs. 2 Satz 3 EGBGB. Dieses ist immer anzunehmen, wenn der Unternehmer den finanzierten Gegenstand für den Verbraucher erwirbt, ihn mithin also erst anschafft, nachdem der Verbraucher ihn gezielt ausgewählt hat. ___________ 780) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 132. 781) OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.5.1973 – 5 U 179/72, NJW 1973, 2067. 782) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 93.

1006

VII. Pflichtangaben

cc) Ausnahme. Nicht angegeben werden müssen der Barzahlungspreis und der 4.892 effektive Jahreszins, wenn der Unternehmer Sachen nur gegen Teilzahlung liefert oder Leistungen erbringt (§ 507 Abs. 3 Satz 1 BGB). Das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift muss der Unternehmer darlegen und beweisen. c) Gesamtbetrag. Im Hinblick auf Teilzahlungsgeschäfte entspricht der Beg- 4.893 riff des Gesamtbetrags dem des Teilzahlungspreises i. S. d. § 502 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F.783) d) Recht auf vorzeitige Rückzahlung. Nach Art. 247 § 12 Abs. 2 Satz 1 EGBGB 4.894 gilt für Gebrauchsüberlassungsverträge mit Restwertgarantie i. S. d. § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB eine Ausnahme. Da bei diesen Verträgen gemäß § 506 Abs. 2 Satz 2 BGB das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung ausgeschlossen ist, entfällt die darauf bezogene Hinweispflicht des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB. VI.

Schriftformerfordernis

1.

Grundsatz

§ 506 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Parallelvorschrift zu § 492 Abs. 1 BGB bezogen 4.895 auf Finanzierungshilfen. 2.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Der Mangel der Form führt zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages (§§ 506 4.896 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 494 Abs. 1 BGB bzw. für Teilzahlungsgeschäfte aus § 507 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dies ergibt sich erst aus einer komplexen und unübersichtlichen Zusammenschau der §§ 494, 506 und 507 BGB.784) VII. Pflichtangaben 1.

Rechtsgrundlage

Die Verpflichtung, Pflichtangaben in den Vertrag aufzunehmen, folgt allgemein 4.897 aus §§ 506 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 492 Abs. 506 Abs. 3, 507 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6, 12 und 14 EGBGB. 2.

Angabebesonderheiten

Unter Verweis auf die vorherigen Ausführungen785) müssen folgende Hinweise 4.898 zu den weiteren Pflichtangaben genügen: a) Es bedarf der Angabe des finanzierten Gegenstands (Art. 247 § 12 Abs. 1 4.899 Satz 2 Nr. 2 a EGBGB). ___________ 783) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 491a Rz. 46. 784) Siehe unten § 48 VII 3 a m. w. N. 785) Siehe oben § 48 V 3 m. w. N.

1007

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

4.900 b) Weiter ist der Barzahlungspreis anzugeben (Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a EGBGB). 4.901 c) Sicherheiten. Im Fall von entgeltlichen Finanzierungshilfen, insbesondere Teilzahlungsgeschäften (§ 507 BGB), ist ein Hinweis auf den Eigentumsvorbehalt aufzunehmen. Soll ein Austausch der verlangten Sicherheiten möglich sein, genügt die Angabe des Anspruchs auf Absicherung in bestimmter Höhe durch bestimmte Sicherheiten.786) Die konkrete Sicherungsvereinbarung kann dagegen auch außerhalb des eigentlichen Darlehensvertrags erfolgen. 4.902 Die Vorschrift über die Befreiung von der Verpflichtung zur Angabe der Sicherheitenbestellung, hier: Eigentumsvorbehalt, bei Überschreitung der 75.000,00 €Grenze gilt ausdrücklich nicht (§§ 507 Abs. 1 Satz 1, 494 Abs. 6 Satz 3 BGB). 3.

Rechtsfolgen bei Verstoß

4.903 a) Überblick. Die in § 507 Abs. 2 BGB genannten Sanktionen ergeben sich aus einer nicht einfachen Verweisungstechnik. So wird die entsprechende Anwendung des § 494 BGB zunächst in § 506 Abs. 1 BGB angeordnet, dann über § 506 Abs. 3 BGB durch § 507 Abs. 1 Satz 1 BGB hinsichtlich des § 494 Abs. 1 – 3, Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 BGB aufgehoben, um dann in § 507 Abs. 2 BGB eine eigene Anwendungsanordnung zu erfahren. Letztlich sind damit § 507 Abs. 2 BGB sowie § 494 Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 Sätze 1 und 2 Halbs. 1 sowie Abs. 7 BGB anzuwenden.787) 4.904 b) Fehlende Pflichtangaben. Fehlen eine oder mehrere Pflichtangaben im Vertrag, so ist dieser (gesamt-)nichtig (§ 507 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB). Gleiches gilt für unrichtige Angaben.788) Das Fehlen von Angaben gem. Art. 247 §§ 7, 8 EGBGB zieht dagegen nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach sich. 4.905 c) Fehlerhafte Pflichtangaben. Sanktionslos bleibt vorbehaltlich der Sonderregelung in § 507 Abs. 2 Satz 5 BGB die Unrichtigkeit der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB. VIII. Widerrufsinformation 1.

Rechtsgrundlage

4.906 Die Pflicht zur Erteilung einer vertraglichen Widerrufsinformation folgt allgemein aus §§ 506 Abs. 1 Satz 1, 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 13 sowie §§12 und 13 EGBGB sowie für Teilzahlungsgeschäfte aus §§ 506 Abs. 3, 507 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 13 sowie §§ 12 und 13 EGBGB. ___________ 786) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 128. 787) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 507 Rz. 6. 788) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 507 Rz. 19.

1008

VIII. Widerrufsinformation

2.

Erforderlichkeit

Die Ausnahmevorschrift des § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB könnte bei einem Grund- 4.907 stückskaufvertrag mit Ratenzahlung nach § 506 Abs. 1 BGB praktisch werden.789) 3.

Standort

Die Angaben zum Widerrufsrecht nach Art. 247 § 6 Abs. 2 BGB sind im Ver- 4.908 trag (Widerrufsinformation nach Anlage 7 zum EGBGB) und nicht in einer davon gesonderten Widerrufsbelehrung zu machen.790) Im Falle eines verbundenen Geschäfts, in dem der Kaufpreis durch Darlehen 4.909 finanziert wird, ist der finanzierte Vertrag selbst kein Kreditvertrag und nicht widerruflich. Er bedarf keiner Information.791) Vielmehr findet die Widerrufserstreckung vom Kreditgeschäft auf das finanzierte Geschäft nach § 358 Abs. 2 BGB statt. Die Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB sind daher im Darlehensvertrag zu machen.792) Ist aber der finanzierte Vertrag, etwa nach § 312g Abs. 1 BGB, widerruflich, ist 4.910 dort über das Widerrufsrecht zu unterrichten, außerdem im Darlehensvertrag. Ort der Unterrichtung über das Widerrufsrecht ist daher das Teilzahlungsgeschäft.793) 4.

Muster

a) Alternativen. Den gesetzlichen Anforderungen ist aufgrund Art. 247 § 12 4.911 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 EGBGB genüge getan, wenn die Angaben bei allgemeinen Finanzierungshilfen dem Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB entsprechen und dem Vertragstyp des Teilzahlungsgeschäfts angepasst worden sind.794) Für Immobiliarfinanzierungshilfen gibt es das Muster der Anlage 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB. Für die Verwendung der vorgenannten Muster sprechen sowohl der Verweis des § 507 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Art. 247 EGBGB als auch der systematische Zusammenhang der im zweiten Untertitel geregelten Teilzahlungsgeschäfte zu den im ersten Untertitel normierten Verbraucherdarlehensverträgen. Eine Pflicht zur Verwendung der Muster besteht nicht. b) Anpassung. Bei Verträgen über entgeltliche Finanzierungshilfen ist Art. 247 4.912 § 12 Abs. 1 Satz 5 EGBGB zu beachten. Danach sind die Angaben dem jeweiligen Vertragstyp anzupassen. Die Gesetzlichkeitsfiktion tritt nur ein, wenn die ___________ 789) 790) 791) 792) 793) 794)

Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 179. Siehe oben § 44 I 3 b m. w. N. MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 492 Rz. 28. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 101. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 101. Bülow/Artz Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 Rz. 101. BGH, Urt. v. 9.12.2009 – VIII ZR 219/08, NJW 2010, 989 = ZIP 2010, 734.

1009

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

Angaben in dem jeweiligen Vertrag dem Einzelfall entsprechend in zutreffender Weise geändert werden, beispielsweise wenn anstelle der Begriffe „Darlehensnehmer“ und „Darlehensgeber“ jeweils die Begriffe „Teilzahlungskäufer“ und „Teilzahlungsverkäufer“ verwendet werden.795) Anzupassen ist in diesem Zusammenhang auch die Bezeichnung des Vertrags.796) In der Vertragsklausel können die Vertragsparteien auch direkt angesprochen werden, z. B. „Sie“,„Wir“. 4.913 c) Risiko. Bei der Formulierung ist darauf zu achten, dass der Eigentumsvorbehalt nicht gefährdet wird bzw. unbewusst ein an sich nicht gegebenes verbundenes Geschäft indiziert wird mit der Folge, dass eine erweiterte Widerrufsinformation erforderlich wird. IX.

Widerrufsrecht

1.

Allgemein

4.914 Das gesetzliche Widerrufsrecht ergibt sich aus §§ 507, 506 Abs. 1 Satz 1, 495 Abs. 1 BGB. 2.

Bedenkzeit

4.915 Praktisch werden könnte § 495 Abs. 3 BGB wohl nur im Fall der notariellen Beurkundung i. S. d. § 495 Abs. 2 Nr. 2 BGB bei einem Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlung nach § 506 Abs. 1 BGB.797) X.

Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB

1.

Abgrenzung

4.916 a) Widerruf nach § 495 BGB. Nach erklärtem Widerruf ist ein Rücktritt des Unternehmers nach § 508 Satz 1 BGB ausgeschlossen, weil der Rücktritt einen wirksam gebliebenen Vertrag voraussetzt. Umgekehrt ist nach einem Rücktritt des Unternehmers ein Widerruf bei offener Widerrufsfrist weiterhin möglich.798) 4.917 b) Kündigung nach § 498 BGB. Zwischen und § 508 und § 498 BGB besteht ein enger Zusammenhang. Beide Normen regeln, welche Rechtsbehelfe dem Kreditgeber, hier dem Getränkelieferanten, zur Verfügung stehen, wenn der Verbraucher seinen Zahlungsverpflichtungen aus einem Verbraucher-/Existenzgründerkreditvertrag (§§ 286 Abs. 1, 498 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht nachkommt. Allerdings lässt die Kündigung nach § 498 BGB den Bestand des Teilzahlungsgeschäfts unberührt. ___________ 795) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 23; BR-Drucks. 157/10 v. 26.3.2010, S. 37. 796) BR-Drucks. 157/10 v. 26.3.2010, S. 37, 58. 797) Siehe oben § 48 VIII 2 m. w. N. 798) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 508 Rz. 27, 28.

1010

X. Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB

Bei Teilzahlungsgeschäften kann der Kreditgeber somit nicht nur die Teilzah- 4.918 lungsabrede gem. §§ 508 Satz 1, 498 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Ratenverzug und erfolgloser Nachfristsetzung kündigen und damit einen Anspruch auf die mit Kündigung fällige gesamte Restvergütung erlangen, ohne sich von den vertraglichen Rechten und Pflichten im Übrigen zu lösen.799) Wahlweise – naturgemäß nicht kumulativ – steht ihm auch das gesetzliche Rücktrittsrecht nach §§ 508 Satz 1, 323 BGB zu.800) Dabei scheidet regelmäßig wegen der in § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB unwiderlegbar vermuteten Rücktrittserklärung ein Zugriff des Unternehmers auf die zumeist unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache zur Tilgung der nach § 498 BGB fällig gestellten Forderung aus. Sofern nicht eine Vergütungsvereinbarung i. S. d. § 508 Satz 5 Halbs. 2 BGB getroffen wird, dürfte anzuraten sein, den Weg über § 508 BGB zu wählen. Im Hinblick auf das Recht des Unternehmers, zwischen Rücktritt und Kündi- 4.919 gung zu wählen, ist zu beachten, dass der Unternehmer bereits bei Setzung der Nachfrist entscheiden muss, welches der beiden Gestaltungsrechte er ausüben will.801) Einer Rücktrittsandrohung bedarf es auch im Falle des Eigentumsvorbehalts.802) Allerdings ist der Unternehmer nicht gehindert, dem Verbraucher vor Ausübung des zunächst angedrohten Gestaltungsrechts eine erneute Nachfrist zu setzen und mit dieser die Ausübung des anderen Gestaltungsrechts anzudrohen.803) c) Rücktritt im Übrigen. Trotz des Wortlauts der §§ 498 Abs. 1 Satz 1 vor Nr. 1, 4.920 508 Satz 1 BGB („nur“), der eine abschließende Regelung nahe legt, bleibt das Recht zum Rücktritt aus anderen wichtigen Gründen als dem Zahlungsverzug unberührt.804) In Betracht kommt insbesondere ein Rücktritt nach § 324 BGB, etwa wegen nachlässiger Behandlung der Sache.805) d) Ratenlieferungsverträge. Keine Anwendung findet § 508 BGB auf Raten- 4.921 lieferungsverträge i. S. d. § 510 BGB.806) e) Verfallklausel. Nach einhelliger Auffassung weicht eine Klausel, nach der 4.922 der Verkäufer mit Eintritt des Zahlungsverzuges berechtigt sein soll, Herausgabe der Vorbehaltsware selbst dann zu verlangen, wenn er nicht zugleich vom Kaufvertrag zurücktritt, jedenfalls im b2c-Bereich von dem in § 449 Abs. 2 ___________ 799) BGH, Urt. v. 25.9.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43 = NJW 2002, 137 = ZIP 2002, 2124. 800) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 28; BGH, Urt. v. 25.9.2001 – XI ZR 109/01, BGHZ 149, 43 = NJW 2002, 137. 801) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 508 Rz. 6. 802) BGH, Urt. v. 19.10.1994 – VIII ZR 252/93, NJW-RR 1005, 365. 803) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 508 Rz. 11. 804) BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292. 805) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 508 Rz. 1. 806) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 508 Rz. 7.

1011

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

BGB normierten Grundsatz „keine Rücknahme ohne Rücktritt“ ab. Eine entsprechende Klausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht Stand.807) 2.

Rücktrittsrecht

4.923 a) Grundlagen. § 508 Satz 1 BGB schafft kein neues Rücktrittsrecht des Unternehmers, sondern setzt ein solches voraus, das sich aus dem Vertrag oder aus allgemeinen Vorschriften ergeben kann. Die Berechtigung zum Rücktritt folgt den allgemeinen Regeln des Leistungsstörungsrechts. Dem Käufer muss also eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sein und es muss eine angemessene Nachfrist verstrichen sein (§ 323 Abs. 1 und 2 BGB). § 508 Satz 1 BGB enthält für Teilzahlungsgeschäfte i. S. d. § 507 BGB eine Sonderregelung, die den Rücktritt nach §§ 449 Abs. 2, 323 Abs. 1 BGB von sämtlichen Voraussetzungen des § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB (Kündigung wegen Zahlungsverzugs, §§ 508 Satz 1, 286 BGB), abhängig macht. 4.924 b) Verjährung. Ist die Kaufpreisforderung verjährt, so kann gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB an sich nicht mehr vom Vertrag zurückgetreten werden. Angesichts des Sicherungszwecks des Eigentumsvorbehalts ist der Rücktritt ausnahmsweise auch dann noch möglich, wenn die gesicherte Forderung, der Kaufpreiszahlungsanspruch, bereits verjährt sein sollte (§§ 216 Abs. 2 Satz 2, 218 Abs. 1 Satz 3 BGB). 4.925 c) Rücktrittserklärung. Der Rücktritt erfolgt, soweit nicht die Rücktrittsvermutung des § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB eingreift, gemäß § 349 BGB durch Erklärung gegenüber dem Verbraucher. 3.

Rücktrittsfiktion bei Wiederansichnahme der Sache

4.926 a) Rechtsnatur und Normzweck. § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB fingiert die Rücktrittserklärung im Sinne einer unwiderleglichen Vermutung bei berechtigter Wiederansichnahme der Sache, sofern er sich nicht mit dem Verbraucher einigt, diesem den gewöhnlichen Verkaufswert der Sache im Zeitpunkt der Wegnahme zu vergüten (§ 508 Satz 5 Halbs. 2 BGB). Der Verbraucher soll durch § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB davor geschützt werden, Besitz und Nutzung der Sache zu verlieren, gleichzeitig aber zur Weiterzahlung der Raten verpflichtet zu bleiben.808) 4.927 b) Voraussetzung Zahlungsverzug. § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB fingiert nach h. M. nicht die Rücktrittsvoraussetzungen. Da die Wegnahme der Sache als Ausübung des Rücktrittsrechts gilt, dieses aber in § 508 Satz 1 i. V. m. § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB beschränkt ist, löst die Wegnahme der Sache durch den Unternehmer nur dann die Rücktrittsfiktion aus, wenn zugleich ein Rücktritts___________ 807) BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. 808) BGH, Urt. v. 12.9.2001 – VIII ZR 109/00, NJW 2002, 133 = ZIP 2001, 1992.

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X. Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB

grund vorliegt, d. h. wenn ein qualifizierter Zahlungsverzug i S. d. § 508 Satz 1 BGB und eine Fristsetzung mit Rücktrittsandrohung festgestellt werden kann.809) Einschränkend wird also eine berechtigte Wiederansichnahme verlangt. Die Voraussetzungen für die beiden Gestaltungsrechte nach § 508 BGB und § 498 BGB sind sonach identisch. c) Wiederansichnahme. aa) Allgemein. Der Begriff der „Wiederansichnah- 4.928 me“ der Sache durch den Unternehmer ist weit auszulegen und anhand einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu konkretisieren.810) Daher kommt es nicht darauf an, dass der Unternehmer zuvor Besitzer war, wie der Rechtsgedanke des § 508 Satz 6 BGB zeigt. Das Wiederansichnehmen kann geschehen, indem der Kreditgeber selbst unmittelbaren Besitz an der zuvor gelieferten Sache ergreift, also die tatsächliche Gewalt daran erlangt (§ 854 BGB). Denkbar ist aber auch die Begründung mittelbaren Besitzes durch Herausgabe an einen Dritten, der mit dem Kreditgeber in einem Besitzmittlungsverhältnis steht oder einen sonstigen vom Kreditgeber bestimmten Dritten. bb) Zurechnung. Voraussetzung ist, dass der Besitzverlust auf Veranlassung 4.929 des Unternehmers erfolgt. Stets muss das Handeln des Kreditgebers darauf gerichtet sein, den Verbraucher zur Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit zu zwingen. Der Verbraucher kann somit die Rückabwicklung des Teilzahlungsgeschäfts oder die Vergütung des Verkaufswerts nicht eigenmächtig erzwingen.811) d) Rechtsprechung. aa) Allgemein. Zu denken ist insbesondere an die Situa- 4.930 tion, dass der Kreditgeber die verkaufte Sache ohne Kündigungs-/Rücktrittserklärung zum Zwecke der Verwertung abholen lässt. Dies kann auch außerhalb der Zwangsvollstreckung geschehen und setzt keinen entsprechenden Rechtsfolgewillen voraus. Ein Wiederansichnehmen liegt beispielsweise vor, wenn der Unternehmer die Sache „zur Sicherung“ seiner Ansprüche zurücknimmt, etwa bei Rückholung sicherungsübereigneter Sachen, auch zum Zwecke der Weiterveräußerung an einen Dritten,812) oder der Unternehmer ernsthaft Herausgabe der Sache verlangt, sei es außergerichtlich,813) sei es durch Klageerhebung,814) oder Aussonderungsrechte geltend macht.815) ___________ 809) OLG Oldenburg, Urt. v. 30.8.1995 – 2 U 136/95, NJW-RR 1996, 564, zu § 13 Abs. 3 VerbrKrG; OLG Köln, Urt. v. 5.9.1997 – 19 U 83/97, BB 1997, 2502; OLG Dresden, Urt. v. 4.7.2007 – 8 U 279/07, BeckRS 2007, 346. 810) BGH, Urt. v. 25.11.1970 – VIII ZR 2/69, BGHZ 55, 59 = NJW 1971, 191. 811) BGH, Urt. v. 8.11.1965 – VIII ZR 300/63, BGHZ 44, 237 = NJW 1966, 972; BGH, Urt. v. 15.7.1984 – III ZR 109/83, NJW 1984, 2294 = ZIP 1984, 1072. 812) BGH, Urt. v. 8.11.1965 – VIII ZR 300/63, BGHZ 44, 237 = NJW 1966, 972; BGH, Urt. BGH, Urt. v. 23.6.1988 – VIII ZR 75/87, NJW 1989, 163. 813) BGH, Urt. v. 13.10.1965 – VIII ZR 152/63, NJW 1965. 2399. 814) BGH, Urt. v. 25.11.1970 – VIII ZR 2/69, BGHZ 55, 59 = NJW 1971, 191; BGH, Urt. v. 15.7.1984 – III ZR 109/83, NJW 1984, 2294 = ZIP 1984, 1072. 815) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 508 Rz. 39.

1013

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

4.931 bb) Gaststättenpacht. Zu denken ist an einen Weiterverkauf von Gaststätteninventar an einen neuen Pächter nach Kündigung der Finanzierung gegenüber dem Vorbetreiber.816) 4.932 Aus der Inbesitznahme des verkauften Inventars kann allerdings nur dann auf einen Rücktritt des Verkäufers geschlossen werden, wenn das Verbraucherkreditrecht auch auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Verkäufer (Hauseigentümer) und den Nachpächtern Anwendung findet. Ob dies der Fall ist, hängt u. a. davon ab, ob der Verkäufer (Hauseigentümer) bei Abschluss des teilfinanzierten Ratenzahlungsvertrages über den Verkauf des Inventars in Ausübung seiner selbstständigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit i. S. d § 14 BGB handelte.817) 4.933 Nimmt der Getränkelieferant einzelne Teile einer Sachgesamtheit, z. B. eines Gaststätteninventars, an sich, wird die Rücktrittsvermutung ausgelöst, wenn die verbliebenen Sachen den zusammenhängenden Zweck nicht erfüllen können. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn der Wert der Sache sich gerade in ihrer Verbindung zu einer Sachgesamtheit verkörpert, also der Besitz an einzelnen Sachen letztlich wertlos ist.818) Der Umstand, dass der Gastwirt (Käufer) einen Teil des Inventars bei Aufgabe der Gaststätte mitgenommen haben soll, steht der Rücktrittsfiktion nicht entgegen.819) 4.934 Ist der Verkäufer (Hauseigentümer/Verpächter), der sich bis zur Zahlung des Restkaufpreises das Eigentum an dem verkauften Inventar vorbehalten hat, wieder im Besitz der verkauften Gegenstände, gilt dies im Verhältnis zum Getränkelieferanten dennoch nicht als Ausübung des Rücktrittsrechts.820) 4.935 cc) Finanzierung. Dient das Darlehen der Finanzierung des Kaufpreises für den Erwerb von Gaststätteninventar und veräußert der Getränkelieferant dieses weiter, so wird die Rücktrittsfiktion des § 508 Satz 5 BGB ausgelöst. Die anderweitige Verwertung von Gaststätteninventar durch den Kreditgeber stellt nämlich einen typischen Fall einer Wiederansichnahme einer aufgrund des Teilzahlungsgeschäftes gelieferten Sache dar.821) ___________ 816) BGH, Urt. v. 7.2.1966 – VIII ZR 240/63, BGHZ 45, 112; BGH, Urt. v. 23.6.1988 – VIII ZR 75/87, NJW 1989, 163. 817) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000. 818) BGH, Urt. v. 8.11.1965 – VIII ZR 300/63, BGHZ 44, 237 = NJW 1966, 972; BGH, Urt. v. 15.7.1984 – III ZR 109/83, NJW 1984, 2294 = ZIP 1984, 1072; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 75/94, NJW-RR 1995, 1008 = ZIP 1995, 22. 819) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98. 820) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98. 821) BGH, Urt. v. 7.10.1982 – VII ZR 334/80, NJW 1983, 162 zu § 5 AbzG; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 75/94, NJW-RR 1995, 1008 = ZIP 1995, 22, zu § 13 Abs. 3 VKG.

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X. Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB

dd) Sicherungsübereignung. Risikobehaftet ist es, wenn der Getränkelieferant 4.936 Sicherungsgegenstände wieder an sich nimmt, ohne dass die Voraussetzungen des § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt sind. Praktisch wird dies, wenn der Getränkelieferant das Sicherungsgut zum Zwecke der Verwertung an sich nimmt. Aufgrund des der dinglichen Sicherungsübereignung zugrunde liegenden obligatorischen Sicherungsvertrages und des darin vereinbarten Sicherungszwecks darf der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer die Gegenstände nur verwerten, wenn der Sicherungsfall eingetreten ist. Dies setzt aber typischerweise Verzug voraus. Dient die Sicherungsübereignung der Absicherung von Forderungen aus einem Verbraucherkreditvertrag, so bestimmen §§ 498 Abs. 1 Satz 1, 508 Satz 1 BGB darüber hinaus die weiteren Voraussetzungen des Sicherungsfalls. Sind diese auch nur teilweise nicht gegeben, kann der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer die Sache nicht verwerten und damit auch nicht wieder an sich nehmen. ee) Vollstreckungsmaßnahmen. Die Rücktrittsfiktion des § 508 Satz 5 BGB 4.937 greift, wenn der Getränkelieferant die Zwangsvollstreckung aus einem Zahlungstitel in seine unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Sache betreibt, insbesondere den Gerichtsvollzieher beauftragt, in die gelieferte Sache zu vollstrecken und er auf diese Weise die Sache erwirbt.822) Wird die Sache nur gepfändet, aber nicht verwertet823) oder wird sie zwar verwertet, aber eher zufällig aufgrund eines allgemeinen Vollstreckungsauftrages des Kreditgebers, liegt darin keine Handlung, durch die sich der Kreditgeber den Wert der Sache zuführt, so dass die Rücktrittsvermutung nicht eingreift.824) Werden die Vollstreckungsmaßnahmen von einem Dritten ausgeführt, dann tritt die Fiktionswirkung des § 508 Satz 5 BGB nicht ein.825) So veranlasst der Unternehmer nicht den Besitzverlust des Verbrauchers, wenn er im Anschluss an die Vollstreckung eines Dritten in die Sache von diesem gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB den Versteigerungserlös herausverlangt oder Vorzugsklage gemäß § 805 ZPO erhebt826). Die Rücktrittsfiktion tritt ebenfalls nicht ein, wenn bei Zwangsvollstreckung eines Dritten der Kreditgeber die Erhebung der Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO unterlässt. Erwirkt der Kreditgeber aber wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Sache durch den Verbraucher eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe an einen Sequester, wird damit der Rücktritt vermutet.827) ___________ 822) BGH, Urt. v. 10.11.1954 – II ZR 21/54, BGHZ 15, 171 = NJW 1955, 64; BGH, Urt. v. 30.10.1956 – VIII ZR 77/56, BGHZ 22, 123 = NJW 1957, 20; BGH, Urt. v. 25.11.1970 – VIII ZR 2/69, BGHZ 55, 59 = NJW 1971, 191. Weitere Einzelheiten bei Bühler, Brauereiund Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 3.989 – 3.993, m. w. N. 823) BGH, Urt. v. 11.10.1962 – VII ZR 156/61, WM 1962, 1263. 824) BGH, Urt. v. 15.5.1963 – VIII ZR 20/62, BeckRS 1963, 31190320. 825) OLG Celle, Urt. v. 24.11.1958 – 1 U 43/58, NJW 1959, 1414. 826) BGH, Urt. v. 20.3.1963 – VIII ZR 130/61, BGHZ 39, 173 = NJW 1963, 1200. 827) RG, Urt. v. 13.1.1933 – II 236/32, RGZ 139, 205.

1015

§ 48 Finanzierungshilfen und Teilzahlungsgeschäfte

4.938 Erst die endgültige Übergabe der Pfandsache an den Getränkelieferanten (oder einen Dritten) löst die Rücktrittsfiktion aus.828) Damit besteht eine Parallelität zum Falle der Versteigerung. Rechtlich macht es auch keinen Unterschied, ob der Getränkelieferant für die Verwertung den Weg der Versteigerung oder den der Zuweisung an sich selbst nach § 825 ZPO wählt. In beiden Fällen liegt ein endgültiger Besitzentzug vor. Bewirkt dagegen der Getränkelieferant eine Anschlusspfändung gem. § 826 ZPO, so muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die Zwangsvollstreckung von Anfang an betrieben.829) 4.939 e) Vergütung des Verkaufswertes. Die Fiktion greift nicht ein, wenn der Unternehmer sich vorher – bei Abschluss des Vertrages und in AGB830) und damit unwiderruflich oder später831) – mit dem Verbraucher einigt, diesem den gewöhnlichen Verkaufswert der Sache i. S. d. § 813 Abs. 1 Satz 1 ZPO im Zeitpunkt der Wegnahme zu vergüten (§ 508 Satz 5 Halbs. 2 BGB). Dann entsteht bei Wiederansichnahme der Sache kein Rückabwicklungsverhältnis. Der Verbraucher schuldet nach wie vor den vereinbarten Kaufpreis, von dem der gewöhnliche Verkaufswert abzuziehen ist. Die Differenz entspricht dem Wertverlust, der durch die bloße Ingebrauchnahme der Sache, die der Unternehmer natürlich behalten darf, entstanden ist. Mit diesem Verfahren wird die Durchführung der Rückabwicklung nach §§ 346 f. BGB ersetzt und die Praxis von Schwierigkeiten entlastet werden, die im Falle eines Rücktritts namentlich bei Bemessung der vom Verbraucher geschuldeten Nutzungsvergütung (§ 508 Satz 4 BGB) auftreten.832) 4.940 Die Beweislast für die Einigung trägt, wer sich darauf beruft, dass die Rücktrittsfiktion nicht eintrat („es sei denn“). 4.941 f) Verbundene Verträge. aa) Situation. Ist ein Vertrag über die Lieferung einer Sache mit einem Verbraucherdarlehensvertrag i. S. d. § 358 Abs. 3 BGB verbunden, so hat der Verkäufer typischerweise die Vergütung schon erhalten, und zwar vom finanzierenden Darlehensgeber (Getränkelieferanten). Gerät der Verbraucher mit der Rückzahlung des Darlehens in Verzug, so kann der Verkäufer nicht vom Vertrag zurücktreten, weil ihm gegenüber der Verbraucher nicht in Verzug ist. Der Getränkelieferant als Darlehensgeber kann in diesem Fall an dem Darlehensvertrag festhalten und seinen Verzugsschaden nach § 497 BGB liquidieren. Er kann aber stattdessen auch den Darlehensvertrag nach § 498 BGB kündigen und die Restschuld fällig stellen. In beiden Fällen behält der ___________ 828) 829) 830) 831)

BGH, Urt. v. 6.2.1963 – VIII ZR 140/62, BGHZ 39, 97 = NJW 1963, 763. Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 508 Rz. 60. BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292. Dann ist der Eintritt der damit verbundenen Rechtsfolgen auflösend bedingt durch den nachträglichen Abschluss der Vergütungsvereinbarung. Vgl. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 508 Rz. 44. 832) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 28.

1016

X. Gesetzliches Rücktrittsrecht wegen Zahlungsverzuges nach § 508 BGB

Verbraucher die gelieferte Sache. Der Getränkelieferant könnte die sicherungsübereigneten Gegenstände an sich nehmen. Dies ist dann von besonderem Interesse, wenn er zur Sicherung der Forderungen aus dem Darlehensvertrag eine Sicherungsübereignung der Sachen vereinbart hat. bb) Regelungsgehalt. § 508 Satz 6 Halbs. 1 BGB bestimmt für diesen Fall, 4.942 dass die Rücktrittsvermutung des § 508 Satz 5 Halbs. 1 BGB und die Ausnahme hierzu nach § 508 Satz 5 Halbs. 2 BGB entsprechend gelten, wenn der Darlehensgeber die Sache an sich nimmt. Tut er dies, so wird er also Partei des Rückabwicklungsverhältnisses mit dem Verbraucher. Das Abwicklungsverhältnis entsteht ausschließlich zwischen dem Darlehensgeber und dem Verbraucher, der finanzierte Kaufvertrag bleibt bestehen. Die Abwicklung vollzieht sich dabei so, als wäre der Darlehensgeber gleichzeitig Verkäufer.833) Für diesen Fall bestimmt § 508 Satz 6 Halbs. 2 BGB, dass für das Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher § 508 Sätze 3 und 4 BGB gelten. Der Verbraucher muss also dem Darlehensgeber die vertragsspezifischen Kosten ersetzen und bei der Nutzungsvergütung einen Entwertungszuschlag leisten. Das gilt nicht, wenn sich der Darlehensgeber (Getränkelieferant) und der Verbraucher über den gewöhnlichen Verkaufswert einigen (§ 508 Satz 5 Halbs. 2 BGB). Dann wird wiederum der gewöhnliche Verkaufswert von der Restschuld abgezogen.834) 4.

Folgen des Rücktritts

a) Rückabwicklungsverhältnis. Der wirksame Rücktritt bewirkt eine Umges- 4.943 taltung des ursprünglichen Vertragsverhältnisses in ein vertragliches Abwicklungsverhältnis. Damit werden die beiderseitigen Erfüllungsansprüche beseitigt und die empfangenen Leistungen sind zurückzugewähren. Vorbehaltlich der Sonderregelungen in § 508 Sätze 3 und 4 BGB gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 346 ff. BGB. b) Herausgabe. Mit Rücktritt entfällt die Teilzahlungsabrede und das Recht 4.944 zum Besitz aus dem Kaufvertrag kommt zum Wegfall.835) Auf der Grundlage des Eigentumsvorbehalts kann der Getränkelieferant die Sache nunmehr nach § 985 BGB herausverlangen.836) c) Auskunftsanspruch. Der Getränkelieferant kann als Vorbehaltseigentümer 4.945 seinen aus der Sicherungsabrede ableitbaren Auskunftsanspruch über die noch im Besitz des Schuldners befindliche Eigentumsvorbehaltsware im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgen.837) ___________ 833) 834) 835) 836) 837)

Staudinger-Kessal-Wulf, BGB, § 508 Rz. 45, 46. Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 508 Rz. 51. BGH, Urt. v. 19.12.2007 – XII ZR 61/05, NJW-RR 2008, 818. Siehe oben § 40 VI 1 a und 4, jeweils m. w. N. OLG Bamberg, Beschl. v. 18.9.2006 – 2 W 13/06, BeckRS 2007, 07167.

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§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

5.

Folgen einer unberechtigten Wiederansichnahme

4.946 a) Grundsatz. Die Rücktrittsfolgen treten nicht ein. 4.947 b) Erfüllungsansprüche. Die beiderseitigen vertraglichen Erfüllungsansprüche bleiben bestehen.838) 4.948 c) Recht zum Besitz. Der Verbraucher-/Existenzgründergastwirt ist nach wie vor zum Besitz der Sache berechtigt.839) 4.949 d) Verbotene Eigenmacht. Der Unternehmer begeht eine verbotene Eigenmacht gem. § 858 Abs. 1 BGB. 4.950 e) Wiedereinräumung des Besitzes. Der Verbraucher kann dann Wiedereinräumung des Besitzes verlangen. 4.951 f) Zahlungsverzug. Da der Verbraucher bis zur Wiedererlangung des Besitzes seine Raten gem. § 273 BGB zurückbehalten kann, gerät er insoweit nicht in Verzug. 4.952 g) Schadensersatz. Im Übrigen stellt die unberechtigte Wiederansichnahme der Sache eine Verletzung des Vertrages dar, die zum Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet.840) § 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen I. Praktische Bedeutung 1.

Verbundene Verträge

4.953 Die Rechtsprechung hatte zwar selten Gelegenheit, zur Frage des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts in diesem Zusammenhang Stellung nehmen zu müssen.841) Die praktische Relevanz in der Finanzierung von Gaststätteninventar sollte aber nicht unterschätzt werden.842) 4.954 § 358 BGB umfasst alle fremd finanzierten Leistungsverhältnisse, so dass eine nähere Qualifikation des (typengemischten) Vertrages nicht erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass in Verbindung mit einem Ratenlieferungsvertrag (hier Getränkelieferungsvertrag) abweichend vom Regelfall des gemischten Vertrages ausnahmsweise ein getrennter Darlehens- oder sonstiger Finanzierungsvertrag geschlossen wird, der mit jenem eine wirtschaftliche Einheit i. S. v. § 358 Abs. 3 BGB bildet. Nicht abschließend seien nachfolgend ___________ 838) 839) 840) 841)

Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 842) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 147.

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§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

5.

Folgen einer unberechtigten Wiederansichnahme

4.946 a) Grundsatz. Die Rücktrittsfolgen treten nicht ein. 4.947 b) Erfüllungsansprüche. Die beiderseitigen vertraglichen Erfüllungsansprüche bleiben bestehen.838) 4.948 c) Recht zum Besitz. Der Verbraucher-/Existenzgründergastwirt ist nach wie vor zum Besitz der Sache berechtigt.839) 4.949 d) Verbotene Eigenmacht. Der Unternehmer begeht eine verbotene Eigenmacht gem. § 858 Abs. 1 BGB. 4.950 e) Wiedereinräumung des Besitzes. Der Verbraucher kann dann Wiedereinräumung des Besitzes verlangen. 4.951 f) Zahlungsverzug. Da der Verbraucher bis zur Wiedererlangung des Besitzes seine Raten gem. § 273 BGB zurückbehalten kann, gerät er insoweit nicht in Verzug. 4.952 g) Schadensersatz. Im Übrigen stellt die unberechtigte Wiederansichnahme der Sache eine Verletzung des Vertrages dar, die zum Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet.840) § 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen I. Praktische Bedeutung 1.

Verbundene Verträge

4.953 Die Rechtsprechung hatte zwar selten Gelegenheit, zur Frage des Vorliegens eines verbundenen Geschäfts in diesem Zusammenhang Stellung nehmen zu müssen.841) Die praktische Relevanz in der Finanzierung von Gaststätteninventar sollte aber nicht unterschätzt werden.842) 4.954 § 358 BGB umfasst alle fremd finanzierten Leistungsverhältnisse, so dass eine nähere Qualifikation des (typengemischten) Vertrages nicht erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist lediglich, dass in Verbindung mit einem Ratenlieferungsvertrag (hier Getränkelieferungsvertrag) abweichend vom Regelfall des gemischten Vertrages ausnahmsweise ein getrennter Darlehens- oder sonstiger Finanzierungsvertrag geschlossen wird, der mit jenem eine wirtschaftliche Einheit i. S. v. § 358 Abs. 3 BGB bildet. Nicht abschließend seien nachfolgend ___________ 838) 839) 840) 841)

Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. Erman-Nietsch, BGB, § 508 Rz. 79. OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04. 842) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 147.

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II. Verbundene Verträge

Fallkonstellationen genannt, in denen darüber hinaus das Vorliegen verbundener Verträge sorgfältig zu prüfen sein wird: x

Vom Getränkelieferanten darlehensweise finanzierter Kauf von Gaststätteninventar, Schanktechnik, Außenwerbung etc. durch einen Verbraucher/Existenzgründerkunden beim Lieferanten, Vorbetreiber oder anderen Dritten, unabhängig davon, ob sich die Gegenstände im Objekt oder auf dem Lager des Getränkelieferanten befinden.

x

Trennung zwischen Darlehensvertrag und Bezugsvertrag seitens des Getränkelieferanten bei Selbstfinanzierung durch den Getränkelieferanten oder Drittfinanzierung durch Kreditinstitute (Umwegfinanzierung).

2.

Zusammenhängende Verträge

Der Tatbestand eines zusammenhängenden Vertrages i. S. d. § 360 Abs. 2 BGB 4.955 ist zwar theoretisch denkbar. In der Praxis dürfte er aber nur äußerst ausnahmsweise erfüllt sein.843) II.

Verbundene Verträge

1.

Legaldefinition des § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB

§ 358 Abs. 3 Satz 1 BGB enthält zwei eigenständige Voraussetzungen.844) Da- 4.956 nach sind der Verbraucherdarlehensvertrag und der andere Vertrag miteinander verbunden, wenn das Darlehen der Finanzierung des Entgelts für die Ware oder Leistung dient (sog. Finanzierungsfunktion) und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Fehlt der notwendige Finanzierungszusammenhang, so kommt es nicht mehr darauf an, ob beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.845) Es genügt, wenn sich die Verknüpfung der beiden Verträge aus den Umständen ergibt. 2.

Finanzierungsfunktion i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 BGB

a) Grundlagen. Die Darlehensvaluta muss zunächst gem. § 358 Abs. 3 Satz 1 4.957 Alt. 1 BGB aus objektiver Sicht ganz oder teilweise zur Tilgung des nach dem Leistungsgeschäft geschuldeten Entgelts „dienen“. Diese Zweckbindung braucht nicht als rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit des Darlehensvertrages, etwa als Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 1 BGB, ausgestaltet zu sein. Es kommt vielmehr nur darauf an, ob nach den Vorstellungen der Beteiligten die Verwendung der Valuta zur Tilgung des Kaufpreises geplant war, der Verbraucher über ___________ 843) Siehe unten §49 III, insbesondere 5, m. w. N. 844) BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 406/13, BGHZ 205, 249 = NJW 2015, 2414 = ZIP 2015, 1383. 845) BGH, Urt. v. 8.7.2009 – VIII ZR 327/08, NJW 2009, 3295; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104.

1019

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

die Valuta also nicht frei verfügen können sollte. Die Finanzierungsfunktion des Darlehens darf auch nicht mit einer vereinbarten Zweckbindung des Darlehens und dem Ausschluss des Verbrauchers von der freien Verfügbarkeit über die Darlehenssumme gleichgesetzt werden.846) 4.958 b) Ort und Form. Unerheblich ist, ob im Liefervertrag die Finanzierung gleich mit geregelt worden ist, bzw. ob es sich um zwei separate Vereinbarungen handelt.847) Es genügt, wenn sich die Verknüpfung der beiden Verträge aus den Umständen ergibt. Eine wechselseitige Inbezugnahme ist nicht erforderlich. Diese hat aber Indizfunktion. Eine mündliche Zweckabrede ist ebenso imstande, den Finanzierungszweck des Darlehens zu dokumentieren, wie eine außerhalb der eigentlichen Vertragsurkunde getroffene schriftliche Vereinbarung. 4.959 c) Die zeitliche Reihenfolge der Verträge ist ohne Bedeutung.848) Nimmt der Verbraucher nach Abschluss des Bargeschäfts ein Darlehen auf, ist § 358 Abs. 3 BGB allerdings nur anwendbar, wenn der Unternehmer damit einverstanden ist, dass sein Anspruch gegen den Verbraucher durch einen Anspruch gegen den Darlehensgeber ersetzt wird. 4.960 d) Teilfinanzierung. Eine Teilfinanzierung des aufzubringenden Kaufpreises genügt. Der Umstand, dass ein Darlehen nur zum Teil der Finanzierung eines anderen Vertrages dient und darüber hinaus noch zu weiteren Zwecken verwendet wird, steht der Anwendung des § 358 Abs. 3 BGB somit nicht entgegen.849) 4.961 e) Zahlungsfluss. Gleichgültig ist auch, ob der Darlehensgeber unmittelbar an den Unternehmer zahlt, so wenn der Darlehensgeber den Kaufvertrag zwischen Unternehmer und Verbraucher finanziert, oder ob er das Geld an den Verbraucher zur Weiterleitung an den Unternehmer gutschreibt oder ausbezahlt. 4.962 f) Subsumtion. Ein Inventarkaufvertrag zwischen Getränkelieferanten bzw. einem Inventarverkäufer und einem Existenzgründer/Verbraucher dürfte als ein Vertrag über die Lieferung einer Ware i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Fall 1 BGB anzusehen sein. Jedenfalls dürfte § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 Fall 2 BGB („Vertrag über die Erbringung einer anderen Leistung“) erfüllt sein. 4.963 g) Finanzierter Grundstückserwerb. Den Sonderfall des finanzierten Grundstückserwerbs regelt § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB. ___________ 846) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 266. 847) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 287. 848) BGH, Urt. v. 13.6.2006 – XII ZR 432/04, NJW-RR 2006, 1715 = ZIP 2006, 1626; BGH, Urt. v. 11.7.2006 – VI ZR 340/04, ZIP 2006, 1764; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 76/06, NJW-RR 2008, 643 = ZIP 2008, 357; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 849) BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656.

1020

II. Verbundene Verträge

3.

Wirtschaftliche Einheit nach § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 BGB

a) Allgemeines. Nach der unwiderleglichen Vermutung des § 358 Abs. 3 Satz 2 4.964 BGB, die eng auszulegen ist und an deren Vorliegen hohe Voraussetzungen zu stellen sind, ist die zweite konstitutive Voraussetzung eine wirtschaftliche Einheit (unbestimmter Rechtsbegriff) insbesondere und damit nicht abschließend in zwei Konstellationen zwingend anzunehmen. Zum einen dann, wenn der Unternehmer selbst die Finanzierung übernimmt (Fall 1). Zum anderen, wenn der Darlehensgeber und der Unternehmer bei der Vorbereitung oder deren Abschluss des Darlehensvertrages arbeitsteilig zusammenwirken (Fall 2).850) b) Personenidentität von Unternehmer und Darlehensgeber. aa) Grundsatz. 4.965 Eine wirtschaftliche Einheit ist gem. § 358 Abs. 3 Satz 2 Fall 1 BGB auch bei rechtlicher Identität von Darlehensgeber und Unternehmer denkbar. Sonach finden die §§ 358, 359 BGB auch außerhalb der sonst typischen Dreipersonenverhältnisse Anwendung.851) bb) Begründung. Hierfür spricht der Umstand, dass dem Verbraucher die Ge- 4.966 fahren einer Aufspaltung eines Erwerbsvorgangs in zwei rechtlich selbstständige Verträge auch dann drohen, wenn es sich bei dem Darlehensgeber und dem Unternehmer um ein und dieselbe Person handelt. cc) Subsumtion. Dies ist dann der Fall, wenn der Getränkelieferant als Ver- 4.967 käufer selbst die Finanzierung des Kaufpreises übernimmt, indem er das Inventar unter Eigentumsvorbehalt verkauft und gleichzeitig unter Umwandlung der Kaufpreisschuld in ein Darlehen den Kaufpreis finanziert.852) Nicht verwechselt werden darf diese Fallgruppe mit dem praktisch relevanten 4.968 Fall, dass Getränkelieferanten Inventar unter Eigentumsvorbehalt vorfinanzieren und ohne Umwandlung in ein Darlehen nach den Vorschriften des Ratenkaufvertrages (§ 507 BGB) finanzierungstechnisch ein Teilzahlungsgeschäft i. S. d. § 507 BGB in Kombination mit einem Bindungsvertrag (§ 510 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB) abschließen. c) Personenverschiedenheit, aber Mitwirkung des Unternehmers bei Vorbe- 4.969 reitung oder Abschluss des Darlehensvertrages. aa) Sichbedienen. Gem. § 358 Abs. 3 Satz 2 Fall 2 BGB besteht eine unwiderlegliche Vermutung einer wirtschaftlichen Einheit weiter dann, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Damit liegt ein Dreiecksverhältnis vor. Vorausset___________ 850) BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 851) BGH, Urt. v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, NJW 2003, 2821 = ZIP 2003, 1592; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 852) Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 147.

1021

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

zung ist, dass der Unternehmer und der Darlehensgeber aus der Sicht des Verbrauchers gemeinsam wie eine Partei auftreten.853) 4.970 Von einem „Sichbedienen“ kann nur bei positiver Kenntnis des Darlehensgebers vom Handeln des Unternehmers ausgegangen werden.854) Aufgedrängtes Drittverhalten führt auch dann nicht zur Zurechnung, wenn der Darlehensgeber grob fahrlässig in Unkenntnis ist.855) Fälle, in denen sich der Verbraucher das Darlehen aus eigenem Antrieb und durch selbstständige, vom Kauf unabhängige Verhandlungen „auf eigene Faust“ beschafft hat, scheiden daher auch dann aus, wenn die Finanzierung dem vorgenommenen Erwerbsgeschäftes dient.856) Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen der Verbraucher ohne Wissen des Darlehensgebers vom Unternehmer hinsichtlich etwaiger Finanzierungsmöglichkeiten einen Hinweis auf den Darlehensgeber erhält und sich daraufhin an diesen wendet.857) 4.971 bb) Indizien. Als in diesem Zusammenhang denkbare Indizien für ein arbeitsteiliges Zusammenwirken im Einzelfall werden insbesondere genannt: x

das tatsächliche Praktizieren eines Rahmenvertrages;858)

x

ein (auch faktisches) planmäßiges und arbeitsteiliges Zusammenwirken von einigem Gewicht zwischen Darlehensgeber und Unternehmer hinsichtlich eines konkreten Darlehens, nicht notwendig auf Dauer;859)

x

ein einmaliges spontanes tatsächliches Zusammenwirken ohne vorhergehende Absprache, sofern der Darlehensgeber vom Tätigwerden des Unternehmers in seiner Sphäre Kenntnis hat und dies billigt;860)

x

ein bloßer Hinweis auf eine Finanzierungsmöglichkeit861) (zw.);

x

die Nutzung einer identischen Vertriebsorganisation durch Darlehensgeber und Unternehmer;862)

___________ 853) 854) 855) 856) 857) 858) 859)

BGH, Urt. v. 5.5.1992 – XI ZR 242/91, NJW 1992, 2560. BGH, Urt. v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, NJW 2007, 3200. BGH, Urt. v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, NJW 2007, 3200. BGH, Urt. v. 15.5.1990 – XI ZR 205/88, NJW-RR 1990, 1072 = ZIP 1990, 851. BGH, Urt. v. 15.5.1990 – XI ZR 205/88, NJW-RR 1990, 1072 = ZIP 1990, 851. BGH, Urt. v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, NJW 1980, 938. BGH, Urt. v. 21.7.2003 – II ZR 387/02, NJW 2003, 2821 = ZIP 2003, 1592; BGH, Urt. v. 28.6.2004 – II ZR 373/00, NJW 2004, 3332 = ZIP 2004, 1543; BGH, Urt. v. 31.1.2005 – II ZR 200/03, NJW-RR 2005, 1073 = ZIP 2005, 565; OLG Brandenburg, Urt. v. 2.4.2009 – 5 U 53/08, NJW-RR 2009, 810. 860) BGH, Urt. v. 28.6.2004 – II ZR 373/00, NJW 2004, 3332 = ZIP 2004, 1543. 861) BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 16/81, NJW 1983, 2250 = ZIP 1983, 920. 862) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656.

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II. Verbundene Verträge

x

die Überlassung von Büroräumen an den Unternehmer oder Vermittler;

x

der zeitgleiche Abschluss beider Verträge.863)

cc) Positive Kenntnis. Von einem „Sichbedienen“ kann nur bei positiver Kennt- 4.972 nis des Darlehensgebers vom Handeln des Unternehmers ausgegangen werden.864) Aufgedrängtes Drittverhalten führt auch dann nicht zur Zurechnung, wenn der Darlehensgeber grob fahrlässig in Unkenntnis ist. Fälle, in denen sich der Verbraucher das Darlehen aus eigenem Antrieb und durch selbstständige, vom Kauf unabhängige Verhandlungen „auf eigene Faust“ beschafft hat, schieden daher auch dann aus, wenn die Finanzierung dem vorgenommenen Erwerbsgeschäftes dient. Erst recht gilt dies für Konstellationen, in denen der Verbraucher ohne Wissen des Darlehensgebers vom Unternehmer hinsichtlich etwaiger Finanzierungsmöglichkeiten einen Hinweis auf den Darlehensgeber erhält und sich daraufhin an diesen wendet.865) 4.

Wirtschaftliche Einheit im Übrigen

a) Grundlagen. Eine wirtschaftliche Einheit nach § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB 4.973 kann sich auch aus anderen Umständen als denen des § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB ergeben. Bereits der Wortlaut des § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB („insbesondere“) zeigt, dass die Vorschrift keine abschließende Aufzählung der eine wirtschaftliche Einheit begründenden Umstände enthält.866) Die wirtschaftliche Einheit wird hier allerdings nicht aufgrund bestimmter Umstände vermutet, sondern muss in einer umfassenden objektiven wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.867) Keines der Verbindungselemente muss zwingend festgestellt werden. Das Fehlen eines Verbindungselements kann durch das Hinzuziehen anderer, besonders gewichtiger Verbindungselemente kompensiert werden.868) Nach der Rechtsprechung muss die Verbindung zwischen den beiden Verträgen 4.974 so eng sein, dass sich beide als Teilstücke zu einer rechtlichen oder zumindest wirtschaftlich-tatsächlichen Einheit ergänzen.869) Dies verlangt einerseits ein Mit___________ 863) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 962. 864) BGH, Urt. v. 19.6.2007 – XI ZR 142/05, NJW 2007, 3200. 865) BGH, Urt. v. 15.5.1990 – XI ZR 205/88, NJW-RR 1990, 1072 = ZIP 1990, 851. 866) BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 867) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 962; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 868) BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 869) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, NJW 1980, 938; BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220.

1023

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

tel-Zweck-Verhältnis und andererseits, dass das eine Geschäft nicht ohne das andere abgeschlossen worden wäre.870) Das Zweck-Mittel-Verhältnis ist aus der objektiven Sicht der Parteien festzustellen. Damit ist allerdings für die Konkretisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Einheit noch nicht viel gewonnen.871) 4.975 b) Verbindungselemente. Als denkbare Verbindungselemente sind nicht abschließend872) zu berichten: x x x x

x x x

der zeitgleiche Abschluss beider Verträge;873) die Zweckbindung des Darlehens,874) insbesondere wenn dadurch der Verbraucher von der freien Verfügung über die Darlehensvaluta ausgeschlossen wird;875) dass Darlehensgeber und Unternehmer durch zurechenbares Verhalten den Eindruck erwecken, sie stünden dem Verbraucher gemeinsam als Vertragspartner gegenüber;876) die Bezeichnung des Verbrauchers im Vertrag als „Käufer und Darlehensnehmer“;877) die Vermittlung der jeweils anderen Vertragspartei oder die Beratung bei Abschluss und Abwicklung des anderen Vertrages;878) das Abhängigmachen des Wirksamwerdens des Leistungsvertrages vom Zustandekommen des Darlehensvertrages (sog. Sicherstellung der Finanzierung);879)

___________ 870) BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 871) BGH, Urt. v. 29.4.1981 – VIII ZR 184/80, NJW 1981, 1960; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 962; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 872) BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 873) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 962; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 874) BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 875) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 876) BGH, Urt. v. 25.3.1982 – III ZR 198/80, BGHZ 83, 301 = NJW 1982, 1694; BGH, Urt. v. 5.5.1992 – XI ZR 242/91, NJW 1992, 2660; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 75/94, NJW-RR 1995, 1008 = ZIP 1995, 22. 877) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964. 878) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111. 879) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656.

1024

II. Verbundene Verträge

der Umstand, dass jeder der Verträge seinen Sinn erst durch den anderen erhält;880) x die Übernahme einer Mithaftung durch den Unternehmer für die Verbindlichkeit des Verbrauchers gegenüber dem Darlehensgeber, sei es in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, einer garantiemäßigen Ausfallhaftung oder eines kumulativen Schuldbeitritts;881) x die Sicherungsübereignung der erworbenen Gegenstände an den Unternehmer;882) x die Erteilung einer Widerrufsbelehrung/Widerrufsinformation.883) c) Darlegung und Beweis. Nach allgemeinen Grundsätzen muss derjenige die 4.976 Voraussetzungen des verbundenen bzw. zusammenhängenden Vertrages darlegen und beweisen, der sich darauf beruft. Dies ist regelmäßig der Verbraucher bzw. der Existenzgründer. Die Erfüllung der Beweislast wird durch die Möglichkeit der Darlegung und des Beweises der vorgenannten Indizien erleichtert, die die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit der Verträge nahe legen. x

d) Subsumtion. Für eine wirtschaftliche Einheit spricht im Zusammenhang 4.977 mit dem (Ver-)Kauf von Gaststätteninventar, wenn der Einrichter (Verkäufer des Gaststätteninventars) bzw. der Getränkelieferant über die Abwicklung des Kauf- bzw. des Darlehensvertrages hinaus Funktionen auch des jeweils anderen Vertragsteils mit wahrnehmen. Dafür dürfte der allgemeine Hinweis auf verschiedene Einrichter, mit denen ein Getränkelieferant zusammenarbeitet, nicht ausreichen. Anders dagegen, wenn der Getränkelieferant einen Gastwirt insofern eingegrenzt und zielführend informiert. Hat der Gastwirt dagegen das Inventar bereits gekauft, so ist eine nachträgliche Zusammenrechnung nicht möglich.884) e) Beweiswert. aa) Grundlagen. Der Beweiswert festgestellter Indizien ist so- 4.978 wohl im Einzelnen als auch in der Zusammenschau mit anderen sorgfältig zu würdigen. Dieser fließt in die Gesamtbetrachtung analog § 358 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BGB ein und ist dort widerlegbar.885)

___________ 880) BGH, Urt. v. 19.5.2000 – V ZR 322/98, NJW 2000, 3065; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656. 881) BGH, Urt. v. 8.11.1979 – III ZR 115/78, NJW 1980, 782; BGH, Urt. v. 8.11.1979 – III ZR 115/78, NJW 1980, 782. 882) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, NJW 1980, 938; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 75/94, NJW-RR 1994, 1008 = ZIP 1995, 22. 883) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.9.2013 – 15 U 11/12, NJW-RR 2014, 168. 884) So auch Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 148. 885) BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964.

1025

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

4.979 bb) Zeitgleicher Abschluss der Verträge. Der zeitgleiche Abschluss beider Verträge soll ein wichtiges, aber nicht zwingendes Indiz begründen.886) 4.980 cc) Direktüberweisung der Valuta. Als jedenfalls nicht allein ausreichendes Indiz ist eine Direktüberweisung der Valuta einzuordnen.887) 4.981 dd) Ein gewichtiges Verbindungselement soll nach h. M. der Ausschluss des Verbrauchers von der freien Verfügung über die Darlehensvaluta sein.888) Diese Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Käufers führe dazu, dass nicht ihm, sondern dem Getränkelieferanten das Verwendungsrisiko für den ausgezahlten Kredit zuzurechnen sei.889) Dem ist in dieser Allgemeinheit zu widersprechen. 4.982 Aus den in den Materialien zum VerbrKrG890) zum Ausdruck gekommenen und durch die Schuldrechtsreform unangetastet gebliebenen gesetzgeberischen Absichten, die bis dahin zum AbzG entwickelte Rechtsprechung im Wesentlichen unverändert Gesetz werden zu lassen, ergibt sich, dass eine Vereinbarung, nach welcher der Verbraucher über die Valuta nicht frei verfügen darf, nur eine alternative Gestaltung zur Begründung der wirtschaftlichen Einheit darstellt.891) Der Verwendungszweck braucht noch nicht einmal genannt zu werden. Auf der anderen Seite würde eine gänzlich freie Verfügung durch den Verbraucher über die Valuta nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine wirtschaftliche Trennung der Verträge bedeuten, so dass der Begriff des verbundenen Geschäfts nicht erfüllt wäre. Gegen die Annahme einer hohen Gewichtung dieses Verbindungselementes spricht zudem, dass die Auszahlung des Darlehens unmittelbar an den Verkäufer des Inventars nur dem legitimen Sicherungsinteresse des Getränkelieferanten dient. Sie kann daher keine weitergehende Indizwirkung für ein Zusammenwirken darstellen als die Sicherungsübereignung als solche892) oder die Zweckbestimmung des Darlehens.893) 4.983 ee) Übereinstimmung von Nettokreditbetrag und (Rest-)Kaufpreis. Soweit Nettokreditbetrag und Aufpreis übereinstimmen, kann dem nur eine sehr ge___________ 886) Staudinger-Herresthal, BGB, § 358 Rz. 133. 887) BGH, Urt. v. 15.5.1990 – XI ZR 205/88, NJW-RR 1990, 1072 = ZIP 1990, 851; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 888) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, NJW 1980, 938; BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 16/91, NJW 1983, 2250; BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 18.12.2007 – XI ZR 324/06, NJW-RR 2008, 1436 = ZIP 2008, 964; BGH, Urt. v. 15.12.2009 – XI ZR 45/09, BGHZ 184, 1 = NJW 2010, 531 = ZIP 2010, 220. 889) BGH, Urt. v. 25.5.1983 – VIII ZR 16/81, NJW 1983, 2250 = ZIP 1983, 920; BGH, Urt. v. 20.11.1986 – III ZR 115/85, NJW 1987, 1813 = ZIP 1987, 286. 890) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 11/5462, S. 23. 891) BGH, Urt. v. 23.6.1988 – III ZR 75/87, NJW 1989, 136. 892) So zu Recht Gödde, in: Martinek/Semler/Flohr, Vertriebsrecht, § 53 Rz. 148. 893) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111.

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III. Zusammenhängende Verträge

ringe Indizwirkung beikommen, weil diese Übereinstimmung auch bei jedem anderen Darlehen vorliegen kann.894) ff) Sicherungsübereignung. Der Sicherungsübereignung des Inventars insbe- 4.984 sondere in einem gesonderten Vertrag kommt nur ein geringer Indizwert zu. Weder ist die Sicherungsübereignung notwendige Voraussetzung noch überhaupt für sich allein ein wesentliches Indiz, dass sich finanzierter Vertrag und Darlehensvertrag zu einer wirtschaftlichen Einheit ergänzen.895) Die Sicherungsübereignung des Kaufgegenstandes ist auch bei isolierten Kreditverträgen üblich und kann daher nicht als entscheidendes Indiz für eine wirtschaftliche Einheit herangezogen werden. Ausschlaggebend ist letztlich, ob der Getränkelieferant durch den Kreditvertrag die sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Risiken tragen muss. Nur so lässt sich die durch § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB bewirkte Verlagerung des Verwendungsrisikos durch den Einwendungsdurchgriff rechtfertigen. gg) Erweiterte Widerrufsinformation. Die Verwendung der umfänglicheren 4.985 Widerrufsinformation nach Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b EGBGB soll zu Recht nur eine schwache Indizwirkung haben und nicht von einer Prüfung der materiellen Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Einheit im Einzelfall entbinden.896) Eine solche kann nämlich vom Unternehmer auch rein vorsorglich erteilt worden sein. hh) Kündigungsvorbehalt bei zweckwidriger Verwendung. Zu den schwa- 4.986 chen Indizien gehört auch der Vorbehalt des Darlehensgebers, für den Fall einer zweckwidrigen Verwendung der Valuta das Darlehen kündigen zu können oder eine gleichwertige Sicherheit zu verlangen.897) III.

Zusammenhängende Verträge

1.

Normzweck

§ 360 BGB bezweckt, den Verbraucher nicht deshalb von dem Widerruf eines 4.987 Vertrages abzuhalten, weil er im Zusammenhang mit diesem Vertrag einen weiteren Vertrag abgeschlossen hat und er für dessen Leistungsgegenstand nach dem Widerruf keine Verwendung mehr hat.898)

___________ 894) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 43. 895) BGH, Urt. v. 6.12.1979 – III ZR 46/78, NJW 1980, 938; OLG Köln, Urt. v. 5.12.1994 – 12 U 75/94, NJW-RR 1995, 1008 = ZIP 1995, 21. 896) BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; KG, Urt. v. 9.11.2007 – 13 U 27/07, WM 2008, 401. 897) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 49. 898) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 67.

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§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

2.

Begriffliches

4.988 Der „zusammenhängende Vertrag“ ist der Oberbegriff für akzessorische Verträge, angegebene Geschäfte (§ 359a Abs. 1 BGB a. F.) und Verträge über Zusatzleistungen (§ 359a Abs. 2 BGB a. F.). Das Gesetz bezeichnet den Vertrag, der vom Verbraucher widerrufen worden sein muss, als „widerrufener Vertrag“. Der Vertrag, auf den sich die Widerrufsfolgen erstrecken, ist der „zusammenhängende Vertrag“. 3.

Verhältnis zu § 358 BGB

4.989 Zusammenhängende Verträge und verbundene Verträge schließen sich gegenseitig aus (sog. tatbestandliche Subsidiarität, § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB).899) Wird die Leistung aus dem Darlehen finanziert, liegt in der Regel bereits ein Verbundgeschäft i. S. d. § 358 Abs. 3 BGB vor.900) Wird etwa die Leistung aus dem Darlehen finanziert, liegt in der Regel bereits ein Verbundgeschäft i. S. d. § 358 Abs. 3 BGB vor.901) 4.

Zusammenhängender Vertrag

4.990 a) Einführung. Wann ein zusammenhängender Vertrag vorliegt, wird in § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB legal definiert. Danach sind zwei kumulative Voraussetzungen zu prüfen. Der zusammenhängende Vertrag muss zum einen Bezug zu dem widerrufenen Vertrag aufweisen. Zum anderen muss er eine Leistung betreffen, die entweder vom Unternehmer des widerrufenen Vertrags erbracht wird oder von einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Dritten und dem Unternehmer. 4.991 b) Bezug zu dem widerrufenen Vertrag. aa) Grundlagen. Der Bezug zum widerrufenen Vertrag setzt eine direkte kausale Verknüpfung mit diesem voraus, ohne dass der Darlehensgeber den Vertragsschluss, wie gem. Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB, verlangen müsste. Dafür genügt in der Regel ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang oder ein konkreter Verweis. Der zusammenhängende Vertrag wird durch Widerruf des Hauptvertrages sinnlos oder weitgehend wirtschaftlich wertlos. 4.992 bb) Zeitlicher Zusammenhang. Nach dem Gesetzeswortlaut bleibt offen, ob der widerrufene und der zusammenhängende Vertrag zeitgleich geschlossen worden sein müssen. Zwar ist ein zeitliches Auseinanderfallen der Vertragsschlüsse bei Verträgen, die von einem Widerrufsdurchgriff erfasst werden, grundsätzlich möglich.902) Der Gesetzgeber geht aber offenbar davon aus, dass die Verträge ___________ 899) 900) 901) 902)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 66. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 14.

1028

III. Zusammenhängende Verträge

nicht gleichzeitig abgeschlossen werden müssen.903) Für das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs bei zusammenhängenden Verträgen spricht allerdings die Gesetzesbegründung der Vorgängerregelung des § 359a Abs. 2 BGB a. F. („in unmittelbarem Zusammenhang … geschlossen hat“). Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen für das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs. Anderenfalls hätte es der Verbraucher in der Hand, dem zuerst abgeschlossenen Nebenvertrag durch einen späteren Abschluss eines Hauptvertrages rückwirkend die Grundlage zu entziehen, indem er letzteren widerruft. Für später abgeschlossene Nebenverträge kann nichts anderes gelten. cc) Verhältnis der Verträge zueinander. Ausgangspunkt ist, dass der Verbrau- 4.993 cher von einem möglichen Widerruf eines Vertragspartners nicht dadurch abgehalten werden soll, dass er an einen weiteren, im Zusammenhang stehenden Vertrag gebunden bleibt.904) Der Verbraucher soll sich auch von solchen Verträgen lösen können, die nach dem Widerruf des anderen Vertrages sinnlos werden. Gleiches gilt, wenn der „übrig bleibende“ Vertrag in einem derart untergeordneten Verhältnis steht, dass eine Lösung bei Wegfall des Hauptvertrages geboten erscheint. Dann stehen die Verträge in einem Verhältnis von Hauptund Nebenvertrag. Dies folgt jedenfalls aus einer richtlinienkonformen Auslegung. Auch § 312f BGB spricht dafür, dass das Verhältnis von Haupt- und Nebenvertrag Voraussetzung für den Widerrufsdurchgriff ist. c) Eine Leistung betreffend. Der zusammenhängende Vertrag muss nach § 360 4.994 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB eine Leistung zum Gegenstand haben. Bei dieser kann es sich um eine Sach- oder eine Dienstleistung handeln. § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB umfasst sämtliche Vertragstypen und damit auch Darlehensverträge. d) Parteien des Vertrages. aa) Personenidentität. Der notwendige personelle 4.995 Zusammenhang ist immer dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner des widerrufenen Vertrags gleichzeitig Partei des zusammenhängenden Vertrages ist, so bei rechtlicher Personenidentität. Eine nur wirtschaftliche Verflechtung genügt nicht. bb) Leistungsempfänger. Partei des Vertrages muss danach derjenige Verbrau- 4.996 cher sein, der auch Partei des widerrufenen Vertrags ist und die Leistung empfängt. cc) Leistungserbringer. Die Leistung des zusammenhängenden Vertrags muss 4.997 vom Unternehmer (als Vertragspartei des widerrufenen Vertrags) selbst oder bei Fehlen einer rechtlichen Identität der Vertragspartner von einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen Unternehmer und Drittem erbracht werden.905) Maßgeblich ist dabei entgegen dem Wortlaut der Vorschrift ___________ 903) BT-Drucks. 17/1236, S. 68. 904) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 67. 905) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 342.

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§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

nicht, wer die Leistung tatsächlich erbringt, sondern wer Partei des zusammenhängenden Vertrags ist. Der Widerrufsdurchgriff richtet sich gegen die vertragliche Bindung des Verbrauchers, so dass entscheidend sein muss, ob dessen Vertragspartner dem widerrufenen Vertrag ausreichend nahestand. 4.998 § 360 Abs. 2 BGB setzt nicht voraus, dass der Unternehmer als Vertragspartei bereits feststeht. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll genau die Konstellation, in der der Verbraucher sich den Unternehmer nach dem Abschluss des Finanzierungsgeschäfts erst noch heraussucht, ein maßgeblicher Anwendungsfall des § 360 Abs. 2 BGB sein.906) 4.999 dd) Leistung eines Dritten. Für den Sonderfall, dass die weitere Leistung von einem Dritten erbracht wird, ist eine ausdrückliche oder konkludente, nicht unbedingt wirksame Vereinbarung zwischen dem Unternehmer und dem Dritten erforderlich (§ 360 Abs. 2 Satz 1 BGB). Zweck dieses unverzichtbaren, kumulativen Merkmals ist es, die Weite des sachlichen Zusammenhangs auszugleichen und zu verhindern, dass der Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse unangemessen ausgehöhlt wird. Nicht notwendig ist, dass sich eine der Parteien ausschließlich an die andere bindet, die Entscheidung über den Vertragsschluss mit dem Verbraucher aus der eigenen Hand gibt oder Vermittlungshandlungen vorgenommen werden. 4.1000 Zu denken ist etwa an einen Rahmenvertrag zwischen den Vorgenannten. Fehlt es an einer derartigen Vereinbarung, bleibt es bei der Bindung an den Vertrag zwischen Verbraucher und Drittem, wobei offen bleibt, wie der Verbraucher von dem Rahmenvertrag Kenntnis erlangt.907) 4.1001 Die Leistung muss jedoch „auf der Grundlage“ der Vereinbarung erbracht werden. Die Vereinbarung muss sich ihrem Inhalt nach somit auf das Vertragsverhältnis zwischen Verbraucher und Drittem beziehen und die Leistungserbringung umfassen. Die Vertragsbeziehung zwischen Unternehmer und Drittem darf demnach nicht gänzlich andere Fragen betreffen. 5.

Sonderfall des Verbraucherdarlehensvertrages

4.1002 a) Systematik. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB normiert einen Sonderfall der zusammenhängenden Verträge i. S. d. § 360 Abs. 2 Satz 1 BGB.908) 4.1003 b) Anwendungsbereich. Unter § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB fallen erstens Verträge, in denen das Verbraucherdarlehen zwar der Finanzierung der Leistung aus dem widerrufenen Vertrag dient, es jedoch an der wirtschaftlichen Einheit i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB fehlt.909) Zweitens ist an Darlehensverträge zu ___________ 906) 907) 908) 909)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 73. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 2. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 67. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 67.

1030

III. Zusammenhängende Verträge

denken, die zwar bereits den Verwendungszweck genau bezeichnen, bei denen der Darlehensnehmer seinen Vertragspartner aber noch nicht ausgewählt hat.910) § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB kann drittens auch dann anwendbar sein, wenn der finanzierte Vertrag erst nach Abschluss des Darlehensvertrags und Auszahlung der Darlehensvaluta zustande kommt. Eine entsprechende Anwendung von § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den kreditfinanzierten Immobilienerwerb kommt dagegen Im Hinblick auf § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht in Betracht.911) Diese Konstellationen dürften im hier interessierenden Zusammenhang kaum praktisch werden. c) Finanzierungsumfang. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB findet lediglich dann An- 4.1004 wendung, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag ausschließlich der Finanzierung des widerrufenen Vertrages dient.912) Wird etwa die Leistung aber vollständig aus dem Darlehen finanziert, liegt in der Regel bereits ein Verbundgeschäft i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB vor.913) Erbringt der Verbraucher Eigenleistungen (sog. Teilfinanzierung), so sind diese wie bei § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB auch im Rahmen des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB gleich zu behandeln, so dass es ebenfalls nicht der Heranziehung des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB bedarf.914) d) Verbraucherdarlehensvertrag. Der Verbraucherdarlehensvertrag kann der 4.1005 widerrufene Vertrag, aber er kann auch der zusammenhängende Vertrag sein, der seine Verbindlichkeit verliert. Daher ist § 491 Abs. 2 BGB zu beachten. e) Verknüpfung. Die Vorschrift stellt allein auf die beiden kumulativ genann- 4.1006 ten sachlichen Verknüpfungsvoraussetzungen der Finanzierung des widerrufenen Vertrages und der genauen Angabe der Leistung im Darlehensvertrag ab. Auf eine personelle Verbindung von Darlehensgeber und Unternehmer kommt es dagegen nicht an. f) Genaue Angabe der Leistung. aa) Einführung. Liegt ein Verbundgeschäft 4.1007 vor, tritt diese Rechtsfolge bereits nach § 358 Abs. 1 BGB ein. Im Übrigen (§ 360 Abs. 1 Satz 1 a. A. BGB) wird der Verbraucherdarlehensvertrag nur dann zum zusammenhängenden Vertrag, wenn im Darlehensvertrag die zu finanzierende Leistung aus dem widerrufenen Vertrag genau angegeben ist. Daran dürfte es im hier interessierenden Zusammenhang jedenfalls durchweg fehlen. bb) Voraussetzungen. Die Leistung, d. h. der Vertragsgegenstand, muss im 4.1008 Darlehensvertrag genau bezeichnet werden. Dies erfordert eine Identifizierbarkeit des Vertragsgegenstandes, z. B. beim Pkw die Angabe der Marke; eine bloße Typenbeschreibung genügt nicht. Vielmehr bedarf es bei Stückschulden ___________ 910) 911) 912) 913) 914)

Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 68. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 67 f. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3.

1031

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

4.1009

4.1010

4.1011

4.1012

4.1013

4.1014

einer eindeutigen Identifizierbarkeit i. S. d. sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes.915) Nicht ausreichend wäre die bloße Angabe im Darlehensvertrag, dass ein „…-Kauf“ finanziert wird. g) Versicherungsverträge. aa) Allgemein. Mit einem Verbraucherdarlehensvertrag zusammenhängende Verträge sind Versicherungsverträge, insbesondere Restschuldversicherungsverträge.916) bb) Inventarversicherung. Zu denken ist an die Kosten des Abschlusses eines Versicherungsvertrages, so im Zusammenhang mit Sicherungsübereignungen bezüglich Inventar oder dem Verkauf von Inventar unter Eigentumsvorbehalt mit Versicherungspflicht. Dies wohl unabhängig davon, ob sich die Versicherungspflicht unmittelbar aus dem Getränkelieferungsvertrag, so etwa bei Kaufund Getränkelieferungsverträgen, oder mittelbar aus einem getrennten, ggf. als Anlage beigefügten Sicherungsübereignungsvertrag ergibt, so in der Regel bei Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen. Soweit eine genaue Angabe der sicherungsübereigneten Gegenstände bereits im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag enthalten ist, fehlt es bereits an der freien Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta, so dass ein verbundenes Geschäft vorliegt. Damit ist § 360 BGB nicht anwendbar (§ 360 Abs. 1 Satz 1 a. A. BGB). Es erscheint daher angeraten, die finanzierten Gegenstände in dem Darlehensvertrag nicht genauer zu bezeichnen. Sonst besteht die Gefahr des Widerrufsdurchgriffs. Eine analoge Anwendung des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB dürfte dann ausscheiden, wenn sich die Parteien außerhalb des Vertrages in einem separaten Sicherungsübereignungsvertrag auf die Individualisierung der finanzierten Leistung verständigt haben. h) Getränkelieferungsverträge aa) Für den Regelfall des einheitlichen Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages fehlt es an der geschriebenen Tatbestandsvoraussetzung getrennter Verträge (§ 360 Abs. 2 BGB, Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 EGBGB). Im Übrigen wäre an die Wertgrenze des § 513 BGB zu denken, was zum Ausschluss der Widerruflichkeit, insbesondere hinsichtlich der Bindungskomponente, führen könnte.917) bb) Denkt man an den Ausnahmefall des Abschlusses getrennter Darlehensund Getränkelieferungsverträge, so lässt sich diese Konstellation nach hier vertretener Auffassung unter § 358 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 BGB subsumieren.918) Damit wäre der Anwendungsbereich des § 360 BGB mangels „Lücke“ nicht eröffnet.919) ___________ 915) 916) 917) 918) 919)

Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3. Siehe oben § 22 IV 11 m. w. N. Siehe oben § 22 IV 9 m. w. N. Siehe oben § 49 III 3 m. w. N.

1032

V. Pflichtangaben

Im Übrigen dürfte der Bindungsvertrag nicht als „Zusatzleistung“ i. S. d. 4.1015 Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB angesehen werden können. Der Gesetzgeber geht insofern davon aus, dass das Darlehen zum Teil nur bzw. nur zu bestimmten Konditionen gewährt wird, wenn der Darlehensnehmer noch weitere Leistungen des Darlehensgebers in Anspruch nimmt oder gleichzeitig ein weiterer Vertrag abgeschlossen wird. Beide Fallgestaltungen werden nach der Begründung von dem Oberbegriff „Zusatzleistungen“ erfasst. Der Getränkebezug ist aber gerade die und nicht lediglich eine weitere Leistung, zumal nicht des Getränkelieferanten als Darlehensgebers. Er ist die vom Getränkelieferanten intendierte Hauptleistung des Gebundenen, die zudem noch im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Finanzierung steht. Auch entstehen durch die Bezugsverpflichtung keine „zusätzlichen Kosten“. Schließlich fehlt es an einer Vergleichbarkeit des Bezugsvertrages mit den benannten Beispielen. IV.

Vorvertragliche Informationen

1.

Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage ist § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 4.1016 Nr. 1 EGBGB. 2.

Vertragsgegenstand und Barzahlungspreis

Gem. Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EGBGB muss die vorvertragliche In- 4.1017 formation den Vertragsgegenstand und den Barzahlungspreis enthalten.920) V.

Pflichtangaben

1.

Rechtsgrundlage

Maßgeblich ist Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a und b EGBGB. 2.

4.1018

Angabebesonderheiten

a) Vertragsgegenstand. Liegt ein verbundener oder zusammenhängender Ver- 4.1019 trag i. S. d. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB vor, ist auch die Ware oder Dienstleistung zu bezeichnen (Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a EGBGB). Es genügt die Angabe der Gattungsbezeichnung; eine genauere Spezifizierung beispielsweise nach Hersteller oder Modell ist nicht erforderlich. b) Barzahlungs-/Anschaffungspreis. Insofern kann verwiesen werden.921)

4.1020

c) Effektiver Jahreszins. Kosten für die Bestellung von Sicherheiten sind im 4.1021 Gegensatz zu den Kosten für die Immobilienbewertung nicht in die Berechnung einzustellen (arg. e § 6 Abs. 4 Nr. 2 PAngV). ___________ 920) Siehe oben § 48 V 3 a und b, jeweils m. w. N. 921) Siehe oben § 48 V 3 b m. w. N.

1033

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

4.1022 d) Im Übrigen. Wird seitens des Getränkelieferanten ein Inventarkauf darlehensweise finanziert, so bedarf es hier eines Hinweises auf den jeweils finanzierten Mobiliarkaufvertrag. Ein Hinweis auf einen vereinbarten Eigentumsvorbehalt ist möglich, aber nicht zwingend. 4.1023 Werden ausnahmsweise statt eines einheitlichen Getränkelieferungsvertrages getrennte Darlehens- und Bezugsverträge geschlossen, so fragt es sich, ob auch insofern ein entsprechender Hinweis erforderlich ist. Dafür könnte sprechen, dass es sich um verbundene Verträge i. S. d. § 358 Abs. 3 Satz 1 Fall 2 BGB handelt. Dagegen lässt sich anführen, dass an dieser Stelle wohl nur die Konstellation des § 358 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 BGB erfasst sind. Weiter bestehen bezüglich des bezugsrechtlichen Teils keine Informationspflichten, wie § 510 BGB im Gegenschluss zeigt.922) VI.

Erweiterte Widerrufsinformation

1.

Informationspflichtiger

4.1024 Adressat der erweiterten Informationspflicht ist die Vertragspartei, die den widerruflichen Vertrag abgeschlossen hat. Dies ist im Fall des § 358 Abs. 2 BGB der Darlehensgeber.923) 2.

Einschätzungsfragen

4.1025 a) Grundsatz. Nach der Gesetzesbegründung soll sich der Belehrungspflichtige mit der Verwendung der umfänglichen Musterinformation dahingehend festgelegt haben, dass im konkreten Fall ein verbundener Vertrag vorliege.924) Der verbundene Vertrag muss aber nicht konkret genau rechtlich eingeordnet werden.925) 4.1026 b) Beurteilungsrisiko. Das Beurteilungsrisiko hinsichtlich der Voraussetzung „verbundene oder zusammenhängende Verträge“ und der daraus folgenden Ausgestaltung der erweiterten Widerrufsinformation liegt bei der für die Erteilung der erweiterten Widerrufsinformation zuständigen Partei. Der Unternehmer bzw. Darlehensgeber muss bei Abschluss der Verträge entscheiden, ob der Tatbestand einer wirtschaftlichen Einheit gegeben ist.926) Unsicherheiten über die rechtliche Beurteilung dürfen nicht auf den Verbraucher abgewälzt werden. Anderenfalls ist die Information nicht ordnungsgemäß.927) Dies gilt ___________ 922) 923) 924) 925) 926)

Siehe oben § 23 III m. w. N. MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 71. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 16/11643, S. 44, 45. BGH, Urt. v. 7.12.2010 – XI ZR 53/08, NJW-RR 2011, 406. Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/1394, S. 27; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 927) Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 353.

1034

VI. Erweiterte Widerrufsinformation

auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB nicht vorliegen, der Darlehensgeber aber gleichwohl über die Rechtsfolgen des § 358 Abs. 2 BGB belehrt. c) Vorsorglicher Hinweis. aa) Meinungsstand. Die h. M. vertritt die Auffas- 4.1027 sung, dass eine vorsorglich erteilte Information nicht ordnungsgemäß ist.928) Ob sich diese Überlegungen im Anwendungsbereich der Musterwiderrufsinformation gem. Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB noch aufrechterhalten lassen, wird zu Recht bezweifelt.929) Die Informationsmuster gehen nämlich davon aus, dass die Feststellung, ob verbundene Verträge vorliegen, dem Verbraucher obliegt, und begnügen sich demgemäß mit Informationen allgemeiner Art für den Fall, dass der Verbundtatbestand erfüllt ist. Dies soll auch für Sachverhalte außerhalb des Anwendungsbereichs der genannten Musterinformationen sowie für Fälle gelten, in denen von der Möglichkeit der Musterverwendung keinen Gebrauch macht. bb) Drittwirkung. Die vorsorgliche Erteilung einer Widerrufsinformation bin- 4.1028 det unstreitig den Partner des anderen Vertrages, z. B. den Verkäufer, nicht. d) Vage oder abstrakte Information. Die Information muss bestimmt und 4.1029 konkret sein. Ein allgemeiner Hinweis des Inhalts, dass im Falle verbundener Verträge der Widerruf auch den verbundenen Vertrag erfasse, genügt nicht.930) Auf den verbundenen Vertrag muss ausdrücklich hingewiesen werden. Ein vager Hinweis auf „weitere mitfinanzierte Geschäfte“ reicht ebenso wenig aus wie ein abstrakter Hinweis etwa des Inhalts, dass im Fall einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Kauf- und Darlehensvertrag der Widerruf auch den Kaufvertrag hinfällig mache. 3.

Rechtsfolgen des Widerrufs

a) Rechtsgrundlage. Die Verpflichtung, den Verbraucher im Rahmen der Be- 4.1030 lehrung über sein Widerrufsrecht auch auf die sich aus den § 358 Abs. (1 und) 2 BGB ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen, folgt für Verbraucherdarlehensverträge aus Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b EGBGB. b) Normzweck. Die Widerrufsinformation soll dem Verbraucher seine Rechte 4.1031 verdeutlichen und kein Missverständnis dahin wecken, er bleibe bei einem wirksamen Widerruf des finanzierten Geschäfts an den Darlehensvertrag gebunden. Dabei kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Information und das Zusammenspiel der einzelnen Sätze aus Sicht eines unbefangenen durchschnitt___________ 928) BGH, Urt. v. 14.6.1984 – VIII ZR 81/83, NJW 1984, 2292 = ZIP 1984, 933 (§ 6 AbzG); BGH, Urt. v. 23.9.2003 – XI ZR 135/02, NJW 2003, 3703 = ZIP 2003, 2111; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 929) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 71. 930) OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.11.1992 – 14 U 66/92, NJW 1993, 741 = ZIP 1993, 1069.

1035

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

lichen Verbrauchers an.931) Es genügt nicht, dass der Wortlaut der gesetzlichen Regelung entspricht. Zu prüfen ist im Kontext des Informationstextes, ob eine Irreführung vorliegt. Letzteres ist etwa dann anzunehmen, wenn der Informationstext das Verständnis nahe legt, es gebe Fälle, in denen der Darlehensvertrag trotz einer gegen den finanzierten Vertrag bestehenden Widerrufsmöglichkeit in jedem Fall wirksam bleibe. 4.1032 c) Anforderungen. Grundsätzlich sind nur jene Gestaltungshinweise zu beachten, die der konkreten Vertragsgestaltung im betreffenden Einzelfall entsprechen.932) Bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen muss der Verbraucher darüber informiert werden, dass mit dem Widerruf des Darlehensvertrages zwingend auch die Bindung an den damit finanzierten Vertrag wegfällt (Gestaltungshinweise 2 b zu Anlagen 7 und 8 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB „ist … einzufügen“). Dazu ist auf verständliche Art der Mechanismus des Widerrufsdurchgriffs einschließlich der besonderen Modalitäten der Rückabwicklung (§ 358 Abs. 4 BGB) zu erläutern.933) Bei Geschäften nach § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB genügt der Hinweis auf den Widerrufsdurchgriff des § 358 Abs. 1 BGB. Auch ist der Darlehensnehmer über die sich aus dem Einwendungsdurchgriff des § 359 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebenden Rechte und die dabei nach § 359 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB zu beachtenden Grenzen zu belehren.934) 4.1033 d) Rückzahlungsvorbehalt. Der Widerrufsdurchgriff setzt – wie auch der Widerruf des isolierten Verbraucherdarlehens – nicht die fristgerechte Rückzahlung des Darlehens voraus. Daher darf in der Widerrufsinformation ein entsprechender Vorbehalt nicht enthalten sein. Einer ausdrücklichen Information des Inhalts, dass die Wirksamkeit des Widerrufs von der Rückzahlung des Darlehens unabhängig ist, bedarf es freilich nicht.935) 4.

Rechtsfolgen bei Verstoß

4.1034 Genügt die Information bei AVD nicht den gesetzlichen Anforderungen, so beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen und das Widerrufsrecht bleibt unbefristet bestehen (Gegenschluss aus § 356b Abs. 2 Satz 4 BGB). Dann greift auch nicht die Fiktionswirkung von Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Dies ___________ 931) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512. 932) BGH, Beschl. v. 24.1.2017 – XI ZR 66/16, BeckRS 2017, 101784. 933) BGH, Urt. v. 13.1.2009 – XI ZR 118/08, NJW-RR 2009, 709 = ZIP 2009, 362; BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 23.6.2009 – XI ZR 156/08, NJW 2009, 3020 = ZIP 2009, 1512; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/09, NJW 2011, 1063. 934) Wie vorstehend. 935) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 69.

1036

VII. Widerruf

soll nach h. M. auch gelten, wenn der Verwender der Widerrufsinformation fehlerhaft eine Verbundenheit i. S. d. § 358 Abs. 3 BGB oder zusammenhängende Verträge i. S. d. § 360 Abs. 2 BGB angenommen hat.936) 5.

Musterinformation

a) Rechtsgrundlage. Für Verbraucherdarlehensverträge differenziert das in An- 4.1035 lage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB vorgesehene Muster: Bei einem „angegebenen Geschäft“ i. S. d. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB „ist“ nach Gestaltungshinweis 2 b ein Hinweis auf die Folgen des Widerrufsdurchgriffs „einzufügen“; insofern besteht damit ebenfalls eine Pflicht zur Belehrung. Bei einem mit einem Verbraucherdarlehensvertrag zusammenhängenden Vertrag „kann“ nach Gestaltungshinweis 2 c ein entsprechender Hinweis „eingefügt werden“; die Belehrung ist folglich fakultativ. Eine Verpflichtung zur Verwendung des Musters besteht somit nicht.937) b) Gesetzlichkeitsfiktion. Nach der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 12 4.1036 Abs. 1 Satz 3 EGBGB wird bei verbundenen Verträgen sowie Geschäften gem. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b EGBGB gestellten Anforderungen genügt, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthält, die dem Muster in Anlage 7 entspricht.938) c) Abweichungen. Unter Beachtung von Satz 3 darf in Format und Schriftgröße 4.1037 von dem Muster abgewichen werden (Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 6 EGBGB).939) VII. Widerruf 1.

Widerrufsberechtigung

Werden im Rahmen der Gastronomiefinanzierung Finanzierung (hier Darle- 4.1038 hen) und Bindung in getrennten Verträgen geschlossen und ist der Getränkelieferungsvertrag mit einem Darlehensvertrag verbunden (§ 358 Abs. 3 BGB), so bestehen etwaige Widerrufsrechte nebeneinander.940) 2.

Widerrufsgegenstand

a) Grundlagen. Gegenstand des Widerrufs soll der Ratenlieferungs- und nicht 4.1039 der Darlehensvertrag sein (§ 358 BGB Abs. 2 BGB).941) Ein dem Unternehmer ___________ 936) Siehe oben § 49 VI 2 a m. w. N. 937) OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 2.3.2010 – 24 U 136/09, BeckRS 2010, 22287 = ZIP 2010, 2104. 938) Zu Einzelheiten siehe oben § 43 IV 4 a und 7 f bb, jeweils m. w. N. 939) BR-Drucks. 157/10 v. 26.3.2010, S. 37. 940) Palandt-Weidenkaff, BGB, § 510 Rz. 8. 941) Bülow/Artz-Artz, Verbraucherkreditrecht, § 510 Rz. 7.

1037

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

gegenüber erklärter Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages ist als Widerruf des finanzierten Vertrages auszulegen (§ 358 Abs. 1 BGB).942) 4.1040 b) Wahlrecht. Ist sowohl der Darlehensvertrag als auch der Liefervertrag widerruflich, so kann der Verbraucher gemeinsam oder wahlweise den finanzierten Vertrag oder den Darlehensvertrag widerrufen,943) womit er dann auch an den jeweils anderen Vertrag nicht mehr gebunden ist (§ 358 Abs. 2 BGB). 4.1041 c) Teilwiderruf. Dagegen kann der Verbraucher wegen des Finanzierungszusammenhangs zwischen beiden Verträgen nicht isoliert den Darlehensvertrag widerrufen und am Liefervertrag festhalten. Überlegen könnte man, § 358 Abs. 2 BGB dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Verbraucher die Möglichkeit behält, sich nur von dem als ungünstig empfundenen Ratenlieferungsvertrag zu lösen, den Finanzierungsvertrag aber zu erhalten.944) Dem ist aber entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe des Verbraucherkreditrechtes ist, dem Verbraucher die „Rosinen“ seines einheitlichen Vertragsschlusses zu sichern und ihm zusätzlich vor nachteiligen Geschäften zu schützen. Aufgabe des § 358 Abs. 2 BGB ist es vielmehr, den Verbraucher vor denjenigen Risiken zu schützen, die ihm durch die Aufspaltung seines Erwerbsgeschäfts in ein Güterumsatzgeschäft einerseits (Geschäft über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer sonstigen Leistung) und ein Finanzierungsgeschäft andererseits drohen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 358 Abs. 2 BGB ist daher von einer Unabdingbarkeit der dort enthaltenen Fiktion auszugehen. 3.

Beginn der Widerrufsfrist

4.1042 Der Beginn der Widerrufsfrist ist an die jeweiligen Voraussetzungen (Vertragsschluss, Erteilung der Pflichtangaben, Aushändigung der Vertragsunterlagen) geknüpft (§ 356b Abs. 1 BGB).945) 4.

Widerrufserklärung

4.1043 Einer gesonderten Widerrufserklärung hinsichtlich des jeweils anderen Vertrages bedarf es nicht, weil der Durchgriff kraft Gesetzes erfolgt.946) Somit sind auch keine Fristen zu beachten. 5.

Widerrufsadressat

4.1044 Wie sich aus dem Wortlaut des § 358 Abs. 2 BGB („auf Grund des § 495 Absatz 1“) ergibt, setzt die Widerrufserstreckung nach § 358 Abs. 2 BGB eine ___________ 942) 943) 944) 945) 946)

MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 65. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 337. Zu dieser Frage außerhalb des § 358 BGB siehe oben § 25 VI 8 m. w. N. Bülow/Artz-Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 495 Rz. 352. Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 4.

1038

VIII. Widerrufserstreckung

wirksame Ausübung des Widerrufsrechts voraus. Daher muss der Widerruf gegenüber der in der Widerrufsinformation als Widerrufsempfänger benannten Person und damit in der Regel gegenüber dem Darlehensgeber erfolgen. Im Fall des § 358 Abs. 1 BGB ist richtiger Adressat der Partner des finanzierten Vertrags, also der Unternehmer. In der Situation des § 360 BGB ist Widerrufsadressat der Vertragspartner des (widerrufenen) Vertrags, nicht der Vertragspartner des zusammenhängenden Vertrags. VIII. Widerrufserstreckung 1.

Trennungsprinzip

§ 358 Abs. 3 und 4 Satz 1 BGB stellen klar, dass auch wirtschaftlich verbundene 4.1045 Verträge kein einheitliches Rechtsgeschäft bilden, sondern rechtlich selbstständig bleiben. Auch § 360 BGB verknüpft die Verträge nicht zu einer rechtlichen Einheit. Der widerrufene und der zusammenhängende Vertrag bleiben rechtlich selbstständig und werden ebenso abgewickelt. 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

a) Verbraucher. Seit dem 21.3.2016 verlangt § 358 (Abs. 1 und) 2 BGB entge- 4.1046 gen der vorher geltenden Rechtslage für die Erstreckung des Widerrufs des finanzierten Geschäfts auf den Darlehensvertrag nur noch, dass ein Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen wurde. Hinsichtlich des Finanzierungsgeschäfts dagegen genügt die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals „Darlehensvertrag“. Eine entsprechende Anwendung auf Verträge zwischen Verbrauchern ist nicht möglich. b) Existenzgründer. Auf Existenzgründer findet § 358 Abs. 1 BGB grundsätz- 4.1047 lich keine Anwendung, soweit nicht ein Verbund mit einem Ratenlieferungsvertrag vorliegt.947) Widerruft ein Existenzgründer den Verbraucherdarlehensvertrag, so ist er nach § 358 Abs. 2 BGB auch an den finanzierten Vertrag nicht mehr gebunden.948) Der persönliche Anwendungsbereich der § 360 BGB entspricht dem des § 358 Abs. 2 BGB. Neben Verbrauchern sind in der Situation des § 358 Abs. 2 BGB auch Existenzgründer erfasst, sofern die Voraussetzungen des § 513 BGB erfüllt sind.949) Räumt das Gesetz wie etwa in §§ 495 Abs. 1, 510 Abs. 2 BGB auch Existenzgründern ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB ein, findet § 360 BGB Anwendung. c) Unternehmer. Obwohl das im Gesetzestext nicht ausdrücklich gesagt wird, 4.1048 ist Voraussetzung, dass auch der verbundene Vertrag mit einem Unternehmer ___________ 947) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 513 Rz. 2. 948) OLG Hamm, Urt. v. 8.9.2005 – 28 U 60/05, BeckRS 2006, 02632, zu §§ 358 f. BGB. Im Übrigen siehe oben § 22 IV 8 b m. w. N. 949) Siehe oben § 22 IV 8 b m. w. N.

1039

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

(§ 14 BGB) geschlossen worden ist (vgl. § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB).950) Konsequenz ist im Hinblick auf die abschließenden Regelungen etwa des § 359 BGB, dass Unternehmern ein Einwendungsdurchgriff über § 242 BGB nicht zusteht.951) Eine entsprechende Anwendung auf Verträge zwischen Verbrauchern oder zwischen Unternehmern scheidet dagegen aus. 3.

Sachlicher Anwendungsbereich

4.1049 a) Ratenlieferungsverträge. Wird ein Ratenlieferungsvertrag darlehensfinanziert und bilden Darlehensvertrag und Ratenlieferungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit, findet § 358 Abs. 1 BGB Anwendung.952) § 358 Abs. 2 BGB ist auf Ratenlieferungsverträge i. S. d. § 510 BGB an sich in Ermangelung eines verbundenen Vertrags nicht anwendbar.953) Ausnahmsweise ist dies anders zu beurteilen, wenn getrennte Finanzierungs- und Bindungsverträge geschlossen werden und diese unter § 358 Abs. 3 BGB zu subsumieren sind. Konsequenz ist dann, dass der Widerruf des Verbraucherdarlehens sich auf den Ratenlieferungsvertrag nach § 358 Abs. 2 BGB erstreckt. 4.1050 b) Zusammenhängende Verträge. Hat der Verbraucher nach § 355 BGB einen Vertrag, etwa nach § 312g Abs. 1 BGB, widerrufen, so ist er kraft Gesetzes gem. § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB auch an einen damit zusammenhängenden Vertrag nicht mehr gebunden.954) Dies gilt unabhängig davon, ob der zusammenhängende Vertrag widerruflich ist. Dagegen lässt ein Widerruf des zusammenhängenden Vertrages den Darlehensvertrag unberührt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verbraucherdarlehensvertrag selbst zusammenhängender Vertrag nach Maßgabe des § 360 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. 4.1051 c) Gerichtlich protokollierte Darlehensverträge. Nach § 491 Abs. 4 BGB findet § 358 Abs. 2 und 4 BGB auf gerichtlich nach den Vorgaben der ZPO protokollierte Darlehensverträge sowie solche Darlehensverträge, die durch gerichtlichen Beschluss zustande kommen und Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind (§ 278 Abs. 6 ZPO), keine Anwendung. Eine Erstreckung der Rechtsfolgen des Widerrufs des Darlehens auf das verbundene finanzierte Geschäft scheidet dann aus. Der Widerruf des Darlehens selbst bestimmt sich nach den dafür maßgebenden Bestimmungen. Sofern das finanzierte Geschäft selbst widerrufen werden kann, erstreckt sich dieser Widerruf unter den Voraussetzungen des § 358 Abs. 1 bzw. des § 360 BGB auf ___________ 950) OLG Karlsruhe, Urt. v. 28.4.1998 – 1 U 252/97, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.9.1999 – VIII ZR 373/98; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – 1 U 76/2000; LG Neubrandenburg, Urt. v. 1.4.2011 – 2 O. 244/09, BeckRS 2012, 07193, zu § 359 BGB. 951) LG Neubrandenburg, Urt. v. 1.4.2011 – 2 O. 244/09, BeckRS 2012, 07193, zu § 359 BGB. 952) Erman-Nietsch, BGB, § 510 Rz. 30. 953) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 16. 954) Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 1.

1040

VIII. Widerrufserstreckung

den gerichtlich protokollierten oder durch gerichtlichen Beschluss festgestellten Darlehensvertrag.955) d) Notarielle Beurkundung. Die notarielle Beurkundung des finanzierten Ge- 4.1052 schäfts hindert die Erstreckungswirkung nach Anwendung des § 358 BGB nicht.956) Zum einen fehlt es an einer entsprechenden Ausnahmeregelung. Zum anderen besteht das Aufspaltungsrisiko unabhängig von der notariellen Beratung. 4.

Voraussetzungen

a) Widerrufsrecht. Eine Widerrufserstreckung nach § 358 (Abs. 2 sowie Abs. 1) 4.1053 oder § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt erstens das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 355 BGB voraus. Wie in dieser Blankettnorm werden insbesondere Widerrufsrechte des Verbrauchers nach §§ 312g Abs. 1, 495 Abs. 1, 506 Abs. 1 Satz 1 und 510 Abs. 2 BGB erfasst. Dass für den verbundenen bzw. zusammenhängenden Vertrag selbst ein Wider- 4.1054 rufsrecht gewährt wird, ist hingegen nicht Voraussetzung.957) Der von § 358 Abs. 1 BGB fingierte Widerruf des Darlehensvertrages ohne entsprechende Widerrufserklärung greift unabhängig davon, ob dem Verbraucher insoweit überhaupt ein Widerrufsrecht zusteht. b) Wirksamer Widerruf. Zweitens muss der Verbraucher seine auf Abschluss 4.1055 eines Vertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen haben (§ 360 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Rückzahlung des Darlehensbetrages ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung, 4.1056 selbst dann nicht, wenn die vertraglich vereinbart worden sein sollte.958) 5.

Rückabwicklung

a) Einführung. Soweit bereits Leistungen erbracht worden sind, bedarf es ei- 4.1057 ner Rückabwicklung. b) Widerrufener Vertrag. Insofern gelten die §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 355 Abs. 3 4.1058 Satz 1, 357 – 357c BGB. c) aa) Allgemein. Widerruft der Verbraucher seine Willenserklärung nach Maß- 4.1059 gabe des § 358 Abs. 1 oder 2 BGB, so bedarf es hinsichtlich bereits erbrachter Leistungen einer Rückabwicklung.959) Hierfür gelten unabhängig von der Vertriebsform unter Berücksichtigung des Vertragsgegenstands, nicht aber der Art ___________ 955) MünchKomm-Habersack, BGB, § 358 Rz. 9. 956) BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 167, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 957) BT-Drucks. 17/1237, S. 66. 958) Siehe oben § 49 VI 4 e m. w. N. 959) BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 = NJW 2009, 3572 = ZIP 2009, 952; BGH, Urt. v. 18.1.2011 – XI ZR 356/06, NJW 2011, 1063 = ZIP 2011, 656.

1041

§ 49 Besonderheiten bei verbundenen und zusammenhängenden Verträgen

und Weise des Zustandekommens des Vertrags, die Regelungen, die gelten würden, wenn dieser selbst widerrufen worden wäre. Die Rückabwicklung erfolgt daher ebenfalls nach §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 355 Abs. 3 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 357 – 357b BGB. Besonderheiten können sich aus § 358 Abs. 4 Sätze 2 – 5 BGB ergeben. 4.1060 bb) Ratenlieferungsvertrag. Bei einem verbundenen Ratenlieferungsvertrag ist nach § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB entsprechend der Vertriebsform zu unterscheiden: Wurde der verbundene Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen, so gelten § 355 Abs. 3 BGB und § 357 BGB entsprechend (§ 358 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 1 BGB).960) Anderenfalls findet neben der Grundnorm des § 355 Abs. 3 BGB § 357c BGB entsprechende Anwendung (§ 358 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 BGB). 4.1061 d) Zusammenhängender Vertrag. Für die Rückabwicklung des zusammenhängenden Vertrages sind gem. § 360 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 358 Abs. 4 Sätze 1 – 3 BGB die Vorschriften entsprechend anzuwenden, die gelten würden, wenn dieser Vertrag widerrufen worden wäre, und zwar unabhängig davon, ob er überhaupt hätte widerrufen werden können. Folglich ist anwendbar die Grundnorm des § 355 Abs. 3 BGB, die durch die §§ 357 – 357c BGB ergänzt wird. Dagegen sind die §§ 358 Abs. 1 – 3, Abs. 4 Satz 4 und 5, 359 BGB nicht anwendbar.961) 6.

Einwendungsdurchgriff

4.1062 Die in § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten Ratenlieferungsverträge unterliegen nicht § 359 BGB. Indes bedeutet dies allein, dass ein Vertrag i. S. d. § 510 BGB nicht als Verbraucherdarlehensvertrag i. S. v. § 359 BGB gilt. Die Finanzierung eines Ratenlieferungsvertrages durch einen Darlehensvertrag kann dagegen ohne weiteres den §§ 358, 359 BGB unterliegen. Werden etwa im Rahmen einer Existenzgründung die Bezugsverpflichtungen eines Franchisenehmers durch Darlehen finanziert, so handelt es sich, das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit unterstellt, um verbundene Verträge.

___________ 960) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 98. 961) Palandt-Grüneberg, BGB, § 360 Rz. 3.

1042

Fünfter Hauptteil: Sicherheiten § 50 Inventarsicherheiten I.

Grundfragen

Zur Absicherung ihres finanziellen Engagements können Getränkelieferanten 5.1 häufig allein auf das Inventar von Gaststätten als Kreditsicherheit zugreifen. Die Gestellung von Inventarsicherheiten ist nicht nur zeitaufwändig und mit zahlreichen denkbaren Rechtsfehlern behaftet; sie bedarf auch in wirtschaftlicher Hinsicht hinsichtlich eines erzielbaren Erlöses aus einer Verwertung einer eingehenden rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Prüfung. Dabei ist u. a. zu fragen, ob es andere Sicherheiten gibt. Insbesondere ist an 5.2 die Gestellung von Drittsicherheiten zu denken. Auch erscheint es sinnvoll, anstatt einer Absicherung durch eine (Inventar-)Sicherheit weitere Sicherheiten zur Absicherung entsprechender Anteile der Gesamtfinanzierung zu bestellen. Selbst innerhalb der Inventarsicherheiten ist zwischen der Hereinnahme von gebrauchtem Inventar, sei es bereits im (inventarisierten) Objekt vorhanden, sei es vom Gastwirt neu eingebracht, und der Absicherung durch neu zu finanzierendes Inventar zu unterscheiden. II.

Sonderrechtsfähigkeit

Gaststätteninventar steht nur dann als Sicherheit zur Verfügung, wenn es son- 5.3 derrechtsfähig ist. Insofern können Bedenken angesichts der Verbindung mit anderen Sachen und der wirtschaftlichen Zuordnung zur Absatzstätte bestehen. 1.

Wesentliche Bestandteile

Sachteile, die das BGB als wesentliche Bestandteile (§ 93 BGB) bezeichnet, sind 5.4 zwingend sonderrechtsunfähig.1) § 94 BGB erweitert diesen Grundsatz für andere wesentliche Bestandteile an Grundstücken und Gebäuden.2) Gleiches erfolgt nach § 96 BGB für Rechte. Folge der Sonderrechtsunfähigkeit ist, dass jede eigenständige Übereignung ausscheidet.3) Dingliche Rechtsgeschäfte über wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind ebenso auch durch im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Hoheitsakte – insbesondere aufgrund einer Übereignung durch den Gerichtsvollzieher (§ 825 ZPO)4) oder durch Zuschlag (§ 817 ZPO) – nichtig. Jeder auch im Übrigen rechtlich wirksam gestaltete Sicherungsübereignungsvertrag geht ebenso wie ein Verkauf unter Eigentumsvor___________ 1) 2) 3) 4)

BGH, Urt. v. 5.5.1971 – VIII ZR 197/69, BeckRS 1971, 31126224; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099. Anders nach Maßgabe des WEG. BGH, Urt. v. 20.5.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 = NJW 1988, 2089.

1043

Fünfter Hauptteil: Sicherheiten § 50 Inventarsicherheiten I.

Grundfragen

Zur Absicherung ihres finanziellen Engagements können Getränkelieferanten 5.1 häufig allein auf das Inventar von Gaststätten als Kreditsicherheit zugreifen. Die Gestellung von Inventarsicherheiten ist nicht nur zeitaufwändig und mit zahlreichen denkbaren Rechtsfehlern behaftet; sie bedarf auch in wirtschaftlicher Hinsicht hinsichtlich eines erzielbaren Erlöses aus einer Verwertung einer eingehenden rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Prüfung. Dabei ist u. a. zu fragen, ob es andere Sicherheiten gibt. Insbesondere ist an 5.2 die Gestellung von Drittsicherheiten zu denken. Auch erscheint es sinnvoll, anstatt einer Absicherung durch eine (Inventar-)Sicherheit weitere Sicherheiten zur Absicherung entsprechender Anteile der Gesamtfinanzierung zu bestellen. Selbst innerhalb der Inventarsicherheiten ist zwischen der Hereinnahme von gebrauchtem Inventar, sei es bereits im (inventarisierten) Objekt vorhanden, sei es vom Gastwirt neu eingebracht, und der Absicherung durch neu zu finanzierendes Inventar zu unterscheiden. II.

Sonderrechtsfähigkeit

Gaststätteninventar steht nur dann als Sicherheit zur Verfügung, wenn es son- 5.3 derrechtsfähig ist. Insofern können Bedenken angesichts der Verbindung mit anderen Sachen und der wirtschaftlichen Zuordnung zur Absatzstätte bestehen. 1.

Wesentliche Bestandteile

Sachteile, die das BGB als wesentliche Bestandteile (§ 93 BGB) bezeichnet, sind 5.4 zwingend sonderrechtsunfähig.1) § 94 BGB erweitert diesen Grundsatz für andere wesentliche Bestandteile an Grundstücken und Gebäuden.2) Gleiches erfolgt nach § 96 BGB für Rechte. Folge der Sonderrechtsunfähigkeit ist, dass jede eigenständige Übereignung ausscheidet.3) Dingliche Rechtsgeschäfte über wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind ebenso auch durch im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Hoheitsakte – insbesondere aufgrund einer Übereignung durch den Gerichtsvollzieher (§ 825 ZPO)4) oder durch Zuschlag (§ 817 ZPO) – nichtig. Jeder auch im Übrigen rechtlich wirksam gestaltete Sicherungsübereignungsvertrag geht ebenso wie ein Verkauf unter Eigentumsvor___________ 1) 2) 3) 4)

BGH, Urt. v. 5.5.1971 – VIII ZR 197/69, BeckRS 1971, 31126224; OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099. Anders nach Maßgabe des WEG. BGH, Urt. v. 20.5.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 = NJW 1988, 2089.

1043

§ 50 Inventarsicherheiten

behalt ins Leere, auch wenn Dritte den Gegenstand bestellt oder bezahlt haben. Gleichwohl sicherungsübereignetes Inventar wird in der Zwangsversteigerung mitversteigert, ohne dass der Getränkelieferant ein Widerspruchsrecht hat. Schuldrechtliche Verträge im Bezug auf wesentliche Bestandteile sind zwar denkbar; sie setzen aber zu ihrer Durchführung die vorherige Trennung voraus.5) 2.

Scheinbestandteile

5.5 Die Sonderrechtsunfähigkeit wesentlicher Bestandteile (§§ 93, 94, 96 BGB) wird in § 95 BGB für sog. Scheinbestandteile eingeschränkt. Wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, sind die verbundenen oder eingefügten Sachen weder wesentliche noch unwesentliche (einfache) Grundstücksbestandteile, sondern rechtlich selbstständige bewegliche Sachen.6) Scheinbestandteile können als selbstständige Sachen grundsätzlich Gegenstand besonderer Rechte sein.7) Sie sind mangels dauernder Zweckbindung an die Hauptsache auch kein Zubehör des Grundstücks.8) Eine Sicherungsübereignung analog §§ 929, 930, 868, 688 BGB9) ist ebenso möglich wie ein Eigentumsvorbehalt. Dann ist allerdings die Auslegungsregel des § 926 BGB zu beachten und es stellt sich in besonderem Maße die Problematik der kollidierenden Haftung als Sicherheit für ein Grundpfandrecht. 3.

Nicht wesentliche Bestandteile

5.6 Nicht wesentliche (unwesentliche, einfache) Bestandteile können grundsätzlich Gegenstand besonderer Rechte sein. Sie sind daher sonderrechtsfähig (arg. § 93 BGB).10) Voraussetzung ist allerdings, dass sie individualisierbar sind, d. h. als einzelne sachenrechtlich zugeordnet werden können. 4.

Zubehör

5.7 Als selbstständige bewegliche Sachen sind Zubehörstücke i. S. d. § 97 BGB sonderrechtsfähig, d. h. sie können grundsätzlich ohne die Hauptsache übereignet oder belastet werden. Ist Inventar als Zubehör einzuordnen, so steht es grundsätzlich als Inventarsicherheit zur Verfügung. Hat der Kunde das neue Inventar vom Lieferanten unter Eigentumsvorbehalt oder vorhandenes Inventar unter Eigentumsvorbehalt vom Vorbetreiber gekauft und ist der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen noch nicht vollständig nachgekommen, muss sich die Si___________ 5) 6) 7) 8) 9)

BGH, Urt. v. 20.10.1999 – VIII ZR 335/98, NJW 2000, 504. BGH, Urt. v. 5.5.2006 – V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160. BGH, Urt. v. 23.5.1962 – V ZR 238/60, NJW 1962, 1498; KG, Urt. v. 19.8.2004 – 8 U 91/04. BGH, Urt. v. 23.5.1962 – V ZR 238/60, NJW 1962, 1498. BGH, Urt. v. 31.10.1986 – V ZR 168/85, NJW 1987, 774; OLG Celle, Urt. v. 21.12.1951 – 4 U 107/51, MDR 1952, 744. 10) RG, Urt. v. 5.5.1917 – Rep. V 11/17, RGZ 69, 117.

1044

III. Grundlagen der Abgrenzung

cherungsübereignung auch auf die Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Eigentumserwerb beziehen. Sollte der Getränkelieferant das Inventar an den Kunden unmittelbar unter Eigentumsvorbehalt verkauft und die Kaufpreisfinanzierung im Rahmen eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages geregelt haben, wird häufig im Kauf- oder Darlehensvertrag ein umfassenderer Sicherungszweck dahingehend vereinbart, dass das Sicherungsgut auch für alle Ansprüche aus dem Liefervertrag haftet. 5.

Zwischenergebnis

Im Ergebnis steht Gaststätteninventar nur dann unproblematisch als Inventar- 5.8 sicherheit zur Verfügung, wenn es sich um unwesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile handelt, die nicht als Zubehör einer Hauptsache anzusehen sind. 6.

Insolvenzbeschlag

Gegenstände der Insolvenzmasse stehen als Sicherungsgut nicht zur Verfügung 5.9 (§§ 35 Abs. 1, 80 Abs. 1, 81 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO). Dies ändert sich mit Zugang einer Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter. Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbstständige Tätigkeit aus, kann der Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erklären, dass Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.11) Freigegebenes Inventar steht daher als Sicherungsgut zur Verfügung.12) III.

Grundlagen der Abgrenzung

1.

Bestandteilsrecht

a) Rechtlicher Rahmen. Grundlage der rechtlichen Beurteilung sind die §§ 93 – 95 5.10 BGB.13) (Wesentliche) Bestandteile einer Sache sind diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur aus eine Einheit bilden oder die durch die Verbindung miteinander ihre Selbstständigkeit dergestalt verloren haben, dass sie fortan, solange die Verbindung dauert, als eine einzige Sache erscheinen (zusammengesetzte Sache). Maßgebend dafür ist die jeweils geltende Verkehrsanschauung und – wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann – die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters, wobei Zweck und Wesen der Sache und ihrer Bestandteile vom technisch wirtschaftlichen Standpunkt aus zu beurteilen sind.14) Insofern kommt es oft auch auf die (regional zu ___________ 11) 12) 13) 14)

BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, NZI 2012, 409. BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, NZI 2011, 633. OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778.

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III. Grundlagen der Abgrenzung

cherungsübereignung auch auf die Übertragung des Anwartschaftsrechts auf Eigentumserwerb beziehen. Sollte der Getränkelieferant das Inventar an den Kunden unmittelbar unter Eigentumsvorbehalt verkauft und die Kaufpreisfinanzierung im Rahmen eines Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages geregelt haben, wird häufig im Kauf- oder Darlehensvertrag ein umfassenderer Sicherungszweck dahingehend vereinbart, dass das Sicherungsgut auch für alle Ansprüche aus dem Liefervertrag haftet. 5.

Zwischenergebnis

Im Ergebnis steht Gaststätteninventar nur dann unproblematisch als Inventar- 5.8 sicherheit zur Verfügung, wenn es sich um unwesentliche Bestandteile oder Scheinbestandteile handelt, die nicht als Zubehör einer Hauptsache anzusehen sind. 6.

Insolvenzbeschlag

Gegenstände der Insolvenzmasse stehen als Sicherungsgut nicht zur Verfügung 5.9 (§§ 35 Abs. 1, 80 Abs. 1, 81 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO). Dies ändert sich mit Zugang einer Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter. Übt der Schuldner als natürliche Person eine selbstständige Tätigkeit aus, kann der Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO erklären, dass Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insolvenzmasse gehört und Ansprüche aus dieser Tätigkeit nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.11) Freigegebenes Inventar steht daher als Sicherungsgut zur Verfügung.12) III.

Grundlagen der Abgrenzung

1.

Bestandteilsrecht

a) Rechtlicher Rahmen. Grundlage der rechtlichen Beurteilung sind die §§ 93 – 95 5.10 BGB.13) (Wesentliche) Bestandteile einer Sache sind diejenigen körperlichen Gegenstände, die entweder von Natur aus eine Einheit bilden oder die durch die Verbindung miteinander ihre Selbstständigkeit dergestalt verloren haben, dass sie fortan, solange die Verbindung dauert, als eine einzige Sache erscheinen (zusammengesetzte Sache). Maßgebend dafür ist die jeweils geltende Verkehrsanschauung und – wenn diese fehlt oder nicht festgestellt werden kann – die natürliche Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters, wobei Zweck und Wesen der Sache und ihrer Bestandteile vom technisch wirtschaftlichen Standpunkt aus zu beurteilen sind.14) Insofern kommt es oft auch auf die (regional zu ___________ 11) 12) 13) 14)

BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, NZI 2012, 409. BGH, Beschl. v. 9.6.2011 – IX ZB 175/10, NZI 2011, 633. OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778.

1045

§ 50 Inventarsicherheiten

beurteilenden) Umstände des Einzelfalles an, was die Einordnung nicht erleichtert.15) Beurteilungskriterien sind Art und beabsichtigte Dauer der Verbindung, der Grad der Anpassung bisher selbstständiger Sachen aneinander und ihr wirtschaftlicher Zusammenhang. 5.11 b) Körperliche Verbindung. Damit von einem einheitlichen körperlichen Gegenstand gesprochen werden kann, muss zumindest irgendeine unmittelbare körperliche Verbindung und folglich ein physischer oder mechanischer Zusammenhang gegeben sein. Dabei kommt es allgemein auf Aspekte wie Trennbarkeit der Bestandteile und dadurch bedingte Zerstörung oder Wesensveränderung (§ 93 BGB) an. Ob eine feste körperliche Verbindung vorliegt, beurteilt sich danach, ob diese sich leicht oder schwierig lösen lässt.16) Eine feste Verbindung, zu der eine bloße Befestigung durch Schrauben nach h. M. nicht rechnet,17) begründet allenfalls ein nicht zwingendes Indiz für die Bestandteilsqualität (arg. e § 94 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Nach der Verkehrsanschauung kommt es auf den Zweck und nicht die Art der Verbindung an, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, was zu einem „fertigen“ Gebäude gehört.18) Dementsprechend besteht kein Erfordernis für die Feststellung einer etwaigen „festen“ Verbindung Haus bzw. Grundstück.19) Eine vorübergehende Trennung hebt die Bestandteilseigenschaft nicht auf. 5.12 c) Wesensänderung. Für die Wesentlichkeit eines Bestandteils ist nach § 93 BGB auch entscheidend, ob die Restsache nach der Abtrennung des Bestandteils noch in der bisherigen Weise benutzt werden kann, sei es auch erst, nachdem sie zu diesem Zweck wieder mit anderen Sachen verbunden wird. Eine Wesensänderung ist zu verneinen, wenn der abgetrennte Bestandteil in gleicher oder in ähnlicher Weise in eine andere Sache integriert werden kann und damit wieder seine Funktion erfüllen kann.20) Kann das auszubauende Teil durch ein gleiches oder ähnliches Aggregat ersetzt und dadurch die Gesamtsache in gleicher oder ähnlicher Funktion wieder hergestellt werden, ist der abzutrennende Bestandteil grundsätzlich als unwesentlich anzusehen.21) 5.13 Die technische Entwicklung hat dazu geführt, dass viele Bestandteile, etwa bei modularer Bauweise, ohne weiteres austauschbar sind. Dies schmälert den Anwendungsbereich des § 93 BGB. Eine Sache ist auch nicht schon deshalb wesentlicher ___________ 15) Weitere Einzelheiten im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 97 BGB unter § 51 III 2 b cc m. w. N. 16) RG, Urt. v. 2.6.1915 – V 19/15, RGZ 87, 43. 17) RG, Urt. v. 2.6.1915 – V 19/15, RGZ 87, 43; BGH, Urt. v. 3.5.1956 – IV ZR 301/55, BGHZ 20, 154 = NJW 1956, 945. 18) BGH, Urt. v. 10.2.1978 – V ZR 33/76, NJW 1978, 1311. 19) OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. 20) BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778. 21) BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778.

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III. Grundlagen der Abgrenzung

Bestandteil der Gesamtsache i. S. d. § 93 BGB, weil sie nicht serienmäßig (auf Vorrat), sondern nur auf Bestellung produziert wird. Entscheidend ist, ob die abtrennbare Sache an die Gegenstände, mit denen sie verbunden ist, besonders angepasst ist und ob sie durch andere gleichartige desselben oder eines anderen Herstellers ersetzt werden kann. Nur dann ist sie als wesentlicher, nicht sonderrechtsfähiger Bestandteil anzusehen. Das individuelle Interesse des Besitzers einer solchen Sache, nach einer Abtrennung eines Bestandteils von den Aufwendungen für eine Ersatzbeschaffung verschont zu bleiben, wird vom Schutzzweck des § 93 BGB nicht erfasst. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob sich nach dem jetzigen Zustand der Restsache der Einbau eines neuen Moduls noch lohnt.22) Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt der Verbindung. Nach- 5.14 folgende Wertveränderungen, insbesondere die übliche Wertminderung durch Abnutzung oder Alterung, sind für die Eigentumsverhältnisse an dem Bestandteil auch dann ohne Bedeutung, wenn sie dazu führen, dass sich im Zeitpunkt des Ausbaus die Kosten der Trennung im Vergleich zu dem Wert des abzutrennenden Bestandteils als unerheblich darstellen.23) d) Eine Sache wird auch nicht deshalb ein wesentlicher Bestandteil, weil der für 5.15 den Ausbau erforderliche Aufwand hoch wäre. Selbst wenn man ein entsprechendes weiteres (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal in § 93 BGB hineininterpretieren würde, kommt es darauf nicht an. Auch ein hoher Aufwand kann verhältnismäßig sein, weil sich die damit verbundenen Kosten rentieren.24) e) Scheinbestandteile. aa) Voraussetzungen. Zu den Scheinbestandteilen rech- 5.16 nen Bestandteile eines Grundstücks, die nur zu einem vorübergehenden Zweck (§ 95 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB) mit Grund und Boden verbunden sind. Für die Anwendung des § 95 BGB kommt es auf vertragliche Regelungen nicht an. Maßgebend ist vielmehr, ob die Sache nach dem inneren Willen des Verbindenden bei einem normalen Lauf der Dinge nicht wieder abgetrennt werden soll.25) Die Verbindung ist vorübergehend, wenn sie begriffsmäßig oder nach der inneren Willensrichtung des Verbindenden zeitlich begrenzt ist. Dies kann auch ein sehr langer Zeitraum sein.26) Nicht zu einem vorübergehenden Zweck, sondern auf Dauer erfolgt die Verbindung, wenn an ihre spätere Wiederaufhebung nicht gedacht ist. Das Zeitmoment bezieht sich dabei nicht auf die wirtschaftliche Lebensdauer der Sache, sondern auf deren Verbindung mit dem Grundstück.27) Sofern die Verbindung in Ausübung eines zeitlich begrenzten Nutzungsrechts ___________ 22) 23) 24) 25)

BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778. BGH, Urt. v. 11.11.2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191, 285 = NJW 2012, 778; BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099. 26) BGH, Urt. v. 16.11.1973 – V ZR 1/72, BeckRS 1973, 31123789. 27) BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099.

1047

§ 50 Inventarsicherheiten

erfolgt, spricht eine tatsächliche Vermutung für einen nur „vorübergehenden Zweck“; dies gilt insbesondere im Falle der Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder ähnlich schuldrechtlich Berechtigten.28) Dies kann Anlass geben, zwischen der Beurteilung von Eigentümer- und Mieter-/Pächterfinanzierungen zu differenzieren. 5.17 bb) Ausnahmen. Allerdings sind ausnahmsweise abweichende Fallkonstellationen denkbar, in denen selbst Scheinbestandteile nicht zur Sicherungsübereignung zur Verfügung stehen. Erstens ist dies dann der Fall, wenn der Verbindende die positive Absicht hatte, die Sache nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses dem Grundstückseigentümer zu überlassen. Dies gilt auch dann, wenn das Gebäude sowohl den Zwecken des Mieters als auch nach Beendigung des Mietverhältnisses den Zwecken des Vermieters dienen soll.29) Auszusondern sind zweitens Sachverhalte, in denen es zwischen den Parteien von vorne herein feststeht, etwa aufgrund einer ausdrücklichen Vereinbarung, dass der Grundstückseigentümer nach Beendigung des Nutzungsverhältnisses die Sache übernehmen soll.30) Drittens kann ein vorübergehender Zweck ausnahmsweise auch dann ausscheiden, wenn grundsätzlich nach Ablauf der jeweiligen Nutzungszeit eine automatische Verlängerung des Vertragsverhältnisses in Aussicht gestellt war.31) 2.

Zubehör

5.18 Zubehör i. S. d. § 97 Abs. 1 BGB (und i. S. d. § 865 ZPO sowie der §§ 20 Abs. 2, 21 Abs. 1, 55 Abs. 2, 146 und 148 ZVG) und als dessen Unterfall Inventar (§ 98 BGB) sind rechtlich selbstständige bewegliche Sachen (§ 97 Abs. 1 BGB), die, ohne Bestandteil der Hauptsache zu sein, dem wirtschaftlichen Zwecke der Hauptsache auf Dauer zu dienen32) bestimmt sind (sog. Widmung, § 98 BGB) und zu ihr in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine Sache ist nicht Zubehör, wenn sie im Verkehr nicht als Zubehör angesehen wird (§ 97 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder eine nur vorübergehende Benutzung vorliegt (§ 97 Abs. 2 BGB). 5.19 a) Räumliches Verhältnis. Erst die Herstellung dieses räumlichen Verhältnisses zur Hauptsache begründet die Zubehöreigenschaft. ___________ 28) BGH, Urt. v. 4.7.1984 – VIII ZR 270/83, BGHZ 92, 70 = NJW 1984, 2878; BGH, Urt. v. 12.7.1984 – IX ZR 124/83, NJW 1985, 789; BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, NJW 2009, 1078; BGH, Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 266/13, NJW-RR 2013, 910; BGH, Urt. v. 7.4.2017 – V ZR 52/16, NJW 2017, 2099. 29) BGH, Urt. v. 31.10.1952 – V ZR 36/51, BGHZ 8, 1 = NJW 1953, 137; BGH, Urt. v. 27.5.1959 – V ZR 173/57, NJW 1959, 1487. 30) BGH, Urt. v. 20.5.1988 – V ZR 269/86, BGHZ 104, 298 = NJW 1988, 2789; BGH, Urt. v. 18.1.1990 – IX ZR 71/89, NJW-RR 1990, 411; BFH, Urt. v. 22.10.1986 – II R 125/84, NJW 1987, 2702. 31) OLG Köln, Urt. v. 13.5.1960 – 4 U 58/59, NJW 1961, 461. 32) Darunter versteht man die Förderung des wirtschaftlichen Zwecks.

1048

III. Grundlagen der Abgrenzung

b) Abweichende Verkehrsauffassung. aa) Grundlagen. Die Einordnung einer 5.20 Hilfssache als Zubehör ist ausgeschlossen, wenn eine abweichende Verkehrsauffassung besteht. Trotz wirtschaftlicher Zweckbestimmung durch den dazu Befugten und einem entsprechenden räumlichen Verhältnis zur Hauptsache ist eine Hilfssache nicht Zubehör, wenn sie nach der Verkehrsanschauung der Hauptsache nicht (dauerhaft) untergeordnet, sondern (zumindest) gleichrangig mit dieser ist. Eine entgegenstehende Verkehrsauffassung hebt die Zubehöreigenschaft auch dann auf, wenn ansonsten alle ihre Merkmale erfüllt sind. bb) Personeller Maßstab. Maßgeblich sind die Lebens- und Geschäftsgewohn- 5.21 heiten der beteiligten Verkehrskreise. Für die Bestimmung, ob ein auf fremdem Grund aufgestelltes (Oktoberfest-)Bierzelt Zubehör des (Betriebs-)Grundstückes, ist daher nicht auf die Verkehrsauffassung der das Bierzelt besuchenden Kunden, sondern auf den betreffenden Geschäftsverkehr abzustellen.33) cc) Räumlicher Maßstab. Die in den Lebens- und Geschäftsgewohnheiten der 5.22 Beteiligten in Erscheinung tretende Verkehrsauffassung kann sich grundsätzlich regional und lokal unterscheiden.34) Zur Ermittlung der Verkehrsauffassung werden durch die Industrie- und Handelskammern Umfragen durchgeführt. Beteiligt sind sowohl Hotel- oder Gaststättenbetriebe als auch (Getränke-)Lieferanten, Vermieter und Leasinggeber. Dies hat in der älteren bei der Beurteilung der Zubehöreigenschaft von Gaststätteninventar zu divergierenden Entscheidungen geführt.35) dd) Zeitlicher Maßstab. Hinzu kommt, dass sich die Verkehrsauffassung im Lauf 5.23 der Zeit ändern kann.36) Maßgeblich ist grundsätzlich die aktuelle Auffassung zu dem Zeitpunkt, in dem Rechtsfolgen an die Zubehöreigenschaft geknüpft werden sollen; bei gerichtlicher Entscheidung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Eine Vermutung für die Fortdauer des Bestehens oder Nichtbestehens einer Verkehrsanschauung gibt es nicht.37) c) Dauerhaftigkeit der Widmung. Wie sich aus § 97 Abs. 2 Satz 1 BGB ergibt, 5.24 muss die Zugehörigkeit dem Zweck der Hauptsache auf Dauer zu dienen bestimmt sein. Die vorübergehende Benutzung einer Sache für den wirtschaftlichen Zweck einer anderen begründet nicht die Zubehöreigenschaft (sog. Scheinzubehör). Bei einer Verbindung durch einen Mieter/Pächter oder als sonstigen befristet 5.25 Berechtigten und gleichzeitigem Fehlen besonderer Vereinbarungen ist der nur ___________ 33) RG, Urt. v. 14.2.1938 – V 193/37, JW 1938, 1390. 34) LG Oldenburg, Beschl. v. 4.7.1984 – 6 T 488/84 (Cloppenburger Raum, Schleswig-Holstein); LG Flensburg, Urt. v. 3.6.1999 – 5 O. 26/98, BeckRS 2008, 19898. 35) Siehe unten § 50 III 3 m. w. N. 36) BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, NJW 2009, 1078. 37) BGH, Urt. v. 21.10.1992 – V ZR 36/91, NJW 1992, 3224.

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§ 50 Inventarsicherheiten

vorübergehende Zweck der Verbindung zu vermuten.38) Daher sind entsprechende Sachen von der Versteigerung nicht erfasst.39) Die vorübergehende Trennung eines Zubehörstücks von der Hauptsache hebt die Zubehöreigenschaft nicht auf (§ 97 Abs. 2 Satz 2 BGB). 5.26 Zweifelhaft kann sein, ob eine vorübergehende Verbindung i. S. v. § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit eine Scheinbestandteilseigenschaft nicht einer dauerhaften Zweckbindung i. S. v. § 97 Abs. 2 BGB widerspricht. 5.27 Scheinbestandteile (§ 95 BGB) fallen in der Regel nicht unter § 97 BGB.40) Allerdings kann es sich bei Zubehör eines anderen Grundstücks als desjenigen, mit dem die Sachen vorübergehend verbunden sind, auch um Scheinbestandteile handeln.41) 3.

Rechtliche Einordnung von Gaststätteninventar

5.28 a) Wesentliche Bestandteile. Folgende Gegenstände kommen nach der Rechtsprechung als wesentliche Bestandteile i. S. v. § 94 Abs. 2 BGB nicht für eine Sicherungsübereignung in Betracht: Be- und Entlüftungsanlagen in Hotels oder Gaststätten,42) ein dem Gebäude besonders angepasster (Hotel-)Aufzug,43) ein zugeschnittener und auch nur lose verlegter Teppichboden, sofern er im Auftrag des Eigentümers verlegt worden ist.44) Dies gilt ausnahmsweise angesichts der Besonderheiten des Einzelfalles auch für folgende Teile einer Gaststätteneinrichtung: Biertresen, soweit darin keine technischen Anlagen eingebaut waren; Tresenbaldachin, Kellnerschrank, Bänke, Garderobenschränke und Garderobeneinbau. die Gaststätteneinrichtung, wenn Gebäude und Einbauten bereits in der Bauplanung aufeinander abgestimmt sind und wenn die Einrichtung speziell angefertigt und angepasst wurde.45) Im Übrigen sind zu nennen ein Notstromaggregat,46) eine Windergartenkonstruktion nebst Belüftung,47) im Boden 2,60 m tief verankerte Baumstämme.48) ___________ 38) BGH, Urt. v. 25.5.1984 – V ZR 149/83, NJW 1984, 2277; BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 180/07, NJW 2009, 1078. 39) OLG Rostock, Beschl. v. 12.12.2011 – 3 W 193/11, NJW-RR 2012, 222. 40) BGH, Urt. v. 23.5.1962 – V ZR 238/60, NJW 1962, 1498. 41) RG, Urt. v. 19.9.1903 – V 106/03, RGZ 55, 281. 42) OLG Stuttgart, Urt. v. 17.10.1957 – 2 U 47/57, NJW 1958, 1685; OLG Hamm, Urt. v. 26.11.1985 – 27 U 144/84, NJW-RR 1986, 376; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.1998 – 11 U 33/98, ZMR 1999, 474. 43) RG, Urt. v. 5.5.1917 – Rep. V 11/17, RGZ 90, 198. 44) Str., wie hier LG Frankenthal, Urt. v. 20.9.1978 – 2 S 136/78, VersR 1978, 1106; LG Köln, Urt. v. 15.6.1979 – 11 S 385/78, NJW 1979, 1608. 45) OLG Schleswig, Urt. v. 14.7.1994 – 2 U 4/94, BeckRS 1994, 07708. 46) BGH, Urt. v. 10.7.1987 – V ZR 285/86, NJW 1987, 3178 (Hotel); OLG Saarbrücken, Urt. v. 2.5.2001 – 1 U 682/00-145, NJW-RR 2001, 1632 (Diskothek). 47) OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. 48) OLG Koblenz, Beschl. v. 4.8.2009 – 5 U 333/09, MDR 2009, 1157.

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III. Grundlagen der Abgrenzung

b) Nicht wesentliche Bestandteile. Die Bierausschankanlage in einer Gastwirt- 5.29 schaft kann in der Regel ohne weiteres entfernt werden. Sie ist daher kein wesentlicher Bestandteil nach § 94 Abs. 2 BGB.49) Folgende Gegenstände wurden ebenfalls als nicht wesentliche Bestandteile angesehen: Rückschrankanlage, Flaschenboard im Verlauf der Theke mit Einbaustrahlern, Serviceinstallationsschrank, Podestanlagen, Wandvertäfelungen (zw.), Garderobenablage und Bänke,50) Kegelbahnanlage,51) Kühlzellen in einem Hotel52). So hat z. B. ein Gaststättengebäude seine charakteristische Eigenart schon dadurch gewonnen, dass in ihm Räume für die Aufnahme eines Gaststättenbetriebs und ein Raum, in dem eine Kegelanlage betrieben werden kann, eingerichtet sind. Die dort eingebrachte Kegelbahnanlage wird dagegen nicht mehr zur Herstellung des Gebäudes als Baulichkeit, sondern lediglich noch zur Einrichtung des Gaststättenbetriebes eingefügt.53) c) Zubehör. Auch insofern gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung, die im 5.30 Hinblick auf die örtlich bzw. regional zu ermittelnde Verkehrsauffassung durchaus nicht immer zu denselben Ergebnissen führt. Die Zubehöreigenschaft wurde insbesondere unter Subsumtion unter den Begriff der „sonstigen Gerätschaften“ i. S. d. § 98 Nr. 1 a. E. BGB bejaht für die Bierausschankanlage54), Einrichtung einer Gaststätte55), wenn das Grundstück auf eine dauernde Benutzung eingerichtet ist56), die kühltechnische Einrichtung einer Gaststätte57), Tische, Barhocker, Sessel, Stühle und Biertresen, soweit darin technische Anlagen wie Tiefkühlschrank, Kühlanlage und Bierdruckanlage enthalten waren,58) eine Telefonnebenstellenanlage59) sowie einen Hotelbus, der nicht nur Hotelgäste, sondern auch andere Personen zur Bahn bringt,60) sowie das Festzelt eines Restaurationsbetriebs.61) Anders dagegen die Rechtsprechung im Zusammenhang mit ___________ 49) OLG Celle, Urt. v. 27.7.1979 – 4 M 41/79, OLGZ 1980, 13; OLG Celle, Urt. v. 12.9.1997 – 4 U 34/96, MDR 1998, 463; LG Trier, Urt. v. 14.7.1989 – 11 O. 216/88, Zeller, IV, 512. 50) LG Essen, Urt. v. 15.10.1997 – 16 O. 312/37. 51) BGH, Urt. v. 8.4.1954 – IV ZR 23/54, BeckRS 1954, 31391057; LG Saarbrücken, Urt. v. 29.9.1986 – 1 O. 341/85, NJW-RR 1987, 11. 52) LG Ansbach, Urt. v. 24.7.1989 – 3 O. 279/89, NJW-RR 1990, 563 = Zeller, IV, 512. 53) BGH, Urt. v. 8.4.1954 – IV ZR 23/54, BeckRS 1954, 31391057. 54) OLG Celle, Urt. v. 27.7.1979 – 4 M 41/79, OLGZ 1980, 13; OLG Schleswig, Urt. v. 21.8.1987 – 14 U 77/84, Rpfleger 1988, 76 = Zeller, IV, 450; LG Trier, Urt. v. 14.7.1989 – 11 O. 216/88, Zeller, IV, 512. 55) BGH, Urt. v. 14.5.2005 – V ZB 16/05, NJW-RR 2005, 1175 = ZIP 2005, 1195. 56) OLG Celle, Urt. v. 27.7.1979 – 4 M 41/79, OLGZ 1980, 13; OLG Schleswig, Urt. v. 21.8.1987 – 14 U 77/84, Rpfleger 1988, 76 = Zeller, IV, 450; LG Trier, Urt. v. 14.7.1989 – 11 O. 216/88, Zeller, IV, 512. 57) OLG Hamm, Urt. v. 28.11.1985 – 27 U 144/84, NJW-RR 1986, 376. 58) OLG Schleswig, Urt. v. 14.7.1994 – 2 U 4/94, BeckRS 1994, 07708. 59) LG Flensburg, Urt. v. 3.6.1999 – 5 O. 26/98, BeckRS 2008, 19898. 60) RG, Urt. v. 26.1.1901 – V 353/00, RGZ 47, 200. 61) RG, Urt. v. 14.2.1938 – V 193/37, JW 1938, 1390.

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§ 50 Inventarsicherheiten

Gaststätteninventar für Schleswig-Holstein,62) den Cloppenburger Raum63) sowie für Hamburg64) und Bremen.65) Allerdings dürfte der Hinweis auf ältere Entscheidungen wohl kaum genügen, um vom Grundsatz das § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugehen.66) IV.

Gestaltungsoptionen

5.31 Steht zur Absicherung des finanziellen Engagements des Getränkelieferanten Gaststätteninventar zur Verfügung, so sind verschiedene Alternativen denkbar. 1.

Sicherungsübereignung

5.32 Bei einer Sicherungsübereignung erwirbt der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer infolge eines Sicherungsübereignungsvertrages das Volleigentum an dem Inventar vom Darlehensnehmer als Sicherungsgeber, obgleich dem Sicherungsnehmer wirtschaftlich im Sicherungsfall nur ein exklusiver Haftungszugriff i. S. eines Verwertungsrechts zustehen soll.67) Die Sicherungsübereignung nach §§ 929 Satz 1, 930, 868, 688 BGB hat sich gegenüber dem Pfandrecht an Sachen durchgesetzt, weil sie auf die wirtschaftlich unsinnige Voraussetzung der Übergabe an den Pfandgläubiger (§ 1205 BGB, Publizitätserfordernis) verzichtet und Verfügungen über die sicherungsübereigneten Gegenstände leichter als beim vertraglichen Pfandrecht an beweglichen Sachen ermöglicht. 2.

Eigentumsvorbehalt

5.33 Denkbar ist auch, dass der Getränkelieferant das Eigentum an dem Inventar selbst erwirbt oder bei Bestandsinventar behält und die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt an den Kunden (weiter-)verkauft.68) Der Eigentumsübergang kann durch einseitige Erklärung ausgeschlossen werden. Der Eigentumsvorbehalt muss allerdings ausdrücklich, ggf. auch konkludent,69) sei es im Kauf- und Getränkelieferungsvertrag, sei es in den AGB,70) jedenfalls spätestens bei Übergabe der ___________ 62) 63) 64) 65) 66) 67)

LG Kiel, Urt. v. 26.6.1980 – 30 O. 183/79, Rpfleger 1983, 167. LG Oldenburg, Beschl. v. 4.7.1984 – 6 T 488/84. Recht 1913 Nr. 2690; OLG Hamburg, Urt. v. 30.4.1918 – 3. Zivilsenat, OLGE 38, 30. OLG Hamburg, Urt. v. 15.6.1915 – 6. Zivilsenat, OLGE 31, 192 für 1912. OLG Nürnberg, Urt. v. 2.4.2002 – 3 U 4158/01, NJW-RR 2002, 1485 (Einbauküche). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. 68) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202. Siehe oben § 39 IV 6 m. w. N. 69) BGH, Urt. v. 9.7.1975 – VIII ZR 89/74, BGHZ 64, 395 = NJW 1975, 1699. 70) BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 342/83, BGHZ 84, 105 = NJW 1985, 1836; BGH, Urt. v. 22.5.1986 – I ZR 11/85, NJW 1987, 437.

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§ 50 Inventarsicherheiten

Gaststätteninventar für Schleswig-Holstein,62) den Cloppenburger Raum63) sowie für Hamburg64) und Bremen.65) Allerdings dürfte der Hinweis auf ältere Entscheidungen wohl kaum genügen, um vom Grundsatz das § 97 Abs. 1 Satz 1 BGB abzugehen.66) IV.

Gestaltungsoptionen

5.31 Steht zur Absicherung des finanziellen Engagements des Getränkelieferanten Gaststätteninventar zur Verfügung, so sind verschiedene Alternativen denkbar. 1.

Sicherungsübereignung

5.32 Bei einer Sicherungsübereignung erwirbt der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer infolge eines Sicherungsübereignungsvertrages das Volleigentum an dem Inventar vom Darlehensnehmer als Sicherungsgeber, obgleich dem Sicherungsnehmer wirtschaftlich im Sicherungsfall nur ein exklusiver Haftungszugriff i. S. eines Verwertungsrechts zustehen soll.67) Die Sicherungsübereignung nach §§ 929 Satz 1, 930, 868, 688 BGB hat sich gegenüber dem Pfandrecht an Sachen durchgesetzt, weil sie auf die wirtschaftlich unsinnige Voraussetzung der Übergabe an den Pfandgläubiger (§ 1205 BGB, Publizitätserfordernis) verzichtet und Verfügungen über die sicherungsübereigneten Gegenstände leichter als beim vertraglichen Pfandrecht an beweglichen Sachen ermöglicht. 2.

Eigentumsvorbehalt

5.33 Denkbar ist auch, dass der Getränkelieferant das Eigentum an dem Inventar selbst erwirbt oder bei Bestandsinventar behält und die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt an den Kunden (weiter-)verkauft.68) Der Eigentumsübergang kann durch einseitige Erklärung ausgeschlossen werden. Der Eigentumsvorbehalt muss allerdings ausdrücklich, ggf. auch konkludent,69) sei es im Kauf- und Getränkelieferungsvertrag, sei es in den AGB,70) jedenfalls spätestens bei Übergabe der ___________ 62) 63) 64) 65) 66) 67)

LG Kiel, Urt. v. 26.6.1980 – 30 O. 183/79, Rpfleger 1983, 167. LG Oldenburg, Beschl. v. 4.7.1984 – 6 T 488/84. Recht 1913 Nr. 2690; OLG Hamburg, Urt. v. 30.4.1918 – 3. Zivilsenat, OLGE 38, 30. OLG Hamburg, Urt. v. 15.6.1915 – 6. Zivilsenat, OLGE 31, 192 für 1912. OLG Nürnberg, Urt. v. 2.4.2002 – 3 U 4158/01, NJW-RR 2002, 1485 (Einbauküche). OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. 68) BGH, Urt. v. 7.10.1970 – VIII ZR 202/68, NJW 1970, 2243 = Zeller I, 202. Siehe oben § 39 IV 6 m. w. N. 69) BGH, Urt. v. 9.7.1975 – VIII ZR 89/74, BGHZ 64, 395 = NJW 1975, 1699. 70) BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 342/83, BGHZ 84, 105 = NJW 1985, 1836; BGH, Urt. v. 22.5.1986 – I ZR 11/85, NJW 1987, 437.

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IV. Gestaltungsoptionen

Sache erklärt werden. In einem vereinbarten Eigentumsvorbehalt liegt zugleich eine Sicherungsabrede zugunsten des Veräußerers.71) Für die Abwicklung stehen zwei Modelle zur Verfügung. Einerseits schließt der 5.33a Getränkelieferant mit dem Kunden einen Kauf- und Getränkelieferungsvertrag, im Rahmen dessen der finanztechnische Teil sich als Ratenkauf, ggf. als Teilzahlungsgeschäft nach § 507 BGB, darstellt. Andererseits wird das Inventar dem Kunden im Rahmen eines Kaufvertrages unter Rechnungsstellung verkauft und der Kaufpreis über einen Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag finanziert.72) In beiden Alternativen ist der Getränkelieferant sei es unmittelbar, sei es über § 359 BGB, den Gewährleistungsansprüchen des Käufers ausgesetzt. In der letztgenannten Variante ist darauf zu achten, dass der Eigentumsvorbehalt nicht verloren geht. Für den Herausgabeanspruch aus dem Eigentum gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB). In der Insolvenz besteht ein Aussonderungsrecht (§ 47 InsO). 3.

Direktübereignung/Lieferantenvereinbarung

a) Allgemein. In dieser Variante kauft der Darlehensnehmer das Inventar eben- 5.34 so wie bei der Sicherungsübereignung vom Einrichter. Dieser überträgt allerdings in Abänderung/Ergänzung des Kaufvertrages das (Voll-/Vorbehalts-)Eigentum an dem Gaststätteninventar unmittelbar und direkt und damit ohne Zwischenerwerb des Käufers auf den Getränkelieferanten.73) Aufgrund einer zwei- oder auch dreiseitigen Vereinbarung wird im Gegenzug das Darlehen an den Einrichter unter ggf. vollständiger Anrechnung auf den Kaufpreis gezahlt. Ein Vorteil ist, dass gewährleistungsrechtlich das Verhältnis zwischen Verkäufer (Einrichter) und Käufer maßgeblich bleibt. b) Kundeninsolvenz. In der Kundeninsolvenz wirkt die Direktübereignung le- 5.35 diglich wie eine Sicherungsübereignung behandelt, so dass dem Getränkelieferanten lediglich das Recht zur Absonderung zusteht.74) Begründet wird dies damit, dass das Eigentum des Darlehensgebers wie bei der Sicherungsübereignung lediglich abgeleitetes Eigentum sei. Damit bestehe ein abweichender Sicherungszweck. Während der Eigentumsvorbehalt einen Warenkredit sichere, sichere die Sicherungsübereignung einen Geldkredit. Letzteres sei auch bei der Direktübereignung anzunehmen. Offen ist, ob diese Überlegungen auch auf den Fall der Kollision mit Vermieter-/Verpächterpfandrechten und Grundpfandrechten zu übertragen sind. ___________ 71) BGH, Urt. v. 21.5.1953 – IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69 = NJW 1953, 1099. 72) BGH, Urt. v. 21.5.1953 – IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69 = NJW 1953, 1099; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1245; OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517; OLG Köln, Urt. v. 28.6.2001 – 1 U 9/01. Siehe oben § 39 IV 6 m. w. N. 73) BGH, Urt. v. 15.12.2012 – VII ZR 99/10, NJW 2013, 678. 74) BGH, Urt. v. 27.3.2008 – IX ZR 220/05, BGHZ 176, 86 = NJW 2008, 1803 = ZIP 2008, 342.

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§ 50 Inventarsicherheiten

4.

Dreiersicherungsübereignung

5.36 Ähnlich kann die Situation bei Abschluss eines Dreiersicherungsübereignungsvertrages sein. Insofern entsteht allerdings ggf. unvermeidbar ein Anwartschaftsrecht des finanzierten Kunden, so dass diese Konstruktion weder im Bereich der Pfandrechte (Vermieter-/Verpächterpfandrecht, Zubehörhaftung) noch in der Insolvenz Vorteile mit sich bringt. V.

Werthaltigkeit

1.

Einführung

5.37 Schon vor der Hereinnahme von Inventarsicherheiten muss sich der Getränkelieferant über die Werthaltigkeit derselben bewusst werden. Zu fragen ist, mit welchem voraussichtlichen Erlös bei einer Verwertung realistisch gerechnet werden kann. Diese ex ante-Beurteilung ist naturgemäß schwierig. Der Beleihungswert wird von vielen Faktoren beeinflusst. Nachfolgend werden einige wesentliche angesprochen. 2.

Vorhandenes Inventar

5.38 Die Sicherung durch vorhandenes, insbesondere gebrauchtes Inventar ist regelmäßig mit erheblichen Bewertungsabschlägen zu versehen. Nur bei Fortführung des Objektes/Konzeptes mag im Einzelfall eine etwas günstigere Einschätzung angezeigt sein. Alt-/Bestandsinventar kann daher grundsätzlich nur entgegenkommenderweise und als ergänzende (Teil-)Sicherheit und dies allenfalls mit erheblichen Bewertungsabschlägen75) hereingenommen werden. 3.

Neuinventar

5.39 a) Auch bei der Bewertung von neu angeschafftem Gaststätteninventar ist durchweg nicht der Anschaffungspreis zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen ist ein häufig rapider Wertverlust. Dies gilt insbesondere für individuell an die Örtlichkeiten angepasstes bzw. angefertigtes Gaststätteninventar, das im Falle der Nichtfortführung wohl überwiegend nicht mehr mit einem Wert in Ansatz gebracht werden kann. Je mehr Inventar einem technischen Wandel unterliegt, desto höhere Bewertungsabschläge sind angezeigt. Auch ist zu berücksichtigen, dass ggf. bei Ausbau bzw. Abbau, Transport und Lagerung76) Beschädigungen und damit Wertverluste eintreten können. Im Übrigen unterliegt Gaststätteninventar angesichts der Schrumpfung des Gesamtmarktes und der Veränderung der Konsumgewohnheiten mangels Nachfrage Bewertungsabschlägen. 5.40 b) Maßgeblich ist der Nettorechnungsbetrag. ___________ 75) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 76) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00.

1054

§ 50 Inventarsicherheiten

4.

Dreiersicherungsübereignung

5.36 Ähnlich kann die Situation bei Abschluss eines Dreiersicherungsübereignungsvertrages sein. Insofern entsteht allerdings ggf. unvermeidbar ein Anwartschaftsrecht des finanzierten Kunden, so dass diese Konstruktion weder im Bereich der Pfandrechte (Vermieter-/Verpächterpfandrecht, Zubehörhaftung) noch in der Insolvenz Vorteile mit sich bringt. V.

Werthaltigkeit

1.

Einführung

5.37 Schon vor der Hereinnahme von Inventarsicherheiten muss sich der Getränkelieferant über die Werthaltigkeit derselben bewusst werden. Zu fragen ist, mit welchem voraussichtlichen Erlös bei einer Verwertung realistisch gerechnet werden kann. Diese ex ante-Beurteilung ist naturgemäß schwierig. Der Beleihungswert wird von vielen Faktoren beeinflusst. Nachfolgend werden einige wesentliche angesprochen. 2.

Vorhandenes Inventar

5.38 Die Sicherung durch vorhandenes, insbesondere gebrauchtes Inventar ist regelmäßig mit erheblichen Bewertungsabschlägen zu versehen. Nur bei Fortführung des Objektes/Konzeptes mag im Einzelfall eine etwas günstigere Einschätzung angezeigt sein. Alt-/Bestandsinventar kann daher grundsätzlich nur entgegenkommenderweise und als ergänzende (Teil-)Sicherheit und dies allenfalls mit erheblichen Bewertungsabschlägen75) hereingenommen werden. 3.

Neuinventar

5.39 a) Auch bei der Bewertung von neu angeschafftem Gaststätteninventar ist durchweg nicht der Anschaffungspreis zugrunde zu legen. Zu berücksichtigen ist ein häufig rapider Wertverlust. Dies gilt insbesondere für individuell an die Örtlichkeiten angepasstes bzw. angefertigtes Gaststätteninventar, das im Falle der Nichtfortführung wohl überwiegend nicht mehr mit einem Wert in Ansatz gebracht werden kann. Je mehr Inventar einem technischen Wandel unterliegt, desto höhere Bewertungsabschläge sind angezeigt. Auch ist zu berücksichtigen, dass ggf. bei Ausbau bzw. Abbau, Transport und Lagerung76) Beschädigungen und damit Wertverluste eintreten können. Im Übrigen unterliegt Gaststätteninventar angesichts der Schrumpfung des Gesamtmarktes und der Veränderung der Konsumgewohnheiten mangels Nachfrage Bewertungsabschlägen. 5.40 b) Maßgeblich ist der Nettorechnungsbetrag. ___________ 75) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 76) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00.

1054

V. Werthaltigkeit

c) Weitere Abzugspositionen. Sollte die Lieferantenrechnung Positionen ent- 5.41 halten, die als wesentliche Bestandteile gar nicht sicherungsübereignungsfähig sind, so sind diese Positionen vollständig herauszurechnen. Gleiches gilt für nicht werthaltige Positionen. Sollte die Lieferantenrechnung darüber hinaus Werklohnpositionen aufweisen,77) so gilt das Vorgesagte. 4.

Zubehör

Soweit das Gaststätteninventar als Zubehör einzuordnen ist, kann nur dann von 5.42 einer werthaltigen Sicherheit gesprochen werden, wenn Zubehörhaftungsverzichtserklärungen der Grundbuchgläubiger vorliegen. Derartige Erklärungen wirken aber nur schuldrechtlich und nur zwischen den Parteien. 5.

Kundeninsolvenz

a) Grundlagen. In der Insolvenz ist zwischen dem Aussonderungsrecht (§ 47 5.43 InsO) bei einfachem Eigentumsvorbehalt mit enger Zweckabrede und dem Recht zur abgesonderten Befriedigung (§§ 51 Nr. 1, 49 InsO) bei Sicherungsübereignung sowie weiter Zweckabrede zu unterscheiden. Im erstgenannten Fall kann der Insolvenzverwalter bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vorbehaltskäufers während der Schwebezeit das Wahlrecht nach §103 InsO ausüben. Wählt er die Ablehnung der Erfüllung, kommt dem Vorbehaltsverkäufer ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO und nicht nur ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO zu. Hierdurch entstehen keine zusätzlichen Kosten. Die Sicherungsübereignung ist insbesondere deshalb nachteilhaft, weil die Verwertung grundsätzlich nur durch den Insolvenzverwalter erfolgt (§ 166 Abs. 1 InsO), der das in seinem Besitz befindliche Sicherungsgut verwerten darf. Dem Getränkelieferanten steht lediglich ein Absonderungsrecht am Verwertungserlös zu (§§ 51 Nr. 1 Fall 1, 49 InsO).78) Der Verwertungserlös in der Regel mit Kostenbeiträgen in Höhe von 28 % belastet. Jedenfalls werden Kostenpauschalen für Feststellung und Verwertung (§§ 170 Abs. 1, 171 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 InsO) im Umfang von insgesamt 9 % sowie die Umsatzsteuer in Abzug gebracht (§ 171 Abs. 1 Satz 3 InsO). Zwar kann der Sicherungsgeber den Verwalter auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit hinweisen und auch unter bestimmten Voraussetzungen die Gegenstände selbst verwerten (§ 168 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO). Dem Gläubiger bleibt aber für diese Entscheidung nur eine Woche Zeit. Die Kostenbelastung verringert sich dann auf 23 %. Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, die dem Absonderungsrecht des Getränkelieferanten unterliegende bewegliche Sache zu nutzen, wobei er für einen eventuell entstehenden Wertverlust ausgleichspflichtig ist. ___________ 77) OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517. 78) BGH, Urt. v. 17.7.2008 – IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142 = ZIP 2008, 1638.

1055

§ 50 Inventarsicherheiten

5.44 b) Kfz-Sicherungsübereignung. Will ein Insolvenzverwalter ein sicherungsübereignetes Fahrzeug nach § 166 Abs. 1 InsO verwerten, so kann er zu diesem Zweck von dem Sicherungsnehmer die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II verlangen. Aus den §§ 166 ff. InsO, § 241 Abs. 2 BGB ergibt sich insoweit eine Pflicht des absonderungsberechtigten Gläubigers (Sicherungsnehmers), an der Verwertung durch den Insolvenzverwalter mitzuwirken, wenn diese ansonsten erschwert wäre.79) 5.45 c) Umsatzsteuer. Ab dem 11.7.2014 wird auch im eröffneten Insolvenzverfahren ein „Dreifachumsatz“ bei der Verwertung beweglicher Gegenstände bejaht, wenn der Insolvenzverwalter bewertet.80) In diesem Zusammenhang ist darauf zu achten, dass der Insolvenzverwalter über jede Lieferung (Verwertung) eine Rechnung erstellt, die den umsatzsteuerlichen Anforderungen genügt. Nur dann kann der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer die an die Masse gezahlte Umsatzsteuer auch als Vorsteuer geltend machen. 6.

Im Übrigen

5.46 Der Eigentumsvorbehalt geht dauerhaft gesetzlichen Pfandrechten, insbesondere des Vermieters/Verpächters, vor. Zu bedenken ist allerdings die Problematik etwaiger Gewährleistungsansprüche im Hinblick auf eine vermeintliche Abdingbarkeit, Durchsetzbarkeit (Verjährung), des Wertverlustes durch Zeitablauf und Fragen der praktischen Abwicklung. Liegen die Voraussetzungen verbundener Verträge (§ 358 Abs. 3 BGB), etwa im Fall der Umwegfinanzierung, vor, so ergeben sich Probleme sowohl hinsichtlich der Vertragsgestaltung als auch der Abwicklung. Dies alles will gründlich und vorab bedacht sein und in die Beurteilung der Werthaltigkeit einbezogen sein. 7.

Konsequenzen

5.47 Angesichts der skizzierten realistischen Bewertung der Inventarsicherheit bei Hereinnahme erscheint es sehr gut nachvollziehbar und vertretbar, dass schon in der Bestellungsphase nach den von den Getränkelieferanten zugrunde gelegten Finanzierungs-/Sicherungsrichtlinien selbst bei Hereinnahme von Neuinventarien Bewertungsabschläge erfolgen. In der Praxis arbeitet man mit pauschalen Bewertungsansätzen auf der Grundlage individueller oder allgemeiner Erfahrungssätze. Neues Inventar wird dabei höchstens mit einem Beleihungswert von 30 – 50 % des bereinigten Nettorechnungsbetrages in Ansatz gebracht. 5.48 Dies führt im Ergebnis dazu, dass dann, wenn der Finanzierungsbetrag lediglich durch eine Inventarsicherheit abgesichert werden soll, von vorne herein eine Untersicherung des Getränkelieferanten vorliegt. Das Vorliegen einer solchen ___________ 79) OLG Stuttgart, Urt. 26.6.2012 – 6 U 45/12, BeckRS 2012, 15242. 80) BMF-Schreiben vom 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037, NZI 2014, 600.

1056

VI. Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

Sicherungslücke kann unterschiedliche Konsequenzen haben. Zu denken ist an eine Ablehnung des Finanzierungsantrages, an einen Sprung in den Entscheidungskompetenzen nach oben, an die Forderung nach Beibringung weiterer Sicherheiten durch den Kunden oder Dritte ((Ehe-)Partner, Geschäftsführer, Getränkefachgroßhändler etc.) oder etwa an die realistische interne Bewertung als teilweise ungesicherten Kredit. VI.

Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

1.

Einführung

Die Sicherheit ist wirtschaftlich nur dann wirksam gestellt, wenn die Übereig- 5.49 nung der Gegenstände frei von Rechten Dritter erfolgt ist. Insofern droht bei der Finanzierung von Pächtern und Mietern das Damoklesschwert des gesetzlichen Pfandrechts nach §§ 592, 581 Abs. 2, 578 Abs. 1, 562 BGB. Wenn das Objekt, in dem sich die sicherungsübereigneten Gegenstände, insbesondere das Gaststätteninventar, befinden, von dem Kunden gepachtet oder gemietet ist, unterliegen diese Gegenstände grundsätzlich automatisch einem gesetzlichen Pfandrecht. 2.

Eingebrachte Sachen

Gegenstand des Pfandrechts sind alle eingebrachten sonderrechtsfähigen Sachen 5.50 des Pächters/Mieters vom Zeitpunkt der Einbringung an.81) An eingebrachten Gegenständen, die wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind, entsteht daher Pfandrecht. Anderes gilt dagegen für Scheinbestandteile i. S. d. § 95 BGB. Dem Einbringen steht ein Verbleiben von bei Beginn des schuldrechtlichen Nutzungsvertrages bereits vorhandenen Gegenständen mit Billigung des Nutzungsberechtigten gleich.82) 3.

Unpfändbarkeit

Fraglich ist, ob das Pfandrecht trotz anfänglicher Unpfändbarkeit der eingebrach- 5.51 ten Sache von vorne herein anhaftet oder ob vor dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass der Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt wird und die Sache somit pfändbar ist, wirksam Sicherungseigentum begründet werden kann. Für die letztgenannte Sichtweise spricht der Wortlaut des § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB.

___________ 81) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 = NZM 2007, 212 = ZIP 2007, 191. 82) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 377 = ZIP 2015, 378.

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VI. Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

Sicherungslücke kann unterschiedliche Konsequenzen haben. Zu denken ist an eine Ablehnung des Finanzierungsantrages, an einen Sprung in den Entscheidungskompetenzen nach oben, an die Forderung nach Beibringung weiterer Sicherheiten durch den Kunden oder Dritte ((Ehe-)Partner, Geschäftsführer, Getränkefachgroßhändler etc.) oder etwa an die realistische interne Bewertung als teilweise ungesicherten Kredit. VI.

Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

1.

Einführung

Die Sicherheit ist wirtschaftlich nur dann wirksam gestellt, wenn die Übereig- 5.49 nung der Gegenstände frei von Rechten Dritter erfolgt ist. Insofern droht bei der Finanzierung von Pächtern und Mietern das Damoklesschwert des gesetzlichen Pfandrechts nach §§ 592, 581 Abs. 2, 578 Abs. 1, 562 BGB. Wenn das Objekt, in dem sich die sicherungsübereigneten Gegenstände, insbesondere das Gaststätteninventar, befinden, von dem Kunden gepachtet oder gemietet ist, unterliegen diese Gegenstände grundsätzlich automatisch einem gesetzlichen Pfandrecht. 2.

Eingebrachte Sachen

Gegenstand des Pfandrechts sind alle eingebrachten sonderrechtsfähigen Sachen 5.50 des Pächters/Mieters vom Zeitpunkt der Einbringung an.81) An eingebrachten Gegenständen, die wesentliche Bestandteile des Grundstücks sind, entsteht daher Pfandrecht. Anderes gilt dagegen für Scheinbestandteile i. S. d. § 95 BGB. Dem Einbringen steht ein Verbleiben von bei Beginn des schuldrechtlichen Nutzungsvertrages bereits vorhandenen Gegenständen mit Billigung des Nutzungsberechtigten gleich.82) 3.

Unpfändbarkeit

Fraglich ist, ob das Pfandrecht trotz anfänglicher Unpfändbarkeit der eingebrach- 5.51 ten Sache von vorne herein anhaftet oder ob vor dem Zeitpunkt, zu dem feststeht, dass der Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt wird und die Sache somit pfändbar ist, wirksam Sicherungseigentum begründet werden kann. Für die letztgenannte Sichtweise spricht der Wortlaut des § 562 Abs. 1 Satz 2 BGB.

___________ 81) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, BGHZ 170, 196 = NZM 2007, 212 = ZIP 2007, 191. 82) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 377 = ZIP 2015, 378.

1057

§ 50 Inventarsicherheiten

4.

Eigentumsverhältnisse

5.52 a) Grundlagen. Nach dem Wortlaut des § 562 Abs. 1 Satz 1 BGB ist Voraussetzung für die Entstehung des Pfandrechts, dass die Sachen zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Pfandrechts im Eigentum des Mieter/Pächters stehen. Kein Pfandrecht entsteht daher grundsätzlich an Sachen, die im Eigentum eines Dritten stehen.83) Ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich, weil der Verpächter/ Vermieter an den eingebrachten Sachen keinen unmittelbaren Besitz erlangt.84) 5.53 b) Das gesetzliche Pfandrecht umfasst aber auch (Anwartschafts-)Sachen, die der Gastwirt unter Eigentumsvorbehalt erworben hat oder die dieser bereits vor vollständiger Kaufpreiszahlung an einen Dritten sicherungsübereignet hat. Mit der Befriedigung des Vorbehaltskäufers oder des Sicherungseigentümers erstarkt das gesetzliche Pfandrecht zum Pfandrecht an der Sache.85) Dieser Vorrang gilt selbst dann, wenn die Sachen erst zukünftig in die Geschäftsräume verbracht werden, aber bereits im Rahmen eines sog. Raumsicherungsvertrages sicherungsübereignet wurden.86) Überträgt der Mieter/Pächter sein Anwartschaftsrecht noch vor Bedingungseintritt auf einen Dritten, so erwirbt dieser bei Bedingungseintritt – Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers bzw. des Sicherungsnehmers – das Eigentum an der Sache unmittelbar von dem Veräußerer, allerdings belastet mit dem in der Zwischenzeit begründeten Pfandrecht. Die praktische Bedeutung dieses „Pfandrechts“ erschöpft sich freilich darin, dass der Vermieter/ Verpächter durch Zahlung des Restkaufpreises auch gegen den Widerspruch des Mieters/Pächters (§ 267 Abs. 2 BGB) den Bedingungseintritt herbeiführen kann, wodurch er dann ein Pfandrecht an der Sache erwirbt, und zwar mit Vorrang vor in der Zwischenzeit begründeten Pfändungspfandrechten Dritter.87) Dies gilt auch in der Insolvenz des Nutzungsberechtigten, so dass der Vermieter/Verpächter mit Bedingungseintritt nach Insolvenzeröffnung immer noch ein Pfandrecht und damit ein Absonderungsrecht erwirbt. 5.

Durchgangs- oder Direkterwerb

5.54 a) Grundsatz der Priorität. Grundsätzlich bestimmt der Zeitpunkt der Einbringung gem. §§ 1257, 1209 BGB den Rang des Vermieter-/Verpächterpfand___________ 83) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378; BGH, Urt. v. 3.3.2017 – V ZR 268/15, NJW-RR 2017, 1097. 84) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378. 85) BGH, Urt. v. 31.5.1965 – VIII ZR 302/63, NJW 1965, 1475; BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156. 86) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156; BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378. 87) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.1998 – 11 U 33/98, BeckRS 1998, 30995167.

1058

VI. Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

rechts im Verhältnis zu anderen dinglichen Pfandrechten.88) Die Einbringung steht der Bestellung des vertraglichen Pfandrechts i. S. d. § 1209 BGB gleich. b) Kollision. Sind eingebrachte Sachen des Mieters/Pächters vor der Einbringung 5.55 an Dritte sicherungsübereignet worden, so hat der Mieter/Pächter bei der Einbringung der Sachen in die Räume das Eigentum oder das Anwartschaftsrecht bereits verloren. An diesen Sachen kann an sich kein Pfandrecht mehr entstehen. Mit dem Verbringen einer Sache in den Raum sind zugleich sowohl die Voraussetzungen der antezipierten Übereignung erfüllt als auch die Sache durch den Mieter/Pächter „eingebracht“ i. S. d. § 562 Abs. 1 Satz 1 BGB. Durch das Prioritätsprinzip lässt sich dieser Konflikt nicht lösen, weil beide Rechte im selben Augenblick entstehen. Fraglich ist, ob ein eventueller Durchgangserwerb bei vollständiger Zahlung des Kaufpreises mit der Konsequenz eines Vermieter-/Verpächterpfandrechts vermieden werden kann. Zu denken ist an Lieferantenvereinbarungen und Dreiersicherungsübereignungsverträge.89) c) Meinungsstand. Nach einer M. M. könne bei entsprechender Vertragsgestal- 5.56 tung und Abwicklung das Entstehen eines Anwartschaftsrechts des Käufers vermieden werden (sog. Direkterwerb).90) Dem widerspricht die h. M. Der Veräußerer erwerbe die Sache zunächst (für eine logische Sekunde) als Eigentümer bei ihrer Entstehung oder ihrer Übereignung an einen Dritten. Erst in einem zweiten Schritt übertrage er sie dann auf den Erwerber. Ach die vorweggenommene (antezipierte) Sicherungsübereignung noch nicht ausgelieferter und noch im Eigentumsvorbehalt des Inventarlieferanten stehender Gegenstände werde vom Vorrang des gesetzlichen Pfandrechts erfasst (sog. Durchgangserwerb).91) Der BGH differenziert nicht danach, ob der Sicherungsnehmer das Eigentum aufgrund eines Anwartschaftsrechts vom Vorbehaltsverkäufer direkt oder kraft antezipierter Übereignung sozusagen „durch“ das Vermögen des Sicherungsgebers erwirbt. Das Pfandrecht sichere regelmäßig Forderungen von wesentlich geringerem Volumen als das Sicherungseigentum (§ 562 Abs. 2 BGB). Eine Verteilung des Erlöses pro rata würde zu dessen wirtschaftlicher Aushöhlung führen. Dem Sicherungseigentümer könne eine Vorabbefriedigung des Vermieters/Verpächters vergleichsweise eher zugemutet werden.

___________ 88) BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZR 332/10, NZM 2011, 275 = BeckRS 2011, 05520; BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378. 89) Siehe oben § 50 IV 3 und 4, jeweils m. w. N. 90) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1995 – 17 U 114/94, BeckRS 1995, 31051356. 91) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156; BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 189/03, NJW-RR 2005, 1328; BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378; OLG Köln, Urt. v. 28.6.1995 – 17 U 114/94, BeckRS 1995, 31051356; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.12.1998 – 11 U 33/98, BeckRS 1998, 30995167.

1059

§ 50 Inventarsicherheiten

6.

Pfandrechtsverzichtserklärung

5.57 a) Grundlagen. Eine Inventarsicherheit ist jedenfalls wirtschaftlich wertig, wenn der Vermieter/Verpächter auf dieses Pfandrecht gegenüber dem Getränkelieferanten verzichtet hat92) oder sich ein Verzicht aus dem Miet- oder Pachtvertrag ergibt.93) Dieser Verzicht hat dingliche Wirkung (§§ 562, 1257, 1255 Abs. 1 BGB) und wirkt somit gegenüber jedermann. 5.58 b) Gefahren. Nachteilhaft ist, dass ein im Nutzungsvertrag erklärter Verzicht durch Vertragsänderung zwischen Vermieter/Verpächter und Mieter/Pächter aufgehoben werden kann. Schwierigkeiten können sich auch bei einer Rechtsnachfolge auf Seiten des Vermieters/Verpächters ergeben. Das gesetzliche Pfandrecht des Veräußerers geht nämlich nicht auf den Erwerber über. Der Erwerber ist nicht Rechtsnachfolger des Veräußerers, sondern es findet ein unmittelbarer Rechtserwerb kraft Gesetzes statt. Folge ist, dass neben dem Pfandrecht des Veräußerers, das dessen Forderungen aus dem Nutzungsverhältnis sichert, ein eigenständiges Pfandrecht des Erwerbers entsteht. Beide Pfandrechte stehen gleichrangig nebeneinander.94) Damit kann sich ein Sicherungsnehmer im Rahmen der Sicherungsübereignung von Inventar gegenüber einem Erwerber nicht auf die Pfandrechtsverzichtserklärung des Veräußerers berufen. 7.

Alternativen

5.59 Möchte der Getränkelieferant eine Kollision mit einem Pfandrecht des Vermieters/Verpächters vermeiden und ist ein Verzicht darauf nicht erhältlich, so stehen dem Getränkelieferanten verschiedene Alternativen zur Verfügung. Zu denken ist erstens an einen Leih- und Getränkelieferungsvertrag mit Eigentumsübergang nach Vertragsende bzw. nach Erfüllung der vereinbarten Menge. Zweitens kommt ein (Raten-)Kaufvertrag in Betracht, in dem die Inventargegenstände unter Eigentumsvorbehalt veräußert werden. Teilweise wird drittens auch der Verkauf unter Eigentumsvorbehalt (unter Rechnungsstellung durch den Getränkelieferanten) und Finanzierung des Rechnungsbetrages durch einen Darlehensvertrag praktiziert;95) insofern ist darauf zu achten, dass das vorbehaltene Eigentum nicht durch Erfüllung (§ 362 BGB) untergeht. Soweit eine Mindermeinung viertens eine antezipierte Übertragung des Eigentumsvorbehaltes des Inventarlieferanten (vor Einbringung) mit einer zusätzlichen Erklärung desselben und Abtretung

___________ 92) OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844. 93) LG Verden, Urt. v. 31.7.2001 – 5 O. 372/00. 94) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, BGHZ 117, 200 = NJW 1992, 1156; BGH, Urt. v. 4.12.2003 – XI ZR 222/02, NJW-RR 2004, 772; BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, BGHZ 202, 354 = NJW 2014, 3775 = ZIP 2015, 378. 95) Siehe oben § 39 IV 6 m. w. N.

1060

VI. Gefahr des Bestehens eines gesetzlichen Verpächter-/Vermieterpfandrechts

des Inventarlieferanten an den Getränkelieferanten (sog. Direktübereignung) praktiziert, wurde auf Bedenken bereits hingewiesen.96) 8.

Pfandrechtswidrige Verfügungen

a) Grundsatz. Ist ein Pfandrecht entstanden und verfügt der Getränkelieferant 5.60 nicht über eine Pfandrechtsverzichtserklärung zu seinen Gunsten, so will jede Zustimmung über eine Verfügung über das Sicherungseigentum durch den Sicherungsnehmer, etwa eine Veräußerung an einen Nachfolgebetreiber, sorgfältig geprüft sein. b) Schadensersatz. Dem Inhaber eines vorrangigen Pfandrechts steht gegen den 5.61 Sicherungsnehmer ein deliktischer Schadensersatzanspruch zu, wenn jener dadurch jedenfalls fahrlässig eine Verkehrspflichtverletzung begeht, dass er einer Veräußerung des Sicherungsgutes ohne Prüfung eines möglicherweise bestehenden vorrangigen Pfandrechts zustimmt. Der Schaden i. S. d. §§ 823, 249 BGB liegt in dem Verlust des ungehinderten Zugriffs auf die dem Pfandrecht unterliegenden Gegenstände. Der nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beziffernde Verlust kommt dem Wert der Pfandobjekte gleich, den sie für den Pfandrechtsberechtigten hatten. Insoweit genügt der bei der Veräußerung durch den Mieter/Pächter erzielte Kaufpreis als hinreichende Schätzungsgrundlage, selbst unter Berücksichtigung etwaiger mit einer gesetzlichen Pfandverwertung ggf. verbundener Kosten.97) 9.

Erlöschen

Das Pfandrecht erlischt gemäß § 562a BGB, wenn die Sachen aus den Räumlich- 5.62 keiten in an Dritte vermietete/verpachtete Räumlichkeiten auf demselben Grundstück des Vermieters/Verpächters verbracht werden.98) 10.

Räumung/Rückgabe

Ein ausgeübtes Pfandrecht hindert den Mieter/Pächter an der vollständigen Räu- 5.63 mung und führt dazu, dass solange das Pfandrecht geltend gemacht wird, keine Räumung verlangt werden kann. Dies gilt unabhängig davon, ob das Pfandrecht wirksam entstanden ist oder nicht. Gleichwohl ist der Mieter/Pächter nach Beendigung des Nutzungsvertrages nicht 5.64 von seiner Verpflichtung zur Rückgabe der Sache selbst befreit. Die Geltendmachung des Pfandrechts führt dazu, dass der Vermieter/Verpächter auch keinen Rücknahmewillen hat, weil das Verbleiben der eingebrachten Gegenstände ge___________ 96) Siehe oben § 50 IV 3 b und VI 5 c, jeweils m. w. N. 97) OLG Stuttgart, (Hinweis-)Beschl. v. 17.2.2011 – 13 U 211/10, BeckRS 2011, 14285. 98) OLG Stuttgart, Urt. v. 10.4.2008 – 13 U 139/07, BeckRS 2008, 10979; OLG Bremen, Urt. v. 18.7.2013 – 5 U 7/13, BeckRS 2013, 15707.

1061

§ 50 Inventarsicherheiten

rade nicht gegen seinen Willen erfolgt. Konsequenz ist, dass eine Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB ausscheidet. 11.

Dereliktion

5.65 Sowohl bei der Miete als auch bei der Leihe ist der Mieter bzw. Entleiher verpflichtet, den Gegenstand nach Wegfall seiner Berechtigung geräumt herauszugeben (§§ 546 Abs. 1, 604 Abs. 1 BGB). Daher ist diese nach Wegfall der Berechtigung, die Räume für ihr Sicherungsgut zu nutzen, zu entfernen. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Inanspruchgenommene durch den erklärten Verzicht oder auf andere Weise das Eigentum an den Inventargegenständen verloren hat. Die sich aus der Anmietvereinbarung ergebende Pflicht knüpft nur an die Stellung als Vertragspartnerin an, nicht an die Stellung als Sicherungseigentümer.99) Dies gilt auch für die Störerhaftung nach § 1004 BGB; diese kann nicht durch Dereliktion beendet werden.100) VII. Sicherungsvertrag 1.

Unterscheidung

5.66 Nicht nur bei Inventarsicherheiten in Form der Sicherungsübereignung, sondern auch bei Grundbuchsicherheiten (Sicherungsgrundschuld) und der Sicherungszession von Rechten und Forderungen ist zwischen zwei Rechtsgeschäften zu unterscheiden. Zunächst bedarf es einer schuldrechtlichen Vereinbarung (§ 311 Abs. 1 Fall 1 BGB) zwischen dem Schuldner als Sicherungsgeber und dem Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer. Dieser formlose schuldrechtliche Vertrag wird Sicherungsabrede (Sicherungsvertrag) genannt. In Vollzug dieses Vertrages werden dann die entsprechenden dinglichen Verträge, bei der Sicherungsübereignung nach §§ 929 Satz 1, 930, 868, 688 BGB, geschlossen. 2.

Zweckabrede

5.67 a) Inhalt. Teil der Sicherungsabrede ist zumeist eine Zweckabrede, in der die zu sichernden Forderungen genannt werden. Darin wird genau festgelegt, welche Forderung(en) durch die Bestellung des Sicherungseigentums gesichert werden soll(en). Die Zweckerklärung kann eng sein, weil sie lediglich die Sicherung einer oder mehrerer genau bestimmter Forderungen des Getränkelieferanten gegen den Gastwirt, etwa aus Darlehen, nennt. Bei einer weiten (globalen) Zweckerklärung soll die Sicherheit für sämtliche wirksam begründeten und ggf. unbestimmt viele künftige Forderungen des Getränkelieferanten aus dem Vertragsverhältnis bzw. aus laufender Geschäftsbeziehung zum Kunden dienen. Sie sichert den Ge___________ 99) OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844. 100) BGH, Urt. v. 30.3.2007 – V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844.

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§ 50 Inventarsicherheiten

rade nicht gegen seinen Willen erfolgt. Konsequenz ist, dass eine Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB ausscheidet. 11.

Dereliktion

5.65 Sowohl bei der Miete als auch bei der Leihe ist der Mieter bzw. Entleiher verpflichtet, den Gegenstand nach Wegfall seiner Berechtigung geräumt herauszugeben (§§ 546 Abs. 1, 604 Abs. 1 BGB). Daher ist diese nach Wegfall der Berechtigung, die Räume für ihr Sicherungsgut zu nutzen, zu entfernen. Insofern kommt es nicht darauf an, ob der Inanspruchgenommene durch den erklärten Verzicht oder auf andere Weise das Eigentum an den Inventargegenständen verloren hat. Die sich aus der Anmietvereinbarung ergebende Pflicht knüpft nur an die Stellung als Vertragspartnerin an, nicht an die Stellung als Sicherungseigentümer.99) Dies gilt auch für die Störerhaftung nach § 1004 BGB; diese kann nicht durch Dereliktion beendet werden.100) VII. Sicherungsvertrag 1.

Unterscheidung

5.66 Nicht nur bei Inventarsicherheiten in Form der Sicherungsübereignung, sondern auch bei Grundbuchsicherheiten (Sicherungsgrundschuld) und der Sicherungszession von Rechten und Forderungen ist zwischen zwei Rechtsgeschäften zu unterscheiden. Zunächst bedarf es einer schuldrechtlichen Vereinbarung (§ 311 Abs. 1 Fall 1 BGB) zwischen dem Schuldner als Sicherungsgeber und dem Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer. Dieser formlose schuldrechtliche Vertrag wird Sicherungsabrede (Sicherungsvertrag) genannt. In Vollzug dieses Vertrages werden dann die entsprechenden dinglichen Verträge, bei der Sicherungsübereignung nach §§ 929 Satz 1, 930, 868, 688 BGB, geschlossen. 2.

Zweckabrede

5.67 a) Inhalt. Teil der Sicherungsabrede ist zumeist eine Zweckabrede, in der die zu sichernden Forderungen genannt werden. Darin wird genau festgelegt, welche Forderung(en) durch die Bestellung des Sicherungseigentums gesichert werden soll(en). Die Zweckerklärung kann eng sein, weil sie lediglich die Sicherung einer oder mehrerer genau bestimmter Forderungen des Getränkelieferanten gegen den Gastwirt, etwa aus Darlehen, nennt. Bei einer weiten (globalen) Zweckerklärung soll die Sicherheit für sämtliche wirksam begründeten und ggf. unbestimmt viele künftige Forderungen des Getränkelieferanten aus dem Vertragsverhältnis bzw. aus laufender Geschäftsbeziehung zum Kunden dienen. Sie sichert den Ge___________ 99) OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844. 100) BGH, Urt. v. 30.3.2007 – V ZR 179/06, NJW 2007, 2182; OLG Hamburg, Urt. v. 17.12.2015 – 4 U 131/15, BeckRS 2016, 09844.

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VII. Sicherungsvertrag

tränkelieferanten sowohl hinsichtlich seines finanziellen Engagements als auch hinsichtlich der Ansprüche auf Erfüllung der übernommenen Ausschließlichkeitsbindung und etwaiger Ansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung der Getränkebezugsverpflichtung.101) Es macht Sinn, ausdrücklich zu regeln, dass die Sicherheit erst nach vollständiger Erfüllung der Zahlungsansprüche des Getränkelieferanten an den Sicherungsgeber zurückzuübertragen ist. Der Sicherungsvertrag kann auch Regelungen zu der Frage enthalten, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Sicherungsgeber die geschuldete Sicherheit nicht stellt. AGB-rechtlich unbedenklich ist es, wenn sich der Sicherungsnehmer in seinen Vertragsbedingungen für diesen Fall ein Kündigungsrecht vorbehält. b) Inhaltskontrolle nach AGB-Recht. aa) Allgemein. Unabhängig von den 5.68 gewählten Gestaltungsoptionen102) handelt es sich bei den Regelungen über die Sicherungsübereignung zumeist um vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um AGB. bb) Kontrollfähigkeit. Da Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweck- 5.69 bindung bei der Sicherungsübereignung gesetzlich nicht festgelegt sind, können Zweckabreden dort nicht von gesetzlichen Regelungen abweichen und dürften nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei sein. Jedenfalls fehlt es an einem gesetzlichen Leitbild i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.103) Selbst eine Erweiterung des Sicherungszwecks auf alle Ansprüche aus der Geschäftsbeziehung ist mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbar, weil der Sicherungsgeber auf das Volumen der zu sichernden Forderungen Einfluss nehmen kann und nicht durch sie überrascht wird.104) cc) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Mit § 307 BGB vereinbar ist, dass die Sicherungs- 5.70 übereignung ebenso wie die Sicherungsabtretung nicht auflösend bedingt ausgestaltet ist.105) Klauseln, die den Rückgabeanspruch ausschließen oder erheblich erschweren, sind wegen unangemessener Benachteiligung des Sicherungsnehmers unwirksam.106) Im Übrigen kann die Rechtsprechung des BGH zu Sicherungsklauseln in AGB der Kreditinstitute wegen der besonders gelagerten Interessenkonstellation grundsätzlich nicht im Zusammenhang mit der Sicherheitenbestellung bei Getränkelieferungsverträgen herangezogen werden.107) ___________ 101) OLG Düsseldorf, Urt. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/91; OLG Celle, Urt. v. 2.4.2004 – 21 U 68/03. 102) Siehe oben § 50 IV m. w. N. 103) BGH, Urt. v. 30.1.2001 – XI ZR 118/00, NJW 2001, 1417 = ZIP 2001, 506. 104) BGH, Urt. v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, NJW 1981, 756 = ZIP 1981, 147; BGH, Urt. v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29 = NJW 1987, 2228 = ZIP 1987, 829. 105) BGH, Urt. v. 2.2.1984 – IX ZR 8/83, NJW 1984, 1184 = ZIP 1984, 420. 106) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952. 107) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10.

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§ 50 Inventarsicherheiten

5.71 c) Übersicherung und § 138 Abs. 1 BGB. Eine Sicherungsabrede ist nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Sicherungswert und dem Sicherungsinteresse sowie eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers vorliegen.108) 5.72 aa) Anfängliche Übersicherung. In der Praxis wird gelegentlich, selten aber mit Erfolg, vorgetragen, die Sicherheitenbestellung sei wegen anfänglicher Übersicherung angreifbar. Von einer anfänglichen Übersicherung ist nur auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststeht, dass im noch ungewissen Verwertungsfall zwischen dem realisierbaren Wert (Sicherungswert) und der oder den gesicherten Forderungen ein auffälliges Missverhältnis besteht. Insofern besteht keine gesetzliche Vermutung.109) Dann kann die Sanktion der Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) drohen. Der Sicherungsvertrag und die entsprechende Sicherungsübereignung sind nichtig, wenn das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter mit den guten Sitten unvereinbar ist. Hierfür ist erforderlich, dass im hypothetischen Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert des Sicherungsguts und der gesicherten Forderung bestehen wird. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Schätzwert, ermittelt nach dem Marktpreis, oder, sofern kein Marktpreis vorhanden ist, der Einkaufs- bzw. Herstellungspreis der Sicherheit die zu sichernde Forderung um mehr als 200 % übersteigt. Entscheidend ist der erzielbare Wert nach den ungewissen Marktverhältnissen im Zeitpunkt einer künftigen Insolvenz des Schuldners, der nur anhand der Umstände des Einzelfalls und ggf. durch Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung von Bewertungsrisiken und Bewertungsunschärfen ermittelt werden kann. Hinzutreten muss eine verwerfliche Gesinnung des Sicherungsnehmers.110) Als Fallgruppe ist eine unerträglich rücksichtslose Eigensucht des Sicherungsnehmers zu nennen. Eine Nichtigkeit wegen anfänglicher Übersicherung dürfte hingegen grundsätzlich ausscheiden, wenn ausschließlich ein einziger Gegenstand als Sicherungsmittel zur Verfügung stand, mag auch dessen Wert das Sicherungsinteresse deutlich übersteigen. Die nachträgliche Freigabe von Sicherheiten bewirkt keine „Heilung“ einer wegen anfänglicher Übersicherung sittenwidrigen Sicherheitenbestellung. 5.73 bb) Nachträgliche Übersicherung. Die Wahrnehmung eigener Sicherungsinteressen ist als solche zwar grundsätzlich nicht sittenwidrig, auch dann nicht, wenn sich ein Gläubiger von seinem Schuldner für einen bereits gewährten Kredit nachträglich Sicherheiten bestellen lässt.111) Das auffällige Missverhältnis zwischen der gesicherten Forderung und dem im noch ungewissen Zeitpunkt der Verwertung frei realisierbaren und nach seinen Besonderheiten zu ermittelnden Wert ___________ 108) 109) 110) 111)

BGH, Urt. v. 19.3.2010 – V ZR 52/09, NJW-RR 2010, 1529. Ständige Rechtsprechung, u. a. BGH, Urt. v. 19.3.2010 – V ZR 52/09, NJW-RR 2010, 1529. BGH, Urt. v. 12.3.1998 – IX ZR 74/95, NJW 1998, 2047 = ZIP 1998, 684. Ständige Rechtsprechung, u. a. BGH, Urt. v. 12.4.2016 – XI ZR 305/14, NJW 2016, 2662.

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VII. Sicherungsvertrag

des Sicherungsgutes (Sicherungswert) kann aber auch nachträglich entstehen. Zu denken ist insbesondere bei einer (revolvierenden) Globalsicherung an den Fall, dass sich bei gleich bleibendem Sicherheitenbestand die Forderung mindert und dadurch die Deckungsgrenze überschritten wird. Eher selten ist der Fall einer Erhöhung des Sicherungswertes infolge einer allerdings mit dem Sicherungsnehmer abzustimmenden Veränderung des Sicherungsgutes sein. Bürgschaften sind in der bei der Prüfung, ob eine sittenwidrige anfängliche Übersicherung vorliegt, nicht zu berücksichtigen. Eine eventuelle nachträgliche Übersicherung lässt die Wirksamkeit der Sicherungsabrede als Ganzer sowie der dinglichen Verfügung über das Sicherungsgut unberührt. Weder muss in der Sicherungsabrede eine ausdrückliche Freigaberegelung enthalten sein, noch bedarf es der Aufnahme einer zahlenmäßig bestimmten Deckungsgrenze und einer Bestimmung über die Bewertung der Sicherungsgegenstände. Vielmehr ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag ohne weiteres und damit vertragsimmanent ein ermessensunabhängiger Freigabeanspruch für den Fall, dass der Gesamtwert der Sicherheit die sog. Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt. Dieser Anspruch entsteht, wenn der Sicherungswert die noch gesicherte Forderung (Hauptforderung und Zinsen) zuzüglich 10 % (Deckungsgrenze) übersteigt und in der Klausel hierüber keine konkrete Regelung enthalten ist. Maßgebend ist, ob im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch der geschätzte aktuelle Verkaufswert des Sicherungsguts mit Marktpreis bzw. der Einkaufs-/Herstellungspreis eines Sicherungsguts ohne Marktpreis die noch gesicherte Forderung um 50 % übersteigt. Nach dem Rechtsgedanken des § 237 Satz 1 BGB ist bei der Bewertung des Sicherungsguts ein Abschlag von einem Drittel vorzunehmen. Die Grenze für das Entstehen eines Freigabeanspruchs liegt daher regelmäßig bei 150 % des Schätzwerts des Sicherungsguts.112) Die 150 % enthalten bereits eine Verwertungs-/Rechtsverfolgungskostenpauschale in Höhe eines Zuschlages von 10 % auf die Deckungsgrenze, nicht aber die Belastung mit der Umsatzsteuer. Die Kosten rechtfertigen daher keinen Zuschlag auf die 150 %.113) Dabei handelt es sich um eine Bewertungsvermutung und Orientierungshilfe. Der Sicherungsnehmer nach analog § 1230 Satz 1 BGB ein Wahlrecht nach § 262 BGB, welche Sicherheit er freigibt.114) cc) Darlegung und Beweis. Bei der Bewertung von Gaststätteninventar ist die 5.74 durch die starke Abnutzung eingetretene hohe Wertminderung konkret zu er-

___________ 112) BGH, Beschl. v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212 = NJW 1998, 671 = ZIP 1998, 235. 113) BGH, Urt. v. 15.11.2000 – VIII ZR 322/99, NJW-RR 2001, 987; BGH, Urt. v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331 = ZIP 2001, 1244. 114) BGH, Beschl. v. 27.11.1997 – GSZ 1 und 2/97, BGHZ 137, 212 = NJW 1998, 671 = ZIP 1998, 235.

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§ 50 Inventarsicherheiten

mitteln.115) Beide Parteien können daher jeweils den Nachweis erbringen, dass im konkreten Einzelfall eine höhere (Sicherungsnehmer) oder niedrigere (Sicherungsgeber) Deckungsgrenze angemessen ist. 5.75 d) Allgemeines Verbraucherschutzrecht. Die Sicherungsabrede stellt einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB dar. 3.

Versicherung

5.76 a) Abschluss. Die Werthaltigkeit des Sicherungsgutes ist nur dann annähernd dauerhaft gesichert, wenn die Problematik des Eintritts eines eventuellen Versicherungsfalles miterfasst ist. Geregelt werden sollten daher insbesondere die Versicherungspflicht des Gastwirts dem Grunde nach, die abzusichernden Risiken und der Umfang der Ersatzpflicht (möglichst gleitender Neuwert). Das Sicherungsgut sollte gegen alle Risiken versichert werden, mit denen erfahrungsgemäß zu rechnen ist. Zu nennen sind insbesondere Feuer, Leitungswasserschäden und Einbruch. Jedenfalls sollte sich der Getränkelieferant vom Sicherungsgeber dessen Ansprüche unter Anzeige an die Versicherungsgesellschaft abtreten lassen. 5.77 b) Sicherungsbestätigung. Die Getränkelieferanten sollten durch entsprechende Regelungen gegenüber der Versicherung einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Abgabe einer Sicherungsbestätigung zu denken. Hierdurch hat der Sicherungsgeber nachzuweisen, dass er dem Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer alle gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgetreten hat. Im Fall einer Feuerversicherung wird ein Sicherungsschein ausgestellt. 5.78 c) Laufende Kontrolle. Ist der Sicherungsgeber zur Versicherung der Inventargegenstände verpflichtet, so liegt es im Interesse des Getränkelieferanten, nicht nur den Abschluss, sondern auch die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes im Umfang der abzusichernden Risiken (Feuer, Wasser etc.) sowie der Werte (etwa gleitender Neuwert) zu prüfen. Die Einhaltung der Verpflichtung des Sicherungsgebers zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes durch Zahlung der Versicherungsprämien sollte in regelmäßigen Abständen durch Einsicht der Unterlagen und Vorlage der Prämienquittungen geprüft werden. 5.79 d) Zahlungsverzug. Bei Zahlungsverzug mit Folgeprämien kann die Versicherungsgesellschaft die Leistung verweigern (§ 38 Abs. 2 VVG) und den Vertrag kündigen (§ 38 Abs. 3 VVG). Bei Nichtzahlung der Prämien sind Sachverhalte denkbar, in denen der Getränkelieferant ein Interesse daran haben kann, die fälligen Prämien zu verauslagen, um den Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Daher sollte der Getränkelieferant mit der Versicherungsgesellschaft vereinbaren, Mitteilungen, etwa Durchschriften der qualifizierten Mahnungen, zu erhalten. ___________ 115) BGH, Urt. v. 17.12.1980 – VIII ZR 307/79, NJW 1981, 756 = ZIP 1981, 147; BGH, Urt. v. 8.5.1987 – V ZR 89/86, BGHZ 101, 29 = NJW 1987, 2228 = ZIP 1987, 829.

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VII. Sicherungsvertrag

Dann hat er die Möglichkeit, den drohenden Wegfall des Versicherungsschutzes durch Zahlung der Versicherungsprämie zu verhindern (§ 267 BGB). Naturgemäß steht ihm dann ein Rückgriffsanspruch gegen den Sicherungsgeber zu. 4.

Rückgewähr

Erledigt sich der Sicherungszweck, etwa auch durch Verjährung der gesicherten 5.80 Forderung,116) oder endet der Sicherungsvertrag aus einem sonstigen Grund, kann der Sicherungsgeber grundsätzlich von Rechts wegen die Rückgabe der Sicherheit verlangen.117) 5.

Verwertungsklauseln

a) Inhalt. Die Voraussetzungen sowie die Art und Weise der Verwertung richten 5.81 sich zunächst nach den Vereinbarungen im Sicherungsübereignungsvertrag.118) Häufig fehlen in Sicherungsübereignungsverträgen Bestimmungen über das Verwertungsrecht des Getränkelieferanten. Zu regeln ist die Frage der Verwertungsreife. Diese ist eingetreten, wenn der Gastwirt seine vertraglichen Pflichten verletzt hat, insbesondere in Verzug mit der Rückführung der gesicherten Forderung geraten ist. Um die damit eintretenden Zeitverzögerungen und wirtschaftlichen Nachteile zu vermeiden, empfiehlt es sich, dass Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer (Getränkelieferant) einen freihändigen Verkauf oder eine Selbstübernahme der Pfandsache vereinbaren (§§ 1221, 1245 BGB analog). Andere Verwertungsarten als die Veräußerung, z. B. Nutzungsziehung, Verfall des Sicherungseigentums oder Selbsteintritt des Sicherungsnehmers, werden von der Verwertungsbefugnis ohne besondere Vereinbarung nicht umfasst.119) Daher macht es Sinn, die Zulässigkeit einer Verwertung durch Vermietung des Inventars zu vereinbaren.120) Ggf. ist es sinnvoll, Fragen der Kostentragung zu regeln. b) Rechtlicher Rahmen. Nach h. M. sind die Pfandrechtsregeln damit grundsätz- 5.82 lich nicht anwendbar.121) Die Verwertung sicherungsübereigneter Gegenstände orientiert sich aber an den Vorschriften über den Pfandverkauf. So gelten insbesondere die §§ 1220, 1221, 1243, 1244 BGB entsprechend. Hinzu tritt die Verpflichtung des Sicherungsnehmers zur bestmöglichen Verwertung des Sicherungs___________ 116) BGH, Urt. v. 9.7.2015 – VII ZR 5/15, NJW 2015, 2961. 117) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Düsseldorf, Urt. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/9. 118) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307. 119) BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307. 120) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40. 121) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40.

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§ 50 Inventarsicherheiten

gutes.122) Dies bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Möglichkeit zur Gestaltung abweichender Regelungen in Sicherungsübereignungsverträgen. 5.83 c) Inhaltskontrolle. aa) Voraussetzungen. Verwertungsklauseln dürfen weder das Recht zur Verwertung vor der Fälligkeit der gesicherten Forderung(en) (§ 1228 Abs. 2 BGB analog) und Zahlungsverzug noch unter Verzicht auf eine vorherige Androhung (§ 1234 Abs. 1 BGB analog) vorsehen.123) Die Wirksamkeit der Sicherungsübereignung wird davon aber nicht berührt.124) Dagegen kann die Wartefrist des § 1234 Abs. 2 BGB analog abgekürzt (§ 1245 Abs. 1 BGB), nicht aber ausgeschlossen werden.125) Eine Klausel, die dem Sicherungsnehmer nach Erfüllung seiner Androhungs- und Wartepflichten ein freihändiges Verwertungsrecht einräumt, ist regelmäßig nicht nach § 307 (Abs. 2 Nr. 1) BGB zu beanstanden. 5.84 bb) Verfallklausel und Selbsteintritt. Verfallklauseln sehen vor, dass das Sicherungsgut im Sicherungsfall dem Sicherungsgläubiger endgültig zufallen soll, sei es durch bedingte dingliche Übertragung oder im Wege eines schuldrechtlichen Anspruchs. Hiergegen dürfte nichts einzuwenden sein. Auch ein Selbsteintritt, also die Übernahme des Sicherungsguts durch den Sicherungsnehmer zum Verkehrswert, dürfte möglich sein.126) 5.85 cc) Vermietung Die Vermietung bedarf einer besonderen Vereinbarung.127) Gezogene Nutzungen stehen nämlich auch nach Eintritt der Verwertungsreife wirtschaftlich dem Pfandschuldner zu.128) Nutzungen aus der Pfandsache stehen dem Pfandgläubiger zur Anrechnung auf die gesicherte Forderungen nur dann zu, wenn ein Nutzungspfand vereinbart ist (§§ 1257, 1213 Abs. 1 BGB). Ist dies nicht der Fall, würde jede Vermietung gegen die Verwahrungspflicht nach §§ 1257, 1215 BGB verstoßen. Zieht der Pfandgläubiger gleichwohl ihm nicht zustehende Nutzungen, besorgt er ein Geschäft des Pfandschuldners entweder für diesen (§ 677 BGB) oder als eigenes Geschäft (§ 687 Abs. 2 BGB). In jedem Fall hat er das dadurch Erlangte gemäß §§ 681 Satz 2, 667 BGB an den Pfandschuldner herauszugeben. Der Pfandgläubiger kann das Herauszugebende auch nicht gemäß §§ 1257, 1214 Abs. 2 BGB auf die Forderung anrechnen, weil der Ertrag der Nutzungen ohne eine hierüber getroffene Vereinbarung (§§ 1257, 1213 Abs. 1 ___________ 122) 123) 124) 125)

BGH, Urt. v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, NJW-RR 1997, 749. BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626. BGH, Urt. v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 = NJW 1995, 1085. BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754 = ZIP 1994, 1350; BGH, Urt. v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 = NJW 1995, 1085 = ZIP 1995, 367. 126) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307. 127) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40. 128) BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307.

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VII. Sicherungsvertrag

BGB) weder zur Erhöhung der Sicherheit noch zur Vorabbefriedigung des Pfandgläubigers bestimmt ist.129) d) Rechtsfolgen unwirksamer Verwertungsklauseln. Grundsätzlich führt eine 5.86 unwirksame Verwertungsklausel nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Sicherungsvereinbarung. Insbesondere tritt keine Gesamtnichtigkeit nach § 306 Abs. 3 BGB ein.130) Vielmehr gelten dann die gesetzlichen Verwertungsregeln (entsprechend). e) Kosten. Die Kosten der Verwertung hat der Sicherungsgeber entsprechend 5.87 § 788 ZPO auch formularmäßig jedenfalls dann zu tragen, wenn der Sicherungsübereignungsvertrag durch eine von ihm veranlasste Kündigung beendet worden ist. Hierzu rechnet auch die Umsatzsteuer, die bei Verwertung des Sicherungsguts anfällt. Eine Klausel, die dem Sicherungsgeber die Umsatzsteuer auferlegt, ist nicht nach § 307 BGB zu beanstanden. Der Sicherungsgeber wird dadurch nicht belastet. Denn bei Tragung der Umsatzsteuer durch den Sicherungsgeber kann der Bruttoerlös auf die gesicherte Forderung verrechnet werden und kommt deshalb ebenfalls mittelbar dem Sicherungsgeber zugute.131) Eine Weiterbelastung an den Sicherungsgeber ist allerdings nur möglich, wenn der Bruttoerlös dem Sicherungsgeber gutgebracht wird. Hier zeigt sich die Sinnhaftigkeit abweichender vertraglicher Regelungen. 6.

Pflichten des Sicherungsnehmers

a) Verwertungsbefugnis. Den Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer trifft 5.88 nach Eintritt der Verwertungsreife keine Verwertungspflicht hinsichtlich des Sicherungsgutes, sofern er nicht in Besitz der Sache ist.132) b) Wahl zwischen mehreren Sicherheiten. Wie stets kann der Sicherungsnehmer 5.89 nach eigenem Belieben Befriedigung aus mehreren Sicherheiten, etwa Sicherungsübereignung und Bürgschaft(en), suchen. Auch handelt er nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er zunächst Drittsicherheiten verwertet, obwohl Eigensicherheiten vorhanden sind. Allerdings darf er sich bei der Ausübung seines Wahlrechts nicht von sachfremden Überlegungen leiten lassen.133) c) Bestmögliche Verwertung. Aus der Sicherungsabrede folgt eine allgemeine 5.90 Verpflichtung des Sicherungsnehmers, bei der Verwertung des Sicherungsguts ___________ 129) BGH, Urt. v. 17.9.2014 – XII ZR 140/12, NJW 2014, 3570; BGH, Urt. v. 12.3.2015 – IX ZB 85/13, BeckRS 2015, 08265. 130) BGH, Urt. v. 27.6.1995 – XI ZR 8/94, BGHZ 130, 115 = NJW 1995, 2221 = ZIP 1995, 1167. 131) BGH, Urt. v. 12.5.1980 – VIII ZR 167/79, BGHZ 77, 139 = NJW 1980, 2473 = ZIP 1980, 520. 132) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40; BGH, Urt. v. 11.1.2007 – IX ZR 181/05, NJW-RR 2007, 781. 133) Siehe unten § 52 VIII 2 m. w. N.

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§ 50 Inventarsicherheiten

die berechtigten Belange des Sicherungsgebers zu wahren.134) Insofern kann er ggf. zur Einholung eines Wertgutachtens verpflichtet sein, wenn ihm eigener Sachverstand fehlt. Zur Vermeidung des Verschleuderungseinwandes kann der Sicherungsnehmer aus Gründen unternehmerischer Vorsicht eine Inventarschätzung durch einen Sachverständigen vornehmen lassen. Diese sollte zwischen dem Fortführungszeitwert (Standwert)135) und dem Zerschlagungszeitwert (Einzelveräußerungswert) unterscheiden. 5.91 d) Umfang. Die Befriedigung darf nur im notwendigen Umfang erfolgen.136) 5.92 e) Kosten. Minderungen des Verwertungserlöses durch unangemessen hohe Kosten etwa für Wertgutachten oder Maklerprovisionen sind zu vermeiden.137) 7.

Pflichten des Sicherungsgebers

5.93 a) Erhaltung und Verwahrung. Der Sicherungsgeber ist in der Regel aufgrund des Sicherungsübereignungsvertrages verpflichtet, die Gegenstände ordnungsgemäß zu erhalten und aufzubewahren. Davon ist er auch von einer seitens der Sicherungsnehmerin erfolgten Genehmigung der Nutzung des Inventars durch einen nachfolgenden Betreiber nicht befreit. Für eine Übernahme des Sicherungsübereignungsvertrages zwischen den drei denkbaren Parteien des Vertragsübernahmeverhältnisses wird in der Regel nichts, jedenfalls nichts Substantiiertes, vorgetragen werden (können). 5.94 b) Aufzeigen von Kaufinteressenten. Der Sicherungsgeber ist verpflichtet, ggf. einen Kaufinteressenten aufzuzeigen, der bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen.138) Es stellt daher keine Pflichtverletzung des Getränkelieferanten i. S. d. § 280 BGB dar, wenn der Sicherungsgeber vor dem Verwertungstermin nur allgemein behauptet, mit Kaufinteressenten verhandelt zu haben, die einen die Verbindlichkeiten abdeckenden Kaufpreis zu zahlen bereit seien. Vielmehr ist es Sache des Sicherungsgebers, konkrete Unterlagen vorzulegen und Personen zu benennen. Hieraus muss sich eine ernsthafte Verwertungsalternative ergeben. Kaufangebote Dritter müssen zudem sicher finanziert sein. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein Kaufangebot ohne Finanzierungsbestätigung nicht weiter verfolgt und stattdessen zu einem niedrigeren Kaufpreis veräußert wird. Um dem Vorwurf einer vermeintlichen Pflichtverletzung zu entgehen, sollte der Ge___________ 134) BGH, Urt. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, NJW-RR 1997, 749; BGH, Urt. v. 5.10.1999 – XI ZR 280/98, NJW 2000, 352 = ZIP 2000, 69; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307; BGH, Urt. v. 16.12.2011 – V ZR 52/11, NJW 2012, 686 = ZIP 2012, 696. 135) LG Freiburg, Urt. 30.1.2008 – 8 O. 212/07, BeckRS 2008, 13390. 136) BGH, Urt. v. 14.12.1960 – NJW 1961, 1252. 137) BGH, Urt. v. 24.6.1997 – XI ZR 178/96, NJW 1997, 2672 = ZIP 1997, 1448. 138) LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12.

1070

VIII. Bestellung

tränkelieferant nachweislich dem Sicherungsgeber die Möglichkeit zu einer besseren Verwertung eröffnen. 8.

Darlegung und Beweis

a) Verwertungserlöse. Bestreitet der Sicherungsnehmer, Verwertungserlöse er- 5.95 zielt zu haben, so geht dies zu Lasten des Sicherungsgebers.139) b) Den Sicherungsgeber trifft die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und 5.96 in welchem Umfang ein Schadensersatzanspruch wegen unsachgemäßer Verwertung des Sicherungsgutes entstanden ist. VIII. Bestellung 1.

Regelungsort

Die Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar kann einerseits durch eine 5.97 entsprechende Sicherungsabrede im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag erfolgen. Letzterer ist dann der sog. Hauptvertrag, mit dem die zu sichernde Forderung begründet wird. Der davon getrennte Sicherungsübereignungsvertrag tritt ergänzend hinzu. Ist der Hauptvertrag unwirksam, kann der Sicherungsvertrag dennoch wirksam sein und insbesondere Nebenansprüche absichern. Andererseits kann die Sicherungsübereignung auch vollumfänglich im Darlehensund Getränkelieferungsvertrag mitgeregelt werden. Dies dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein. 2.

Allgemeine Fehlerquellen

Wie stets sind die maßgeblichen Unterlagen, etwa Auftragsbestätigungen oder 5.98 spezifizierte Rechnungen, auf Vollständigkeit und Aktualität hin zu prüfen. Insbesondere bei juristischen Personen wie etwa einer GmbH und eingetragenen Vereinen müssen die Vertretungsverhältnisse festgestellt werden; nur Vertretungsberechtigte sind unterschriftsbefugt. 3.

Konkretisierung

a) Grundlagen. Nach allgemein sachenrechtlichen Grundsätzen (Bestimmtheits- 5.99 grundsatz) ist die Einigung i. S. d. § 929 Satz 1 BGB nur wirksam, wenn sie auf den Übergang des Eigentums an individuell bestimmten Gegenständen gerichtet ist.140) Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt auch für das Besitzmittlungsverhältnis (§§ 930, 868 BGB). b) Sachgesamtheit. aa) Allgemein. Die Sicherungsübereignung von mehreren 5.100 Gegenständen im Sinne einer Sachgesamtheit ist nur wirksam, wenn die zu über___________ 139) LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 140) BGH, Urt. v. 4.10.1993 – II ZR 156/92, NJW 1994, 133 = ZIP 1994, 39.

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VIII. Bestellung

tränkelieferant nachweislich dem Sicherungsgeber die Möglichkeit zu einer besseren Verwertung eröffnen. 8.

Darlegung und Beweis

a) Verwertungserlöse. Bestreitet der Sicherungsnehmer, Verwertungserlöse er- 5.95 zielt zu haben, so geht dies zu Lasten des Sicherungsgebers.139) b) Den Sicherungsgeber trifft die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und 5.96 in welchem Umfang ein Schadensersatzanspruch wegen unsachgemäßer Verwertung des Sicherungsgutes entstanden ist. VIII. Bestellung 1.

Regelungsort

Die Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar kann einerseits durch eine 5.97 entsprechende Sicherungsabrede im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag erfolgen. Letzterer ist dann der sog. Hauptvertrag, mit dem die zu sichernde Forderung begründet wird. Der davon getrennte Sicherungsübereignungsvertrag tritt ergänzend hinzu. Ist der Hauptvertrag unwirksam, kann der Sicherungsvertrag dennoch wirksam sein und insbesondere Nebenansprüche absichern. Andererseits kann die Sicherungsübereignung auch vollumfänglich im Darlehensund Getränkelieferungsvertrag mitgeregelt werden. Dies dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein. 2.

Allgemeine Fehlerquellen

Wie stets sind die maßgeblichen Unterlagen, etwa Auftragsbestätigungen oder 5.98 spezifizierte Rechnungen, auf Vollständigkeit und Aktualität hin zu prüfen. Insbesondere bei juristischen Personen wie etwa einer GmbH und eingetragenen Vereinen müssen die Vertretungsverhältnisse festgestellt werden; nur Vertretungsberechtigte sind unterschriftsbefugt. 3.

Konkretisierung

a) Grundlagen. Nach allgemein sachenrechtlichen Grundsätzen (Bestimmtheits- 5.99 grundsatz) ist die Einigung i. S. d. § 929 Satz 1 BGB nur wirksam, wenn sie auf den Übergang des Eigentums an individuell bestimmten Gegenständen gerichtet ist.140) Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt auch für das Besitzmittlungsverhältnis (§§ 930, 868 BGB). b) Sachgesamtheit. aa) Allgemein. Die Sicherungsübereignung von mehreren 5.100 Gegenständen im Sinne einer Sachgesamtheit ist nur wirksam, wenn die zu über___________ 139) LG Dortmund, Urt. v. 25.9.2015 – 3 O. 327/12. 140) BGH, Urt. v. 4.10.1993 – II ZR 156/92, NJW 1994, 133 = ZIP 1994, 39.

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§ 50 Inventarsicherheiten

eignenden Gegenstände im Zeitpunkt der Einigung (Vertragsschluss) durch einfache äußere Merkmale so bezeichnet sind, dass für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne Weiteres und damit unschwer ersichtlich ist, welche von mehreren gleichartigen Sachen des Sicherungsgebers oder eines Dritten übereignet werden sollen.141) Dabei muss also ein Außenstehender und damit unbeteiligter Dritter in der Lage sein, allein aufgrund der Sicherungsabrede ohne zusätzliche Unterlagen und ohne Hilfe des Veräußerers den Umfang der sicherungsübereigneten Gegenstände eindeutig zu identifizieren. Die übliche Formel „Bloße Bestimmbarkeit genüge nicht.“ dürfte etwas zu kurz greifen. Sie widerspricht den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre. Entscheidend ist vielmehr, ob durch Auslegung unter Heranziehung aller Umstände ermittelt werden kann, auf welche Gegenstände sich die Einigung bezieht.142) 5.101 bb) Inventarverzeichnisse. Keine außervertragliche Erkenntnisquelle ist ein zum Zeitpunkt der Sicherungsübereignung tatsächlich existierendes (Inventar-)Verzeichnis, auf das im Vertrag Bezug genommen wird,143) oder eine Skizze der Räumlichkeiten144). Einer körperlichen Verbindung der Vertragsurkunde bedarf es nicht.145) Gleiches dürfte für spezifizierte Rechnungen gelten.146) 5.102 cc) Teilmengen einer Sachgesamtheit. Soll nur ein Teil einer aus nicht individuell bestimmten Gegenständen zusammengesetzten Sachgesamtheit übereignet werden, so bedarf es zur Bestimmtheit der Sicherungsübereignung einfacher äußerer Abgrenzungskriterien, aufgrund derer die übereigneten Sachen eindeutig feststellbar und von dem durch die dingliche Einigung nicht erfassten Teil abgrenzbar sind.147) 5.103 c) Ausnahmsweise ist der zu übereignende Gegenstand auch ohne spezifische Angaben wie eine Seriennummer dann hinreichend bestimmt, wenn der Sicherungsgeber zum Zeitpunkt der Übereignung nur eine Sache besaß, die der Beschreibung entsprach.148) 5.104 d) Praxishinweis. Die Sicherungsübereignung darf weder blanko – also ohne ausgefülltes Inventarverzeichnis – noch abstrakt – etwa dergestalt, dass sämtliche im Objekt befindlichen Gegenstände übereignet werden sollen – erfolgen. Die Rechtsprechung zum Raumsicherungsvertrag hilft insofern nicht weiter. Soweit ___________ 141) BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307; OLG Düsseldorf, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2012 – 14 U 10/12, NJW-RR 2012, 689. 142) A. A. BGH, Urt. v. 11.5.1995 – IX ZR 170/94, NJW 1995, 2348 = ZIP 1995, 1078. 143) BGH, Urt. v. 17.7.2008 – IX ZR 96/06, NJW 2008, 3142 = ZIP 2008, 1638. 144) LG Bielefeld, Urt. v. 28.2.1014 – 1 O. 71/13, BeckRS 1014, 06693. 145) BGH, Urt. v. 17.7.2008 – IX ZR 96/06, NZI 2008, 558. 146) Sehr streng zum Teil die Rechtsprechung, u. a. OLG Celle, Urt. v. 9.1.1970 – 13 U 169/69, OLGZ 1971, 40. 147) BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 314/98, NJW 2000, 2898 = ZIP 2000, 1895. 148) OLG Saarbrücken, Urt. v. 7.12.2010 – 4 U 602/09, NJW-RR 2011, 638.

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VIII. Bestellung

keine speziellen Inventarverzeichnisse aufgestellt werden, kann zwar auf aussagekräftige (spezifizierte) Belege im Zusammenhang mit der Abwicklung eines vorhergehenden (Kauf-/Übernahme-)Vertrages Bezug genommen werden. Bei der erforderlichen Beifügung der Belegunterlagen ist darauf zu achten, dass diese hinreichend aussagekräftig sind und nicht lediglich Rechnungsbeträge ausweisen. Nach Auftragserteilung erfolgte Änderungen des Orderumfangs (Um- oder Abbestellungen) können der erforderlichen Spezifizierung entgegenstehen, wenn bestimmte Gegenstände tatsächlich gar nicht geliefert worden sind. Ggf. sind Herausgabeklagen wegen nicht hinreichender Bestimmtheit des Klageantrages nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bereits unzulässig.149) e) Beispiele aus der Rechtsprechung. Nicht hinreichend bestimmt ist die Über- 5.105 eignung aufgelisteter (Hausrats-)Gegenstände, soweit diese nicht unpfändbar sind,150) sowie die Übereignung aller Waren, ausgenommen solche, die unter Eigentumsvorbehalt stehen.151) Eine nach Vertragsschluss angefertigte Fotodokumentation152) genügt ebenfalls nicht, unabhängig davon, ob sie die Gegenstände ausreichend erkennen lässt.153) Vergleiche im Übrigen die weitere Rechtsprechung.154) 4.

Bedingung

a) Aufschiebende Bedingung. Es dürfte unternehmerischer Vorsicht entspre- 5.106 chen, dass die Auszahlung des Kreditbetrages im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Stellung der Sicherheit(en) formuliert ist (Liefervorbehalt i. w. S.). Ohne eine solche Vereinbarung ist die Sicherungsübereignung immer unbedingt vereinbart. Eine Verpflichtung zur Valutierung des Darlehens Zug um Zug wäre ebenfalls nicht hinreichend. Die Auszahlung sollte also erst dann erfolgen, wenn sowohl der Sicherungsübereignungsvertrag als auch die ergänzenden Abreden, insbesondere Zubehörhaftungsverzichts- bzw. Pfandrechtsverzichtserklärungen vorliegen.155) b) Auflösende Bedingung. Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart 5.107 wird, erfolgt die dingliche Übereignung unbedingt. Ein schuldrechtlicher Rückgewähranspruch kann sich bei Wegfall des Sicherungszwecks ergeben. Allein aus der Tatsache, dass die Übereignung „zur Sicherung von Forderungen“ oder „zur Sicherung eines Darlehens“ erfolgen soll, folgt nicht, dass die Übereignung ___________ 149) 150) 151) 152)

OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. BGH, Urt. v. 3.12.1997 – IX ZR 228/865, NJW-RR 1998, 565. BGH, Urt. v. 20.3.1986 – IX ZR 88/85, NJW 1986, 1985 = ZIP 1986, 636. Anders dagegen für eine anfängliche Fotodokumentation das OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. 153) OLG Brandenburg, Urt. v. 5.7.2016 – 6 U 161/14, BeckRS 2016, 12667. 154) OLG Köln, Beschl. v. 14.4.2015 – 16 U 170/14. 155) OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.8.2004 – 21 U 19/04.

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§ 50 Inventarsicherheiten

unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) des Erlöschens der Forderung steht.156) Dies müsste vielmehr ausdrücklich vereinbart werden. Dafür spricht insbesondere, dass die auflösende Bedingung dem Sicherungsnehmer die Verwertung erheblich erschwert.157) Gegenüber Dritterwerbern muss er nämlich nachweisen, dass die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist und nicht mehr eintreten kann, will er ihnen keinen gutgläubigen Erwerb nach § 161 Abs. 3 BGB zumuten. 5.

Berechtigung

5.108 Ist das Inventar beim Inventarlieferanten oder einem anderen Vorbehaltseigentümer, etwa auch einem Vorbetreiber, einem Hauseigentümer oder einem anderen Getränkelieferanten, noch nicht vollständig bezahlt worden, so steht es weiterhin in dessen Eigentum, soweit ein Eigentumsvorbehalt vereinbart oder rechtzeitig erklärt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Sachen unter Eigentumsvorbehalt zu einem Gesamtpreis geliefert worden sind.158) Ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, weil der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer im Hinblick auf den nicht gegebenen unmittelbaren Besitz selbst keine Inventarsicherheit erwerben kann (§ 933 BGB).159) In diesem Fall ist die Sicherheit erst dann wirtschaftlich bestellt, wenn der Vorbehaltseigentümer schriftlich gegenüber dem Getränkelieferanten auf seinen Eigentumsvorbehalt verzichtet hat. IX.

Enthaftung

1.

Sicherungsübereignung

5.109 Ist der Sicherungsgeber Eigentümer des Gaststättenzubehörs und befindet sich dieses auf dem Gaststättengrundstück, so kann er das Zubehör zwar analog §§ 929, 930 BGB zur Sicherheit an den Getränkelieferanten übereignen. Dies führt aber noch nicht zum Erlöschen der Zubehörhaftung. Die Sicherungsübereignung stellt als solche keinen Enthaftungstatbestand dar.160) Eine Enthaftung kommt nur unter den Voraussetzungen des § 1121 Abs. 1 BGB zustande. Dazu genügt nicht die Veräußerung des Zubehörs. Vielmehr bedarf es einer dauerhaften Entfernung vom Grundstück.161) Insofern besteht eine Parallele zu § 933 BGB.

___________ 156) 157) 158) 159) 160) 161)

BGH, Urt. v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, NJW 1991, 353 = ZIP 1990, 1541. BGH, Urt. v. 2.2.1984 – IX ZR 8/83, NJW 1984, 1184 = ZIP 1984, 420. Erman-Grunewald, BGB, § 449 Rz. 38. LG Osnabrück, Urt. v. 22.5.2003 – 5 O. 1513/02. BGH, Urt. v. 6.11.1986 – IX ZR 125/85, NJW 1987, 1266. BGH, Urt. v. 17.9.1979 – VIII ZR 339/78, NJW 1979, 2514.

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§ 50 Inventarsicherheiten

unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) des Erlöschens der Forderung steht.156) Dies müsste vielmehr ausdrücklich vereinbart werden. Dafür spricht insbesondere, dass die auflösende Bedingung dem Sicherungsnehmer die Verwertung erheblich erschwert.157) Gegenüber Dritterwerbern muss er nämlich nachweisen, dass die auflösende Bedingung nicht eingetreten ist und nicht mehr eintreten kann, will er ihnen keinen gutgläubigen Erwerb nach § 161 Abs. 3 BGB zumuten. 5.

Berechtigung

5.108 Ist das Inventar beim Inventarlieferanten oder einem anderen Vorbehaltseigentümer, etwa auch einem Vorbetreiber, einem Hauseigentümer oder einem anderen Getränkelieferanten, noch nicht vollständig bezahlt worden, so steht es weiterhin in dessen Eigentum, soweit ein Eigentumsvorbehalt vereinbart oder rechtzeitig erklärt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Sachen unter Eigentumsvorbehalt zu einem Gesamtpreis geliefert worden sind.158) Ein gutgläubiger Erwerb scheidet aus, weil der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer im Hinblick auf den nicht gegebenen unmittelbaren Besitz selbst keine Inventarsicherheit erwerben kann (§ 933 BGB).159) In diesem Fall ist die Sicherheit erst dann wirtschaftlich bestellt, wenn der Vorbehaltseigentümer schriftlich gegenüber dem Getränkelieferanten auf seinen Eigentumsvorbehalt verzichtet hat. IX.

Enthaftung

1.

Sicherungsübereignung

5.109 Ist der Sicherungsgeber Eigentümer des Gaststättenzubehörs und befindet sich dieses auf dem Gaststättengrundstück, so kann er das Zubehör zwar analog §§ 929, 930 BGB zur Sicherheit an den Getränkelieferanten übereignen. Dies führt aber noch nicht zum Erlöschen der Zubehörhaftung. Die Sicherungsübereignung stellt als solche keinen Enthaftungstatbestand dar.160) Eine Enthaftung kommt nur unter den Voraussetzungen des § 1121 Abs. 1 BGB zustande. Dazu genügt nicht die Veräußerung des Zubehörs. Vielmehr bedarf es einer dauerhaften Entfernung vom Grundstück.161) Insofern besteht eine Parallele zu § 933 BGB.

___________ 156) 157) 158) 159) 160) 161)

BGH, Urt. v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, NJW 1991, 353 = ZIP 1990, 1541. BGH, Urt. v. 2.2.1984 – IX ZR 8/83, NJW 1984, 1184 = ZIP 1984, 420. Erman-Grunewald, BGB, § 449 Rz. 38. LG Osnabrück, Urt. v. 22.5.2003 – 5 O. 1513/02. BGH, Urt. v. 6.11.1986 – IX ZR 125/85, NJW 1987, 1266. BGH, Urt. v. 17.9.1979 – VIII ZR 339/78, NJW 1979, 2514.

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IX. Enthaftung

2.

Vorübergehendes Entfernen

Ein zunächst mit einem gesetzlichen Pfandrecht belastet erworbenes Sicherungs- 5.110 eigentum an einem Inventargegenstand kann nicht durch ein anschließendes vorübergehendes Entfernen der Sache vom (Miet-)Grundstück zu einem unbelasteten Sicherungseigentum erstarken.162) 3.

Wegfall der Sicherheit infolge gutgläubigen Erwerbs

a) Ausgangslage. Praktisch bedeutsam sind Sachverhalte, in denen der Gast- 5.111 wirt als Sicherungsgeber das in seinem Besitz befindliche und ihm vermeintlich gehörende Gaststätteninventar an behauptet gutgläubige Dritte, insbesondere Nachfolgebetreiber, veräußert. Hier sollte der Getränkelieferant hellhörig sein und unverzüglich schriftliche Hinweise auf die zivil- und strafrechtlichen Folgen an den Sicherungsgeber und den Dritten senden. Gelegentlich versucht der Sicherungsgeber sich durch den Verkauf ihm nicht gehörender Inventarien und eines vermeintlichen Geschäftswertes, nicht selten auch umsatzsteuerfrei, entsprechende steuerfreie Einkünfte im Übrigen zu erzielen. b) Gefahren. Eine wirksam bestellte Inventarsicherheit steht unter dem Damok- 5.112 lesschwert des Wegfalls wegen gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten (§§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB). Hier zeigt sich das Risiko der Sicherungsübereignung, bei der der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer im Hinblick auf den nicht gegebenen unmittelbaren Besitz selbst keine Inventarsicherheit erwerben kann (§ 933 BGB),163) während der Sicherungsgeber zu Lasten des Sicherungsnehmers an gutgläubige Dritte wirksam verfügen kann. Richtigerweise kann der Sicherungsgeber nicht das Eigentum, sondern allenfalls 5.113 ein Anwartschaftsrecht an der Rückübereignung des Sicherungsgutes übereignen. Aktuell ist er hinsichtlich des Eigentums nicht verfügungsbefugt. Sind die Inventargegenstände als Eigentum des Getränkelieferanten gekennzeichnet, so scheidet ein gutgläubiger Erwerb von vorne herein aus. Gleiches dürfte für Gegenstände gelten, die offenkundig nicht im Eigentum des Veräußerers stehen. c) Guter Glaube. aa) Grundlagen. Gutgläubigkeit des Erwerbers ist Vorausset- 5.114 zung des Rechtserwerbs. Diese wird allerdings gesetzlich vermutet. Maßgebend ist die Kenntnis von der Rechtslage, so dass der Erwerber auch gutgläubig sein kann, wenn er die seinem Erwerb entgegenstehenden Tatsachen kennt, sie aber ohne grobe Fahrlässigkeit infolge eines Rechtsirrtums falsch würdigt.164) Es schadet nicht nur positive Kenntnis, sondern auch grob fahrlässige Unkenntnis (§ 932 Abs. 2 BGB). Der Erwerber lässt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße und damit grob fahrlässig außer Acht, wenn er ___________ 162) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 25.8.2006 – 2 U 247/05, NJW-RR 2007, 230. 163) LG Osnabrück, Urt. v. 22.5.2003 – 5 O. 1513/02. 164) BGH, Urt. v. 21.12.1960 – VIII ZR 145/59, NJW 1971, 777.

1075

§ 50 Inventarsicherheiten

dasjenige unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall sich jedem anderen hätte aufdrängen müssen.165) Davon kann gesprochen werden, wenn für den Erwerber bei nur durchschnittlichen Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besondere Aufmerksamkeit und besonders gründliche Überlegungen aufgrund der Gesamtumstände erkennbar war, dass der Veräußerer nicht Eigentümer war.166) 5.115 bb) Einzelfälle. Ein im Rahmen des Sicherungsübereignungsvertrages begründetes Besitzmittlungsverhältnis reicht nämlich für einen gutgläubigen Erwerb nicht aus.167) Ein Erwerber, der im geschäftlichen Verkehr nicht geringwertige Investitions- oder Konsumgüter von einem anderen als dem Hersteller erwirbt, muss grundsätzlich mit einem Eigentumsvorbehalt rechnen, wenn die Sache noch nicht älter ist als die übliche Finanzierungszeit.168) Hat der Getränkelieferant hochwertiges Inventar unter Eigentumsvorbehalt veräußert, so scheidet folglich ein gutgläubiger Erwerb aus, wenn dieser innerhalb der üblichen Finanzierungsdauer erfolgt. Grobe Fahrlässigkeit ist etwa auch zu bejahen, wenn der Erwerber Anhaltspunkte dafür besitzt, dass der Voreigentumserwerb noch nicht abgeschlossen ist, weil der Vorerwerber nicht in der Lage ist, den Kaufpreis aus eigenen Mitteln vorzufinanzieren. Bei Veräußerungen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs sind erhöhte Anforderungen an den guten Glauben zu stellen. Als weitere Indizien sind zu nennen eine bekannt schlechte Vermögenslage des Veräußerers169), bekannte Unkorrektheit im Geschäftsverkehr etc. Sie geben Anlass, die Eigentumssituation zu hinterfragen. Bestehen entsprechende Anhaltspunkte, begründen diese eine Obliegenheit des Erwerbers, nachzufragen. Unterlässt er entsprechende Nachfragen, so ist der Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb scheidet ebenfalls aus, wenn die Sachen im Besitz des Sicherungsgebers verbleiben (§ 936 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB). Wer in Kenntnis eines bestehenden Mietverhältnisses in den Mieträumen befindliche Gegenstände erwirbt, ohne sich nach einem Pfandrecht zu erkundigen, handelt ebenfalls grob fahrlässig und erwirbt damit nicht gutgläubig das Eigentum (§§ 936 Abs. 2, 932 Abs. 2 BGB).170) 5.116 cc) § 366 HGB. Nach § 366 HGB reicht es aus, wenn der Erwerber davon ausgeht, dass der Veräußerer im Betrieb seines Handelsgewerbes zur Verfügung über die fremde bewegliche Sache befugt sei. Dann müsste der Gegenstand im Betrieb des Handelsgeschäfts des Gastwirts veräußert worden sein. Zwar gilt die gesetzliche Vermutung des § 344 Abs. 1 HGB für den gesamten Geschäftsbetrieb des Handelsgewerbes. Für das Vertrauen des Erwerbers gilt allerdings gemäß § 366 ___________ 165) 166) 167) 168) 169) 170)

BGH, Urt. v. 9.2.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365. Palandt-Herrler, BGB, § 932 Rz. 10. BGH, Urt. v. 20.6.2005 – II ZR 189/03, NJW-RR 2005, 1328. BGH, Urt. v. 9.2.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365. BGH, Urt. v. 9.11.1998 – II ZR 144/97, NJW 1999, 425 = ZIP 1998, 2155. BGH, Beschl. v. 3.2.2011 – IX ZR 132/10, BeckRS 2011, 05520.

1076

XI. Verwertung

Abs. 1 HGB § 932 Abs. 2 BGB entsprechend. Soweit die Veräußerung außerhalb des gewöhnlichen oder ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs des Veräußerers liegt, muss sich der Erwerber nach der Verfügungsbefugnis des Veräußerers erkundigen, weil hier eine geringere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist. Beispielsweise gehört zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Restaurants die Essens- und Getränkeausgabe, nicht aber die Veräußerung eines Gasherdes. Kommt der Erwerber seiner Nachforschungsverpflichtung nicht nach, so wird die Nichtberechtigung des Veräußerers nicht durch § 366 HGB überwunden. X.

Verwaltung

Selbst wenn der Getränkelieferant bei der Bestellung keinen Fehler gemacht hat, 5.117 treffen ihn während der laufenden Vertragsbeziehung zum Sicherungsgeber in seinem eigenen Interesse verschiedene Pflichten (Obliegenheiten). Zu prüfen ist, ob das sicherungsübereignete Inventar noch vorhanden ist. Sollte das Sicherungsgut gegen neue Gegenstände eingetauscht worden sein, so ist der vertraglich vereinbarte Übergang der Ersatzgegenstände in das Sicherungseigentum zu prüfen. Hat das Sicherungsgut an Wert verloren, ist über eine Nachbesicherung zu verhandeln. Änderungen des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages sollten immer auch die Frage eines Änderungsbedarfes der Sicherheitenverträge mit einschließen. Das gilt insbesondere in Übernahme- und Beitrittssituationen. Jedenfalls geht das Sicherungseigentum nicht gleichsam automatisch auf einen neuen Vertragspartner über. XI.

Verwertung

1.

Voraussetzungen

Die Verwertung des Sicherungsgutes hat vier Voraussetzungen. a) Erstens bedarf es der Fälligkeit der zu sichernden Forderung (Verwertungs-/ 5.118 Pfandreife, §§ 1228 Abs. 2 Satz 1, 1234 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB analog). Die gesicherte Forderung muss ganz oder zum Teil (einzelne Raten oder Zinsen) fällig sein. b) Zweitens muss der Sicherungsgeber sich im – zeitlich wie betragsmäßig er- 5.119 heblichen – Zahlungsverzug befinden.171) Dagegen kommt es zunächst nicht auf den Schuldnerverzug des Sicherungsgebers an. Denn nach der Grundregel des § 1234 BGB muss der Verkauf des Pfandes zuvor angedroht werden. Dies bringt notwendigerweise eine Inverzugsetzung des Sicherungsgebers mit sich. Sind Inventargegenstände unter Eigentumsvorbehalt geleistet worden, kann die Verwer___________ 171) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383 = ZIP 1989, 968; BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626; BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754 = ZIP 1994, 1350.

1077

XI. Verwertung

Abs. 1 HGB § 932 Abs. 2 BGB entsprechend. Soweit die Veräußerung außerhalb des gewöhnlichen oder ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs des Veräußerers liegt, muss sich der Erwerber nach der Verfügungsbefugnis des Veräußerers erkundigen, weil hier eine geringere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist. Beispielsweise gehört zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Restaurants die Essens- und Getränkeausgabe, nicht aber die Veräußerung eines Gasherdes. Kommt der Erwerber seiner Nachforschungsverpflichtung nicht nach, so wird die Nichtberechtigung des Veräußerers nicht durch § 366 HGB überwunden. X.

Verwaltung

Selbst wenn der Getränkelieferant bei der Bestellung keinen Fehler gemacht hat, 5.117 treffen ihn während der laufenden Vertragsbeziehung zum Sicherungsgeber in seinem eigenen Interesse verschiedene Pflichten (Obliegenheiten). Zu prüfen ist, ob das sicherungsübereignete Inventar noch vorhanden ist. Sollte das Sicherungsgut gegen neue Gegenstände eingetauscht worden sein, so ist der vertraglich vereinbarte Übergang der Ersatzgegenstände in das Sicherungseigentum zu prüfen. Hat das Sicherungsgut an Wert verloren, ist über eine Nachbesicherung zu verhandeln. Änderungen des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages sollten immer auch die Frage eines Änderungsbedarfes der Sicherheitenverträge mit einschließen. Das gilt insbesondere in Übernahme- und Beitrittssituationen. Jedenfalls geht das Sicherungseigentum nicht gleichsam automatisch auf einen neuen Vertragspartner über. XI.

Verwertung

1.

Voraussetzungen

Die Verwertung des Sicherungsgutes hat vier Voraussetzungen. a) Erstens bedarf es der Fälligkeit der zu sichernden Forderung (Verwertungs-/ 5.118 Pfandreife, §§ 1228 Abs. 2 Satz 1, 1234 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB analog). Die gesicherte Forderung muss ganz oder zum Teil (einzelne Raten oder Zinsen) fällig sein. b) Zweitens muss der Sicherungsgeber sich im – zeitlich wie betragsmäßig er- 5.119 heblichen – Zahlungsverzug befinden.171) Dagegen kommt es zunächst nicht auf den Schuldnerverzug des Sicherungsgebers an. Denn nach der Grundregel des § 1234 BGB muss der Verkauf des Pfandes zuvor angedroht werden. Dies bringt notwendigerweise eine Inverzugsetzung des Sicherungsgebers mit sich. Sind Inventargegenstände unter Eigentumsvorbehalt geleistet worden, kann die Verwer___________ 171) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383 = ZIP 1989, 968; BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626; BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754 = ZIP 1994, 1350.

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XI. Verwertung

Abs. 1 HGB § 932 Abs. 2 BGB entsprechend. Soweit die Veräußerung außerhalb des gewöhnlichen oder ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs des Veräußerers liegt, muss sich der Erwerber nach der Verfügungsbefugnis des Veräußerers erkundigen, weil hier eine geringere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Veräußerer verfügungsbefugt ist. Beispielsweise gehört zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb eines Restaurants die Essens- und Getränkeausgabe, nicht aber die Veräußerung eines Gasherdes. Kommt der Erwerber seiner Nachforschungsverpflichtung nicht nach, so wird die Nichtberechtigung des Veräußerers nicht durch § 366 HGB überwunden. X.

Verwaltung

Selbst wenn der Getränkelieferant bei der Bestellung keinen Fehler gemacht hat, 5.117 treffen ihn während der laufenden Vertragsbeziehung zum Sicherungsgeber in seinem eigenen Interesse verschiedene Pflichten (Obliegenheiten). Zu prüfen ist, ob das sicherungsübereignete Inventar noch vorhanden ist. Sollte das Sicherungsgut gegen neue Gegenstände eingetauscht worden sein, so ist der vertraglich vereinbarte Übergang der Ersatzgegenstände in das Sicherungseigentum zu prüfen. Hat das Sicherungsgut an Wert verloren, ist über eine Nachbesicherung zu verhandeln. Änderungen des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages sollten immer auch die Frage eines Änderungsbedarfes der Sicherheitenverträge mit einschließen. Das gilt insbesondere in Übernahme- und Beitrittssituationen. Jedenfalls geht das Sicherungseigentum nicht gleichsam automatisch auf einen neuen Vertragspartner über. XI.

Verwertung

1.

Voraussetzungen

Die Verwertung des Sicherungsgutes hat vier Voraussetzungen. a) Erstens bedarf es der Fälligkeit der zu sichernden Forderung (Verwertungs-/ 5.118 Pfandreife, §§ 1228 Abs. 2 Satz 1, 1234 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB analog). Die gesicherte Forderung muss ganz oder zum Teil (einzelne Raten oder Zinsen) fällig sein. b) Zweitens muss der Sicherungsgeber sich im – zeitlich wie betragsmäßig er- 5.119 heblichen – Zahlungsverzug befinden.171) Dagegen kommt es zunächst nicht auf den Schuldnerverzug des Sicherungsgebers an. Denn nach der Grundregel des § 1234 BGB muss der Verkauf des Pfandes zuvor angedroht werden. Dies bringt notwendigerweise eine Inverzugsetzung des Sicherungsgebers mit sich. Sind Inventargegenstände unter Eigentumsvorbehalt geleistet worden, kann die Verwer___________ 171) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383 = ZIP 1989, 968; BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626; BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754 = ZIP 1994, 1350.

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§ 50 Inventarsicherheiten

tung auch erst nach Rücktritt durch Rücknahme der Sache bzw. Klage auf Herausgabe erfolgen.172) 5.120 Die Verjährung der gesicherten Forderung lässt gem. § 216 Abs. 2 Satz 1 BGB die Stellung des Sicherungsnehmers unberührt und hindert ihn insbesondere nicht an der Verwertung.173) 5.121 c) Drittens muss bei drohender Wertminderung grundsätzlich die Androhung der Verwertung hinzu kommen, wobei der Geldbetrag anzugeben ist, wegen dessen der Verkauf stattfinden soll (§ 1234 Abs. 1 BGB analog). Der Androhung bedarf es nicht, wenn der Sicherungsgeber durch das Herausgabeverlangen hinreichend gewarnt ist.174) Wird die Verwertungsandrohung versäumt, so besteht grundsätzlich eine Verpflichtung zum Schadensersatz (§ 1243 Abs. 2 BGB analog). Die Verpflichtung entfällt allerdings, wenn auch bei ordnungsgemäßer Verwertung des Sicherungsgutes kein besseres Ergebnis erzielt worden wäre. 5.122 d) Viertens ist eine Wartefrist von grundsätzlich einem Monat (§ 1234 Abs. 2 BGB analog), unter Kaufleuten von einer Woche (§§ 368 Abs. 1, 371 Abs. 2 Satz 2 HGB), einzuhalten. 2.

Arten der Verwertung

5.123 a) Überblick. Die Verwertung des Sicherungsgutes kann durch öffentliche Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB analog), freihändigen Verkauf (§§ 1235 Abs.2, 1221 BGB analog)175) sowie im Wege der Zwangsvollstreckung gem. §§ 808 ff. ZPO erfolgen. Der Getränkelieferant wird dabei den Weg wählen, der den größtmöglichen Erfolg verspricht. 5.124 b) Öffentliche Versteigerung. Grundsätzlich erfolgt die Verwertung von Sicherungseigentum durch Verkauf im Wege öffentlicher Versteigerung (§§ 1233, 1235 Abs. 1 BGB analog). Zeit und Ort der Versteigerung müssen öffentlich bekannt gemacht werden (§ 1237 BGB analog). Diese Verwertungsart ist nicht nur sehr formal ausgestaltet. Sie ist auch mit einem hohen Aufwand verbunden, der selten durch den erzielten Versteigerungserlös gerechtfertigt wird. 5.125 c) Aneignung durch Überlassung an den aktuellen Betreiber. Gelegentlich wird vorgetragen, der Getränkelieferant habe sich ihm sicherungsübereignete Gegenstände dadurch angeeignet und verwertet, dass er diese, ohne ein Entgelt dafür zu fordern, dem aktuellen Betreiber der Gaststätte überlassen und über___________ 172) Siehe oben § 40 VI 1 a und 4, jeweils m. w. N. 173) BGH, Urt. v. 7.12.1977 – VIII ZR 168/76, BGHZ 70, 96 = NJW 1978, 417. Siehe oben §48 X 2 b m. w. N. 174) MünchKommBGB-Oechsler, Anh. §§ 929 – 936 Rz. 50. 175) BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 298/78, NJW 1980, 226 = ZIP 1980, 40; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 156/05, NJW 2007, 216 = ZIP 2006, 2307; LG Potsdam, Urt. v. 21.2.2001 – 12 O. 20/97.

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XI. Verwertung

eignet habe. Damit ein entsprechender Vortrag sowohl rechtserheblich als auch substantiiert ist, müsste unter Beweisantritt vorgetragen werden (können), dass der Getränkelieferant die Räume, in denen sich das Inventar befindet, weitervermietet oder die Gaststätte weiterveräußert habe oder das Inventar veräußert oder verschenkt habe. Anderenfalls muss davon ausgegangen werden, dass der Getränkelieferant das ihm zur Sicherheit übereignete Inventar niemandem überlassen und auch nicht verwertet hat.176) Hierzu ist der Getränkelieferant auch nicht verpflichtet. Allenfalls könnte dem Sicherungsgeber ein Anspruch auf Rückübereignung des Sicherungsgutes für den Fall des endgültigen Wegfalls des Sicherungszwecks zustehen.177) 3.

Herausgabe/Wegnahme/Herausgabe

a) Wegnahme. Der Getränkelieferant ist nicht berechtigt, sich den Besitz der 5.126 sicherungsübereigneten Gegenstände gegen den Willen des Gastwirts als Sicherungsgeber zu verschaffen. Dies wäre verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB). Dagegen stellt die Weigerung der Rückgabe, Herausgabe oder Räumung durch den Gastwirt keine verbotene Eigenmacht dar, wenn der sich Weigernde Besitzer ist. Eine Änderung der Besitzlage oder auch nur Verschlechterung tritt dadurch nämlich nicht ein. b) Herausgabeklage. Daher muss der Getränkelieferant im Falle der Weigerung, 5.127 die Gegenstände herauszugeben, einen Herausgabetitel erwirken, gestützt auf den Sicherungsvertrag oder § 985 BGB die Sache vom Sicherungsgeber herausverlangen. Die Verjährung von Zinsforderungen steht dem Anspruch auf Rückgabe des Sicherungsgutes nicht entgegen (§ 216 Abs. 3 BGB).178) Die Herausgabeklage kann mit einer Zahlungsklage verbunden werden. Dann erfolgt keine Addition der Streitwerte. Maßgeblich ist vielmehr der höhere Streitwert. c) Einstweiliger Rechtsschutz. Bei Gefahr in Verzug kommt einstweiligen 5.128 Rechtsschutz in Form der einstweiligen Verfügung in Betracht. Verfügungsgrund ist der Gefährdungstatbestand des erheblichen Wertverlustes durch Weiterbenutzung oder Weitergabe an Dritte. Vertrieblich nachteilig ist allerdings, dass die Herausgabe stets nur an den Gerichtsvollzieher als Sequester als Verwahrungsperson erfolgt.179) Die Herausgabe an den Gläubiger selbst scheidet wegen der Befriedigungswirkung aus. ___________ 176) KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422. 177) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Düsseldorf, Urt. 23.10.2001 – 4 U 57/01, BeckRS 2001, 30213450 = NJOZ 2003, 2554, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 7.5.2003 – VIII ZR 271/91. 178) BGH, Urt. v. 5.10.1993 – XI ZR 180/92, NJW 1993, 3318 = ZIP 1993, 1703. 179) OLG Celle, Beschl. v. 26.7.2000 – 2 W 58/00, NZM 2001, 194; LG Stralsund, Beschl. v. 14.3.2002 – 7 O. 95/02, WM 2002, 1504.

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§ 50 Inventarsicherheiten

5.129 d) Vollstreckung. Einer Vollstreckung nach § 883 ZPO steht § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht entgegen.180) 5.130 e) Strafrecht. Droht ein Beiseiteschaffen des Sicherungsgutes durch den Sicherungsgeber, so können die Tatbestände der Unterschlagung (§ 246 StGB) und des Bankrotts (Insolvenzstraftat nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) erfüllt sein. XII. Zubehör und Zwangsvollstreckung 1.

Haftungsverband

5.131 Ist der Gastwirt (Sicherungsgeber) zugleich Hauseigentümer, kann das Sicherungseigentum zwar keinem gesetzlichen Vermieter-/Verpächterpfandrecht unterliegen. Dann ist aber die Grundpfandhaftung von Zubehörstücken zu beachten. Das im Eigentum des Grundstückseigentümers stehende Inventar der Gaststätte haftet automatisch für Grundpfandrechte der im Grundbuch in den Abteilungen II und III eingetragenen Grundbuchgläubiger (§§ 1191 Abs. 2, 1120, 93, 94, 95 BGB). 5.132 Das Gesetz ordnet in einer Reihe von Vorschriften an, dass Zubehörstücke im Zweifel das rechtliche Schicksal der Hauptsache teilen. Dies gilt auch für am Zubehör bestehende Anwartschaftsrechte.181) Zu nennen sind insbesondere § 311c BGB (notarielle Beurkundung), § 926 Abs. 1 BGB (Grundstücksveräußerung), § 1120 BGB (Hypothekenhaftungsverband), § 865 Abs. 1 ZPO (Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen) und §§ 20 Abs. 2, 21 Abs. 1, 55 Abs. 2, 90 Abs. 2 ZVG (Beschlagnahme und Versteigerung). Nach § 74a ZVG ist der Wert des mitversteigerten Zubehörs in die Berechnung der 7/10-Grenze einzubeziehen.182) 5.133 Zubehör unterliegt, soweit es bei Grundstücken für die Hypothek haftet, nicht der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (nach den §§ 803 f. ZPO); insbesondere kann es nicht durch den Gerichtsvollzieher gepfändet werden (§ 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO).183) Vielmehr wird es gem. § 865 Abs. 1 ZPO von der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfasst und damit nach § 20 Abs. 2 ZVG auch von der Beschlagnahme des Grundstücks, wenn dessen Zwangsversteigerung angeordnet wird. 5.134 Zubehör haftet, wenn es dem Grundstückseigentümer gehört. Eigenbesitz genügt nicht. Unmaßgeblich ist, ob der Grundstückseigentümer das Eigentum an der Zubehörsache vor oder nach Entstehung des Grundpfandrechts erworben hat. Entscheidend ist nur, dass Zubehöreigenschaft und Grundpfandrecht zu irgendeinem Zeitpunkt zusammentreffen.184) ___________ 180) 181) 182) 183) 184)

BGH, Urt. v. 28.11.1960 – VIII ZR 211/59, WM 1961, 243. BGH, Urt. v. 10.4.1961 – VIII ZR 68/60, BGHZ 35, 85 = NJW 1961, 1349. BGH, Urt. v. 9.1.1992 – IX ZR 165/91, BGHZ 107, 8 = NJW 1992, 1702. LG Traunstein, Beschl. v. 23.9.2008 – 4 T 3274/08, BeckRS 2009, 06905. BGH, Urt. v. 17.9.1979 – VIII ZR 339/78, NJW 1979, 2514.

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§ 50 Inventarsicherheiten

5.129 d) Vollstreckung. Einer Vollstreckung nach § 883 ZPO steht § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht entgegen.180) 5.130 e) Strafrecht. Droht ein Beiseiteschaffen des Sicherungsgutes durch den Sicherungsgeber, so können die Tatbestände der Unterschlagung (§ 246 StGB) und des Bankrotts (Insolvenzstraftat nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) erfüllt sein. XII. Zubehör und Zwangsvollstreckung 1.

Haftungsverband

5.131 Ist der Gastwirt (Sicherungsgeber) zugleich Hauseigentümer, kann das Sicherungseigentum zwar keinem gesetzlichen Vermieter-/Verpächterpfandrecht unterliegen. Dann ist aber die Grundpfandhaftung von Zubehörstücken zu beachten. Das im Eigentum des Grundstückseigentümers stehende Inventar der Gaststätte haftet automatisch für Grundpfandrechte der im Grundbuch in den Abteilungen II und III eingetragenen Grundbuchgläubiger (§§ 1191 Abs. 2, 1120, 93, 94, 95 BGB). 5.132 Das Gesetz ordnet in einer Reihe von Vorschriften an, dass Zubehörstücke im Zweifel das rechtliche Schicksal der Hauptsache teilen. Dies gilt auch für am Zubehör bestehende Anwartschaftsrechte.181) Zu nennen sind insbesondere § 311c BGB (notarielle Beurkundung), § 926 Abs. 1 BGB (Grundstücksveräußerung), § 1120 BGB (Hypothekenhaftungsverband), § 865 Abs. 1 ZPO (Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen) und §§ 20 Abs. 2, 21 Abs. 1, 55 Abs. 2, 90 Abs. 2 ZVG (Beschlagnahme und Versteigerung). Nach § 74a ZVG ist der Wert des mitversteigerten Zubehörs in die Berechnung der 7/10-Grenze einzubeziehen.182) 5.133 Zubehör unterliegt, soweit es bei Grundstücken für die Hypothek haftet, nicht der Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (nach den §§ 803 f. ZPO); insbesondere kann es nicht durch den Gerichtsvollzieher gepfändet werden (§ 865 Abs. 2 Satz 1 ZPO).183) Vielmehr wird es gem. § 865 Abs. 1 ZPO von der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen umfasst und damit nach § 20 Abs. 2 ZVG auch von der Beschlagnahme des Grundstücks, wenn dessen Zwangsversteigerung angeordnet wird. 5.134 Zubehör haftet, wenn es dem Grundstückseigentümer gehört. Eigenbesitz genügt nicht. Unmaßgeblich ist, ob der Grundstückseigentümer das Eigentum an der Zubehörsache vor oder nach Entstehung des Grundpfandrechts erworben hat. Entscheidend ist nur, dass Zubehöreigenschaft und Grundpfandrecht zu irgendeinem Zeitpunkt zusammentreffen.184) ___________ 180) 181) 182) 183) 184)

BGH, Urt. v. 28.11.1960 – VIII ZR 211/59, WM 1961, 243. BGH, Urt. v. 10.4.1961 – VIII ZR 68/60, BGHZ 35, 85 = NJW 1961, 1349. BGH, Urt. v. 9.1.1992 – IX ZR 165/91, BGHZ 107, 8 = NJW 1992, 1702. LG Traunstein, Beschl. v. 23.9.2008 – 4 T 3274/08, BeckRS 2009, 06905. BGH, Urt. v. 17.9.1979 – VIII ZR 339/78, NJW 1979, 2514.

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XII. Zubehör und Zwangsvollstreckung

2.

Enthaftung

Da die Sicherungsübereignung von Zubehör nicht zum Erlöschen der Zube- 5.135 hörhaftung führt,185) verbleibt das Zubehör für den Verwertungsfall im Haftungsverband des Grundstücks, soweit nicht eine Enthaftung nach §§ 1121, 1122 Abs. 2, 936 BGB eingetreten ist. 3.

Gefahren

a) Zwangsversteigerung. In der Zwangsversteigerung des Grundstücks erwirbt 5.136 der Ersteher aufgrund öffentlich-rechtlichen Übertragungsaktes mit Verkündung des Zuschlagsbeschlusses (§ 87 Abs. 1 ZVG) Eigentum am versteigerten Grundstück (§ 90 Abs. 1 ZVG).186) Durch den Zuschlag ändert sich die dingliche Zuordnung unmittelbar und ohne Rücksicht auf die bisherige Eigentumslage und den guten Glauben des Erstehers. Die Eintragung des Erstehers im Grundbuch (§ 130 Abs. 1 ZVG) stellt deshalb lediglich eine Grundbuchberichtigung dar. Dieser Eigentumserwerb umfasst über das Grundstück hinaus sämtliche Ge- 5.137 genstände, auf die sich die Versteigerung erstreckt hat (§ 90 Abs. 2 ZVG). Dies sind alle Gegenstände, deren Beschlagnahme noch wirksam ist (§§ 55 Abs. 1, 20, 21 ZVG) und folglich auch die abstrakt im Hypothekenhaftungsverband stehenden Gegenstände des Vollstreckungsschuldners (§ 20 Abs. 2 ZVG i. V. m. §§ 1120 f. BGB) einschließlich vollstreckungsschuldnerfremder Grundstückszubehörstücke (§ 55 Abs. 2 Halbs. 1 ZVG i. V. m. §§ 97, 98 BGB). Auf Zubehörstücke, die sich im auch mittelbaren Besitz des Schuldners oder eines neu eingetretenen Eigentümers befinden, erstreckt sich die Zwangsversteigerung gem. § 55 Abs. 2 Halbs. 1 ZVG damit auch dann, wenn sie einem Dritten gehören.187) b) Zwangsverwaltung. Entsprechendes gilt, wenn die Zwangsverwaltung eines 5.138 Grundstücks angeordnet wird (§§ 146 Abs. 1, 148 Abs. 1 ZVG). Allerdings gilt die Erweiterung des § 55 Abs. 2 ZVG auf Zubehör, das im Eigentum eines Dritten steht, mangels einer Versteigerung nicht. Die Zwangsverwaltung erstreckt sich nur auf solche Zubehörstücke, die in den Haftungsverband gefallen sind. 4.

Freigabe

a) Eine Freigabe wird dem Getränkelieferanten gelingen, wenn er dem Gericht 5.139 eine Zubehörhaftungsverzichtserklärung vor dem Zwangsversteigerungstermin vorlegen kann (§ 37 Nr. 5 ZVG) ausdrücklich geltend gemacht hat.188) Derartige Erklärungen wirken aber nur schuldrechtlich und nur zwischen den Parteien. Dann hat der Getränkelieferant die Chance eines uneingeschränkten Verwer___________ 185) 186) 187) 188)

Siehe oben § 50 IX 1 m. w. N. BGH, Urt. v. 4.7.1990 – IV ZR 174/89, BGHZ 112, 59 = NJW 1990, 2744. Stöber, ZCG, § 20 Rz. 3.3. OLG Rostock, Beschl. v. 12.12.2011 – 3 W 193/11, NJW-RR 2012, 222.

1081

§ 51 Grundschuld

tungsrechts an dem Inventar. Gibt der betreibende Drittgläubiger den Gegenstand nicht frei, so muss der Getränkelieferant als Eigentümer des Zubehörs gem. §§ 769, 771, 775, 776 ZPO vorgehen. Jedenfalls genügt die bloße Anmeldung des Berechtigten nicht. Vielmehr muss das Vollstreckungsverfahren insoweit ausdrücklich eingestellt oder aufgehoben werden. 5.140 b) Da die zugrunde liegende Regelung insbesondere des § 1120 BGB zwingendes Recht ist, bleiben demgegenüber nachträgliche Verzichtserklärungen eines Grundpfandrechtsgläubigers ohne dingliche Wirkung. Entsprechende Freigabeerklärungen haben lediglich schuldrechtliche Bedeutung. Nach der Erteilung des Zuschlags ist eine Freigabe nicht mehr möglich. Der Eigentümer muss dann seine Rechte im Verteilungsverfahren geltend machen (§ 92 ZVG). § 51 Grundschuld I.

Grundlagen

1.

Zweck

5.141 Bei der Grundschuld wird dem Getränkelieferanten zur Absicherung seiner Ansprüche ein (dingliches) Pfandrecht (Grundschuld = Grundpfandrecht) an einem bebauten oder unbebauten Grundstück in Form einer Fremdgrundschuld bestellt. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks muss nicht identisch mit dem Vertragspartner des Getränkelieferanten sein (Drittsicherheit), wirtschaftlich sollte er es auch nicht sein. Die Grundschuld gewährt das Recht, eine Forderung, in der Regel eine bestimmte Geldsumme mit Zinsen und anderen Nebenleistungen (§ 1191 Abs. 1 und 2 BGB), oder einen sonstigen Anspruch (§ 1192 Abs. 1a BGB) aus dem Grundstück zu verlangen. Im Gegensatz zu Hypothek und Pfandrecht setzt die Grundschuld aber keine Gläubigerforderung voraus (fehlende Akzessorietät, § 1192 Abs. 1 BGB). In der Praxis überwiegt jedoch die Sicherungsgrundschuld, wobei die Verbindung mit der gesicherten Forderung nur schuldrechtlicher Natur ist. 2.

Grundbucheinsicht

5.142 Eine Grundschuld stellt nur dann ein taugliches Kreditsicherungsmittel dar, wenn sie mit einem guten Rang ausgestattet ist, die Vorbelastungen und Verfügungsbeschränkungen in Abteilung III und II bekannt und bewertet sind sowie die Beleihungsgrenze vorab ermittelt, jedenfalls eingeschätzt worden ist. Bei Wohnungseigentum macht es Sinn, Einblick in die Teilungserklärung zu nehmen, bei einem Erbbaurechtsgrundstück in den Erbbaurechtsvertrag. Ziel ist es, etwaige Zustimmungsvorbehalte zu ermitteln. Ggf. kann die Grundbucheinsicht auch Anhaltspunkte für einen Freigabeanspruch wegen nachträglicher Übersicherung ergeben.189) ___________ 189) BGH, Urt. v. 20.10.1980 – II ZR 190/79, NJW 1981, 571 = ZIP 1980, 1076.

1082

§ 51 Grundschuld

tungsrechts an dem Inventar. Gibt der betreibende Drittgläubiger den Gegenstand nicht frei, so muss der Getränkelieferant als Eigentümer des Zubehörs gem. §§ 769, 771, 775, 776 ZPO vorgehen. Jedenfalls genügt die bloße Anmeldung des Berechtigten nicht. Vielmehr muss das Vollstreckungsverfahren insoweit ausdrücklich eingestellt oder aufgehoben werden. 5.140 b) Da die zugrunde liegende Regelung insbesondere des § 1120 BGB zwingendes Recht ist, bleiben demgegenüber nachträgliche Verzichtserklärungen eines Grundpfandrechtsgläubigers ohne dingliche Wirkung. Entsprechende Freigabeerklärungen haben lediglich schuldrechtliche Bedeutung. Nach der Erteilung des Zuschlags ist eine Freigabe nicht mehr möglich. Der Eigentümer muss dann seine Rechte im Verteilungsverfahren geltend machen (§ 92 ZVG). § 51 Grundschuld I.

Grundlagen

1.

Zweck

5.141 Bei der Grundschuld wird dem Getränkelieferanten zur Absicherung seiner Ansprüche ein (dingliches) Pfandrecht (Grundschuld = Grundpfandrecht) an einem bebauten oder unbebauten Grundstück in Form einer Fremdgrundschuld bestellt. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks muss nicht identisch mit dem Vertragspartner des Getränkelieferanten sein (Drittsicherheit), wirtschaftlich sollte er es auch nicht sein. Die Grundschuld gewährt das Recht, eine Forderung, in der Regel eine bestimmte Geldsumme mit Zinsen und anderen Nebenleistungen (§ 1191 Abs. 1 und 2 BGB), oder einen sonstigen Anspruch (§ 1192 Abs. 1a BGB) aus dem Grundstück zu verlangen. Im Gegensatz zu Hypothek und Pfandrecht setzt die Grundschuld aber keine Gläubigerforderung voraus (fehlende Akzessorietät, § 1192 Abs. 1 BGB). In der Praxis überwiegt jedoch die Sicherungsgrundschuld, wobei die Verbindung mit der gesicherten Forderung nur schuldrechtlicher Natur ist. 2.

Grundbucheinsicht

5.142 Eine Grundschuld stellt nur dann ein taugliches Kreditsicherungsmittel dar, wenn sie mit einem guten Rang ausgestattet ist, die Vorbelastungen und Verfügungsbeschränkungen in Abteilung III und II bekannt und bewertet sind sowie die Beleihungsgrenze vorab ermittelt, jedenfalls eingeschätzt worden ist. Bei Wohnungseigentum macht es Sinn, Einblick in die Teilungserklärung zu nehmen, bei einem Erbbaurechtsgrundstück in den Erbbaurechtsvertrag. Ziel ist es, etwaige Zustimmungsvorbehalte zu ermitteln. Ggf. kann die Grundbucheinsicht auch Anhaltspunkte für einen Freigabeanspruch wegen nachträglicher Übersicherung ergeben.189) ___________ 189) BGH, Urt. v. 20.10.1980 – II ZR 190/79, NJW 1981, 571 = ZIP 1980, 1076.

1082

I. Grundlagen

3.

Werthaltigkeit

Es entspricht einer gelegentlichen Fehleinschätzung, dass Grundschuldeintra- 5.143 gungen bereits an sich werthaltig seien. Dem ist nicht so. Der zu vereinbarende Grundschuldbetrag bemisst sich nach der Werthaltigkeit des Grundstücks. Kreditinstitute ermitteln mit Hilfe von Sachverständigen den Beleihungswert190) der Immobilie unter Berücksichtigung der Gebäude- und Nutzungsart nach der Sachwert- oder der Ertragswertmethode. Dabei werden auch die Voreintragungen nicht nur in Abteilung III, sondern auch in Abteilung II berücksichtigt. Zur Einschätzung der Wertigkeit einer angebotenen Eintragung in Abteilung III 5.144 des Grundbuchs bedarf es der Verkehrswertermittlung/-schätzung. Üblicherweise wird mit einer Beleihungsgrenze von 60 % des Verkehrswertes (§§ 237 Satz 1, 234 Abs. 3 BGB) gearbeitet. Um die tatsächlich zur Verfügung stehende „freie Spitze“ zu ermitteln, sind von der Beleihungsgrenze noch die vorrangigen Belastungen abzuziehen. In die Vorprüfung einzustellen sind nicht nur die bereits abgesicherten Forderungen, die im Zweifel durch Neu-/Nachvalutierung noch voll in Ansatz zu bringen sind, sondern auch die rückständigen Zinsen von nicht selten bis zu 18 % für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Nicht zu vernachlässigen sind die dinglichen Lasten in Abteilung II, insbesondere Dienstbarkeiten, Reallasten, Nießbrauche und dingliche Vorkaufsrechte. Hinzu kommen Risiken aus öffentlichen Lasten wie Baulasten, Umweltlasten, Anlieger- und Erschließungsbeiträgen sowie aus dem Baurecht insgesamt. 4.

Einmalvalutierungserklärung

Wird die Beleihungsgrenze nicht erreicht und kommt die Immobilie daher grund- 5.145 sätzlich als Sicherheit in Betracht, so sollte sich der Getränkelieferant von den vorrangigen Grundpfandgläubigern eine schuldrechtliche Erklärung (sog. Einmalvalutierungserklärung) geben lassen. Darin verpflichten sich diese, nach Erledigung der gesicherten Forderungen keine neuen Forderungen mehr in die Haftung dieser Grundschuld einzubeziehen. Die Vorlage einer entsprechenden Erklärung sollte zur Bedingung für die Finanzierung gemacht werden. Nur so kann verhindert werden, dass eine vorrangige Grundschuld trotz Tilgungen des zugrunde liegenden Darlehens wegen Erstreckung auf andere Forderungen unverändert bleibt. Regelungsort sind die schuldrechtlichen Abreden zwischen den Parteien.

___________ 190) Im Realkreditgeschäft der Banken werden die Sicherheiten der Höhe nach durch Beleihungsgrundsätze festgelegt. Für Bausparkassen gibt es landesrechtlich aufgrund spezieller Ermächtigungen der Bausparkassen Aufsichtsbehörden, die „Beleihungsgrundsätze für Sparkassen“. Bei Hypothekenbanken finden sich Beleihungsrichtlinien in den §§ 12 ff. HypothekenbankG. § 7 BausparkassenG definiert die Beleihungsgrenze bei bis zu 60 % des Wertes des beliehenen Grundstücks.

1083

§ 51 Grundschuld

5.

Rang

5.146 Im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag, ggf. auch in einer ergänzenden Sicherungsabrede, ist nicht nur die Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld als solcher zu regeln, sondern auch sämtliche insofern relevanten weiteren Fragen zu klären. Dazu rechnet insbesondere die Rangstelle der Eintragung. Die häufig verwendete Formulierung „an rangbereiter Stelle“ ist nicht geeignet, weil sie bei Eintragung nicht mitbedachter weiterer Grundpfandrechte dem Sicherungsgeber nicht als vertragswidriges Verhalten entgegengehalten werden kann. Auch sind die Vorbelastungen in den Abteilung II und III abschließend aufzuzählen. Eine Auszahlung der Darlehensvaluta kann erst erfolgen, wenn sämtliche Eintragungsvoraussetzungen nachweislich erfüllt sind. 6.

Unbedenklichkeitsbescheinigung

5.147 Bei finanzierten Grundstückserwerben mit Grundschuldbestellung sollte das Thema „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ nicht außer Acht gelassen werden. Der Erwerber eines Grundstücks darf nämlich nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, dass der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Die Vorlage einer beglaubigten Kopie ist ausreichend. Dies gilt erst recht, wenn der Notar bescheinigt, dass ihm das Original vorgelegen hat. II.

Sicherungsabrede

1.

Einführung

5.148 § 1192 Abs. 1a Satz 1 Halbs. 1 BGB definiert die Sicherungsgrundschuld. 2.

Inhalt

5.149 In der Sicherungsabrede sollten das „ob“ und das „wie“ der Grundschuldabsicherung einschließlich der Verwertungsfragen geregelt werden.191) Neben den bereits angesprochenen Frage der (Aus-)Zahlungsvoraussetzungen (Vorlage von Einmalvalutierungserklärungen, Eintragung im „besten“ Rang)192) macht es Sinn, den Sicherungszweck umfassend, insbesondere auch unter Einschluss etwaiger bereicherungsrechtlicher Rückgewährsansprüche, zu formulieren. 3.

Wirksamkeit

5.150 a) Inhaltskontrolle. aa) § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vorformulierte Sicherungsklauseln können auch dann, wenn sie wie bei der Bestellung von Grundpfand___________ 191) Siehe oben § 50 VII 2 a m. w. N. 192) Siehe oben § 51 I 5 m. w. N.

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§ 51 Grundschuld

5.

Rang

5.146 Im Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag, ggf. auch in einer ergänzenden Sicherungsabrede, ist nicht nur die Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld als solcher zu regeln, sondern auch sämtliche insofern relevanten weiteren Fragen zu klären. Dazu rechnet insbesondere die Rangstelle der Eintragung. Die häufig verwendete Formulierung „an rangbereiter Stelle“ ist nicht geeignet, weil sie bei Eintragung nicht mitbedachter weiterer Grundpfandrechte dem Sicherungsgeber nicht als vertragswidriges Verhalten entgegengehalten werden kann. Auch sind die Vorbelastungen in den Abteilung II und III abschließend aufzuzählen. Eine Auszahlung der Darlehensvaluta kann erst erfolgen, wenn sämtliche Eintragungsvoraussetzungen nachweislich erfüllt sind. 6.

Unbedenklichkeitsbescheinigung

5.147 Bei finanzierten Grundstückserwerben mit Grundschuldbestellung sollte das Thema „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ nicht außer Acht gelassen werden. Der Erwerber eines Grundstücks darf nämlich nach § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO erst dann in das Grundbuch eingetragen werden, wenn eine Bescheinigung des zuständigen Finanzamts vorgelegt wird, dass der Eintragung steuerliche Bedenken nicht entgegenstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG). Die Vorlage einer beglaubigten Kopie ist ausreichend. Dies gilt erst recht, wenn der Notar bescheinigt, dass ihm das Original vorgelegen hat. II.

Sicherungsabrede

1.

Einführung

5.148 § 1192 Abs. 1a Satz 1 Halbs. 1 BGB definiert die Sicherungsgrundschuld. 2.

Inhalt

5.149 In der Sicherungsabrede sollten das „ob“ und das „wie“ der Grundschuldabsicherung einschließlich der Verwertungsfragen geregelt werden.191) Neben den bereits angesprochenen Frage der (Aus-)Zahlungsvoraussetzungen (Vorlage von Einmalvalutierungserklärungen, Eintragung im „besten“ Rang)192) macht es Sinn, den Sicherungszweck umfassend, insbesondere auch unter Einschluss etwaiger bereicherungsrechtlicher Rückgewährsansprüche, zu formulieren. 3.

Wirksamkeit

5.150 a) Inhaltskontrolle. aa) § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Vorformulierte Sicherungsklauseln können auch dann, wenn sie wie bei der Bestellung von Grundpfand___________ 191) Siehe oben § 50 VII 2 a m. w. N. 192) Siehe oben § 51 I 5 m. w. N.

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II. Sicherungsabrede

rechten notariell beurkundet werden, als i. S. v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Verwender gestellt anzusehen sein.193) bb) Einbeziehung. Überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB ist eine ver- 5.151 tragliche Regelung, wenn und soweit sie von den begründeten Erwartungen des Vertragspartners deutlich zu seinem Nachteil abweicht, so dass dieser mit ihr nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Im Fall einer Sicherungsgrundschuld werden die Erwartungen des Sicherungsgebers wesentlich durch den Anlass der Sicherheitenbestellung geprägt. Treffen der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer in zeitlichem Abstand zur Grundschuldbestellung eine oder mehrere neue Sicherungsabreden, ist maßgeblich auf den Anlass der letzten – jüngsten – Abrede abzustellen (Anlassrechtsprechung).194) Der Umstand, dass eine Sicherheit für bestehende oder zukünftige Forderungen, insbesondere aus Darlehen, verlangt wird, ist als solcher grundsätzlich nicht überraschend. Die formularmäßige Erweiterung des Sicherungszwecks einer zwei Jahre zuvor zur Sicherung einer bestimmten Drittverbindlichkeit bestellten Grundschuld auf bestehende und künftige Verbindlichkeiten mehrerer Dritter ist ebenfalls nicht schon deshalb überraschend, weil sie nicht durch eine konkrete Darlehensgewährung veranlasst ist.195) cc) Kontrollfähigkeit. Wird die zu stellende Sicherheit nur allgemein bezeich- 5.152 net wird und liegt ein gesondert geschlossener Sicherungsvertrag vor, so handelt es sich um eine Leistungsbeschreibung, die nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der Angemessenheitskontrolle unterliegt.196) Dann beschränkt sich die Angemessenheitsprüfung auf die sonstigen Umstände, etwa die Verwertung oder die Freigabe der Sicherheit. Im Übrigen sind bei der Grundschuld Inhalt und Umfang der schuldrechtlichen Zweckbindung gesetzlich nicht festgelegt i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, so dass auch aus diesem Grund eine Angemessenheitsprüfung ausscheidet.197) b) § 138 Abs. 1 BGB. Für die Ermittlung des auffälligen Missverhältnisses ist ent- 5.153 scheidend, welcher Erlös bei Vertragsschluss aus einer Verwertung des Grundpfandrechts unter Berücksichtigung des Wertes des belasteten Grundstücks und des Rangs des Rechts im späteren noch ungewissen Verwertungsfall zu erwarten ist und wie sicher dies bei Vertragsschluss zu bewerten ist. Die verwerfliche Gesinnung kann nicht vermutet werden, sondern muss anhand der Umstände des Einzelfalls dargelegt werden.198) ___________ 193) BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12; BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288. 194) BGH, Urt. v. 30.1.2001 – XI ZR 118/00, NJW 2001, 1417 = ZIP 2001, 506. 195) BGH, Urt. v. 24.1.2016 – XI ZR 1278/14, NJW-RR 2017, 334 = ZIP 2017, 12. 196) BGH, Urt. v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, NJW 2002, 2710. 197) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386. 198) BGH, Urt. v. 19.3.2010 – V ZR 52/09, NJW-RR 2010, 1529.

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§ 51 Grundschuld

4.

Persönliche Haftung

5.154 a) Inhalt. Sind Grundstückseigentümer und Schuldner identisch, so enthält die Sicherungsabrede zu Gunsten des Getränkelieferanten in der Regel zusätzlich die Erklärung, wonach der Sicherungsgeber dem Getränkelieferanten einen dem jeweiligen Grundschuldkapital nebst Zinsen entsprechenden Betrag persönlich schuldet oder dass er die persönliche Haftung für den Betrag der Grundschuld nebst Zinsen erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) übernimmt (selbstständiges, nicht akzessorisches abstraktes Schuldversprechen bzw. Schuldanerkenntnis i. S. d. §§ 780, 781 BGB).199) 5.155 b) Sinnhaftigkeit. Die Übernahme der persönlichen Haftung für den Grundschuldbetrag bzw. für den Geldbetrag in Höhe der Grundschuld (in der Regel mit Nebenleistungen) dient der erleichterten Rechtsdurchsetzung. Praktisch wird das persönliche Sicherungsversprechen, wenn der Gläubiger in der Zwangsversteigerung einen Ausfall mit der Grundschuld erfährt. Dann kann er aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis/-versprechen gleichsam als ergänzende Sicherheit gegen den Grundstückseigentümer vorgehen und in sein sonstiges Vermögen vollstrecken. Auch hierüber wird eine vollstreckbare Urkunde und damit ein Titel i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ausgefertigt. Ein Grundstückserwerber erwirbt diesen Anspruch nur bei Mitübertragung.200) Das abstrakte Schuldversprechen ist in seinem Bestand nicht von dem Bestand der Grundschuld abhängig, so dass es beispielsweise auch bestehen bleibt, wenn die Grundschuld in der Zwangsversteigerung erloschen ist. Im Ergebnis wird der Getränkelieferant für seine Zahlungsansprüche über die mit einer weiten Sicherungsabrede bestellte Grundschuld und die persönliche Haftungsübernahme als selbstständigem Schuldtitel nebst Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, einen jederzeit vollstreckbaren Titel in das Grundstück und das persönliche Vermögen des Schuldners, gesichert. 5.156 c) Zeitpunkt. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist – im Hinblick auf eine künftige Abtretung des Rechts – auch schon bei dessen Eintragung möglich. Sie kann auch in der Form geschehen, dass der Eigentümer einem künftigen Gläubiger ein Schuldversprechen i. S. v. § 780 BGB anbietet und sich wegen dieser künftigen persönlichen Forderung (und zugleich der Grundschuld) der Zwangsvollstreckung unterwirft.201) 5.157 d) Inhaltskontrolle. aa) § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei der AGB-Kontrolle wird man zwischen der notariellen Unterwerfungserklärung und einer möglichen vorherigen Verpflichtung zu deren Abgabe unterscheiden müsse. Eine etwaige ___________ 199) BGH, Urt. v. 22.10.2003 – IV ZR 398/02, NJW 2004, 59 = ZIP 2003, 2346. 200) BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386. 201) BGH, Urt. v. 21.1.1976 – VIII ZR 148/74, NJW 1976, 567; BGH, Urt. v. 22.6.1999 – XI ZR 256/98, BeckRS 1999, 30063863 = ZIP 1999, 1591; BGH, Urt. v. 21.6.2005 – XI ZR 88/04, NJW 2005, 2985 = ZIP 2005, 1357; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241.

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II. Sicherungsabrede

Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Abgabe führt nicht zu einer Unwirksamkeit der hiervon zu trennenden notariellen Unterwerfungserklärung. Bei Letzterer dürfte eine Klauselkontrolle zweifellos möglich sein. Trotz Aufnahme in eine notarielle Urkunde kann es sich ggf. um eine vorformulierte Klausel im Sinne des AGB-Rechts handeln.202) bb) Einbeziehung. Unterwerfungsklauseln sind üblich und damit grundsätzlich nicht überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB.203) cc) Kontrollfähigkeit. Eine AGB-Kontrolle erfolgt nur dann, wenn es sich um eine Nebenabrede zu dem abzusichernden Hauptgeschäft handelt. Ist die Zwangsvollstreckungsunterwerfung hingegen der einzige Erklärungsgegenstand, bleibt sie entsprechend § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei. dd) § 309 Nr. 12 BGB. Ein formularmäßig erteiltes abstraktes Schuldversprechen verstößt nicht gegen § 309 Nr. 12 BGB. Es kehrt nicht die Beweislast, sondern lediglich die Parteirollen im Prozess um. Der Schuldner muss Zwangsvollstreckungsgegenklage erheben, statt sich auf Zahlung oder Duldung verklagen zu lassen.204) Gleiches gilt für Unterwerfungsklauseln. ee) Angemessenheit. Zunächst wird in der Möglichkeit der Vollstreckung aus der Urkunde kein Abweichen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gesehen, weil die Zwangsvollstreckung aus Urteilen (§ 704 ZPO) und aus vollstreckbaren notariellen Urkunden (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) gleichermaßen gesetzlich vorgesehen ist.205) Insofern dürfte zunächst dann nichts zu erinnern sein, wenn die Sicherungsabrede so ausgelegt werden kann, dass der Getränkelieferant als Gläubiger den Betrag nur einmal verlangen kann, auch wenn die gesicherte Forderung höher ist.206) Im Übrigen sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. aaa) Schuldner als Sicherungsgeber. Eine formularmäßige Übernahme der persönlichen Haftung für eigene Verbindlichkeiten sowie die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung halten einer Inhaltskontrolle nach §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, 307 Abs. 1, 309 Nr. 12 BGB stand.207) Zwar erfasst ___________ 202) BGH, Urt. v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160; BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288. 203) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. 204) BGH, Urt. v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138 = ZIP 2001, 2288; BGH, Urt. v. 14.6.2017 – VIII ZR 76/16, BeckRS 2017, 119261. 205) BGH, Urt. v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 = NJW 2010, 2041 = ZIP 2010, 1072. 206) BGH, Urt. v. 5.3.1991 – XI ZR 95/90, BGHZ 114, 9 = NJW 1991, 1677; BGH, Urt. v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00, NJW 2003, 85 = ZIP 2003, 247. BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12. 207) BGH, Urt. v. 5.3.1991 – XI ZR 95/90, BGHZ 114, 9 = NJW 1991, 1677; BGH, Urt. v. 26.11.2002 – XI ZR 10/00, NJW 2003, 885 = ZIP 2003, 247; BGH, Urt. v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 = NJW 2010, 2041 = ZIP 2010, 1072; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241.

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5.158 5.159

5.160

5.161

5.162

§ 51 Grundschuld

das Verbot überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) auch Überschriften.208) Diese sind wie auch Gliederungen Wegweiser für den Kunden zum Verständnis des Klauselwerks. Wird ein persönliches Schuldanerkenntnis aber mit Unterwerfungsklausel unter „Form der Sicherheiten“ und nicht noch an anderer Stelle angegeben, so ist dies nach Auffassung des BGH noch als zulässig anzusehen. Eine Klausel, in der sich ein Darlehensnehmer „der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen“ unterwirft, ist folglich nicht als überraschend einzustufen.209) Grundsätzlich zulässig ist es auch, wenn sich der vorformulierte Sicherungszweck erst auf eine zukünftige bedingte Forderung bezieht, deren Entstehung noch ungewiss ist (arg. e §§ 1113 Abs. 2, 765 Abs. 2 BGB).210) Die formularmäßige Erweiterung des Sicherungszwecks einer zwei Jahre zuvor zur Sicherung einer bestimmten Drittverbindlichkeit bestellten Grundschuld auf bestehende und künftige Verbindlichkeiten mehrerer Dritter ist ebenfalls nicht schon deshalb überraschend, weil sie nicht durch eine konkrete Darlehensgewährung veranlasst ist.211) 5.163 bbb) Dritter als Sicherungsgeber. Anders ist zu entscheiden, wenn Dritte als Sicherungsgeber auftreten. Bestellt ein Grundeigentümer, der nicht mit dem persönlichen Schuldner identisch ist, eine Sicherungsgrundschuld zur Sicherung von Forderungen gegen den Schuldner, so ist eine in dem Grundschuldbestellformular enthaltene Klausel, durch die der Grundeigentümer auch die persönliche Haftung für die gesicherte Forderung in Form eines zusätzlichen abstrakten Schuldanerkenntnisses/-versprechens in einer Grundschuldbestellungsurkunde übernimmt (weite Zweckerklärung), wegen Verstoßes gegen §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, weil es sich bei der Haftungsübernahme um eine dem Grundgedanken der Grundschuldbestellung zuwiderlaufende unangemessene Haftungserweiterung handelt.212) Derartige Sicherungsklauseln werden nicht allein dadurch zu individualvertraglichen Regelungen, dass der Name des Schuldners individuell eingefügt wird.213) Möchte der Getränkelieferant dennoch die Übernahme der persönlichen Haftung mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, muss dies durch eine urkundlich gesonderte Vereinbarung getrennt mit dem Grundschuldbesteller vereinbart werden.214) ___________ 208) Siehe oben § 6 I 2 d m. w. N. 209) BGH, Urt. v. 22.11.2005 – XI ZR 226/04, NJW-RR 2006, 490 = ZIP 2006, 119. 210) BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12; BGH, Urt. v. 7.3.1996 – IX ZR 43/95, NJW 1996, 1470. 211) BGH, Urt. v. 24.11.2016 – IX ZR 278/14, NJW-RR 2017, 334 = ZIP 2017, 12. 212) BGH, Urt. v. 5.3.1991 – XI ZR 95/90, BGHZ 114, 9 = NJW 1991, 1677; BGH, Urt. v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, NJW 2002, 2710; OLG Saarbrücken, Urt. v. 11.5.2006 – 8 U 449/05, NJOZ 2006, 2798. 213) BGH, Urt. v. 30.10.1987 – V ZR 174/85, BGHZ 102, 152 = NJW 1988, 558 = ZIP 1988, 12. 214) BGH, Urt. v. 5.3.1991 – XI ZR 75/90, NJW 1991, 1677.

1088

III. Bestellung

5.

Austausch der Sicherheit

Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Sicherungsgeber, der mit dem 5.164 Sicherungsnehmer eine bestimmte Sicherheit vereinbart hat, einen Austausch dieser Sicherheit gegen eine ihm genehmere verlangen kann.215) III.

Bestellung

Voraussetzung einer wirksamen Bestellung ist zunächst die Eintragungsbewilli- 5.165 gung des Voreingetragenen. Im Übrigen ist zu unterscheiden. 1.

Buchgrundschuld

Die Buchgrundschuld ist bestellt, sobald sie gem. notarieller Beurkundung der 5.166 Einigung (Bestellung, § 873 Abs. 1 Alt. 2 BGB) im Grundbuch eingetragen worden ist. 2.

Briefgrundschuld

Bei einer Briefgrundschuld ist für den Erwerb neben der Einigung und Eintra- 5.167 gung noch zusätzlich erforderlich, dass der Eigentümer den Getränkelieferanten den Grundschuldbrief körperlich übergibt (§§ 1192 Abs. 1, 1117 Abs. 1 BGB). Zuvor hat das Grundbuchamt den Brief nach § 60 Abs. 1 GBO an den Eigentümer ausgehändigt. In der Praxis wird dabei die Übergabe durch den Eigentümer durch eine Über- 5.168 gabeersatzvereinbarung abgekürzt. Diese ist formlos wirksam. Dadurch wird der Gläubiger vom Eigentümer berechtigt, sich den Brief unmittelbar vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (Aushändigungsabrede, § 1117 Abs. 2 BGB analog, § 60 Abs. 1 GBO). Selbst wenn der Grundschuldbrief noch nicht gebildet worden sein sollte, ist eine solche Vereinbarung bereits möglich. Mit Vollzug der Briefbildung durch das Grundbuchamt erwirbt der Getränkelieferant als Gläubiger aufgrund der Vereinbarung gem. §§ 1192 Abs. 1, 1117 Abs. 2 BGB sodann das Eigentum am Brief.216) Dann händigt das Grundbuchamt den Brief unmittelbar dem Gläubiger oder dem Notar aus mit der Folge, dass die Grundschuld bereits entsteht, wenn sie eingetragen und die Valutierung (Entstehung der gesicherten Forderung, § 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt ist. Hierüber wird eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde (Titel, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) vom Notar gefertigt und im Regelfall der Fremdgrundschuld dem Getränkelieferanten übersandt. Von der Übergabeersatzvereinbarung abzugrenzen ist die einseitige Weisung des 5.169 Eigentümers nach § 60 Abs. 2 GBO. Der Eigentümer kann das Grundbuchamt ___________ 215) BGH, Urt. v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, BeckRS 2017, 126186. 216) BGH, Beschl. v. 5.10.2006 – V ZB 2/06, NJW-RR 2007, 165.

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III. Bestellung

5.

Austausch der Sicherheit

Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, dass der Sicherungsgeber, der mit dem 5.164 Sicherungsnehmer eine bestimmte Sicherheit vereinbart hat, einen Austausch dieser Sicherheit gegen eine ihm genehmere verlangen kann.215) III.

Bestellung

Voraussetzung einer wirksamen Bestellung ist zunächst die Eintragungsbewilli- 5.165 gung des Voreingetragenen. Im Übrigen ist zu unterscheiden. 1.

Buchgrundschuld

Die Buchgrundschuld ist bestellt, sobald sie gem. notarieller Beurkundung der 5.166 Einigung (Bestellung, § 873 Abs. 1 Alt. 2 BGB) im Grundbuch eingetragen worden ist. 2.

Briefgrundschuld

Bei einer Briefgrundschuld ist für den Erwerb neben der Einigung und Eintra- 5.167 gung noch zusätzlich erforderlich, dass der Eigentümer den Getränkelieferanten den Grundschuldbrief körperlich übergibt (§§ 1192 Abs. 1, 1117 Abs. 1 BGB). Zuvor hat das Grundbuchamt den Brief nach § 60 Abs. 1 GBO an den Eigentümer ausgehändigt. In der Praxis wird dabei die Übergabe durch den Eigentümer durch eine Über- 5.168 gabeersatzvereinbarung abgekürzt. Diese ist formlos wirksam. Dadurch wird der Gläubiger vom Eigentümer berechtigt, sich den Brief unmittelbar vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen (Aushändigungsabrede, § 1117 Abs. 2 BGB analog, § 60 Abs. 1 GBO). Selbst wenn der Grundschuldbrief noch nicht gebildet worden sein sollte, ist eine solche Vereinbarung bereits möglich. Mit Vollzug der Briefbildung durch das Grundbuchamt erwirbt der Getränkelieferant als Gläubiger aufgrund der Vereinbarung gem. §§ 1192 Abs. 1, 1117 Abs. 2 BGB sodann das Eigentum am Brief.216) Dann händigt das Grundbuchamt den Brief unmittelbar dem Gläubiger oder dem Notar aus mit der Folge, dass die Grundschuld bereits entsteht, wenn sie eingetragen und die Valutierung (Entstehung der gesicherten Forderung, § 1163 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt ist. Hierüber wird eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde (Titel, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) vom Notar gefertigt und im Regelfall der Fremdgrundschuld dem Getränkelieferanten übersandt. Von der Übergabeersatzvereinbarung abzugrenzen ist die einseitige Weisung des 5.169 Eigentümers nach § 60 Abs. 2 GBO. Der Eigentümer kann das Grundbuchamt ___________ 215) BGH, Urt. v. 30.6.2017 – V ZR 248/16, BeckRS 2017, 126186. 216) BGH, Beschl. v. 5.10.2006 – V ZB 2/06, NJW-RR 2007, 165.

1089

§ 51 Grundschuld

veranlassen, den Grundschuldbrief unmittelbar an den Gläubiger auszuhändigen. Die entsprechende Anweisung muss öffentlich beglaubigt oder notariell beurkundet sein (§ 60 Abs. 2 GBO). Bis zur Übergabe des Grundschuldbriefes steht die Grundschuld dem Grundstückseigentümer als vorläufige, verdeckte Eigentümergrundschuld zu (§§ 1192 Abs. 1, 1163 Abs. 2, 1177 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Eigentümergrundschuld ist gleichsam ein Platzhalter zur optimalen Kreditsicherung im Wege der Auf-/Neuvalutierung. 3.

Einwand der Sittenwidrigkeit

5.170 a) Fehlendes Einkommen und Vermögen. Die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften217) können auf die Bestellung einer Grundschuld durch Angehörige nicht übertragen werden. Der Besteller einer Grundschuld haftet nämlich nur mit dem belasteten Grundstück im Gegensatz zum Bürgen, der mit seinem gesamten Vermögen haftet. Anders als beim Bürgen kann sich ein besonders grobes Missverhältnis zwischen der übernommenen Zahlungsverpflichtung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit daher grundsätzlich nicht ergeben.218) 5.171 b) Sittenwidriger Darlehensvertrag. Die Sittenwidrigkeit des durch die Grundschuld gesicherten Darlehens berührt die Wirksamkeit der Grundschuldbestellung nicht.219) Anders als beim Wuchertatbestand ergreift die Nichtigkeit des Darlehensvertrages wegen eines sittenwidrigen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB nicht ohne Weiteres die Bestellung von Sicherheiten. 5.172 c) Sittenwidrige Sicherungsabrede. Ist der Sicherungsvertrag nichtig, hat dies auf die Bestellung der Grundschuld grundsätzlich keinen Einfluss. Auch hier gilt das Abstraktionsprinzip. Dingliche Rechtsgeschäfte sind wertneutral, weil ihr Inhalt gesetzlich festgelegt und daher nicht sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB sein kann.220) Der Grundschuldschuldner hätte somit lediglich einen schuldrechtlichen Rückgewährsanspruch gegenüber dem Grundbuchgläubiger. Etwas anderes könnte sich nur dann ergeben, wenn die Unsittlichkeit gerade in der Veränderung der dinglichen Rechtslage besteht. Dann erfasst nach ständiger Rechtsprechung des BGH die Sittenwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts ausnahmsweise auch das Verfügungsgeschäft.221)

___________ 217) 218) 219) 220) 221)

Siehe unten § 52 IV m. w. N. BGH, Urt. v. 19.6.2002 – IV ZR 168/01, BGHZ 152, 147 = NJW 2002, 2633. BGH, Urt. v. 20.10.2000 – XI ZR 237/99, NJW-RR 2000, 1431 = ZIP 2000, 1376. BGH, Urt. v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, NJW 1990, 384 = ZIP 1989, 1382. BGH, Urt. v. 20.1.2006 – V ZR 214/04, NJW-RR 2006, 888.

1090

IV. Abtretung vorrangiger Teilbeträge

IV.

Abtretung vorrangiger Teilbeträge

1.

Einführung

Wirtschaftlich interessanter als die Bestellung einer neuen und damit letztran- 5.173 gigen Grundschuld kann es sein, sich von einem vorrangigen, insbesondere erstrangigen anderen Grundschuldgläubiger einen hinsichtlich seiner Eintragung nachrangigen, auch rangmittleren Teilbetrag abtreten zu lassen. Dazu muss sich der Getränkelieferant zunächst an seinen Schuldner wenden mit der Bitte, dass dieser eine Valutierungsanfrage bei seinem Grundschuldgläubiger einholt und die Auskunft weiterleitet. 2.

Abwicklung

Der Anspruch geht, wenn nichts anderes vereinbart ist, nach Wahl des Gläubigers 5.174 (§ 262 BGB) auf Übertragung an sich oder einen Dritten, Verzicht (§§ 1192 Abs. 1, 1168 Abs. 1 BGB) oder Aufhebung (§§ 1192 Abs. 1, 1183. 875 BGB).222) Eine Buchgrundschuld wird im Rahmen der Abtretung gem. §§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 BGB durch Einigung und Eintragung übertragen. Die Briefgrundschuld wird außerhalb des Grundbuchs durch die schriftliche Abtretungserklärung und Übergabe des Grundschuldbriefes übertragen (§§ 1192 Abs. 1, 1154 Abs. 1 Satz 1 BGB). 3.

Zwischenverfügungen

Die Abtretung von Grundpfandrechten ist allerdings nicht ohne Risiko. Zu den- 5.175 ken ist an beeinträchtigende Zwischenverfügungen. a) Besondere Vorsicht ist bei Eigentümergrundschulden angebracht. Sie wer- 5.176 den stets als Briefrecht bestellt. Deshalb kann eine Abtretung, die das Recht zum Fremdrecht macht, auch außerhalb des Grundbuchs vorgenommen werden (§§ 1192 Abs. 1, 1154, 1155 BGB). Der Erwerber einer Eigentümergrundschuld müsste sich daher vergewissern, ob es sich um einen Ersterwerb nach Bestellung des Grundpfandrechts handelt, weil er sonst mit einem Löschungsanspruch gleich- und nachrangiger Grundpfandrechte rechnen muss. Eine solche Sicherheit gibt es aber nicht, weil die Grundschuld außerhalb des Grundbuchs abgetreten und wieder rückabgetreten worden sein kann, was keine sichtbaren Spuren hinterlässt. Eigentümergrundschulden sind deshalb nur noch verkehrsfähig, wenn ihnen keine anderen Grundpfandrechte im Rang gleich- oder nachstehen oder – was selten ist – bei allen gleich- und nachrangigen Grundpfandrechten der Verzicht auf den Löschungsanspruch eingetragen ist. Dies ist ein weiterer Grund, warum eine Briefgrundschuld nur nach Grundbucheinsicht überhaupt als Sicherheit akzeptiert werden kann.223) ___________ 222) OLG Hamburg, Urt. v. 1.6.2011 – 13 U 128/10, BeckRS 2012, 13823. 223) Staudinger-Wolfsteiner, BGB § 1179a Rz. 81.

1091

§ 51 Grundschuld

5.177 b) Zudem bedarf es eines zeitnahen Antrages an das Grundbuchamt auf Umschreibung. Der Eingang der Abtretungserklärung und der Eintragungsbewilligung genügen nicht. Sollte nämlich eine benachteiligende Zwischenverfügung erfolgt sein, so steht dem Getränkelieferanten kein Schadensersatzanspruch wegen der Erteilung der Löschungsbewilligung zu. Dies weder aus Vertrag noch aus der vereinbarten Abtretung der Teilgrundschuld, weil insofern kein echter Vertrag zu Gunsten Dritter vorliegt. Deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 1, 826 BGB) scheiden aus, insbesondere setzt ein Anwartschaftsrecht die Stellung eines Eintragungsantrages voraus, woran es hier fehlt. Nach allgemeiner Auffassung ist der Erwerber bzw. Abtretungsempfänger ohne Eigeneintragungsantrag auch bei bindender Auflassung (§ 873 Abs. 2 BGB) nicht gegen Zwischenverfügungen des Veräußerers (Abtretenden) geschützt und hat deshalb noch kein durch § 823 BGB geschütztes Anwartschaftsrecht.224) V.

Rückübertragungsanspruch

5.178 Die Abtretung von Rückgewährsansprüchen hat in der Praxis eine erheblich größere Bedeutung als der gesetzliche Löschungsanspruch nach § 1179a BGB. 1.

Arten der Rückgewähr

5.179 Nach dem Gesetz kann der Sicherungsgeber im Rahmen eines Wahlschuldverhältnisses (§§ 262 – 265 BGB) zwischen drei Arten der Rückgewähr entscheiden. Er kann wählen, ob sein Anspruch entweder (erstens) durch Löschung der Grundschuld (§§ 875, 1183, 1192 Abs. 1 BGB) erfüllt werden soll,225) (zweitens) durch Abgabe einer Verzichtserklärung, die eine Eigentümergrundschuld entstehen lässt (§§ 1168 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB),226) oder (drittens) durch Abtretung an sich oder einen Dritten (§§ 1154, 398, 1192 Abs. 1 BGB).227) 2.

Inhaltskontrolle

5.180 Eine Klausel, die den auf Rückgewähr der Grundschuld gerichteten Anspruch des Sicherungsgebers auf die Löschung des Grundpfandrechts beschränkt, hält der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB jedenfalls dann nicht Stand, wenn sie auch Fallgestaltungen erfasst, in denen der Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist.228) ___________ 224) 225) 226) 227)

OLG Hamburg, Urt. v. 1.6.2011 – 13 U 128/10, BeckRS 2012, 13823. BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872. BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872. BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = NJW 2014, 3772 = ZIP 2014, 1725. 228) BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = NJW 2014, 3772 = ZIP 2014, 1725.

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§ 51 Grundschuld

5.177 b) Zudem bedarf es eines zeitnahen Antrages an das Grundbuchamt auf Umschreibung. Der Eingang der Abtretungserklärung und der Eintragungsbewilligung genügen nicht. Sollte nämlich eine benachteiligende Zwischenverfügung erfolgt sein, so steht dem Getränkelieferanten kein Schadensersatzanspruch wegen der Erteilung der Löschungsbewilligung zu. Dies weder aus Vertrag noch aus der vereinbarten Abtretung der Teilgrundschuld, weil insofern kein echter Vertrag zu Gunsten Dritter vorliegt. Deliktische Ansprüche (§§ 823 Abs. 1, 826 BGB) scheiden aus, insbesondere setzt ein Anwartschaftsrecht die Stellung eines Eintragungsantrages voraus, woran es hier fehlt. Nach allgemeiner Auffassung ist der Erwerber bzw. Abtretungsempfänger ohne Eigeneintragungsantrag auch bei bindender Auflassung (§ 873 Abs. 2 BGB) nicht gegen Zwischenverfügungen des Veräußerers (Abtretenden) geschützt und hat deshalb noch kein durch § 823 BGB geschütztes Anwartschaftsrecht.224) V.

Rückübertragungsanspruch

5.178 Die Abtretung von Rückgewährsansprüchen hat in der Praxis eine erheblich größere Bedeutung als der gesetzliche Löschungsanspruch nach § 1179a BGB. 1.

Arten der Rückgewähr

5.179 Nach dem Gesetz kann der Sicherungsgeber im Rahmen eines Wahlschuldverhältnisses (§§ 262 – 265 BGB) zwischen drei Arten der Rückgewähr entscheiden. Er kann wählen, ob sein Anspruch entweder (erstens) durch Löschung der Grundschuld (§§ 875, 1183, 1192 Abs. 1 BGB) erfüllt werden soll,225) (zweitens) durch Abgabe einer Verzichtserklärung, die eine Eigentümergrundschuld entstehen lässt (§§ 1168 Abs. 1, 1192 Abs. 1 BGB),226) oder (drittens) durch Abtretung an sich oder einen Dritten (§§ 1154, 398, 1192 Abs. 1 BGB).227) 2.

Inhaltskontrolle

5.180 Eine Klausel, die den auf Rückgewähr der Grundschuld gerichteten Anspruch des Sicherungsgebers auf die Löschung des Grundpfandrechts beschränkt, hält der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB jedenfalls dann nicht Stand, wenn sie auch Fallgestaltungen erfasst, in denen der Sicherungsgeber im Zeitpunkt der Rückgewähr nicht mehr Grundstückseigentümer ist.228) ___________ 224) 225) 226) 227)

OLG Hamburg, Urt. v. 1.6.2011 – 13 U 128/10, BeckRS 2012, 13823. BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872. BGH, Urt. v. 8.5.2015 – V ZR 56/14, NJW 2015, 2872. BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = NJW 2014, 3772 = ZIP 2014, 1725. 228) BGH, Urt. v. 18.7.2014 – V ZR 178/13, BGHZ 202, 150 = NJW 2014, 3772 = ZIP 2014, 1725.

1092

V. Rückübertragungsanspruch

3.

Schadensersatzpflicht

Der Sicherungsnehmer ist nach Maßgabe des allgemeinen Schuldrechts zum Scha- 5.181 densersatz verpflichtet, wenn er den durch den endgültigen Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld nach Bedingungseintritt schuldhaft nicht erfüllt. Ist der Rückgewährsanspruch – etwa an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger – abgetreten worden, steht der Anspruch auf Schadensersatz dem Zessionar zu. Ob der Sicherungszweck endgültig weggefallen ist, richtet sich nach der Sicherungsvereinbarung. Auch wenn diese einen weiten Sicherungszweck formuliert und damit eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, tritt die aufschiebende Bedingung jedenfalls mit dem endgültigen Ende der Geschäftsbeziehung ein. Nach einer dem Sicherungsnehmer angezeigten Abtretung kann die Sicherungsvereinbarung nur mit Zustimmung des Zessionars bzw. Pfandgläubigers inhaltlich geändert werden, soweit die Änderung den Rückgewährsanspruch einschließlich der aufschiebenden Bedingung betrifft, unter der dieser steht.229) 4.

Abtretung

a) Einführung. Im Zusammenhang mit Grundschuldsicherheiten ist es gängige 5.182 Praxis, dass sich der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber Rückgewährsansprüche hinsichtlich vor- und gleichrangiger Grundschulden bei Erledigung der Sicherungszwecke abtreten lässt, die jener gegen die Gläubiger vor- oder gleichrangiger Grundschulden hat oder haben wird. Hintergrund ist, dass ein etwaiger späterer Gläubiger der Grundschuld grundsätzlich entsprechend verpflichtet wäre. Infolge einer Abtretung der Grundschuld und der gesicherten Forderung tritt der Zessionar nämlich nicht automatisch in den Sicherungsvertrag ein. Sollte es an einem ausdrücklichen Beitritt fehlen, trifft den Zessionar auch keine Rückgewährsverpflichtung. b) Konkret. Bei der Sicherungsgrundschuld steht dem Sicherungsgeber aufgrund 5.183 der Sicherungsabrede und nach Eintragung der Grundschuld im Grundbuch ein Rückgewährsanspruch zu. Er ist aufschiebend bedingt durch den endgültigen Wegfall des Sicherungszwecks.230) Der Grundstückseigentümer hat die Möglichkeit, diesen Rückgewährsanspruch zu Kreditsicherungszwecken abzutreten. Er kann damit den Eintritt des § 1179a BGB verhindern. Dem Gläubiger des nachrangigen Grundpfandrechts schuldet er insoweit keine Rücksichtnahme.231) Voraussetzung ist, dass sich der Sicherungszweck endgültig, d. h. nicht nur vorübergehend, erledigt hat.232) Da die Kenntnis des Rückgewährsberechtigten für ___________ 229) 230) 231) 232)

BGH, Urt. v. 19.4.2013 – V ZR 47/12, BGHZ 197, 155 = NJW 2013, 2894 = ZIP 2013, 1113. BGH, Urt. v. 19.4.2013 – V ZR 47/12, BGHZ 197, 155 = NJW 2013, 2894 = ZIP 2013, 1113. BGH, Urt. v. 9.2.1989 – IX ZR 145/87, BGHZ 106, 375 = NJW 1989, 1349. BGH, Urt. v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, BGHZ 133, 25 = NJW 1996, 2092 = ZIP 1996, 1164.

1093

§ 51 Grundschuld

den Sicherungsnehmer als Schuldner des Rückgewährsanspruchs von besonderer Bedeutung bei Eintritt der Rückgewährsreife ist, unterliegt die Abtretung vielfach einem Zustimmungserfordernis (§ 399 Fall 2 BGB)233). Aus Sicht des Getränkelieferanten macht es Sinn, dass die Abtretung offen gelegt wird, um § 407 Abs. 1 BGB abzuwenden. Anderenfalls (stille Abtretung) besteht die Gefahr, dass der Sicherungsnehmer die Abtretung nicht positiv kennt, die Grundschuld zurückgewährt oder sonstige Vereinbarungen in Bezug auf den Rückgewährsanspruch trifft. VI.

Löschungsanspruch gleich- oder nachrangiger Grundbuchgläubiger

1.

Grundlagen

5.184 Das Gesetz (§§ 1192 Abs. 1, 1179a BGB) gewährt gleich- und nachrangigen Grundbuchgläubigern einen gesetzlichen Anspruch auf Löschung, richtig auf Aufhebung. Dies gilt grundsätzlich auch für die Eigentümergrundschuld (§ 1196 Abs. 3 BGB). § 1179a BGB begründet eine zum Inhalt des (begünstigten) Grundpfandrechts gehörenden und daher mit dessen Abtretung auf den Erwerber übergehenden aber nicht selbstständig abtretbaren Anspruch auf Aufhebung eines dem Eigentümer zufallenden gleich- oder vorrangigen (betroffenen) Grundpfandrechts (nicht eines anderen Grundstückrechts), der kraft Gesetzes wie durch eine Vormerkung gesichert ist.234) 2.

Gefährdungslagen

5.185 Der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer kann bei Fremdbriefgrundschulden oft nicht erkennen, ob diese in Wirklichkeit zwischenzeitlich zu einer Eigentümergrundschuld geworden sind und dem gesetzlichen Löschungsanspruch aus § 1179a BGB gleich- und nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger ausgesetzt sind. 5.186 Die Problematik des Löschungsanspruchs nachrangiger Grundbuchgläubiger kann sich in drei Situationen stellen: Zu denken ist an die Umwandlung einer Fremdgrundschuld in eine Eigentümergrundschuld (Fallgruppe 1), an die wiederholte Abtretung einer anfänglichen Eigentümergrundschuld (Fallgruppe 2) und an die erstmalige Abtretung einer ursprünglichen Eigentümergrundschuld, obwohl gleich- oder nachrangige Gläubiger eingetragen sind (Fallgruppe 3). Dann besteht die Gefahr, dass die „Abtretung einer Eigentümergrundschuld“ einem latenten Löschungsanspruch nach § 1179a BGB ausgesetzt ist und damit keine taugliche Kreditsicherheit darstellt. Es muss befürchtet werden, dass der Getränkelieferant selbst bei bester Rangstelle ausfällt und keinen Erlös erzielt, weil nachrangige Grundbuchgläubiger ihren Löschungsanspruch geltend machen. Zu denken ist ___________ 233) BGH, Urt. v. 9.2.1980 – V ZR 200/88, BGHZ 110, 241 = NJW 1990, 1601. 234) Palandt-Herrler, BGB, § 1179a Rz. 1.

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§ 51 Grundschuld

den Sicherungsnehmer als Schuldner des Rückgewährsanspruchs von besonderer Bedeutung bei Eintritt der Rückgewährsreife ist, unterliegt die Abtretung vielfach einem Zustimmungserfordernis (§ 399 Fall 2 BGB)233). Aus Sicht des Getränkelieferanten macht es Sinn, dass die Abtretung offen gelegt wird, um § 407 Abs. 1 BGB abzuwenden. Anderenfalls (stille Abtretung) besteht die Gefahr, dass der Sicherungsnehmer die Abtretung nicht positiv kennt, die Grundschuld zurückgewährt oder sonstige Vereinbarungen in Bezug auf den Rückgewährsanspruch trifft. VI.

Löschungsanspruch gleich- oder nachrangiger Grundbuchgläubiger

1.

Grundlagen

5.184 Das Gesetz (§§ 1192 Abs. 1, 1179a BGB) gewährt gleich- und nachrangigen Grundbuchgläubigern einen gesetzlichen Anspruch auf Löschung, richtig auf Aufhebung. Dies gilt grundsätzlich auch für die Eigentümergrundschuld (§ 1196 Abs. 3 BGB). § 1179a BGB begründet eine zum Inhalt des (begünstigten) Grundpfandrechts gehörenden und daher mit dessen Abtretung auf den Erwerber übergehenden aber nicht selbstständig abtretbaren Anspruch auf Aufhebung eines dem Eigentümer zufallenden gleich- oder vorrangigen (betroffenen) Grundpfandrechts (nicht eines anderen Grundstückrechts), der kraft Gesetzes wie durch eine Vormerkung gesichert ist.234) 2.

Gefährdungslagen

5.185 Der Getränkelieferant als Sicherungsnehmer kann bei Fremdbriefgrundschulden oft nicht erkennen, ob diese in Wirklichkeit zwischenzeitlich zu einer Eigentümergrundschuld geworden sind und dem gesetzlichen Löschungsanspruch aus § 1179a BGB gleich- und nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger ausgesetzt sind. 5.186 Die Problematik des Löschungsanspruchs nachrangiger Grundbuchgläubiger kann sich in drei Situationen stellen: Zu denken ist an die Umwandlung einer Fremdgrundschuld in eine Eigentümergrundschuld (Fallgruppe 1), an die wiederholte Abtretung einer anfänglichen Eigentümergrundschuld (Fallgruppe 2) und an die erstmalige Abtretung einer ursprünglichen Eigentümergrundschuld, obwohl gleich- oder nachrangige Gläubiger eingetragen sind (Fallgruppe 3). Dann besteht die Gefahr, dass die „Abtretung einer Eigentümergrundschuld“ einem latenten Löschungsanspruch nach § 1179a BGB ausgesetzt ist und damit keine taugliche Kreditsicherheit darstellt. Es muss befürchtet werden, dass der Getränkelieferant selbst bei bester Rangstelle ausfällt und keinen Erlös erzielt, weil nachrangige Grundbuchgläubiger ihren Löschungsanspruch geltend machen. Zu denken ist ___________ 233) BGH, Urt. v. 9.2.1980 – V ZR 200/88, BGHZ 110, 241 = NJW 1990, 1601. 234) Palandt-Herrler, BGB, § 1179a Rz. 1.

1094

VII. Verbraucherkreditrecht

an Fälle, in denen der Grundstückseigentümer Inhaber der zu löschenden Grundschuld geworden ist, sei es im Wege der Abtretung der Grundschuld an ihn, durch Verzicht im Rahmen der Rückgewähr der Grundschuld oder durch Leistung auf die Grundschuld. Ist der Löschungsanspruch entstanden, wird er nicht dadurch beeinträchtigt und geht auch nicht dadurch unter, dass das betreffende Recht abgetreten wird. Allerdings bedarf es insofern der differenzierenden Betrachtung. 3.

Optionen

a) Fallgruppe 1. Zumeist unproblematisch ist die Behandlung der Fallgruppe 1 5.187 (Umwandlung einer Fremdgrundschuld in eine Eigentümergrundschuld, die als solche fortbesteht). Dann kommt die Abtretung von Rückgewährsansprüchen in Betracht, soweit diese nicht bereits an gleich- oder nachrangige Grundbuchgläubiger abgetreten sind. § 1179a BGB verbietet eine Neuvalutierung der Grundschuld nicht.235) Die Rückgewährsansprüche des Eigentümers bei Nichtentstehung oder Tilgung der persönlichen Schuld sind nicht vom gesetzlichen Löschungsanspruch des § 1179a BGB erfasst. b) Fallgruppe 3. Ebenfalls weniger problembehaftet ist die erstmalige Abtre- 5.188 tung einer ursprünglichen Eigentümergrundschuld (§ 1196 BGB). Hinsichtlich der ursprünglichen Eigentümergrundschuld, die noch nicht abgetreten ist, besteht kein gesetzlicher Löschungsanspruch nach §§ 1179a Abs. 1, 1179b Abs. 1 BGB. Bei Briefgrundschulden ist auf die Abtretungsgeschichte zu achten (§§ 1196 Abs. 3, 1179a, 1179b BGB). Die Eigentümergrundschuld ist nach § 1196 Abs. 3 BGB dem Löschungsanspruch erst dann unterworfen, wenn sie zumindest einmal Fremdgrundschuld geworden ist, also zur Kreditsicherung eingesetzt worden ist, und dann wieder dem Eigentümer zusteht. c) Fallgruppe 2. Nach Rückkehr der Grundschuld zum Eigentümer ist sie ohne 5.189 Einschränkung dem gesetzlichen Löschungsansprüchen gleich- oder nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger ausgesetzt. Hintergrund ist, dass die originäre Eigentümergrundschuld als, auch verdecktes, Sicherungsmittel zur Kreditaufnahme nutzbar sein soll. Gleiches gilt, wenn eine nachträgliche Eigentümergrundschuld erstmalig an gleich- oder nachrangige Gläubiger abgetreten wird. VII. Verbraucherkreditrecht Weder auf den Sicherungsvertrag noch auf die Bestellung der Sicherungsgrund- 5.190 schuld ist das Verbraucherkreditrecht anwendbar. Die Grundschuld stellt keinen Kreditvertrag oder ein diesem Vertrag gleichstehendes Geschäft dar. Die grundpfandrechtliche Absicherung durch Dritte und die damit verbundene Zweckab___________ 235) BGH, Urt. v. 6.7.1989 – IX ZR 277/88, BGHZ 108, 237 = NJW 1989, 2536.

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VII. Verbraucherkreditrecht

an Fälle, in denen der Grundstückseigentümer Inhaber der zu löschenden Grundschuld geworden ist, sei es im Wege der Abtretung der Grundschuld an ihn, durch Verzicht im Rahmen der Rückgewähr der Grundschuld oder durch Leistung auf die Grundschuld. Ist der Löschungsanspruch entstanden, wird er nicht dadurch beeinträchtigt und geht auch nicht dadurch unter, dass das betreffende Recht abgetreten wird. Allerdings bedarf es insofern der differenzierenden Betrachtung. 3.

Optionen

a) Fallgruppe 1. Zumeist unproblematisch ist die Behandlung der Fallgruppe 1 5.187 (Umwandlung einer Fremdgrundschuld in eine Eigentümergrundschuld, die als solche fortbesteht). Dann kommt die Abtretung von Rückgewährsansprüchen in Betracht, soweit diese nicht bereits an gleich- oder nachrangige Grundbuchgläubiger abgetreten sind. § 1179a BGB verbietet eine Neuvalutierung der Grundschuld nicht.235) Die Rückgewährsansprüche des Eigentümers bei Nichtentstehung oder Tilgung der persönlichen Schuld sind nicht vom gesetzlichen Löschungsanspruch des § 1179a BGB erfasst. b) Fallgruppe 3. Ebenfalls weniger problembehaftet ist die erstmalige Abtre- 5.188 tung einer ursprünglichen Eigentümergrundschuld (§ 1196 BGB). Hinsichtlich der ursprünglichen Eigentümergrundschuld, die noch nicht abgetreten ist, besteht kein gesetzlicher Löschungsanspruch nach §§ 1179a Abs. 1, 1179b Abs. 1 BGB. Bei Briefgrundschulden ist auf die Abtretungsgeschichte zu achten (§§ 1196 Abs. 3, 1179a, 1179b BGB). Die Eigentümergrundschuld ist nach § 1196 Abs. 3 BGB dem Löschungsanspruch erst dann unterworfen, wenn sie zumindest einmal Fremdgrundschuld geworden ist, also zur Kreditsicherung eingesetzt worden ist, und dann wieder dem Eigentümer zusteht. c) Fallgruppe 2. Nach Rückkehr der Grundschuld zum Eigentümer ist sie ohne 5.189 Einschränkung dem gesetzlichen Löschungsansprüchen gleich- oder nachrangiger Grundpfandrechtsgläubiger ausgesetzt. Hintergrund ist, dass die originäre Eigentümergrundschuld als, auch verdecktes, Sicherungsmittel zur Kreditaufnahme nutzbar sein soll. Gleiches gilt, wenn eine nachträgliche Eigentümergrundschuld erstmalig an gleich- oder nachrangige Gläubiger abgetreten wird. VII. Verbraucherkreditrecht Weder auf den Sicherungsvertrag noch auf die Bestellung der Sicherungsgrund- 5.190 schuld ist das Verbraucherkreditrecht anwendbar. Die Grundschuld stellt keinen Kreditvertrag oder ein diesem Vertrag gleichstehendes Geschäft dar. Die grundpfandrechtliche Absicherung durch Dritte und die damit verbundene Zweckab___________ 235) BGH, Urt. v. 6.7.1989 – IX ZR 277/88, BGHZ 108, 237 = NJW 1989, 2536.

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§ 51 Grundschuld

rede werden nicht vom Zweck des Verbraucherkreditrechts erfasst.236) Dies selbst dann, wenn es sich bei der durch die Grundschuld gesicherten Forderung um eine solche aus einem Verbraucherdarlehensvertrag handelt oder die Grundschuld von einem Dritten bestellt wird (Drittsicherheit). VIII. Allgemeines Verbraucherschutzrecht 1.

Persönlicher Anwendungsbereich

5.191 Abzustellen ist auf die Verbrauchereigenschaft des Grundstückseigentümers als Sicherungsgeber, nicht auf die des persönlichen Schuldners. 2.

Vertrag über eine entgeltliche Leistung

5.192 a) Grundschuldbestellung. Die abstrakte Grundschuldbestellung als solche ist als dingliches Rechtsgeschäft nicht auf eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 BGB gerichtet, sondern lediglich auf Abänderung der dinglichen Rechtslage; sie fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des § 312 BGB.237) 5.193 b) Sicherungsvereinbarung. Die auf Bestellung einer Sicherungsgrundschuld gerichtete (schuldrechtliche) Vereinbarung stellt einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB dar, wenn die Verpflichtung zur Bestellung der Grundschuld vom Sicherungsgeber für den Sicherungsnehmer erkennbar in der Erwartung übernommen wird, dass dem Sicherungsgeber selbst oder einem bestimmten Dritten daraus irgendein Vorteil erwächst.238) Dies gilt auch dann, wenn die Grundschuld einen gewerblichen Kredit sichert.239) Allerdings sind nach Maßgabe des § 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB Verträge und damit auch Sicherungsabreden über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Rechten an Grundstücken explizit aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften ausgeklammert. Zum gleichen Ergebnis führt § 312 Abs. 2 Nr. 1 b BGB, wenn die Sicherungsabrede notariell beurkundet worden ist. 5.194 c) Notarielles Schuldanerkenntnis. Für mit erklärte notarielle abstrakte Schuldanerkenntnisse gilt das zuletzt Ausgeführte entsprechend.240) ___________ 236) BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 1442 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949. 237) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (§ 312c BGB); OLG Koblenz, Urt. v. 29.1.1998 – 11 U 1690/96, NJW-RR 1999, 1178; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727. 238) BGH, Urt. v. 4.10.1995 – XI ZR 215/94, NJW 1996, 191 = ZIP 1996, 1979 (Sicherungsabrede für ein bereits bestehendes Grundpfandrecht); BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363 (Sicherungsabrede für ein erst noch einzutragendes Grundpfandrecht); OLG Naumburg, Urt. v. 23.8.2007 – 11 U 1690/07, BeckRS 2008, 18873. 239) BGH, Urt. v. 26.9.1995 – XI ZR 199/94, BGHZ 131, 1 = NJW 1996, 55 = ZIP 1995, 1813. 240) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312 Rz. 6.

1096

§ 51 Grundschuld

rede werden nicht vom Zweck des Verbraucherkreditrechts erfasst.236) Dies selbst dann, wenn es sich bei der durch die Grundschuld gesicherten Forderung um eine solche aus einem Verbraucherdarlehensvertrag handelt oder die Grundschuld von einem Dritten bestellt wird (Drittsicherheit). VIII. Allgemeines Verbraucherschutzrecht 1.

Persönlicher Anwendungsbereich

5.191 Abzustellen ist auf die Verbrauchereigenschaft des Grundstückseigentümers als Sicherungsgeber, nicht auf die des persönlichen Schuldners. 2.

Vertrag über eine entgeltliche Leistung

5.192 a) Grundschuldbestellung. Die abstrakte Grundschuldbestellung als solche ist als dingliches Rechtsgeschäft nicht auf eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 BGB gerichtet, sondern lediglich auf Abänderung der dinglichen Rechtslage; sie fällt somit nicht in den Anwendungsbereich des § 312 BGB.237) 5.193 b) Sicherungsvereinbarung. Die auf Bestellung einer Sicherungsgrundschuld gerichtete (schuldrechtliche) Vereinbarung stellt einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB dar, wenn die Verpflichtung zur Bestellung der Grundschuld vom Sicherungsgeber für den Sicherungsnehmer erkennbar in der Erwartung übernommen wird, dass dem Sicherungsgeber selbst oder einem bestimmten Dritten daraus irgendein Vorteil erwächst.238) Dies gilt auch dann, wenn die Grundschuld einen gewerblichen Kredit sichert.239) Allerdings sind nach Maßgabe des § 312 Abs. 2 Nr. 2 BGB Verträge und damit auch Sicherungsabreden über die Begründung, den Erwerb oder die Übertragung von Rechten an Grundstücken explizit aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften ausgeklammert. Zum gleichen Ergebnis führt § 312 Abs. 2 Nr. 1 b BGB, wenn die Sicherungsabrede notariell beurkundet worden ist. 5.194 c) Notarielles Schuldanerkenntnis. Für mit erklärte notarielle abstrakte Schuldanerkenntnisse gilt das zuletzt Ausgeführte entsprechend.240) ___________ 236) BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 1442 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949. 237) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148 (§ 312c BGB); OLG Koblenz, Urt. v. 29.1.1998 – 11 U 1690/96, NJW-RR 1999, 1178; OLG Nürnberg, Urt. v. 10.1.2012 – 14 U 1314/11, BeckRS 2012, 01727. 238) BGH, Urt. v. 4.10.1995 – XI ZR 215/94, NJW 1996, 191 = ZIP 1996, 1979 (Sicherungsabrede für ein bereits bestehendes Grundpfandrecht); BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363 (Sicherungsabrede für ein erst noch einzutragendes Grundpfandrecht); OLG Naumburg, Urt. v. 23.8.2007 – 11 U 1690/07, BeckRS 2008, 18873. 239) BGH, Urt. v. 26.9.1995 – XI ZR 199/94, BGHZ 131, 1 = NJW 1996, 55 = ZIP 1995, 1813. 240) Palandt-Grüneberg, BGB, § 312 Rz. 6.

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IX. Verwaltung

3.

Widerrufsbelehrung

Soweit die Sicherungsabrede in der Situation des § 312b BGB abgegeben wer- 5.195 den sollte und nicht notariell beurkundet werden sollte, bedarf es einer Widerrufsbelehrung (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) gemäß dem Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB unter Beifügung eines Muster-Widerrufsformulars (Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). 4.

Folgen des Widerrufs

Übt der Darlehensnehmer sein Widerrufsrecht aus, hat ihm der Darlehensge- 5.196 ber zwar die auf das Darlehen entrichteten Tilgungs- und Zinsleistungen zu erstatten; dem Darlehensgeber seinerseits ist allerdings der ausgezahlte Nettodarlehensbetrag zu erstatten und marktüblich zu verzinsen.241) Dieser Anspruch bleibt durch die Grundschuld gesichert.242) IX.

Verwaltung

1.

Allgemeines

Soweit neue Personen Partner des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages 5.197 werden, also insbesondere in der Situation des Betreiberwechsels und anderen Formen der Übernahme, ist zu prüfen, ob die Grundschuldsicherheit nicht neu verhandelt werden muss. Je nach Sachlage genügt auch eine Anpassung der Sicherungsabrede. 2.

Veräußerung

Das belastete Grundstück kann – solange noch Ansprüche des Getränkelieferan- 5.198 ten bestehen – nur mit der eingetragenen Grundschuld verkauft werden. Der Sicherungsvertrag bleibt davon grundsätzlich unberührt, so dass der Sicherungsgeber grundsätzlich den Rückgewährsanspruch behält. Einreden aus dem Sicherungsvertrag, insbesondere die Einrede der Rückgewähr, können dann dem dinglichen Recht nicht mehr entgegengehalten werden. Der alte Eigentümer kann es nicht, weil sich gegen ihn der dingliche Anspruch nicht richtet. Der neue Eigentümer kann es nicht, weil die Einrede nur inter partes besteht. Der neue Eigentümer ist somit nur gesichert, wenn er entweder zur Einziehung des Rückgewährsanspruches ermächtigt ist oder wenn ihm dieser abgetreten wurde.243) Letzteres kann auch stillschweigend geschehen. ___________ 241) BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 = NZM 2003, 171 = ZIP 2003, 64; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 283/03, NZM 2007, 57. 242) BGH, Urt. v. 28.10.2003 – XI ZR 263/02, NZM 2004, 73 = ZIP 2004, 64. 243) Siehe oben § 51 V 4 m. w. N.

1097

IX. Verwaltung

3.

Widerrufsbelehrung

Soweit die Sicherungsabrede in der Situation des § 312b BGB abgegeben wer- 5.195 den sollte und nicht notariell beurkundet werden sollte, bedarf es einer Widerrufsbelehrung (§ 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB) gemäß dem Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB unter Beifügung eines Muster-Widerrufsformulars (Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Satz 2 EGBGB). 4.

Folgen des Widerrufs

Übt der Darlehensnehmer sein Widerrufsrecht aus, hat ihm der Darlehensge- 5.196 ber zwar die auf das Darlehen entrichteten Tilgungs- und Zinsleistungen zu erstatten; dem Darlehensgeber seinerseits ist allerdings der ausgezahlte Nettodarlehensbetrag zu erstatten und marktüblich zu verzinsen.241) Dieser Anspruch bleibt durch die Grundschuld gesichert.242) IX.

Verwaltung

1.

Allgemeines

Soweit neue Personen Partner des Darlehens- und Getränkelieferungsvertrages 5.197 werden, also insbesondere in der Situation des Betreiberwechsels und anderen Formen der Übernahme, ist zu prüfen, ob die Grundschuldsicherheit nicht neu verhandelt werden muss. Je nach Sachlage genügt auch eine Anpassung der Sicherungsabrede. 2.

Veräußerung

Das belastete Grundstück kann – solange noch Ansprüche des Getränkelieferan- 5.198 ten bestehen – nur mit der eingetragenen Grundschuld verkauft werden. Der Sicherungsvertrag bleibt davon grundsätzlich unberührt, so dass der Sicherungsgeber grundsätzlich den Rückgewährsanspruch behält. Einreden aus dem Sicherungsvertrag, insbesondere die Einrede der Rückgewähr, können dann dem dinglichen Recht nicht mehr entgegengehalten werden. Der alte Eigentümer kann es nicht, weil sich gegen ihn der dingliche Anspruch nicht richtet. Der neue Eigentümer kann es nicht, weil die Einrede nur inter partes besteht. Der neue Eigentümer ist somit nur gesichert, wenn er entweder zur Einziehung des Rückgewährsanspruches ermächtigt ist oder wenn ihm dieser abgetreten wurde.243) Letzteres kann auch stillschweigend geschehen. ___________ 241) BGH, Urt. v. 12.11.2002 – XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 = NZM 2003, 171 = ZIP 2003, 64; BGH, Urt. v. 26.9.2006 – XI ZR 283/03, NZM 2007, 57. 242) BGH, Urt. v. 28.10.2003 – XI ZR 263/02, NZM 2004, 73 = ZIP 2004, 64. 243) Siehe oben § 51 V 4 m. w. N.

1097

§ 51 Grundschuld

X.

Grundschuld und Getränkelieferungsvertrag

1.

Abstraktionsprinzip

5.199 Hinsichtlich einer wirksam bestellten Grundschuld244) kann die Frage einer eventuellen Sittenwidrigkeit des abgeschlossenen Getränkelieferungsvertrages zumeist als unerheblich dahinstehen. Selbst wenn der Getränkelieferungsvertrag an der Wirksamkeitshürde des § 138 Abs. 1 BGB scheitern sollte, ist das Abstraktionsprinzip zu beachten. Die Grundschuldbestellung als dingliches Verfügungsgeschäft ist von dem zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft in ihrem Bestand unabhängig. Zu den insofern durchweg nicht einschlägigen Ausnahmen gehört das wucherische Darlehen (§ 138 Abs. 2 BGB).245) Bei diesem liegt in der Bestellung der Sicherheit gerade die Erfüllung des sittenwidrigen Geschäfts. Dagegen werden im Anwendungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB das Verfügungsgeschäft von der Sittenwidrigkeit zugrunde liegender Verpflichtungsgeschäfte grundsätzlich nicht berührt. Dies ergibt sich insbesondere aus ihrer in der Regel bestehenden Neutralität. Gegen die Annahme einer Sittenwidrigkeit spricht auch, dass eine Nichtigkeit des dinglichen Verfügungsgeschäftes nur dann angenommen wird, wenn sich dieses darin erschöpft, die wegen Wuchers nichtige Forderung zu sichern.246) 2.

Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung

5.200 Grundsätzlich ist es denkbar, dass dem Duldungsanspruch die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 821 BGB entgegenstehen kann.247) XI.

Verwertung

1.

Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung

5.201 Der Anspruch des Getränkelieferanten auf Duldung der Zwangsvollstreckung folgt aus §§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB. 2.

Voraussetzungen der Verwertung

5.202 a) Grundlagen. Nach dem Zweck der (Sicherungs-)Grundschuld ist das Verwertungsrecht auch ohne besondere Abrede bei Fälligkeit der Forderung und nur zur Befriedigung der gesicherten Forderung gegeben. Das Verwertungsrecht entfällt durch endgültigen Fortfall des Sicherungszwecks. Daneben kann der Getränkelieferant auch die gesicherte Forderung geltend machen.

___________ 244) 245) 246) 247)

Dies gilt naturgemäß auch gegenüber wirksam bestellten Dienstbarkeiten. BGH, Urt. v. 8.7.1982 – III ZR 1/81, NJW 1982, 2767 = ZIP 1982, 1181. BGH, Urt. v. 8.7.1982 – III ZR 1/81, NJW 1982, 2767 = ZIP 1982, 1181. LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11.

1098

§ 51 Grundschuld

X.

Grundschuld und Getränkelieferungsvertrag

1.

Abstraktionsprinzip

5.199 Hinsichtlich einer wirksam bestellten Grundschuld244) kann die Frage einer eventuellen Sittenwidrigkeit des abgeschlossenen Getränkelieferungsvertrages zumeist als unerheblich dahinstehen. Selbst wenn der Getränkelieferungsvertrag an der Wirksamkeitshürde des § 138 Abs. 1 BGB scheitern sollte, ist das Abstraktionsprinzip zu beachten. Die Grundschuldbestellung als dingliches Verfügungsgeschäft ist von dem zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft in ihrem Bestand unabhängig. Zu den insofern durchweg nicht einschlägigen Ausnahmen gehört das wucherische Darlehen (§ 138 Abs. 2 BGB).245) Bei diesem liegt in der Bestellung der Sicherheit gerade die Erfüllung des sittenwidrigen Geschäfts. Dagegen werden im Anwendungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB das Verfügungsgeschäft von der Sittenwidrigkeit zugrunde liegender Verpflichtungsgeschäfte grundsätzlich nicht berührt. Dies ergibt sich insbesondere aus ihrer in der Regel bestehenden Neutralität. Gegen die Annahme einer Sittenwidrigkeit spricht auch, dass eine Nichtigkeit des dinglichen Verfügungsgeschäftes nur dann angenommen wird, wenn sich dieses darin erschöpft, die wegen Wuchers nichtige Forderung zu sichern.246) 2.

Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung

5.200 Grundsätzlich ist es denkbar, dass dem Duldungsanspruch die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 821 BGB entgegenstehen kann.247) XI.

Verwertung

1.

Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung

5.201 Der Anspruch des Getränkelieferanten auf Duldung der Zwangsvollstreckung folgt aus §§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB. 2.

Voraussetzungen der Verwertung

5.202 a) Grundlagen. Nach dem Zweck der (Sicherungs-)Grundschuld ist das Verwertungsrecht auch ohne besondere Abrede bei Fälligkeit der Forderung und nur zur Befriedigung der gesicherten Forderung gegeben. Das Verwertungsrecht entfällt durch endgültigen Fortfall des Sicherungszwecks. Daneben kann der Getränkelieferant auch die gesicherte Forderung geltend machen.

___________ 244) 245) 246) 247)

Dies gilt naturgemäß auch gegenüber wirksam bestellten Dienstbarkeiten. BGH, Urt. v. 8.7.1982 – III ZR 1/81, NJW 1982, 2767 = ZIP 1982, 1181. BGH, Urt. v. 8.7.1982 – III ZR 1/81, NJW 1982, 2767 = ZIP 1982, 1181. LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11.

1098

XI. Verwertung

b) Dem Getränkelieferanten steht seit dem Inkrafttreten des Risikobegrenzungs- 5.203 gesetzes am 19.8.2008 ein Recht auf Verwertung des haftenden Grundstücks erst nach vorgängiger Kündigung des Kapitals der Grundschuld zu (Pfandreife, § 1193 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies gilt auch dann, wenn ältere abweichende vertragliche Regelungen vorhanden sind. Soweit nicht die vertraglichen Voraussetzungen für die Kündigung gegeben sind, kann jedenfalls in der Zustellung einer Klageschrift die konkludente Kündigung gesehen werden.248) Die Zwangsversteigerung aus einer vollstreckbaren Sicherungsgrundschuld wegen 5.204 der dinglichen Zinsen setzt in Rechtsanalogie zu §§1234, 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB die Kündigung des Kapitals der Grundschuld oder die Androhung der Zwangsversteigerung und das Verstreichen einer Wartefrist von sechs Monaten voraus.249) c) Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate (§ 1193 Abs. 1 Satz 3 BGB). Ab- 5.205 weichende Bestimmungen sind bei Sicherungsgrundschulden seit dem 20.8.2008 nicht mehr zulässig (§ 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 229 § 18 Abs. 3 EGBGB, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Diese Einschränkungen (Kündigungsfrist, Unabdingbarkeit) gelten allerdings nicht für Grundschulden, die bis zum 19.8.2008 bestellt worden sind. 3.

Arten der Verwertung

Die Grundschuld belastet als beschränkt dingliches Recht das Eigentum an einem 5.206 oder mehreren Grundstücken (§§ 1131 f. BGB). Sie gewährt dem Gläubiger ein dingliches Verwertungsrecht im Sicherungsfall, welches durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück und mithaftende Gegenstände (§§ 1120 – 1127, 1131 BGB) ausgeübt wird. Sollte der Vertragspartner seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Getränke- 5.207 lieferungsvertrag nicht nachkommen, kann sich der Getränkelieferant durch Zwangsverwaltung und/oder Zwangsversteigerung des belasteten Grundstücks befriedigen (§§ 1192 Abs. 1, 1147 BGB). 4.

Überlegenswertes

Unabhängig davon, ob der Betreiber Hauseigentümer oder Pächter ist, muss sich 5.208 der Getränkelieferant vor der Stellung eines Antrages auf Zwangsversteigerung über die Konsequenzen Gedanken machen. Laufende Getränkelieferungsverträge und die daraus resultierenden Lieferrechte können gefährdet sein. Gleiches gilt für bestehende Sicherheiten. Umgekehrt ergeben sich daraus auch Chancen für die Neuakquisition einer Absatzstätte. Zu denken ist an die Kontaktaufnahme ___________ 248) LG Köln, Urt. v. 20.11.2012 – 4 O. 455/11. 249) BGH, Beschl. v. 30.3.2017 – V ZB 84/16, NJW 2017, 2469.

1099

§ 52 Bürgschaft

mit einem potentiellen Ersteher oder auch der Eigenerwerb durch den Getränkelieferanten. 5.

Ausbietungsgarantie

5.209 a) Inhalt. Bei drohenden Zwangsversteigerungen insbesondere auf Antrag von Drittgläubigern wird gegenüber dem betreibenden Gläubiger gelegentlich eine Ausbietungsgarantie abgegeben. Der Garant verpflichtet sich damit gegenüber dem Grundpfandgläubiger, für einen etwaigen Ausfall bei einer Zwangsversteigerung ganz oder teilweise einzustehen. Er übernimmt die Verpflichtung, in dem Zwangsversteigerungstermin ein Gebot in bestimmter Höhe abzugeben. Ziel ist es, dass der Grundpfandgläubiger aus der Zwangsversteigerung ohne Verlust hervorgeht. Ob der Garant auch zum Ausbieten verpflichtet ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu klären.250) 5.210 b) Form. Die Ausbietungsgarantie ist gem. § 311b BGB notariell zu beurkunden. Das Beurkundungserfordernis bezieht sich nicht nur auf die Veräußerungs- bzw. Erwerbsverpflichtung, sondern auf den Vertrag im Ganzen.251) 6.

Kosten

5.211 Für ein Wertgutachten, die Grundschuldbestellung, die Eintragung sowie Löschung der Grundschuld können erhebliche Kosten entstehen, die der Grundstückseigentümer zu tragen hat. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Einzelfall. Maßgeblich ist der Geschäftswert. § 52 Bürgschaft I.

Grundlagen

1.

Inhalt

5.212 Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet der Bürge sich durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber seinem Vertragspartner, dem Gläubiger, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines am Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht beteiligten Dritten, des sog. Hauptschuldners, einseitig einzustehen. Entgegen der irreführenden Formulierung in § 766 Satz 3 BGB verspricht der Bürge weder die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit noch die Erfüllung durch den Hauptschuldner, sondern ein „Einstehen“ (§ 765 BGB), d. h., dass er selbst dem Gläubiger möglichst das Gleiche verschafft wie die Erfüllung der Hauptschuld, und damit insofern „Befriedigung“ (§ 772 Abs. 1 BGB). Ein Erlöschen der Hauptschuld gem. § 362 Abs. 1 BGB ist damit nicht zwingend verbunden. ___________ 250) BGH, Urt. v. 16.3.2004 – XI ZR 335/02, BGHZ 158, 286 = NJW-RR 2004, 1128 = ZIP 2004, 968. 251) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

1100

§ 52 Bürgschaft

mit einem potentiellen Ersteher oder auch der Eigenerwerb durch den Getränkelieferanten. 5.

Ausbietungsgarantie

5.209 a) Inhalt. Bei drohenden Zwangsversteigerungen insbesondere auf Antrag von Drittgläubigern wird gegenüber dem betreibenden Gläubiger gelegentlich eine Ausbietungsgarantie abgegeben. Der Garant verpflichtet sich damit gegenüber dem Grundpfandgläubiger, für einen etwaigen Ausfall bei einer Zwangsversteigerung ganz oder teilweise einzustehen. Er übernimmt die Verpflichtung, in dem Zwangsversteigerungstermin ein Gebot in bestimmter Höhe abzugeben. Ziel ist es, dass der Grundpfandgläubiger aus der Zwangsversteigerung ohne Verlust hervorgeht. Ob der Garant auch zum Ausbieten verpflichtet ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu klären.250) 5.210 b) Form. Die Ausbietungsgarantie ist gem. § 311b BGB notariell zu beurkunden. Das Beurkundungserfordernis bezieht sich nicht nur auf die Veräußerungs- bzw. Erwerbsverpflichtung, sondern auf den Vertrag im Ganzen.251) 6.

Kosten

5.211 Für ein Wertgutachten, die Grundschuldbestellung, die Eintragung sowie Löschung der Grundschuld können erhebliche Kosten entstehen, die der Grundstückseigentümer zu tragen hat. Die Höhe der Kosten richtet sich nach dem Einzelfall. Maßgeblich ist der Geschäftswert. § 52 Bürgschaft I.

Grundlagen

1.

Inhalt

5.212 Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet der Bürge sich durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber seinem Vertragspartner, dem Gläubiger, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines am Abschluss des Bürgschaftsvertrages nicht beteiligten Dritten, des sog. Hauptschuldners, einseitig einzustehen. Entgegen der irreführenden Formulierung in § 766 Satz 3 BGB verspricht der Bürge weder die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit noch die Erfüllung durch den Hauptschuldner, sondern ein „Einstehen“ (§ 765 BGB), d. h., dass er selbst dem Gläubiger möglichst das Gleiche verschafft wie die Erfüllung der Hauptschuld, und damit insofern „Befriedigung“ (§ 772 Abs. 1 BGB). Ein Erlöschen der Hauptschuld gem. § 362 Abs. 1 BGB ist damit nicht zwingend verbunden. ___________ 250) BGH, Urt. v. 16.3.2004 – XI ZR 335/02, BGHZ 158, 286 = NJW-RR 2004, 1128 = ZIP 2004, 968. 251) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923.

1100

I. Grundlagen

2.

Person des Bürgen

a) Überblick. Als Bürge kommen in Betracht Kreditinstitute, in den Vertriebs- 5.213 modellen 2 – 4 als (Ausfall-)Bürgen Getränkefachgroßhändler252) oder deren Geschäftsführer253) bzw. Automatenaufsteller254), im Übrigen Privatpersonen,255) seien es Geschäftsführer einer GmbH,256) Familienangehörige oder sonstige Dritte, ehe selten Brauereien257). b) Personenverschiedenheit. Aus § 765 Abs. 1 BGB folgt das Verbot der Per- 5.214 sonenidentität von Bürge und Hauptschuldner („Dritter“). Insbesondere bei Bürgschaften eines Alleingesellschafters ist daher entscheidend, dass die Gesellschaft, für deren Schuld er sich verbürgt, bereits als Rechtsperson entstanden ist. Gesellschaftsrechtlich bedenklich ist insofern die Bürgschaft für eine Einpersonenvorgesellschaft, die das Stadium einer rechtsfähigen Gesellschaftsform noch nicht erreicht hat.258) 3.

Vertrag

Voraussetzung ist ein Vertrag zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger eines 5.215 Dritten. Die Annahme der Bürgschaftserklärung ist nach der Verkehrssitte in der Regel nicht zugangsbedürftig.259) Der Bürgschaftsvertrag kann auch zwischen dem Bürgen und einem Dritten zu Gunsten des Gläubigers (§ 328 Abs. 1 BGB) abgeschlossen werden. Daraus verpflichtet ist lediglich (einseitig) der Bürge.260) 4.

Form

a) Bürgschaftserklärung. aa) Grundsatz. Die Erklärung des Privatbürgen bedarf 5.216 grundsätzlich der einfachen gesetzlichen Schriftform (§§ 766 Satz 1, 126 BGB) und somit einer eigenhändigen Unterschrift des Bürgen. bb) Erleichterung. Ist die Bürgschaft auf Seiten des Bürgen ein Handelsgeschäft 5.217 (§§ 343 Abs. 1, 344 HGB), gilt das Schriftformerfordernis nicht (§ 350 HGB). Praktisch wird dies bei Bürgschaften von Kreditinstituten und Getränkelieferanten. ___________ 252) 253) 254) 255) 256) 257) 258) 259) 260)

Siehe unten § 57 V 1 m. w. N. OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336. OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517. BGH, Urt. v. 9.7.2001 – II ZR 228/99, NJW 2002, 747 = ZIP 2001, 1410. BGH, Urt. v. 19.3.1989 – IX ZR 171/88, NJW 1989, 1605 = ZIP 1989, 629. BGH, Urt. v. 6.5.2003 – IX ZR 226/02, NJW 2203, 2202; OLG Köln, Urt. v. 26.2.2000 – 12 U 89/00.

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§ 52 Bürgschaft

5.218 Die Formerleichterung durch § 350 HGB gilt für alleingeschäftsführende Gesellschafter einer GmbH nicht analog. Die Übernahme einer Bürgschaft stellt kein Handelsgeschäft i. S. d. Vorschrift dar. Daran ändert auch der Besitz aller oder einiger GmbH-Anteile durch den Geschäftsführer nichts, weil die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zur reinen Vermögensverwaltung zählt. Daher ist auch insofern das Formerfordernis des § 766 Satz 1 BGB zu beachten.261) 5.219 cc) Bürgschaftserklärungen von Privatpersonen per Telefax erfüllen das Schriftformerfordernis nicht. Sie sind nichtig (§ 125 Satz 1 BGB). Gleiches gilt für die Erteilung einer Bürgschaftserklärung in elektronischer Form, insbesondere durch E-Mail (§§ 766 Satz 2, 125 Satz 1 BGB). 5.220 dd) Blankobürgschaft. § 766 Satz 1 BGB bezweckt, dem Bürgen das Bürgschaftsrisiko vor Augen zu führen und ihn vor einer übereilten Verpflichtung zu warnen.262) Daher kann eine formbedürftige Bürgschaft nicht in der Weise erteilt werden, dass der Bürge eine Blankounterschrift leistet und einen anderen mündlich ermächtigt, die Urkunde hinsichtlich der Angaben zur Person des Gläubigers oder des Hauptschuldners oder zur Forderungshöhe zu ergänzen. Es ist erforderlich, dass dem Unterzeichnenden „schwarz auf weiß“ die inhaltlichen Merkmale des Vertrages bewusst gemacht werden. Gutgläubigen Dritten, die der Urkunde die Reihenfolge ihrer Ausfüllung nicht ansehen können, haftet der Bürge entsprechend § 172 Abs. 2 BGB, nicht jedoch gegenüber dem nicht schutzwürdigen, ausfüllenden Gläubiger.263) 5.221 b) Annahmeerklärung. Liegt ein wirksames Angebot des Bürgen vor, so bedarf dieses nach § 147 BGB der sofortigen Annahme durch den Gläubiger. Die Annahmeerklärung ist formlos gültig und kann daher auch stillschweigend gem. § 151 Satz 1 BGB erfolgen.264) Aus Beweisgründen sollte sie jedenfalls in Textform zur Akte festgehalten werden. 5.

Akzessorietät

5.222 a) Allgemein. Die Bürgschaft setzt eine bestehende Verbindlichkeit voraus (sog. Akzessorietät). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB („der jeweilige Bestand“), der auf den materiell-rechtlichen Bestand der Hauptschuld Bezug nimmt, welcher durch die rechtskräftige Verurteilung des ___________ 261) BGH, Urt. v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467 = ZIP 1996, 745; BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68. 262) BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 36/98, NJW 2000, 1179 = ZIP 2000, 451. Zum Einwand des abredewidrigen Ausfüllens vgl. LG Potsdam, Urt. v. 21.2.2001 – 12 O. 20/97. 263) BGH, Urt. v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467 = ZIP 1996, 745; BGH, Urt. v. 20.3.1997 – IX ZR 83/96, NJW 1997, 1779 = ZIP 1997, 836. 264) BGH, Urt. v. 10.2.2000 – IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381 = NJW 2000, 1563 = ZIP 2000, 576; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.2004 – 17 U 166/04, BeckRS 2005, 06529.

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I. Grundlagen

Hauptschuldners nicht beeinflusst wird. Sinn und Zweck der Übernahme der Bürgschaft ist, wie sich aus § 765 Abs. 1 BGB ergibt, die Sicherung der Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner, wenn deren anderweitige Erfüllung unterbleibt. Akzessorietät bedeutet die dauernde Abhängigkeit eines Sicherungsrechts vom Bestand des gesicherten Rechts.265) b) Insolvenz. Handelt es sich bei der Hauptschuldnerin um eine GmbH, die 5.223 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht wurde (§ 394 FamFG), so führt die Löschung der GmbH dazu, dass die gegen sie gerichteten Forderungen untergehen. Zwar ist die Bürgschaftsschuld aufgrund des in § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB verankerten Grundsatzes der dauernden Akzessorietät vom Bestand und dem Umfang der zu sichernden Hauptforderung abhängig. Die Bürgschaft dient aber dem Gläubiger der zu sichernden Forderung gerade dazu, den Fall der Zahlungsunfähigkeit bzw. Vermögenslosigkeit des Schuldners abzusichern. Dieser Sicherungszweck würde vereitelt, wenn der Bürge sich auf den Untergang der Hauptschuld aufgrund der Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit berufen könnte.266) c) Bürge und Hauptschuldner. Bürge und Hauptschuldner sind im Innenver- 5.224 hältnis keine Gesamtschuldner, weil bei Leistung des Bürgen die Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen übergeht.267) Dies gilt auch für den Fall des Verzichts auf die Einrede der Vorausklage. Gleichwohl erscheint die Behandlung von Hauptschuldnern und Bürgen wie 5.225 Gesamtschuldner in einem Urteil gegen beide geboten, weil der Gläubiger sonst uneingeschränkt vollstreckbare Titel gegen beide Personen erhielte.268) 6.

Mindestinhalt der Bürgschaftserklärung

a) Grundsatz. Das Schriftformerfordernis für die Bürgschaftserklärung (§ 766 5.226 Satz 1 BGB) bezweckt die Warnung des Bürgen vor der mit der Bürgschaft verbundenen strengen Haftung. Der BGH fordert daher neben der Erklärung des Willens, für eine fremde Schuld einzustehen, auch die genaue Bezeichnung des Gläubigers, der verbürgten Hauptschuld, Name und Anschrift des Hauptschuldners und des Gläubigers.269) Verbleibende Unklarheiten gehen zulasten des Gläu___________ 265) BGH, Urt. v. 25.11.1981 – VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 323 = NJW 1982, 875 = ZIP 1982, 294. 266) BGH, Urt. v. 14.6.2016 – XI ZR 242/15, BGHZ 210, 348 = NJW 2016, 3158 = ZIP 2016, 866. 267) OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.6.2007 – I-10 U 19/07, BeckRS 2007, 19461. 268) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 269) BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 = ZIP 1995, 812. Beispielhaft OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.9.2012 – 1-24 U 4/12, BeckRS 2013, 17358; LG Potsdam, Urt. v. 21.2.2001 – 12 O. 20/97.

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§ 52 Bürgschaft

bigers.270) Ergeben sich die vorgenannten Bestandteile nicht bereits aus dem Wortlaut der Bürgschaftserklärung, so können zur Auslegung auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden, sofern ein zureichender Anhaltspunkt in der Urkunde besteht, der Inhalt der Bürgschaftsverpflichtung also dort irgendwie seinen Ausdruck gefunden hat (sog. Andeutungstheorie).271) 5.227 b) Zukünftige Ansprüche. Wie § 765 Abs. 2 BGB zeigt, steht die bloße Tatsache, dass sich bei den gesicherten Ansprüchen um zukünftige handelt, der Wirksamkeit einer Bürgschaftserklärung nicht entgegen. Jedenfalls sollte auch insofern Bestimmbarkeit gegeben sein. Anderenfalls ist das Schriftformerfordernis nicht gewahrt. Grundsätzlich zulässig ist es somit, wenn sich der vorformulierte Sicherungszweck erst auf eine zukünftige bedingte Forderung bezieht, deren Entstehung noch ungewiss ist.272) 7.

Zweckerklärung

5.228 a) Erforderlichkeit. Die Bürgschaft trägt den Sicherungszweck in sich. Daher bedarf es grundsätzlich keiner Sicherungsabrede. Der sachliche und persönliche Umfang der Bürgschaftsverpflichtung einschließlich der Bestimmbarkeit richten sich vielmehr nach dem Bürgschaftszweck, dessen Reichweite durch Auslegung zu ermitteln ist.273) Im Übrigen ist der jeweilige Umfang der Hauptverbindlichkeit (§ 767 Abs. 1 (Satz 1) BGB, Grundsatz der strengen Akzessorietät) maßgebend. 5.229 b) Enge Zweckerklärung. Im Ergebnis kann eine enge Zweckerklärung vorliegen, nach der die Bürgschaft eine oder mehrere genau bestimmte (bestimmbare) Forderungen des Getränkelieferanten gegen den Hauptschuldner sichern soll. 5.230 c) Rückzahlungsanspruch. Ein Bürge haftet für einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB nur dann, wenn die Auslegung des Vertrages dies ergibt.274) So etwa, wenn der Bürge, beispielsweise ein Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, die Bürgschaft auch im eigenen, jedenfalls mittelbaren Interesse übernommen hat.275) Ebenfalls wirksam ist die Einbeziehung von Rückabwicklungsansprüchen aus dem Hauptvertrag.276) ___________ 270) BGH, Urt. v. 1.7.2003 – XI ZR 363/02, BeckRS 2003, 06252. 271) BGH, Urt. v. 30.3.1995 – IX ZR 98/94, NJW 1995, 1886 = ZIP 1995, 812; OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.1.2015 – VI-U (Kart) 17/14, BeckRS 2015, 06787. 272) BGH, Urt. v. 7.3.1996 – IX ZR 43/95, NJW 1996, 1470. 273) OLG Köln, Urt. v. 26.2.2000 – 12 U 89/00; OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05; OLG Saarbrücken, Urt. v. 8.11.2005 – 4 U 1424/04, BeckRS 2006, 00559. 274) BGH, Urt. v. 20.10.2000 – XI ZR 237/99, NJW-RR 2000, 1431 = ZIP 2000, 1376. 275) BGH, Urt. v. 12.2.1987 – III ZR 178/85, NJW 1987, 2076 = ZIP 1987, 697. 276) BGH, Urt. v. 2.11.1989 – III ZR 143/88, NJW 1990, 981 = ZIP 1990, 29.

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I. Grundlagen

d) Weite Zweckerklärung. a) Begriff. Eine weite Zweckerklärung liegt vor, 5.231 wenn die Bürgschaft zur Sicherung sämtlicher bestehender und unbestimmt vieler künftiger Forderungen des Getränkelieferanten gegen den Hauptschuldner aus der Geschäftsbeziehung, etwa aus Finanzierung, Bindung und Lieferung, dienen soll.277) bb) Anlassrechtsprechung. aaa) Einbeziehung. Wenn der Verwender von 5.232 dem gesetzlichen Leitbild des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB abweicht und dem mit dem Hauptschuldner nicht identischen Sicherungsgeber aus Anlass der Verbürgung für einen bestimmten, der Höhe nach begrenzten Kredit eine Klausel vorlegt, nach der dieser auch für künftige Forderungen einzustehen hat, dann liegt darin bereits eine überraschende Wirkung (§ 305c Abs. 1 BGB).278) Diese Grundsätze finden auch im unternehmerischen Verkehr Anwendung. Allerdings kann eine unzulässige Überraschung entfallen. Zu denken ist insbesondere an drei Fallgruppen: Erstens fehlt es an einer Überraschungswirkung, wenn der Bürge sich für alle be- 5.233 stehenden und künftigen Forderungen hier einer Brauerei gegenüber der Hauptschuldnerin verbürgt und sich diese Erklärung ausdrücklich auch auf „etwaige Nachtrags- und Folgevereinbarungen, insbesondere auch Vertragsverlängerungen“ bezog.279) Das Überraschungsmoment entfällt zweitens, wenn sich der Bürge bei der Über- 5.234 nahme der Bürgschaft die Schulden, für die er einzustehen verspricht, überhaupt nichts konkret vorstellt. So muss er sich wenigstens hinsichtlich der Größenordnung Gedanken gemacht haben, weil jemand, der sich blindlings verbürgt, nicht überrascht sein kann, wenn die Haftung auch auf künftige Forderungen erstreckt wird. Eine Überraschung kann nämlich nach dem Wortsinn nur eintreten, wenn ein Vergleich zwischen erwarteten und eingetretenen Ereignissen oder Umständen einen Unterschied ergibt. Hat der Bürge – wie häufig – keine konkreten Erwartungen an die Verpflichtung geknüpft, so kann die Klausel auch nicht von seinen Erwartungen abweichen.280) Keine Dritten im Sinne der Anlassrechtsprechung sind drittens Personen, für 5.235 die das Risiko weiterer Verpflichtungen des Hauptschuldners berechenbar und vermeidbar ist. Kann der Bürge die Art und Höhe der Verbindlichkeiten des ___________ 277) OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487. 278) BGH, Urt. v. 1.6.1994 – XI ZR 133/93, BGHZ 126, 174 = NJW 1994, 2145 = ZIP 1994, 1096; BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 20.3.2002 – IV ZR 93/01, NJW 2002, 2710; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193; OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 279) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080. 280) BGH, Urt. v. 1.6.1994 – XI ZR 133/93, BGHZ 126, 174 = NJW 1994, 2145 = ZIP 1994, 1096.

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§ 52 Bürgschaft

Hauptschuldners bestimmen und beeinflussen, so bedarf er nicht des ‚Schutzes vor Fremddisposition gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB. Wer sich als Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des Hauptschuldners verbürgt, kann daher regelmäßig nicht überrascht sein.281) Dritte sind hingegen etwa ein Kommanditist282) oder der Ehegatte des Hauptschuldners.283) 5.236 bbb) Kontrollfähigkeit § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sperrt nicht die Prüfung einer (Global-)Bürgschaft nach den §§ 307 – 309 BGB. Hierfür ist die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB ausschlaggebend.284) 5.237 ccc) § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB. Das Gesetz (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB) setzt eine summenmäßige Beschränkung der Bürgschaft als selbstverständlich voraus. Der Rechtsgedanke des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB überlagert die gesetzlichen Regelungen der §§ 765 Abs. 2, 767 BGB, wonach eine Bürgschaft auch für künftige, der Höhe nach nicht feststehende Forderungen zulässig ist, wenn sie von vornherein für künftige, aus einer bestimmten Geschäftsverbindung entstehende Ansprüche übernommen worden ist.285) Konsequenz ist, dass jede Abweichung von dem Leitbild des § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB einen Anwendungsfall des § 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB darstellt.286) 5.238 Dies gilt allerdings zum einen nicht für Personen, die sich als Geschäftsführer, Allein- oder Mehrheitsgesellschafter des Hauptschuldners verbürgen und über Art und Höhe der Verbindlichkeit informiert sind und diese beeinflussen können.287) Das Verbot der Fremddisposition schließt zum anderen solche Änderungen oder Erweiterungen nicht aus, die schon von der Bürgschaftserklärung erfasst waren. Wer für alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus einem Vertragsverhältnis, einschließlich etwaiger Nachtrags- und Folgevereinbarun___________ 281) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65; BGH, Urt. v. 16.12.1999 – IX ZR 36/98, NJW 2000, 1179 = ZIP 2000, 451; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 282) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244. 283) BGH, Urt. v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, BGHZ 106, 19 = NJW 1989, 833 = ZIP 1989, 85. 284) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 7.3.1996 – IX ZR 43/95, NJW 1996, 1470. 285) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 194/00, BGHZ 151, 374 = NJW 2002, 3167 = ZIP 2002, 1611; BGH, Urt. v. 16.1.2003 – IX ZR 171/00, BGHZ 153, 293 = NJW 2003, 1521 = ZIP 2003, 621; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193. 286) Palandt-Sprau, BGB, § 765 Rz. 20. 287) BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65; BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 194/00, BGHZ 151, 374 = NJW 2002, 3167 = ZIP 2002, 1611; BGH, Urt. v. 16.1.2003 – IX ZR 171/00, BGHZ 153, 293 = NJW 2003, 1521 = ZIP 2003, 621; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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I. Grundlagen

gen bürgt, muss diesen Folgevereinbarungen gerade nicht mehr nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB zustimmen, weil sie schon von der Bürgschaftserklärung umfasst sind.288) ddd) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Klausel in einem Bürgschaftsformular, die 5.239 die Haftung des Bürgen auf alle bestehenden Ansprüche gegen den Hauptschuldner erstreckt, ohne die verbürgten Forderungen näher zu bezeichnen, verstößt grundsätzlich gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist daher unwirksam.289) eee) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 5.240 Abs. 1 BGB im Übrigen ist nicht anzunehmen.290) fff) Rechtsfolge. Eine unzulässige formularmäßige Ausdehnung der Bürgen- 5.241 haftung auf alle Forderungen aus einer Vertragsverbindung führt nur (Reduktion) dazu, dass dieser Teil nicht Bestandteil des Vertrages wird. Die Zweckerklärung ist vielmehr in der Form aufrechtzuerhalten, dass die Bürgschaft sich auf alle bestehenden Forderungen gegen den Hauptschuldner aus dem gesicherten Hauptschuldverhältnis bezieht.291) Im Ergebnis bleibt somit die Sicherungszweckklausel regelmäßig in dem Umfang wirksam, als die Sicherung derjenigen Ansprüche erfasst wird, die Anlass der Übernahme der Bürgschaft (bzw. der Stellung der Sicherheit, insbesondere der Grundschuld) waren.292) ggg) Einzelfälle. Die vorstehend skizzierten Grundsätze der Anlassrechtspre- 5.242 chung gelten zwar grundsätzlich auch für Bürgschaftsverpflichtungen, die zur Besicherung von durch Getränkelieferanten ausgereichten Darlehen mit Getränkebezugsverpflichtung dienen. Durch die Formulierung „… alle bestehenden und künftigen Forderungen der Brauerei gegen Herrn … aus der zwischen den Vorgenannten über die Absatzstätte … geschlossenen Vereinbarungen von …“ ergibt sich aber, dass beliebige künftige Forderungen aus neuen Verträgen oder aus erweiternden Änderungen des bestehenden Vertragsverhältnisses nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Bürgschaft nicht gesichert sind. Zu den gesicherten künftigen Forderungen aus dem streitgegenständlichen Getränkelieferungsvertrag zählen der Darlehensrückzahlungsanspruch sowie Ansprüche ___________ 288) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 289) BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 9/13, BeckRS 2013, 22080. 290) OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. 291) BGH, Urt. v. 18.5.1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19 = NJW 1995, 2553 = ZIP 1995, 1244; BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153 = NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16; BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65; BGH, Urt. v. 16.1.2003 – IX ZR 171/00, BGHZ 153, 293 = NJW 2003, 1521 = ZIP 2003, 621; OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05; LG Köln, Urt. v. 14.9.2010 – 22 O. 38/10. 292) BGH, Urt. v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153 = NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16.

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§ 52 Bürgschaft

auf Ausgleich und Schadensersatz im Falle der Nichterfüllung der vom Hauptschuldner übernommenen Getränkebezugsverpflichtung. Eine solche Erstreckung des Sicherungszwecks auf künftige Forderungen in Gestalt von Ausgleichs- und Schadensersatzansprüchen bei Nichterfüllung der Getränkebezugspflicht ist auch nicht ungewöhnlich i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.293) 8.

Exkurs: Eigenhaftung des Vertreters

5.243 Ist in der über den Hauptvertrag aufgenommenen Urkunde die Bestimmung über die Eigenhaftung des Vertreters räumlich in den Text des Hauptvertrages integriert, fehlt es grundsätzlich an der von § 309 Nr. 11 a BGB geforderten gesonderten Erklärung.294) II.

Werthaltigkeit und Bonität

1.

Privatpersonenbürgschaften

5.244 Anders als der Grundschuldgläubiger haftet der Bürge mit seinem gesamten Vermögen. Die Realisierung von Bürgschaften hängt von der Zahlungsfähigkeit des Bürgen ab. Überschuldete, mittellose Personen, insbesondere auch Familienangehörige, scheiden daher nicht nur aus Rechtsgründen als taugliche Bürgen aus. Im Übrigen kann sich die Bonität des Bürgen, also seine Vermögens- und Einkommenssituation, nach Gestellung der Bürgschaft verändert haben. Im Interesse des Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer liegt es, sich an den Grundsätzen der Sicherheitsleistung durch Bürgen zu orientieren. Danach ist ein Bürge tauglich, wenn er ein in der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (§ 239 Abs. 1 BGB). Die Vorschriften der §§ 505a – 505d BGB gelten dagegen nicht.295) 2.

Bankbürgschaften

5.245 Der im Regelfall gegebenen erhöhten Bonität jedenfalls einer inländischen Bank stehen zu beachtende Fallstricke in der Vertragsgestaltung seitens der Kreditinstitute gegenüber. Es ist darauf zu achten, dass die Bürgschaft unbedingt und möglichst unbefristet ist. Interessengerecht ist die Hereinnahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (§§ 771, 239 Abs. 2 BGB). Dies ist bei Banken als Kaufleuten kraft Gesetzes (§ 349 Satz 1 HGB) durchweg der Fall. 5.246 Der Vertragstext, häufig auch die AGB der Banken, enthalten nicht selten das Recht derselben zur Hinterlegung. Diese Hinterlegungsklausel ist als nachtei___________ 293) OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428; dazu bereits OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. 294) BGH, Urt. v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, BGHZ 148, 302 = NJW 2001, 3186 = ZIP 2001, 1544. 295) Siehe unten § 52 VI 1 b m. w. N.

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§ 52 Bürgschaft

auf Ausgleich und Schadensersatz im Falle der Nichterfüllung der vom Hauptschuldner übernommenen Getränkebezugsverpflichtung. Eine solche Erstreckung des Sicherungszwecks auf künftige Forderungen in Gestalt von Ausgleichs- und Schadensersatzansprüchen bei Nichterfüllung der Getränkebezugspflicht ist auch nicht ungewöhnlich i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.293) 8.

Exkurs: Eigenhaftung des Vertreters

5.243 Ist in der über den Hauptvertrag aufgenommenen Urkunde die Bestimmung über die Eigenhaftung des Vertreters räumlich in den Text des Hauptvertrages integriert, fehlt es grundsätzlich an der von § 309 Nr. 11 a BGB geforderten gesonderten Erklärung.294) II.

Werthaltigkeit und Bonität

1.

Privatpersonenbürgschaften

5.244 Anders als der Grundschuldgläubiger haftet der Bürge mit seinem gesamten Vermögen. Die Realisierung von Bürgschaften hängt von der Zahlungsfähigkeit des Bürgen ab. Überschuldete, mittellose Personen, insbesondere auch Familienangehörige, scheiden daher nicht nur aus Rechtsgründen als taugliche Bürgen aus. Im Übrigen kann sich die Bonität des Bürgen, also seine Vermögens- und Einkommenssituation, nach Gestellung der Bürgschaft verändert haben. Im Interesse des Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer liegt es, sich an den Grundsätzen der Sicherheitsleistung durch Bürgen zu orientieren. Danach ist ein Bürge tauglich, wenn er ein in der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzt und seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (§ 239 Abs. 1 BGB). Die Vorschriften der §§ 505a – 505d BGB gelten dagegen nicht.295) 2.

Bankbürgschaften

5.245 Der im Regelfall gegebenen erhöhten Bonität jedenfalls einer inländischen Bank stehen zu beachtende Fallstricke in der Vertragsgestaltung seitens der Kreditinstitute gegenüber. Es ist darauf zu achten, dass die Bürgschaft unbedingt und möglichst unbefristet ist. Interessengerecht ist die Hereinnahme einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (§§ 771, 239 Abs. 2 BGB). Dies ist bei Banken als Kaufleuten kraft Gesetzes (§ 349 Satz 1 HGB) durchweg der Fall. 5.246 Der Vertragstext, häufig auch die AGB der Banken, enthalten nicht selten das Recht derselben zur Hinterlegung. Diese Hinterlegungsklausel ist als nachtei___________ 293) OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428; dazu bereits OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. 294) BGH, Urt. v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, BGHZ 148, 302 = NJW 2001, 3186 = ZIP 2001, 1544. 295) Siehe unten § 52 VI 1 b m. w. N.

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III. Bürgschaftsformen

lig zu streichen, um Durchsetzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Der Getränkelieferant ist nämlich im Falle der Hinterlegung verpflichtet, gegen den Sicherungsgeber auf Freigabe des hinterlegten Betrags zu klagen. Dieses verzögert nicht nur die Befriedigung, sondern lässt auch Anwalts- und Gerichtskosten entstehen. III.

Bürgschaftsformen

Entsprechend dem Inhalt der Bürgschaftserklärung unterscheidet man verschie- 5.247 dene Bürgschaftsformen. Praktische Relevanz haben insbesondere folgende Formen der Bürgschaft: 1.

Selbstschuldnerische Bürgschaft296)

Auf den Ausdruck „selbstschuldnerische Bürgschaft“ kommt es nicht an. Der Wil- 5.248 le der Parteien ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft steht dem Bürgen das Recht der Einrede der Vorausklage gem. §§ 771, 772 BGB nicht zu (Vermutung nach § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB, vergleiche auch § 239 Abs. 2 BGB). Wenn der Hauptschuldner die verbürgte Verbindlichkeit bei Fälligkeit nicht begleicht, ist der Bürge zur sofortigen Zahlung an den Gläubiger verpflichtet. Der Bürge hat auf die Subsidiarität seiner Haftung verzichtet mit der Folge, dass der Gläubiger ihn wahlweise zum Hauptschuldner in Anspruch nehmen kann. Voraussetzung ist eine entsprechende Verzichtserklärung des Bürgen, die der Schriftform nach § 766 Satz 1 BGB bedarf. Ist der Bürge Kaufmann und die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft (§§ 343 Abs. 1, 344 HGB), so steht dem Bürgen das Recht zur Einrede der Vorausklage kraft Gesetzes (§ 349 Satz 1 HGB) nicht zu. 2.

Höchstbetragsbürgschaft

a) Allgemeines. Bei der Höchstbetragsbürgschaft haftet der Bürge zwar für die 5.249 gesamte Hauptschuld, allerdings nur bis zum vereinbarten Höchstbetrag.297) Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Erfüllungs- oder Nichterfüllungsansprüche handelt.298) Insofern wird für noch unbestimmte, insbesondere künftige Verbindlichkeiten aus laufender Geschäftsverbindung oder für feststehende Verbindlichkeiten die Haftung übernommen, wobei das Risiko des Bürgen durch Vereinbarung eines Höchstbetrages beschränkt ist. Dabei kann die Bürgschaft selbst sum___________ 296) OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 297) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 194/00, BGHZ 151, 374 = NJW 2002, 3167 = ZIP 2002, 1611; OLG Köln, Urt. v. 29.8.2001 – 11 U 16/01, BeckRS 2002, 95695; OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 298) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825.

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III. Bürgschaftsformen

lig zu streichen, um Durchsetzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Der Getränkelieferant ist nämlich im Falle der Hinterlegung verpflichtet, gegen den Sicherungsgeber auf Freigabe des hinterlegten Betrags zu klagen. Dieses verzögert nicht nur die Befriedigung, sondern lässt auch Anwalts- und Gerichtskosten entstehen. III.

Bürgschaftsformen

Entsprechend dem Inhalt der Bürgschaftserklärung unterscheidet man verschie- 5.247 dene Bürgschaftsformen. Praktische Relevanz haben insbesondere folgende Formen der Bürgschaft: 1.

Selbstschuldnerische Bürgschaft296)

Auf den Ausdruck „selbstschuldnerische Bürgschaft“ kommt es nicht an. Der Wil- 5.248 le der Parteien ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft steht dem Bürgen das Recht der Einrede der Vorausklage gem. §§ 771, 772 BGB nicht zu (Vermutung nach § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB, vergleiche auch § 239 Abs. 2 BGB). Wenn der Hauptschuldner die verbürgte Verbindlichkeit bei Fälligkeit nicht begleicht, ist der Bürge zur sofortigen Zahlung an den Gläubiger verpflichtet. Der Bürge hat auf die Subsidiarität seiner Haftung verzichtet mit der Folge, dass der Gläubiger ihn wahlweise zum Hauptschuldner in Anspruch nehmen kann. Voraussetzung ist eine entsprechende Verzichtserklärung des Bürgen, die der Schriftform nach § 766 Satz 1 BGB bedarf. Ist der Bürge Kaufmann und die Bürgschaft für ihn ein Handelsgeschäft (§§ 343 Abs. 1, 344 HGB), so steht dem Bürgen das Recht zur Einrede der Vorausklage kraft Gesetzes (§ 349 Satz 1 HGB) nicht zu. 2.

Höchstbetragsbürgschaft

a) Allgemeines. Bei der Höchstbetragsbürgschaft haftet der Bürge zwar für die 5.249 gesamte Hauptschuld, allerdings nur bis zum vereinbarten Höchstbetrag.297) Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Erfüllungs- oder Nichterfüllungsansprüche handelt.298) Insofern wird für noch unbestimmte, insbesondere künftige Verbindlichkeiten aus laufender Geschäftsverbindung oder für feststehende Verbindlichkeiten die Haftung übernommen, wobei das Risiko des Bürgen durch Vereinbarung eines Höchstbetrages beschränkt ist. Dabei kann die Bürgschaft selbst sum___________ 296) OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435. 297) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 194/00, BGHZ 151, 374 = NJW 2002, 3167 = ZIP 2002, 1611; OLG Köln, Urt. v. 29.8.2001 – 11 U 16/01, BeckRS 2002, 95695; OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; LG Berlin, Urt. v. 17.9.2014 – 20 O. 211/14. 298) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825.

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§ 52 Bürgschaft

menmäßig begrenzt oder auf eine durch Höchstbetrag begrenzte Hauptschuld bezogen werden. Bei Vereinbarung einer Höchstbetragsbürgschaft werden die über den Höchstbetrag hinausgehenden Nebenansprüche (Zinsen, Zinsrückstände, Zinseszinsen, Provisionen und Kosten etc.) grundsätzlich nicht miterfasst, weil es dem Wesen des Höchstbetrags entspricht, die höchste verbürgte Summe anzugeben. Nur durch individualvertragliche Vereinbarung kann die Haftung des Bürgen darüber hinaus ausgedehnt werden.299) Eine Haftungserweiterungsklausel hat daher keinen Bestand, wenn dadurch der vereinbarte Höchstbetrag überschritten wird (§§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB).300) 5.250 b) Mehrere Bürgen. Haften mehrere Bürgen nur bis zu einem Höchstbetrag für eine deutlich höhere Hauptschuld, so ist es eine Frage der Auslegung, ob die Höchstbetragsbürgen für denselben Sockelbetrag und damit als bloße Mitbürgen (§ 769 BGB) oder sie nicht nebeneinander und selbstständig für die benannten Teilbeträge der Hauptschuld als Teilbürgen haften. Für Letzteres spricht der Bezug auf jeweils der Höhe nach benannten Teile der gesicherten Hauptforderung. Der bezifferte Höchstbetrag beschreibt dann nicht die besicherte Forderung, sondern nur das maximale Bürgschaftsrisiko. Fehlt eine eindeutige Nebenbürgschaftsklausel, so spricht das Sicherungsinteresse des Gläubigers dafür, im Zweifel die gesamte Hauptschuld durch die additive Verwendung der Höchstbetragsbürgschaften abzusichern. Die Haftung ist dann nicht für denselben Teilbetrag einer den Höchstbetrag übersteigenden Hauptschuld beschränkt.301) 3.

Mitbürgschaft

5.251 Bei der Mitbürgschaft haften mehrere Personen gemeinschaftlich (§ 427 BGB) für dieselbe Verbindlichkeit des Hauptschuldners als Gesamtschuldner und dies auch dann, wenn sie die Bürgschaft nicht gemeinschaftlich übernommen haben (§ 769 BGB). Damit kann der Gläubiger jeden Mitbürgen nach seiner Wahl ganz oder teilweise in Anspruch nehmen (§ 421 Satz 1 BGB). Da § 769 BGB abdingbar ist,302) kann eine sog. Nebenbürgschaftsklausel vereinbart werden. Dann führt die Leistung eines Bürgen nicht zur Befreiung der anderen Mitbürgen. Sollten die Mitbürgen nur für jeweils selbstständige Teile der Hauptschuld haften, macht es Sinn, den Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung und damit des § 769 BGB zu vereinbaren. Dann haften die Mitbürgen nur als Teilbürgen mit der Folge, dass sich die Bürgschaftsbeträge der verschiedenen Bürgen addieren.303) ___________ 299) BGH, Urt. v. 11.6.1980 – VIII ZR 164/79, BGHZ 77, 256 = NJW 1980, 2131 = ZIP 1980, 529. 300) BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 194/00, BGHZ 151, 374 = NJW 2002, 3167 = ZIP 2002, 1611; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193. 301) OLG München, Urt. v. 10.12.1997 – 3 U 3961/97, BeckRS 1997, 31130443 = ZIP 1998, 731. 302) BGH, Urt. v. 14.7.1983 – IX ZR 40/82, BGHZ 88, 185 = NJW 1982, 242 = ZIP 1983, 1041. 303) BGH, Urt. v. 7.11.1985 – IX ZR 40/85, NJW 1986, 928; BGH, Urt. v. 27.2.1989 – II ZR 182/88, NJW 1989, 2386.

1110

III. Bürgschaftsformen

4.

Zeitbürgschaft

Bei der Zeitbürgschaft ist die Haftung des Bürgen auf eine bestimmte Zeit be- 5.252 grenzt. Allerdings sind zwei Sachverhaltsgestaltungen denkbar. Zum einen kann sich die Erklärung des Bürgen dahin verstehen lassen, dass er nur für die Schulden des Hauptschuldners haftet, die in einem bestimmten Zeitraum fällig werden. Sind diese entstanden, haftet er unbefristet. Insofern liegt eine gegenständliche Beschränkung der Bürgschaft vor (Zeitbürgschaft i. w. S.). Zum anderen kann er für eine bestimmte Forderung, allerdings nur bis zum Ablauf der genannten Frist (Endtermin, §§ 163, 158 Abs. 2 BGB, zeitliche Beschränkung, Zeitbürgschaft i. e. S., § 777 Abs. 1 BGB), haften sollen. Daher bedarf es einer eindeutigen Regelung. 5.

Ausfallbürgschaft/Schadlosbürgschaft

Bei der Ausfallbürgschaft verpflichtet sich der Bürge, dem Gläubiger nur für den 5.253 endgültigen Ausfall der Hauptforderung einzustehen, und damit für das, was der Gläubiger trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt, insbesondere durch Geltendmachung seines Anspruchs gegen den Hauptschuldner, durch Zwangsvollstreckung und Verwertung anderer Sicherheiten nicht vom Hauptschuldner erlangen kann (subsidiäre Haftung). Sie wird verwendet, wenn sichergestellt werden soll, dass der Bürge nur nach allen anderen Beteiligten (Hauptschuldner wie anderen Sicherungsgebern) in Anspruch genommen werden soll. Auch hier liegt eine Beschränkung der Haftung des Bürgen auf einen Teil der Forderung vor. Insofern ist der Bürge nicht auf die Einrede der Vorausklage angewiesen, weil der endgültige Ausfall des Schuldners bereits zum anspruchsbegründenden Tatbestand gehört. 6.

Bürgschaft auf erstes Anfordern

a) Grundlagen. Bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern übernimmt der Bürge 5.254 nicht nur das bürgschaftstypische Regressrisiko, also das Insolvenzrisiko des Hauptschuldners, sondern auch das Risiko, im Fall einer materiell unberechtigten Inanspruchnahme mit seinem Rückforderungsanspruch beim Gläubiger auszufallen. Der Bürge hat auf erstes Anfordern zu zahlen, ohne die nähere Berechtigung der Forderung zu prüfen oder Einwendungen erheben zu können. Dem Bürgen werden vorübergehend sämtliche Einwendungen und Einreden (§§ 768, 770, 771, 776 BGB) aus dem Hauptschuldverhältnis abgeschnitten.304) Der Sicherungsfall tritt bereits durch die vertragskonforme Leistungsanforderung des Gläubigers ein. Der Bürge ist auf einfaches Verlangen des Gläubigers hin zur Bürgenleistung verpflichtet. Hierzu genügt die Behauptung des Gläubigers, der Hauptschuldner komme fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht nach (Behauptung des materiellen Bürgschaftsfalls). Weder bedarf es einer schlüssigen ___________ 304) BGH, Urt. v. 24.9.1998 – IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325 = NJW 1999, 55 = ZIP 1998, 1907.

1111

§ 52 Bürgschaft

Darlegung der Hauptforderung durch den Gläubiger noch der Klärung von Streitfragen, Einwendungen oder Einreden aus dem Hauptschuldverhältnis.305) Insbesondere kann der Bürge bei Zahlungsaufforderung und im Anforderungsoder Erstprozess nicht geltend machen, die Hauptschuld sei gar nicht entstanden oder bereits erloschen. Diese Möglichkeit steht dem Bürgen erst ist einem nachfolgenden Rückforderungsprozess306) gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB307) zu, in dem über den Eintritt des materiellen Bürgschaftsfalls zu entscheiden ist. Allerdings muss die Gläubigeranforderung alle formalen Anforderungen an die zu behauptenden und ggf. auch nachzuweisenden Umstände erfüllen, die in der Bürgschaftsurkunde festgelegt und für jeden ersichtlich sind. Zu denken ist etwa an die Verpflichtung zur Vorlage bestimmter Urkunden. 5.255 b) Inhaltskontrolle. Eine Zahlungspflicht „auf erstes Anfordern“ scheitert, soweit sie nicht individualvertraglich vereinbart ist, bereits an der Einbeziehungshürde des § 305c Abs. 1 BGB.308) Selbst wenn der Bürge geschäftserfahren ist, fragt es sich, ob die Zahlungspflicht des Bürgen auf erstes Anfordern als unzumutbare Belastung des Bürgen angesehen ist, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhält. Handelst es sich bei dem Bürgen um ein Kreditinstitut, so bestehen keine Bedenken. Gleiches gilt für die formularmäßige Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern durch einen mit solchen Erklärungen erfahrenen Kaufmann, der kein Kreditinstitut betreibt.309) Eine entsprechende Erklärung, auf „erstes Anfordern zu zahlen“, ist nur bei Bürgschaften von Banken, nicht aber bei Privatpersonenbürgschaften möglich. 7.

Rückbürgschaft

5.256 Die Rückbürgschaft sichert den Rückgriffsanspruch eines Bürgen gegen den Hauptschuldner.310) Im Zusammenhang mit Umwegfinanzierungen verlangen Getränkelieferanten gelegentlich Rückbürgschaften. Darin verpflichtet sich der Rückbürge gegenüber dem Bürgen, für die Erfüllung etwaiger Rückgriffsansprüche des Bürgen gegen den Hauptschuldner einzustehen.311) ___________ 305) BGH, Urt. v. 8.3.2001 – IX ZR 236/00, BGHZ 150, 299 = NJW 2002, 2388 = ZIP 2002, 1198. 306) BGH, Urt. v. 18.4.2002 – VII ZR 192/01, BGHZ 147, 99 = NJW 2001, 1857 = ZIP 2001, 833. 307) BGH, Urt. v. 2.5.1979 – VIII ZR 157/78, BGHZ 74, 244 = NJW 1979, 1500. 308) BGH, Urt. v. 10.9.2002 – XI ZR 305/01, NJW 2002, 3627 = ZIP 2002, 2034. 309) BGH, Urt. v. 23.1.1997 – IX ZR 297/95, NJW 1997, 1435 = ZIP 1997, 582; BGH, Urt. v. 8.3.2001 – IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99 = NJW 2001, 1857 = ZIP 2001, 833 (offen lassend). 310) BGH, Urt. v. 2.2.1989 – IX ZR 99/88, NJW 1989, 1484 = ZIP 1989, 434. 311) OLG Bamberg, Urt. v. 2.3.2005 – 3 U 132/04, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, vgl. BGH, Beschl. v. 11.7.2006 – XI ZR 5127/05; OLG Saarbrücken, Urt. v. 8.11.2005 – 4 U 1424/04, BeckRS 2006, 00559; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435.

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IV. Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft

IV.

Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft

1.

Einführung

Die Nichtigkeit eines Bürgschaftsvertrages nach der spezielleren Vorschrift des 5.257 § 138 Abs. 2 BGB (Wucher) scheitert daran, dass die Bürgschaft kein Austauschvertrag ist und somit ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht bestimmt werden kann.312) Allerdings kann eine Bürgschaft unter gewissen objektiven und subjektiven Voraussetzungen nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein. Dazu müssen die Überforderung, die Vermutung der verwerflichen Gesinnung und die Möglichkeit ihrer Widerlegung festgestellt werden. 2.

Krasse finanzielle Überforderung

a) Grundsatz. Eine krasse finanzielle Überforderung kann die Sittenwidrigkeit 5.258 einer Bürgschaft begründen, so i. d. R., wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der durch den Bürgen übernommenen Haftungsverpflichtung und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht.313) b) Stellung des Gläubigers. Erfasst werden neben Banken auch andere Kredit- 5.259 geber, insbesondere wenn sie ihre laufenden Einkünfte ganz oder teilweise aus Geldgeschäften beziehen und als Unternehmer i. S. d. § 14 BGB anzusehen sind.314) c) Zeitpunkt. Für die Beurteilung der „krassen finanziellen Überforderung“ sind 5.260 allein die Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages entscheidend, nicht hingegen diejenigen zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Bürgen.315) d) Zinslast. Eine krass überfordernde Bürgschaft ist insbesondere dann gegeben, 5.261 wenn der Bürge noch nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld mit eigenen Mitteln aufbringen kann.316) Bei einer Höchstbetragsbürgschaft ist für die Berechnung der Zinslast nur die (niedrigere) Haftungshöhe heranzuziehen, nicht die Zinslast aus der höheren Hauptschuld.317) e) Prognose. Zu fragen ist, ob der Bürge in der Lage ist, die übernommene 5.262 Leistungspflicht mit Hilfe seines pfändbaren Einkommens und des pfändbaren ___________ 312) BGH, Urt. v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 = ZIP 2001, 1190. 313) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 314) BGH, Urt. v. 13.11.2001 – XI ZR 82/01, NJW 2002, 746 = ZIP 2002, 123. 315) BGH, Urt. v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, BGHZ 120, 272 = NJW 1993, 322 = ZIP 1993, 26; BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210. 316) BGH, Urt. v. 27.1.2000 – IX ZR 298/98, NJW 2000, 1182 = ZIP 2000, 351; BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664; OLG Köln, Urt. v. 29.8.2001 – 11 U 16/01, BeckRS 2002, 95695; OLG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2012 – 2 W 523/12, WM 2013, 882. 317) BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664.

1113

§ 52 Bürgschaft

Vermögens einschließlich eines selbst genutzten Eigenheims zu decken.318) Es ist also eine Prognose nicht etwa eine ex-post-Betrachtung über die Leistungsfähigkeit aus der Sicht eines seriösen und vernünftigen Kreditgebers vorzunehmen.319) Im Rahmen dieser Prognose ist auf die gesamte vertraglich festgelegte Darlehenslaufzeit abzustellen. Ausreichend ist, wenn die krasse finanzielle Überforderung voraussichtlich irgendwann im Laufe dieser Zeitspanne eintreten wird.320) 5.263 Zur Ermittlung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen sind zunächst sein laufendes Einkommen und sein Vermögen festzustellen. Davon ist der unpfändbare Teil abzuziehen. Anschließend wird das pfändbare Vermögen von der bestehenden Bürgschaftsschuld abgezogen. Erst wenn der Zins, der auf den verbleibenden Saldo entfällt, aus dem pfändbaren Einkommen des Bürgen nicht mehr abgedeckt werden kann, liegt eine relevante finanzielle Überforderung vor.321) 5.264 Kann der Bürge die Zinsen, nicht aber die Hauptforderung selbst bezahlen, so liegt zwar kein Fall krasser finanzieller Überforderung vor. Dann stellt sich aber die Frage einer eventuellen Sittenwidrigkeit wegen einfacher finanzieller Überforderung. 5.265 Ist das Vermögen belastet, so kann es nur mit dem verfügbaren Sicherungswert angesetzt werden. Bei der Bewertung unbeweglichen Vermögens des Bürgen müssen daher die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden dinglichen Belastungen in Abzug gebracht werden.322) 5.266 Ist der Bürge zwar einkommensschwach, kann er aber die gesamte Bürgschaftsschuld voraussichtlich (weitere Prognose) durch Verwertung seines Vermögens tilgen, so geht die Prognose gegen ihn. Insofern besteht sogar die Verpflichtung ein selbst genutztes Eigenheim zu veräußern.323) 5.267 f) Anderweitige Sicherheitsleistungen des Kreditnehmers, vor allem dingliche Sicherheiten, sind im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung finanziell übermäßig belastender Bürgschaften zu berücksichtigen, wenn sie das Haftungsrisiko des Betroffenen in rechtlich gesicherter Weise auf ein vertretbares Maß beschränken. Nach dem Willen verständiger Parteien darf den finanziell krass überforderten Bürgen jedoch mit Rücksicht auf die weitere Sicherheit allenfalls eine seine finanzielle Leistungsfähigkeit nicht übersteigende und damit von § 138 Abs. 1 BGB nicht erfasste „Ausfallhaftung“ treffen. Dazu muss gewährleistet sein, dass der ___________ 318) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193; BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664. 319) BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210. 320) BGH, Urt. v. 13.11.2001 – XI ZR 82/01, NJW 2002, 746 = ZIP 2002, 123. 321) BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 = ZIP 2009, 1462; BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664. 322) BGH, Urt. v. 14.5.2002 – XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 = ZIP 2002, 1190. 323) BGH, Urt. v. 19.6.2002 – IV ZR 168/01, BGHZ 152, 147 = NJW 2002, 2633.

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IV. Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft

Kreditgeber ihn erst nach einer ordnungsgemäßen Verwertung der anderen Sicherheit in Anspruch nimmt.324) 3.

Weitere die Sittenwidrigkeit begründende Umstände

Da der Grundsatz der Vertragsfreiheit es jedem erlaubt, sich auch weit über sei- 5.268 ne finanziellen Verhältnisse hinaus zu verschulden, müssen weitere objektive Umstände gegeben sein, aus denen sich ergibt, dass die Bürgschaft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.325) a) Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit. Davon kann gesprochen wer- 5.269 den, wenn der Sicherungsnehmer Umfang und Tragweite der Haftung bagatellisiert,326) ungewöhnliche und schwerwiegende, dem Bürgen insbesondere aufgrund seiner Geschäftsunerfahrenheit ersichtlich unbekannte Haftungsrisiken verschweigt327) oder den unvorbereiteten Bürgen mit dem Verlangen der Haftungsübernahme überrumpelt328). b) Besonderes persönliches Näheverhältnis zwischen Hauptschuldner und 5.270 Bürgen. Bei einer emotionalen Bindung des Bürgen an den Hautschuldner ist regelmäßig von einer schwächeren Verhandlungsposition des Bürgen und daher von seiner besonderen Schutzwürdigkeit auszugehen. Handelt es sich bei dem Bürgen um eine sog. Nahbereichsperson, so wird widerleglich (§ 292 ZPO) vermutet, dass die Bürgschaftserklärung aus emotionaler Verbundenheit und nicht aufgrund einer autonomen Entscheidung abgegeben wurde.329) Nahbereichspersonen sind insbesondere der Ehegatte oder Lebenspartner, die Eltern, Geschwister oder Kinder, jedenfalls wenn sie noch nicht volljährig sind. Bei anderen Personen greift die Vermutung nicht.330) ___________ 324) BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671; BGH, Urt. v. 24.11.2009 – XI ZR 332/08, BeckRS 2009, 88507; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 325) BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 = ZIP 2005, 432. 326) BGH, Urt. v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206 = NJW 1994, 1278 = ZIP 1994, 520; BGH, Urt. v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 = ZIP 1994, 614; BGH, Urt. v. 6.10.1998 – XI ZR 244/97, NJW 1999, 135 = ZIP 1999, 1905 (Schuldbeitritt). 327) BGH, Urt. v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, BGHZ 125, 206 = NJW 1994, 1278 = ZIP 1994, 520; BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 199/01, NJW 2002, 2634 = ZIP 2002, 1395. 328) BGH, Urt. v. 16.1.1999 – IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 = ZIP 1997, 446. 329) BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210; BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 = ZIP 2005, 432; BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 = ZIP 2009, 1462; BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664; OLG Köln, Urt. v. 29.8.2001 – 11 U 16/01, BeckRS 2002, 95695; OLG Koblenz, Beschl. v. 4.10.2012 – 2 W 523/12, WM 2013, 882; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 330) BGH, Urt. v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466 (Eltern-Kind); BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193 (ElternKind); BGH, Urt. v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 = ZIP 2009, 1462 (Ehe); BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664 (Ehe).

1115

§ 52 Bürgschaft

4.

Widerlegung der verwerflichen Gesinnung

5.271 a) Allgemein. Die tatsächliche Vermutung der Sittenwidrigkeit kann insbesondere im Fall der emotionalen Verbundenheit ausnahmsweise widerlegt werden.331) Hierzu hat der Gläubiger ein berechtigtes Eigeninteresse an der Bürgschaft darzulegen und ggf. zu beweisen.332) Zwei Fallgruppen sind von besonderem Interesse: 5.272 b) Fallgruppen. aa) Eigeninteresse des Bürgen an der Kreditaufnahme. Ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes und ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit widerlegendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung kann dann grundsätzlich zu bejahen sein, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile333) erwachsen. In einem solchen Fall ist dann auch die tatsächliche Vermutung widerlegt.334) Ein solches Eigeninteresse des Gläubigers wird bei Gesellschafterbürgschaften bejaht.335) Mittelbare Vorteile genügen nicht. Dazu rechnen etwa eine Verbesserung des Lebensstandards oder der Wohnverhältnisse oder die Aussicht auf eine spätere Mitarbeit im Betrieb und hierdurch mögliche höhere Unterhaltszahlungen336) oder eine mit der Darlehensgewährung verbundene Erzielung eines verlorenen Zuschusses sowie eine Zinsfreistellung des Darlehens in den ersten 15 Jahren337). 5.273 bb) Überwiegende Gläubigerinteressen. Das Interesse des Gläubigers, durch die Hereinnahme einer Ehegattenbürgschaft später möglichen Vermögensverschiebungen des Hauptschuldners auf den vermögenslosen Ehepartner vorzubeugen, soll dagegen den Sittenwidrigkeitsvorwurf nicht ausschließen. Anders ist nur bei einer ausdrücklichen Haftungsbeschränkung zu entscheiden. Gefordert wird eine konkrete Gefahr von Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den ___________ 331) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 332) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 333) Z. B. Miteigentum an dem finanzierten Objekt, siehe BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung); BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 199/01, NJW 2002, 2634 = ZIP 2002, 1395. 334) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 335) BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 199/01, NJW 2002, 2634 = ZIP 2002, 1395. 336) BGH, Urt. v. 28.5.2002 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 1482; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 337) BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 = ZIP 2005, 432 (staatlich gefördertes Existenzgründungsdarlehen); BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung).

1116

IV. Sittenwidrigkeit der Angehörigenbürgschaft

Bürgen.338) Hierfür trägt der Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast, ebenso für die dann erfolgte Vermögensverschiebung. Wirksam ist eine derartige Bürgschaft nur dann, wenn sie inhaltlich hinreichend deutlich von vorne herein so formuliert ist, dass sie nur dann gezogen werden kann, wenn nach Vertragsschluss Vermögen vom Hauptschuldner auf den Bürgen verschoben wurde. c) Grenzen. Die tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des 5.274 Gläubigers wird allerdings nicht ohne weiteres dadurch widerlegt, dass Wertangaben des Bürgen in einer in zeitlichem Zusammenhang mit dem Abschluss des Bürgschaftsvertrags erteilten Selbstauskunft seine objektiv krasse finanzielle Überforderung nicht erkennen lassen. Den (subjektiven) Vorwurf der Sittenwidrigkeit räumen sie nur aus, wenn sie einer sorgfältigen Überprüfung des Gläubigers standhalten. Für Angaben durch einen Dritten gilt dies erst recht.339) d) Zinsen. Für die Widerlegung der tatsächlichen Vermutung ist ohne Belang, 5.275 dass die auf das Darlehen zu leistenden Zinsen bei Eingehung der Mithaftung noch nicht endgültig festgestanden haben.340) 5.

Subjektiver Tatbestand

Der Gläubiger muss die objektiven, die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft begrün- 5.276 denden Umstände kennen und ausnutzen oder er muss sich zumindest den sich insoweit aufdrängenden Umständen bewusst verschließen. Letzteres ist der Fall, wenn der Gläubiger Zweifeln nicht nachgeht und er unterlässt, entsprechende Erkundigungen einzuholen.341) 6.

Rechtsprechung

Selbst unter Heranziehung der strengen Bewertungsmaßstäbe wurde in dem hier 5.277 interessierenden Zusammenhang bislang soweit ersichtlich in keinem Fall eine Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Bürgschaftsverpflichtung angenommen. So wurden die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB in folgendem Fall verneint: Die Bank hatte dem Ehemann der Beklagten, der als Pächter eine Gaststätte betrieb, den dafür benötigten Kredit gewährt. Die Beklagte, die einen kaufmännischen Beruf erlernt hatte, hatte im Jahr 1987 die selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 87.000,00 DM übernommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich der Betreuung ihres einjährigen Kindes gewidmet. Im Jahre 1991 wurde die Ehe der Beklagten geschieden.342) ___________ 338) BGH, Urt. v. 14.5.2002 – XI ZR 81/01, NJW 2002, 2230 = ZIP 2002, 1190; BGH, Urt. v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 = ZIP 2013, 664. 339) BGH, Bechl. v. 1.4.2014 – XI ZR 276/13, BeckRS 2014, 09523; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 340) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241 (Mithaftungserklärung). 341) BGH, Urt. v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 = ZIP 2002, 210. 342) BGH, Urt. v. 25.4.1996 – IX ZR 177/95, NJW 1996, 2088 = ZIP 1996, 1126.

1117

§ 52 Bürgschaft

V.

Verbraucherkreditrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.278 Mit überzeugender Begründung hat der BGH entschieden, dass das Verbraucherkreditrecht der §§ 491 – 508 BGB weder unmittelbar noch analog für Bürgschaften gelten, unabhängig davon, ob ein Verbraucherkredit oder ein Unternehmerkredit abgesichert wird.343) 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

5.279 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 513 BGB bleiben auch Dritte, die eine Bürgschaft stellen.344) Das Verbraucherkreditrecht ist damit auch insofern nicht anwendbar. 3.

Schriftform

5.280 § 492 Abs. 1 BGB ist auf Bürgschaften weder unmittelbar (kein Kreditvertrag) noch analog (keine schließungsbedürftige Regelungslücke: ausreichender Schutz des Bürgen durch § 766 BGB und die Akzessorietät) anzuwenden.345) 4.

Zahlungsverzug

5.281 Dagegen wendet der BGH § 497 Abs. 1 BGB im Rahmen der §§ 252 BGB und 287 ZPO entsprechend an.346) VI.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.282 a) Verbrauchervertrag. aa) Allgemein. § 312 Abs. 1 BGB setzt zunächst einen Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB voraus. Davon dürfte durchweg auszugehen sein. 5.283 bb) Stellung des Hauptschuldners. Auf die Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners kommt es nicht an. Maßgeblich ist nur, ob die Bürgschaft als solche ein Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB ist.347). Ist der Bürge zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme maßgeblich an der Hauptschuldnerin ge___________ 343) BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949; BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998. 344) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336. 345) BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949. 346) BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65. 347) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373.

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§ 52 Bürgschaft

V.

Verbraucherkreditrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.278 Mit überzeugender Begründung hat der BGH entschieden, dass das Verbraucherkreditrecht der §§ 491 – 508 BGB weder unmittelbar noch analog für Bürgschaften gelten, unabhängig davon, ob ein Verbraucherkredit oder ein Unternehmerkredit abgesichert wird.343) 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

5.279 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 513 BGB bleiben auch Dritte, die eine Bürgschaft stellen.344) Das Verbraucherkreditrecht ist damit auch insofern nicht anwendbar. 3.

Schriftform

5.280 § 492 Abs. 1 BGB ist auf Bürgschaften weder unmittelbar (kein Kreditvertrag) noch analog (keine schließungsbedürftige Regelungslücke: ausreichender Schutz des Bürgen durch § 766 BGB und die Akzessorietät) anzuwenden.345) 4.

Zahlungsverzug

5.281 Dagegen wendet der BGH § 497 Abs. 1 BGB im Rahmen der §§ 252 BGB und 287 ZPO entsprechend an.346) VI.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.282 a) Verbrauchervertrag. aa) Allgemein. § 312 Abs. 1 BGB setzt zunächst einen Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB voraus. Davon dürfte durchweg auszugehen sein. 5.283 bb) Stellung des Hauptschuldners. Auf die Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners kommt es nicht an. Maßgeblich ist nur, ob die Bürgschaft als solche ein Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB ist.347). Ist der Bürge zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme maßgeblich an der Hauptschuldnerin ge___________ 343) BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949; BGH, Urt. v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368 = ZIP 2001, 2224; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998. 344) OLG Köln, Urt. v. 28.6.1989 – 2 U 93/88, NJW-RR 1989, 1336. 345) BGH, Urt. v. 21.4.1998 – IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949. 346) BGH, Urt. v. 28.10.1999 – IX ZR 364/97, BGHZ 143, 95 = NJW 2000, 658 = ZIP 2000, 65. 347) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373.

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VI. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

sellschaftsrechtlich beteiligt, konkret jedenfalls mit 44,2 %, so wird die Verbrauchereigenschaft verneint.348) Ob diese Rechtsprechung auch unter der vollharmonisierenden Verbraucherrechterichtlinie aufrechterhalten werden kann, wird wohl der EuGH entscheiden müssen. cc) Vertrag über eine entgeltliche Leistung. § 312 Abs. 1 BGB verlangt weiter, 5.284 dass der Vertrag eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat. Die Bürgschaft ist nach der gesetzlichen Regelung des § 765 BGB ein einseitig verpflichtender unentgeltlicher Vertrag. Gleichwohl kann sie auch als gegenseitiger und damit entgeltlicher Vertrag in dem Sinne ausgestaltet werden, dass die Übernahme der Bürgschaft die Gegenleistung für eine vom Gläubiger zu erbringende Leistung bildet. Die dem Gläubiger obliegende Leistung besteht meist darin, dass er dem Hauptschuldner vereinbarungsgemäß (weiteren) Kredit gewährt oder ein bereits gekündigtes, zur Rückzahlung fälliges Darlehen stundet. In der Praxis bildet eine solche Verknüpfung von Übernahme der Bürgschaft durch den Bürgen und Verpflichtung des Gläubigers, dem Schuldner Kredit zu gewähren oder wegen eines zur Rückzahlung fälligen Kredits stillzuhalten, die Regel. Die auf den Abschluss eines Bürgschaftsvertrages gerichtete Willenserklärung des Bürgen stellt sich sonach regelmäßig als eine auf den Abschluss eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB gerichtete Willenserklärung dar.349) b) Finanzdienstleistung. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist die Frage, 5.285 ob die Hereinnahme einer Bürgschaft durch einen Unternehmer, hier einen Getränkelieferanten, als „Finanzdienstleistung“ i. S. d. § 312 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB zu werten ist. Für eine entsprechende Einordnung der Hereinnahme einer Bürgschaft durch einen Unternehmer könnte der Gestaltungshinweis 3 zu Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB („Hereinnahme einer Bürgschaft“) angeführt werden. Nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zu § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. war diese Vorgängerregelung ihrem Wortlaut nach aber allein auf Bankdienstleistungen des Unternehmers, die gegenüber dem Verbraucher erbracht werden, anwendbar und nicht auf Sicherungsgeschäfte des Verbrauchers zugunsten des Unternehmers.350) Eine allgemein gültige Erläuterung des (Ober-)Begriffes „Finanzdienstleistung“ (§ 312 Abs. 5 ___________ 348) OLG Schleswig, Beschl. v. 28.11.2013 – 5 W 42/13, BeckRS 2014, 03998. 349) BGH, Urt. v. 14.5.1998 – IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21 = NJW 1998, 2356 = ZIP 1998, 1144; BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2015 – VI – U (Kart) 19/14, BeckRS 2015, 11435; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.12.2015 – I-24 U 70/15, BeckRS 2016, 09631, rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734. Enger und mit beachtlichen Argumenten Loewenich, NJW 2014, 1409; ders., WM 2015, 113. 350) So auch der BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148, für den Schuldbeitritt. rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BGH, Beschl. v. 23.2.2016 – XI ZR 581/15, BeckRS 2016, 09734.

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§ 52 Bürgschaft

Satz 1 Fall 2 BGB) gibt es zudem nicht. Die Legaldefinition entspricht wörtlich der bisher für Fernabsatzverträge geltenden Rechtsnorm des § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. Nach der Gesetzesbegründung ist eine inhaltliche Änderung mit der Erstreckung auch auf außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge nicht beabsichtigt.351) Die VRRL gilt nach Art. 3 Abs. 3 lit. d) sowie Erwägungsgrund 32 weiter nicht für Finanzdienstleistungen. Folglich dürfte es sich bei Vereinbarungen zur Bestellung von Sicherheiten durch Verbraucher nicht um Finanzdienstleistungen handeln.352) 5.286 c) Situative Voraussetzungen des § 312b BGB. Nicht entscheidend ist, ob die Hauptschuld außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312b BGB) begründet wurde, denn es kommt nur auf die Umstände hinsichtlich des Vertragsschlusses bezüglich der Bürgschaft an.353) 5.287 Eine ggf. zu beachtende Besonderheit könnte bei Angehörigenbürgschaften bestehen, wenn dass der Hauptschuldner nach den Gesprächen mit dem Getränkelieferanten den Entwurf der Bürgschaftsurkunde mitnimmt und in den „Familienräumen“ dem Bürgen zur Unterschrift vorlegt. Die Voraussetzungen einer Zurechnung nach § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB dürften auch dann nur äußerst ausnahmsweise gegeben sein. 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

5.288 Ob sich der Bürge als Verbraucher für einen „gewerblichen Zwecken dienenden Kredit“ verbürgt hat,354) ist für die Feststellung der Unternehmereigenschaft (§ 14 BGB) des Gläubigers irrelevant, weil der Getränkelieferant die Bürgschaft in Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit hereinnimmt. 3.

Vorvertragliche Informationen

5.289 Damit gelten umfangreiche vorvertragliche Informationspflichten (§ 312a Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB), sofern keine weitergehenden, spezielleren Regelungen (Informationspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 246a EGBGB, insbesondere über das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB) eingreifen. Die ___________ 351) Begründung Regierungsentwurf, BT-Drucks. 17/12637, S. 49. 352) BGH, Urt. v. 21.4.1998 – XI ZR 258/97, BGHZ 138, 321 = NJW 1998, 1939 = ZIP 1998, 949; LG Münster, Urt. v. 3.4.2017 – 2 O. 304/16, BeckRS 2017, 109394, zu § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB. So auch der BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148, für den Schuldbeitritt. 353) BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619; zur Altrechtslage Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 4.217 m. w. N. 354) Ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619.

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VI. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Informationspflichten beziehen sich in diesem Fall auch auf die Hauptschuld, weil diese den Leistungsinhalt des Bürgen bestimmt. 4.

Widerrufsbelehrung

a) Erforderlichkeit. aa) Allgemein. Soweit die Absicherung des finanziellen 5.290 Engagements des Getränkelieferanten durch private Dritte (§ 13 BGB) in der Situation nach § 312b BGB erfolgt, war der Bürge bereits nach bislang geltender Auffassung über sein Widerrufsrecht zu belehren.355) Dem tritt das neuere Schrifttum mit beachtlichen Argumenten entgegen.356) bb) Existenzgründer. Bei der Bürgschaftsgestellung durch einen Existenzgrün- 5.291 der dürfte es sich bereits um einen praktisch selten vorkommenden Sachverhalt handeln. Im Übrigen gilt: Auch wenn das Bürgschaftsvolumen den Betrag von 75.000,00 € überschreiten sollte, ist nach h. M. der Schwellenwert des § 513 BGB nicht von Bedeutung. Im Rahmen der §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB sind Existenzgründer nämlich als Unternehmer anzusehen.357) b) Muster. In der Situation des § 312b BGB kann nach hier vertretener Auffas- 5.292 sung das Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 EGBGB verwendet werden. c) Eigenverantwortlich gestaltete Widerrufsbelehrung. aa) Allgemein. Die 5.293 Belehrung hat sich an den Anforderungen des Art. 246 Abs. 3 EGBGB zu orientieren. bb) Widerrufsfolgen. Da bei Hereinnahme einer Bürgschaft eine Rückabwick- 5.294 lung nicht in Betracht kommt, kann analog Satz 2 des Gestaltungshinweises 3 zu Anlage 3 zu Art. 246b § 2 Abs. 3 EGBGB auf eine Rechtsfolgenbelehrung verzichtet werden. cc) Unterschrift. Die Bezeichnung des Bürgen als „Kunde“ ist unzutreffend. 5.

5.295

Widerrufsformular

In Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB findet sich das gesetzlich 5.296 vorgeschriebene Widerrufsformular. 6.

Erlöschen des Widerrufsrechts

a) Grundsatz. Bei Nichtinformation oder fehlerhafter Information gilt die Er- 5.297 löschensfrist des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB; bei Einordnung als Finanzdienstleistung dagegen gemäß der Ausnahmevorschrift des § 356 Abs. 3 Satz 3 BGB nicht. ___________ 355) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619. 356) Loewenich, NJW 2014, 1409; Stackmann, NJW 2014, 2403; Loewenich, WM 2015, 113. 357) Siehe oben § 26 II 1 d m. w. N.

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§ 52 Bürgschaft

5.298 b) Altfälle. Seit dem 27.6.2015 sind Bürgschaften nach altem Recht nicht mehr widerruflich. Durch die Sonderregelung in Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB wird zur Gleichbehandlung mit Neuverträgen und zwecks Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 43) der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Altverträge übertragen.358) VII. Verwaltung 5.299 Hat der Getränkelieferant zu seinen Gunsten wirksam eine Bürgschaft bestellt, so gilt es, während der laufenden Vertragsbeziehung zum Hauptschuldner und zum Bürgen Fehler zu vermeiden. 1.

Haftungserweiterung

5.300 a) Grundlagen. Der Bürge haftet nicht für Erweiterungen der Hauptschuld durch ein Rechtsgeschäft des Hauptschuldners nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, vergleiche auch § 1210 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt insbesondere auch bei einer Auswechslung der Person des Hauptschuldners. Damit sind sämtliche Vertragsänderungen, die das Haftungsrisiko des Bürgen erweitern bzw. erhöhen, dem Bürgen gegenüber unwirksam.359) 5.301 Hat der Bürge auf Seiten des Hauptschuldners an den Änderungen mitgewirkt, so etwa als Geschäftsführer eines Getränkefachgroßhändlers als Hauptschuldner, so dürfte bei teleologischer Betrachtungsweise der Tatbestand der Haftungserweiterung zu verneinen sein. Um das Risiko der Enthaftung des Bürgen abzuwenden, sollte der Getränkelieferant sich von diesem schriftlich bestätigen lassen, dass der Bürge mit der Erweiterung der Haftung einverstanden ist. Ob der Getränkelieferant sich dabei des Weges einer Einzelerklärung des Bürgen, eines Nachtrages zum bestehenden Bürgschaftsvertrag, einer Briefzweitschrift oder eines Bürgschaftsvertrages im Übrigen bedient, ist unerheblich. Zu beachten ist, dass die fortbestehende Verbrauchereigenschaft des Bürgen dazu führt, dass es insofern einer erneuten Belehrung über das Widerrufsrecht des Bürgen bedarf. 5.302 b) Stundung und Tilgungsaussetzung. Auch mit dem Hauptschuldner vereinbarte Stundungen360) oder Änderungen der Tilgungsbestimmungen, wie etwa Tilgungsaussetzungen,361) können gefährlich werden. Zwar bleibt hier die ursprüngliche Identität der Hauptforderung gewahrt. In der zeitlichen Verlängerung der Möglichkeit zur Bürgeninanspruchnahme liegt aber ein höheres Risiko und damit ___________ 358) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 229 § 32 EGBGB Rz. 1. 359) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.2016 – I24 W 12/16, BeckRS 2016, 09634 (Mietbürgschaft). 360) Eine Stundung schiebt die Fälligkeit hinaus und beendet damit den Verzug des Hauptschuldners. Sie ist ggf. von einer vollstreckungsbeschränkenden und insofern unschädlichen Vereinbarung abzugrenzen. Dazu BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 258/86, NJWRR 1987, 907; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428. 361) BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962.

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§ 52 Bürgschaft

5.298 b) Altfälle. Seit dem 27.6.2015 sind Bürgschaften nach altem Recht nicht mehr widerruflich. Durch die Sonderregelung in Art. 229 § 32 Abs. 3 EGBGB wird zur Gleichbehandlung mit Neuverträgen und zwecks Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 43) der Rechtsgedanke des § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auf Altverträge übertragen.358) VII. Verwaltung 5.299 Hat der Getränkelieferant zu seinen Gunsten wirksam eine Bürgschaft bestellt, so gilt es, während der laufenden Vertragsbeziehung zum Hauptschuldner und zum Bürgen Fehler zu vermeiden. 1.

Haftungserweiterung

5.300 a) Grundlagen. Der Bürge haftet nicht für Erweiterungen der Hauptschuld durch ein Rechtsgeschäft des Hauptschuldners nach dem Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft (§ 767 Abs. 1 Satz 3 BGB, vergleiche auch § 1210 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt insbesondere auch bei einer Auswechslung der Person des Hauptschuldners. Damit sind sämtliche Vertragsänderungen, die das Haftungsrisiko des Bürgen erweitern bzw. erhöhen, dem Bürgen gegenüber unwirksam.359) 5.301 Hat der Bürge auf Seiten des Hauptschuldners an den Änderungen mitgewirkt, so etwa als Geschäftsführer eines Getränkefachgroßhändlers als Hauptschuldner, so dürfte bei teleologischer Betrachtungsweise der Tatbestand der Haftungserweiterung zu verneinen sein. Um das Risiko der Enthaftung des Bürgen abzuwenden, sollte der Getränkelieferant sich von diesem schriftlich bestätigen lassen, dass der Bürge mit der Erweiterung der Haftung einverstanden ist. Ob der Getränkelieferant sich dabei des Weges einer Einzelerklärung des Bürgen, eines Nachtrages zum bestehenden Bürgschaftsvertrag, einer Briefzweitschrift oder eines Bürgschaftsvertrages im Übrigen bedient, ist unerheblich. Zu beachten ist, dass die fortbestehende Verbrauchereigenschaft des Bürgen dazu führt, dass es insofern einer erneuten Belehrung über das Widerrufsrecht des Bürgen bedarf. 5.302 b) Stundung und Tilgungsaussetzung. Auch mit dem Hauptschuldner vereinbarte Stundungen360) oder Änderungen der Tilgungsbestimmungen, wie etwa Tilgungsaussetzungen,361) können gefährlich werden. Zwar bleibt hier die ursprüngliche Identität der Hauptforderung gewahrt. In der zeitlichen Verlängerung der Möglichkeit zur Bürgeninanspruchnahme liegt aber ein höheres Risiko und damit ___________ 358) Palandt-Grüneberg, BGB, Art. 229 § 32 EGBGB Rz. 1. 359) OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.4.2016 – I24 W 12/16, BeckRS 2016, 09634 (Mietbürgschaft). 360) Eine Stundung schiebt die Fälligkeit hinaus und beendet damit den Verzug des Hauptschuldners. Sie ist ggf. von einer vollstreckungsbeschränkenden und insofern unschädlichen Vereinbarung abzugrenzen. Dazu BGH, Urt. v. 29.4.1987 – VIII ZR 258/86, NJWRR 1987, 907; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428. 361) BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962.

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VII. Verwaltung

ein zu Lasten des Bürgen gehendes Rechtsgeschäft. Damit droht das Damoklesschwert einer Erweiterung der Bürgenhaftung i. S. d. § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB mit der Folge des Wegfalls der Haftung des Bürgen. Vorsorglich sollte entweder der Bürge hierzu seine Zustimmung schriftlich erteilen oder insgesamt eine neue Bürgschaft zum aktuellen Sachstand verhandelt werden. c) Umschuldung. Jede Form der Umschuldung (Novation) kann dem Geträn- 5.303 kelieferanten als Gläubiger gefährlich werden.362) Hier wird nachträglich anstelle der verbürgten Forderungen, etwa aus dem Liefergeschäft, eine neue Verbindlichkeit, etwa aus Darlehen, gesetzt. Ebenso gefährlich werden kann die Umwandlung eines Abschreibungsdarlehens in ein Tilgungsdarlehen. Im Hinblick auf die Akzessorietät der Bürgschaft und das Erfordernis einer grundsätzlich engen Zweckerklärung besteht das Risiko, dass die Bürgenhaftung nach § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB erlischt. 2.

Schuldübernahme

Im Zusammenhang mit Schuldübernahmen, insbesondere bei Betreiberwechseln, 5.304 ist das Risiko zu bedenken, dass der Getränkelieferant mit der Einwilligung in die Schuldübernahme durch den Nachfolgebetreiber gleichzeitig bewirkt, dass der Bürge frei wird (§ 418 Abs. 1 Satz 1 BGB). Daher ist die Bürgschaft vorher neu zu verhandeln oder gleichwertige andere Sicherheiten sind zum Abschluss zu bringen. 3.

Isolierte Abtretung

Der Gläubiger der Hauptforderung und der Bürgschaftsgläubiger müssen, wie 5.305 auch die §§ 765, 774 BGB zeigen, ein und dieselbe Person sein (Gläubigeridentität).363) Daher ist die Abtretung der Rechte aus der Bürgschaft ohne die Hauptforderung unwirksam. Sie führt analog § 1250 Abs. 2 BGB zum Erlöschen der Rechte aus der Bürgschaft.364) Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners ist § 254 Abs. 2 InsO zu beachten.

___________ 362) BGH, Urt. v. 1.10.2002 – XI ZR 443/00, NJW 2003, 59 = ZIP 2002, 2125. 363) BGH, Urt. v. 20.6.1985 – IX ZR 173/84, NJW 1985, 2528 (Vertragsübernahme); BGH, Urt. v. 15.8.2002 – IX ZR 217/99, NJW 2002, 3461 = ZIP 2002, 1897 (Bürgschaft für bereits abgetretene künftige Forderung); BGH, Urt. v. 15.8.2002 – IX ZR 217/99, NJW 2002, 3461 = ZIP 2002, 1897 (Erteilung der Bürgschaft an Zedenten nach Vorausabtretung der künftigen Hauptforderung nebst künftiger Sicherheiten); BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 = ZIP 2003, 1033 (Bürgschaft auf erstes Anfordern); BGH, Urt. v. 3.5.2005 – XI ZR 287/04, BGHZ 163, 59 = NJW 2005, 2157 = ZIP 2005, 1064 (Titelgläubiger). 364) BGH, Urt. v. 19.9.1991 – XI ZR 296/90, BGHZ 115, 177 = NJW 1991, 3025; BGH, Urt. v. 3.4.2003 – IX ZR 287/99, NJW 2003, 2231 = ZIP 2003, 1033.

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§ 52 Bürgschaft

4.

Nebenpflichten des Gläubigers in der Vertragsabwicklung

5.306 a) Grundsatz. Den Gläubiger treffen grundsätzlich keine besonderen Schutz-, Aufklärungs- oder Rücksichtnahmepflichten gegenüber dem Bürgen.365) So ist es nicht Aufgabe des Gläubigers, das Interesse des Bürgen etwa an der Sicherung seines Regressanspruches durch Informationen zu wahren. 5.307 b) Ausnahmen. Ausnahmen ergeben sich nur dann, wenn der Gläubiger ohne billigenswertes Eigeninteresse die Belange des Bürgen schwerwiegend verletzt.366) Der Bürge kann vom Gläubiger nach Zustandekommen der Bürgschaft Auskunft über den Stand der Hauptschuld und die wirtschaftliche Situation des Hauptschuldners verlangen, wenn der Bürge dies verlangt, ohne das Einverständnis des Hauptschuldners einholen zu müssen. Voraussetzung ist, dass der Gläubiger über einen erkennbaren Wissensvorsprung hinsichtlich einer bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners verfügt.367) Unaufgefordert muss keine Benachrichtigung über eine Verschlechterung der Vermögenslage beim Hauptschuldner durch den Gläubiger erfolgen. 5.308 Den Gläubiger trifft darüber hinaus eine Verpflichtung zur Rücksichtnahme ausnahmsweise dann, wenn er ohne billigenswertes eigenes Interesse die Belange des Bürgen schwerwiegend verletzt. Beispielsweise handelt der Gläubiger pflichtwidrig, wenn er den Hauptschuldner zur Nichtleistung auffordert368) oder schuldhaft den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Hauptschuldners herbeiführt369) und so den Regress des Bürgen verhindert. 5.309 b) Dem Bürgen hilft es nicht, wenn er auf angeblich nicht erzielbare Umsätze des Hauptschuldners hinweist. Selbst wenn man ihm eine entsprechende Einwendung zugestehen wollte, müsste er sich entgegenhalten lassen, dass es auch dem Hauptschuldner zunächst vor allem selbst oblag, die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten seiner Gaststätte zu prüfen. Den Gläubiger trifft eine solche Aufklärungspflicht über die wirtschaftliche Situation des Hauptschuldners nicht.370) 5.310 c) Einwand der Verschleuderung. Entsprechende Einwände haben zumeist keinen Erfolg. Häufig fehlt es an einer Bezifferung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs oder einer Aufrechnungserklärung mit diesem Schadensersatzanspruch. Feststellungen eines (Privat-)Sachverständigen etwa des Inhalts, das Mobiliar sei zum Teil schadhaft gewesen und habe erhebliche Gebrauchsspuren aufgewiesen, so dass von einem Neuwert nicht auszugehen sei, müsste widersprochen worden sein. Beweisangebote auf Zeugenvernehmung muss jedenfalls dann nicht nach___________ 365) 366) 367) 368) 369) 370)

OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445. BGH, Urt. v. 30.5.1962 – VIII ZR 173/61, NJW 1962, 1381. MünchKomm-Habersack, BGB, § 765 Rz. 91. BGH, Urt. v. 7.2.1966 – VIII ZR 40/64, BeckRS 1966, 31179780. BGH, Urt. v. 6.7.2004 – XI ZR 254/02, BeckRS 2004, 07556 = ZIP 2004, 1589. OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445.

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VII. Verwaltung

gegangen werden, wenn keine Belegunterlagen für einen eventuellen Kaufvertrag vorgelegt oder die Höhe des gebotenen Kaufpreises nicht im Übrigen dargetan worden ist; anderenfalls käme die Zeugenvernehmung einer unzulässigen Ausforschung gleich.371) Nicht selten ist ein entsprechendes Vorbringen auch verspätet (§ 531 Abs. 2 Satz 1 5.311 ZPO) und damit nicht zuzulassen, jedenfalls aber nicht schlüssig dargetan. Da es Sache des Bürgen ist, sich über das Risiko seiner Inanspruchnahme auf dem Laufenden zu halten, geht die Behauptung, der Bürge habe bei rechtzeitiger Benachrichtigung zur Weiterführung der Gaststätte beitragen können, ins Leere.372) 5.

Gefahr der Aufgabe einer Sicherheit

a) Abgrenzung. Der Getränkelieferant sollte sich davor hüten, ausdrücklich oder 5.312 konkludent die anderweitige Sicherheit mit aufzugeben. Jene Sicherheit würde nämlich kraft Gesetzes (§§ 774 Abs. 1 Satz 1, 412, 401 BGB) auf den Bürgen übergehen, wenn er den Getränkelieferant befriedigt. b) Aufgabe. Nach Sinn und Zweck der Einwendung nach § 776 Satz 1 BGB ist 5.313 unter Aufgabe jede gewollte Handlung zu verstehen, durch die der Gläubiger auf eine Verwertungsmöglichkeit der Sicherheit rechtlich oder tatsächlich verzichtet oder ansonsten bewusst deren wirtschaftlichen Wert beseitigt.373) Ein Verzicht setzt mehr voraus als die bloße Entscheidung eines Gläubigers, unter mehreren Sicherungsgebern einen in Anspruch zu nehmen. Nach Wortlaut und Normzweck ist im Übrigen erforderlich, dass ein Verzicht gerade zu Gunsten des Sicherungsgebers vorliegt. § 776 BGB erfasst auch die den Rückgriffsanspruch des Bürgen ebenso beeinträchtigende Überlassung des Sicherungsrechts an einen Dritten. c) Sicherungsgrundschuld. Bei der Sicherungsgrundschuld handelt es sich nicht 5.314 um eine der in § 776 Satz 1 BGB genannten akzessorischen Sicherheiten, die gemäß §§ 774 Abs. 1 Satz 1, 412, 401 BGB automatisch mit der Hauptforderung auf den Bürgen übergehen, wenn er den Gläubiger befriedigt. Ob die Vorschrift unmittelbar anwendbar ist, kann dahinstehen. Jedenfalls liegt eine planwidrige Regelungslücke vor, die eine entsprechende Anwendung zulässt.374) d) Erlöschenstatbestand. Eine die Bürgenstellung i. S. d. § 776 Satz 1 BGB beein- 5.315 trächtigende auch nur vorübergehende Aufgabe einer (wertigen) Sicherheit durch den Bürgschaftsgläubiger begründet im Umfang des Verlustes des Sicherungs___________ 371) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. 372) OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. 373) BGH, Urt. v. 4.6.2013 – XI ZR 505/11, NJW 2013, 2508. 374) BGH, Urt. v. 4.6.2013 – XI ZR 505/11, NJW 2013, 2508.

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§ 52 Bürgschaft

rechts („soweit“) nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen, sondern zieht den endgültigen Wegfall und damit das unmittelbar eintretende Erlöschen der Bürgschaftsforderung nach sich (rechtsvernichtende Einwendung). Dies entspricht der Regelung des § 777 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch dann, wenn der Bürgschaftsgläubiger später den identischen oder einen gleichartigen oder gleichwertigen Sicherungsgegenstand (zurück-)erlangt, lebt die nach § 776 Satz 1 BGB untergegangene Bürgschaftsforderung nicht wieder auf.375) Daher sollten Sicherheiten nicht ohne ausdrückliche und schriftlich nachgewiesene Zustimmung des Bürgen freigegeben werden. 5.316 e) Inhaltskontrolle. Ein formularmäßiger genereller Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.376) Zulässig ist dagegen die individualvertragliche Vereinbarung der Nichtgeltung des § 776 BGB.377) VIII. Inanspruchnahme 1.

Einführung

5.317 Auch im Zusammenhang mit Bürgschaften ist ein zeitnahes Forderungsmanagement erforderlich. 2.

Wahlrecht

5.318 Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, hat der Getränkelieferant (Sicherungsnehmer) im Außenverhältnis ein Wahlrecht, welche Sicherheiten er zuerst in Anspruch nimmt. Es gibt grundsätzlich keine Pflicht des Gläubigers zur vorrangigen Verwertung von Immobiliarsicherheiten. Die Inanspruchnahme eines Bürgen vor der Verwertung von für den gleichen Zweck bestellten Immobiliarsicherheiten stellt daher keine unzulässige Rechtsausübung dar.378) 3.

Inverzugsetzung

5.319 Da der Bürge zumeist nicht Vertragspartner des Getränkelieferanten ist, fehlen ihm häufig Informationen zum aktuellen Stand der Entwicklung der Hauptforderung, insbesondere zur Anspruchshöhe. Um den Bürgen gleichwohl ordnungs___________ 375) BGH, Urt. v. 4.6.2013 – XI ZR 505/11, NJW 2013, 2508; OLG Köln, Urt. v. 22.5.1990 – 22 U 150/88, NJW 1990, 3214; 18445OLG Bamberg, Urt. v. 17.11.2011 – 1 U 88/11, BeckRS 2011, 28787 = ZIP 2012, 613; Aufgabetatbestand war hier die Abtretung eines erstrangigen Teils einer vom Schuldner gestellten Sicherungsgrundschuld. 376) BGH, Urt. v. 2.3.2000 – XI ZR 328/98, BGHZ 144, 52 = NJW 2000, 1566 = ZIP 2000, 656; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193. Vgl. aus der Vertragspraxis aber OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487. 377) BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962. 378) OLG Schleswig, Beschl. v. 4.10.2010 – 5 U 34/10, BeckRS 2010, 29377; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524.

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§ 52 Bürgschaft

rechts („soweit“) nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen, sondern zieht den endgültigen Wegfall und damit das unmittelbar eintretende Erlöschen der Bürgschaftsforderung nach sich (rechtsvernichtende Einwendung). Dies entspricht der Regelung des § 777 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch dann, wenn der Bürgschaftsgläubiger später den identischen oder einen gleichartigen oder gleichwertigen Sicherungsgegenstand (zurück-)erlangt, lebt die nach § 776 Satz 1 BGB untergegangene Bürgschaftsforderung nicht wieder auf.375) Daher sollten Sicherheiten nicht ohne ausdrückliche und schriftlich nachgewiesene Zustimmung des Bürgen freigegeben werden. 5.316 e) Inhaltskontrolle. Ein formularmäßiger genereller Verzicht auf die Rechte aus § 776 BGB ist nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.376) Zulässig ist dagegen die individualvertragliche Vereinbarung der Nichtgeltung des § 776 BGB.377) VIII. Inanspruchnahme 1.

Einführung

5.317 Auch im Zusammenhang mit Bürgschaften ist ein zeitnahes Forderungsmanagement erforderlich. 2.

Wahlrecht

5.318 Soweit nicht etwas anderes vereinbart ist, hat der Getränkelieferant (Sicherungsnehmer) im Außenverhältnis ein Wahlrecht, welche Sicherheiten er zuerst in Anspruch nimmt. Es gibt grundsätzlich keine Pflicht des Gläubigers zur vorrangigen Verwertung von Immobiliarsicherheiten. Die Inanspruchnahme eines Bürgen vor der Verwertung von für den gleichen Zweck bestellten Immobiliarsicherheiten stellt daher keine unzulässige Rechtsausübung dar.378) 3.

Inverzugsetzung

5.319 Da der Bürge zumeist nicht Vertragspartner des Getränkelieferanten ist, fehlen ihm häufig Informationen zum aktuellen Stand der Entwicklung der Hauptforderung, insbesondere zur Anspruchshöhe. Um den Bürgen gleichwohl ordnungs___________ 375) BGH, Urt. v. 4.6.2013 – XI ZR 505/11, NJW 2013, 2508; OLG Köln, Urt. v. 22.5.1990 – 22 U 150/88, NJW 1990, 3214; 18445OLG Bamberg, Urt. v. 17.11.2011 – 1 U 88/11, BeckRS 2011, 28787 = ZIP 2012, 613; Aufgabetatbestand war hier die Abtretung eines erstrangigen Teils einer vom Schuldner gestellten Sicherungsgrundschuld. 376) BGH, Urt. v. 2.3.2000 – XI ZR 328/98, BGHZ 144, 52 = NJW 2000, 1566 = ZIP 2000, 656; BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962; BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193. Vgl. aus der Vertragspraxis aber OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487. 377) BGH, Urt. v. 6.4.2000 – XI ZR 2/98, NJW 2000, 2580 = ZIP 2000, 962. 378) OLG Schleswig, Beschl. v. 4.10.2010 – 5 U 34/10, BeckRS 2010, 29377; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524.

1126

VIII. Inanspruchnahme

gemäß in Verzug zu setzen, sollte der Getränkelieferant (als Bürgschaftsgläubiger) dem Bürgen Grund und Höhe seines Anspruchsbegehrens unter Beifügung entsprechender Belegunterlagen verständlich darlegen. Zwar kommt der Bürge gem. § 286 Abs. 1 BGB grundsätzlich in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Etwas anderes gilt aber gem. § 286 Abs. 4 BGB, der die Regelung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB modifiziert, ausnahmsweise dann, wenn die Leistung aufgrund von Umständen unterbleibt, die der Bürge nicht zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen des Bürgen ist keine Verzugsvoraussetzung, sondern sein Fehlen begründet einen Einwendungstatbestand. Dass solche den Verzugseintritt ausschließende Umstände vorliegen, hat der Bürge darzulegen und ggf. zu beweisen. Wurden dem Bürgen die notwendigen Informationen über das Bestehen und den Umfang der Hauptschuld vom Gläubiger nicht erteilt, so gerät er mangels eines Vertretenmüssens nicht in Verzug, wenn ihn kein eigenes Verschulden daran trifft, dass er die Informationen nicht erhalten hat. Ein eigenes Verschulden trifft den Bürgen dann, wenn er nicht selbst ausreichende, ihm zumutbare Anstrengungen unternommen hat, die ihm fehlenden Informationen zu erlangen.379) 4.

Hauptforderung

a) Darlegung. Aufgabe des klagenden Getränkelieferanten ist es, Entstehen und 5.320 Höhe der Hauptforderung nachvollziehbar und schlüssig darzulegen. Hat der Bürge sich für eine Verbindlichkeit des Hauptschuldners aus laufender Rechnung verpflichtet und liegt ein Saldoanerkenntnis nicht vor, liegt die Darlegungs- und Beweislast für den Fortbestand der verbürgten Hauptschuldner beim Bürgen.380) Dann ist der beklagte Bürge gefordert, dem in prozessual erheblicher Weise entgegenzutreten. Für die Erfüllung der Hauptschuld ist er darlegungs- und beweisbelastet. Ist der klagende Getränkelieferant seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, kann sich der beklagte Bürge nicht auf ein einfaches Bestreiten des Saldos zurückziehen, zumal dann nicht, wenn der Hauptschuldner über die Klagesumme bereits ein gerichtliches Anerkenntnis abgegeben hat.381) Unerheblich im Verhältnis zum Bürgen ist, ob der Getränkelieferungsvertrag 5.321 eine Rückführung des Darlehens durch Anrechnung einer Rückvergütung vorsieht. Insofern handelt es sich lediglich um eine Tilgungsabrede. Auch insoweit haftet der Bürge nicht für neue Verbindlichkeiten.382) ___________ 379) BGH, Urt. v. 10.2.2011 – VII ZR 53/10, NJW 2011, 2120 = ZIP 2011, 559. 380) BGH, Urt. v. 4.7.1985 – IX ZR 135/84, NJW 1985, 3007 = ZIP 1985, 984; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 29.6.2007 – 19 U 142/06, NJOZ 2007, 5354 = BeckRS 2007, 16524. 381) LG Bonn, Urt. v. 13.8.2010 – 3 O. 132/10, als Vorinstanz zu OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428, nach OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445; OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428. 382) LG Bonn, Urt. v. 13.8.2010 – 3 O. 132/10, als Vorinstanz zu OLG Köln, Beschl. v. 9.3.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18428, nach OLG Köln, (Hinweis-)Beschl. v. 17.1.2011 – 5 U 138/10, BeckRS 2011, 18445.

1127

§ 52 Bürgschaft

5.322 b) Verrechnung. Wendet der Hauptschuldner ein, die Verrechnung der dem Gläubiger aus einer Bürgschaft zugeflossenen Beträge verstoße gegen § 366 BGB, so ist der Einwand unerheblich. Ein Gläubiger, der eine Leistung auf eine andere Forderung als die streitgegenständliche anrechnen will, muss die Existenz der anderen Forderung beweisen. Erbringt er diesen Beweis, muss der Schuldner dartun, warum die Leistung auf die streitige Forderung anzurechnen ist.383) 5.

Zeitbürgschaft und § 777 BGB

5.323 a) Sicherungsfall innerhalb der Laufzeit. Bei einer Zeitbürgschaft i. e. S.384) droht das Risiko des Verlustes des Bürgschaftsanspruchs nach § 777 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Gläubiger erhält einen durchsetzbaren Bürgschaftsanspruch nur, wenn die Hauptschuld innerhalb der Bürgschaftszeit fällig geworden ist.385) Nur dann erfüllt die in § 777 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehene Anzeige des Gläubigers ihren Zweck.386) Hält der Getränkelieferant das nach § 777 Abs. 1 BGB einzuschlagende Verfahren der Inanspruchnahme ein, haftet der Zeitbürge im Umfang des § 777 Abs. 2 BGB. Treten die Voraussetzungen der Inanspruchnahme, insbesondere die Fälligkeit der gesicherten Forderung, nicht innerhalb der bestimmten Frist ein, so erlischt die Haftung des Bürgen mit Zeitablauf (§§ 163, 158 Abs. 2 BGB).387) Die Parteien können zudem abweichend von § 777 Abs. 1 Satz 1 a. E. oder Abs. 1 Satz 2 BGB vereinbaren, dass der Bürge mit Zeitablauf in jedem Falle frei wird, wenn er nicht zuvor in Anspruch genommen wurde.388) 5.324 b) Liegt – wie im Regelfall – eine selbstschuldnerische Zeitbürgschaft vor, so muss der Gläubiger zur Wahrung der Rechte ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners den Bürgen nach Ablauf der bestimmten Zeit ohne schuldhaftes Zögern unverzüglich anzeigen, dass er ihn in Anspruch nehme (§ 777 Abs. 1 Satz 2 BGB). Versäumt der Gläubiger die Anzeige, so wird der Bürge frei. Allerdings sind Zwischenverhandlungen zu berücksichtigen.389) Bei rechtzeitiger Anzeige beschränkt sich die Haftung des Bürgen auf den Umfang der Hauptverbindlichkeit (§ 777 Abs. 2 BGB). Erweiterungen der Hauptschuld gehen somit nicht zu Lasten des Bürgen; dies gilt auch für danach fällig werdende Zinsen und Kosten. 5.325 Steht dem Bürgen ausnahmsweise die Einrede der Vorausklage zu und leitet der Getränkelieferant (Sicherungsnehmer) die Einziehung der Hauptforderung gegen ___________ 383) 384) 385) 386)

BGH, Urt. v. 30.3.1992 – XI ZR 95/92, NJW-RR 1993, 1015. Siehe oben § 52 III 4 m. w. N. BGH, Urt. v. 24.9.1998 – IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325 = NJW 1999, 55 = ZIP 1998, 1907. BGH, Urt. v. 14.6.1984 – IX ZR 83/83, BGHZ 91, 349 = NJW 1984, 2431; BGH, Urt. v. 24.9.1998 – IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325 = NJW 1999, 55 = ZIP 1998, 1907. 387) KG, Urt. v. 29.5.1995 – 24 U 7885/94, NJW-RR 1995, 1199. 388) BGH, Urt. v. 24.9.1998 – IX ZR 371/97, BGHZ 139, 325 = NJW 1999, 55 = ZIP 1998, 1907. 389) BGH, Beschl. v. 28.5.1979 – II ZB 4/79, NJW 1979, 1986.

1128

VIII. Inanspruchnahme

den Hauptschuldner ein und betreibt nach § 772 BGB unverzüglich die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Hauptschuldners, so kann er den Bürgen nach fruchtlosem Ablauf der Bürgschaftsfrist in Anspruch nehmen (§ 777 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Gläubiger muss die Inanspruchnahme dem Bürgen unverzüglich nach Beendigung des (Vollstreckungs-)Verfahrens anzeigen. Anderenfalls droht ein Verlust des Sicherungsrechts. Der Zeitbürge mit einer Einrede nach § 771 BGB stellt sich somit unter Umständen schlechter als der selbstschuldnerische Zeitbürge, weil er erheblich länger haften kann als vertraglich vorgesehen. 6.

Restschuldbefreiung

Mit Abschluss des britischen Insolvenzverfahrens durch Restschuldbefreiung 5.326 ist der Gläubiger wieder berechtigt, seinen Bürgschaftsanspruch außerhalb des englischen Insolvenzverfahrens zu verfolgen; der beklagte Bürge erlangt seine passive Prozessführungsbefugnis wieder.390) 7.

Verzugszinsen

Verzugszinsen können in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins- 5.327 satz EZB verlangt werden.391) 8.

Herausgabe der Bürgschaftsurkunde

a) Grundlagen. Gemäß § 371 BGB kann der Bürge Herausgabe der Bürgschaft 5.328 verlangen, wenn die Bürgschaftsverpflichtung erloschen ist und keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Hauptverbindlichkeit, für die gebürgt wurde, noch aufleben kann. Die Bürgschaftsverpflichtung ist erloschen, wenn die gesicherte Verbindlichkeit selbst erloschen ist oder sonstige, eigenständige Löschungsgründe bezüglich der Bürgschaftsschuld bestehen. b) Hat der Hauptschuldner sich gegenüber dem Gläubiger verpflichtet, eine Si- 5.329 cherheit in Form einer Bürgschaft zu stellen, so steht der Anspruch auf Herausgabe des Schuldscheins über die Bürgschaft bzw. der Bürgschaftsurkunde nach § 371 Satz 1 BGB nicht dem Hauptschuldner, sondern dem Bürgen zu, weil dieser als Schuldner des Anspruchs aus der Bürgschaft anzusehen ist. Daher muss der Vermieter oder Verpächter die Bürgschaftsurkunde im Fall einer Kautionsbürgschaft nach Wegfall des Sicherungszwecks nach Beendigung des Mietverhältnisses entsprechend § 371 BGB grundsätzlich nur an den Bürgen herausgeben, sofern sich nicht aus den vertraglichen Beziehungen unter Einbeziehung der Interessenlage der Beteiligten etwas anderes ergibt.392) ___________ 390) BGH, Urt. v. 10.9.2015 – IX ZR 304/13, BeckRS 2015, 18578. 391) OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.12.2008 – I-10 U 138/06, BeckRS 2009, 08842. 392) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 15.6.2012 – 2 U 252/11, BeckRS 2012, 16599.

1129

§ 53 Schuldbeitritt

§ 53 Schuldbeitritt I.

Grundlagen

1.

Rechtsnatur

5.330 Gesetzlich nicht geregelt, aber nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1 Fall 1 BGB) als reiner Verpflichtungsvertrag zulässig ist der irreführend auch Schuldmitübernahme bzw. kumulative Schuldübernahme genannte Schuldbeitritt. Der Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird.393) 2.

Abschluss

5.331 Grundlage ist eine einseitige Verpflichtungserklärung des Beitretenden. Der Schuldbeitritt kann zum einen zwischen Gläubiger und Beitretendem selbst verhandelt werden (Regel). Zum anderen kann er zwischen dem Beitretenden und dem Erstschuldner zugunsten des Gläubiger (§ 328 BGB) vereinbart werden.394) Anders als bei der (befreienden) Schuldübernahme nach § 414 BGB bedarf es hierbei nicht der Zustimmung des Gläubigers, weil dieser nichts verliert. Gemäß § 333 BGB hat er allerdings ein Zurückweisungsrecht. 3.

Haftung

5.332 a) Gesamtschuld. Der Beitretende tritt selbstständig, unabhängig und gleichrangig neben den/die verbleibenden Erstschuldner. Der Schuldbeitritt begründet mithin eine Gesamtschuld i. S. d. § 421 BGB zwischen dem Beitretenden und dem Erstschuldner. Da der Gläubiger beim Schuldbeitritt nach dem Parteiwillen regelmäßig die Leistung nur einmal erhalten soll, handelt es sich um einen Fall rechtsgeschäftlich begründeter Gesamtschuldnerschaft von Erstschuldner und Beitretendem im Wege einer Sicherungsgesamtschuld.395) 5.333 b) Entwicklung. Derjenige, der aufgrund eines Schuldbeitritts Gesamtschuldner wird, haftet nicht wie ein Bürge akzessorisch für die Begleichung einer fremden Erstschuld. Vielmehr geht er eine eigene Verbindlichkeit ein, die eigene Wege gehen kann. 5.334 c) Umfang. Aufgrund des Schuldbeitritts haftet der Beitretende nur dann für Kosten der Rechtsverfolgung gegen den anderen Schuldner und für diesem gegenüber bestehende Zinsansprüche, wenn derartige Ansprüche von der Beitrittserklärung umfasst sind.396) ___________ 393) BGH, Urt. v. 7.5.2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 = NJW 2015, 3782; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 394) BGH, Urt. v. 26.10.1978 – VII ZR 71/76, BGHZ 72, 246 = NJW 1979, 157. 395) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 30/06, NJW-RR 2007, 1407 = ZIP 2007, 1602. 396) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148.

1130

II. Abgrenzung

4.

Verhältnis zur Erstschuld

a) Anfängliche Abhängigkeit. Ein Schuldbeitritt setzt eine bestehende Erst- 5.335 schuld voraus. Anderenfalls geht der Schuldbeitritt ins Leere.397) Hierzu rechnet auch der Fall einer Nichtigkeit des Erstvertrages wegen Formmangels. Auch dann wäre der Beitritt gegenstandslos, ginge ins Leere und entbehrte ebenso wie der Erstvertrag der Rechtswirkung.398) b) Entwicklung. Nach wirksamer Begründung bildet der Schuldbeitritt eine 5.336 eigene Verpflichtung des Beitretenden, die – anders als bei der Bürgschaft – ein eigenständiges rechtliches Schicksal nehmen kann. Die Haftung entwickelt sich daher unabhängig von der Erstschuld (§§ 422, 425 5.337 BGB). Eine Abhängigkeit der Haftung besteht nur hinsichtlich der gesamtwirkenden Umstände (§§ 422 – 424 BGB). Nach § 425 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich der Grundsatz der Einzelwirkung.399) II.

Abgrenzung

Ist streitig, um welche Art der Hartungserklärung es sich handelt. bedarf es der 5.338 Auslegung. Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist.400) 1.

Schuldbeitritt

Für einen Schuldbeitritt spricht das eigene unmittelbare sachliche (wirtschaftli- 5.339 che oder rechtliche) Interesse des Dritten an der Durchführung des Hauptvertrages. Ein bloß persönliches Interesse, etwa aufgrund familiärer oder freundschaftlicher Verbundenheit, genügt i. d. R. nicht zur Annahme eines Schuldbeitritts.401) So etwa, wenn man einem anderen nur einen Gefallen tun will. Dann liegt lediglich ein Fall einer akzessorischen Haftung in Form einer Bürgschaft vor. Auf die Art des Interesses kommt es allerdings dann nicht an, wenn die abge- 5.340 gebene Erklärung eindeutig den Willen zum Schuldbeitritt erkennen lässt. ___________ 397) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1698. 398) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1699; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 2995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94. 399) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 400) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 401) BGH, Urt. v. 7.7.1976 – VIII ZR 89/75, BeckRS 1976, 31122335.

1131

II. Abgrenzung

4.

Verhältnis zur Erstschuld

a) Anfängliche Abhängigkeit. Ein Schuldbeitritt setzt eine bestehende Erst- 5.335 schuld voraus. Anderenfalls geht der Schuldbeitritt ins Leere.397) Hierzu rechnet auch der Fall einer Nichtigkeit des Erstvertrages wegen Formmangels. Auch dann wäre der Beitritt gegenstandslos, ginge ins Leere und entbehrte ebenso wie der Erstvertrag der Rechtswirkung.398) b) Entwicklung. Nach wirksamer Begründung bildet der Schuldbeitritt eine 5.336 eigene Verpflichtung des Beitretenden, die – anders als bei der Bürgschaft – ein eigenständiges rechtliches Schicksal nehmen kann. Die Haftung entwickelt sich daher unabhängig von der Erstschuld (§§ 422, 425 5.337 BGB). Eine Abhängigkeit der Haftung besteht nur hinsichtlich der gesamtwirkenden Umstände (§§ 422 – 424 BGB). Nach § 425 Abs. 1 BGB gilt grundsätzlich der Grundsatz der Einzelwirkung.399) II.

Abgrenzung

Ist streitig, um welche Art der Hartungserklärung es sich handelt. bedarf es der 5.338 Auslegung. Die Auslegung von Individualvereinbarungen ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Dessen Auslegung unterliegt im Revisionsverfahren nur einer eingeschränkten Überprüfung im Hinblick darauf, ob gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt sind oder ob die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, etwa weil wesentliches Auslegungsmaterial unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen worden ist.400) 1.

Schuldbeitritt

Für einen Schuldbeitritt spricht das eigene unmittelbare sachliche (wirtschaftli- 5.339 che oder rechtliche) Interesse des Dritten an der Durchführung des Hauptvertrages. Ein bloß persönliches Interesse, etwa aufgrund familiärer oder freundschaftlicher Verbundenheit, genügt i. d. R. nicht zur Annahme eines Schuldbeitritts.401) So etwa, wenn man einem anderen nur einen Gefallen tun will. Dann liegt lediglich ein Fall einer akzessorischen Haftung in Form einer Bürgschaft vor. Auf die Art des Interesses kommt es allerdings dann nicht an, wenn die abge- 5.340 gebene Erklärung eindeutig den Willen zum Schuldbeitritt erkennen lässt. ___________ 397) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1698. 398) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1699; BGH, Urt. v. 10.5.1995 – VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371 = NJW 1995, 2290 = ZIP 2995, 996; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.12.1994 – 11 U (Kart) 73/94. 399) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 400) BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 401) BGH, Urt. v. 7.7.1976 – VIII ZR 89/75, BeckRS 1976, 31122335.

1131

§ 53 Schuldbeitritt

2.

Vertragspartnerschaft und Vertragsbeitritt

5.341 a) Grundlagen. Hat bzw. haben die weitere(n) Person(en) Einfluss auf die Führung des gastronomischen Betriebes und ist ein unmittelbares Eigeninteresse am unternehmerischen Erfolg festzustellen, so kommen eine Vertragspartnerschaft, ggf. auch ein Vertragsbeitritt, in Betracht. Steht dagegen das Sicherungsinteresse des Getränkelieferanten im Vordergrund und ist Anlass für die Miteinbeziehung der weiteren Person deren Bereitschaft zur persönlichen Haftungs- oder Garantieübernahme402), so dürfte es sich eher um einen Schuldbeitritt oder eine Bürgschaft handeln. 5.342 b) Praxishinweise. Bei Leistungs- und Getränkelieferungsverträgen mit mehreren Personen sollten die Getränkelieferanten darauf achten, dass sämtliche Vertragspartner auch Vertragspartner des Pachtvertrages sind. Ist nur einer von ihnen Träger der Konzession, so könnte zwar für die nicht unternehmerisch handelnde Person an einen Schuldbeitritt oder eine Bürgschaft gedacht werden. Dabei handelt es sich aber um eine aus Sicht des Getränkelieferanten schlechtere „Sicherheit“. Dies zumal dann, wenn – wie häufig – Objekt und Konzept einen aktiven Einsatz mehrerer Personen verlangen. Dagegen stellt das Nichtigkeitsverdikt des § 138 Abs. 1 BGB keine entscheidende Hürde dar. Die umfassende Mithaftung einer nicht unternehmerisch tätigen Person als gleichwertiger Vertragspartner („Gesamtgläubiger und Gesamtschuldner“) steht nämlich der Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB nicht entgegen.403) 5.343 Zu bedenken ist freilich – wenn auch nicht aus Sicht des Getränkelieferanten – der steuerliche Aspekt, dass der Konzessionsträger gezahlte Umsatzsteuer nur eingeschränkt als Vorsteuer absetzen kann. Dies kann nachträglich zu Rückforderungen des Finanzamtes führen.404) 3.

Bürgschaft

5.344 Die Tatsache, dass die Parteien das Sicherungsmittel nicht ausdrücklich als „Bürgschaft“ bezeichnet haben, spricht nicht gegen die Annahme einer Bürgschaft. Ob eine Erklärung als Schuldbeitritt oder als Bürgschaft auszulegen ist, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Zusage eine selbstständige Schuld (dann Schuldbeitritt) oder eine der Hauptforderung angelehnte und grundsätzlich subsidiäre405) Schuld (dann Bürgschaft) begründen soll.406) 5.345 Ist eine gesamtschuldnerische Haftung vereinbart, so scheidet eine Bürgschaft aus. Bürge und Hauptschuldner sind nämlich nicht Gesamtschuldner, weil bei ___________ 402) LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833. Siehe oben § 39 VI 2 c m. w. N. 403) BGH, Urt. v. 14.11.2000 – XI ZR 248/99, BGHZ 146, 37 = NJW 2001, 815 = ZIP 2001, 189. 404) BFH, Urt. v. 7.11.2000 – V R 49/99, BFHE 194, 270 = BeckRS 2000, 24001003. 405) Siehe §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1 sowie § 771 BGB. 406) BGH, Urt. v. 12.2.1987 – III ZR 178/85, NJW 1987, 2076 = ZIP 1987, 697.

1132

III. Wirksamkeit

Leistung des Bürgen die Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen übergeht.407) III.

Wirksamkeit

1.

Klauselwirksamkeit

a) Die Grundsätze der Anlassrechtsprechung408) mit der Folge der Unwirksam- 5.346 keit einer Haftungserweiterung sind auch auf den Schuldbeitritt zu übertragen.409) b) Eigenhaftung des Vertreters. Bei Verträgen mit GmbHs wird im Hinblick auf 5.347 die beschränkte Haftung der Gesellschaft häufig eine persönliche Haftungsübernahme des Geschäftsführers bzw. der Gesellschaft im Wege des Schuldbeitritts vereinbart. § 309 Nr. 11 a BGB, der auch im Unternehmerverkehr gilt, verlangt eine ausdrückliche und gesondert unterzeichnete Haftungserklärung. Nur wenn die Übernahme der Mithaftung auf einer ausdrücklichen gesonderten Erklärung beruht, greift das Klauselverbot nicht.410) 2.

Sittenwidrigkeit

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Vorliegen einer krassen finanziellen Über- 5.348 forderung des Mitverpflichteten ohne Hinzutreten weiterer Umstände im Wege einer tatsächlichen Vermutung von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mithaftenden persönlich besonders nahe steht, wie dies etwa im Verhältnis zwischen Ehegatten der Fall ist. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.411) Die Vermutung ist vom insoweit darlegungs und beweispflichtigen Gläubiger zu widerlegen hat.412) Eine Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit des Beitrittsvertrags gem. § 138 Abs. 1 BGB kommt vor allem im Fall der Vermögenslosigkeit des Beitretenden als Sicherungsgeber in Betracht. ___________ 407) OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.6.2007 – I-10 U 19/07, BeckRS 2007, 19461. Siehe oben § 52 I 6 c m. w. N. 408) Siehe oben § 52 I 7 d bb m. w. N. 409) BGH, Urt. v. 7.11.1995 – XI ZR 235/94, NJW 1996, 249 = ZIP 1995, 1976. 410) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315. Siehe auch BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. Dort auch zu § 305c Abs. 1 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 411) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193; BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 = ZIP 2005, 432; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. 412) BGH, Urt. v. 24.11.2009 – XI ZR 332/08, BeckRS 2009, 88507; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241.

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III. Wirksamkeit

Leistung des Bürgen die Hauptforderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den Bürgen übergeht.407) III.

Wirksamkeit

1.

Klauselwirksamkeit

a) Die Grundsätze der Anlassrechtsprechung408) mit der Folge der Unwirksam- 5.346 keit einer Haftungserweiterung sind auch auf den Schuldbeitritt zu übertragen.409) b) Eigenhaftung des Vertreters. Bei Verträgen mit GmbHs wird im Hinblick auf 5.347 die beschränkte Haftung der Gesellschaft häufig eine persönliche Haftungsübernahme des Geschäftsführers bzw. der Gesellschaft im Wege des Schuldbeitritts vereinbart. § 309 Nr. 11 a BGB, der auch im Unternehmerverkehr gilt, verlangt eine ausdrückliche und gesondert unterzeichnete Haftungserklärung. Nur wenn die Übernahme der Mithaftung auf einer ausdrücklichen gesonderten Erklärung beruht, greift das Klauselverbot nicht.410) 2.

Sittenwidrigkeit

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Vorliegen einer krassen finanziellen Über- 5.348 forderung des Mitverpflichteten ohne Hinzutreten weiterer Umstände im Wege einer tatsächlichen Vermutung von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mithaftenden persönlich besonders nahe steht, wie dies etwa im Verhältnis zwischen Ehegatten der Fall ist. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.411) Die Vermutung ist vom insoweit darlegungs und beweispflichtigen Gläubiger zu widerlegen hat.412) Eine Sittenwidrigkeit und damit Nichtigkeit des Beitrittsvertrags gem. § 138 Abs. 1 BGB kommt vor allem im Fall der Vermögenslosigkeit des Beitretenden als Sicherungsgeber in Betracht. ___________ 407) OLG Düsseldorf, Urt. v. 14.6.2007 – I-10 U 19/07, BeckRS 2007, 19461. Siehe oben § 52 I 6 c m. w. N. 408) Siehe oben § 52 I 7 d bb m. w. N. 409) BGH, Urt. v. 7.11.1995 – XI ZR 235/94, NJW 1996, 249 = ZIP 1995, 1976. 410) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315. Siehe auch BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. Dort auch zu § 305c Abs. 1 und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. 411) BGH, Urt. v. 14.10.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 = NJW 2004, 161 = ZIP 2003, 2193; BGH, Urt. v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 = ZIP 2005, 432; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. 412) BGH, Urt. v. 24.11.2009 – XI ZR 332/08, BeckRS 2009, 88507; BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241.

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§ 53 Schuldbeitritt

Die Grundsätze zur Beurteilung einer Sittenwidrigkeit im Zusammenhang von Bürgschaften sind auf einen gläubigervertraglichen Schuldbeitritt übertragbar.413) IV. Verbraucherkreditrecht 1. Sachlicher Anwendungsbereich 5.349 a) Allgemein. Da der Beitretende nur die Mithaftung für einen gewährten Kredit nach § 488, § 491 oder § 507 BGB übernimmt, aber keinen Anspruch auf Auszahlung erlangt, stellt der Schuldbeitritt seinem Wesen nach keinen Darlehensvertrag i. S. d. § 491 BGB dar. Dies selbst dann, wenn der Beitritt zu einem Geschäftskreditvertrag erklärt wird.414) Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob der ursprüngliche Kreditnehmer Verbraucher oder Existenzgründer ist.415) Denn der Beitretende übernimmt lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Kreditnehmers aus diesem Vertrag, ohne jedoch dessen Anspruch gegen den Kreditgeber auf Auszahlung des Kredits zu erlangen. Der Schuldbeitritt zu einem Verbraucherdarlehensvertrag fällt aber im Wege der Analogie zu § 491 Abs. 1 BGB unter die entsprechenden Schutzvorschriften. Im Falle des Schuldbeitritts ist das Schutzbedürfnis des Verbrauchers nicht geringer, sondern eher größer als das des Darlehensnehmers, weil der Beitretende trotz voller Mitverpflichtung keine Rechte gegen den Darlehensgeber erlangt, insbesondere keinen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens hat, vielmehr mit nach Höhe und Dauer unübersehbaren Verpflichtungen belastet wird. Entscheidend ist die für den Beitretenden erstmalige Begründung einer Darlehensverpflichtung, ohne die Darlehensvaluta erhalten zu haben. Aber auch aus der Sicht des Kreditgebers ist die entsprechende Anwendung des Verbraucherschutzrechts gerechtfertigt, weil er durch den Schuldbeitritt einen weiteren Schuldner für den Kreditvertrag erhält.416) ___________ 413) BGH, Urt. v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 = ZIP 1991, 224; BGH, Urt. v. 26.4.1994 – XI ZR 184/93, NJW 1994, 1724 = ZIP 1994, 773; BGH, Urt. v. 28.5.2001 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 2644. Siehe oben § 52 IV m. w. N. 414) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 165, 43 = NJW 1997, 1443 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. 415) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850. 416) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494, zur GmbH & Co. KG; BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, NZG 2009, 273 = ZIP 2009, 261; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314 (Zuschussvertrag); 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18; LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833.

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§ 53 Schuldbeitritt

Die Grundsätze zur Beurteilung einer Sittenwidrigkeit im Zusammenhang von Bürgschaften sind auf einen gläubigervertraglichen Schuldbeitritt übertragbar.413) IV. Verbraucherkreditrecht 1. Sachlicher Anwendungsbereich 5.349 a) Allgemein. Da der Beitretende nur die Mithaftung für einen gewährten Kredit nach § 488, § 491 oder § 507 BGB übernimmt, aber keinen Anspruch auf Auszahlung erlangt, stellt der Schuldbeitritt seinem Wesen nach keinen Darlehensvertrag i. S. d. § 491 BGB dar. Dies selbst dann, wenn der Beitritt zu einem Geschäftskreditvertrag erklärt wird.414) Ebenfalls ohne Bedeutung ist, ob der ursprüngliche Kreditnehmer Verbraucher oder Existenzgründer ist.415) Denn der Beitretende übernimmt lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Kreditnehmers aus diesem Vertrag, ohne jedoch dessen Anspruch gegen den Kreditgeber auf Auszahlung des Kredits zu erlangen. Der Schuldbeitritt zu einem Verbraucherdarlehensvertrag fällt aber im Wege der Analogie zu § 491 Abs. 1 BGB unter die entsprechenden Schutzvorschriften. Im Falle des Schuldbeitritts ist das Schutzbedürfnis des Verbrauchers nicht geringer, sondern eher größer als das des Darlehensnehmers, weil der Beitretende trotz voller Mitverpflichtung keine Rechte gegen den Darlehensgeber erlangt, insbesondere keinen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens hat, vielmehr mit nach Höhe und Dauer unübersehbaren Verpflichtungen belastet wird. Entscheidend ist die für den Beitretenden erstmalige Begründung einer Darlehensverpflichtung, ohne die Darlehensvaluta erhalten zu haben. Aber auch aus der Sicht des Kreditgebers ist die entsprechende Anwendung des Verbraucherschutzrechts gerechtfertigt, weil er durch den Schuldbeitritt einen weiteren Schuldner für den Kreditvertrag erhält.416) ___________ 413) BGH, Urt. v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 = ZIP 1991, 224; BGH, Urt. v. 26.4.1994 – XI ZR 184/93, NJW 1994, 1724 = ZIP 1994, 773; BGH, Urt. v. 28.5.2001 – XI ZR 205/01, NJW 2002, 2705 = ZIP 2002, 2644. Siehe oben § 52 IV m. w. N. 414) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 165, 43 = NJW 1997, 1443 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. 415) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850. 416) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494, zur GmbH & Co. KG; BGH, Urt. v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431 = ZIP 2006, 68; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/07, NZG 2009, 273 = ZIP 2009, 261; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314 (Zuschussvertrag); 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18; LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833.

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IV. Verbraucherkreditrecht

b) Vertrag zugunsten Dritter. Erklärt der Verbraucher/Existenzgründer ohne 5.350 Beteiligung eines Unternehmers wie etwa in der Situation des § 415 BGB einen Schuldbeitritt zugunsten des Getränkelieferanten (§ 328 BGB), so gilt das Verbraucherkreditrecht nicht analog. 2.

Persönlicher Anwendungsbereich

a) Einführung. Praktische Bedeutung im Zusammenhang mit Getränkeliefe- 5.351 rungsverträgen hat die Frage, ob im Wege des Beitritts mitverpflichtete Personen als Verbraucher einzuordnen sind. Beim Beitritt von (Ehe-)Partnern, Familienangehörigen, (GmbH-)Geschäftsführern oder sonstigen Dritten ist zunächst im Wege der Auslegung zu prüfen, ob ein Vertragsbeitritt oder lediglich ein Schuldbeitritt vorliegt.417) Im erstgenannten Fall handelt es sich um ein Unternehmer- bzw. Existenzgründergeschäft, im zweitgenannten Fall dagegen um ein Verbrauchergeschäft. b) Einzelbetrachtung. Da der Schuldbeitritt – hier zumeist für die Person des mit 5.352 verpflichteten Geschäftsführers der GmbH – ein selbstständiges Schuldverhältnis zwischen dem Beitretenden und dem Darlehensgeber begründet, ist in allen die §§ 491 – 513 BGB betreffenden Fragen im Wege der Einzelbetrachtung auf die Person des Beitretenden abzustellen.418) Nicht dagegen ist Voraussetzung, dass auch der Darlehensnehmer selbst Verbraucher ist, sofern nur der Verpflichtung aus einem Darlehensvertrag oder einem sonstigen Kreditvertrag beigetreten wird.419) c) Wertgrenze. Dies gilt auch dann, wenn der Beitritt zu einem Existenzgrün- 5.353 dungskredit von mehr als 75.000,00 € erfolgt.420) Hingegen findet die Wertgrenze auf Verbraucher keine Anwendung. ___________ 417) Siehe oben § 53 II 1 und 2, jeweils m. w. N. 418) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 342 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; OLG Hamm, Urt. v. 8.6.1998 – 31 U 4/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 15.9.1999 – VIII ZR 333/98; OLG Köln, Urt. v. 1.10.1999 – 19 U 14/99, BeckRS 1999 30075682. 419) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657; BGH, Urt. v. 12.11.1996 – XI ZR 202/95, BGHZ 134, 94 = NJW 1997, 654 = ZIP 1997, 197; BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 1442 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1994, 1694; BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 332/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.12.1993 – 6 W 46/93, NJW 1994, 867; OLG Köln, Urt. v. 1.10.1999 – 19 U 14/99, BeckRS 1999 30075682. 420) BGH, Urt. v. 28.1.1997 – XI ZR 251/95, NJW 1997, 1442 = ZIP 1997, 643; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 9.12.2008 – XI ZR 513/97, BGHZ 179, 120 = ZIP 2009, 261.

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§ 53 Schuldbeitritt

5.354 d) Maßgeblicher Zeitpunkt. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der Mithaftungserklärung.421) 3.

Schriftform

5.355 a) Geltung. (Schuld-)Beitrittsvereinbarungen zu einem dem Verbraucherkreditrecht unterfallenden Vertrag haben dem Schriftformerfordernis der §§ 492 Abs. 1, 126 BGB (jedenfalls analog) in der für den Beitrittszeitpunkt maßgeblichen Gesetzesfassung zu genügen, wobei die Erleichterung nach § 126 Abs. 2 Satz 2 BGB (Vertragsschluss im Korrespondenzweg) gilt.422) Der Beitretende muss vor Begründung seiner Mithaftung über die mit seiner Mithaftung verbundene finanzielle Gesamtbelastung unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Kosten unterrichtet werden.423) 5.356 b) Anforderungen. aa) Blankoerklärungen sind formnichtig.424) 5.357 bb) Telefax. Eine Schuldbeitrittserklärung zu einer Darlehensforderung, die dem Getränkelieferanten lediglich per Telefax zugegangen ist, ist nicht wirksam.425) Bloße Textform ist nämlich nicht ausreichend. Vielmehr ist jedenfalls die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur (§§ 126 Abs. 3, 126a BGB) erforderlich. 5.358 cc) Zugang gem. § 151 BGB. § 151 BGB gilt grundsätzlich auch, wenn die Annahme die Schriftform erfordert, weil weder § 126 BGB noch § 127 BGB den Zugang der formwirksamen Erklärung ausnahmslos voraussetzen. Das Schriftformerfordernis steht sonach dem konkludenten Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung gem. § 151 BGB nicht entgegen, z. B. bei einem auf der Darlehensurkunde unterzeichneten Beitritt.426) ___________ 421) BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. 422) BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18. 423) BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 12.11.1996 – XI ZR 202/95, BGHZ 134, 94 = NJW 1997, 654 = ZIP 1997, 197; BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1169: § 4 Abs. 1 Satz 2 VerbrKrG trat beispielsweise erst am 1.1.1993 in Kraft; BGH, Urt. v. 24.6.2003 – XI ZR 100/02, NJW 2003, 2742 = ZIP 2003, 1494; Stuttgart, Urt. v. 2.12.1993 – 6 W 46/93, NJW 1994, 867. 424) BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694; BGH, Urt. v. 19.5.2005 – III ZR 240/04, ZIP 2005, 1179; BGH, Urt. v. 25.4.2006 – XI ZR 193/04, BGHZ 165, 252 = NJW 2006, 1788 = ZIP 2006, 940. 425) BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/96, NJW 1997, 3169 = ZIP 1997, 1694. 426) BGH, Urt. v. 27.4.2004 – XI ZR 49/03, NJW-RR 2004, 1683 = ZIP 2004, 1303; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315.

1136

IV. Verbraucherkreditrecht

c) Heilung. Die Heilungsvorschrift des § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt nur, wenn 5.359 das Darlehen dem Beitretenden zufließt. d) Praxishinweis. Bei Vereinbarung eines Schuldbeitritts ist die Schriftform ge- 5.360 wahrt, wenn die vom Verbraucher unterzeichneten Schriftstücke den Inhalt des zu übernehmenden Vertrages ggf. auch durch Inbezugnahme und Beifügung, wiedergeben. Nimmt der Zweitvertrag auf den Erstvertrag Bezug und ist ihm eindeutig zu entnehmen, dass es hinsichtlich der nicht in die neue Urkunde aufgenommenen Vertragsbestandteile bei dem früher Vereinbarten bleiben soll, so bestehen keine Wirksamkeitsbedenken.427) Entsprechend dem Schutzzweck des Schriftformerfordernisses wird dem Verbraucher in der Vertragspraxis der Getränkelieferanten der vollständige Vertragsinhalt schriftlich mitgeteilt, indem in der Beitrittserklärung die entsprechenden „Grundverträge“ in Bezug genommen und als Anlage beigefügt werden. 4.

Vorvertragliche Informationen

Auch im Zusammenhang mit Schuldbeitrittserklärungen eines Verbrauchers zu 5.361 einer Kreditverpflichtung nach §§ 488, 491 oder 507 BGB sind die vorvertraglichen Informationspflichten entsprechend § 491a Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 2 – 4 EGBGB zu erfüllen. 5.

Pflichtangaben

a) Grundsatz. Dem Beitretenden muss der Umfang der finanziellen Belastung 5.362 durch Inbezugnahme und Beifügung des zu übernehmenden Vertrages und durch Anführung sämtlicher sich aus § 492 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 247 §§ 6 , 1 0 – 13 EGBGB ergebenden Pflichtangaben vor Augen geführt werden, um das Risiko des Schuldbeitritts richtig einschätzen zu können und die Entscheidungsfindung über einen Widerruf des Schuldbeitrittsvertrages zutreffend vornehmen zu können.428) Eine Einschränkung auf etwaige Zwecke des Schuldbeitretenden ist nicht angezeigt. b) Konsequenzen. Die Beitrittsurkunde muss daher zumindest (aktualisierte) 5.363 Angaben zur Art des Darlehens, zum effektiven Jahreszins429), zur Höhe des ursprünglichen Nettodarlehensbetrages bzw. Barzahlungspreises, zum Sollzins___________ 427) BGH, Urt. v. 25.2.1997 – XI ZR 49/96, NJW 1997, 1443 = ZIP 1997, 642; BGH, Urt. v. 26.5.1999 – VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23 = NJW 1999, 2664 = ZIP 1999, 1199. 428) BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 27.4.2004 – XI ZR 49/03, WM 2004, 1381; BGH, Urt. v. 6.12.2005 – XI ZR 139/05, BGHZ 165, 213 = NJW 2006, 681 = ZIP 2006, 224; BGH, Urt. v. 24.7.2007 – XI ZR 208/06, NJW-RR 2007, 1673 = ZIP 2007, 1850; BGH, Urt. v. 25.10.2011 – XI ZR 331/10, NJW-RR 2012, 166 = ZIP 2012, 18; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315. 429) BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315.

1137

§ 53 Schuldbeitritt

satz, zum (Gesamt-)Betrag, Anzahl und Fälligkeit aller zur Tilgung des Kredits sowie zur Zahlung der Zinsen und sonstigen Kosten zu entrichtenden Teilzahlungen430), zur Höhe der bisher erfolgten Verrechnungen, zur Höhe des noch offenen Kreditbetrages, zu Art und Weise der Rückzahlung431), zu den Kosten432) und zu den Sicherheiten enthalten.433) 6.

Widerrufsinformation

5.364 Dem Beitretenden zu einer Kreditverpflichtung nach §§ 488, 491 oder 507 BGB kann eigenständig ein Widerrufsrecht zustehen, über das zu er belehren ist.434) Das Muster der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB gilt entsprechend. Ein Widerrufsformular ist nicht bereitzustellen. 7.

Widerruf

5.365 a) Widerrufsberechtigung. Eine Widerrufsbefugnis des Beitretenden ergibt sich aus § 495 Abs. 1 BGB analog. Das gilt auch für den GmbH-Geschäftsführer, soweit in der Person des Beitretenden die Voraussetzungen des § 513 BGB oder des § 13 BGB gegeben sind,435) und zwar unabhängig davon, ob der Erstschuldner widerrufsberechtigt ist oder ein solches Recht ausgeübt hat.436) Sowohl der Erstschuldner als auch der Beitretende können ihre etwaigen Widerrufsrechte unabhängig voneinander ausüben. 5.366 b) Konkurrenzen. Steht dem Beitretenden ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB analog zu, so geht dieses gemäß § 312g Abs. 3 BGB vor, sofern nicht ein Ausnahmetatbestand nach § 491 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 – 5, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BGB gegeben ist.

___________ 430) OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315; LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833. 431) OLG Dresden, Urt. v. 19.1.2001 – 8 U 1341/00, BeckRS 2001, 30156315. 432) LG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.2007 – 7 O. 192/06, BeckRS 2009, 09833. Dort fälschlicherweise auch bezogen auf den Getränkebezug. 433) OLG Dresden, Urt. v. 13.7.2000 – 13 U 2964/99, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 9.1.2002 – XI ZR 343/00; OLG Schleswig, Urt. v. 14.6.2001 – I U 76/2000; OLG Rostock, Urt. v. 25.2.2009 – 2 U 5/09, BeckRS 2009, 10314. 434) BGH, Urt. v. 6.12.1989 – VIII ZR 310/88, BGHZ 109, 314 = NJW 1990, 567 = Zeller IV, 210; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373. 435) BGH, Urt. v. 26.4.1994 – XI ZR 184/93, ZIP 1994, 773; BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209; BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 165, 43 = NJW 1997, 1443 = ZIP 1996, 1657; OLG Köln, Urt. v. 1.10.1999 – 19 U 14/99, BeckRS 1999 30075682. 436) BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 165, 43 = NJW 1997, 1443 = ZIP 1996, 1657.

1138

IV. Verbraucherkreditrecht

c) Widerrufsfrist. Für den Beitretenden zu einer Kreditverpflichtung nach §§ 488, 5.367 491 oder 507 BGB beginnt die Widerrufsfrist erst mit seinem Beitritt zu laufen.437) Hinzu treten die Anforderungen entsprechend § 356b BGB analog. d) Widerruf der Erstverbindlichkeit. Wird die Erstverbindlichkeit durch Wi- 5.368 derruf seitens des Erstschuldners unwirksam, so geht der Schuldbeitritt nachträglich ins Leere.438) Analog § 770 Abs. 1 BGB kann der Beitretende die Erfüllung verweigern, so- 5.369 lange der ursprüngliche Schuldner zum Widerruf des Verbraucherdarlehensvertrages berechtigt ist. 8.

Kündigung

a) Kündigungsgrund. aa) Zahlungsverzug. Nach h. M. kommt eine Inan- 5.370 spruchnahme des Beitretenden nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass ihm gegenüber die Voraussetzungen des § 498 BGB analog erfüllt sind.439) Dann ist auch eine isolierte Kündigung gegenüber dem Beitretenden zulässig. Anderenfalls würde sich, wie sich am Beispiel des Beitritts des GmbH-Geschäftsführers oder -Gesellschafters zur Schuld der Gesellschaft deutlich wird, die Besicherung der Schuld zum Nachteil des Gläubigers auswirken, der nunmehr auch gegenüber der GmbH nur unter den Voraussetzungen des § 498 BGB kündigen könnte.440) bb) Hat der Fremdgeschäftsführer einer GmbH für diese eine persönliche (Miet-) 5.371 Sicherheit im Wege des Schuldbeitritts begeben, stellt sein Ausscheiden aus dem Geschäftsführeramt zwei Monate bevor die Miete bei der Gesellschaft uneinbringlich wird, keinen wichtigen Grund zur Kündigung der Sicherheit gegenüber dem Vermieter i. S. d. § 314 Abs. 1 BGB dar.441) b) Kündigungserklärung. Bei einem Darlehensvertrag mit mehreren gesamt- 5.372 schuldnerisch haftenden Darlehensnehmern kann das Vertragsverhältnis nur einheitlich gegenüber allen Darlehensnehmern gekündigt werden.442) Gleiches gilt, wenn eine Mithaftung durch Schuldbeitritt begründet worden ist.443) 9.

Praxishinweis

Die entsprechende Anwendung des Verbraucherkreditrechts auf Schuldbeitrit- 5.373 te von Verbrauchern bzw. Existenzgründern führt in der Praxis zu erheblichen ___________ 437) BGH, Urt. v. 10.7.1996 – VIII ZR 213/95, BGHZ 133, 220 = NJW 1996, 2865 = ZIP 1996, 1657. 438) BGH, Urt. v. 15.1.1987 – III ZR 222/85, NJW 1987, 1698. 439) BGH, Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 322/98, NJW 2000, 3496 = ZIP 2000, 1523; BGH, Urt. v. 12.9.2001 – VIII ZR 109/00, NJW 2002, 133 = ZIP 2001, 1992. 440) MünchKomm-Schürnbrand, BGB, § 498 Rz. 22. 441) BGH, Urt. v. 20.7.2011 – XII ZR 155/09, NJW-RR 2011, 1518 = ZIP 2011, 1718. 442) Siehe oben § 46 II 9 c m. w. N. 443) BGH, Urt. v. 12.9.2001 – VIII ZR 109/00, NJW 2002, 133 = ZIP 2001, 1992.

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§ 53 Schuldbeitritt

Schwierigkeiten und Verkomplizierungen beim Abschluss. Als Alternative bietet sich die Privatpersonenbürgschaft an. Allerdings sind insofern ggf. die Vorschriften des allgemeinen Verbraucherschutzrechts zu beachten,444) § 513 BGB gilt nicht.445) Ggf. ist auch an die Option einer anfänglichen oder nachträglichen Vertragspartnerschaft zu denken. V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.374 a) Verbrauchervertrag. aa) Allgemein. Auch ein Schuldbeitritt kann als Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB einzuordnen sein.446) 5.375 bb) Finanzdienstleistung. Ein von einem Verbraucher erklärter Schuldbeitritt stellt keine Finanzdienstleistung i. S. d. § 312 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB dar.447) 5.376 b) Außergeschäftsraumverträge. Ggf. sind die Voraussetzungen des § 312b BGB zu prüfen. Obgleich auch in der Situation des § 312b BGB auf die Art und Weise des Vertragsschlusses abgestellt wird, wird der entsprechend erklärte Schuldbeitritt anders als der Vertragsschluss im Fernabsatz behandelt.448) Auch insoweit ist unerheblich, ob der Erstschuldner Verbraucher ist oder dieser in einer Situation nach § 312b BGB gehandelt hat.449) Vereinbart allerdings der Verbraucher den Schuldbeitritt mit dem Erstschuldner und handelt dieser auch als Verbraucher, so findet § 312b BGB grundsätzlich keine Anwendung. Anderes dürfte dann gelten, wenn ein Umgehungsgeschäft (§ 312k Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegt. So etwa, wenn der Schuldbeitritt vom Gläubiger veranlasst wurde und dieser als Unternehmer handelt. 2.

Informationspflichten

5.377 Es gelten an sich die Unterrichtungspflichten nach § 312d BGB. Nach der Kollisionsregelung in § 312g Abs. 3 BGB450) dürfte aber beim Regelfall des Schuldbeitritts zu einer kreditrechtlichen Verpflichtung das Verbraucherkreditrecht Vorrang haben. Der Schuldbeitritt teilt nämlich seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird.451) ___________ 444) 445) 446) 447) 448)

Siehe oben § 52 VI m. w. N. Siehe oben § 26 II 1 d m. w. N. MünchKommBGB-Bydlinski, § 425 Rz. 33. BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 449) BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373. 450) Siehe oben § 26 VIII 4, insbesondere c aa, m. w. N. 451) BGH, Urt. v. 7.5.2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 = NJW 2015, 3782; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148.

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§ 53 Schuldbeitritt

Schwierigkeiten und Verkomplizierungen beim Abschluss. Als Alternative bietet sich die Privatpersonenbürgschaft an. Allerdings sind insofern ggf. die Vorschriften des allgemeinen Verbraucherschutzrechts zu beachten,444) § 513 BGB gilt nicht.445) Ggf. ist auch an die Option einer anfänglichen oder nachträglichen Vertragspartnerschaft zu denken. V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

1.

Sachlicher Anwendungsbereich

5.374 a) Verbrauchervertrag. aa) Allgemein. Auch ein Schuldbeitritt kann als Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. §§ 312 Abs. 1, 310 Abs. 3 BGB einzuordnen sein.446) 5.375 bb) Finanzdienstleistung. Ein von einem Verbraucher erklärter Schuldbeitritt stellt keine Finanzdienstleistung i. S. d. § 312 Abs. 5 Satz 1 Fall 2 BGB dar.447) 5.376 b) Außergeschäftsraumverträge. Ggf. sind die Voraussetzungen des § 312b BGB zu prüfen. Obgleich auch in der Situation des § 312b BGB auf die Art und Weise des Vertragsschlusses abgestellt wird, wird der entsprechend erklärte Schuldbeitritt anders als der Vertragsschluss im Fernabsatz behandelt.448) Auch insoweit ist unerheblich, ob der Erstschuldner Verbraucher ist oder dieser in einer Situation nach § 312b BGB gehandelt hat.449) Vereinbart allerdings der Verbraucher den Schuldbeitritt mit dem Erstschuldner und handelt dieser auch als Verbraucher, so findet § 312b BGB grundsätzlich keine Anwendung. Anderes dürfte dann gelten, wenn ein Umgehungsgeschäft (§ 312k Abs. 1 Satz 2 BGB) vorliegt. So etwa, wenn der Schuldbeitritt vom Gläubiger veranlasst wurde und dieser als Unternehmer handelt. 2.

Informationspflichten

5.377 Es gelten an sich die Unterrichtungspflichten nach § 312d BGB. Nach der Kollisionsregelung in § 312g Abs. 3 BGB450) dürfte aber beim Regelfall des Schuldbeitritts zu einer kreditrechtlichen Verpflichtung das Verbraucherkreditrecht Vorrang haben. Der Schuldbeitritt teilt nämlich seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird.451) ___________ 444) 445) 446) 447) 448)

Siehe oben § 52 VI m. w. N. Siehe oben § 26 II 1 d m. w. N. MünchKommBGB-Bydlinski, § 425 Rz. 33. BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363; BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148. 449) BGH, Urt. v. 2.5.2007 – XII ZR 109/04, NJW 2007, 2110 = ZIP 2007, 1373. 450) Siehe oben § 26 VIII 4, insbesondere c aa, m. w. N. 451) BGH, Urt. v. 7.5.2015 – III ZR 304/14, BGHZ 205, 260 = NJW 2015, 3782; BGH, Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 168/14, BeckRS 2016, 09148.

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I. Allgemeines

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung I.

Allgemeines

1.

Praktische Bedeutung

Hier stehen dem Kunden Forderungen gegen Dritte zu, die sich der Getränke- 5.378 lieferant zur Absicherung seiner Forderungen abtreten lässt. Praktisch bedeutsame Kreditsicherheiten sind die Abtretung/Verpfändung von Rückübertragungsansprüche bei nicht- oder teilvalutierenden Grundschulden,452) von Ansprüchen auf Lohn- oder Gehaltszahlung, von Ansprüchen aus Lebensversicherungen und Bausparverträgen sowie von Ansprüchen auf Automateneinspielerlöse. Denkbar ist auch die Abtretung von Ansprüchen auf Steuererstattung. 2.

Abgrenzung

a) Übergabe. Die Sicherungsabtretung verzichtet zunächst in Abweichung von 5.379 § 1274 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die ggf. erforderliche Übergabe der Sache. b) Offenlegung. Der wesentliche Grund für die Präferenz der Sicherungsab- 5.380 tretung gegenüber der Verpfändung liegt aber darin, dass die Verpfändung einer Forderung nur wirksam ist, wenn der Gläubiger sie dem Schuldner anzeigt (§ 1280 BGB). Die Abtretungsanzeige ist eine konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung der Verpfändung. Im Gegensatz zur Abtretung ist somit eine „stille Verpfändung“ nicht möglich. Davon wird nur dann eine Ausnahme gemacht, wenn der Pfandgläubiger zugleich Schuldner der verpfändeten Forderung ist.453) Die Verpflichtung zur Anzeige obliegt dem Gläubiger als Verpfänder. Allerdings 5.381 kann er den Pfandgläubiger zur Anzeige bevollmächtigen. 3.

Abtretbarkeit

a) Existenz. Unverzichtbare Voraussetzung eines Abtretungsvertrages ist, dass 5.382 die abgetretene Forderung als Verfügungsobjekt auch tatsächlich besteht. Eine nicht existente Forderung kann nicht abgetreten werden; ein gutgläubiger Erwerb ist nicht möglich. b) Unabtretbarkeit. Als Gegenstand einer Sicherungsabtretung scheiden zu- 5.383 dem sämtliche nicht abtretbaren Ansprüche aus. Hierzu rechnen insbesondere höchstpersönliche oder zweckgebundene Ansprüche (Unterhalt, Nießbrauch etc.).454) Weiter kann die Abtretung durch eine Vereinbarung mit dem Drittschuldner 5.384 ausgeschlossen sein (§ 399 Fall 2 BGB). Ein solches Verbot kann bei Begründung der Forderung, aber auch später vereinbart werden. Auch eine Vereinbarung ___________ 452) Siehe oben § 51 V 4 m. w. N. 453) BGH, Urt. v. 12.2.2004 – IX ZR 98/03, NJW 2004, 1660 = ZIP 2004, 620. 454) BGH, Urt. v. 7.6.2011 – VI ZR 260/10, BeckRS 2011, 17149.

1141

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

mittels AGB ist möglich.455) Abtretungen, die gegen ein Abtretungsverbot verstoßen, sind gegenüber jedermann (absolut) unwirksam.456) Die Forderung verbleibt dann im Vermögen des Zedenten und geht nicht auf den vermeintlichen Zessionar über. Allerdings kann der Schuldner die Abtretung genehmigen. Hierin liegt ein Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrages. Erst wenn der Gläubiger der Aufhebung des Abtretungsausschlusses zugestimmt hat, wird die Abtretung wirksam. Die Zustimmung des Drittschuldners ist Wirksamkeitsvoraussetzung (Ausnahme: § 354a HGB). 5.385 Weitere nicht abtretbare Ansprüche sind unpfändbare Forderungen (§ 400 BGB) sowie unselbstständige Nebenrechte wie Ansprüche aus (jedweden) Bürgschaften, Hypotheken und Pfandrechten (§ 401 Abs. 1 BGB). 4.

Bestellung

5.386 a) Abtretung. Bei der Sicherungsabtretung (Zession, § 398 BGB) tritt der Sicherungsgeber (Zedent) Forderungen oder andere Rechte, die ihm als Gläubiger gegen seine(n) Schuldner (Drittschuldner) zustehen, vollumfänglich oder auch nur teilweise zur Sicherung der Ansprüche des Getränkelieferanten als Sicherungsnehmer (Zessionar) vorübergehend an diesen ab. Mit der Sicherungszession wird der Getränkelieferant im Außenverhältnis und dinglich Vollrechtsinhaber und damit alleinverfügungsberechtigter Gläubiger. Sofern für die abgetretene Forderung akzessorische Sicherheiten wie Bürgschaften und Pfandrechte bestellt wurden, gehen diese mit der Abtretung kraft Gesetzes auf den Getränkelieferanten über (§ 401 Abs. 1 BGB). Da § 401 BGB dispositiv ist,457) können die Parteien des Abtretungsvertrages einen Sicherheitenübergang aber ausschließen. 5.387 b) Form. Die Verpfändung von Rechten ist grundsätzlich formfrei. Eine Ausnahme besteht bei der Verpfändung von Geschäftsanteilen an einer GmbH (§ 1274 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG (notarielle Beurkundung). 5.388 c) Zustimmung. Die Abtretung zur Sicherung von Forderungen und Rechten (Sicherungszession) bedarf von der Ausnahme nach § 399 Fall 2 BGB abgesehen458) nicht der Zustimmung des Drittschuldners. 5.

Bestimmbarkeit und Vorausabtretung

5.389 a) Bestimmbarkeit. Wie alle dinglichen Verfügungen muss die Abtretung dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügen. Dies gilt insbesondere auch bei der Vorausabtretung. Die abzutretende Forderung muss bestimmt, zumindest bestimmbar sein. So ist die Abtretung einer Forderungsmehrheit in Höhe eines ___________ 455) 456) 457) 458)

BGH, Urt. v. 11.3.1997 – X ZR 146/94, NJW 1997, 3434 = ZIP 1997, 1052. BGH, Urt. v. 9.7.1987 – II ZR 100/87, BGHZ 102, 172 = NJW 1988, 969 = ZIP 1988, 22. BGH, Urt. v. 19.9.1991 – IX ZR 296/90, NJW 1991, 3025 = ZIP 1991, 1350. Siehe oben § 54 I 3 b m. w. N.

1142

I. Allgemeines

Teilbetrages unwirksam, wenn nicht erkennbar ist, auf welche Forderungen oder Teilforderungen sich die Abtretung in welcher Höhe bezieht.459) b) Vorausabtretung künftiger Forderungen. Dass sich die Abtretung auf erst 5.390 künftig entstehende Forderungen bezieht, ist grundsätzlich unbedenklich. Eine solche Vorausabtretung setzt nicht voraus, dass im Zeitpunkt der Abtretung der Rechtsgrund für die Forderung bereits besteht.460) 6.

Sicherungsabrede

Inhalt und Umfang der Befugnisse des Sicherungsnehmers ergeben sich aus der 5.391 schuldrechtlichen Sicherungsabrede. Darin werden insbesondere die Einzelheiten, bei deren Vorliegen der Sicherungsnehmer von seinem Verwertungsrecht Gebrauch machen kann, geregelt. 7.

Wirksamkeit

a) Inhaltskontrolle. Grundsätzlich sind vorformulierte Abtretungserklärungen 5.392 zu Sicherungszwecken zulässig. Eine Verwertungsabrede kann aber wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sein, wenn im Falle einer Lohnpfändung dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers und Sicherungsgebers nicht Rechnung getragen wird.461) b) Übersicherung. Steht von vornherein fest, dass die zur Sicherheit abgetretenen 5.393 Forderungen den zu sichernden Betrag erheblich übersteigen, ist die Sicherungsabtretung wegen anfänglicher Übersicherung unwirksam. Tritt eine Übersicherung dagegen erst nachträglich ein, so lässt das die Wirksamkeit der Abtretung unberührt und dem Sicherungszedent steht lediglich ein entsprechender Freigabeanspruch zu. Ohne Auswirkungen bleibt eine Übersicherung auf die Wirksamkeit des Getränkelieferungsvertrages. Vielmehr ist ein Schadenersatz begründendes Recht zur außerordentlichen Kündigung des Dauerschuldverhältnisses gegeben.462) 8.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Eine Sicherungsabrede, die auf die Bestellung eines Pfandrechts und anderer ak- 5.394 zessorischer Sicherungsrechte gerichtet ist, stellt einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 312 Abs. 1 BGB, wenn damit für den Sicherungsgeber irgendein Vorteil verbunden ist.463). ___________ 459) OLG Köln, Urt. v. 26.8.1997 – 9 U 226/96, LSK 1999, 340848; OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.12.2013 – 2 U 13/13, BeckRS 2014, 00246. 460) OLG Saarbrücken, Urt. v. 4.12.2013 – 2 U 13/13, BeckRS 2014, 00246. 461) BGH, Urt. v. 26.4.2005 – IX ZR 269/04, NJW-RR 2005, 1408 = ZIP 2005, 1021. 462) OLG Köln, Urt. v. 20.10.2011 – 7 U 65/11, BeckRS 2012, 15923. 463) BGH, Urt. v. 10.1.2006 – XI ZR 169/05, BGHZ 165, 363 = NJW 2006, 845 = ZIP 2006, 363.

1143

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

9.

Stille Zession

5.395 a) Zulässigkeit. Im Gegensatz zur Verpfändung (§ 1280 BGB) setzt die Wirksamkeit einer Sicherungsabtretung grundsätzlich keine Anzeige an den Drittschuldner voraus.464) Eine stille Zession ist daher möglich und in der Praxis der Regelfall. Ziel ist es dabei zum einen, die Geschäftsabwicklung und Forderungseinziehung für den Sicherungszedenten zu erleichtern. Zum anderen und vor allem soll dieser davor geschützt werden, seine Kreditabhängigkeit offenbaren zu müssen und damit womöglich im Geschäftsverkehr Zweifel an seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu wecken.465) 5.396 b) Einziehung. Der Zessionar darf dann erst im Sicherungsfall von der Zession Gebrauch machen. Der Zedent bleibt somit bis zur Offenlegung der Zession befugt, die Forderung beim Drittschuldner einzuziehen. Erlöse hat er sodann an den Zessionar auszukehren. Für den Getränkelieferanten birgt die stille Zession insofern Risiken, als er keine Kenntnis davon hat, ob die Forderung nicht anderweitig abgetreten worden ist, Abtretungsverbote eingreifen, Drittschuldner Einwendungen gegen die Forderung geltend machen oder eine zwischenzeitlich erfolgte Pfändung einer früheren Abtretung gegenüber vorrangig ist. Folglich ist eine Offenlegung durch Anzeige der Abtretung (§ 409 BGB) sinnvoll. Die Pflicht des Zedenten aus § 402 BGB zur Weitergabe der für die Beitreibung erforderlichen Auskünfte und Urkunden an den Zessionar ist bei der stillen Zession regelmäßig stillschweigend abbedungen.466) 5.397 c) Inhaltskontrolle. Angesichts der einschneidenden Folgen einer Offenlegung ist eine Klausel, die den Sicherungszessionar vor dem Sicherungsfall zur Offenlegung ermächtigt, grundsätzlich unwirksam.467) Wird eine Einziehungsermächtigung in AGB des Zessionars verweigert, frei widerruflich ausgestaltet oder in sein Ermessen gestellt, so liegt eine kontrollfähige Klausel vor, die regelmäßig unwirksam ist.468) 5.398 d) Offenlegung. Dem Sicherungsnehmer steht das Recht zur Offenlegung der Zession durch Anzeige an den Drittschuldner zu. Dabei darf er allerdings nicht willkürlich verfahren. Die Voraussetzungen werden im Sicherungsvertrag geregelt. Das Recht zur Anzeige der Zession besteht in der Regel dann, wenn der Zedent mit fälligen Zahlungen auf die gesicherte Forderung in Verzug ist, seine Zahlungen eingestellt hat oder in Vermögensverfall geraten ist. Solange der Zedent seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Grundgeschäft pflichtgemäß nachkommt, darf der Zessionar die Abtretung nicht aufdecken.469) ___________ 464) 465) 466) 467) 468) 469)

Siehe oben § 54 I 2 b m. w. N. BGH, Urt. v. 6.4.2000 – IX ZR 498/98, BGHZ 144, 192 = NJW 2000, 1950 = ZIP 2000, 895. BGH, Urt. v. 5.2.2015 – VII ZR 315/13, NJW 2015, 1300. BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626 = ZIP 1992, 1068. BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754. BGH, Urt. v. 14.6.1994 – XI ZR 210/93, NJW 1994, 2754.

1144

I. Allgemeines

Die Anzeige ist formfrei möglich, wobei sich aus Beweisgründen im Hinblick auf 5.399 § 309 Nr. 13 b BGB Textform (§ 126b BGB) empfiehlt. Nach erfolgter Anzeige kann der Schuldner nur mit schuldbefreiender Wirkung an den Zessionar zahlen (§§ 407 Abs. 1, 409 Abs. 1 Satz 1 BGB).470) Die Offenlegung ist allerdings insofern nicht unproblematisch, als hierdurch Ruf und Kreditwürdigkeit des Zedenten Schaden nehmen können. Sinnvoll ist es, eine erforderliche Zustimmung frühzeitig einzuholen. Spätere Zustimmungen wirken nämlich nicht auf den Zeitpunkt der Abtretung zurück. e) Zahlung. Zahlt der Dritte aufgrund der fortbestehenden Einziehungsermäch- 5.400 tigung an den Sicherungszedenten, so erlischt die Forderung und damit grundsätzlich auch das Sicherungsrecht des Zessionars. Diese setzt sich nicht am vereinnahmten Geldbetrag fort. 10.

Werthaltigkeit

a) Allgemein. Gerade bei Sicherungsabtretungen, aber auch bei Verpfändun- 5.401 gen von Ansprüchen, sollten die Wertigkeit des abgetretenen Anspruchs und seine Durchsetzbarkeit besonders sorgfältig geprüft werden. Ausgangspunkt ist der Betrag der abgetretenen Forderung bzw. des verpfändeten Rechts. b) Insolvenz. Insolvenzrechtlich bietet die Verpfändung dagegen durchaus Vor- 5.402 teile. Im Gegensatz zu abgetretenen Ansprüchen darf der Insolvenzverwalter verpfändete Ansprüche nicht einziehen (§§ 173 Abs. 1 Fall 2, 171 Nr. 1 Fall 2 InsO im Gegensatz zu § 166 Abs. 2 InsO). Daraus resultiert eine Ersparnis der Verwertungspauschale im Umfang von fünf Prozent des Verwertungserlöses (§ 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). 11.

Verwaltung

Bei Vertragsübernahmen, insbesondere bei Betreiberwechsel, ist zu prüfen, ob 5.403 die bestehenden Abtretungen und Verpfändungen nicht durch neue Sicherheiten zu ersetzen sind. 12.

Verwertung

a) Verwertungsbefugnis. Zwar verschafft die Sicherungsabtretung dem Siche- 5.404 rungszessionar sachenrechtlich die vollwertige Gläubigerstellung. Er bleibt aber durch die sicherungsvertragliche Treuhandabrede gebunden. Insbesondere darf er von der Zession erst im Sicherungsfall Gebrauch machen. Folglich bleibt der Sicherungszedent i. d. R. vor der Offenlegung zur Einziehung im eigenen Namen befugt.471) ___________ 470) Für beiderseitige Handelsgeschäfte gilt gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 HGB etwas anderes. 471) Siehe oben § 54 I 9 b m. w. N.

1145

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

5.405 b) Direkterwerb. Bei Vorausabtretungen stellt sich die Frage des Direkterwerbs der Forderung durch den Zessionar. Gemeint sind damit, welche Auswirkungen der zwischenzeitliche Eintritt einer Insolvenz oder sonstiger Verfügungsbeschränkungen aufseiten des Zedenten hat. Ob ein Direkterwerb erfolgt wird davon abhängig gemacht, dass der Rechtsgrund für das Entstehen der Forderung bereits vor dem Eintritt der Verfügungsbeschränkung gelegt wurde.472) 5.406 c) Arten. Bei der Sicherungszession erfolgt die Verwertung im Sicherungsfall in der Weise, dass der Sicherungszessionar die Abtretung gegenüber dem Drittschuldner offenlegt und die abgetretene Forderung selbst einzieht. Abgetretene Ansprüche werden durch Einziehung der Forderung bzw. Verkauf des Rechts verwertet. Bei verpfändeten Ansprüchen bedarf es einer öffentlichen Versteigerung, im Übrigen kommt eine freihändige Verwertung in Betracht. 5.407 d) Voraussetzungen. Eine Verwertung setzt die Fälligkeit der gesicherten Forderung, den Zahlungsverzug des Sicherungszedenten, eine Androhung der Verwertung gegenüber dem Sicherungszedenten (§ 1234 Abs. 1 BGB analog) und die Einhaltung einer angemessenen Wartefrist (§ 1234 Abs. 2 BGB analog) voraus. Hierauf kann nicht verzichtet werden. Gleiches gilt bei der stillen Sicherungszession für Klauseln über eine vorzeitige Offenlegung der Abtretung. Allerdings lässt die AGB-rechtliche Unwirksamkeit grundsätzlich die Wirksamkeit der Sicherungsabtretung unberührt.473) Es greifen dann i. d. R. die gesetzlichen Verwertungsregeln des Forderungspfandrechts entsprechend ein. Zu denken ist an die §§ 1228 Abs. 2, 1234 Abs. 1 und 2, 1273 Abs. 2 BGB analog.474) II.

Lohn- und Gehaltsabtretung

1.

Sicherungsabrede

5.408 Die Sicherungsabrede muss insbesondere die Voraussetzungen enthalten, unter denen die Sicherheit verwertet bzw. die zunächst stille Zession offen gelegt werden darf. 2.

Inhaltskontrolle

5.409 a) Persönlicher Anwendungsbereich. Mangels Verbrauchereigenschaft des Zedenten dürften sich Fragen der AGB-Kontrolle nur selten stellen. 5.410 b) Teilzahlungsgeschäfte. Beim Teilzahlungskauf sind Gehaltsabtretungsklauseln regelmäßig überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) und im Übrigen auch unangemessen benachteiligend (§ 307 Abs. 1 BGB).475) ___________ 472) 473) 474) 475)

BGH, Urt. v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1691. BGH, Urt. v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 = NJW 1995, 1085. BGH, Urt. v. 27.6.1995 – XI ZR 8/94, BGHZ 130, 115 = NJW 1995, 2221 = ZIP 1995, 1167. BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248.

1146

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

5.405 b) Direkterwerb. Bei Vorausabtretungen stellt sich die Frage des Direkterwerbs der Forderung durch den Zessionar. Gemeint sind damit, welche Auswirkungen der zwischenzeitliche Eintritt einer Insolvenz oder sonstiger Verfügungsbeschränkungen aufseiten des Zedenten hat. Ob ein Direkterwerb erfolgt wird davon abhängig gemacht, dass der Rechtsgrund für das Entstehen der Forderung bereits vor dem Eintritt der Verfügungsbeschränkung gelegt wurde.472) 5.406 c) Arten. Bei der Sicherungszession erfolgt die Verwertung im Sicherungsfall in der Weise, dass der Sicherungszessionar die Abtretung gegenüber dem Drittschuldner offenlegt und die abgetretene Forderung selbst einzieht. Abgetretene Ansprüche werden durch Einziehung der Forderung bzw. Verkauf des Rechts verwertet. Bei verpfändeten Ansprüchen bedarf es einer öffentlichen Versteigerung, im Übrigen kommt eine freihändige Verwertung in Betracht. 5.407 d) Voraussetzungen. Eine Verwertung setzt die Fälligkeit der gesicherten Forderung, den Zahlungsverzug des Sicherungszedenten, eine Androhung der Verwertung gegenüber dem Sicherungszedenten (§ 1234 Abs. 1 BGB analog) und die Einhaltung einer angemessenen Wartefrist (§ 1234 Abs. 2 BGB analog) voraus. Hierauf kann nicht verzichtet werden. Gleiches gilt bei der stillen Sicherungszession für Klauseln über eine vorzeitige Offenlegung der Abtretung. Allerdings lässt die AGB-rechtliche Unwirksamkeit grundsätzlich die Wirksamkeit der Sicherungsabtretung unberührt.473) Es greifen dann i. d. R. die gesetzlichen Verwertungsregeln des Forderungspfandrechts entsprechend ein. Zu denken ist an die §§ 1228 Abs. 2, 1234 Abs. 1 und 2, 1273 Abs. 2 BGB analog.474) II.

Lohn- und Gehaltsabtretung

1.

Sicherungsabrede

5.408 Die Sicherungsabrede muss insbesondere die Voraussetzungen enthalten, unter denen die Sicherheit verwertet bzw. die zunächst stille Zession offen gelegt werden darf. 2.

Inhaltskontrolle

5.409 a) Persönlicher Anwendungsbereich. Mangels Verbrauchereigenschaft des Zedenten dürften sich Fragen der AGB-Kontrolle nur selten stellen. 5.410 b) Teilzahlungsgeschäfte. Beim Teilzahlungskauf sind Gehaltsabtretungsklauseln regelmäßig überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB) und im Übrigen auch unangemessen benachteiligend (§ 307 Abs. 1 BGB).475) ___________ 472) 473) 474) 475)

BGH, Urt. v. 7.7.2003 – II ZR 271/00, NJW-RR 2003, 1691. BGH, Urt. v. 17.1.1995 – XI ZR 192/93, BGHZ 128, 295 = NJW 1995, 1085. BGH, Urt. v. 27.6.1995 – XI ZR 8/94, BGHZ 130, 115 = NJW 1995, 2221 = ZIP 1995, 1167. BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248.

1146

III. Abtretung/Verpfändung von Sparguthaben

c) Darlehensverträge. Hinsichtlich der Absicherung von Kreditgebern im Rah- 5.411 men von Darlehensverträgen bestehen hingegen keine Zulässigkeitsbedenken. Dies auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB erfüllt sind.476) d) Verwertungsklausel. Voraussetzung einer Verwertung ist zumindest Ver- 5.412 zug mit wenigstens einer Monatsrate. Eine uneingeschränkte Verwertungsbefugnis macht die Abtretungsklausel AGB-rechtlich unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).477) Soweit sich die Verwertungsklausel auch auf Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 BGB) bezieht, hat sie sich am Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des § 498 BGB zu orientieren. Streitig ist, ob die Unwirksamkeit der Verwertungsregel ausnahmsweise auf die Abtretung als Grundgeschäft durchschlägt.478) III.

Abtretung/Verpfändung von Sparguthaben

1.

Gestellung

Hier tritt der Kunde als Inhaber eines Sparguthabens gem. schriftlicher Abtre- 5.413 tungs-/Verpfändungserklärung seinen Anspruch gegen das Kreditinstitut unter Übergabe des Originalsparbuchs, ersatzweise eines Legitimationspapiers, an den Getränkelieferanten ab. Die Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung der Spareinlage ist ohne Eintragung im Sparbuch möglich. In der Übergabe des Buches liegt regelmäßig die stillschweigende Abtretung. Voraussetzung der Wirksamkeit der Abtretung ist nicht die Mitwirkung des Kreditinstituts als (Dritt-)Schuldner (§ 398 Satz 1 BGB). Abgetreten und verpfändet werden sowohl das Guthaben aus einem Sparkonto als auch alle Gestaltungsrechte (§ 401 BGB) aus dem zugrunde liegenden Sparvertrag. Das Sparbuch oder ein gleichwertiges Legitimationspapier ist dem Getränkelieferanten im Original auszuhändigen und wird bei diesem aufbewahrt. Würde die Spareinlage dagegen verpfändet, wäre die Anzeige an das Kreditinstitut nach § 1280 BGB zusätzlich zu beachtende Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Getränkelieferant bittet das Kreditinstitut um Bestätigung des Wertes des 5.414 Sparkontos sowie um Notiz, dass die Abtretung/Verpfändung von dem Kreditinstitut erstrangig vorgemerkt wurde, insbesondere keine Vorpfändungen etc. vorliegen. 2.

Verwertung

Sollte der Kunde seinen Verpflichtungen aus dem Getränkelieferungsvertrag nicht 5.415 mehr nachkommen, kann der Getränkelieferant zwecks Realisierung seiner For___________ 476) BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248. 477) OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.6.1990 – 4 W 1453/90, NJW-RR 1990, 1461. 478) Verneinend der BGH, Urt. v. 27.4.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289, in einem Sonderfall (verwaltungsrechtliche Vollstreckung).

1147

III. Abtretung/Verpfändung von Sparguthaben

c) Darlehensverträge. Hinsichtlich der Absicherung von Kreditgebern im Rah- 5.411 men von Darlehensverträgen bestehen hingegen keine Zulässigkeitsbedenken. Dies auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 BGB erfüllt sind.476) d) Verwertungsklausel. Voraussetzung einer Verwertung ist zumindest Ver- 5.412 zug mit wenigstens einer Monatsrate. Eine uneingeschränkte Verwertungsbefugnis macht die Abtretungsklausel AGB-rechtlich unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).477) Soweit sich die Verwertungsklausel auch auf Verbraucherdarlehensverträge (§ 491 BGB) bezieht, hat sie sich am Leitbild (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) des § 498 BGB zu orientieren. Streitig ist, ob die Unwirksamkeit der Verwertungsregel ausnahmsweise auf die Abtretung als Grundgeschäft durchschlägt.478) III.

Abtretung/Verpfändung von Sparguthaben

1.

Gestellung

Hier tritt der Kunde als Inhaber eines Sparguthabens gem. schriftlicher Abtre- 5.413 tungs-/Verpfändungserklärung seinen Anspruch gegen das Kreditinstitut unter Übergabe des Originalsparbuchs, ersatzweise eines Legitimationspapiers, an den Getränkelieferanten ab. Die Abtretung des Anspruchs auf Rückzahlung der Spareinlage ist ohne Eintragung im Sparbuch möglich. In der Übergabe des Buches liegt regelmäßig die stillschweigende Abtretung. Voraussetzung der Wirksamkeit der Abtretung ist nicht die Mitwirkung des Kreditinstituts als (Dritt-)Schuldner (§ 398 Satz 1 BGB). Abgetreten und verpfändet werden sowohl das Guthaben aus einem Sparkonto als auch alle Gestaltungsrechte (§ 401 BGB) aus dem zugrunde liegenden Sparvertrag. Das Sparbuch oder ein gleichwertiges Legitimationspapier ist dem Getränkelieferanten im Original auszuhändigen und wird bei diesem aufbewahrt. Würde die Spareinlage dagegen verpfändet, wäre die Anzeige an das Kreditinstitut nach § 1280 BGB zusätzlich zu beachtende Wirksamkeitsvoraussetzung. Der Getränkelieferant bittet das Kreditinstitut um Bestätigung des Wertes des 5.414 Sparkontos sowie um Notiz, dass die Abtretung/Verpfändung von dem Kreditinstitut erstrangig vorgemerkt wurde, insbesondere keine Vorpfändungen etc. vorliegen. 2.

Verwertung

Sollte der Kunde seinen Verpflichtungen aus dem Getränkelieferungsvertrag nicht 5.415 mehr nachkommen, kann der Getränkelieferant zwecks Realisierung seiner For___________ 476) BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, NJW-RR 2013, 248. 477) OLG Nürnberg, Beschl. v. 22.6.1990 – 4 W 1453/90, NJW-RR 1990, 1461. 478) Verneinend der BGH, Urt. v. 27.4.1995 – IX ZR 123/94, NJW 1995, 2289, in einem Sonderfall (verwaltungsrechtliche Vollstreckung).

1147

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

derungen und Ansprüche den Sparvertrag kündigen und das Sparguthaben einziehen. IV.

Abtretung des Rückkaufswertes bei Lebensversicherungen

1.

Gegenstand

5.416 Ansprüche aus privaten Lebens- oder Rentenversicherungen kommen als Sicherheit in Betracht. Ansprüche aus staatlich geförderten Altersvorsorgen wie etwa der „Rürup-Rente“ oder der „Riester-Rente“ scheiden dagegen als Sicherheit aus. Insofern besteht ein Beleihungs- und Übertragungsverbot. 2.

Werthaltigkeit

5.417 Entscheidend für die Werthaltigkeit einer Lebensversicherung als Kreditsicherheit ist zunächst, ob bereits vorher über die Ansprüche verfügt worden ist (Prioritätsprinzip) und ob Abtretungsverbote bestehen. Dies ist im Vorfeld der Sicherungsabtretung zu prüfen. Hilfsweise sollte die Versicherungsgesellschaft aufgefordert werden zu erklären, ob sie mit einer Abtretung einverstanden ist. Ebenso zu prüfen sind Vorausabtretungen und Verpfändungen an Dritte bzw. das Bestehen sonstiger Rechte Dritter an den abgetretenen Ansprüchen, etwa durch Pfändungsmaßnahmen im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung. Daher ist der aktuelle Rückkaufwert unter Vorlage einer Vollmacht des Versicherungsnehmers durch Anfrage bei der Versicherungsgesellschaft zu ermitteln. 3.

Gestellung

5.418 a) Grundlagen. Für die Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus einer Lebensversicherung gilt das allgemeine Abtretungsrecht (§§ 398 – 410 BGB), ergänzt um die Versicherungsbedingungen (vergleiche § 13 Abs. 3 und 4 Musterbedingungen). Nach § 13 Abs. 4 Musterbedingungen ist eine Abtretung der Versicherungsgesellschaft nur und erst dann wirksam, wenn sie dieser vom Sicherungsgeber als bisher Berechtigtem schriftlich an den Vorstand der Versicherungsgesellschaft angezeigt worden ist (§ 1280 BGB analog).479) Ohne bedingungsgemäße Anzeige ist die Abtretung absolut unwirksam.480) Die Abtretung einer Lebensversicherung umfasst sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag, also neben der Hauptforderung sämtliche Gestaltungsrechte. 5.419 b) Inhalt der Abtretungsvereinbarung. Vor diesem Hintergrund sollte die Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen jedenfalls wie folgt formuliert werden: Gegenstand der Abtretung sind grundsätzlich sämtliche Ansprü___________ 479) BGH, Urt. v. 10.3.2010 – IV ZR 207/08, NJW-RR 2010, 904; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.8.2012 – 11 U 120/11, BeckRS 2012, 19716. Dasselbe gilt bei Warenkreditversicherungen. 480) BGH, Urt. v. 24.2.1999 – IV ZR 122/98, NJW-RR 1999, 898.

1148

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

derungen und Ansprüche den Sparvertrag kündigen und das Sparguthaben einziehen. IV.

Abtretung des Rückkaufswertes bei Lebensversicherungen

1.

Gegenstand

5.416 Ansprüche aus privaten Lebens- oder Rentenversicherungen kommen als Sicherheit in Betracht. Ansprüche aus staatlich geförderten Altersvorsorgen wie etwa der „Rürup-Rente“ oder der „Riester-Rente“ scheiden dagegen als Sicherheit aus. Insofern besteht ein Beleihungs- und Übertragungsverbot. 2.

Werthaltigkeit

5.417 Entscheidend für die Werthaltigkeit einer Lebensversicherung als Kreditsicherheit ist zunächst, ob bereits vorher über die Ansprüche verfügt worden ist (Prioritätsprinzip) und ob Abtretungsverbote bestehen. Dies ist im Vorfeld der Sicherungsabtretung zu prüfen. Hilfsweise sollte die Versicherungsgesellschaft aufgefordert werden zu erklären, ob sie mit einer Abtretung einverstanden ist. Ebenso zu prüfen sind Vorausabtretungen und Verpfändungen an Dritte bzw. das Bestehen sonstiger Rechte Dritter an den abgetretenen Ansprüchen, etwa durch Pfändungsmaßnahmen im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung. Daher ist der aktuelle Rückkaufwert unter Vorlage einer Vollmacht des Versicherungsnehmers durch Anfrage bei der Versicherungsgesellschaft zu ermitteln. 3.

Gestellung

5.418 a) Grundlagen. Für die Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus einer Lebensversicherung gilt das allgemeine Abtretungsrecht (§§ 398 – 410 BGB), ergänzt um die Versicherungsbedingungen (vergleiche § 13 Abs. 3 und 4 Musterbedingungen). Nach § 13 Abs. 4 Musterbedingungen ist eine Abtretung der Versicherungsgesellschaft nur und erst dann wirksam, wenn sie dieser vom Sicherungsgeber als bisher Berechtigtem schriftlich an den Vorstand der Versicherungsgesellschaft angezeigt worden ist (§ 1280 BGB analog).479) Ohne bedingungsgemäße Anzeige ist die Abtretung absolut unwirksam.480) Die Abtretung einer Lebensversicherung umfasst sämtliche gegenwärtigen und künftigen Rechte und Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag, also neben der Hauptforderung sämtliche Gestaltungsrechte. 5.419 b) Inhalt der Abtretungsvereinbarung. Vor diesem Hintergrund sollte die Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen jedenfalls wie folgt formuliert werden: Gegenstand der Abtretung sind grundsätzlich sämtliche Ansprü___________ 479) BGH, Urt. v. 10.3.2010 – IV ZR 207/08, NJW-RR 2010, 904; OLG Brandenburg, Urt. v. 28.8.2012 – 11 U 120/11, BeckRS 2012, 19716. Dasselbe gilt bei Warenkreditversicherungen. 480) BGH, Urt. v. 24.2.1999 – IV ZR 122/98, NJW-RR 1999, 898.

1148

IV. Abtretung des Rückkaufswertes bei Lebensversicherungen

che und Rechte, die dem Versicherungsnehmer (Sicherungsgeber) aufgrund des Versicherungsvertrages gegen die Versicherungsgesellschaft zustehen bzw. sich daraus noch ergeben können. Dazu rechnen insbesondere das Recht auf Bestimmung, Änderung und Widerruf der Bezugsberechtigung, das Recht zur Kündigung des Versicherungsvertrages, das Recht zur Entgegennahme des Rückkaufswertes481) sowie ggf. Ansprüche aus einem für die Lebensversicherung unterhaltenen Beitragskontos (oder Beitragsdepots), unabhängig davon, ob dieses bei der Versicherungsgesellschaft selbst geführt wird oder nicht. c) Abwicklung. Die Abtretung des Rückkaufwertes von insbesondere Kapital- 5.420 lebensversicherungen erfolgt durch eine schriftliche Abtretung durch den Versicherungsnehmer als Sicherungsgeber an den Getränkelieferanten unter Übergabe des Originalversicherungsscheins. Gleichzeitig wird die Versicherungsgesellschaft um eine Bestätigung gebeten, dass die Abtretung von der Lebensversicherung erstrangig vorgemerkt wurde, insbesondere keine Vorpfändungen etc. vorliegen. 4.

Sicherungsabrede

Wie stets bedarf es einer Sicherungszweckabrede sowie Klauseln zur Verwertung. 5.421 Der Widerruf von Bezugsrechten ist für die Dauer der Abtretung aufzunehmen. Weiter muss der unwiderrufliche Bezugsberechtigte sein Einverständnis mit der Abtretung etwa durch Mitunterzeichnung erklärt haben. Üblicherweise finden sich Regelungen zur Übergabe des Versicherungsscheins 5.422 und etwaiger Nachträge an den Sicherungsnehmer, eine Beauftragung des Sicherungsnehmers zur Anzeige der Abtretung bei der Versicherung sowie ein Hinweis an den Versicherungsnehmer auf die eigenverantwortliche Prüfung einer Steuerschädlichkeit der Abtretung. 5.

Verwertung

a) Grundsatz. Sollte der Vertragspartner seinen Verpflichtungen aus dem Ver- 5.423 trag nicht nachkommen, kann der Getränkelieferant zwecks Realisierung seiner Forderungen und Ansprüche den Versicherungsvertrag kündigen und den Rückkaufswert einziehen. b) Tritt der Versicherungsnehmer seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung 5.424 zur Sicherung der Schuld eines Dritten an dessen Gläubiger ab, so sprechen die Interessen der Beteiligten regelmäßig dafür, dass der vereinbarte Sicherungszweck sich nicht mit dem Tod des Versicherungsnehmers erledigt haben soll. Eine vor der Sicherungsabtretung widerruflich getroffene Bezugsrechtsbestimmung ___________ 481) LG Bonn, Urt. v. 14.11.2011 – 5 S 137/07, NJW-RR 2008, 475: Wird auf den Rückkaufswert im Vertragstext kein Bezug genommen, so wird der Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes regelmäßig nicht mit abgetreten.

1149

§ 54 Sicherungsabtretung/Verpfändung

steht dann auch in der Zeit nach Eintritt des Versicherungsfalls – bis auf weiteres – im Rang hinter den Rechten des Sicherungsnehmers zurück.482) 5.425 c) Unpfändbarkeit. aa) § 851c ZPO. Unter den vier in § 851c Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen können die auszuzahlenden Ansprüche nur wie Arbeitseinkommen gepfändet werden (Pfändungsfreigrenzen). Kapitallebensversicherungen werden zwar von dieser Vorschrift nicht erfasst (§ 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Allerdings ist insofern § 167 VVG zu beachten. Danach kann der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung jederzeit für den Schluss der laufenden Versicherungsperiode die Umwandlung der Versicherung in eine Versicherung verlangen, die den Anforderungen des § 851c Abs. 1 ZPO entspricht. Sind die Ansprüche aus der Versicherung jedoch bereits gepfändet bzw. verpfändet oder abgetreten worden, so besteht die Umwandlungsmöglichkeit nicht mehr.483) Nach § 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO, einer Spezialvorschrift zu § 400 BGB, darf über Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden, insbesondere dürfen diese nicht als Kapitalsicherungsmittel eingesetzt werden (Kapitalisierungsverbot). Im Hinblick auf das Kapitalisierungsverbot zeigt sich, welche Zurückhaltung bei der Hereinnahme von Lebensversicherungen als Kreditsicherheit angezeigt ist. Dies gilt nicht für eine Zahlung auf den Todesfall. Gleiches gilt im Fall der Sicherungsabtretung. 5.426 Es hindert den Pfändungsschutz nach § 851c Abs. 1 ZPO nicht, wenn dem Schuldner vertraglich ein Kapitalisierungsrecht eingeräumt war, dieses Recht zur Zeit der Pfändung aber nicht mehr bestand.484) 5.427 Während der Ansparphase und damit vor Eintritt des Versicherungsfalls sind nach § 851c Abs. 2 ZPO die anzusparenden Beträge in einem gewissen Umfang, gestaffelt nach Lebensalter, unpfändbar (§ 851c Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO). Übersteigt der Rückkaufswert der Versicherung den unpfändbaren Betrag, sind 3/10 des überschießenden Betrages unpfändbar (§ 851c Abs. 2 Satz 3 ZPO). 5.428 Ob die Voraussetzungen des § 851c Abs. 1 ZPO gegeben sind, sollte vor Hereinnahme der Sicherheit durch Einsichtnahme in den Versicherungsschein und die Versicherungsbedingungen ermittelt werden. Im Zweifel sollte die Sicherheit nicht akzeptiert werden. Jedenfalls sollte die Sicherungsabtretung unter ausdrücklichem Hinweis auf die Regelung des § 851c ZPO zumindest auf die pfändbaren Anteile der Ansprüche bezogen werden. 5.429 bb) § 850b ZPO. Wird zusammen mit einer Kapitallebensversicherung eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen, steht die Einheitlichkeit des ___________ 482) BGH, Urt. v. 27.10.2010 – IV ZR 22/09, BGHZ 187, 220 = NJW 2011, 307 = ZIP 2011, 68. 483) BT-Drucks. 16/866, S. 14; BFH, Urt. v. 31.7.2007 – VII R 60/06, BeckRS 2007, 24003069 = ZIP 2007, 2008. 484) BGH, Beschl. v. 25.11.2010 – VII ZB 5/08, NJW-RR 2011, 493; BGH, Beschl. v. 22.8.2012 – VII ZB 2/11, BeckRS 2012, 18912.

1150

VI. Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Vertrages in der Regel weder der Abtretung von Ansprüchen allein aus der Lebensversicherung noch einer Übertragung des Kündigungsrechts für die Lebensversicherung entgegen.485) Die Unabtretbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO schlägt danach nicht auf die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung durch. V.

Abtretung von Ansprüchen aus Bausparverträgen

Die Abtretung von Ansprüchen aus einem Bausparvertrag bezieht sich sowohl 5.430 auf den Anspruch auf Zuteilung der Bausparsumme als auch auf Auszahlung des Bausparguthabens. Zweck und Umfang der Abtretung und die Voraussetzungen der Verwertung 5.431 müssen eindeutig geregelt sein. Anderenfalls ist die Abtretung unwirksam.486) Da die Abtretung hier als Sicherheit für eine umfassend angelegte Geschäftsverbindung dient, bedarf es keiner Freigabeklausel. § 354a HGB ist nicht anwendbar. Im Insolvenzfall ist § 114 InsO zu beachten. VI.

Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Größte Vorsicht ist bei der Hereinnahme und Bewertung angeblicher Steuerer- 5.432 stattungsansprüche angebracht. Die Abtretung bzw. Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen ist nur wirksam, wenn der Abtretungsvertrag den abzutretenden Erstattungsanspruch hinreichend genau bezeichnet, der Erstattungsanspruch nach Entstehung desselben (Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums, § 46 Abs. 2 AO) auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck, der von beiden Parteien zu unterschreiben ist (§ 46 Abs. 3 AO) durch den bisherigen Gläubiger angezeigt wird. Der Zessionar kann allerdings zur Weiterleitung ermächtigt werden. Die Abtretung aller künftigen Erstattungsansprüche ist mangels Bestimmbarkeit unwirksam. Die Anzeige ist an das für die Besteuerung des Abtretenden/Verpfändenden zuständige Finanzamt zu richten. Sie wird erst mit Zugang der ordnungsgemäß ausgefüllten Abtretungsanzeige beim zuständigen Finanzamt wirksam. Probleme können sich bei einer nachträglichen Berichtigung des Steuerbeschei- 5.433 des ergeben. Dann besteht ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO, wobei der Getränkelieferant als Leistungsempfänger angesehen wird. Gleiches gilt, wenn ein vorrangiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Finanzamtes übersehen wurde oder im Fall der Mehrfachabtretung und Zahlung an Nichtberechtigte.

___________ 485) BGH, Urt. v. 18.11.2009 – IV ZR 39/08, NJW 2010, 374. 486) BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626 = ZIP 1992, 1068.

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VI. Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Vertrages in der Regel weder der Abtretung von Ansprüchen allein aus der Lebensversicherung noch einer Übertragung des Kündigungsrechts für die Lebensversicherung entgegen.485) Die Unabtretbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO schlägt danach nicht auf die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung durch. V.

Abtretung von Ansprüchen aus Bausparverträgen

Die Abtretung von Ansprüchen aus einem Bausparvertrag bezieht sich sowohl 5.430 auf den Anspruch auf Zuteilung der Bausparsumme als auch auf Auszahlung des Bausparguthabens. Zweck und Umfang der Abtretung und die Voraussetzungen der Verwertung 5.431 müssen eindeutig geregelt sein. Anderenfalls ist die Abtretung unwirksam.486) Da die Abtretung hier als Sicherheit für eine umfassend angelegte Geschäftsverbindung dient, bedarf es keiner Freigabeklausel. § 354a HGB ist nicht anwendbar. Im Insolvenzfall ist § 114 InsO zu beachten. VI.

Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Größte Vorsicht ist bei der Hereinnahme und Bewertung angeblicher Steuerer- 5.432 stattungsansprüche angebracht. Die Abtretung bzw. Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen ist nur wirksam, wenn der Abtretungsvertrag den abzutretenden Erstattungsanspruch hinreichend genau bezeichnet, der Erstattungsanspruch nach Entstehung desselben (Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums, § 46 Abs. 2 AO) auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck, der von beiden Parteien zu unterschreiben ist (§ 46 Abs. 3 AO) durch den bisherigen Gläubiger angezeigt wird. Der Zessionar kann allerdings zur Weiterleitung ermächtigt werden. Die Abtretung aller künftigen Erstattungsansprüche ist mangels Bestimmbarkeit unwirksam. Die Anzeige ist an das für die Besteuerung des Abtretenden/Verpfändenden zuständige Finanzamt zu richten. Sie wird erst mit Zugang der ordnungsgemäß ausgefüllten Abtretungsanzeige beim zuständigen Finanzamt wirksam. Probleme können sich bei einer nachträglichen Berichtigung des Steuerbeschei- 5.433 des ergeben. Dann besteht ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO, wobei der Getränkelieferant als Leistungsempfänger angesehen wird. Gleiches gilt, wenn ein vorrangiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Finanzamtes übersehen wurde oder im Fall der Mehrfachabtretung und Zahlung an Nichtberechtigte.

___________ 485) BGH, Urt. v. 18.11.2009 – IV ZR 39/08, NJW 2010, 374. 486) BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626 = ZIP 1992, 1068.

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VI. Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Vertrages in der Regel weder der Abtretung von Ansprüchen allein aus der Lebensversicherung noch einer Übertragung des Kündigungsrechts für die Lebensversicherung entgegen.485) Die Unabtretbarkeit nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO schlägt danach nicht auf die Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung durch. V.

Abtretung von Ansprüchen aus Bausparverträgen

Die Abtretung von Ansprüchen aus einem Bausparvertrag bezieht sich sowohl 5.430 auf den Anspruch auf Zuteilung der Bausparsumme als auch auf Auszahlung des Bausparguthabens. Zweck und Umfang der Abtretung und die Voraussetzungen der Verwertung 5.431 müssen eindeutig geregelt sein. Anderenfalls ist die Abtretung unwirksam.486) Da die Abtretung hier als Sicherheit für eine umfassend angelegte Geschäftsverbindung dient, bedarf es keiner Freigabeklausel. § 354a HGB ist nicht anwendbar. Im Insolvenzfall ist § 114 InsO zu beachten. VI.

Abtretung von Steuererstattungsansprüchen

Größte Vorsicht ist bei der Hereinnahme und Bewertung angeblicher Steuerer- 5.432 stattungsansprüche angebracht. Die Abtretung bzw. Verpfändung von Steuererstattungsansprüchen ist nur wirksam, wenn der Abtretungsvertrag den abzutretenden Erstattungsanspruch hinreichend genau bezeichnet, der Erstattungsanspruch nach Entstehung desselben (Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums, § 46 Abs. 2 AO) auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck, der von beiden Parteien zu unterschreiben ist (§ 46 Abs. 3 AO) durch den bisherigen Gläubiger angezeigt wird. Der Zessionar kann allerdings zur Weiterleitung ermächtigt werden. Die Abtretung aller künftigen Erstattungsansprüche ist mangels Bestimmbarkeit unwirksam. Die Anzeige ist an das für die Besteuerung des Abtretenden/Verpfändenden zuständige Finanzamt zu richten. Sie wird erst mit Zugang der ordnungsgemäß ausgefüllten Abtretungsanzeige beim zuständigen Finanzamt wirksam. Probleme können sich bei einer nachträglichen Berichtigung des Steuerbeschei- 5.433 des ergeben. Dann besteht ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO, wobei der Getränkelieferant als Leistungsempfänger angesehen wird. Gleiches gilt, wenn ein vorrangiger Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Finanzamtes übersehen wurde oder im Fall der Mehrfachabtretung und Zahlung an Nichtberechtigte.

___________ 485) BGH, Urt. v. 18.11.2009 – IV ZR 39/08, NJW 2010, 374. 486) BGH, Urt. v. 7.7.1992 – XI ZR 274/91, NJW 1992, 2626 = ZIP 1992, 1068.

1151

§ 55 Schuldanerkenntnis

§ 55 Schuldanerkenntnis I.

Grundlagen

5.434 Die Erfahrungen aus dem Forderungsmanagement zeigen, dass auch angesichts erhöhter Mobilität mancher Schuldner das Ausfallrisiko des Getränkelieferanten zunimmt. Im Wettlauf der Gläubiger sind zudem die Forderungen des Getränkelieferanten häufig nachrangig oder werden – ggf. auch insolvenzrechtlich – nicht mehr anerkannt. Daher macht es Sinn, über anfängliche, insbesondere notarielle Schuldanerkenntnisse nachzudenken. Notarielle Schuldanerkenntnisse mit Vollstreckungsunterwerfungsklausel geben dem Getränkelieferanten von Anfang an einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).487) Ein langwieriges gerichtliches Erkenntnisverfahren (gerichtliches Mahnverfahren, Klageverfahren) entfällt. Die Notarkosten sind günstiger als die Gerichts- und Anwaltskosten für ein gerichtliches Verfahren. Allerdings entbindet die Hereinnahme notarieller Schuldanerkenntnisse, sei es anfänglich, sei es später, nicht von einer Bonitätsprüfung des Schuldners. II.

Inhalt

5.435 In einem notariellen Schuldanerkenntnis mit Vollstreckungsunterwerfungserklärung (§ 781 BGB, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) erkennt der Schuldner zunächst an, eine bestimmte Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung eines Geldbetrages, als selbstständige weitere Verpflichtung konstitutiv zu übernehmen und sich insofern zur Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Geregelt werden weiter die Voraussetzungen für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung und die Frage der Kostentragung. Ergänzt wird das Schuldanerkenntnis durch eine Belehrung des Notars über die Rechtswirkungen sowohl des Schuldanerkenntnisses als auch der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Abschließend wird der Inhalt des Antrages formuliert und die sofortige Erteilung einer Ausfertigung an den Getränkelieferanten vorgesehen. III.

Wirksamkeit

1.

AGB-Kontrolle

5.436 Die Abgabe eines persönlichen Schuldanerkenntnisses mit Unterwerfungsklausel unter „Form der Sicherheiten“ verstößt nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB.488) 2.

Sittenwidrigkeit

5.437 Ein notarielles Schuldanerkenntnis, das den Versprechenden krass überfordert und ausschließlich gegen den Ehepartner bestehende Ansprüche sichert, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ausreichende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit ___________ 487) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232. 488) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. Zu weiteren Fragen der Inhaltskontrolle siehe oben § 51 II 4 d m. w. N.

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§ 55 Schuldanerkenntnis

§ 55 Schuldanerkenntnis I.

Grundlagen

5.434 Die Erfahrungen aus dem Forderungsmanagement zeigen, dass auch angesichts erhöhter Mobilität mancher Schuldner das Ausfallrisiko des Getränkelieferanten zunimmt. Im Wettlauf der Gläubiger sind zudem die Forderungen des Getränkelieferanten häufig nachrangig oder werden – ggf. auch insolvenzrechtlich – nicht mehr anerkannt. Daher macht es Sinn, über anfängliche, insbesondere notarielle Schuldanerkenntnisse nachzudenken. Notarielle Schuldanerkenntnisse mit Vollstreckungsunterwerfungsklausel geben dem Getränkelieferanten von Anfang an einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).487) Ein langwieriges gerichtliches Erkenntnisverfahren (gerichtliches Mahnverfahren, Klageverfahren) entfällt. Die Notarkosten sind günstiger als die Gerichts- und Anwaltskosten für ein gerichtliches Verfahren. Allerdings entbindet die Hereinnahme notarieller Schuldanerkenntnisse, sei es anfänglich, sei es später, nicht von einer Bonitätsprüfung des Schuldners. II.

Inhalt

5.435 In einem notariellen Schuldanerkenntnis mit Vollstreckungsunterwerfungserklärung (§ 781 BGB, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) erkennt der Schuldner zunächst an, eine bestimmte Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung eines Geldbetrages, als selbstständige weitere Verpflichtung konstitutiv zu übernehmen und sich insofern zur Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Geregelt werden weiter die Voraussetzungen für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung und die Frage der Kostentragung. Ergänzt wird das Schuldanerkenntnis durch eine Belehrung des Notars über die Rechtswirkungen sowohl des Schuldanerkenntnisses als auch der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Abschließend wird der Inhalt des Antrages formuliert und die sofortige Erteilung einer Ausfertigung an den Getränkelieferanten vorgesehen. III.

Wirksamkeit

1.

AGB-Kontrolle

5.436 Die Abgabe eines persönlichen Schuldanerkenntnisses mit Unterwerfungsklausel unter „Form der Sicherheiten“ verstößt nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB.488) 2.

Sittenwidrigkeit

5.437 Ein notarielles Schuldanerkenntnis, das den Versprechenden krass überfordert und ausschließlich gegen den Ehepartner bestehende Ansprüche sichert, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ausreichende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit ___________ 487) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232. 488) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. Zu weiteren Fragen der Inhaltskontrolle siehe oben § 51 II 4 d m. w. N.

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§ 55 Schuldanerkenntnis

§ 55 Schuldanerkenntnis I.

Grundlagen

5.434 Die Erfahrungen aus dem Forderungsmanagement zeigen, dass auch angesichts erhöhter Mobilität mancher Schuldner das Ausfallrisiko des Getränkelieferanten zunimmt. Im Wettlauf der Gläubiger sind zudem die Forderungen des Getränkelieferanten häufig nachrangig oder werden – ggf. auch insolvenzrechtlich – nicht mehr anerkannt. Daher macht es Sinn, über anfängliche, insbesondere notarielle Schuldanerkenntnisse nachzudenken. Notarielle Schuldanerkenntnisse mit Vollstreckungsunterwerfungsklausel geben dem Getränkelieferanten von Anfang an einen Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO).487) Ein langwieriges gerichtliches Erkenntnisverfahren (gerichtliches Mahnverfahren, Klageverfahren) entfällt. Die Notarkosten sind günstiger als die Gerichts- und Anwaltskosten für ein gerichtliches Verfahren. Allerdings entbindet die Hereinnahme notarieller Schuldanerkenntnisse, sei es anfänglich, sei es später, nicht von einer Bonitätsprüfung des Schuldners. II.

Inhalt

5.435 In einem notariellen Schuldanerkenntnis mit Vollstreckungsunterwerfungserklärung (§ 781 BGB, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) erkennt der Schuldner zunächst an, eine bestimmte Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung eines Geldbetrages, als selbstständige weitere Verpflichtung konstitutiv zu übernehmen und sich insofern zur Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Geregelt werden weiter die Voraussetzungen für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung und die Frage der Kostentragung. Ergänzt wird das Schuldanerkenntnis durch eine Belehrung des Notars über die Rechtswirkungen sowohl des Schuldanerkenntnisses als auch der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Abschließend wird der Inhalt des Antrages formuliert und die sofortige Erteilung einer Ausfertigung an den Getränkelieferanten vorgesehen. III.

Wirksamkeit

1.

AGB-Kontrolle

5.436 Die Abgabe eines persönlichen Schuldanerkenntnisses mit Unterwerfungsklausel unter „Form der Sicherheiten“ verstößt nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB.488) 2.

Sittenwidrigkeit

5.437 Ein notarielles Schuldanerkenntnis, das den Versprechenden krass überfordert und ausschließlich gegen den Ehepartner bestehende Ansprüche sichert, ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Ausreichende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit ___________ 487) BGH, Urt. v. 17.10.1973 – VIII ZR 91/72, BeckRS 1973, 31125612 = Zeller I, 232. 488) BGH, Urt. v. 15.11.2016 – XI ZR 32/16, NJW-RR 2017, 241. Zu weiteren Fragen der Inhaltskontrolle siehe oben § 51 II 4 d m. w. N.

1152

V. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

schließen eine derartige Überforderung nicht aus, wenn sie auf den Geschäftsbetrieb gründen, für den der Kredit gezahlt wurde.489) IV.

Verbraucherkreditrecht

1.

Persönlicher Anwendungsbereich

Wird ein Schuldanerkenntnis mit (Rück-)Zahlungsvereinbarung abgeschlossen, 5.438 so hängt die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entscheidend davon ab, ob der Anerkennende bereits und noch Unternehmer oder Existenzgründer/ Verbraucher ist.490) 2.

Sachlicher Anwendungsbereich

Ein Schuldanerkenntnis mit ratenweiser bzw. endfälliger Rückzahlungsverein- 5.439 barung fällt in den sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts. Dazu sind die §§ 491 – 500 BGB zu beachten. 3.

Pflichtangaben

a) Sonstige Kosten und die Bedingungen der Anpassung sind anzugeben.

5.440

b) Art und Weise einer etwaigen Anpassung des Verzugszinses. In der Praxis 5.441 wird für Verzugszinsen in der Regel keine Anpassungsmöglichkeit vorgesehen. Im Übrigen handelt es sich zumeist um nachträgliche Schuldanerkenntnisse, so dass die Unternehmereigenschaft der Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entgegensteht. 4.

Einwendungsverzicht

§ 496 Abs. 1 und 3 BGB gelten weder für die Abgabe eines abstrakten Schuldver- 5.442 sprechens oder Schuldanerkenntnisses noch für die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.491) V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Über den Wortlaut hinaus, der lediglich von Verträgen spricht, werden auch ein- 5.443 seitige Rechtsgeschäfte von § 312 Abs. 1 BGB erfasst, so dass auch ein Schuldanerkenntnis unter die Vorschrift zu subsumieren ist.492) Ggf. greifen die Ausnahmetatbestände des § 312 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB.493) All dies steht unter der Voraussetzung, dass ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) vorliegt. ___________ 489) OLG Koblenz, Beschl. v. 1.9.2003 – 5 W 568/03, NJW-RR 2003, 1559. Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.6.2017 – VIII ZR 76/16, BeckRS 2017, 119261, zu einer entsprechenden Erklärungen eines gewerblichen Mieters. 490) Siehe insbesondere zum Ende der Unternehmereigenschaft oben § 5 I 16 m. w. N. 491) BGH, Urt. v. 15.3.2005 – XI ZR 135/04, NJW 2005, 1576 = ZIP 2005, 846; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187. 492) Siehe oben § 51 VII 2 c m. w. N. 493) Siehe oben § 26 II 3 c und d, jeweils m. w. N.

1153

V. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

schließen eine derartige Überforderung nicht aus, wenn sie auf den Geschäftsbetrieb gründen, für den der Kredit gezahlt wurde.489) IV.

Verbraucherkreditrecht

1.

Persönlicher Anwendungsbereich

Wird ein Schuldanerkenntnis mit (Rück-)Zahlungsvereinbarung abgeschlossen, 5.438 so hängt die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entscheidend davon ab, ob der Anerkennende bereits und noch Unternehmer oder Existenzgründer/ Verbraucher ist.490) 2.

Sachlicher Anwendungsbereich

Ein Schuldanerkenntnis mit ratenweiser bzw. endfälliger Rückzahlungsverein- 5.439 barung fällt in den sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts. Dazu sind die §§ 491 – 500 BGB zu beachten. 3.

Pflichtangaben

a) Sonstige Kosten und die Bedingungen der Anpassung sind anzugeben.

5.440

b) Art und Weise einer etwaigen Anpassung des Verzugszinses. In der Praxis 5.441 wird für Verzugszinsen in der Regel keine Anpassungsmöglichkeit vorgesehen. Im Übrigen handelt es sich zumeist um nachträgliche Schuldanerkenntnisse, so dass die Unternehmereigenschaft der Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entgegensteht. 4.

Einwendungsverzicht

§ 496 Abs. 1 und 3 BGB gelten weder für die Abgabe eines abstrakten Schuldver- 5.442 sprechens oder Schuldanerkenntnisses noch für die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.491) V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Über den Wortlaut hinaus, der lediglich von Verträgen spricht, werden auch ein- 5.443 seitige Rechtsgeschäfte von § 312 Abs. 1 BGB erfasst, so dass auch ein Schuldanerkenntnis unter die Vorschrift zu subsumieren ist.492) Ggf. greifen die Ausnahmetatbestände des § 312 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB.493) All dies steht unter der Voraussetzung, dass ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) vorliegt. ___________ 489) OLG Koblenz, Beschl. v. 1.9.2003 – 5 W 568/03, NJW-RR 2003, 1559. Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.6.2017 – VIII ZR 76/16, BeckRS 2017, 119261, zu einer entsprechenden Erklärungen eines gewerblichen Mieters. 490) Siehe insbesondere zum Ende der Unternehmereigenschaft oben § 5 I 16 m. w. N. 491) BGH, Urt. v. 15.3.2005 – XI ZR 135/04, NJW 2005, 1576 = ZIP 2005, 846; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187. 492) Siehe oben § 51 VII 2 c m. w. N. 493) Siehe oben § 26 II 3 c und d, jeweils m. w. N.

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V. Allgemeines Verbraucherschutzrecht

schließen eine derartige Überforderung nicht aus, wenn sie auf den Geschäftsbetrieb gründen, für den der Kredit gezahlt wurde.489) IV.

Verbraucherkreditrecht

1.

Persönlicher Anwendungsbereich

Wird ein Schuldanerkenntnis mit (Rück-)Zahlungsvereinbarung abgeschlossen, 5.438 so hängt die Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entscheidend davon ab, ob der Anerkennende bereits und noch Unternehmer oder Existenzgründer/ Verbraucher ist.490) 2.

Sachlicher Anwendungsbereich

Ein Schuldanerkenntnis mit ratenweiser bzw. endfälliger Rückzahlungsverein- 5.439 barung fällt in den sachlichen Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts. Dazu sind die §§ 491 – 500 BGB zu beachten. 3.

Pflichtangaben

a) Sonstige Kosten und die Bedingungen der Anpassung sind anzugeben.

5.440

b) Art und Weise einer etwaigen Anpassung des Verzugszinses. In der Praxis 5.441 wird für Verzugszinsen in der Regel keine Anpassungsmöglichkeit vorgesehen. Im Übrigen handelt es sich zumeist um nachträgliche Schuldanerkenntnisse, so dass die Unternehmereigenschaft der Anwendbarkeit des Verbraucherkreditrechts entgegensteht. 4.

Einwendungsverzicht

§ 496 Abs. 1 und 3 BGB gelten weder für die Abgabe eines abstrakten Schuldver- 5.442 sprechens oder Schuldanerkenntnisses noch für die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO.491) V.

Allgemeines Verbraucherschutzrecht

Über den Wortlaut hinaus, der lediglich von Verträgen spricht, werden auch ein- 5.443 seitige Rechtsgeschäfte von § 312 Abs. 1 BGB erfasst, so dass auch ein Schuldanerkenntnis unter die Vorschrift zu subsumieren ist.492) Ggf. greifen die Ausnahmetatbestände des § 312 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB.493) All dies steht unter der Voraussetzung, dass ein Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB) vorliegt. ___________ 489) OLG Koblenz, Beschl. v. 1.9.2003 – 5 W 568/03, NJW-RR 2003, 1559. Vgl. auch BGH, Urt. v. 14.6.2017 – VIII ZR 76/16, BeckRS 2017, 119261, zu einer entsprechenden Erklärungen eines gewerblichen Mieters. 490) Siehe insbesondere zum Ende der Unternehmereigenschaft oben § 5 I 16 m. w. N. 491) BGH, Urt. v. 15.3.2005 – XI ZR 135/04, NJW 2005, 1576 = ZIP 2005, 846; BGH, Urt. v. 16.5.2006 – XI ZR 6/04, BGHZ 168, 1 = NJW 2006, 2099 = ZIP 2006, 1187. 492) Siehe oben § 51 VII 2 c m. w. N. 493) Siehe oben § 26 II 3 c und d, jeweils m. w. N.

1153

Sechster Hauptteil: Verträge im Verhältnis BrauereiGetränkefachgroßhändler § 56 Getränkelieferungsverträge I.

Individualverträge

1.

Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB

a) Beurteilungsgrundlagen. Wiederum bedarf es einer Gesamtbetrachtung.1)

6.1

b) Beurteilungskriterien. Bei der Prüfung der Ausgemessenheit der beidersei- 6.2 tigen Leistungen kommt dem Umfang der Ausschließlichkeitsbindung besondere Bedeutung zu.2) 2.

Laufzeit

a) Grundsatz. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt wesentlich vom 6.3 Umfang der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistung(en) ab. Werden höhere Leistungen erbracht, so ist auch eine längere Laufzeit zulässig.3) b) Anschlussvertrag. Die Auflösung des vorhergehenden Vertrages steht einer 6.4 Zusammenrechnung der Bezugsbindungszeiten der Verträge entgegen.4) 3.

§ 139 BGB

Zu den Voraussetzungen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts zwischen verschie- 6.5 denen Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen sowie Bürgschaftsverträgen siehe das Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.5.2004.5) II.

Grundlagen der Prüfung nach AGB-Recht

1.

AGB

Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auf das 6.6 Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.5.2004 verwiesen werden.6) Haben die Parteien die Vertragsbedingungen zuvor über einen längeren Zeitraum hinweg im ___________ 1)

2) 3) 4) 5) 6)

BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Naumburg, Urt. v. 7.9.1995 – 2 U 6/93, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 281/95. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03.

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Sechster Hauptteil: Verträge im Verhältnis BrauereiGetränkefachgroßhändler § 56 Getränkelieferungsverträge I.

Individualverträge

1.

Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB

a) Beurteilungsgrundlagen. Wiederum bedarf es einer Gesamtbetrachtung.1)

6.1

b) Beurteilungskriterien. Bei der Prüfung der Ausgemessenheit der beidersei- 6.2 tigen Leistungen kommt dem Umfang der Ausschließlichkeitsbindung besondere Bedeutung zu.2) 2.

Laufzeit

a) Grundsatz. Die Dauer der zulässigen Bezugsbindung hängt wesentlich vom 6.3 Umfang der von dem Getränkelieferanten erbrachten Leistung(en) ab. Werden höhere Leistungen erbracht, so ist auch eine längere Laufzeit zulässig.3) b) Anschlussvertrag. Die Auflösung des vorhergehenden Vertrages steht einer 6.4 Zusammenrechnung der Bezugsbindungszeiten der Verträge entgegen.4) 3.

§ 139 BGB

Zu den Voraussetzungen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts zwischen verschie- 6.5 denen Darlehens- und Getränkelieferungsverträgen sowie Bürgschaftsverträgen siehe das Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.5.2004.5) II.

Grundlagen der Prüfung nach AGB-Recht

1.

AGB

Zur Prüfung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auf das 6.6 Urteil des OLG Düsseldorf vom 28.5.2004 verwiesen werden.6) Haben die Parteien die Vertragsbedingungen zuvor über einen längeren Zeitraum hinweg im ___________ 1)

2) 3) 4) 5) 6)

BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Naumburg, Urt. v. 7.9.1995 – 2 U 6/93, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 281/95. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03.

1155

§ 56 Getränkelieferungsverträge

Einzelnen ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), so scheidet eine Inhaltskontrolle nach AGB-Recht aus.7) 2.

Einbeziehung und Auslegung

6.7 Zur Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nimmt das OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 28.5.2004 ebenfalls Stellung.8) III.

Ausgewählte Klauseln

1.

Laufzeit

6.8 a) Grundsatz. Laufzeiten von fünf9) bzw. zehn Jahren10) sind zulässig. 6.9 b) Unzulässig ist eine Verlängerung der Laufzeit eines Getränkelieferungsvertrages für den Fall des Nichterreichens der vereinbarten periodischen (Mindest-) Abnahmemenge.11) 6.10 c) Soll in einem Formularvertrag, nach dem der lang andauernden Verpflichtung zum Warenbezug als Leistung die Gewährung eines – unter Umständen – zinslosen Darlehens gegenübersteht, die Bezugspflicht auch dann bestehen bleiben, wenn der Bezugsverpflichtete die Voraussetzungen für die Darlehensgewährung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zu erfüllen vermag, so verstößt eine derartige Regelung gegen das Äquivalenzprinzip und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.12) 2.

Mindestabnahmemenge

6.11 Die formularmäßige Festlegung von Mindestabnahmemengen und Bezugspflichten ist auch nach § 307 BGB grundsätzlich nicht zu beanstanden.13) 3.

Rechtsnachfolge

6.12 Zur Auslegung als Vertragsübernahme und zur Zulässigkeit des nachträglichen Auseinanderfallens von Schuldner der Darlehensverpflichtung und Schuldner der Getränkeabnahmeverpflichtung, etwa im Rahmen des Vollzuges einer Rechtsnachfolgeklausel, ist Rechtssprechung ergangen.14) ___________ 7) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. Anders aber in der Entscheidung OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 8) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 9) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 10) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. Dort auch zum Gedanken der Amortisation. 11) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 12) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 13) BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, BeckRS 2004, 09333. 14) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03.

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§ 56 Getränkelieferungsverträge

Einzelnen ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), so scheidet eine Inhaltskontrolle nach AGB-Recht aus.7) 2.

Einbeziehung und Auslegung

6.7 Zur Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB nimmt das OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 28.5.2004 ebenfalls Stellung.8) III.

Ausgewählte Klauseln

1.

Laufzeit

6.8 a) Grundsatz. Laufzeiten von fünf9) bzw. zehn Jahren10) sind zulässig. 6.9 b) Unzulässig ist eine Verlängerung der Laufzeit eines Getränkelieferungsvertrages für den Fall des Nichterreichens der vereinbarten periodischen (Mindest-) Abnahmemenge.11) 6.10 c) Soll in einem Formularvertrag, nach dem der lang andauernden Verpflichtung zum Warenbezug als Leistung die Gewährung eines – unter Umständen – zinslosen Darlehens gegenübersteht, die Bezugspflicht auch dann bestehen bleiben, wenn der Bezugsverpflichtete die Voraussetzungen für die Darlehensgewährung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht zu erfüllen vermag, so verstößt eine derartige Regelung gegen das Äquivalenzprinzip und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.12) 2.

Mindestabnahmemenge

6.11 Die formularmäßige Festlegung von Mindestabnahmemengen und Bezugspflichten ist auch nach § 307 BGB grundsätzlich nicht zu beanstanden.13) 3.

Rechtsnachfolge

6.12 Zur Auslegung als Vertragsübernahme und zur Zulässigkeit des nachträglichen Auseinanderfallens von Schuldner der Darlehensverpflichtung und Schuldner der Getränkeabnahmeverpflichtung, etwa im Rahmen des Vollzuges einer Rechtsnachfolgeklausel, ist Rechtssprechung ergangen.14) ___________ 7) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. Anders aber in der Entscheidung OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 8) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 9) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 10) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. Dort auch zum Gedanken der Amortisation. 11) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 12) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 13) BGH, Urt. v. 13.7.2004 – KZR 10/03, BeckRS 2004, 09333. 14) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03.

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III. Ausgewählte Klauseln

4.

Vertragsstrafe

Hinsichtlich einer Vertragsstrafenregelung für den Fall des Fremdbezuges bedarf 6.13 es zunächst der Feststellung, ob überhaupt eine AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB vorliegt.15) 5.

Mindermengenausgleich

a) Haftung dem Grunde nach. aa) Soll die Ausgleichsregelung im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass der Getränkefachgroßhändler insbesondere verschuldensunabhängig und auch ohne Möglichkeit des Gegenbeweises gleichsam garantieartig in Anspruch genommen werden kann, so muss eine Klauselnichtigkeit nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a und/oder b, 309 Nr. 6, 339 Satz 1 BGB geprüft werden.16) bb) Unangemessen ist eine Kumulation von Sanktionen bei Unterschreitung der jährlichen Mindestabnahmemenge, konkret eine Ausfallentschädigung in Höhe von 15,00 € je nicht abgenommenen hl, das Recht zur Teilkündigung des Darlehens sowie eine Verlängerung der Abnahmeverpflichtung bis zum Erreichen der Gesamtmindestabnahmemenge.17) Dort auch zur Auslegung des Begriffs der „Entschädigung“. cc) Dadurch wird indes die Wirksamkeit des Vertrages im Ganzen nicht berührt. Dies jedenfalls dann, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass die Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen die Gültigkeit des Vertragswerkes im Übrigen unberührt lassen soll. Erkenntnisse, dass diese (salvatorische) Klausel einschränkend gemeint war und sie nach dem Willen der Parteien nicht den Fall umfassen soll, lagen nicht vor.18) b) Höhe. Gegen die Höhe des vereinbarten Deckungsausgleichsbetrages (Pauschalierung im Umfang von 20 % des an die Brauerei zu zahlenden Einkaufspreises) wurde nichts erinnert.19) 6.

6.14

6.15

6.16

6.17

Teilkündigung

Bedenken wurden geäußert hinsichtlich einer Teilkündigung der Finanzierung 6.18 bei Fortbestand der Bindung.20) ___________ 15) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 16) OLG Naumburg, Urt. v. 7.9.1995 – 2 U 6/93, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 281/95; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99, sowie hierzu BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 17) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 18) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 19) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 20) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03.

1157

§ 56 Getränkelieferungsverträge

6.19 Bei Unwirksamkeit der Teilkündigungsklausel wurde eine Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen – sei es über § 139 BGB analog, sei es nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion – bejaht.21) IV.

Kartellrecht

6.20 Zu den Anforderungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV kann auf die OLGRechtsprechung verwiesen werden.22) Nach der Rechtsprechung bestanden hinsichtlich der streitgegenständlichen Situationen und Verträge keine EU-kartellrechtlichen Bedenken.23) V.

Verbraucherschutzrecht

6.21 Im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Getränkefachgroßhändlers sind die Bestimmungen des Verbraucherschutzrechts und damit auch des Verbraucherkreditrechts nicht zu beachten. VI.

Kündigung

1.

Ordentliche Kündigung

6.22 Zur Ausübung einer Verlängerungsoption und späterer Ausübung eines Kündigungsrechts kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.24) 2.

Außerordentliche Kündigung

6.23 Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund, hier wegen Unterschreitung des jährlichen Mindestabsatzes, vorliegen kann dahinstehen, wenn die Brauerei seit jedenfalls vier Jahren ihr Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt hat und der beklagte Getränkefachgroßhändler auch aufgrund des weiteren Verhaltens der Brauerei hinreichend Anlass hatte, auf die Nichtausübung der Kündigung zu vertrauen. Dann ist das Kündigungsrecht verwirkt.25) 6.24 Eine Zweckstörung i. S. d. § 313 BGB wurde in einem Fall angenommen, in dem die Parteien in einem Vergleich einen Getränkelieferungsvertrag als Kompensation für zuvor gelieferte mangelhafte Ware abgeschlossen hatten, damit der iranische Bierimporteur durch seinen so erzielten Gewinn entschädigt würde. Als diese Ge___________ 21) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 22) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 23) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 24) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 25) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

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§ 56 Getränkelieferungsverträge

6.19 Bei Unwirksamkeit der Teilkündigungsklausel wurde eine Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen – sei es über § 139 BGB analog, sei es nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion – bejaht.21) IV.

Kartellrecht

6.20 Zu den Anforderungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV kann auf die OLGRechtsprechung verwiesen werden.22) Nach der Rechtsprechung bestanden hinsichtlich der streitgegenständlichen Situationen und Verträge keine EU-kartellrechtlichen Bedenken.23) V.

Verbraucherschutzrecht

6.21 Im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Getränkefachgroßhändlers sind die Bestimmungen des Verbraucherschutzrechts und damit auch des Verbraucherkreditrechts nicht zu beachten. VI.

Kündigung

1.

Ordentliche Kündigung

6.22 Zur Ausübung einer Verlängerungsoption und späterer Ausübung eines Kündigungsrechts kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.24) 2.

Außerordentliche Kündigung

6.23 Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund, hier wegen Unterschreitung des jährlichen Mindestabsatzes, vorliegen kann dahinstehen, wenn die Brauerei seit jedenfalls vier Jahren ihr Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt hat und der beklagte Getränkefachgroßhändler auch aufgrund des weiteren Verhaltens der Brauerei hinreichend Anlass hatte, auf die Nichtausübung der Kündigung zu vertrauen. Dann ist das Kündigungsrecht verwirkt.25) 6.24 Eine Zweckstörung i. S. d. § 313 BGB wurde in einem Fall angenommen, in dem die Parteien in einem Vergleich einen Getränkelieferungsvertrag als Kompensation für zuvor gelieferte mangelhafte Ware abgeschlossen hatten, damit der iranische Bierimporteur durch seinen so erzielten Gewinn entschädigt würde. Als diese Ge___________ 21) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 22) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 23) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 24) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 25) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

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§ 56 Getränkelieferungsverträge

6.19 Bei Unwirksamkeit der Teilkündigungsklausel wurde eine Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen – sei es über § 139 BGB analog, sei es nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion – bejaht.21) IV.

Kartellrecht

6.20 Zu den Anforderungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV kann auf die OLGRechtsprechung verwiesen werden.22) Nach der Rechtsprechung bestanden hinsichtlich der streitgegenständlichen Situationen und Verträge keine EU-kartellrechtlichen Bedenken.23) V.

Verbraucherschutzrecht

6.21 Im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Getränkefachgroßhändlers sind die Bestimmungen des Verbraucherschutzrechts und damit auch des Verbraucherkreditrechts nicht zu beachten. VI.

Kündigung

1.

Ordentliche Kündigung

6.22 Zur Ausübung einer Verlängerungsoption und späterer Ausübung eines Kündigungsrechts kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.24) 2.

Außerordentliche Kündigung

6.23 Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund, hier wegen Unterschreitung des jährlichen Mindestabsatzes, vorliegen kann dahinstehen, wenn die Brauerei seit jedenfalls vier Jahren ihr Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt hat und der beklagte Getränkefachgroßhändler auch aufgrund des weiteren Verhaltens der Brauerei hinreichend Anlass hatte, auf die Nichtausübung der Kündigung zu vertrauen. Dann ist das Kündigungsrecht verwirkt.25) 6.24 Eine Zweckstörung i. S. d. § 313 BGB wurde in einem Fall angenommen, in dem die Parteien in einem Vergleich einen Getränkelieferungsvertrag als Kompensation für zuvor gelieferte mangelhafte Ware abgeschlossen hatten, damit der iranische Bierimporteur durch seinen so erzielten Gewinn entschädigt würde. Als diese Ge___________ 21) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 22) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 23) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 24) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 25) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

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§ 56 Getränkelieferungsverträge

6.19 Bei Unwirksamkeit der Teilkündigungsklausel wurde eine Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen – sei es über § 139 BGB analog, sei es nach den Grundsätzen der geltungserhaltenden Reduktion – bejaht.21) IV.

Kartellrecht

6.20 Zu den Anforderungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung der Anwendungsvoraussetzungen des Art. 101 Abs. 1 AEUV kann auf die OLGRechtsprechung verwiesen werden.22) Nach der Rechtsprechung bestanden hinsichtlich der streitgegenständlichen Situationen und Verträge keine EU-kartellrechtlichen Bedenken.23) V.

Verbraucherschutzrecht

6.21 Im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft des Getränkefachgroßhändlers sind die Bestimmungen des Verbraucherschutzrechts und damit auch des Verbraucherkreditrechts nicht zu beachten. VI.

Kündigung

1.

Ordentliche Kündigung

6.22 Zur Ausübung einer Verlängerungsoption und späterer Ausübung eines Kündigungsrechts kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.24) 2.

Außerordentliche Kündigung

6.23 Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund, hier wegen Unterschreitung des jährlichen Mindestabsatzes, vorliegen kann dahinstehen, wenn die Brauerei seit jedenfalls vier Jahren ihr Sonderkündigungsrecht nicht ausgeübt hat und der beklagte Getränkefachgroßhändler auch aufgrund des weiteren Verhaltens der Brauerei hinreichend Anlass hatte, auf die Nichtausübung der Kündigung zu vertrauen. Dann ist das Kündigungsrecht verwirkt.25) 6.24 Eine Zweckstörung i. S. d. § 313 BGB wurde in einem Fall angenommen, in dem die Parteien in einem Vergleich einen Getränkelieferungsvertrag als Kompensation für zuvor gelieferte mangelhafte Ware abgeschlossen hatten, damit der iranische Bierimporteur durch seinen so erzielten Gewinn entschädigt würde. Als diese Ge___________ 21) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 22) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 23) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 24) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 25) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

1158

VII. Mindermengenausgleich

winnmöglichkeit aufgrund eines Importverbots nach der iranischen Revolution entfiel, fiel auch die Geschäftsgrundlage des Getränkelieferungsvertrags weg.26) 3.

Rückzahlungsverpflichtung

Anders als im Recht des Handelsvertreters (§ 89a Abs. 1 Satz 2 HGB) wird die 6.25 Freiheit des Getränkelieferanten zur außerordentlichen Kündigung nicht dadurch eingeschränkt, dass mit der Kündigungserklärung Erschwernisse für den Gebundenen in Form finanzieller oder sonstiger Nachteile eintreten. Zu denken ist an die sofortige Rückzahlung langfristiger finanzieller Leistungen nach Kündigung, eine sofortige Fälligstellung der Darlehensvaluta oder das Einsetzen einer Nachverzinsungspflicht. VII. Mindermengenausgleich 1.

Wirksame Bezugsverpflichtung

Ersatzansprüche wegen Nichtabnahme von Getränken setzen eine weiterhin27) 6.26 wirksame Getränkebezugsverpflichtung voraus.28) 2.

Anspruchsgrundlage

Hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches wegen Minderbezuges wird – bei 6.27 Fehlen einer vertraglichen Regelung – auf § 281 Abs. 1 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB (Schuldnerverzug) abgestellt.29) 3.

Voraussetzungen

a) Zu prüfen ist insbesondere der Tatbestand des Schuldnerverzuges nach 6.28 § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB.30) b) Hat der Schuldner ernstlich und endgültig die Abnahme verweigert, so 6.29 bedarf es keiner mit einer Nachfristsetzung verbundenen Ablehnungsandrohung.31) ___________ 26) BGH, Urt. v. 8.2.1984 – VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1764. LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 27) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270, zur Frage eines eventuell erklärten Rücktritts. 28) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 29) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 30) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 31) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00.

1159

VII. Mindermengenausgleich

winnmöglichkeit aufgrund eines Importverbots nach der iranischen Revolution entfiel, fiel auch die Geschäftsgrundlage des Getränkelieferungsvertrags weg.26) 3.

Rückzahlungsverpflichtung

Anders als im Recht des Handelsvertreters (§ 89a Abs. 1 Satz 2 HGB) wird die 6.25 Freiheit des Getränkelieferanten zur außerordentlichen Kündigung nicht dadurch eingeschränkt, dass mit der Kündigungserklärung Erschwernisse für den Gebundenen in Form finanzieller oder sonstiger Nachteile eintreten. Zu denken ist an die sofortige Rückzahlung langfristiger finanzieller Leistungen nach Kündigung, eine sofortige Fälligstellung der Darlehensvaluta oder das Einsetzen einer Nachverzinsungspflicht. VII. Mindermengenausgleich 1.

Wirksame Bezugsverpflichtung

Ersatzansprüche wegen Nichtabnahme von Getränken setzen eine weiterhin27) 6.26 wirksame Getränkebezugsverpflichtung voraus.28) 2.

Anspruchsgrundlage

Hinsichtlich eines Schadensersatzanspruches wegen Minderbezuges wird – bei 6.27 Fehlen einer vertraglichen Regelung – auf § 281 Abs. 1 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB (Schuldnerverzug) abgestellt.29) 3.

Voraussetzungen

a) Zu prüfen ist insbesondere der Tatbestand des Schuldnerverzuges nach 6.28 § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB.30) b) Hat der Schuldner ernstlich und endgültig die Abnahme verweigert, so 6.29 bedarf es keiner mit einer Nachfristsetzung verbundenen Ablehnungsandrohung.31) ___________ 26) BGH, Urt. v. 8.2.1984 – VIII ZR 254/82, NJW 1984, 1764. LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 27) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270, zur Frage eines eventuell erklärten Rücktritts. 28) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 29) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 30) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 31) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00.

1159

§ 56 Getränkelieferungsverträge

6.30 c) Im missverständlichen Verlangen, für ein bestimmtes Jahr Schadensersatz zu begehren, liegt zugleich eine Ablehnungserklärung.32) 6.31 d) Vertretenmüssen. aa) Trägt der Getränkefachgroßhändler vor, er habe die Minderabnahme nicht zu vertreten, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). 6.32 bb) Einzelfälle. Ist im Vertrag ausdrücklich die Belieferung einer bestimmten Gaststätte benannt, so kann der Getränkefachgroßhändler nicht mit Erfolg vortragen, das Nichterreichen der vereinbarten Mindestabnahmemenge sei darin begründet, dass er auch verschiedene andere Gaststätten beliefert sowie darüber hinaus Flaschenbier im Lagerverkauf verkauft habe. Dies erst recht dann, wenn im Vertrag die Möglichkeit zur Belieferung weiterer Gaststättenobjekte bei Übertragung derselben zur Belieferung mit einer entsprechenden Erhöhung der Mindestabnahmemenge verbunden war.33) Ein Vertretenmüssen ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit zum Abschluss der erforderlichen Lieferverträge besteht. 6.33 e) Wegfall der Geschäftsgrundlage. aa) Einwand. Gegenüber einem Mindermengenausgleichsanspruch kann ggf. der Einwand der außerordentlichen Kündigung nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB greifen.34) 6.34 bb) Zur Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1, 2 BGB) – hier Umzug der Regierung aus dem Rheinland nach Berlin – kann wiederum das Urteil des OLG Köln aus dem Jahre 2000 berichtet werden. Der Umstand, dass der Getränkefachgroßhändler nicht in der Lage war, das Bier weiter zu veräußern, fällt in seinen Risikobereich.35) 6.35 cc) Rechtsfolge. Ist der Getränkefachgroßhändler wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt, so ist ihm ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar. Dem Getränkefachgroßhändler blieb auch nur die fristlose Kündigung, weil sich die Brauerei einer wie auch immer gearteten Vertragsanpassung an die sich tatsächlich ergebenden, von den Vorstellungen der Parteien stark abweichenden Umstände in Bezug auf die Absatzmöglichkeiten von … (regionale Biersorte mit Herkunftscharakter) im Berliner Raum unstreitig strikt verweigerte.

___________ 32) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 33) LG Köln, Urt. v. 3.5.2000 – 28 O. 377/99. 34) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 35) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00.

1160

VII. Mindermengenausgleich

4.

Schadensersatz

a) Berechnung. Als Schadensersatz kann der entgangene Gewinn § 252 BGB)36) 6.36 in Größe der Differenz zwischen dem Interesse an der Vertragserfüllung und der ersparten Gegenleistung, d. h. der Unterschied zwischen Vertragspreis und billigerem Herstellungspreis, verlangt werden.37) b) Schätzung. Im Übrigen ist anerkannt, dass im Falle eines Streites über die 6.37 Schadenshöhe, insbesondere auch zur Frage des entgangenen Gewinns, wenn es denn auf einen Durchschnittsgewinn ankommt, eine Wertung gem. § 287 ZPO in Betracht kommt.38) In Ausübung des ihm zuerkannten Ermessens gem. § 287 Abs. 1 ZPO schätzte das Gericht die Schadenshöhe entsprechend der von der Brauerei vorgetragenen Berechnung auf knapp unter 40,00 € pro verkauftem Hektoliter Bier.39) 5.

Kündigung

a) Ggf. ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes i. S. d. 6.38 § 314 Abs. 1 BGB auf Seiten des Getränkefachgroßhändlers vorliegen. Zu denkbaren Vorbringen (nicht selten bloße Behauptungen!) insbesondere des Getränkefachgroßhändlers in diesem Zusammenhang, u. a. Umsatzeinbuße wegen mangelnder Nachfrage infolge einer Änderung des Publikumsgeschmacks, Nichterreichbarkeit der Mindestabnahmemenge, schlechter Unternehmenspolitik der Brauerei, schlechter Ruf der Biermarke, Unzumutbarkeit der weiteren Durchführung des Vertrages, Unmöglichkeit der Lieferung anderer führender Marken durch die Brauerei, Hausverbot, Umsatzrückgang, Direktbelieferung, Preisgestaltung, kann auf die Rechtsprechung verwiesen werden.40)

___________ 36) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 28.10.1994 – 2 U 27/94, BeckRS 1994, 13825. 37) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270, mit Hinweisen zu Einzelfragen wie den Auswirkungen von erklärten(?) Preisänderungen; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 38) BGH, Urt. v. 22.2.1989 – VIII ZR 45/88, BGHZ 107, 67 = NJW 1989, 1669 = ZIP 1989, 450 = Zeller IV, 270; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 39) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 40) BGH, Urt. v. 31.5.1965 – VIII ZR 110/63, BB 1965, 809 = Zeller I, 367; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00.

1161

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

6.39 b) Folgen einer Kündigung. Aufgrund einer wirksamen Kündigung bestehen keine Schadensersatzansprüche über den Kündigungszeitpunkt hinaus.41) § 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler I.

Bierverlagsverträge

1.

Zweck

6.40 Der Brauerei geht es beim Abschluss42) von Bierverlagsverträgen um die Erschließung und Sicherung eines Absatzgebietes, nicht – wie bei Getränkelieferungsverträgen – einer einzelnen Absatzstätte. Dies zumeist in Gebieten, in denen eine eigene Niederlassung (Depot) oder der Aufbau eines eigenen Außendienstes betriebswirtschaftlich nicht lohnend erscheint.43) 2.

Abgrenzung

6.41 Im Zusammenhang mit der hier angesprochenen Problematik der Bierverlagsverträge können sich ggf. auch viele Fragen zur Wirksamkeit und Durchsetzung von Getränkelieferungsverträgen zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern im Allgemeinen44) stellen. Das Gleiche gilt für die rechtliche Beurteilung von Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen.45) Insofern ist nicht nur die Abgrenzung zu prüfen. Auch können sämtliche in diesem Zusammenhang dargestellten Fragen virulent werden. Paradigmatisch dafür ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19.1.1999, die zweifach – sowohl im Rahmen eines Nichtannahmeverfahrens als auch im Übrigen – dem BGH vorlag.46) 3.

Änderung der Vertriebspolitik

6.42 a) Grundsatz. Es besteht keine Verpflichtung, an einem bestimmten Vertriebssystem und Formen der Zusammenarbeit festzuhalten oder dieses unverändert im bisherigen Umfang fortzuführen. Anderes ist nur dann anzunehmen, wenn entsprechend eindeutige Erklärungen Vertragsinhalt geworden sind. Aus der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) kann die Pflicht,

___________ 41) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 42) Zu Fragen des Zustandekommens vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1975 – U (Kart) 6/75. 43) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 435. 44) Siehe oben § 56 m. w. N. 45) Siehe unten § 57 II m. w. N. 46) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; hierzu auch BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756.

1162

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

6.39 b) Folgen einer Kündigung. Aufgrund einer wirksamen Kündigung bestehen keine Schadensersatzansprüche über den Kündigungszeitpunkt hinaus.41) § 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler I.

Bierverlagsverträge

1.

Zweck

6.40 Der Brauerei geht es beim Abschluss42) von Bierverlagsverträgen um die Erschließung und Sicherung eines Absatzgebietes, nicht – wie bei Getränkelieferungsverträgen – einer einzelnen Absatzstätte. Dies zumeist in Gebieten, in denen eine eigene Niederlassung (Depot) oder der Aufbau eines eigenen Außendienstes betriebswirtschaftlich nicht lohnend erscheint.43) 2.

Abgrenzung

6.41 Im Zusammenhang mit der hier angesprochenen Problematik der Bierverlagsverträge können sich ggf. auch viele Fragen zur Wirksamkeit und Durchsetzung von Getränkelieferungsverträgen zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern im Allgemeinen44) stellen. Das Gleiche gilt für die rechtliche Beurteilung von Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen.45) Insofern ist nicht nur die Abgrenzung zu prüfen. Auch können sämtliche in diesem Zusammenhang dargestellten Fragen virulent werden. Paradigmatisch dafür ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19.1.1999, die zweifach – sowohl im Rahmen eines Nichtannahmeverfahrens als auch im Übrigen – dem BGH vorlag.46) 3.

Änderung der Vertriebspolitik

6.42 a) Grundsatz. Es besteht keine Verpflichtung, an einem bestimmten Vertriebssystem und Formen der Zusammenarbeit festzuhalten oder dieses unverändert im bisherigen Umfang fortzuführen. Anderes ist nur dann anzunehmen, wenn entsprechend eindeutige Erklärungen Vertragsinhalt geworden sind. Aus der allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) kann die Pflicht,

___________ 41) OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00; OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03. 42) Zu Fragen des Zustandekommens vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1975 – U (Kart) 6/75. 43) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 435. 44) Siehe oben § 56 m. w. N. 45) Siehe unten § 57 II m. w. N. 46) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; hierzu auch BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756.

1162

I. Bierverlagsverträge

ein bestimmtes Vertriebssystem unverändert beizubehalten, grundsätzlich nicht abgeleitet werden.47) b) Parallelvertrieb. Brauereien und Getränkefachgroßhändler treten beim Ver- 6.43 trieb von Bier und anderen Getränken nebeneinander auf. Sowohl Brauereien als auch Getränkefachgroßhändler haben als Unternehmer grundsätzlich das Recht, darüber zu entscheiden, wie sie den Vertrieb von Bier und anderen Getränken organisieren. Weder ist eine Brauerei dauerhaft gezwungen, unter Einschaltung von Getränkefachgroßhändlern in den Vertriebsmodellen 2, 3 und 4 zu arbeiten, noch kann ein Getränkefachgroßhändler seitens der Brauereien und anderer Getränkehersteller rechtlich gezwungen werden, in den Vertriebsmodellen 2 oder 3 statt in dem von ihm vielleicht präferierten Vertriebsmodell 4 zu arbeiten. Den Brauereien steht es frei, den Absatz ihrer Erzeugnisse so zu organisieren, wie es ihnen am zweckmäßigsten erscheint. Brauereien sind weder im Hinblick auf ihre tradierte Absatzpolitik noch mit Rücksicht auf ihre Absatzmittler verpflichtet, unternehmerische Entscheidungen und insbesondere Neuausrichtungen der Absatzpolitik zu unterlassen oder zurückzustellen. Letztlich ist dies Folge und Beleg für die zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern bestehende Wettbewerbssituation. 4.

Vertriebsrecht

a) Umfang. Der Stellung und dem Selbstverständnis des Getränkefachgroß- 6.44 händlers mit Vollsortiment (sog. Sortimenter) entspricht es, dass Getränkeverlagsverträge schon seit langem in der Regel keine Ausschließlichkeitsbindungen an eine bestimmte Brauerei mehr enthalten. Bierverlagsverträge sind wie Getränkelieferungsverträge in der Regel nicht als Alleinvertriebssysteme ausgestaltet.48) Die Einräumung eines Alleinvertriebsrechts in einem bestimmten Gebiet (Gebietsschutz)49) stellt lediglich eine historische Tatsache dar.50) Bierverlagsverträge können ergänzend eine kaufrechtliche Bezugspflicht ent- 6.44a halten.51) b) Konsequenzen. Zu Fragen des Kundenschutzes ist ein Urteil des OLG Stutt- 6.45 gart aus dem Jahre 1972 zu berichten.52) ___________ 47) BAG, Urt. v. 16.2.2012 – 8 AZR 96/11, BeckRS 2012, 71039; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.1975 – U (Kart) 6/75; LG Saarbrücken, Urt. v. 22.9.1981 – 7 O. 56/81, WuW 1982, 874. 48) Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 177; v. Braunmühl, in: Ahlert, S. 412. 49) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323. 50) Überholt daher insofern u. a. OLG Stuttgart, Urt. v. 24.3.1972 – 2 U 3/71, BB 1972, 548 = Zeller I, 373. 51) OLG München, Urt. v. 24.5.1968 – 8 U 2517/67, NJW 1968, 1880. 52) OLG Stuttgart, Urt. v. 24.3.1972 – 2 U 3/71, BB 1972, 548 = Zeller I, 373.

1163

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

6.46 Zu einem – Ausnahme! – Alleinvertriebsvertrag und den Rechtsfolgen der bei derartigen Dauerschuldverhältnissen auftretenden Leistungsstörungen vergleiche die BGH-Entscheidung vom 13.3.1996.53) 5.

Stellung des Getränkefachgroßhändlers

6.47 a) Absatzmittler. Der Getränkefachgroßhändler ist als selbstständiger Absatzmittler zwischen Brauerei oder anderen Getränkeherstellern einerseits und Gastwirten, Einzelhändlern oder ausnahmsweise auch Letztverbrauchern andererseits tätig. Angesichts des von ihm im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vertriebenen umfangreichen Sortiments und der Möglichkeit, neue Artikel in sein Sortiment aufzunehmen, tritt er dem Herstellerunternehmen regelmäßig als selbstständiger und unabhängiger Absatzmittler gegenüber. 6.48 b) Rechtliche Einordnung. Wie seine Stellung juristisch zu qualifizieren ist, bedarf einer eingehenden Prüfung im Einzelfall. Da er im Regelfall im eigenen Namen und für eigene Rechnung handelt, ist er als Eigenhändler anzusehen.54) Nur ausnahmsweise wird er als Handelsvertreter,55) Kommissionsagent oder als Vertragshändler einzuordnen sein. Letzteres etwa bei der Verpflichtung eines Getränkefachgroßhändlers gegenüber einer Brauerei, die von ihr hergestellten Biere in bestimmten Regionen zu vertreiben. Die Vereinbarung wurde als einem Vertragshändlerverhältnis zumindest nahestehend eingeordnet.56) 6.49 Allerdings ist vor vorschnellen Verallgemeinerungen zu warnen. Insbesondere bedarf es für die Einordnung als Handelsvertreter oder gar als Vertragshändler eines entsprechenden Sachvortrages und darauf basierender Feststellungen, ob die insbesondere von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Einordnungskriterien tatsächlich erfüllt sind. 6.50 c) Konsequenzen. aa) Ein Rahmenvertrag begründet nur dann Provisionsanwartschaften aus § 87 Abs. 1 HGB, wenn in ihm bereits verbindlich die Abnahme bestimmter Liefermengen vorgesehen ist und keine weiteren Vertragsverhandlungen mehr erforderlich sind, damit das Geschäft ausgeführt wird. Bloße Bezugs- oder Lieferverträge, in denen sich die Abnahmemengen nach dem Bedarf des Kunden richten und bei denen den Kunden ein einseitiges Bezugsrecht eingeräumt wird, ohne ihn zu verpflichten, begründen keine Provisionsanwartschaft.57) ___________ 53) BGH, Urt. v. 13.3.1996 – VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541. 54) OLG Stuttgart, Urt. v. 24.3.1972 – 2 U 3/71, BB 1972, 548 = Zeller I, 373; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.1.0.1979 – U (Kart) 7/79. 55) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; hierzu auch BGH, Beschl. v. 14.7.1999 – VIII ZR 60/99, BeckRS 1999, 30066756. 56) BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 = ZIP 1994, 293. 57) OLG Köln, Urt. v. 21.3.2014 – 19 U 104/13, BeckRS 2014, 10869 (Handelsvertretervertrag).

1164

I. Bierverlagsverträge

bb) Mangels Bezugsverpflichtung entfällt auch ein Ausgleichsanspruch nach § 89b 6.51 HGB.58) cc) Zur Frage eines Wettbewerbsverbots analog § 90a HGB kann auf ein Urteil 6.52 des OLG München verwiesen werden.59) Zu den Voraussetzungen einer Anwendung des § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB auf einen „Heim-Getränkedienst-Vertrag“ liegt eine Entscheidung des BGH aus dem Jahre 1986 vor.60) 6.

Schriftformerfordernis nach § 34 GWB a. F.

Der Vertrag unterlag in seinem gesamten Inhalt dem Erfordernis der Schriftform 6.53 des § 34 GWB a. F.61) Das im Zusammenhang mit einem Alleinbezugs- und Vertriebsvertrag zwischen 6.54 einer Brauerei und einem Getränkefachgroßhändler unterzeichnete Aktionsprogramm für die Einführung bestimmter Biere in einem bestimmten Gebiet bedurfte dagegen nicht der Schriftform.62) Es schadete nicht, wenn bei einem Alleinbezugs- und Vertriebsvertrag zwischen 6.55 einer Brauerei und einem Getränkefachgroßhändler die Karte, die das geschützte Absatzgebiet sprachlich umschrieb, nicht beigefügt war. § 34 GWB a. F. stellte nämlich keine Inhaltsanforderungen auf. Im Übrigen handelte es sich nicht um eine Frage mangelnder Schriftform, wenn eine Vereinbarung unklar oder lückenhaft ist.63) Ebenso wenig verstieß es gegen das Erfordernis der Schriftform, dass das Ver- 6.56 tragswerk der Parteien nur für Fassbier die Maßgeblichkeit der als Vertragsanlage beigefügten – Preisliste bestimmte und dass für das daneben zu beziehende Flaschenbier eine vergleichbare Regelung fehlte.64) 7.

Inhaltskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB

a) Einführung. Bierverlagsverträge sind – wohl nicht nur wegen ihrer geringeren 6.57 wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber den Getränkelieferungsverträgen i. e. S. ___________ 58) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323; OLG Hamm, Urt. v. 29.7.2013 – 18 U 169/12, BeckRS 2013, 18759 (Tankstellenvertrag). 59) OLG München, Urt. v. 11.4.1963 – 6 U 588/63, BB 1963, 1194 = Zeller I, 364. 60) BGH, Urt. v. 12.11.1986 – I ZR 209/84, WM 1987, 507 = Zeller III, 478. 61) BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 36/95, NJW 1997, 2182 = ZIP 1997, 1169. 62) BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 36/95, NJW 1997, 2182 = ZIP 1997, 1169; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 63) BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 36/95, NJW 1997, 2182 = ZIP 1997, 1169; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99; OLG Köln, Urt. v. 12.7.2000 – 5 U 164/94, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 17.9.2001 – VIII ZR 345/00. 64) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99.

1165

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

– im Hinblick auf die angesichts der (Macht-)Verhältnisse im Wirtschaftsleben und die sich daraus ergebende Zurückhaltung, tatsächliche oder auch nur vermeintliche Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, bislang erst selten Gegenstand der veröffentlichten Rechtsprechung gewesen.65) Vorrangig werden vertriebliche Lösungen gesucht. 6.58 b) Beurteilungskriterien. Insofern kann auf Rechtsprechung verwiesen werden.66) 6.59 c) Kumulation. Mit der Frage der Wirksamkeit eines individuellen – auf zehn Jahre abgeschlossenen Bierverlagsvertrages setzt sich ein BGH-Urteil aus dem Jahre 1987 auseinander.67) Darin wird eine Vertragsgestaltung behandelt, die infolge der Kumulation verschiedener Regelungen (ausschließliche Bezugsbindung, fehlendes Alleinvertriebsrecht, Direktbelieferungsrecht der Brauerei, fehlende „Meistbegünstigungsklausel“) eine weitgehende Abhängigkeit des Getränkefachgroßhändlers in seinen Verdienstmöglichkeiten von dem Wohlwollen der Brauerei mit erheblichen Belastungen für die Zeit nach der Vertragsbeendigung (Konkurrenzverbot und Verpflichtung zur Überlassung des – auch hinzu erworbenen – Kundenstammes ohne Ausgleichsanspruch gem. §§ 89b, 90a HGB) eine so starke Beschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Getränkefachgroßhändlers zur Folge hatte, dass der BGH den Vertrag insgesamt wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) für nichtig erklärte. Ob besondere Gegenleistungen der Brauerei die übermäßig starke Benachteiligung des Getränkefachgroßhändlers auszugleichen geeignet gewesen wären, konnte offen bleiben, weil sie in nennenswertem Umfang nicht festzustellen waren. Sind zahlreiche Vertragsbestimmungen unwirksam und erhielte der Vertrag durch Auslegung oder Fortfall der nichtigen Klausel einen wesentlich anderen Inhalt, so kann der gesamte Vertrag nichtig sein.68) 8.

Kündigung

6.60 a) Allgemein. Zur Anwendbarkeit des § 89 HGB kann auf die Rechtsprechung verwiesen.69) ___________ 65) BGH, Urt. v. 31.5.1965 – VIII ZR 110/63, BB 1965, 809 = Zeller I, 367; BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323; BGH, Urt. v. 14.1.1997 – KZR 36/95, NJW 1997, 2182 = ZIP 1997, 1169; OLG München, Urt. v. 11.4.1963 – 6 U 588/63, BB 1963, 1194 = Zeller I, 364; OLG Stuttgart, Urt. v. 24.3.1972 – 2 U 3/71, BB 1972, 548 = Zeller I, 373; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 66) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1979 – U (Kart) 7/79; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 67) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323. 68) BGH, Urt. v. 21.1.1987 – VIII ZR 169/86, NJW-RR 1987, 628 = Zeller III, 323; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 69) OLG Stuttgart, Urt. v. 24.3.1972 – 2 U 3/71, BB 1972, 548 = Zeller I, 373; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.10.1979 – U (Kart) 7/79.

1166

II. Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen

b) Kündigungserklärungsfrist. Unter besonderen Umständen kann das Ver- 6.61 hältnis zwischen Getränkefachgroßhändler und Brauerei einem Vertragshändlerverhältnis nahestehen. Kündigt eine Brauerei dann einen Vertrag mit einem Getränkefachgroßhändler, gem. § 314 BGB fristlos, dann muss sie diese Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund erklären (§ 314 Abs. 3 BGB). Ein zweimonatiges Zuwarten ist in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Überlegung der daraus zu ziehenden Folgerungen anzusehen.70) II.

Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen

1.

Rechtsnatur

Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen sind auf eine langfristige Belieferung 6.62 ausgerichtete (Rahmen-)Verträge zwischen einer Brauerei oder einem anderen Hersteller von Getränken und einem Getränkefachgroßhändler.71) 2.

Inhalt

a) Allgemein. In diesen Verträgen wird die Zusammenarbeit bei der Distribu- 6.63 tion der vertragsgegenständlichen Getränke geregelt. Konkret-individuelle Fragen der Belieferung einer bestimmten Absatzstätte oder eines bestimmten Kunden sind nicht Vertragsgegenstand. Vielmehr werden in Kenntnis offener Fragen aus der bisherigen Zusammenarbeit bzw. unter „prognostischer Vorwegnahme“ denkbarer künftiger Diskussionspunkte im Vorfeld einer angedachten Zusammenarbeit Probleme aus der täglichen Geschäftsabwicklung „abstrakt-generell vor die Klammer gezogen“, um nicht im Einzelfall darüber streiten zu müssen. b) Typologie. Der Regelungsinhalt ist vielfältig. Insbesondere ergeben sich un- 6.64 terschiedliche Inhaltsanforderungen daraus, ob es sich um einen Vertrag handelt, der eher Grundlage einer Gastronomiedistribution sein soll, oder ein Vertrag vorliegt, der – auch – der Belieferung der (Groß-)Formen des Lebensmittelhandels dient. Je nach Struktur und Intensität der Zusammenarbeit zwischen Brauerei und Ge- 6.65 tränkefachgroßhändler kann die Brauerei dem Letzteren den Status eines Hauptoder Leitverlegers einräumen. c) Typische Inhalte. Zu den typischen Inhalten72) rechnen u. a. Fragen der Wah- 6.66 rung der legitimen Markt-/Markeninteressen der Brauerei, etwa der Weiterverkauf an vollkonzessionierte Gaststätten,73) die Einschaltung von Unterverlegern, der ___________ 70) BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 = ZIP 1994, 293; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 178 m. w. N. 71) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 72) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 73) KG, Urt. v. 10.2.2006 – 5 U 148/04.

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II. Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen

b) Kündigungserklärungsfrist. Unter besonderen Umständen kann das Ver- 6.61 hältnis zwischen Getränkefachgroßhändler und Brauerei einem Vertragshändlerverhältnis nahestehen. Kündigt eine Brauerei dann einen Vertrag mit einem Getränkefachgroßhändler, gem. § 314 BGB fristlos, dann muss sie diese Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnisnahme von dem Kündigungsgrund erklären (§ 314 Abs. 3 BGB). Ein zweimonatiges Zuwarten ist in der Regel nicht mehr als angemessene Zeitspanne zur Aufklärung des Sachverhaltes und zur Überlegung der daraus zu ziehenden Folgerungen anzusehen.70) II.

Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen

1.

Rechtsnatur

Partnerschafts- oder Vertriebsabkommen sind auf eine langfristige Belieferung 6.62 ausgerichtete (Rahmen-)Verträge zwischen einer Brauerei oder einem anderen Hersteller von Getränken und einem Getränkefachgroßhändler.71) 2.

Inhalt

a) Allgemein. In diesen Verträgen wird die Zusammenarbeit bei der Distribu- 6.63 tion der vertragsgegenständlichen Getränke geregelt. Konkret-individuelle Fragen der Belieferung einer bestimmten Absatzstätte oder eines bestimmten Kunden sind nicht Vertragsgegenstand. Vielmehr werden in Kenntnis offener Fragen aus der bisherigen Zusammenarbeit bzw. unter „prognostischer Vorwegnahme“ denkbarer künftiger Diskussionspunkte im Vorfeld einer angedachten Zusammenarbeit Probleme aus der täglichen Geschäftsabwicklung „abstrakt-generell vor die Klammer gezogen“, um nicht im Einzelfall darüber streiten zu müssen. b) Typologie. Der Regelungsinhalt ist vielfältig. Insbesondere ergeben sich un- 6.64 terschiedliche Inhaltsanforderungen daraus, ob es sich um einen Vertrag handelt, der eher Grundlage einer Gastronomiedistribution sein soll, oder ein Vertrag vorliegt, der – auch – der Belieferung der (Groß-)Formen des Lebensmittelhandels dient. Je nach Struktur und Intensität der Zusammenarbeit zwischen Brauerei und Ge- 6.65 tränkefachgroßhändler kann die Brauerei dem Letzteren den Status eines Hauptoder Leitverlegers einräumen. c) Typische Inhalte. Zu den typischen Inhalten72) rechnen u. a. Fragen der Wah- 6.66 rung der legitimen Markt-/Markeninteressen der Brauerei, etwa der Weiterverkauf an vollkonzessionierte Gaststätten,73) die Einschaltung von Unterverlegern, der ___________ 70) BGH, Urt. v. 15.12.1993 – VIII ZR 157/92, NJW 1994, 722 = ZIP 1994, 293; Paulusch, Brauerei- und Gaststättenrecht, 9. Aufl. 1996, Rz. 178 m. w. N. 71) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 72) LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203. 73) KG, Urt. v. 10.2.2006 – 5 U 148/04.

1167

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

Umfang der Distribution insbesondere hinsichtlich des Sortiments, Modalitäten der Bereitstellung der Vertragsprodukte, die Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Brauerei von einem Lieferantenbenennungsrecht Gebrauch machen kann, soweit sich hierzu nicht im jeweiligen Getränkelieferungsvertrag Ausführungen finden, die Zusammenarbeit bei der Finanzierung von Gaststättenobjekten, die Qualitätssicherung im Rahmen der Lieferkette oder der Datenaustausch.74) In Partnerschaftsvereinbarungen werden weiter Fragen der Kundenbetreuung, insbesondere die Besuchsrechte der Brauereiaußendienstmitarbeiter, Fragen der Laufzeit und der Kündigung des Partnerschaftsvertrages, der Schutz der Vertriebswege einschließlich etwaiger Sanktionen, Rechtsnachfolgefragen, Auswirkungen von Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse auf Seiten der Vertragspartner und die Weiterbelieferung nach Vertragsende geregelt. Ebenfalls angesprochen werden – soweit nicht bereits in den AGB, insbesondere in den Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen, vereinbart – noch Fragen im Zusammenhang mit dem Leergut wie Rückgabe, Flaschensortierung, Anerkennung von Salden und Schadensersatz für nicht zurückgegebenes Leergut75). III.

Beteiligungsvereinbarung

1.

Situation

6.67 Kostenbeteiligungen werden praktisch, wenn die Brauerei zwar weiterhin das Finanzierungs- und Bindungsgeschäft unmittelbar (Direktgeschäft) mit dem Kunden in Händen hält, die Belieferung aber über einen benannten Getränkefachgroßhändler erfolgt (Indirektbelieferung). Strukturell liegt zumeist das Vertriebsmodell 276) vor. Allerdings finden sich gelegentlich auch in Refinanzierungsverträgen (Vertriebsmodell 3) Regelungen über eine finanzielle Beteiligung des Getränkefachgroßhändlers. 2.

Wirtschaftlicher Hintergrund

6.68 Ziel einer Kostenbeteiligung ist es, den mit der Belieferung der Gaststätte betrauten Getränkefachgroßhändler an den Finanzierungskosten zu beteiligen. Zwecks Senkung der hl-Belastung der Brauerei hinsichtlich der von dieser zur Verfügung gestellten Finanzierung wird durch den Getränkefachgroßhändler an die Brauerei eine Vergütung gezahlt. Weiteres Ziel der Kostenbeteiligung ist es, Rückvergütungspotentiale zu reduzieren.

___________ 74) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 75) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 76) LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697.

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§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

Umfang der Distribution insbesondere hinsichtlich des Sortiments, Modalitäten der Bereitstellung der Vertragsprodukte, die Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Brauerei von einem Lieferantenbenennungsrecht Gebrauch machen kann, soweit sich hierzu nicht im jeweiligen Getränkelieferungsvertrag Ausführungen finden, die Zusammenarbeit bei der Finanzierung von Gaststättenobjekten, die Qualitätssicherung im Rahmen der Lieferkette oder der Datenaustausch.74) In Partnerschaftsvereinbarungen werden weiter Fragen der Kundenbetreuung, insbesondere die Besuchsrechte der Brauereiaußendienstmitarbeiter, Fragen der Laufzeit und der Kündigung des Partnerschaftsvertrages, der Schutz der Vertriebswege einschließlich etwaiger Sanktionen, Rechtsnachfolgefragen, Auswirkungen von Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse auf Seiten der Vertragspartner und die Weiterbelieferung nach Vertragsende geregelt. Ebenfalls angesprochen werden – soweit nicht bereits in den AGB, insbesondere in den Allgemeinen Liefer- und Zahlungsbedingungen, vereinbart – noch Fragen im Zusammenhang mit dem Leergut wie Rückgabe, Flaschensortierung, Anerkennung von Salden und Schadensersatz für nicht zurückgegebenes Leergut75). III.

Beteiligungsvereinbarung

1.

Situation

6.67 Kostenbeteiligungen werden praktisch, wenn die Brauerei zwar weiterhin das Finanzierungs- und Bindungsgeschäft unmittelbar (Direktgeschäft) mit dem Kunden in Händen hält, die Belieferung aber über einen benannten Getränkefachgroßhändler erfolgt (Indirektbelieferung). Strukturell liegt zumeist das Vertriebsmodell 276) vor. Allerdings finden sich gelegentlich auch in Refinanzierungsverträgen (Vertriebsmodell 3) Regelungen über eine finanzielle Beteiligung des Getränkefachgroßhändlers. 2.

Wirtschaftlicher Hintergrund

6.68 Ziel einer Kostenbeteiligung ist es, den mit der Belieferung der Gaststätte betrauten Getränkefachgroßhändler an den Finanzierungskosten zu beteiligen. Zwecks Senkung der hl-Belastung der Brauerei hinsichtlich der von dieser zur Verfügung gestellten Finanzierung wird durch den Getränkefachgroßhändler an die Brauerei eine Vergütung gezahlt. Weiteres Ziel der Kostenbeteiligung ist es, Rückvergütungspotentiale zu reduzieren.

___________ 74) OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.1.1999 – U (Kart) 17/98, rkr. durch Nichtannahmebeschl. d. BGH v. 22.3.2000 – VIII ZR 60/99. 75) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 76) LG Magdeburg, Urt. v. 7.5.2013 – 11 O. 134/13, BeckRS 2013, 17697.

1168

III. Beteiligungsvereinbarung

3.

Formen

In der Praxis beteiligt sich der mit der Belieferung der Gaststätte beauftragte 6.69 Getränkefachgroßhändler an dem wirtschaftlichen Risiko des Geschäfts durch Refinanzierung der gesamten Leistung oder einer Teilleistung, durch Absicherung des Ausfallrisikos oder durch Zahlung einer Vergütung für jeden gelieferten hl. Weitere Formen des finanziellen Engagements des Getränkefachgroßhändlers als Gegenleistung für die eingeräumte Lieferchance sind denkbar, etwa die Übernahme einer Ausfallbürgschaft77). Wegen dieser Beteiligungszusagen zu Gunsten der Brauerei ist der Getränkefachgroßhändler darauf angewiesen, dass er im Vertrag als Getränkelieferant bestimmt wird. 4.

Inhalt

a) Allgemein. Kostenbeteiligungen können hl-bezogen oder auch in festen Euro- 6.70 beträgen vereinbart sein. b) Bindung. Zwar beziehen sich Kostenbeteiligungen auf ein bestimmtes Ob- 6.71 jekt und in der Regel auch einen bestimmten Kunden. Regelungen hinsichtlich der Erfüllung der Bindung durch den Kunden sind aber insofern unüblich. So fehlen durchweg Bestimmungen über Mindestabnahmemengen, ein Mindermengenausgleich (Malus) oder eine Honorierung für die überplanmäßige Erfüllung der Getränkebezugsverpflichtung (Bonus). Die Inbezugnahme der Bindung erfolgt allenfalls mittelbar durch die hl-Bezogenheit der Abrede. 5.

Vertragsgestaltung

Im Vertriebsmodell 2 obliegt der Brauerei weiterhin die Verpflichtung zur Fi- 6.72 nanzierung und rechtskonformen Gestaltung des Leistungs- und Bindungsvertrages. Ebenso hat sie das Bonitätsrisiko zu prüfen und Sicherheiten rechtskonform hereinzunehmen, zu verwalten und ggf. zu verwerten. 6.

Stellung des Getränkefachgroßhändlers

Folge der Lieferantenbenennung und ggf. auch der Beteiligungsvereinbarung ist, 6.73 dass der benannte Getränkefachgroßhändler eine Lieferchance bezüglich des von der Brauerei finanzierten und gebundenen Kunden erhält. Darin mag man die „Übertragung der Belieferung eines Kunden“ sehen. Diese Formulierung darf aber nicht zu der Fehleinschätzung veranlassen, der benannte Getränkefachgroßhändler erlange irgendwelche Lieferrechte. Selbst bei einer unwiderruflichen Benennung eines Lieferanten (Festschreibung), insbesondere eines Getränkefachgroßhändlers, oder Einräumung eines Haupt- oder Leitverlegerstatus liegt regelmäßig ohne besondere Anhaltspunkte kein echter Vertrag zugunsten Dritter i. S. d. § 328 ___________ 77) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03 – sowie – 15 W 103/03, allerdings ausnahmsweise in umgekehrter Konstellation.

1169

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

BGB vor. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine reflexartige faktische Begünstigung i. S. einer Lieferchance. 6.74 Dies zeigt sich schon daran, dass bei Beendigung des Getränkelieferungsvertrages zwischen Brauerei und Gastwirt, sei sie einvernehmlich erklärt oder einseitig durch eine berechtigte Kündigung einer der Vertragsparteien oder berechtigten Widerruf des Gebundenen ausgesprochen worden, das Lieferverhältnis mit Jetztwirkung entfällt. Auch eine Festschreibung des benannten Verlegers verbessert dessen Rechtsposition nicht. Diese steht unter der Damoklesschwert der allgemeinen gesetzlichen Wegfallgründe gem. §§ 313 und 314 BGB sowie §§ 495, 510, 355 BGB. Ausgleichsansprüche des Getränkefachgroßhändlers wegen Wegfalls einer Lieferchance bestehen daher grundsätzlich nicht. Dies gilt im Übrigen auch in der Situation der Rechtsnachfolge auf Betreiberseite, insbesondere bei Betreiberwechsel. Dann ist der Rechtsnachfolger grundsätzlich frei, Preise, Rückvergütungen und sonstige Konditionen mit einem Getränkefachgroßhändler seiner Wahl zu verhandeln. Selbst dann, wenn der benannte Getränkefachgroßhändler – wie heute kaum noch üblich – den Vertrag mit unterschrieben haben sollte oder zustimmend „gegengezeichnet“ haben sollte, treffen die vorstehend skizzierten Überlegungen zu. 7.

Unwiderruflichkeit der Lieferantenbenennung?

6.75 a) Situation. In der Vertragspraxis finden sich im Vertriebsmodell 2 häufig Formulierungen wie z. B. „Lieferant ist bis auf Weiteres …“, „Lieferant ist zur Zeit/ derzeit …“ oder „Die Übertragung der Belieferung erfolgt bis auf Weiteres/bis zum jederzeitigen Widerruf auf …“. 6.76 b) Interessenlage. Seitens des Getränkefachgroßhandels wurde und wird immer wieder die Forderung erhoben, die Lieferantenbenennung müsse unwiderruflich sein. Eine unwiderrufliche Lieferantenbenennung sei sogar zwingend, wenn der Getränkefachgroßhändler den Kunden akquiriert habe, sich intern im Verhältnis zur Brauerei bzw. zur Getränkewirtschaft im Übrigen an den Investitionen beteiligt habe, sei es en bloque, sei es hl-bezogen, und/oder Sicherheiten wie etwa eine (Ausfall-)Bürgschaft gestellt habe. 6.77 Dem steht freilich das anerkennungswürdige Interesse der Brauerei entgegen, aus Sachgründen eine Getränkefachgroßhändlerneubenennung vornehmen zu können (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 313, 314 BGB).78) Solche Sachverhalte können sich aus von dem Getränkefachgroßhändler zu vertretenden (§§ 276, 278 BGB) Umständen, wie etwa nachweislich wiederholter Lieferunpünktlichkeit, strafrechtlich relevante Verhaltensweisen bei der Belieferung wie Umsatzsteuer vermeidende Schwarzverkäufe, Unterschlagungen etc., Verhaltensweisen, die die Qualität der Ge___________ 78) Siehe oben § 12 II und III 2, jeweils m. w. N.

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III. Beteiligungsvereinbarung

tränkelieferung negativ beeinflussen, oder Verstöße gegen die Beteiligungsvereinbarung, ergeben. Aber auch aus der Sicht des belieferten Gastwirts kann es objektiv nachweisliche 6.78 Sachgründe geben, die eine Auswechslung des benannten Getränkefachgroßhändlers angezeigt erscheinen lassen. Zu denken ist etwa – neben den bereits vorstehend aufgezeigten Sachverhalten – an ein sich im Verhältnis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und damit der Getränkefachgroßhändlerbenennung zunehmend verschlechterndes Preis- und Konditionensystem, das sich nachweislich bei vergleichbarer Belieferung durch einen dritten Getränkefachgroßhändler und unter Berücksichtigung der vorstehend angesprochenen „Mitfinanzierungen“ seitens des Getränkefachgroßhändlers wirtschaftlich nicht mehr darstellen lässt und die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes i. S. d. § 314 Abs. 1 BGB erfüllt. Im Übrigen ist die seitens des Getränkefachgroßhandels gelegentlich vertretene 6.79 These vom unwiderruflichen Lieferrecht auch im eigenen Interesse nicht zielführend. Sie gäbe dem Gastwirt ein Vetorecht gegen eine Neubenennung im Falle der Veräußerung des Unternehmens des zunächst benannten Getränkefachgroßhändlers. Dies würde den Unternehmenswert des Verlegerunternehmens erheblich mindern, wenn nicht gar eine Veräußerung unmöglich machen. Insofern liegt in der widerruflichen Lieferantenbenennung eine allseits interessengerechte immanente Vereinbarung der Zustimmung des Gastwirts zum Lieferantenwechsel im Sinne einer „kleinen Übertragungsklausel“. 8.

Absatzmeldungen

Absatzmeldungen über die an die Absatzstätte gelieferten Getränke nach Marke, 6.80 Sorte, Menge und Gebinde sind bei Belieferung über Dritte von grundlegender Bedeutung für die bindungs- und finanztechnische Abrechnung des Getränkelieferungsvertrages durch die Brauerei gegenüber dem Kunden. Es liegt im Interesse des Getränkelieferanten und des Gastwirts, Klarheit über die bezogenen hl und die sich daran anknüpfenden Konsequenzen zu haben. Beispielhaft sind zu nennen die Aspekte der Anrechnung auf eine vereinbarte Jahresmindestbezugsmenge bzw. eine Gesamtabnahmemenge, den Stand der Rückführung von Abschreibungs- bzw. Rückvergütungsgutschriftenfinanzierungen und der Anfall bzw. die Abrechnung von Malus oder Bonus. Daher gehört es zum Obligo des Getränkefachgroßhändlers, zeitnah und wahrheitsgemäß, insbesondere vollständig, die tatsächlichen Absätze des jeweiligen Kunden zu melden. Zumeist erfolgen Absatzmitteilungen nach Ablauf eines Quartals. Manipulationen sind nicht nur theoretisch möglich. Daher enthalten Beteiligungs- 6.81 vereinbarungen und insbesondere auch Partnerschaftsabkommen gelegentlich auch Regelungen über Vertragsstrafen bei Verstößen gegen die Absatzmeldepflicht. Ggf. zahlt die Brauerei auch eigene Vergütungen unmittelbar an den Kun-

1171

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

den gegen unmittelbare Übermittlung der Absatzzahlen durch den Kunden. Ein Abgleich dieser Zahlen mit denen vom Getränkefachgroßhändler zugelieferten zeigt nicht nur erzieherische Wirkung. Neben den zivilrechtlichen Sanktionen wie etwa Schadensersatz und Vertragsstrafe können fehlerhafte Absatzmeldungen auch den Straftatbestand des (Steuer-)Betruges erfüllen. Im Wiederholungsfall und bei fortgesetzten Falschmeldungen dürfte die Zusammenarbeit insgesamt in Frage stehen. Dann kommt auch eine Aufkündigung der Zusammenarbeit, insbesondere des Partnerschaftsvertrages, in Betracht. 9.

Risiken bei ergänzenden Getränkelieferungsverträgen des Getränkefachgroßhändlers

6.82 a) Doppelbindung. Ein gelegentlich anzutreffender Fehler des Getränkefachgroßhändlers ist es, bei Bestehen eines Leistungs- und Getränke-, insbesondere Bierbezugsvertrages zwischen der Brauerei und dem Kunden hinsichtlich des weiteren Sortiments, insbesondere des afG-Sortiments, nicht lediglich einen entsprechenden Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag abzuschließen, sondern gesamtumfänglich unter Einschluss des nicht mehr verfügbaren Bindungsvolumens hinsichtlich Bier und/oder Biermischgetränke einen weiteren (zweiten) Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag mit dem Kunden zu vereinbaren.79) Verständlich ist diese Vorgehensweise insofern, als der Getränkefachgroßhändler versucht, auf diese Weise ein nicht bestehendes Lieferrecht zu erlangen. Rechtlich schlägt sein Anliegen aber fehl. 6.83 Zum einen dürfte hinsichtlich der Sortimentsanteile Bier und ggf. auch Biermischgetränke kein erreichbares Volumen mehr zur Bindung zur Verfügung stehen. Konsequenz ist eine Nichtigkeit nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 138 Abs. 1 BGB wegen anfänglicher Nichterreichbarkeit. Zum anderen müsste der Getränkefachgroßhändler sich insofern jedenfalls adäquat zur Brauerei noch einmal finanziell engagieren. Doppelbindungen sind daher grundsätzlich nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dabei handelt es sich allerdings um einen für den Getränkefachgroßhändler vermeidbaren Fehler. Stellt er in dem von ihm abgeschlossenen Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag ausdrücklich klar, dass es sich bei dem gebundenen Bier-/Biermischsortiment hinsichtlich Laufzeit und ggf. vereinbarter Jahresmindestbezugsmenge um dasselbe Getränkevolumen handelt, das bereits von der Brauerei finanziert und gebunden worden ist, bestehen keine Wirksamkeitsbedenken gegen den vom Getränkefachgroßhändler geschlossenen Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag. ___________ 79) Zu einem ähnlichen, allerdings umgekehrten Fall OLG Koblenz, Urt. v. 21.2.2002 – 5 U 677/01, NJOZ 2002, 837; vgl. auch OLG Brandenburg, Urt. v. 23.11.1994 – 1 U 11/94, NJW-RR 1995, 1517, allerdings bei teilweise zeitgleich laufenden, von dem Getränkefachgroßhändler geschlossenen Verträgen.

1172

IV. Refinanzierungsvereinbarung

b) Ausfallbürgschaft. Soweit sich der Getränkefachgroßhändler gegenüber der 6.84 Brauerei für die Übertragung der Belieferung finanziell, etwa in Form einer Ausfallbürgschaft, engagiert hat, stellt die Übernahme dieses Risikos keinen Ansatzpunkt im Rahmen der gem. §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtbetrachtung im Verhältnis Getränkefachgroßhändler-Kunde dar. Zum einen ist Empfänger dieser Leistung die Brauerei und nicht der Kunde. Zum anderen handelt es sich bei der Ausfallbürgschaft nur um eine Eventualverbindlichkeit. Damit fehlt es an einer Vorleistung des Getränkefachgroßhändlers, einer typusnotwendigen Voraussetzung zum Abschluss eines wirksamen Getränkelieferungsvertrages (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). IV.

Refinanzierungsvereinbarung

1.

Situation

Refinanzierungsvereinbarungen80) finden sich im Vertriebsmodell 3. Hier wird 6.85 der Getränkelieferungsvertrag von Dritten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geschlossen. Sie erwerben unmittelbar ein Lieferrecht. Dies geschieht nicht nur gegenüber Brauereien, sondern auch im Verhältnis zu Unternehmen, die alkoholfreie Erfrischungsgetränke herstellen. Ganz überwiegend handelt es sich bei diesen Dritten um Getränkefachgroßhändler. Eine Refinanzierungssituation findet sich aber auch dann, wenn kleinere Brauereien oder Automatenaufsteller mit größeren Getränkeherstellern zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit kann dabei sowohl einzel- und damit objekt-/subjektbezogen als auch „neutral“ sein. Im Vordergrund der nachfolgenden Ausführungen steht der Regelfall der Zusammenarbeit zwischen der Getränkewirtschaft und einem Getränkefachgroßhändler. Gründe für die Zusammenarbeit mit einem refinanzierenden Getränkehersteller 6.86 können u. a. fehlendes Eigenkapital, mangelnde Liquidität oder auch der Wunsch des Kunden etwa nach einem „Fernsehbier“ sein. Aus Sicht der refinanzierenden Getränkehersteller macht diese Form der Zusammenarbeit Sinn, um neue und weiter entfernt gelegene Märkte zu erschließen, ohne dort einen eigenen Außendienst aufbauen zu müssen. Da sich in den letzten Jahren viele Brauereien wieder von der Monobrauerei zur 6.87 Sortimentsbrauerei ggf. auch mit einer breiten Palette an Biermischgetränken entwickelt haben, braucht der Getränkefachgroßhändler sich zunehmend nicht mehr wie in der Vergangenheit an mehrere Brauereien und andere Getränkehersteller zu wenden, um die Refinanzierung entsprechend den von ihm ausgehandelten Sortimentsanteilen zu sichern.

___________ 80) Aus der nicht sehr ergiebigen Rechtsprechung OLG Naumburg, Urt. v. 17.8.1998 – 1 U 53/98, NJW-RR 1999, 1144; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

1173

IV. Refinanzierungsvereinbarung

b) Ausfallbürgschaft. Soweit sich der Getränkefachgroßhändler gegenüber der 6.84 Brauerei für die Übertragung der Belieferung finanziell, etwa in Form einer Ausfallbürgschaft, engagiert hat, stellt die Übernahme dieses Risikos keinen Ansatzpunkt im Rahmen der gem. §§ 138 Abs. 1, 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Gesamtbetrachtung im Verhältnis Getränkefachgroßhändler-Kunde dar. Zum einen ist Empfänger dieser Leistung die Brauerei und nicht der Kunde. Zum anderen handelt es sich bei der Ausfallbürgschaft nur um eine Eventualverbindlichkeit. Damit fehlt es an einer Vorleistung des Getränkefachgroßhändlers, einer typusnotwendigen Voraussetzung zum Abschluss eines wirksamen Getränkelieferungsvertrages (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). IV.

Refinanzierungsvereinbarung

1.

Situation

Refinanzierungsvereinbarungen80) finden sich im Vertriebsmodell 3. Hier wird 6.85 der Getränkelieferungsvertrag von Dritten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geschlossen. Sie erwerben unmittelbar ein Lieferrecht. Dies geschieht nicht nur gegenüber Brauereien, sondern auch im Verhältnis zu Unternehmen, die alkoholfreie Erfrischungsgetränke herstellen. Ganz überwiegend handelt es sich bei diesen Dritten um Getränkefachgroßhändler. Eine Refinanzierungssituation findet sich aber auch dann, wenn kleinere Brauereien oder Automatenaufsteller mit größeren Getränkeherstellern zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit kann dabei sowohl einzel- und damit objekt-/subjektbezogen als auch „neutral“ sein. Im Vordergrund der nachfolgenden Ausführungen steht der Regelfall der Zusammenarbeit zwischen der Getränkewirtschaft und einem Getränkefachgroßhändler. Gründe für die Zusammenarbeit mit einem refinanzierenden Getränkehersteller 6.86 können u. a. fehlendes Eigenkapital, mangelnde Liquidität oder auch der Wunsch des Kunden etwa nach einem „Fernsehbier“ sein. Aus Sicht der refinanzierenden Getränkehersteller macht diese Form der Zusammenarbeit Sinn, um neue und weiter entfernt gelegene Märkte zu erschließen, ohne dort einen eigenen Außendienst aufbauen zu müssen. Da sich in den letzten Jahren viele Brauereien wieder von der Monobrauerei zur 6.87 Sortimentsbrauerei ggf. auch mit einer breiten Palette an Biermischgetränken entwickelt haben, braucht der Getränkefachgroßhändler sich zunehmend nicht mehr wie in der Vergangenheit an mehrere Brauereien und andere Getränkehersteller zu wenden, um die Refinanzierung entsprechend den von ihm ausgehandelten Sortimentsanteilen zu sichern.

___________ 80) Aus der nicht sehr ergiebigen Rechtsprechung OLG Naumburg, Urt. v. 17.8.1998 – 1 U 53/98, NJW-RR 1999, 1144; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487; LG Köln, Urt. v. 14.11.2013 – 86 O. 50/13, BeckRS 2014, 00203.

1173

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

2.

Rechtsnatur

6.88 Die Refinanzierungsvereinbarung stellt einen konkret-individuellen, dem klassischen Darlehens- und Getränkelieferungsvertrag durchaus ähnlichen Vertrag dar. Der Getränkefachgroßhändler verschafft sich insofern – ggf. mehrere – Darlehen oder Zuschüsse von dem/den Getränkehersteller(n). 3.

Vertragsgestaltung

6.89 Die Verpflichtung zur rechtskonformen Gestaltung der Getränkelieferungsverträge mit den Kunden obliegt im Vertriebsmodell 3 allein dem Getränkefachgroßhändler. Zwar werfen insbesondere refinanzierende Brauereien gelegentlich zur Risikovermeidung „einen Blick“ auf die vom Getränkefachgroßhändler vorgelegten Verträge, bevor sie ihre Refinanzierungsentscheidung treffen. Hierauf oder gar auf eine vollumfängliche Prüfung etwaiger Risiken wie Rechtskonformität, Bonität, ordnungsgemäße Bestellung, Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten, hat der Getränkefachgroßhändler aber keinen Anspruch. Gleiches gilt naturgemäß für das Forderungsmanagement nicht nur hinsichtlich der Ansprüche aus Lieferung, sondern insbesondere auch aus Finanzierung und Bindung. 4.

Refinanzierungsvolumen

6.90 Gerade im Zusammenhang mit Refinanzierungen kommt es gelegentlich zur Überfinanzierung, wenn der Getränkefachgroßhändler mehr Gelder bei der Getränkewirtschaft einsammelt, als er konkret-individuell an den Kunden weitergibt. 5.

Finanzierungskonditionen

6.91 Die Refinanzierung erfolgt häufig zu dem Getränkefachgroßhändler äußerst günstigen Zinssätzen, nicht selten zinslos. Vereinzelt bestand dauerhaft („verlorener“ Zuschuss) oder jedenfalls verhalten (Abschreibungsfinanzierung mit Festabschreibung) keine Rückzahlungsverpflichtung des Getränkefachgroßhändlers. Nach und nach wurden Refinanzierungen betriebswirtschaftlich zu Recht mit der Einhaltung von periodischen oder Gesamtmengenabsprachen verknüpft. 6.92 In der Regel wird der Getränkefachgroßhändler die eingesammelten Gelder zu den Konditionen weitergeben, die er selbst zu zahlen hat. Anderenfalls läge zwischen Getränkehersteller und Getränkefachgroßhändler eine nicht zu erklärende Überrefinanzierung vor. Der Erzielung von Erlösen aus dem (Re-)Finanzierungsgeschäft dürfte faktisch der Umstand entgegenstehen, dass die Getränkewirtschaft durchweg die Vorlage des vom Getränkefachgroßhändler geschlossenen Getränkelieferungsvertrages verlangt, um dessen Refinanzierungsfähigkeit zu prüfen. Leistung und Gegenleistung dürften für den von der Getränkewirtschaft – jeweils – refinanzierten Sortimentsanteil nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern auch juristisch ausgeglichen sein. Dem Erwirtschaften von positiven Zinsdiffe-

1174

V. Sicherheiten

renzen dürfte der rechtliche Einwand entgegenstehen, dass sich die vom Getränkefachgroßhändler erbrachte Leistung um nicht weitergereichte Zinsvorteile mindern würde, was im Rahmen der Betrachtung nach §§ 138 Abs. 1, 307 BGB zu würdigen wäre (ggf. Unterfinanzierung). 6.

Bindung

Im Gegenzug verpflichtet sich der Getränkefachgroßhändler für die Laufzeit des 6.93 Refinanzierungsvertrages die Belieferung des Kunden vertragsgemäß sicherzustellen und jedwede Form von Fremdbezug, also sowohl die Belieferung mit anderen Getränken (Schwarzbezug) als auch mit den benannten Getränken, aber unter Abweichung von dem Vertriebs- und Konditionenmodell (Graubezug), zu unterlassen. Zu weiteren typischen Vertragsinhalten einer Refinanzierungsvereinbarung rech- 6.94 nen eine Mengenvereinbarung, Sanktionen für den Fall der Mindererfüllung (Malus), die Honorierung einer etwaigen Übererfüllung (Bonus), die Stellung eigener oder abgetretener Sicherheiten für die Refinanzierungsleistung sowie Kündigungsregelungen. 7.

Kontrollrechte

Die bei einigen Getränkefachgroßhändlern geübte Praxis, ihren eigenen Geträn- 6.95 kelieferungsverträgen Formulierungen der Brauereien aus deren Direktgeschäft bzw. aus Refinanzierungsvereinbarungen zugrunde zu legen, begründet nicht nur den Tatbestand des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie führt auch zu gelegentlich widersinnigen Regelungen, so zur Aufnahme eines Kellerkontrollrechts der Brauerei im Vertrag Getränkefachgroßhändler-Gastwirt. Damit soll aber ersichtlich kein eigenes Recht der Brauerei i. S. d. § 328 BGB begründet werden. Eine unangemessene Benachteiligung des Gastwirts kann hierin nicht erblickt werden.81) V.

Sicherheiten

Im Vertriebsmodell 3 (Indirektgeschäft mit Refinanzierung) ist die Refinanzie- 6.96 rungsleistung der Brauerei gegenüber dem Getränkefachgroßhändler abzusichern. Grundsätzlich kommen alle Kreditsicherheiten in Betracht. 1.

Eigene Sicherheiten

Zunächst ist daran zu denken, dass der Getränkefachgroßhändler eigene Sicher- 6.97 heiten stellt. Zu nennen sind beispielhaft Bürgschaften, sei es durch den Getränkefachgroßhändler selbst (Verlegerbürgschaft)82) oder seinen (Gesellschafter-)Ge___________ 81) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10. 82) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03.

1175

V. Sicherheiten

renzen dürfte der rechtliche Einwand entgegenstehen, dass sich die vom Getränkefachgroßhändler erbrachte Leistung um nicht weitergereichte Zinsvorteile mindern würde, was im Rahmen der Betrachtung nach §§ 138 Abs. 1, 307 BGB zu würdigen wäre (ggf. Unterfinanzierung). 6.

Bindung

Im Gegenzug verpflichtet sich der Getränkefachgroßhändler für die Laufzeit des 6.93 Refinanzierungsvertrages die Belieferung des Kunden vertragsgemäß sicherzustellen und jedwede Form von Fremdbezug, also sowohl die Belieferung mit anderen Getränken (Schwarzbezug) als auch mit den benannten Getränken, aber unter Abweichung von dem Vertriebs- und Konditionenmodell (Graubezug), zu unterlassen. Zu weiteren typischen Vertragsinhalten einer Refinanzierungsvereinbarung rech- 6.94 nen eine Mengenvereinbarung, Sanktionen für den Fall der Mindererfüllung (Malus), die Honorierung einer etwaigen Übererfüllung (Bonus), die Stellung eigener oder abgetretener Sicherheiten für die Refinanzierungsleistung sowie Kündigungsregelungen. 7.

Kontrollrechte

Die bei einigen Getränkefachgroßhändlern geübte Praxis, ihren eigenen Geträn- 6.95 kelieferungsverträgen Formulierungen der Brauereien aus deren Direktgeschäft bzw. aus Refinanzierungsvereinbarungen zugrunde zu legen, begründet nicht nur den Tatbestand des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie führt auch zu gelegentlich widersinnigen Regelungen, so zur Aufnahme eines Kellerkontrollrechts der Brauerei im Vertrag Getränkefachgroßhändler-Gastwirt. Damit soll aber ersichtlich kein eigenes Recht der Brauerei i. S. d. § 328 BGB begründet werden. Eine unangemessene Benachteiligung des Gastwirts kann hierin nicht erblickt werden.81) V.

Sicherheiten

Im Vertriebsmodell 3 (Indirektgeschäft mit Refinanzierung) ist die Refinanzie- 6.96 rungsleistung der Brauerei gegenüber dem Getränkefachgroßhändler abzusichern. Grundsätzlich kommen alle Kreditsicherheiten in Betracht. 1.

Eigene Sicherheiten

Zunächst ist daran zu denken, dass der Getränkefachgroßhändler eigene Sicher- 6.97 heiten stellt. Zu nennen sind beispielhaft Bürgschaften, sei es durch den Getränkefachgroßhändler selbst (Verlegerbürgschaft)82) oder seinen (Gesellschafter-)Ge___________ 81) LG Köln, Urt. v. 15.3.2011 – 21 O. 95/10. 82) OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.5.2004 – 15 U 193/03.

1175

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

schäftsführer83), sei es durch Kreditinstitute, die Sicherungsübereignung von Inventar oder etwa Grundschulden. Hier bestehen die üblichen rechtlichen und insbesondere branchenspezifischen Risiken.84) 2.

Abgetretene Sicherheiten

6.98 a) Situation. Nicht selten will oder kann der Getränkefachgroßhändler keine, jedenfalls keine wertigen eigenen Sicherheiten stellen. Dann ist an die Abtretung von Rechten von Ansprüchen des Getränkefachgroßhändlers gegen seinen Kunden zu denken. 6.99 b) Gegenstand und Umfang. Die Abtretung kann sich erstens auf die Lieferrechte hinsichtlich des refinanzierten Sortimentsanteils des Getränkefachgroßhändlers aus dessen Leistungs- und Getränkelieferungsvertrag beziehen. Zweitens können Gegenstand der Abtretung die Finanzierungsforderungen des Getränkefachgroßhändlers aus seiner Geschäftsbeziehung zum Kunden sein, insbesondere die Rückzahlungs- und Verzinsungsansprüche aus gewährten Darlehen. Drittens ist an die Abtretung und Übertragung der vom Getränkefachgroßhändler autonom mit dem Kunden vereinbarten Sicherheiten zu denken. 6.100 c) Lieferrechte. Hinsichtlich der Abtretung der Lieferrechte sollte klarstellend vermerkt werden, dass die Brauerei bereit ist, die Lieferverpflichtung, sei es in eigener Person, sei es durch Dritte, zu übernehmen. Regelmäßig handelt es sich um eine stille Zession. Die Offenlegung und damit Anzeige an den Gastwirt ist mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Widerspruchsrechte des Gastwirts gegen die Abtretung bestehen wie auch bei der Abtretung im Allgemeinen nicht. Inhaltliche Änderungen zu Lasten des Gastwirts sind naturgemäß nicht möglich. Das gilt insbesondere für Inhalt und Umfang der Getränkebezugsverpflichtung, Preise und Konditionen sowie Liefertage. Um etwaigen Widersprüchen des Kunden von vorne herein den Boden zu entziehen, kann es angezeigt sein, in den AGB des Getränkefachgroßhändlers das Einverständnis des Kunden mit einer Vorausabtretung der vorgenannten Ansprüche festzuhalten. 6.101 d) Sicherheiten. Die Übertragung bzw. Abtretung der vom Getränkefachgroßhändler hereingenommenen Sicherheiten macht naturgemäß nur dann Sinn, wenn diese wirksam bestellt worden sind. In der Realität fehlt es nicht selten an der Bestellung wertiger Sicherheiten und damit abtretungsfähiger Rechte. Dann läuft die Abtretung jedenfalls wirtschaftlich ins Leere. 6.102 Weiter bedarf es einer hinreichenden Konkretisierung der abzutretenden Ansprüche. Auch ergeben sich Schwierigkeiten, wenn etwa die Verwertung von Sicherungseigentum im Bezug auf mehrere refinanzierende Unternehmen nicht klar geregelt ist. Zudem droht das Damoklesschwert einer unwirksamen Aufspaltung ___________ 83) OLG Naumburg, Beschl. v. 21.2.2013 – 1 W 59/13 (PKH), BeckRS 2013, 22080; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.10.2013 – 3 W 596/13, BeckRS 2013, 18487. 84) Siehe oben §§ 50 – 55, jeweils m. w. N.

1176

V. Sicherheiten

des Kredit- und des Sicherungsgeschäfts. So wurde entschieden, dass ein Herausgabeverlangen aufgrund einer Sicherungsübereignung, mit der sich eine Brauerei die Rückzahlung der Refinanzierung eines Darlehens eines Getränkefachgroßhändlers an einen Gastwirt durch den Gastwirt hatte sichern lassen, als rechtsmissbräuchlich anzusehen sei, wenn die Inanspruchnahme des Gastwirts erfolgen sollte, obwohl er selbst seinen Kredit an den Getränkefachgroßhändler zurückgezahlt hatte und dieser die Refinanzierung nur wegen seiner eigenen Insolvenz nicht mehr bediene. In einem solchen Fall ergebe sich umgekehrt ein Rückübereignungsanspruch des Sicherungsgebers (Kunden) aus § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil der Einwand aus Treu und Glauben einer dauernden Einrede im Sinne dieser Vorschrift gleichzustellen sei.85) 3.

Poolsicherheiten

a) Grundlagen. Hinsichtlich der Sicherungsübereignung von Gaststätteninventar kann zwischen dem Getränkefachgroßhändler und einer Brauerei, aber auch zwischen mehreren refinanzierenden Brauereien und anderen Getränkeherstellern eine Poolvereinbarung geschlossen werden (Konsortialkredit). Dabei verbleiben die Sicherheiten beim Getränkefachgroßhändler. b) Inhalt. Regelmäßig besteht zwischen den Mitgliedern des Pools eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dies schließt aber nicht aus, dass ihnen die Sicherungsrechte auch zu Bruchteilen i. S. d. § 741 BGB zustehen. Es liegt dann eine Innengesellschaft vor, die mit Bruchteilsberechtigung der Poolbeteiligten verbunden ist. Übernimmt einer der Beteiligten die „Federführung“, so ist er im Innenverhältnis treuhänderisch gebunden. Geregelt werden sollten insbesondere die Fragen der Verwertung und der Verteilung des Erlöses. Sinnvoll ist eine Erlösverteilung im Verhältnis der jeweils refinanzierten Darlehensforderungsanteile. c) Nicht selten schwebt über Poolvereinbarungen das Damoklesschwert der Insolvenzanfechtung. Sowohl im Hinblick darauf als auch die Schwierigkeiten einer interessengerechten Vertragsgestaltung dürfte die Vereinbarung eines Sicherheitenpools aktuell eher die Ausnahme sein. d) Insolvenz des Sicherungsgebers. Sicherungspoolvereinbarungen stellen im Insolvenzfall nur dann eine hinreichende Absicherung dar, wenn die Sicherheiten auf die Gläubiger dinglich übertragen worden sind. Anderenfalls besteht das Risiko, dass in der Insolvenz des Sicherungsgebers kein Recht der weiteren Gläubiger auf abgesonderte Befriedigung gegeben ist. Selbst eine Zustimmung des Sicherungsgebers zum Sicherheitenpoolvertrag ändert daran nichts. Die Verpflichtung der Poolführerin, die ihr übertragenen Sicherheiten zugleich treuhänderisch für die übrigen Poolmitglieder zu verwalten, begründet für diese kein eigenes Recht auf abgesonderte Befriedigung.86) ___________ 85) OLG Naumburg, Urt. v. 17.8.1998 – 1 U 53/98, NJW-RR 1999, 1144. 86) BGH, Urt. v. 2.6.2005 – IX ZR 181/03, NZI 2005, 622 = ZIP 2005, 1651.

1177

6.103

6.104

6.105

6.106

§ 57 Weitere Verträge im Verhältnis Brauerei-Getränkefachgroßhändler

VI.

Risikobeteiligung

1.

Situation

6.107 Im Vertriebsmodell 3 hat der Getränkefachgroßhändler nicht nur wie stets das Risiko von Ausfällen aus dem Liefergeschäft zu tragen. Hinzu kommen die Risiken wegen Ausfällen aus der Finanzierung (Rückzahlung der Valuta, Zinszahlungen) und der Bindung, etwa Malus. Sollte der Getränkefachgroßhändler das Objekt angepachtet haben, trifft ihn auch das Risiko, seinen Verpflichtungen aus dem Anpachtungsvertrag nachkommen zu müssen, obgleich sein (Unter-)Pächter seinen verschiedenen Verpflichtungen zur Zahlung aufgrund des Pachtvertrages (Pachtzins, Betriebskostenvorauszahlungen, Betriebskostennachzahlungen etc.) nicht nachkommt. Letzteres gilt naturgemäß auch dann, wenn der Getränkefachgroßhändler ein eigenes Objekt verpachtet. 2.

Inhalt

6.108 Vor diesem Hintergrund finden sich in Refinanzierungsverträgen gelegentlich Regelungen über eine Risikobeteiligung. Danach beteiligt sich die refinanzierende Brauerei prozentual oder absolut an dem Forderungsausfallrisiko des Getränkefachgroßhändlers aus seinem Vertrag mit dem Kunden. 3.

Regelungsbedürftige Fragen

6.109 Gelegentlich besteht bereits Streit, wann und unter welchen Voraussetzungen der Refinanzierungsanspruch der Brauerei gegenüber dem Getränkefachgroßhändler fällig ist. Eine Gesamtfälligstellung des Refinanzierungsdarlehens durch die Brauerei kommt jedenfalls bei Insolvenz des vom Getränkefachgroßhändler belieferten Kunden in Betracht. Für die Abrechnung der Risikobeteiligung ist dann der voraussichtliche Ausfall des Getränkefachgroßhändlers auf seine Finanzierung gegenüber dem Kunden zu ermitteln. 6.110 Insofern bedarf es einer klaren und eindeutigen vertraglichen Regelung, welche Forderungen erfasst sind und unter welchen Voraussetzungen die Einstandspflicht der Brauerei begründet ist. Im Hinblick auf die Rechtsnatur der Refinanzierungsvereinbarung erstreckt sich die Risikobeteiligung in der Regel lediglich auf den Ausfall hinsichtlich des finanziellen Engagements des Getränkefachgroßhändlers. 6.111 Zur Vermeidung von späteren Streitigkeiten sollten auch klar und unmissverständlich die Zulässigkeit der Verwertung der Sicherheiten und insbesondere die Anrechnung etwaiger Verwertungserlöse geregelt sein. Entsprechend der Rechtsnatur der Refinanzierungsvereinbarung und dem Sicherungszweck können Erlöse durchweg nur auf die Finanzierungsforderung des Getränkefachgroßhändlers angerechnet werden.

1178

Siebter Hauptteil: Liefergeschäft § 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen I.

Bedeutung

Unabhängig von den praktizierten Vertriebsmodellen stützt sich die Zusammen- 7.1 arbeit zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern auf im Unternehmerverkehr übliche Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB), insbesondere Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Dies gilt naturgemäß auch für das Verhältnis Brauerei-Kunde im Vertriebsmodell 1, ggf. auch im Vertriebsmodell 2. Im Absatzweg Gastronomie können AGB wie vor allem Lieferungs- und Zah- 7.2 lungsbedingungen bei der finanzierten und gebundenen Gastronomie zu einer inhaltlichen Verschlankung der Leistungs- und Getränkelieferungsverträge führen, wenn sie als Anlage in Bezug genommen werden. Gleiches gilt im Zusammenhang mit Briefvereinbarungen. Aber auch gegenüber freien Wirten sollten die AGB des Getränkelieferanten Grundlage der Zusammenarbeit sein. Naturgemäß gilt dies weiter im Vertriebskanal Lebensmittelhandel sowie für das 7.3 Exportgeschäft. Weitere Anwendungsfelder sind Lohnbrau- und Lohnabfüllverträge, (Leergut-)Sortierverträge und Zulieferverträge nicht nur für Rohstoffe. AGB entfalten ihre Bedeutung zumeist erst im Streitfall. Insbesondere bei Be- 7.4 endigung der Zusammenarbeit besinnt man sich ihrer. II.

Einbeziehung

1.

Vereinbarung

a) Grundsatz. Vorbehaltlich des Bestehens eines entsprechenden Handelsbrauchs 7.5 gelten auch im Verkehr zwischen Unternehmern AGB nur dann, wenn sie durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsbestandteil geworden sind.1) Entscheidend ist, ob sich die vertragliche Einigung der Parteien i. S. d. § 311 Abs. 1 Fall 1 BGB auch auf die Einbeziehung der AGB erstreckt. Die Einbeziehung der AGB ist Bestandteil des allgemeinen Vertragsschlusses und setzt eine darauf gerichtete ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung voraus, die jedoch untererleichterten Voraussetzungen zustande kommt.2) Gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Unternehmerverkehr nicht auf § 305 Abs. 2 und 3 BGB, sondern auf die §§ 145 – 156 BGB, ggf. die Vorschriften des HGB, zurückzugreifen.3) Eine bloße Branchenüblichkeit der AGB genügt nicht.4) ___________ 1) 2) 3) 4)

BGH, Urt. v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 582 = ZIP 2007, 905. BGH, Urt. v. 22.3.1995 – VIII ZR 20/94, NJW 1995, 1671 = ZIP 1995, 843. BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232; BGH, Urt. v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 982 = ZIP 2007, 905. BGH, Urt. v. 15.1.2014 – VIII ZR 111/13, NJW 2014, 1296.

1179

Siebter Hauptteil: Liefergeschäft § 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen I.

Bedeutung

Unabhängig von den praktizierten Vertriebsmodellen stützt sich die Zusammen- 7.1 arbeit zwischen Brauereien und Getränkefachgroßhändlern auf im Unternehmerverkehr übliche Allgemeine Geschäftsbedingungen AGB), insbesondere Allgemeine Lieferungs- und Zahlungsbedingungen. Dies gilt naturgemäß auch für das Verhältnis Brauerei-Kunde im Vertriebsmodell 1, ggf. auch im Vertriebsmodell 2. Im Absatzweg Gastronomie können AGB wie vor allem Lieferungs- und Zah- 7.2 lungsbedingungen bei der finanzierten und gebundenen Gastronomie zu einer inhaltlichen Verschlankung der Leistungs- und Getränkelieferungsverträge führen, wenn sie als Anlage in Bezug genommen werden. Gleiches gilt im Zusammenhang mit Briefvereinbarungen. Aber auch gegenüber freien Wirten sollten die AGB des Getränkelieferanten Grundlage der Zusammenarbeit sein. Naturgemäß gilt dies weiter im Vertriebskanal Lebensmittelhandel sowie für das 7.3 Exportgeschäft. Weitere Anwendungsfelder sind Lohnbrau- und Lohnabfüllverträge, (Leergut-)Sortierverträge und Zulieferverträge nicht nur für Rohstoffe. AGB entfalten ihre Bedeutung zumeist erst im Streitfall. Insbesondere bei Be- 7.4 endigung der Zusammenarbeit besinnt man sich ihrer. II.

Einbeziehung

1.

Vereinbarung

a) Grundsatz. Vorbehaltlich des Bestehens eines entsprechenden Handelsbrauchs 7.5 gelten auch im Verkehr zwischen Unternehmern AGB nur dann, wenn sie durch rechtsgeschäftliche Einbeziehung Vertragsbestandteil geworden sind.1) Entscheidend ist, ob sich die vertragliche Einigung der Parteien i. S. d. § 311 Abs. 1 Fall 1 BGB auch auf die Einbeziehung der AGB erstreckt. Die Einbeziehung der AGB ist Bestandteil des allgemeinen Vertragsschlusses und setzt eine darauf gerichtete ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung voraus, die jedoch untererleichterten Voraussetzungen zustande kommt.2) Gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB ist im Unternehmerverkehr nicht auf § 305 Abs. 2 und 3 BGB, sondern auf die §§ 145 – 156 BGB, ggf. die Vorschriften des HGB, zurückzugreifen.3) Eine bloße Branchenüblichkeit der AGB genügt nicht.4) ___________ 1) 2) 3) 4)

BGH, Urt. v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 582 = ZIP 2007, 905. BGH, Urt. v. 22.3.1995 – VIII ZR 20/94, NJW 1995, 1671 = ZIP 1995, 843. BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232; BGH, Urt. v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 982 = ZIP 2007, 905. BGH, Urt. v. 15.1.2014 – VIII ZR 111/13, NJW 2014, 1296.

1179

§ 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen

7.6 b) Ausnahme. Denkbar ist es, dass in einer bestimmten Branche die Verwendung von AGB-Klauseln Handelsbrauch (§ 346 HGB) ist, so dass eine rechtsgeschäftliche Einbeziehung nicht erforderlich ist.5) Für das Vorliegen eines Handelsbrauchs kann sprechen, dass Branchen-AGB’s als Konditionenempfehlung (§§ 24 – 27 GWB) gelten. 2.

Rechtsnatur der Einbeziehungsvereinbarung

7.7 Die Einbeziehungsvereinbarung ist kein besonderes Rechtsgeschäft, sondern Teil des jeweiligen Vertrages, der sich im Falle der Verwendung von AGB aus dem individuell ausgehandelten Vertragskern und den global einbezogenen AGB zusammensetzt. Die AGB werden nicht inhaltlich ausgehandelt. Es wird lediglich ihre Geltung vereinbart. Der Einbeziehungsvereinbarung fehlt daher die klassische Vertragsfunktion der Richtigkeitsgewähr. Nicht ausreichend ist, dass beide Parteien davon ausgehen, dass die AGB Inhalt des Vertrages geworden sind.6) 3.

Ausdrückliche Einbeziehung

7.8 Es macht Sinn, AGB ausdrücklich einer Kundenbeziehung zugrunde zu legen und das entsprechende Versendungsschreiben, jedenfalls aber entsprechende Reiseberichte, zur Vertrags-/Kundenakte zu nehmen. Eine ausdrückliche Einbeziehung ist auch dann wirksam, wenn die AGB dem für den Vertragsschluss maßgebenden Schreiben nicht beigefügt waren und der Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt. 4.

Stillschweigende Einbeziehung

7.9 Da § 305 Abs. 2 BGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr nicht gilt, muss der Hinweis auf die AGB nicht ausdrücklich erfolgen. Anstelle des ausdrücklichen Hinweises kann sich die Einbeziehung auch aus anderen Umständen als konkludenter Hinweis ergeben.7) Eine Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten setzt voraus, dass der Verwender erkennbar auf seine AGB und damit seinen Einbeziehungswillen hinweist, damit der andere Teil überhaupt Kenntnis vom Inhalt der AGB nehmen kann. Dazu muss er zumindest in der Lage sein, sich über die Bedingungen ohne weiteres Kenntnis verschaffen zu können. Dann wird sein Verhalten unter Berücksichtigung aller Umstände als Einverständnis gewertet.8) ___________ 5) 6) 7)

8)

BGH, Urt. v. 13.12.1992 – III ZR 30/91, NJW 1993, 1798; BGH, Urt. v. 22.9.2003 – II ZR 172/01, ZIP 2003, 2211. BGH, Urt. v. 19.5.1994 – VII ZR 26/93, NJW 1994, 2547. BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, NJW-RR 1991, 570; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; OLG Bremen, Urt. v. 11.2.2004 – 1 U 68/03 = 7 O. 733/03, BeckRS 2004, 02810. BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232; BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 104/00, NJW-RR 2003, 754; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98.

1180

II. Einbeziehung

5.

Hinweis

a) Erkennbarer Hinweis. Vom Sonderfall der Rahmenvereinbarung9) (§ 305 7.10 Abs. 3 BGB analog) abgesehen, setzt eine Einbeziehung zunächst voraus, dass der Verwender erkennbar auf seine AGB verweist. Dieser Wille ist erforderlichenfalls durch Auslegung des gesamten Erklärungsverhaltens zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB, § 346 HGB).10) b) Konkludenter Hinweis. Der Hinweis kann auch konkludent erfolgen.11) Er- 7.11 forderlich ist dann, dass bei dem Vertragspartner keine Zweifel auftreten, dass die Geltung der Vertragsbedingungen gewollt ist. Folgende Fallgruppen werden unterschieden: aa) Ein Hinweis ist dann entbehrlich, wenn es entweder branchenüblich ist, 7.12 bestimmte AGB zu verwenden und beide Parteien branchenkundig sind.12) bb) Eine ständige Geschäftsbeziehung ist für sich genommen kein Grund für 7.13 eine stillschweigende Einbeziehung, sofern der Verwender nicht klarstellt, dass er künftige Geschäfte ausschließlich zu seinen AGB abschließen will.13) Allerdings kann es eine Geschäftsübung zwischen den Parteien geben, die einzelnen Verträge auf der Grundlage der AGB einer der Parteien abzuschließen.14) cc) Die Beifügung der AGB zum Vertragsangebot dürfte ebenso genügen wie 7.14 ein deutlicher Hinweis auf der Vorderseite der Rechnung15), wenn diese vor Vertragsabschluss zugeht. Im Internet genügt ein gut sichtbarer Link zu den AGB, der auf der Seite enthalten sein muss, von der aus der Partner seine Erklärung abgibt. c) Insuffiziente Angaben. Kein eindeutiger Hinweis ist beispielsweise dann ge- 7.15 geben, wenn die Vertragsbedingungen ohne weiteren Verweis in einer „Vorbemerkung“ aufgeführt werden.16) Eine Einbeziehung durch schlüssiges Verhalten durch unterhalb der Unterschrift angebrachte Hinweise auf umseitig abgedruckte AGB ist nicht ausreichend.17) Nicht hinreichend ist dagegen ein Abdruck auf der ___________ 9) 10) 11) 12) 13) 14)

OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. Palandt-Grüneberg, BGB, § 305 Rz. 49. BGH, Urt. v. 24.10.2002 – I ZR 104/00, NJW-RR 2003, 754. Erman-Roloff, BGB, § 305 Rz. 49. BGH, Urt. v. 19.9.2001 – I ZR 343/98, NJW-RR 2002, 1027. BGH, Urt. v. 15.6.1964 – VIII ZR 305/62, BGHZ 42, 53 = NJW 1964, 1788; BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, NJW-RR 1991, 570; BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232; BGH, Urt. v. 1.6.2005 – VIII ZR 256/04, NJW-RR 2005, 1518; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 15) OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 16) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 102, 293 = NJW 1992, 1232 = ZIP 1992, 404. 17) BGH, Urt. v. 3.7.1981 – I ZR 190/80, BeckRS 1981, 31065460 = ZIP 1981, 1220.

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§ 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen

Rückseite der Rechnung.18) Aus Gründen unternehmerischer Vorsicht sollte der Getränkelieferant den Hinweis auf die beigefügten bzw. umseitig abgedruckten AGB daher im Brieftext aufnehmen. 7.16 d) Abwehrklausel. Hat der Partner eine Abwehrklausel in seinen AGB aufgenommen, so scheidet i. d. R. eine stillschweigende Einbeziehung aus.19) 7.17 e) Zeitpunkt. Die Einbeziehung muss vor dem Vertragsschluss erklärt werden. Dabei wirken Erklärungen aus den Vertragsverhandlungen einem Unternehmer gegenüber erst recht fort. Hinweise in früheren Verträgen und bei deren Abwicklung, z. B. auf Rechnungen, genügen jedoch nicht. Dies auch dann nicht, wenn die AGB (für sich) eine Geltung auch für künftige Verträge beanspruchen.20) Hinweise auf Lieferscheinen, Rechnungen (sog. „Fakturenvermerke“),21) Leergutabrechnungen, Saldenbestätigungen und andere Hinweise, die nach Vertragsschluss gegeben werden, können grundsätzlich nur für künftige Verträge Bedeutung erlangen. Da der Vertrag hier bereits geschlossen ist, fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung „bei Abschluss des Vertrags“ i. S. d. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ihrer Funktion nach sind sie nicht dazu bestimmt, Angebote auf Änderung eines bereits geschlossenen Vertrages aufzunehmen. Auch der unternehmerische Klauselgegner hat daher im Handelsverkehr keine Veranlassung, Rechnungen daraufhin zu prüfen, ob sie AGB oder einen Hinweis hierauf enthalten.22) 7.18 f) Besondere Sorgfalt ist bei der Einbeziehung neu gefasster geänderter AGB in künftige Verträge an den Tag zu legen. Verbindet sich diese mit nachteiligen Änderungen der Rechtsstellung des Kunden, so kann ohne einen klaren und eindeutigen Änderungshinweis in der Fortsetzung der Geschäftsverbindung kein konkludentes Einverständnis des Kunden mit der Einbeziehung gesehen werden.23) 6.

Möglichkeit der Kenntnisnahme

7.19 a) Grundsatz. Auch im Verkehr zwischen Unternehmern muss der Verwender dem anderen Teil die Möglichkeit verschaffen, vom Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.24) ___________ 18) OLG Hamburg, Urt. v. 19.9.1984 – 5 U 56/84, ZIP 1984, 1241. 19) BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 327/83, NJW 1985, 1838. 20) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232 = ZIP 1992, 404. 21) OLG Hamburg, Urt. v. 19.9.1984 – 5 U 56/84, ZIP 1984, 1241. 22) BGH, Urt. v. 15.6.1964 – VIII ZR 305/62, NJW 1964, 1788 (Hinweis in Rechnungen); BGH, Urt. v. 7.6.1978 – VIII ZR 146/77, NJW 1978, 2243 (Hinweis in Lieferscheinen); OLG Karlsruhe, Urt. v. 9.10.1992 – 15 U 67/92, NJW-RR 1993, 567; OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.5.2011 – 15 U 23/10, BeckRS 2011, 14151. 23) OLG Koblenz, Urt. v. 6.5.1983 – 2 U 91/82, BB 1983, 1635. 24) BGH, Urt. v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, NJW 1988, 1210 = ZIP 1988, 175; BGH, Urt. v. 11.5.1989 – VII ZR 150/88, NJW-RR 1989, 1104; BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232.

1182

II. Einbeziehung

b) Überlassung/Beifügung. AGB brauchen im nationalen Rechtsverkehr25) dem 7.20 für den Vertragsschluss maßgebenden Schreiben nicht beigefügt zu werden. Dies gilt auch dann, wenn der Kunde den Inhalt der AGB nicht kennt.26) Der Vertragspartner Unternehmer muss aber zumindest in der Lage sein, sich über die Bedingungen ohne weiteres Kenntnis zu verschaffen. Der Hinweis, dass die AGB auf Wunsch übersandt werden, genügt ebenso wie die Benennung einer Fundstelle.27) Unschädlich ist es sonach, wenn die Möglichkeit besteht, die AGB entweder im Internet oder in den Geschäftsräumlichkeiten einzusehen oder sie sich zusenden zu lassen. c) Kenntnisbeschaffungsobliegenheit. Den Verwender trifft keine Kenntnis- 7.21 verschaffungsobliegenheit, sondern den Klauselgegner eine Kenntnisbeschaffungsobliegenheit. Der andere Teil hat, soweit es sich nicht um gebräuchliche, leicht zugängliche Klauselwerke handelt, einen Anspruch auf Überlassung oder Einsicht.28) Will er die AGB zur Kenntnis nehmen, muss er aktiv werden. Kommt der Verwender der Bitte um Übersendung der AGB oder Benennung einer Fundstelle nicht nach, scheitert allerdings die Einbeziehung. Übersendet der Verwender die AGB trotz Aufforderung nicht, kann er sich gem. § 242 BGB (Verwirkung durch pflichtwidriges Verhalten) nicht auf die AGB berufen.29) d) Lesbarkeit und Verständlichkeit. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme in zu- 7.22 mutbarer Weise setzt auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr und auch bei sehr gebräuchlichen Klauseln Lesbarkeit voraus.30) Formularmäßige Bedingungen, die drucktechnisch so gestaltet sind, dass sie „nur mit der Lupe und selbst dann nicht ohne Mühe zu lesen sind“, werden nämlich gar nicht Vertragsbestandteil. Lesbarkeit und Verständlichkeit sind an der Geschäftserfahrung zu messen, wie sie von Unternehmern der jeweiligen Branche erwartet werden kann.31) e) Sprache. Werden die Vertragsverhandlungen in deutscher Sprache geführt, ist 7.23 der Verwender bei einem in Deutschland geschlossenen, deutschem Recht unter___________ 25) BGH, Urt. v. 31.10.2001 – VIII ZR 60/01, BGHZ 149, 113 = NJW 2002, 370 = ZIP 2002, 133. 26) BGH, Urt. v. 24.9.1952 – II ZR 205/51, BGHZ 7, 187 = NJW 1952, 1369; BGH, Urt. v. 30.6.1976 – VIII ZR 267/75, NJW 1976, 1886; BGH, Urt. v. 3.2.1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749; OLG Celle, Beschl. v. 24.7.2009 – 13 W 48/09, NJW-RR 2010, 136. 27) BGH, Urt. v. 3.2.1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749; BGH, Urt. v. 31.10.2001 – VIII ZR 60/01, BGHZ 149, 113 = NJW 2002, 370 = ZIP 2002, 133. 28) BGH, Urt. v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, BGHZ 102, 293 = NJW 1988, 1210 = ZIP 1988, 175; BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232 = ZIP 1992, 404. 29) OLG Hamm, Urt. v. 11.7.1983 – 2 U 86/83, DB 1983, 2619. 30) BGH, Urt. v. 30.5.1983 – II ZR 135/82, NJW 1983, 2772 = ZIP 1983, 1466; BGH, Urt. v. 3.2.1986 – II ZR 201/85, NJW-RR 1986, 1311. 31) BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 281/78, BeckRS 1979, 31120634 = Zeller II, 53; BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = ZIP 1982, 1449 = Zeller III, 231: branchenkundiger Gastwirt.

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§ 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen

stehendem Vertrag in de Regel nicht verpflichtet, für Ausländer Übersetzungen der AGB bereit zu halten.32) 7.

Einverständnis der anderen Partei

7.24 a) Grundsatz. Von einer geschäftlichen Einbeziehung in den Vertrag, sei es ausdrücklich, sei es konkludent, kann nur dann gesprochen werden, wenn der andere dieses Einverständnis jedenfalls konkludent erklärt hat. Neben einer ausdrücklichen Annahme des Angebots kann auch ein konkludentes Einverständnis mit der Geltung der AGB erklärt werden.33) Zu prüfen ist somit, ob in dem Verhalten der Parteien unter Anwendung der §§ 133, 157 BGB eine konkludente Einigung gesehen werden kann. Hat der Verwender erkennbar auf seine AGB verwiesen, dann trifft den unternehmerischen Partner die Pflicht, diesen unverzüglich zu widersprechen.34) Anderenfalls liegt in der angebotenen Leistung durch den Kunden in der Regel das Einverständnis mit den Vertragsbedingungen. 7.25 b) Ausnahme. Die Rechtsprechung zur Einbeziehung branchenüblicher AGB ist uneinheitlich. Teilweise wird gefordert, dass Umstände hinzutreten müssen, die den Schluss zulassen, dass der Kunde stillschweigend mit der AGB-Regelung einverstanden war.35) Andererseits ergebe sich ein Indiz für einen stillschweigenden (konkludenten) Einbeziehungswillen ohne besonderen Hinweis oder besondere Bezugnahme bei Vertragsabschluss aus der Branchenüblichkeit, falls nicht besondere Umstände entgegenstehen oder nicht erkennbar widersprochen wird.36) 7.26 c) Kaufmännisches Bestätigungsschreiben. Werden im Rahmen eines konstitutiven kaufmännischen Bestätigungsschreibens AGB erstmals und damit ohne Ankündigung in den vorangegangenen Verhandlungen einbezogen, so fragt es sich, ob nicht § 305c Abs. 1 BGB einer Einbeziehung entgegensteht. Der erstmalige Verweis des Bestätigenden auf seine AGB stellt allerdings keine so schwerwiegende („krasse“) Abweichung vom zuvor Besprochenen dar, dass der Bestätigende redlicherweise nicht mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann.37) Die Übermittlung der AGB wird als nicht notwendig angesehen.38) Anders ist zu entscheiden, wenn der Bestätigende nach der Verhandlungssituation im konkreten Fall nicht mit einem Einverständnis des Verhandlungsgegners mit ___________ 32) BGH, Urt. v. 10.3.1983 – VII ZR 302/82; BGHZ 87, 112 = NJW 1983, 1489; BGH, Urt. v. 26.6.1986 – III ZR 200/85. 33) BGH, Urt. v. 13.3.2007 – XI ZR 383/06, NJW-RR 2007, 582 = ZIP 2007, 905. 34) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – VIII ZR 84/91, BGHZ 117, 190 = NJW 1992, 1232 = ZIP 1992, 404. 35) BGH, Urt. v. 4.2.1992 – X ZR 105/90, NJW-RR 1992, 626. 36) BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 327/83, NJW 1985, 1838. 37) BGH, Urt. v. 24.9.1952 – II ZR 305/51, BGHZ 7, 187 = NJW 1952, 1369; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.12.1964 – 5 U 237/62, NJW 1965, 761. 38) BGH, Urt. v. 24.9.1952 – II ZR 305/51, BGHZ 7, 187 = NJW 1952, 1369.

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II. Einbeziehung

der Einbeziehung der nunmehr vorgelegten AGB rechnen kann, so im Fall einer Abwehrklausel. Dann verfehlt das Bestätigungsschreiben hinsichtlich der Einbeziehung der AGB seine Wirkung. Der Empfänger muss nicht widersprechen. Dieses ist dann anzunehmen, wenn der Empfänger des Bestätigungsschreibens in den Vertragsverhandlungen bereits auf seine AGB hingewiesen hat39) oder wenn der Empfänger seinerseits ein Bestätigungsschreiben unter Verweis auf seine AGB abgesendet hat (sich kreuzende Bestätigungsschreiben). 8.

Geltung für künftige Verträge

a) Grundsatz. Wird in einem Vertrag ausdrücklich auf die Geltung von AGB ver- 7.27 wiesen, so gelten diese grundsätzlich nur für den konkreten Vertrag, nicht aber für künftige Verträge der Parteien. b) Ausnahmen. aa) Die Geltung für weitere Verträge setzt bei einer einmaligen 7.28 Bezugnahme zum einen eine laufende Geschäftsbeziehung mit einer gewissen Häufigkeit von Verträgen voraus. Im Rahmen einer bestehenden ständigen Geschäftsverbindung ist es nicht erforderlich, dass bei jedem neu getätigten Rechtsgeschäft auf die AGB verwiesen wird, wenn vereinbart worden ist, dass alle Verträge zu den Bedingungen der AGB abgewickelt werden.40) Dann werden AGB, die bisher regelmäßig, jedenfalls wiederholt vereinbart waren, aber auch ohne erneuten Hinweis Bestandteil weiterer Verträge, wenn der Vertragspartner nicht deutlich widerspricht.41) bb) Eine konkludente Einbeziehung von Liefer-AGB soll zum anderen genügen, 7.29 wenn die Parteien über zehn Jahre Geschäfte miteinander abgeschlossen haben, die AGB stets auf der Vorderseite der Rechnungen, nicht auf der Rückseite des Angebotsschreibens ohne Hinweis auf der Vorderseite oder auf Lieferscheinen, aufgedruckt waren.42) c) Zurechnung. Voraussetzung einer Geltung für künftige Vertragsabschlüsse 7.30 ist, dass die Erklärung auf Seiten des Empfängers auch der für Vertragsabschlüsse zuständigen Person zur Kenntnis gelangt. Das ist der Lagerhalter oder Buchhalter, an den der Lieferschein oder die Rechnung geht, in der Regel nicht. Nach Auffassung der Rechtsprechung besteht hier eine interne „Vorlagepflicht“ an die für Vertragsabschlüsse zuständigen Personen.43)

___________ 39) 40) 41) 42)

BGH, Urt. v. 26.9.1973 – VIII ZR 106/72, BGHZ 61, 282 = NJW 1973, 2106. BGH, Urt. v. 11.4.1990 – XII ZR 32/89, NJW 1991, 570. BGH, Urt. v. 7.6.1978 – VIII ZR 146/77, NJW 1978, 2243. BGH, Urt. v. 15.6.1964 – VIII ZR 305/62, BGHZ 42, 53 = NJW 1964, 1788; BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, NJW-RR 1991, 570; BGH, Urt. v. 1.6.2005 – VIII ZR 256/04, NJW-RR 2005, 1518; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 43) BGH, Urt. v. 6.12.1990 – I ZR 138/89, NJW-RR 1991, 570.

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§ 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen

III.

Kollidierende AGB

1.

Einführung

7.31 Sowohl im Verhältnis verschiedener Getränkelieferanten zueinander als auch im Verhältnis derselben zu den Großformen des Lebensmitteleinzelhandels wird häufig eine Geschäftsbeziehung aufgenommen und auch durchgeführt, obwohl sich die jeweiligen AGB, auf die auch wiederholt verwiesen worden ist, einander jedenfalls in Teilaspekten widersprechen. Konsensuale Lösungen im Rahmen der §§ 305 Abs. 1 Satz 3 und 305b BGB sind eher selten. Dann fragt es sich, ob ein Vertrag überhaupt zustande gekommen ist und falls ja, welche Regelungen gelten. 2.

Lösung

7.32 Unstreitig kann auch zwischen Unternehmern auf ein Einverständnis nicht verzichtet werden.44) Lediglich die Begründungen unterscheiden sich. 7.33 a) Rechtsprechung. aa) Grundlagen. Die (ältere) Rechtsprechung ging von § 150 Abs. 2 BGB aus. Danach stellte die Annahme eines Angebots unter inhaltlichen Abweichungen eine Ablehnung des Antrages verbunden mit einem neuen Antrag dar, der wiederum vom anderen Teil angenommen werden musste. Die Annahme der Gegenofferte könne nicht schon darin gesehen werden, dass der Kunde die Auftragsbestätigung widerspruchslos entgegengenommen habe. Wohl aber könne der Kunde seinen Annahmewillen dadurch zum Ausdruck bringen, dass er die Vertragsleistung des Verwenders ohne Vorbehalt ganz oder teilweise annehme und Zahlungen an den Verwender leiste (§ 151 Satz 1 BGB, „Theorie des letzten Wortes“).45) 7.34 Weise derjenige, der das Angebot abgegeben habe, auf seine AGB hin und bestätige der andere Teil unter Hinweis auf seine eigenen AGB, so sei zwar das bloße Schweigen des Empfängers hierauf nicht als Annahme des modifizierten Antrags zu werten, wohl aber die widerspruchslose Durchführung des Vertrags.46) Der Vertrag komme dann mit dem zuletzt in Bezug genommenen AGB zustande. Wenn allerdings derjenige, der das Angebot abgegeben habe, widerspreche oder in seinen AGB Abwehr- oder Ausschließlichkeitsklauseln verwende, die ebenfalls als Widerspruch zu werten seien, und die Parteien in der Folge den Vertrag durchführen, ohne dass über die Einbeziehung der AGB eine Einigung erzielt worden wäre, komme der Vertrag zwar trotz des Dissenses zustande (Konkurrenzlösung); anstelle der kollidierenden AGB gelte aber dispositives Recht.47) Das Ergebnis entspricht der gesetzlichen Regelung des § 306 BGB. Die Vorschrift ___________ 44) 45) 46) 47)

BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 327/83, NJW 1985, 1838. BGH, Urt. v. 26.9.1973 – VIII ZR 106/72, BGHZ 61, 282 = NJW 1973, 2106. BGH, Urt. v. 22.3.1995 – VIII ZR 20/94, NJW 1995, 1671 = ZIP 1995, 943. BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484.

1186

III. Kollidierende AGB

drücke einen allgemeinen Rechtsgedanken aus und ersetze die Auslegungsregeln der §§ 154, 155 BGB. Die Verwendung von Abwehr- oder Geltungsklauseln sei im Hinblick auf den Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) unbeachtlich. bb) Im Übrigen Differenzierung. Hinsichtlich der Rechtsfolgen wird unter- 7.35 schieden. Eine in den AGB des Kunden enthaltene Abwehrklausel, wonach anders lautende Bedingungen – soweit sie nicht in dieser Bestellung festgelegt sind – nicht gelten, schließe alle Vertragsbedingungen des Verwenders (Lieferanten) aus und damit auch solche, die das Klauselwerk des Bestellers ergänzen.48) Dann gelte beispielsweise die Auslegungsregel des § 449 Abs. 1 BGB nicht. Gleiches gelte für Ausschließlichkeitsklauseln49). Wurde ausdrücklich ein Widerspruch erklärt, solle ein Teildissens insofern vorliegen, als die AGB einander widersprechen. Dann scheitere aber nur die Einbeziehung der kollidierenden AGB, während der Vertrag im Übrigen, also soweit die AGB übereinstimmen, Bestand habe (§ 306 Abs. 1 Fall 1 BGB) und die nicht Vertrag gewordenen AGB durch das dispositive Gesetzesrecht ersetzt würden (§ 306 Abs. 2 Fall 1 BGB).50) Lediglich dann, wenn in einer der kollidierenden AGB eine allgemeine Abwehr- oder Ausschließlichkeitsklausel51) ist, soll dies anders sein.52) b) Schrifttum. Zu dem gleichen Ergebnis – Annahme eines wirksamen Vertrags- 7.36 abschlusses – gelangt das überwiegende Schrifttum unabhängig vom Vorliegen einer Abwehr- oder Ausschließlichkeitsklausel.53) In Umkehrung der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 BGB54) sollen die beiderseitigen AGB Vertragsbestandteil werden, soweit sie einander nicht inhaltlich widersprechen (Prinzip der Kongruenzgeltung). Ein entsprechender Parteiwille ist z. B. anzunehmen bei Andienung und Abnahme von Teilleistungen. Haben die Parteien ihre Vertragserklärungen ausgetauscht, ohne ihren Dissens über die AGB zu bemerken, folge das gleiche Ergebnis aus § 155 BGB. Im Übrigen scheitere eine Einbeziehungsvereinbarung insoweit und die widersprechenden AGB würden nicht Vertragsbestandteil bei Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 2 BGB). ___________ 48) BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484. 49) Beispiel „Anderslautende Bestimmungen gelten auch im Fall der widerspruchslosen Annahme der Leistung des Vertragspartners nicht.“ 50) BGH, Urt. v. 3.2.1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749; BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 327/83, NJW 1985, 1838; BGH, Urt. v. 19.6.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633; BGH, Urt. v. 22.3.1995 – VIII ZR 20/94, NJW 1995, 1671 = ZIP 1995, 843, OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.4.1996 – 11 U 54/95, NJW-RR 1997, 946. 51) Beispiel nach BGH, Urt. v. 19.6.1991 – VIII ZR 149/90, NJW 1991, 2633, und BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484: „Anderslautende Bedingungen, soweit sie nicht in dieser gesamten Bestellung festgelegt sind, gelten nicht.“ 52) BGH, Urt. v. 3.2.1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749. 53) Staudinger-Bork, BGB § 150 Rz. 18. 54) MünchKomm-Basedow, BGB, § 305 Rz. 106.

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§ 58 Allgemeine Geschäftsbedingungen

7.37 c) Entscheidungserheblichkeit. Die praktische Durchführung des Vertrages trotz des Streits um die Einbeziehung der kollidierenden AGB steht nach allgemeiner Auffassung im Ergebnis der Annahme eines wirksamen Vertragsschlusses nicht entgegen. 7.38 d) Vertragsinhalt. Ist der Vertrag trotz der fehlenden Einigung über die Geltung der AGB nach den vorgenannten Grundsätzen zustande gekommen, richtet sich der Vertragsinhalt vorrangig nach den gesetzlichen Vorschriften. Kann allerdings den widersprechenden AGB in einzelnen Aspekten ein übereinstimmender Parteiwille entnommen werden, so ist diesem bei der Festlegung des Vertragsinhaltes möglichst weitgehend Rechnung zu tragen. Inhaltlich übereinstimmende AGBRegelungen sind also Vertragsbestandteil (sog. Prinzip der Kongruenzgeltung).55) Jede Partei muss deckungsgleiche Bedingungen gegen sich gelten lassen, auch wenn sie die andere Seite begünstigen. Zusätzlich enthaltene Regelungen werden dagegen grundsätzlich nicht Vertragsinhalt. Insofern kann kein stillschweigendes Einverständnis angenommen werden.56) 7.39 e) Eigentumsvorbehalt. Ein einfacher Eigentumsvorbehalt kann sowohl im Kaufvertrag vereinbart als auch vor Vertragserfüllung im Rahmen des Erfüllungsgeschäfts begründet werden.57) Allerdings sind die Voraussetzungen, unter denen ein nachträglich erklärter einfacher Eigentumsvorbehalt wirksam werden kann, sehr strikt. Die Erklärung muss dem Käufer so zugehen, dass die Kenntnisnahme hiervon zumutbar ist. Nicht ausreichend ist es, wenn ein nachträglicher einfacher Eigentumsvorbehalt aufgrund beigefügter Lieferscheine oder sonstiger Warenbegleitdokumente lediglich der Warenannahmestelle zur Kenntnis gebracht wird. Die Eigentumsvorbehaltserklärung muss vielmehr einer zur Vertragsgestaltung befugten Person des Vertragspartners zugehen.58) Eine Verpflichtung des Vertragspartners, Lieferscheine daraufhin zu kontrollieren, ob sie einen vertragswidrigen Eigentumsvorbehalt enthalten, besteht nicht. 3.

Einseitige Regelung

7.40 Praktisch bedeutsam werden kann auch der Sonderfall, dass sich in den AGB der einen Seite eine Regelung findet, während die AGB der anderen Seite hierzu schweigen. Mangels Entsprechung in dem anderen Klauselwerk liegt insofern kein Widerspruch vor. Teilweise wird angenommen, solche einseitigen Regelungen könnten dann Geltung erlangen, wenn sich im Wege der Auslegung der Wille des Klauselgegners ermitteln lasse, mit der Geltung dieser seine AGB er___________ 55) BGH, Urt. v. 23.1.1991 – VIII ZR 122/90, BGHZ 113, 251 = NJW 1991, 1604 = ZIP 1991, 802. 56) BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484. 57) BGH, Urt. v. 30.3.1988 – VIII ZR 340/86, BGHZ 104, 129 = NJW 1988, 1774 = ZIP 1988, 781. 58) BGH, Urt. v. 3.2.1982 – VIII ZR 316/80, NJW 1982, 1749 = ZIP 1982, 447.

1188

II. Nachsicht

gänzenden Regelungen einverstanden zu sein. Dies könne insbesondere bei begünstigenden Klauseln angenommen werden, wenn kein erkennbarer Zusammenhang mit einer anderen Klausel bestehe, die nach Kollisionsgrundsätzen keine Geltung erlangt. Entsprechendes gelte, wenn die einseitig regelnde Klausel im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen handelsüblich sei. Darauf, ob die AGB des anderen Teils eine allgemeine Abwehrklausel enthalte, komme es nicht an.59) Die Rechtsprechung verweist auf das fehlende Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB des anderen Vertragsteils.60) § 59 Ausgewählte Klauseln Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist eine Reihe allgemeiner Bestimmun- 7.41 gen. Diese finden sich entweder im Getränkelieferungsvertrag selbst, zumeist am Ende (sog. Schlussbestimmungen) oder in eigenständigen AGB, die durch Inbezugnahme Vertragsbestandteil werden. Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie der Vereinfachung der Vertragsabwicklung dienen und eine schnelle Durchsetzung vertraglicher Ansprüche fördern. Der Getränkelieferant kann mit ihrer Hilfe berechtigte Ansprüche, gleich welcher Art, erleichtert gerichtlich durchsetzen. I.

Stellung der Vertragspartner

1.

Inhalt

In Getränkelieferungsverträgen wird zumeist ausdrücklich noch einmal klarge- 7.42 stellt, dass bei mehreren Vertragspartnern auf Kundenseite eine Teilschuld nicht gewollt ist. Der Vertrag erhält sowohl den Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung i. S. d. § 421 BGB61) als auch auf eine Gesamtgläubigerstellung i. S. d. § 428 BGB. 2.

Wirksamkeit

Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht. II.

Nachsicht

1.

Inhalt

7.43

Geringfügige Vertragsverstöße gegen die vereinbarte Jahresmindestabnahmemen- 7.44 ge oder gegen die Ausschließlichkeitsbindung ziehen häufig nicht sofort die an sich möglichen Sanktionspotentiale nach dem Vertrag bzw. dem Gesetz nach sich. Vielmehr wird zunächst die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit ab___________ 59) Ulmer-Brandner-Hensen-Ulmer/Habersack, BGB § 305 Rz. 194 m. w. N. 60) BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484. 61) BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524.

1189

II. Nachsicht

gänzenden Regelungen einverstanden zu sein. Dies könne insbesondere bei begünstigenden Klauseln angenommen werden, wenn kein erkennbarer Zusammenhang mit einer anderen Klausel bestehe, die nach Kollisionsgrundsätzen keine Geltung erlangt. Entsprechendes gelte, wenn die einseitig regelnde Klausel im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen handelsüblich sei. Darauf, ob die AGB des anderen Teils eine allgemeine Abwehrklausel enthalte, komme es nicht an.59) Die Rechtsprechung verweist auf das fehlende Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB des anderen Vertragsteils.60) § 59 Ausgewählte Klauseln Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist eine Reihe allgemeiner Bestimmun- 7.41 gen. Diese finden sich entweder im Getränkelieferungsvertrag selbst, zumeist am Ende (sog. Schlussbestimmungen) oder in eigenständigen AGB, die durch Inbezugnahme Vertragsbestandteil werden. Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie der Vereinfachung der Vertragsabwicklung dienen und eine schnelle Durchsetzung vertraglicher Ansprüche fördern. Der Getränkelieferant kann mit ihrer Hilfe berechtigte Ansprüche, gleich welcher Art, erleichtert gerichtlich durchsetzen. I.

Stellung der Vertragspartner

1.

Inhalt

In Getränkelieferungsverträgen wird zumeist ausdrücklich noch einmal klarge- 7.42 stellt, dass bei mehreren Vertragspartnern auf Kundenseite eine Teilschuld nicht gewollt ist. Der Vertrag erhält sowohl den Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung i. S. d. § 421 BGB61) als auch auf eine Gesamtgläubigerstellung i. S. d. § 428 BGB. 2.

Wirksamkeit

Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht. II.

Nachsicht

1.

Inhalt

7.43

Geringfügige Vertragsverstöße gegen die vereinbarte Jahresmindestabnahmemen- 7.44 ge oder gegen die Ausschließlichkeitsbindung ziehen häufig nicht sofort die an sich möglichen Sanktionspotentiale nach dem Vertrag bzw. dem Gesetz nach sich. Vielmehr wird zunächst die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit ab___________ 59) Ulmer-Brandner-Hensen-Ulmer/Habersack, BGB § 305 Rz. 194 m. w. N. 60) BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484. 61) BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524.

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II. Nachsicht

gänzenden Regelungen einverstanden zu sein. Dies könne insbesondere bei begünstigenden Klauseln angenommen werden, wenn kein erkennbarer Zusammenhang mit einer anderen Klausel bestehe, die nach Kollisionsgrundsätzen keine Geltung erlangt. Entsprechendes gelte, wenn die einseitig regelnde Klausel im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen handelsüblich sei. Darauf, ob die AGB des anderen Teils eine allgemeine Abwehrklausel enthalte, komme es nicht an.59) Die Rechtsprechung verweist auf das fehlende Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB des anderen Vertragsteils.60) § 59 Ausgewählte Klauseln Getränkelieferungsverträge enthalten zumeist eine Reihe allgemeiner Bestimmun- 7.41 gen. Diese finden sich entweder im Getränkelieferungsvertrag selbst, zumeist am Ende (sog. Schlussbestimmungen) oder in eigenständigen AGB, die durch Inbezugnahme Vertragsbestandteil werden. Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie der Vereinfachung der Vertragsabwicklung dienen und eine schnelle Durchsetzung vertraglicher Ansprüche fördern. Der Getränkelieferant kann mit ihrer Hilfe berechtigte Ansprüche, gleich welcher Art, erleichtert gerichtlich durchsetzen. I.

Stellung der Vertragspartner

1.

Inhalt

In Getränkelieferungsverträgen wird zumeist ausdrücklich noch einmal klarge- 7.42 stellt, dass bei mehreren Vertragspartnern auf Kundenseite eine Teilschuld nicht gewollt ist. Der Vertrag erhält sowohl den Hinweis auf die gesamtschuldnerische Haftung i. S. d. § 421 BGB61) als auch auf eine Gesamtgläubigerstellung i. S. d. § 428 BGB. 2.

Wirksamkeit

Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht. II.

Nachsicht

1.

Inhalt

7.43

Geringfügige Vertragsverstöße gegen die vereinbarte Jahresmindestabnahmemen- 7.44 ge oder gegen die Ausschließlichkeitsbindung ziehen häufig nicht sofort die an sich möglichen Sanktionspotentiale nach dem Vertrag bzw. dem Gesetz nach sich. Vielmehr wird zunächst die weitere Entwicklung der Zusammenarbeit ab___________ 59) Ulmer-Brandner-Hensen-Ulmer/Habersack, BGB § 305 Rz. 194 m. w. N. 60) BGH, Urt. v. 24.10.2000 – X ZR 42/99, NJW-RR 2001, 484. 61) BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524.

1189

§ 59 Ausgewählte Klauseln

gewartet. Mit einer Nachsichtklausel wird dem Kunden der Einwand genommen, der Getränkelieferant hätte seine Rechte früher geltend machen müssen. 2.

Wirksamkeit

7.45 Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht. III.

Schriftform

1.

Zweck

7.46 Alle Schriftformklauseln haben den Zweck, die Beachtlichkeit „formlosen“ Verhaltens herabzustufen. Sie wollen den Inhalt der AGB „schützen“, allerdings nicht einen bestimmten anderen Inhalt an die Stelle des Individualverhaltens setzen. Die Schriftform kann nur zu Beweiszwecken dienen, die Vertretungsmacht der handelnden Personen begrenzen oder aber auch eine echte konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung sein. 2.

Auslegung

7.47 a) Grundsatz. Die Parteien können aufgrund der Vertragsfreiheit bestimmen, dass ein gesetzlich nicht formbedürftiges Rechtsgeschäft in einer bestimmten Form abgeschlossen werden soll. Sie können dabei an die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Formen anknüpfen. Es ist ihnen aber auch unbenommen, andere Formen als Wirksamkeitsvoraussetzungen zu bestimmen, z. B. eingeschriebener Brief. 7.48 b) Alternativen. aa) Falls eine Formvereinbarung vorliegt, muss festgestellt werden, ob diese Form Wirksamkeitsvoraussetzung sein (konstitutiv) oder lediglich der Erleichterung des Beweises wichtiger Vertragsabreden oder der Klarstellung dienen soll (deklaratorisch). Gem. § 125 Satz 2 BGB hat der rechtsgeschäftlich bedingte Formmangel nämlich nur im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge, wie auch § 127 Satz 1 BGB zeigt. Welches Schriftformerfordernis vereinbart wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln. 7.49 bb) Konstitutive Schriftformklauseln. Bei entsprechenden Klausel sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam. 7.50 cc) Deklaratorische Schriftformklauseln. Eine deklaratorische Schriftform liegt dann vor, wenn die Parteien die Schriftform deswegen gewählt haben, um damit Beweiszwecken zu dienen. Die Übermittlungsform hat dann lediglich die Funktion der Beweiserleichterung.62) Trifft dies zu, dann spielt die Nichteinhaltung der Form keine entscheidende Rolle, weil dann beide Parteien einen Anspruch darauf haben, dass die fehlende Form nachgeholt wird.63) Dies ist vor allem dann ___________ 62) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, NJW 2009, 433. 63) BGH, Urt. v. 18.3.1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269.

1190

§ 59 Ausgewählte Klauseln

gewartet. Mit einer Nachsichtklausel wird dem Kunden der Einwand genommen, der Getränkelieferant hätte seine Rechte früher geltend machen müssen. 2.

Wirksamkeit

7.45 Wirksamkeitsbedenken bestehen nicht. III.

Schriftform

1.

Zweck

7.46 Alle Schriftformklauseln haben den Zweck, die Beachtlichkeit „formlosen“ Verhaltens herabzustufen. Sie wollen den Inhalt der AGB „schützen“, allerdings nicht einen bestimmten anderen Inhalt an die Stelle des Individualverhaltens setzen. Die Schriftform kann nur zu Beweiszwecken dienen, die Vertretungsmacht der handelnden Personen begrenzen oder aber auch eine echte konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung sein. 2.

Auslegung

7.47 a) Grundsatz. Die Parteien können aufgrund der Vertragsfreiheit bestimmen, dass ein gesetzlich nicht formbedürftiges Rechtsgeschäft in einer bestimmten Form abgeschlossen werden soll. Sie können dabei an die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Formen anknüpfen. Es ist ihnen aber auch unbenommen, andere Formen als Wirksamkeitsvoraussetzungen zu bestimmen, z. B. eingeschriebener Brief. 7.48 b) Alternativen. aa) Falls eine Formvereinbarung vorliegt, muss festgestellt werden, ob diese Form Wirksamkeitsvoraussetzung sein (konstitutiv) oder lediglich der Erleichterung des Beweises wichtiger Vertragsabreden oder der Klarstellung dienen soll (deklaratorisch). Gem. § 125 Satz 2 BGB hat der rechtsgeschäftlich bedingte Formmangel nämlich nur im Zweifel die Nichtigkeit des gesamten Vertrages zur Folge, wie auch § 127 Satz 1 BGB zeigt. Welches Schriftformerfordernis vereinbart wurde, ist durch Auslegung zu ermitteln. 7.49 bb) Konstitutive Schriftformklauseln. Bei entsprechenden Klausel sind Änderungen und Ergänzungen des Vertrags ohne Beachtung der Schriftform unwirksam. 7.50 cc) Deklaratorische Schriftformklauseln. Eine deklaratorische Schriftform liegt dann vor, wenn die Parteien die Schriftform deswegen gewählt haben, um damit Beweiszwecken zu dienen. Die Übermittlungsform hat dann lediglich die Funktion der Beweiserleichterung.62) Trifft dies zu, dann spielt die Nichteinhaltung der Form keine entscheidende Rolle, weil dann beide Parteien einen Anspruch darauf haben, dass die fehlende Form nachgeholt wird.63) Dies ist vor allem dann ___________ 62) BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, NJW 2009, 433. 63) BGH, Urt. v. 18.3.1964 – VIII ZR 281/62, NJW 1964, 1269.

1190

III. Schriftform

anzunehmen, wenn die Parteien den Vertrag einvernehmlich – trotz der fehlenden Schriftform – in Vollzug gesetzt haben.64) Deklaratorische Schriftformklauseln wiederholen lediglich die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Urkunde (§ 440 Abs. 2 ZPO) und zielen lediglich darauf ab, die ohnehin bestehende Rechtslage widerzuspiegeln, wonach außerhalb der schriftlich abgefassten Urkunde keine weiteren Vereinbarungen getroffen worden sind.65) Eine Beweislastverlagerung zum Nachteil des Partners ist nicht festzustellen. Die gesetzliche Beweislast für (mündliche) Nebenabreden liegt nach den allgemeinen Grundsätzen bereits bei demjenigen, der sich auf sie beruft.66) c) Im Zweifel. Führt die Auslegung der vertraglichen Schriftformklausel zu kei- 7.51 nem abschließenden Ergebnis, so greift die Vermutung des § 125 Satz 2 BGB, wonach die vereinbarte Form Wirksamkeitsvoraussetzung für das gesamte Rechtsgeschäft ist und das rechtsgeschäftliche Formerfordernis konstitutive Wirkung hat.67) Ebenso ist bei vereinbarter Beurkundung der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen, bis die Beurkundung erfolgt ist (§ 154 Abs. 2 BGB). 3.

Aufhebung

Der Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) gilt nicht nur für Vereinbarun- 7.52 gen bei Vertragsschluss, sondern er erfasst auch nachträgliche Vereinbarungen.68) Die Vertragsparteien können damit das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit bewusst und auch unbewusst, schlüssig und formlos aufheben. Dies ist sogar dann möglich, wenn die Vertragsparteien bei ihrer mündlichen Abrede an die Schriftform überhaupt nicht gedacht haben. Von den Vertragsparteien können somit Schriftformklauseln jederzeit wirksam aufgehoben werden, indem abweichende Abreden mündlich getroffen werden.69) Voraussetzung ist nur, dass die Individualvereinbarung ihrerseits wirksam ist. Ist gesetzlich eine Form vorgeschrieben, so hat die den Vertrag modifizierende Individualabrede diese einzuhalten.70)

___________ 64) BGH, Urt. v. 27.1.1997 – II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, NJW 2009, 433. 65) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 = ZIP 1999, 1887. 66) BGH, Urt. v. 19.6.1985 – VIII ZR 238/84, NJW 1985, 2329. 67) Palandt-Ellenberger, BGB, § 125 Rz. 17. 68) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138. 69) BGH, Urt. v. 12.12.2001 – VIII ZR 351/99, BeckRS 2001, 30226437; BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 66/09, NJW 2009, 433. 70) BeckOK BGB/H. Schmidt, BGB § 305b Rz. 18.

1191

§ 59 Ausgewählte Klauseln

4.

Grundlagen der AGB-Kontrolle

7.53 a) Einbeziehung. aa) § 305b BGB. aaa) Unternehmerverkehr. Das Vorrangprinzip des § 305b BGB gilt uneingeschränkt auch für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern.71) 7.54 bbb) Vorrangprinzip. Verlangen Schriftformklauseln konstitutiv für Änderungen des Vertrages oder Nebenabreden die Einhaltung der Schriftform, verstoßen sie gegen § 305b BGB. Selbst wenn ein Vertrag eine wirksame Schriftformklausel enthält, setzen sich individuelle Vertragsabreden nach dem Vorrangprinzip des § 305b BGB durch.72) 7.55 bb) § 305c Abs. 1 BGB. Angesichts der allgemeinen Verbreitung von Schriftformklauseln muss der Vertragspartner mit ihnen rechnen. Sie sind daher in der Regel nicht als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB anzusehen. 7.56 b) § 309 Nr. 12 BGB. Schriftformklauseln enthalten keine Beweislastregeln. Sie rekurrieren vielmehr auf die Frage der Wirksamkeit der abgegebenen Erklärung. Diese Frage wird von § 309 Nr. 12 BGB nicht erfasst. Anders mag dies bei Vollständigkeitsklauseln sein.73) 7.57 c) Kontrollfähigkeit. Ergibt sich die Notwendigkeit der Schriftform bereits aus gesetzlichen Vorschriften wie § 550 BGB, so haben Schriftformklauseln nur klarstellende Natur. Der BGH ließ allerdings offen, ob entsprechende Schriftformklauseln nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen sind.74) 7.58 d) Leitbild des § 305b BGB. Klauseln, die den Eindruck erwecken, mündliche Nebenabreden, die vor oder während des Vertragsschlusses getroffen worden sind, seien wirkungslos, halten einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305b BGB nicht stand.75) 7.59 e) Transparenzgebot. Diese Irreführung des Vertragspartners benachteiligt ihn unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie intransparent ist. Der Klauselgegner wird davon abgehalten, sich auf die Rechte zu berufen, die ihm aufgrund einer wirksamen mündlichen Vereinbarung zustehen.76) ___________ 71) BGH, Urt. v. 15.2.2007 – I ZR 40/04, BGHZ 171, 141 = NJW 2007, 2036. 72) BGH, Urt. v. 12.12.2001 – XII ZR 351/99, NJOZ 2002, 833; BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138; BGH, Urt. v. 8.10.2008 – XII ZR 66/06, NJW 2009, 433. 73) Siehe unten § 59 III 8 c m. w. N. 74) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138, zu § 550 BGB; BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309, zu § 34 GWB a. F. 75) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138; BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VII ZR 288/05, BGHZ 172, 237 = NJW 2007, 3712. 76) BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292; OLG Rostock, Beschl. v. 19.5.2009 – 3 U 16/09, NJW 2009, 3376.

1192

III. Schriftform

5.

Einfache Schriftformklauseln

a) Begriff. Einfache Schriftformklauseln liegen immer dann vor, wenn eine Klau- 7.60 sel für Erklärungen oder Abreden der Parteien die Einhaltung der Schriftform vorschreibt.77) Nur schriftlich abgefasste und zugegangene Erklärungen sollen als wirksam anerkannt werden. Begrifflich erfasst werden aber auch Klauseln, die auf eine nachträgliche Änderung des Vertrages abzielen. b) Beispiele sind Klauseln wie „Ergänzende/modifizierende Abreden setzen die 7.61 Einhaltung der Schriftform voraus.“, „Vereinbarungen oder Änderungen sind nur in schriftlicher Form gültig.“,78) „Mündliche Abreden bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.“, „Sämtliche Vereinbarungen sind schriftlich niederzulegen.“,79) „Änderungen oder Ergänzungen bedürfen der Schriftform.“ oder „Alle Vereinbarungen sind schriftlich zu treffen.“ c) Einbeziehung. aa) § 305b BGB. Eine einfache Schriftformklausel verhindert 7.62 nicht, dass eine wirksame mündliche Vereinbarung geschlossen werden kann. Sind abweichende Regelungen in den AGB enthalten, so steht § 305b BGB einer wirksamen Einbeziehung entgegen.80) bb) § 305c Abs. 2 BGB. Finden sich in der Klausel auch gegenseitige Vereinba- 7.63 rungen der Parteien, muss sich aus ihr mit hinreichender Deutlichkeit ergehen, dass die Schriftform lediglich der Dokumentation dient und keine konstitutive Wirksamkeitsbedingung ist. d) Inhaltskontrolle. aa) Unwirksam sind konstitutive Schriftformklauseln 7.64 (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305b BGB).81) Sie könnten dem Verwender die Möglichkeit eröffnen, den Vertragspartner durch den Verweis auf die Schriftform von der Durchsetzung seiner Rechte abzuhalten.82) bb) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Übrigen halten einfache Schriftformklauseln 7.65 grundsätzlich einer Inhaltskontrolle stand, wenn es sich um deklaratorische Schriftformklauseln handelt.83) Anders ist für konstitutive Schriftformklauseln zu entscheiden. Sie verstoßen gegen §§ 305b, 307 und 309 Nr. 12 BGB, soweit sie ___________ 77) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619. 78) BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619. 79) BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292. 80) BGH, Urt. v. 20.10.1994 – III ZR 76/94, NJW-RR 1995, 179; BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138 (zur einfachen Schriftformklausel in einem langfristigen Gewerbemietvertrag). 81) BGH, Urt. v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292; BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VIII ZR 288/05, BGHZ 172, 237 = NJW 2007, 3712. 82) BGH, Urt. v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320 = ZIP 1984, 1485; BGH, Urt. v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, NJW 1995, 1488 = ZIP 1995, 1197. 83) BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VIII ZR 288/05, BGHZ 172, 237 = NJW 2007, 3712.

1193

§ 59 Ausgewählte Klauseln

eine unwiderlegliche Vermutung begründen wollen und damit der Rückgriff auf § 305b BGB gesperrt wird.84) 6.

Bestätigungsklauseln

7.66 a) Begriff. aa) Bestätigungsklauseln machen zum einen die Wirksamkeit von (späteren) Nebenabreden außerhalb der Vertragsurkunde konstitutiv von einer schriftlichen Bestätigung durch ggf. bestimmte besonders bevollmächtigte Personen – etwa den Geschäftsführer – abhängig.85) Damit handelt es sich auch um Anwendungsfälle qualifizierter Schriftformklauseln. Da die Klauseln nicht bei der Form der Zusatzvereinbarung ansetzen – auch eine schriftliche Erklärung des Vertreters würde nicht zur Wirksamkeit führen –, handelt es sich letztlich um eine Beschränkung der Vollmacht. 7.67 bb) Zum anderen versucht der Verwender gelegentlich mit Bestätigungsklauseln den Umfang der (Erklärungs-)Vertretungsmacht einer an sich vertretungsberechtigten Hilfsperson einzuschränken. Mündliche Erklärungen des Vertreters sollen nur dann wirksam ist, wenn sie von einer besonders bezeichneten Person – etwa dem Geschäftsführer – schriftlich bestätigt worden ist. 7.68 b) Beispiele. „Mündliche Abmachungen haben ohne schriftliche Bestätigung keine Gültigkeit.“, „Mündliche Zusagen oder den Vertragstext modifizierende bzw. ergänzende Abreden sind abhängig von einer schriftlichen Bestätigung seitens des Verwenders.“, „Mündliche Zusagen sind abhängig von einer schriftlichen Bestätigung.“, „In diesem Vertrag sind alle Vereinbarungen der Parteien vollständig niedergelegt. Nebenabreden sind nicht getroffen. Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrages sollen nur gültig sein, wenn sie in gleicher Weise wie dieser Vertrag schriftlich zustande kommen.“ „Unsere Außendienstmitarbeiter sind nicht berechtigt, von diesem Formular abweichende Zusagen zu machen“. 7.69 c) Abgrenzung. Fehlt eine entsprechende Einschränkung, greift auch bei einem Handeln eines Vertreters der Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB). Zu einer individuellen Vereinbarung mit dem Vertragspartner ist ein Vertreter mangels Vollmachtsbeschränkung grundsätzlich befugt. Streng genommen handelt es sich bei Bestätigungsklauseln daher nicht um Schriftformklauseln, denn die Klausel setzt nicht bei der Form der Zusatzvereinbarung an – auch eine schriftliche Erklärung des Vertreters würde nicht zur Wirksamkeit führen –, sondern eine um die Vertretungsmacht von Mitarbeitern des Verwenders beschränkende Anordnung. Schriftformklauseln regeln dagegen nicht die Vertretungsmacht von Hilfspersonen des Verwenders, sondern die Anforderungen an die Form von Erklärungen der Vertragsparteien.86) ___________ 84) Palandt-Grüneberg, BGB, § 305b Rz. 5. 85) OLG Rostock, Beschl. v. 19.5.2009 – 3 U 16/09, NJW 2009, 3376. 86) BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619.

1194

III. Schriftform

d) Einbeziehung. Soweit Bestätigungsklauseln die Verbindlichkeit individueller mündlicher Zusagen des Verwenders von einer schriftlichen Bestätigung abhängig machen, verstoßen sie gegen § 305b BGB.87) Dies muss aber nicht immer sein. Die Vorschrift setzt nämlich voraus, dass eine Individualvereinbarung wirksam zustande gekommen ist, was wiederum nach allgemeinen Regeln Vertretungsmacht (§ 177 BGB) der für den Verwender handelnden Person voraussetzt.88) e) Inhaltskontrolle: aa) Die Frage nach der Wirksamkeit einer entsprechenden Klausel kann sich erst dann stellen, wenn das eingeschaltete Personal nach allgemeinen Grundsätzen überhaupt Vertretungsmacht besitzt. Soweit dem Vertreter für mündliche Zusatzabreden oder nach dem Vertragsmuster nicht vorgesehene Ergänzungen und Abweichungen gleich welcher Form weder Vollmacht zukommt noch Vertretungsmacht kraft Rechtsscheins zu bejahen ist, mangelt es an einer Wirksamkeit „im Übrigen“. Die Geltung mündlicher Absprachen bzw. von Sonderzusagen gleich welcher Art scheitert hier bereits am Erfordernis einschlägiger Vertretungsmacht. Rechtsgeschäftliche Erklärungen von Personen, die nicht vertretungsberechtigt sind, sind aufgrund der Bestätigungsklausel grundsätzlich nur wirksam, wenn sie in der Schriftform abgegeben oder bestätigt worden sind. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB steht der Wirksamkeit nicht entgegen, weil der Verwender ein berechtigtes Interesse daran hat, sich vor unkontrollierten Zusagen nicht bevollmächtigter Personen zu schützen.89) Daher ist eine differenzierende Betrachtung angezeigt. bb) Zulässig sind Klauseln, die eine entsprechende Bestätigung in Fällen verlangen, in denen der Handelnde auch unabhängig von der Klausel keine Vertretungsmacht hat. Dann wird mit der Klausel weder die Vertretungsmacht eingeschränkt noch eine unzulässige Schriftform begründet. Es liegt nur ein überflüssiger Hinweis auf die Rechtslage vor.90) cc) Derartige Klauseln sind weiter dann zulässig wenn mit ihnen mit hinreichender Deutlichkeit die Vertretungsmacht des Handelnden in zulässiger Weise beschränkt wird. Eine derartige Beschränkung ergibt sich allerdings nicht bereits aus einer einfachen Schriftformklausel. Vielmehr muss sich aus der Klausel unmissverständlich ergeben, dass gerade Erklärungen des Vertreters nur mit einer schriftlichen Zustimmung wirksam sein sollen.91) Dies zeigt den Weg zu einer weiteren Unterscheidung.

___________ 87) 88) 89) 90) 91)

BGH, Urt. v. 28.4.1983 – VII ZR 246/82, NJW 1983, 1853. MünchKomm-Basedow, BGB, § 305b Rz. 14. BGH, Urt. v. 24.10.1979 – VIII ZR 235/78, NJW 1980, 234. BGH, Urt. v. 14.7.1994 – VII ZR 186/93, NJW-RR 1995, 80 = ZIP 1994, 1607. BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619.

1195

7.70

7.71

7.72

7.73

§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.74 dd) Organschaftliche Vertreter und Prokuristen. Hat der für den Verwender rechtsgeschäftlich handelnde Vertreter nach den allgemeinen Regeln des BGB bzw. HGB Vertretungsmacht, so enthält die Bestätigungsklausel eine Beschränkung dieser Vertretungsmacht. Die Wirksamkeit dieser Beschränkung bestimmt sich nach den einschlägigen Sondervorschriften, etwa § 50 Abs. 1 HGB, im Übrigen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Ist der Umfang der Vertretungsmacht gesetzlich bestimmt, wie etwa bei einem Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 GmbHG) oder einem Prokuristen (§ 48 HGB), so ist die AGB-Klausel unwirksam. Mit der gesetzlichen Festlegung des Umfangs der Vertretungsmacht soll nämlich den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung getragen werden. Eine Beschränkung wäre demnach mit diesem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren.92) 7.75 ee) Typisierte, aber beschränkbare Vertretungsmacht. Bei Vorliegen etwa einer Handlungsvollmacht (§ 54 HGB), der Vertretungsmacht bei Handelsvertretern (§§ 91 Abs. 2, 92a Abs. 1 HGB) oder Versicherungsvertretern (§§ 69 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 72 VVG) oder Annahme einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht gilt: Zulässig können derartige Klauseln sein, wenn mit ihnen mit hinreichender Deutlichkeit und vor Vertragsschluss die Vertretungsmacht des Handelnden in zulässiger Weise beschränkt wird. Dazu muss sich aus der Klausel erkennbar93) und unmissverständlich ergeben, dass gerade Erklärungen des Vertreters nur mit einer schriftlichen Zustimmung wirksam sein sollen. Eine einfache Schriftformklausel genügt nicht.94) Fehlt eine solche Einschränkung, greift auch bei einem Handeln eines Vertreters der Vorrang der Individualabrede (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305b BGB). Zu einer individuellen Vereinbarung mit dem Vertragspartner ist ein Vertreter mangels Vollmachtsbeschränkung nämlich grundsätzlich befugt. Sonach liegt keine unbillige Benachteiligung der Vertragsgegenseite vor, wenn der Verwender das Entstehen von Vertrauenstatbeständen zu seinen Lasten im Rahmen des Möglichen zu verhindern oder zu erschweren sucht.95) 7.76 f) § 306 Abs. 2 BGB. Ist ein Bestätigungsvorbehalt unwirksam, so gilt nach § 306 Abs. 2 BGB dispositives Recht.

___________ 92) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309; BGH, Urt. v. 28.4.1983 – VII ZR 246/82, NJW 1983, 1853. BGH, Urt. v. 26.3.1986 – VIII ZR 85/85, NJW 1986, 1809 (Handlungsvollmacht). 93) BGH, Urt. v. 26.3.1986 – VIII ZR 85/85, NJW 1986, 1809 (Handlungsvollmacht). Vgl. § 54 Abs. 3 HGB. 94) BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619. 95) BGH, Urt. v. 26.3.1986 – VIII ZR 85/85, NJW 1986, 1809 (Handlungsvollmacht, Rechtsscheinsvollmachten); BGH, Urt. v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633 = ZIP 1999, 1008 (Empfangsvollmacht eines Versicherungsvertreters); BGH, Urt. v. 14.7.1994 – VII ZR 186/93, NJW-RR 1995, 80 = ZIP 1994, 1607 (Rechtsscheinsvollmachten).

1196

III. Schriftform

7.

Doppelte Schriftformklauseln

a) Begriff. Eine doppelte Schriftformklausel schreibt nicht nur für Vertrags- 7.77 änderungen die Schriftform vor, sondern unterstellt auch die Aufhebung des vertraglichen Schriftformerfordernisses der Schriftform.96) Der BGH bezeichnet derartige Klauseln häufig auch als qualifizierte Schriftformklauseln.97) b) Beispiele. „Änderungen der Schriftformklausel bedürfen der Schriftform.“

7.78

c) Interessenlage. An der Verwendung gerade der doppelten Schriftformklausel 7.79 wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit ihrer Schriftformklausel besonderen Wert legen. Ein Verstoß gegen die Schriftformklausel führt in diesen Fällen gem. § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit der Änderungsabrede. Die Unwirksamkeit nicht formwahrender Änderungen gem. § 125 Satz 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Parteien eine konstitutive Schriftformklausel vereinbart haben.98) d) Einbeziehung. Doppelte Schriftformklauseln sind im Hinblick auf § 305b 7.80 BGB nicht geeignet, abweichenden Individualabreden des Verwenders selbst oder seiner über unbeschränkte Vertretungsmacht verfügenden Repräsentanten die Wirksamkeit zu nehmen. Kategorisch stellt der BGH fest, dass eine – nachzuweisende – mündliche Abrede Vorrang genießt. Auch der Zweck einer Schriftformklausel führt nicht dazu, dass die mündlich vereinbarte Änderung keinen Vorrang vor kollidierenden AGB's entfaltet. Dabei kommt es im Rahmen einer mündlichen Vereinbarung nicht darauf an, ob den Parteien die Kollision mit den AGB bewusst war, und auch nicht darauf, ob von der Schriftformklausel bewusst abgewichen werden sollte. Allein die Existenz einer mündlichen Abrede reicht im Rahmen des § 305b BGB aus.99) e) Inhaltskontrolle. aa) Die Klausel verstößt gegen das gesetzliche Leitbild des 7.81 Vorrangs der Individualabrede (§§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305b BGB) mit der Folge der Unwirksamkeit.100) bb) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Unwirksamkeit doppelter Schriftformklauseln 7.82 folgt auch aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.101) ___________ 96) BGH, Urt. v. 17.9.2009 – I ZR 43/07, BeckRS 2010, 04094. 97) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138; BGH, Urt. v. 27.2.2007 – XI ZR 195/05, BGHZ 171, 180 = NJW 2007, 2106 = ZIP 2007, 619. 98) Siehe oben § 59 III 2 b bb m. w. N. 99) BGH, Beschl. v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, NJW 2017, 1017 (Gewerberaummietvertrag). 100) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138; BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NJW 2009, 316; OLG Rostock, Beschl. v. 19.5.2009 – 3 U 16/09, NJW 2009, 3376; OLG Brandenburg, Urt. v. 13.1.2010 – 3 U 155/08, BeckRS 2010, 03475. 101) BGH, Urt. v. 21.9.2005 – VIII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 = NJW 2006, 138; OLG Rostock, Beschl. v. 19.5.2009 – 3 U 16/09, NJW 2009, 3376.

1197

§ 59 Ausgewählte Klauseln

8.

Vollständigkeitsklauseln

7.83 a) Begriff. Vollständigkeitsklauseln liegen vor, wenn die Klausel lediglich bestimmt, dass mündliche Nebenabreden oder weitere Abreden und Zusagen nicht getroffen worden sind. Vollständigkeitsklauseln gelten für alle Nebenabreden vor und bei Vertragsschluss ebenso wie für nachträgliche Änderungen.102) Derartige Klauseln schreiben nicht eine bestimmte Form vor. Es handelt sich lediglich um eine Bestätigung einer negativen Tatsache, dass die Parteien keine weiteren, aus der Vertragsurkunde nicht ersichtlichen schriftlichen oder mündlichen Abreden getroffen haben.103) Daher handelt es sich nicht um Schriftformklauseln,104) sondern um reine Bestätigungsklauseln.105) 7.84 b) Beispiele. „Mündliche Nebenabreden bestehen nicht“,106) „Mündliche Nebenabreden sind nicht getroffen.“, „Nebenabreden bestehen nicht.“, „Weitere Vereinbarungen sind nicht getroffen.“, „Außerhalb dieses Vertrages sind keine mündlichen Abreden getroffen.“ 7.85 c) § 309 Nr. 12 Satz 1 b BGB. aa) Unternehmerverkehr. Die Vorschrift gilt gem. §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auch im Unternehmerverkehr.107) 7.86 bb) Tatbestand. Zwar enthalten entsprechende Klauseln eine Tatsachenbestätigung. Von der angeordneten Unwirksamkeitsfolge werden aber solche Tatsachenbestätigungen nicht erfasst, die nur die ohnehin bestehende Beweislastverteilung wiederholen. Die Bestimmung, dass mündliche Nebenabreden nicht bestehen, gibt lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der Vollständigkeit der Vertragsurkunde (§ 440 Abs. 2 ZPO) wieder und lässt dem AGB-Kunden den Gegenbeweis offen. Diese Beweislastverteilung betrifft nicht nur solche Nebenabreden, die schon bei Vertragsschluss getroffen worden sind, sondern auch nachträgliche Änderungen des Ursprungsvertrages, wie etwa Stundungsabreden, sonstige Vereinbarungen zur Geltendmachung von Rechten und/oder Einwendungen. Dass es sich bei dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ändert daran nichts.108)

___________ 102) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309. 103) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 = ZIP 1999, 1887. 104) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309. 105) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 = ZIP 1999, 1887. 106) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 = ZIP 1999, 1887. 107) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309 (Klausel 3); BGH, Urt. v. 26.3.1986 – VIII ZR 85/85, NJW 1986, 1809; BGH, Urt. v. 24.6.1987 – I ZR 127/85, BGHZ 101, 172 = NJW 1988, 640; BGH, Urt. v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47 = ZIP 2006, 235. 108) BGH, Urt. v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 2000, 207 = ZIP 1999, 1887.

1198

III. Schriftform

§ 309 Nr. 12 Satz 1 b BGB findet im Übrigen jedenfalls dann keine Anwendung, 7.87 wenn die Klausel lediglich auf die Dokumentation eines Geschehens abzielt. Denn die schriftliche Fixierung von Vertragsabreden vermag sich sowohl zugunsten als auch zu Lasten des Verwendungsgegners auszuwirken. d) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 305b BGB. Im Unternehmerverkehr sind Vollständig- 7.88 keitsklauseln zulässig.109) Sie geben nur die ohnehin bestehende Rechtslage wieder. Die bei Verbrauchern bestehenden Bedenken im Hinblick auf den Abschreckungseffekt derartiger Klauseln bestehen nicht. Dies gilt aber nicht für entsprechende Klauseln, die zu einer Verlagerung der Beweislast führen oder gar den Gegenbeweis hinsichtlich mündlicher Nebenabsprachen ausschließen, was § 305b BGB widersprechen würde. Unwirksam ist die Klausel dagegen, wenn sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam. Solche Klauseln sind geeignet, den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abzuhalten. Die Bedeutung der Schriftformklausel liegt in einer stets unzutreffenden Belehrung über die Rechtslage.110) Mit der Formulierung „Mündliche Nebenabreden bestehen nicht.“ ist kein der- 7.89 artiger Ausschluss von Nebenabreden verbunden. Denn die Gefahr, dass der Kunde es allein aufgrund dieser Klausel erst gar nicht wage, den Gegenbeweis anzutreten, ist nicht signifikant größer als bei jedem schriftlich fixierten Vertragswerk, das den Eindruck erweckt, die getroffenen Abreden abschließend und erschöpfend wiederzugeben. Solche Vollständigkeitsklauseln sind wirksam. 9.

Klauseln über die Form von Anzeigen und Erklärungen sowie deren Zugang

a) Begriff. Hiernach verpflichtet der Verwender seinen Kunden, bestimmte Er- 7.90 klärungen im Zusammenhang mit der Durchführung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses in Schriftform abzugeben. Dies unabhängig davon, ob die Äußerungen rechtsgeschäftlicher, geschäftsähnlicher oder tatsächlicher Art oder für die Rechtsentstehung, Rechtsausübung oder sonstige Rechtswahrnehmung von Bedeutung sind. Solche Klauseln statuieren ein Schriftformerfordernis oder noch strengere Formen für Anzeigen und Erklärungen des Kunden in Abweichung von §§ 127, 126 BGB oder besondere Zugangserfordernisse in Abweichung von §§ 130, 131 BGB. Anwendungsfälle sind einseitige Erklärungen des Kunden wie Rücktritt, Kündigung, Minderung, Mahnung, Fristsetzung, Mängelanzeigen, Optionen, Vertragsverlängerungserklärungen, Abtretungsanzeigen, Abruf oder sonstige Mitteilungen. ___________ 109) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309. 110) BGH, Urt. v. 10.5.2007 – VII ZR 288/05, BGHZ 172, 237 = NJW 2007, 3712.

1199

§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.91 b) Beispiele. „Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.“ 7.92 c) § 309 Nr. 13 BGB. aa) Rechtslage seit dem 1.10.2016. Seit dem 1.10.2016 ist bei Klauseln über die Form von Anzeigen und Erklärungen gegenüber Verbrauchern wie folgt zu differenzieren: Nur noch für Verträge, bei denen kraft Gesetzes eine notarielle Beurkundung vorgesehen ist, darf weiterhin klauselmäßig Schriftform als strengste Form vorgeschrieben werden (§ 309 Nr. 13 a BGB). Bei allen anderen Verträgen bildet nunmehr die Textform die Grenze des Zulässigen (§ 309 Nr. 13 b BGB). Die Vorgabe einer strengeren Form als der Textform ist unangemessen benachteiligend. Da Schriftformklauseln i. d. R. die einfache Schriftform vorschreiben, halten diese nach § 309 Nr. 13 b BGB n. F. gegenüber Verbrauchern einer Inhaltskontrolle nicht mehr stand. Der Gesetzgeber begründet die Änderung damit, dass bei gewillkürter Schriftform viele Verbraucher zu Unrecht meinten, sie müssten Erklärungen stets eigenhändig unterschreiben und per Post zusenden, während nach § 127 Abs. 2 Satz 1 Fall 1BGB im Zweifel bereits die telekommunikative Übermittlung ausreichend ist.111) § 309 Nr. 13 c BGB verbietet für Anzeigen oder Erklärungen besondere Zugangserfordernisse. 7.93 bb) Übergangsrecht. Nach der Übergangsregelung des Art. 229 § 37 EGBGB gilt § 309 Nr. 13 n. F. nur für Schuldverhältnisse, die nach dem 30.9.2016 entstanden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Bei Änderungsverträgen ist zu differenzieren: Wird mit dem formularmäßigen Änderungsvertrag erstmals ein Formerfordernis zum Vertragsinhalt, muss insoweit die Neufassung zur Anwendung kommen, weil kein schutzwürdiges Vertrauen des Verwenders begründet worden ist. Das Gleiche gilt, wenn mit dem Änderungsvertrag ein schon bestehendes Formerfordernis verschärft wird, z. B. Änderung von Textform zu Schriftform bei nicht beurkundungspflichtigen Verträgen. Lässt der Änderungsvertrag eine schon im ursprünglichen Vertrag enthaltene Formregelung jedoch unberührt, ist die alte Fassung anzuwenden. Für Altverträge bleibt es mit Blick auf Formklauseln dabei, dass unabhängig davon, ob der Vertrag beurkundungsbedürftig ist, lediglich eine strengere Form als die Schriftform nicht vereinbart werden kann. Das Verbot besonderer Zugangserfordernisse ist unverändert geblieben ist und gilt auch für Altverträge. 7.94 cc) Unternehmerverkehr. § 309 Nr. 13 BGB findet im Unternehmerverkehr keine entsprechende Anwendung.112) 7.95 dd) Anzeigen oder Erklärungen. Der Wortlaut der Vorschrift („Anzeigen oder Erklärungen“) erfasst nicht nur Willenserklärungen, sondern auch rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie die Geltendmachung eines Anspruchs. ___________ 111) BT-Drucks. 18/4631, S. 18. 112) NK-BGB/Kollmann, § 309 Rz. 252.

1200

IV. Bevollmächtigung

ee) § 309 Nr. 13b BGB. Von der Sondervorschrift des § 309 Nr. 13 a BGB ab- 7.96 gesehen, sind Klauseln in AGB gem. § 309 Nr. 13 b BGB unwirksam, wenn für Anzeigen oder Erklärungen eine strengere Form als die Textform gefordert wird. Textformklauseln, die lediglich der Beweissicherung dienen sollen, sind daher grundsätzlich wirksam.113) Damit darf die Form des eingeschriebenen Briefes formularmäßig nicht vorgeschrieben werden.114) Dies, obgleich die Einhaltung dieser Form aus Beweisgründen meist ratsam ist. ff) § 309 Nr. 13c BGB. § 309 Nr. 13 c BGB gilt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB 7.97 nicht, wenn das Zugangserfordernis bereits kraft Gesetzes (§§ 127, 126, 126b; 130 – 132 BGB) vorgesehen ist. Der Zugang darf nicht dadurch erschwert werden, dass die Erklärung nur bei 7.98 einem bestimmten Dritten abzugeben ist oder zu einer bestimmten Tageszeit einzugehen hat. Weiter kann der Zugang nicht daran geknüpft werden, dass die Erklärung bei einer bestimmten Stelle, wie etwa bei der Geschäftsführung, der Hauptverwaltung oder der Zentrale eingeht.115) Die Organisation innerbetrieblicher Abläufe hat den Verbraucher nicht zu interessieren. Ebenso kann der Zugang nicht von der Reihenfolge des Eingangs oder der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Verwender abhängig gemacht werden. d) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aus § 309 Nr. 13 BGB folgt im Umkehrschluss, 7.99 dass eine Klausel, die für die Abgabe von Erklärungen die Textform vorsieht, im Regelfall nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.116) e) § 306 Abs. 2 BGB. Eine nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksame Klausel würde 7.100 nach § 306 Abs. 2 BGB durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt, die für Erklärungen und Anzeigen des Kunden nur selten die Textform vorsehen. Für eine Aufrechterhaltung der Klausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist kein Raum.117) IV.

Bevollmächtigung

1.

Inhalt

Bei Getränkelieferungsverträgen stehen dem Getränkelieferanten auf der ande- 7.101 ren Vertragsseite nicht selten mehrere Personen gegenüber. Ziel von Vollmachtsklauseln ist es insofern, die Vertragsabwicklung zu vereinfachen, etwa indem bei gegenseitiger Bevollmächtigung Leistungen an jeden Vertragspartner erbracht ___________ 113) BGH, Urt. v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633 = ZIP 1999, 1008, zur Altrechtslage bei Schriftformklauseln. 114) BGH, Urt. v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585. 115) Erman-Roloff, BGB, § 309 Rz. 158. 116) BGH, Urt. v. 28.1.2014 – XI ZR 424/12, NJW 2014, 1441 = ZIP 2014, 508. 117) Ulmer/Brandner/Hensen-Habersack, AGB-Recht, § 309 Nr. 13 Rz. 11.

1201

IV. Bevollmächtigung

ee) § 309 Nr. 13b BGB. Von der Sondervorschrift des § 309 Nr. 13 a BGB ab- 7.96 gesehen, sind Klauseln in AGB gem. § 309 Nr. 13 b BGB unwirksam, wenn für Anzeigen oder Erklärungen eine strengere Form als die Textform gefordert wird. Textformklauseln, die lediglich der Beweissicherung dienen sollen, sind daher grundsätzlich wirksam.113) Damit darf die Form des eingeschriebenen Briefes formularmäßig nicht vorgeschrieben werden.114) Dies, obgleich die Einhaltung dieser Form aus Beweisgründen meist ratsam ist. ff) § 309 Nr. 13c BGB. § 309 Nr. 13 c BGB gilt nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB 7.97 nicht, wenn das Zugangserfordernis bereits kraft Gesetzes (§§ 127, 126, 126b; 130 – 132 BGB) vorgesehen ist. Der Zugang darf nicht dadurch erschwert werden, dass die Erklärung nur bei 7.98 einem bestimmten Dritten abzugeben ist oder zu einer bestimmten Tageszeit einzugehen hat. Weiter kann der Zugang nicht daran geknüpft werden, dass die Erklärung bei einer bestimmten Stelle, wie etwa bei der Geschäftsführung, der Hauptverwaltung oder der Zentrale eingeht.115) Die Organisation innerbetrieblicher Abläufe hat den Verbraucher nicht zu interessieren. Ebenso kann der Zugang nicht von der Reihenfolge des Eingangs oder der tatsächlichen Kenntnisnahme durch den Verwender abhängig gemacht werden. d) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aus § 309 Nr. 13 BGB folgt im Umkehrschluss, 7.99 dass eine Klausel, die für die Abgabe von Erklärungen die Textform vorsieht, im Regelfall nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist.116) e) § 306 Abs. 2 BGB. Eine nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksame Klausel würde 7.100 nach § 306 Abs. 2 BGB durch die gesetzlichen Vorschriften ersetzt, die für Erklärungen und Anzeigen des Kunden nur selten die Textform vorsehen. Für eine Aufrechterhaltung der Klausel im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist kein Raum.117) IV.

Bevollmächtigung

1.

Inhalt

Bei Getränkelieferungsverträgen stehen dem Getränkelieferanten auf der ande- 7.101 ren Vertragsseite nicht selten mehrere Personen gegenüber. Ziel von Vollmachtsklauseln ist es insofern, die Vertragsabwicklung zu vereinfachen, etwa indem bei gegenseitiger Bevollmächtigung Leistungen an jeden Vertragspartner erbracht ___________ 113) BGH, Urt. v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633 = ZIP 1999, 1008, zur Altrechtslage bei Schriftformklauseln. 114) BGH, Urt. v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585. 115) Erman-Roloff, BGB, § 309 Rz. 158. 116) BGH, Urt. v. 28.1.2014 – XI ZR 424/12, NJW 2014, 1441 = ZIP 2014, 508. 117) Ulmer/Brandner/Hensen-Habersack, AGB-Recht, § 309 Nr. 13 Rz. 11.

1201

§ 59 Ausgewählte Klauseln

werden oder Erklärungen von jedem und gegenüber jedem Vertragspartner abgegeben werden können. 2.

Einbeziehung

7.102 Eine überraschende Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine Vollmachtserteilung bei dem entsprechenden Geschäftstyp oder nach den individuellen Vereinbarungen und den konkreten Umständen an sich nicht zu erwarten ist oder von ihrem Umfang her Geschäfte erlaubt, mit denen nicht gerechnet werden muss.118) 3.

Abgabevollmachten

7.103 a) Grundlagen. Die Wirksamkeit der gegenseitigen Erteilung von Abgabevollmachten ist unterschiedlich danach zu beurteilen, ob die Klausel sich auf vertragswesentliche Erklärungen oder bloße Abwicklungshandlungen bezieht. Beispielsweise sind AGB-Klauseln, mit denen sich mehrere Darlehensnehmer gegenseitig bevollmächtigen, weitere Darlehen aufzunehmen oder Stundungen oder Laufzeitverlängerungen zu beantragen, nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unzulässig. Die unangemessene Benachteiligung des nicht persönlich handelnden Kreditnehmers ergebe sich daraus, dass ihm durch die Klausel unkalkulierbar Haftungsrisiken und Kosten aufgebürdet würden.119) Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn sich die Abgabevollmacht auf die Abwicklung innerhalb eines bestehenden Vertrages beschränkt und in diesem Zusammenhang keine neuen Verpflichtungen begründet werden können. Zu denken ist an die Entgegennahme laufender Abrechnungen oder sonstige Mitteilungen des Verwenders. Dann bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. 7.104 b) Teilbarkeit. Die Rechtswirksamkeit von Abgabevollmachtsklauseln beurteilt sich losgelöst von der von Empfangsvollmachtsklauseln, weil es sich um inhaltlich teilbare Klauseln handelt.120) 4.

Empfangsvollmachten

7.105 a) § 308 Nr. 6 BGB. Nicht von § 308 Nr. 6 BGB erfasst sind Klauseln, mit denen mehrere Vertragspartner sich gegenseitig Empfangsvollmacht einräumen.121) ___________ 118) BGH, Urt. v. 9.4.1987 – III ZR 84/86, NJW 1987, 2011. 119) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383; BGH, Urt. v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 = ZIP 1991, 224. 120) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27; KG, Urt. v. 26.1.2004 – 8 U 117/03, BeckRS 2005, 03422; OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.1.1998 – 4 U 213/96, rkr. durch Nichtannnahmebeschl. d. BGH v. 15.12.1998 – VIII 50/98. 121) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27.

1202

V. Salvatorische Klauseln

b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine solche Klausel stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Mieter i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.122) c) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Wohnraummietverträge. Wirksam ist eine Klausel, mit der sich mehrere Mieter einer Wohnung gegenseitig zur Passivvertretung bevollmächtigen, einschließlich der Entgegennahme von Mieterhöhungsverlangen oder Kündigungen.123) bb) Gewerberaummietverträge. Auf mehrere Gewerberaummieter dürfte sich diese Rechtsprechung jedenfalls dann übertragen lassen, wenn sie eine GbR bilden bzw. es sich bei den Räumen nicht um die Zustellungsadresse handelt.124) cc) Im Übrigen. Unwirksam sind vorformulierte Klauseln, soweit dadurch Dritte oder mehrere Klauselgegner untereinander zur Entgegennahme vertragswesentlicher Erklärungen bevollmächtigt werden.125) Entsprechende Vollmachtsklauseln in Ratenkreditverträgen sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.126) Denn das weicht vom Grundgedanken der Einzelwirkung von Kündigungs- und ähnlichen Handlungen gegenüber Gesamtschuldnern nach § 425 Abs. 2 BGB ab. Ebenfalls unwirksam ist die gegenseitige Bevollmächtigung von Grundschuldbestellern zur Entgegennahme von Erklärungen zu Gunsten des Gläubigers oder Notars. V.

Salvatorische Klauseln

1.

Zweck

7.106 7.107

7.108

7.109

Haben die Parteien Zweifel an der Gültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen 7.110 so möchten sie den Rückgriff auf § 139 BGB – dies ist grundsätzlich möglich, weil es sich bei § 139 BGB um abdingbares Recht handelt127) – bzw. auf das dispositive Recht nach § 306 Abs. 2 BGB vermeiden. 2.

Differenzierung

Salvatorische Klauseln bestehen in der Praxis meist aus einer Kombination von 7.111 Erhaltungsklausel (bezogen auf den für sich gültigen Vertragsrest) und Ersetzungsklausel (bezogen auf die nichtige Teilregelung).128) ___________ 122) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27. 123) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27; KG, Urt. v. 10.1.1990 – 23 U 5923/88, NJW-RR 1990, 544. 124) OLG Dresden, Urt. v. 5.12.2007 – 8 U 1412/07, BeckRS 2008, 01499; strenger KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, BeckRS 2004, 13505. 125) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383. 126) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383; BGH, Urt. v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061, zu Vorinstanz OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396; BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524. 127) BGH, Urt. v. 9.10.1975 – III ZR 31/73, NJW 1977, 38. 128) Palandt-Ellenberger, BGB, § 139 Rz. 17.

1203

V. Salvatorische Klauseln

b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Eine solche Klausel stellt auch keine unangemessene Benachteiligung der Mieter i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.122) c) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. aa) Wohnraummietverträge. Wirksam ist eine Klausel, mit der sich mehrere Mieter einer Wohnung gegenseitig zur Passivvertretung bevollmächtigen, einschließlich der Entgegennahme von Mieterhöhungsverlangen oder Kündigungen.123) bb) Gewerberaummietverträge. Auf mehrere Gewerberaummieter dürfte sich diese Rechtsprechung jedenfalls dann übertragen lassen, wenn sie eine GbR bilden bzw. es sich bei den Räumen nicht um die Zustellungsadresse handelt.124) cc) Im Übrigen. Unwirksam sind vorformulierte Klauseln, soweit dadurch Dritte oder mehrere Klauselgegner untereinander zur Entgegennahme vertragswesentlicher Erklärungen bevollmächtigt werden.125) Entsprechende Vollmachtsklauseln in Ratenkreditverträgen sind nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.126) Denn das weicht vom Grundgedanken der Einzelwirkung von Kündigungs- und ähnlichen Handlungen gegenüber Gesamtschuldnern nach § 425 Abs. 2 BGB ab. Ebenfalls unwirksam ist die gegenseitige Bevollmächtigung von Grundschuldbestellern zur Entgegennahme von Erklärungen zu Gunsten des Gläubigers oder Notars. V.

Salvatorische Klauseln

1.

Zweck

7.106 7.107

7.108

7.109

Haben die Parteien Zweifel an der Gültigkeit einzelner Vertragsbestimmungen 7.110 so möchten sie den Rückgriff auf § 139 BGB – dies ist grundsätzlich möglich, weil es sich bei § 139 BGB um abdingbares Recht handelt127) – bzw. auf das dispositive Recht nach § 306 Abs. 2 BGB vermeiden. 2.

Differenzierung

Salvatorische Klauseln bestehen in der Praxis meist aus einer Kombination von 7.111 Erhaltungsklausel (bezogen auf den für sich gültigen Vertragsrest) und Ersetzungsklausel (bezogen auf die nichtige Teilregelung).128) ___________ 122) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27. 123) BGH, Beschl. v. 10.9.1997 – VIII ARZ 1/97, BGHZ 136, 314 = NJW 1997, 3437 = ZIP 1998, 27; KG, Urt. v. 10.1.1990 – 23 U 5923/88, NJW-RR 1990, 544. 124) OLG Dresden, Urt. v. 5.12.2007 – 8 U 1412/07, BeckRS 2008, 01499; strenger KG, Urt. v. 5.1.2004 – 12 U 122/02, BeckRS 2004, 13505. 125) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383. 126) BGH, Urt. v. 22.6.1989 – III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 = NJW 1989, 2383; BGH, Urt. v. 20.1.1993 – VIII ZR 10/92, NJW 1993, 1061, zu Vorinstanz OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.1991 – 6 U 108/90, NJW-RR 1992, 396; BGH, Urt. v. 9.7.2002 – XI 323/01, NJW 2002, 2866 = ZIP 2002, 1524. 127) BGH, Urt. v. 9.10.1975 – III ZR 31/73, NJW 1977, 38. 128) Palandt-Ellenberger, BGB, § 139 Rz. 17.

1203

§ 59 Ausgewählte Klauseln

3.

Erhaltungsklauseln

7.112 a) Begriff. Erhaltungsklauseln bestimmen, dass durch die Unwirksamkeit einer oder mehrerer Vertragsbestimmungen die Wirksamkeit der übrigen Vertragsbestimmungen nicht berührt wird. Somit wollen die Beteiligten nicht die von § 139 BGB vorgesehene Rechtsfolge, sondern die Restgültigkeit.129) 7.113 b) Wirkung. Erhaltungsklauseln entbinden in der Regel nicht von der gem. § 139 BGB vorzunehmenden Abwägung. Der BGH sieht die Wirkung einer formularmäßig geregelten Erhaltungsklausel nur in einer Beweislastumkehr. Abweichend von der Regel des § 139 BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Gesamtnichtigkeit bei der Partei, die entgegen der Erhaltungsklausel den Vertrag als ganzen für unwirksam hält. Bei Fehlen einer salvatorischen Erhaltungsklausel ist die Vertragspartei, die das teilnichtige Geschäft aufrechterhalten will, darlegungs- und beweispflichtig.130) 7.114 c) Inhaltskontrolle. Auch in AGB kann rechtswirksam vereinbart werden, dass die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen nicht berührt. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus § 306 Abs. 1 BGB.131) Dem wird man ganz allgemein bis zur Grenze des § 306 Abs. 3 BGB folgen dürfen. Nur die Sanktion der Gesamtnichtigkeit eines Vertrages kann nicht durch eine Erhaltungsklausel beseitigt werden. Das ist stets zu bedenken, weil es die praktische Nutzlosigkeit der Klausel belegt. 4.

Ersetzungsklauseln

7.115 a) Begriff. Mit Ersetzungsklauseln will der Verwender verhindern, dass ihm durch die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen seiner AGB ein Nachteil dadurch entsteht, dass nach § 306 Abs. 2 BGB das für ihn nachteilige dispositive Recht zur Anwendung kommt. Der Vertrag soll dann – entgegen § 139 BGB – mit dem vereinbarten zulässigen Inhalt Gültigkeit haben. Ersetzungsklauseln zielen also darauf ab, dass der Verwender oder auch beide Parteien berechtigt und verpflichtet sind, bei Unwirksamkeit einer Klausel den Vertrag so zu ergänzen, dass die neue Klausel dem „wirtschaftlich Gewollten in zulässiger Weise am nächsten kommt“. Praktisch bedeutsam werden Ersetzungsklauseln insbesondere im Zusammenhang mit Laufzeitklauseln.132) ___________ 129) BGH, Urt. v. 15.3.1989 – VIII ZR 62/88, NJW-RR 1989, 800; LG Berlin, Urt. v. 9.12.1993 – 58 S 99/93, NJW-RR 1994, 692. 130) BGH, Urt. v. 24.9.2002 – KZR 10/01, NJW 2003, 347 347 = ZIP 2003, 126; BGH, Urt. v. 15.6.2005 – VIII ZR 271/04, NJW-RR 2005, 1534; BGH, Urt. v. 25.7.2007 – XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202. 131) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.4.2000 – 24 U 123/99, BeckRS 2000, 30108087. 132) OLG München, Urt. v. 19.6.2008 – U (K) 4252/07, BeckRS 2008, 12473.

1204

V. Salvatorische Klauseln

b) Wirkung. Hier ist diejenige Partei, die den ganzen Vertrag verwerfen will, 7.116 darlegungs- und beweispflichtig.133) c) Inhaltskontrolle. aa) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 2 BGB. Salvatorische 7.117 Klauseln, wonach im Falle der Unwirksamkeit nicht das dispositive Recht, sondern eine Regelung maßgebend sein soll, deren wirtschaftlicher Erfolg dem der unwirksamen soweit wie möglich entspricht, verdrängen die Sanktionsfolge des § 306 Abs. 2 BGB und sind daher nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB regelmäßig unwirksam.134) Grund dafür ist die durch die Ersetzungsklausel bewirkte völlige Veränderung des Vertrages, z. B. durch erhebliche Störung des Synallagma.135) bb) § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ersetzungsklauseln sind auch mit dem Transpa- 7.118 renzgebot unvereinbar.136) cc) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Im Übrigen sind entsprechende Klauseln jedenfalls 7.119 nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden.137) d) Rechtsfolge bei Verstoß. Enthält die salvatorische Klausel sowohl eine Erhal- 7.120 tungs- als auch eine Ersetzungsklausel, bleibt die Erhaltungsklausel im Hinblick auf die inhaltliche Trennbarkeit beider Klauseln rechtswirksam.138) 5.

„Soweit gesetzlich zulässig“

a) Beispiele. „Schadensersatzansprüche sind ausgeschlossen, soweit dies gesetz- 7.121 lich zulässig ist.“ b) Einbeziehung. aa) Entsprechende Klauseln verstoßen gegen das Verständ- 7.122 lichkeitsgebot des § 305c Abs. 1 BGB.139) bb) § 305c Abs. 2 BGB. Dieser Klauselzusatz führt trotz fehlender Konkretisie- 7.123 rung der Reichweite der Klausel nicht zu ihrer Mehrdeutigkeit, weil er deutlich zum Ausdruck bringt, dass die Regelung so weit reichen soll, wie es die gesetzlichen Vorschriften gestatten.140)

___________ 133) BGH, Urt. v. 25.7.2007 – XII ZR 143/05, NJW 2007, 3202. 134) BGH, Urt. v. 6.10.1982 – VIII ZR 201/81, NJW 1983, 159 = Zeller III, 231 (Automatenaufstellvertrag); BGH, Urt. v. 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 = ZIP 2016, 676; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 135) BGH, Urt. v. 11.10.1995 – VIII ZR 25/94, NJW 1996, 773. 136) BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380. 137) BGH, Urt. v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 = NJW 2015, 1952 = ZIP 2015, 1016; BGH, Urt. v. 31.8.2017 – VII ZR 308/16, BeckRS 2017, 124701. 138) BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225. 139) BGH, Beschl. v. 20.11.2012 – VIII ZR 137/12, BeckRS 2013, 05597. 140) MünchKomm-Basedow, BGB, § 305c Rz. 31.

1205

§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.124 c) Inhaltskontrolle. aa) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 2 BGB. Die vorgenannten Bestimmungen sind verletzt.141) 7.125 bb) Der salvatorische Zusatz steht – im Rahmen der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – auch nicht im Einklang mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.142) 7.126 cc) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechende salvatorische Klauselzusätze stehen auch im Unternehmerverkehr der Unwirksamkeit einer zu weitreichenden Klausel nicht entgegen.143) Die Formulierung, dass die AGB nur gelten sollen, wenn ihre Regelung „gesetzlich zulässig“ ist, verdeutlicht die nur scheinbare Gesetzestreue. 7.127 d) Rechtsfolge bei Verstoß. Erwogen wird, zu Gunsten des Verwenders eine Ausnahme bei zweifelhafter Rechtslage anzunehmen.144) VI.

Aufrechnungsausschluss

1.

Inhalt

7.128 Mit Aufrechnungsausschlussklauseln soll verhindert werden, dass sich der Rechtsstreit durch Erhebung vermeintlicher (Gegen-)Forderungen verzögert. 2.

Wirksamkeit

7.129 a) Aus § 309 Nr. 3 BGB folgt, dass nur der Aufrechnungsausschluss mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen verboten ist. Dies gilt auch im Unternehmerverkehr.145) Aufrechnungsverbote im Übrigen sind dagegen dann grundsätzlich zulässig, wenn sie sich auf ein konkretes Vertragsverhältnis beziehen.146) Aufrechnungsverbote bezwecken nämlich die raschere Durchsetzung der eigenen Ansprüche, weil eine Verzögerung durch die Geltendmachung von Gegenrechten ausgeschlossen wird. Aus dieser Zweckbestimmung ergeben sich die Grenzen des Aufrechnungsverbots. Sind die Gegenforderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt, kann ihre Geltendmachung keine Verzögerung bewirken. Der Verwender besitzt dann ein berechtigtes Interesse, seinem ___________ 141) Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, Klauseln T Rz. 30. 142) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309; BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738 zur Klauselvariante „wenn keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen“; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380. 143) BGH, Urt. v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783; OLG Hamm, Urt. v. 18.2.1983 – 20 U 174/82, BeckRS 1983, 31381256. 144) BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380 lässt offen. 145) BGH, Urt. v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743. 146) BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743.

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§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.124 c) Inhaltskontrolle. aa) §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 306 Abs. 2 BGB. Die vorgenannten Bestimmungen sind verletzt.141) 7.125 bb) Der salvatorische Zusatz steht – im Rahmen der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – auch nicht im Einklang mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.142) 7.126 cc) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Entsprechende salvatorische Klauselzusätze stehen auch im Unternehmerverkehr der Unwirksamkeit einer zu weitreichenden Klausel nicht entgegen.143) Die Formulierung, dass die AGB nur gelten sollen, wenn ihre Regelung „gesetzlich zulässig“ ist, verdeutlicht die nur scheinbare Gesetzestreue. 7.127 d) Rechtsfolge bei Verstoß. Erwogen wird, zu Gunsten des Verwenders eine Ausnahme bei zweifelhafter Rechtslage anzunehmen.144) VI.

Aufrechnungsausschluss

1.

Inhalt

7.128 Mit Aufrechnungsausschlussklauseln soll verhindert werden, dass sich der Rechtsstreit durch Erhebung vermeintlicher (Gegen-)Forderungen verzögert. 2.

Wirksamkeit

7.129 a) Aus § 309 Nr. 3 BGB folgt, dass nur der Aufrechnungsausschluss mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen verboten ist. Dies gilt auch im Unternehmerverkehr.145) Aufrechnungsverbote im Übrigen sind dagegen dann grundsätzlich zulässig, wenn sie sich auf ein konkretes Vertragsverhältnis beziehen.146) Aufrechnungsverbote bezwecken nämlich die raschere Durchsetzung der eigenen Ansprüche, weil eine Verzögerung durch die Geltendmachung von Gegenrechten ausgeschlossen wird. Aus dieser Zweckbestimmung ergeben sich die Grenzen des Aufrechnungsverbots. Sind die Gegenforderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestellt, kann ihre Geltendmachung keine Verzögerung bewirken. Der Verwender besitzt dann ein berechtigtes Interesse, seinem ___________ 141) Wolf/Lindacher/Pfeiffer-Dammann, AGB-Recht, Klauseln T Rz. 30. 142) BGH, Urt. v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, BGHZ 93, 29 = NJW 1985, 623 = ZIP 1985, 161 = Zeller III, 309; BGH, Urt. v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738 zur Klauselvariante „wenn keine zwingenden Vorschriften entgegenstehen“; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380. 143) BGH, Urt. v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, NJW-RR 1996, 783; OLG Hamm, Urt. v. 18.2.1983 – 20 U 174/82, BeckRS 1983, 31381256. 144) BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VIII ZR 137/12, NJW 2013, 1668; BGH, Urt. v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 = NJW 2015, 2412 = ZIP 2015, 1380 lässt offen. 145) BGH, Urt. v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743. 146) BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743.

1206

VIII. Lastschrift

Vertragspartner die Befugnis zu nehmen, die unstreitige Gegenforderung mittels Aufrechnung auf dem einfachen Weg der Selbsthilfe durchzusetzen. b) Ein Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine 7.130 geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht.147) VII. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts 1.

Inhalt

Auch eine Klausel, wonach Zurückbehaltungsrechte ausgeschlossen werden, soll 7.131 verhindern, dass sich der Rechtsstreit durch die Erhebung unberechtigter (Gegen-)Forderungen verzögert. 2.

Wirksamkeit

a) § 309 Nr. 2 b BGB. aa) Unternehmerverkehr. § 309 Nr. 2 b BGB gilt nicht 7.132 im Unternehmerverkehr. bb) Tatbestand. Nach § 309 Nr. 2 b BGB ist eine Vertragsklausel, die das Zu- 7.133 rückbehaltungsrecht des Kunden ausschließt oder einschränkt, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht, unwirksam. Bei einem Getränkelieferungsvertrag mit einem Hauseigentümer (Verbraucher, § 13 BGB) kann sich der Getränkelieferant folglich auf den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nicht berufen, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht. b) § 307 BGB. Jedenfalls im Unternehmerverkehr ist die formularmäßige Ab- 7.134 bedingung der §§ 273, 320 BGB und damit das Zurückschneiden des Zurückbehaltungsrechts auf das Bestehen von unstreitigen, rechtskräftig festgestellten und auch anerkannten Gegenforderungen wirksam.148) Für Vorleistungsklauseln muss aber ein sachlicher Grund vorliegen.149) VIII. Lastschrift 1.

Einführung

Auch in der Getränkewirtschaft ist es üblich, regelmäßig anfallende Forderungen, 7.135 etwa aus Finanzierung (Tilgungsraten sowie Zinsraten, Annuitäten), aus Warenlieferung oder Pacht i. w. S., einzuziehen. Lastschriftklauseln finden sich unmittelbar im Getränkelieferungsvertrag, im Übrigen in den AGB des Getränkelieferanten. Sie bringen nicht unerhebliche Rationalisierungseffekte sowie Or___________ 147) BGH, Urt. v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743. 148) BGH, Urt. v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, NJW 2011, 514; BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431. 149) BGH, Urt. v. 4.3.2010 – III ZR 79/09, BGHZ 184, 345 = NJW 2010, 1449.

1207

VIII. Lastschrift

Vertragspartner die Befugnis zu nehmen, die unstreitige Gegenforderung mittels Aufrechnung auf dem einfachen Weg der Selbsthilfe durchzusetzen. b) Ein Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine 7.130 geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht.147) VII. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts 1.

Inhalt

Auch eine Klausel, wonach Zurückbehaltungsrechte ausgeschlossen werden, soll 7.131 verhindern, dass sich der Rechtsstreit durch die Erhebung unberechtigter (Gegen-)Forderungen verzögert. 2.

Wirksamkeit

a) § 309 Nr. 2 b BGB. aa) Unternehmerverkehr. § 309 Nr. 2 b BGB gilt nicht 7.132 im Unternehmerverkehr. bb) Tatbestand. Nach § 309 Nr. 2 b BGB ist eine Vertragsklausel, die das Zu- 7.133 rückbehaltungsrecht des Kunden ausschließt oder einschränkt, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht, unwirksam. Bei einem Getränkelieferungsvertrag mit einem Hauseigentümer (Verbraucher, § 13 BGB) kann sich der Getränkelieferant folglich auf den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nicht berufen, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht. b) § 307 BGB. Jedenfalls im Unternehmerverkehr ist die formularmäßige Ab- 7.134 bedingung der §§ 273, 320 BGB und damit das Zurückschneiden des Zurückbehaltungsrechts auf das Bestehen von unstreitigen, rechtskräftig festgestellten und auch anerkannten Gegenforderungen wirksam.148) Für Vorleistungsklauseln muss aber ein sachlicher Grund vorliegen.149) VIII. Lastschrift 1.

Einführung

Auch in der Getränkewirtschaft ist es üblich, regelmäßig anfallende Forderungen, 7.135 etwa aus Finanzierung (Tilgungsraten sowie Zinsraten, Annuitäten), aus Warenlieferung oder Pacht i. w. S., einzuziehen. Lastschriftklauseln finden sich unmittelbar im Getränkelieferungsvertrag, im Übrigen in den AGB des Getränkelieferanten. Sie bringen nicht unerhebliche Rationalisierungseffekte sowie Or___________ 147) BGH, Urt. v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743. 148) BGH, Urt. v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, NJW 2011, 514; BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431. 149) BGH, Urt. v. 4.3.2010 – III ZR 79/09, BGHZ 184, 345 = NJW 2010, 1449.

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VIII. Lastschrift

Vertragspartner die Befugnis zu nehmen, die unstreitige Gegenforderung mittels Aufrechnung auf dem einfachen Weg der Selbsthilfe durchzusetzen. b) Ein Verstoß hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. Eine 7.130 geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht.147) VII. Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts 1.

Inhalt

Auch eine Klausel, wonach Zurückbehaltungsrechte ausgeschlossen werden, soll 7.131 verhindern, dass sich der Rechtsstreit durch die Erhebung unberechtigter (Gegen-)Forderungen verzögert. 2.

Wirksamkeit

a) § 309 Nr. 2 b BGB. aa) Unternehmerverkehr. § 309 Nr. 2 b BGB gilt nicht 7.132 im Unternehmerverkehr. bb) Tatbestand. Nach § 309 Nr. 2 b BGB ist eine Vertragsklausel, die das Zu- 7.133 rückbehaltungsrecht des Kunden ausschließt oder einschränkt, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht, unwirksam. Bei einem Getränkelieferungsvertrag mit einem Hauseigentümer (Verbraucher, § 13 BGB) kann sich der Getränkelieferant folglich auf den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts nicht berufen, soweit dieses auf demselben Vertragsverhältnis beruht. b) § 307 BGB. Jedenfalls im Unternehmerverkehr ist die formularmäßige Ab- 7.134 bedingung der §§ 273, 320 BGB und damit das Zurückschneiden des Zurückbehaltungsrechts auf das Bestehen von unstreitigen, rechtskräftig festgestellten und auch anerkannten Gegenforderungen wirksam.148) Für Vorleistungsklauseln muss aber ein sachlicher Grund vorliegen.149) VIII. Lastschrift 1.

Einführung

Auch in der Getränkewirtschaft ist es üblich, regelmäßig anfallende Forderungen, 7.135 etwa aus Finanzierung (Tilgungsraten sowie Zinsraten, Annuitäten), aus Warenlieferung oder Pacht i. w. S., einzuziehen. Lastschriftklauseln finden sich unmittelbar im Getränkelieferungsvertrag, im Übrigen in den AGB des Getränkelieferanten. Sie bringen nicht unerhebliche Rationalisierungseffekte sowie Or___________ 147) BGH, Urt. v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421; BGH, Urt. v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, BeckRS 2016, 08743. 148) BGH, Urt. v. 15.12.2010 – XII ZR 132/09, NJW 2011, 514; BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12, NJW 2013, 1431. 149) BGH, Urt. v. 4.3.2010 – III ZR 79/09, BGHZ 184, 345 = NJW 2010, 1449.

1207

§ 59 Ausgewählte Klauseln

ganisations- und Kostenvorteile mit sich. Wegen des taggenau kalkulierbaren Geldeingangs ergeben sich Liquiditäts- und Zinsvorteile. Organisatorische Vereinfachungen in Buchhaltung und Mahnwesen sind möglich.150) Der Kunde hat bei dieser Form der bargeldlosen Zahlung den Vorteil, dass er die Fälligkeitstermine nicht überwachen muss und sich passiv verhalten kann.151) 2.

Verfahren

7.136 a) Rechtslage bis zum 31. Januar 2014. aa) Einzugsvermächtigungsverfahren. Beim Einzugsermächtigungsverfahren erteilte der Zahlungspflichtige seinem Gläubiger die Ermächtigung, den geschuldeten Betrag über eine Inkassostelle (Gläubigerbank) vom Konto des Zahlungspflichtigen bei dessen Bank (Schuldnerbank) einzuziehen.152) Während der Zahlungspflichtige die Einzugsermächtigung gegenüber seinem Gläubiger erteilt, gibt er gegenüber seiner Bank keine Erklärung zum Einzug.153) Der Schuldner konnte gegenüber seiner Bank ohne Angabe von Gründen und ohne Bindung an eine Frist der Belastung seines Kontos widersprechen und eine Wiedergutschrift des abgebuchten Betrags verlangen154) War keine Genehmigung erfolgt, verblieb das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners bei den beteiligten Banken.155) 7.137 bb) Abbuchungsauftragsverfahren. Beim Abbuchungsauftragsverfahren beauftragte der Zahlungspflichtige (Schuldner) im Rahme des Zahlungsdienstevertrages (§ 675f BGB) zunächst schriftlich (§ 675c Abs. 1 BGB) seine Bank mittels einer allgemeinen Weisung (§ 665 BGB), von einem bestimmten Zahlungsempfänger (Gläubiger) vorgelegte Lastschriften auf dessen jeweilige Anforderung zu Lasten seines Kontos und ggf. bis zu einer bestimmten Höhe einzulösen. Der Gläubiger rief sodann den Betrag durch die Lastschrift ab. Der Zahlungspflichtige musste die Belastung aufgrund des von ihm erteilten Abbuchungsauftrages (Einwilligung i. S. d. § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB) gegen sich gelten lassen. Diese war nicht mehr rückgängig zu machen, weil die Bank sein Konto mit seiner Zustimmung belastete.156) Damit erlosch die Geldschuld im Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger (Valutaverhältnis) durch Erfüllung, sobald das Konto des Schuldners wirksam belastet und der Betrag auf dem Konto des Gläubigers endgültig gutgeschrieben worden war. ___________ 150) 151) 152) 153) 154) 155) 156)

BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/05, NJW 2008, 2495. BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237. BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275. BGH, Urt. v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 = ZIP 1996, 462. BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275. BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495. BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495; BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275.

1208

VIII. Lastschrift

b) Gemeinsamkeiten. Sowohl die Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfah- 7.138 ren als auch im Abbuchungsverfahren bewirkten, dass der Anstoß zur Zahlung nicht mehr vom Schuldner ausging, sondern der Gläubiger sie zu veranlassen hatte. c) Unterschiede. Beide Verfahren unterschieden sich aber in dem Zeitpunkt, in 7.139 dem die Schuld des Zahlenden gegenüber dem Gläubiger erfüllt wurde. Die Erfüllung im Valutaverhältnis trat bei Ausübung einer Einzugsermächtigung erst dann ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger durch den Widerspruch bei seiner Bank die Leistung nicht mehr entziehen konnte. Einer Genehmigung des Schuldners gegenüber seiner Bank bedurfte es nicht, wenn er ihr einen Abbuchungsauftrag zugunsten eines Gläubigers erteilt hatte. Denn hierin lag zugleich die Vorabautorisierung des Zahlungseinzugs durch den Gläubiger. Die Erfüllung des Anspruchs im Valutaverhältnis trat demnach bei dieser Form der Lastschrift früher ein.157) Im Abbuchungsverfahren wurde die Belastung des Schuldnerkontos wirksam, wenn die Lastschrift von der Schuldnerbank eingelöst wurde. Denn damit war der Auftrag ausgeführt und es endete die Befugnis des Schuldners, den Abbuchungsauftrag zu widerrufen. Eingelöst war die Lastschrift mit der Belastung des Schuldnerkontos, sofern diese den Einlösungswillen der Schuldnerbank zum Ausdruck brachte. Dies war anzunehmen, wenn die Bank die Voraussetzungen der Abbuchung geprüft hatte, bevor sie die Buchung vornahm (Vordisposition). Anderes konnte gelten, wenn die Prüfung erst nach der (automatischen) Belastungsbuchung erfolgte (Nachdisposition).158) d) Rechtslage seit dem 1. Februar 2014.159) Ab dem 1.2.2014 müssen Über- 7.140 weisungen und Lastschriften gem. Art. 6 SEPA-Verordnung160) im Einklang mit den Vorschriften dieser Verordnung ausgeführt werden. Insofern wird zwischen SEPA-Basislastschriften (gegenüber Verbrauchern, vergleichbar dem bisherigen Einzugsermächtigungsverfahren) und SEPA-Firmenlastschriften (gegenüber Unternehmern) unterschieden. Allerdings kann die SEPA-Basislastschrift auch im Unternehmerverkehr verwendet werden. Dabei steht auch bei der SEPA-Basislastschrift dem Lastschriftschuldner das Recht zu, gem. Nr. 2.5 der Bedingungen i. V. m. § 675x Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 BGB binnen acht Wochen ab Belastungsbuchung von seiner Bank Erstattung des Zahlbetrages verlangen zu können, selbst wenn der Lastschrifteinzug wirksam autorisiert war. Dagegen sieht die Bedingungen für das SEPA-Firmenlastschriftverfahren ausdrücklich den Ausschluss des an sich nach § 675x Abs. 1 BGB bestehenden Erstattungsanspruchs des Zah___________ 157) BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, NJW-RR 2013, 950 = ZIP 2013, 324. 158) BGH, Urt. v. 17.1.2013 – IX ZR 184/10, NJW-RR 2013, 492 = ZIP 2013, 322. 159) Zur Altrechtslage siehe Bühler, Brauerei- und Gaststättenrecht, 14. Aufl. 2014, Rz. 2.967 f., 2.970-2.972, jeweils m. w. N. 160) Verordnung (EU) Nr. 260/2012, ABl EG Nr. L 94/22.

1209

§ 59 Ausgewählte Klauseln

lungspflichtigen vor; eine Erstattungsmöglichkeit nach § 675x Abs. 2 BGB ist nicht vorgesehen. 3.

Inhaltskontrolle

7.141 a) Basislastschriften. aa) Verbraucher. Widerrufliche Einzugsermächtigungsklauseln gegenüber Verbrauchern, etwa finanzierten nicht betreibenden Hauseigentümern, sind weder nach § 309 Nr. 3 BGB noch nach § 309 Nr. 2 BGB zu beanstanden.161) Im Hinblick auf die Widerruflichkeit der Ermächtigung zum Einzug ergeben sich auch aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Wirksamkeitsbedenken.162) 7.142 Allerdings muss dem Kunden nach Zugang der Rechnung vor Abbuchung des Rechnungsbetrages eine ausreichende Frist von mindestens fünf Werktagen verbleiben, innerhalb der er die Rechnung prüfen und für Deckung auf seinem Konto sorgen kann.163) 7.143 bb) Unternehmer. Erst recht bestehen gegen die formularmäßige Verpflichtung eines Unternehmers zur Erteilung einer Basislastschrift keine AGB-rechtlichen Bedenken.164) 7.144 b) Firmenlastschrift. Die AGB-rechtliche Beurteilung für den Abbuchungsauftrag kann entgegen früherer Rechtsprechung165) auch im Unternehmerverkehr nicht mehr anders ausfallen. Aus § 675j Abs. 1 Sätze 3 und 4 BGB folgt, dass auch das SEPA-Firmenlastschriftverfahren in AGB wirksam vereinbart werden kann. Eine unangemessene Benachteiligung des Zahlungspflichtigen liegt nicht vor, denn ein Insolvenzrisiko der Bank ist durch die bestehende Finanzdienstleistungsaufsicht ausgeschlossen. Zudem besteht für unberechtigte Abbuchungen in einem Geschäftsverhältnis zur Bank die Möglichkeit der Aufrechnung mit Finanzierungsforderungen. Auch das Abbuchungsauftragsverfahren ist in unternehmerischen Geschäftsbeziehungen verkehrsüblich (§ 675x BGB). Würde der BGH seine bislang auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützten Einwände trotz der Vorabautorisierung im SEPA-Verfahren durchhalten, dann wäre dieser Gesichtspunkt auch gegenüber der vergleichbaren Konstruktion des SEPA-Verfahrens einzuwenden. Dies aber würde diametral dem Zweck der in das deutsche Recht ___________ 161) Staudinger-Coester-Waltjen, BGB, § 309 Nr. 3 Rz. 12; BeckOK BGB/Becker, BGB, § 309 Nr. 2 Rz. 6. 162) BGH, Urt. v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 = ZIP 1996, 462; BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495; BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275; BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 236//07, BGHZ 186, 269 = NJW 2010, 3510 = ZIP 2010, 1556. 163) BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237. 164) BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275 (Tankstellenverwaltervertrag). 165) BGH, Urt. v. 29.5.2008 – III ZR 330/07, NJW 2008, 2495; BGH, Urt. v. 14.10.2009 – VIII ZR 96/07, NJW 2010, 1275 (Tanktstellenverwaltervertrag).

1210

X. Bearbeitungsentgelt

umgesetzten Zahlungsdiensterichtlinie – Vollharmonisierung des Zahlungsverkehrs innerhalb des SEPA-Raums) – zuwiderlaufen.166) Firmenlastschriften müssen daher aus AGB-rechtlichen Gründen nicht mehr gesondert unterzeichnet werden. IX.

Datenerhebung

1.

Inhalt

Mit einer Datenschutzklausel erklärte der Kunde bislang seine Einwilligung zur 7.145 Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner persönlichen und vertragsbezogenen Daten (§ 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG). Die Verarbeitung umfasst das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 BDSG). Einige Klauseln enthalten auch die Ermächtigung, Daten über die Vertragsaufnahme bzw. die Abwicklung des Vertragsverhältnisses an Auskunfteien, etwa die Schufa, oder Inkassodienste zu melden, soweit die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist und die weiteren Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5 BDSG vorliegen. Ab dem 25.5.2018 sind die Bestimmungen der EU-Datenschutzverordnung,167) insbesondere die Art. 1 – 7 und 12 – 14, einschließlich der Bestimmungen des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU168) zu beachten 2.

Einbeziehung

Für die Einbeziehung gelten die §§ 305 Abs. 2 und 3, 305c Abs. 1 BGB neben den 7.146 jeweils geltenden Sondervorschriften für die Einwilligung. 3.

Inhaltskontrolle

Eine neugefasste Schufa-Klausel ist AGB-rechtlich unbedenklich.169) Gleiches gilt 7.147 für die Einwilligung zur Erfassung personenbezogener Daten des Kunden.170) X.

Bearbeitungsentgelt

1.

Inhalt

Bearbeitungsentgeltklauseln dienen der Klarstellung, wer die mit der Erstellung 7.148 des Vertrages und seiner Abwicklung verbundenen Kosten zu tragen hat. Als denkbare Kostenpositionen sind insbesondere die Kosten für die Bestellung von Sicherheiten, z. B. Gerichts- und Notarkosten für die Bestellung, Abtretung ___________ 166) 167) 168) 169) 170)

BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, NJW-RR 2013, 950 = ZIP 2013, 324. ABl. EU Nr. I 119/1 vom 4.5.2016. BGBl I, 2097 v. 5.7.2017. BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = ZIP 2003, 350. BGH, Urt. v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 255 = NJW 2008, 3055 = ZIP 2008, 1826.

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X. Bearbeitungsentgelt

umgesetzten Zahlungsdiensterichtlinie – Vollharmonisierung des Zahlungsverkehrs innerhalb des SEPA-Raums) – zuwiderlaufen.166) Firmenlastschriften müssen daher aus AGB-rechtlichen Gründen nicht mehr gesondert unterzeichnet werden. IX.

Datenerhebung

1.

Inhalt

Mit einer Datenschutzklausel erklärte der Kunde bislang seine Einwilligung zur 7.145 Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner persönlichen und vertragsbezogenen Daten (§ 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG). Die Verarbeitung umfasst das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 BDSG). Einige Klauseln enthalten auch die Ermächtigung, Daten über die Vertragsaufnahme bzw. die Abwicklung des Vertragsverhältnisses an Auskunfteien, etwa die Schufa, oder Inkassodienste zu melden, soweit die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist und die weiteren Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5 BDSG vorliegen. Ab dem 25.5.2018 sind die Bestimmungen der EU-Datenschutzverordnung,167) insbesondere die Art. 1 – 7 und 12 – 14, einschließlich der Bestimmungen des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU168) zu beachten 2.

Einbeziehung

Für die Einbeziehung gelten die §§ 305 Abs. 2 und 3, 305c Abs. 1 BGB neben den 7.146 jeweils geltenden Sondervorschriften für die Einwilligung. 3.

Inhaltskontrolle

Eine neugefasste Schufa-Klausel ist AGB-rechtlich unbedenklich.169) Gleiches gilt 7.147 für die Einwilligung zur Erfassung personenbezogener Daten des Kunden.170) X.

Bearbeitungsentgelt

1.

Inhalt

Bearbeitungsentgeltklauseln dienen der Klarstellung, wer die mit der Erstellung 7.148 des Vertrages und seiner Abwicklung verbundenen Kosten zu tragen hat. Als denkbare Kostenpositionen sind insbesondere die Kosten für die Bestellung von Sicherheiten, z. B. Gerichts- und Notarkosten für die Bestellung, Abtretung ___________ 166) 167) 168) 169) 170)

BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, NJW-RR 2013, 950 = ZIP 2013, 324. ABl. EU Nr. I 119/1 vom 4.5.2016. BGBl I, 2097 v. 5.7.2017. BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = ZIP 2003, 350. BGH, Urt. v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 255 = NJW 2008, 3055 = ZIP 2008, 1826.

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X. Bearbeitungsentgelt

umgesetzten Zahlungsdiensterichtlinie – Vollharmonisierung des Zahlungsverkehrs innerhalb des SEPA-Raums) – zuwiderlaufen.166) Firmenlastschriften müssen daher aus AGB-rechtlichen Gründen nicht mehr gesondert unterzeichnet werden. IX.

Datenerhebung

1.

Inhalt

Mit einer Datenschutzklausel erklärte der Kunde bislang seine Einwilligung zur 7.145 Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner persönlichen und vertragsbezogenen Daten (§ 4a Abs. 1 Satz 3 BDSG). Die Verarbeitung umfasst das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten (§ 3 Abs. 1, Abs. 4 BDSG). Einige Klauseln enthalten auch die Ermächtigung, Daten über die Vertragsaufnahme bzw. die Abwicklung des Vertragsverhältnisses an Auskunfteien, etwa die Schufa, oder Inkassodienste zu melden, soweit die geschuldete Leistung trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist und die weiteren Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 – 5 BDSG vorliegen. Ab dem 25.5.2018 sind die Bestimmungen der EU-Datenschutzverordnung,167) insbesondere die Art. 1 – 7 und 12 – 14, einschließlich der Bestimmungen des Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes EU168) zu beachten 2.

Einbeziehung

Für die Einbeziehung gelten die §§ 305 Abs. 2 und 3, 305c Abs. 1 BGB neben den 7.146 jeweils geltenden Sondervorschriften für die Einwilligung. 3.

Inhaltskontrolle

Eine neugefasste Schufa-Klausel ist AGB-rechtlich unbedenklich.169) Gleiches gilt 7.147 für die Einwilligung zur Erfassung personenbezogener Daten des Kunden.170) X.

Bearbeitungsentgelt

1.

Inhalt

Bearbeitungsentgeltklauseln dienen der Klarstellung, wer die mit der Erstellung 7.148 des Vertrages und seiner Abwicklung verbundenen Kosten zu tragen hat. Als denkbare Kostenpositionen sind insbesondere die Kosten für die Bestellung von Sicherheiten, z. B. Gerichts- und Notarkosten für die Bestellung, Abtretung ___________ 166) 167) 168) 169) 170)

BGH, Urt. v. 13.12.2012 – IX ZR 1/12, NJW-RR 2013, 950 = ZIP 2013, 324. ABl. EU Nr. I 119/1 vom 4.5.2016. BGBl I, 2097 v. 5.7.2017. BGH, Urt. v. 23.1.2003 – III ZR 54/02, NJW 2003, 1237 = ZIP 2003, 350. BGH, Urt. v. 16.7.2008 – VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 255 = NJW 2008, 3055 = ZIP 2008, 1826.

1211

§ 59 Ausgewählte Klauseln

oder Löschung von Grundpfandrechten oder Dienstbarkeiten, Avalprovisionen bei Bankbürgschaften, Kosten für Sachverständige im Zusammenhang mit der Bewertung oder Verwertung von Gaststätteninventar, Verwertungskosten in der Insolvenz nach § 171 Abs. 2 InsO etc. zu denken. 2.

Inrechnungstellung

7.149 a) Kontrollfähigkeit. Preisnebenabreden, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern mit denen der Klauselverwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzt, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt, sind auch im Unternehmer der Inhaltskontrolle unterworfen.171) Denn in diesen Fällen kann – anders als im Falle von Hauptpreisabreden – an Stelle der Preisnebenabrede das dispositive Gesetzesrecht treten, wonach diese „bepreiste“ Tätigkeit zum Pflichtenprogramm des Klauselverwenders gehört. Hierin liegt die von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB geforderte Abweichung von Rechtsvorschriften, welche die Klausel kontrollfähig macht. Beispielsweise handelt es sich bei einer Klausel, nach der für die Übersendung einer Rechnung in Papierform ein zusätzliches Entgelt verlangt werden kann, um eine Preisnebenabrede. Sie regelt nicht den zu zahlenden Preis selbst. Vielmehr ist ihr Gegenstand das Entgelt für ein vom Verwender angebotenes Nebenprodukt.172) 7.150 b) Inhaltskontrolle. Zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten besteht nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen ist. Ist das nicht der Fall, können entstehende Kosten nicht auf Dritte abgewälzt werden, indem Pflichten in AGB zu individuellen Dienstleistungen gegenüber Vertragspartnern erklärt werden. Jede Entgeltregelung in AGB, die sich nicht auf eine auf rechtsgeschäftliche Grundlage für den einzelnen Kunden erbrachte (Haupt- oder Neben-)Leistung stützt, sondern Aufwendungen für die Erfüllung eigener Pflichten oder für Zwecke des Verwenders abzuwälzen versucht, stellt eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und verstößt auch im Unternehmerverkehr gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.173) Darüber hinaus indiziert die Unvereinbarkeit einer Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Be___________ 171) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208; vgl. im Übrigen BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 = NJW 2013, 995 = ZIP 2012, 2489; BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 = NJW 2014, 2420 = ZIP 2014, 1266; BGH, Urt. v. 16.2.2016 – XI ZR 454/14, BGHZ 209, 71 = NJW 2016, 1875; BGH, Urt. v. 8.11.2016 – XI ZR 552/15, BeckRS 2016, 108750. 172) BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328. 173) BGH, Urt. v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15, BeckRS 2017, 121208.

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X. Bearbeitungsentgelt

nachteiligung des Vertragspartners nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Anbieter sein Produkt ausschließlich über das Internet vertreibt.174) Beispielswiese dürfen Bearbeitungsentgelte für den Abschluss von Verbraucherverträgen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht erhoben werden.175) 3.

Mahnkosten

a) Verzugsvoraussetzungen. Die in § 309 Nr. 4 BGB angesprochene Nach- 7.151 fristsetzung hat eine auch für den Unternehmerverkehr wesentliche Warnfunktion und kann daher nicht formularmäßig ausgeschlossen werden kann.176) Soweit nur Verzugsregelungen hinsichtlich angemessener Verzugszinsen getroffen werden, ist eine Mahnung dagegen entbehrlich.177) Unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind Klauseln, die in Abweichung von § 286 Abs. 4 BGB Verzugsfolgen auch dann vorsehen, wenn den Schuldner kein Verschulden, etwa lediglich einen Zahlungsrückstand, voraussetzen.178) b) Verzugsfolgen. aa) Grundlagen. Auch unternehmerischen Rechtsverkehr 7.152 sind übermäßige Schadenspauschalierungen nicht zulässig.179) Auf die Möglichkeit des Gegenbeweises muss allerdings nicht ausdrücklich hingewiesen werden. Nur darf die Klausel nicht darauf hindeuten, dass der Gegenbeweis ausgeschlossen ist.180) Die Formulierung, dass der Verwender einen bestimmten Zinssatz „berechnen darf“ ist unbedenklich.181) bb) Höhe. Nach bisherige Rechtsprechung sind eine Mahnpauschale in Höhe von 7.153 15,00 € ebenso wie ein pauschales Entgelt für die Bearbeitung von Rückbuchungen in Höhe 25,00 € unwirksam.182) Allerdings eröffnet nunmehr § 288 Abs. 5 BGB auch für den unternehmerischen Rechtsverkehr die Pauschalierung von Beitreibungskosten im Umfang von bis zu 40,00 €. ___________ 174) BGH, Urt. v. 41.4.2009 – XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 = BeckRS 2009, 13134 = ZIP 2009, 1106; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328. 175) BGH, Urt. v. 13.5.2014 – XI ZR 405/12, BGHZ 201, 168 = NJW 2014, 2420 = ZIP 2014, 1266. 176) BGH, Urt. v. 19.12.1985 – VIII ZR 47/85, NJW 1986, 842. 177) BGH, Urt. v. 7.3.1991 – I ZR 158/89, NJW-RR 1991, 995. 178) BGH, Urt. v. 30.101985 – VIII ZR 251/84, BGHZ 96, 182 = NJW 1986, 424 = ZIP 1986, 95. 179) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Getränkehandel). 180) BGH, Urt. v. 20.3.2003 – I 225/00, NJW-RR 2003, 1056 = ZIP 2003, 1707. 181) BGH, Urt. v. 7.3.1991 – I ZR 158/89, NJW-RR 1991, 995. Großzügiger BGH, Urt. v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 = NJW 1996, 2156 = ZIP 1996, 1209 („zu zahlen hat“). 182) BGH, Urt. v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719 = ZIP 2000, 670 (Getränkehandel).

1213

§ 59 Ausgewählte Klauseln

4.

Vollstreckungskosten

7.154 Klauseln in AGB von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen den Kunden von diesen ein Entgelt (15,00 € pro Pfändung bei Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen) erhoben wird, verstoßen gegen § 307 BGB.183) Auch diese Rechtsprechung dürfte im Hinblick auf § 288 Abs. 5 BGB überholt sein. Allerdings sind ggf. Mahn- und Vollstreckungskostenpauschalen aufzuaddieren. XI.

Höhere Gewalt

1.

Inhalt

7.155 In Fällen höherer Gewalt, z. B. bei Arbeitskampfmaßnahmen oder im Falle sonstiger, vom Kunden nicht zu vertretender Umstände, soll sich dieser nicht auf Nichterfüllung des Getränkelieferungsvertrages durch den Getränkelieferanten berufen können. Insbesondere soll ihm kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen. Der Getränkelieferant ist in diesen Fällen von seiner Leistungspflicht befreit. Er hat allerdings das Recht, den Kunden durch einen Dritten (andere Brauerei, bei Belieferung durch den Getränkefachgroßhändler ein anderer Getränkefachgroßhändler) nach seiner Wahl auf eigene Rechnung mit gleichwertigen Erzeugnissen beliefern zu lassen (sogenannte Aushilfslieferungen). 2.

Wirksamkeit

7.156 Insofern bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. XII. Verzicht auf Restschuldbefreiung 7.157 Auch ein Unternehmer kann einen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiungen in AGB nicht wirksam erklären. Ebenso kann er den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in diesen nicht wirksam anerkennen (§§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 301 Abs. 1, 302 Nr. 1 InsO).184) XIII. Schiedsklauseln 1.

Einbeziehung

7.158 Überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB wird die Vereinbarung eines Schiedsgerichts als solche zwischen Unternehmern nur ganz ausnahmsweise sein, wenn der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit in der betreffenden Branche oder ___________ 183) BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 = NJW 1999, 2276 = ZIP 1999, 1090. 184) BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029 = ZIP 2015, 1692.

1214

§ 59 Ausgewählte Klauseln

4.

Vollstreckungskosten

7.154 Klauseln in AGB von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen den Kunden von diesen ein Entgelt (15,00 € pro Pfändung bei Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen) erhoben wird, verstoßen gegen § 307 BGB.183) Auch diese Rechtsprechung dürfte im Hinblick auf § 288 Abs. 5 BGB überholt sein. Allerdings sind ggf. Mahn- und Vollstreckungskostenpauschalen aufzuaddieren. XI.

Höhere Gewalt

1.

Inhalt

7.155 In Fällen höherer Gewalt, z. B. bei Arbeitskampfmaßnahmen oder im Falle sonstiger, vom Kunden nicht zu vertretender Umstände, soll sich dieser nicht auf Nichterfüllung des Getränkelieferungsvertrages durch den Getränkelieferanten berufen können. Insbesondere soll ihm kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen. Der Getränkelieferant ist in diesen Fällen von seiner Leistungspflicht befreit. Er hat allerdings das Recht, den Kunden durch einen Dritten (andere Brauerei, bei Belieferung durch den Getränkefachgroßhändler ein anderer Getränkefachgroßhändler) nach seiner Wahl auf eigene Rechnung mit gleichwertigen Erzeugnissen beliefern zu lassen (sogenannte Aushilfslieferungen). 2.

Wirksamkeit

7.156 Insofern bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. XII. Verzicht auf Restschuldbefreiung 7.157 Auch ein Unternehmer kann einen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiungen in AGB nicht wirksam erklären. Ebenso kann er den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in diesen nicht wirksam anerkennen (§§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 301 Abs. 1, 302 Nr. 1 InsO).184) XIII. Schiedsklauseln 1.

Einbeziehung

7.158 Überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB wird die Vereinbarung eines Schiedsgerichts als solche zwischen Unternehmern nur ganz ausnahmsweise sein, wenn der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit in der betreffenden Branche oder ___________ 183) BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 = NJW 1999, 2276 = ZIP 1999, 1090. 184) BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029 = ZIP 2015, 1692.

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§ 59 Ausgewählte Klauseln

4.

Vollstreckungskosten

7.154 Klauseln in AGB von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen den Kunden von diesen ein Entgelt (15,00 € pro Pfändung bei Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen) erhoben wird, verstoßen gegen § 307 BGB.183) Auch diese Rechtsprechung dürfte im Hinblick auf § 288 Abs. 5 BGB überholt sein. Allerdings sind ggf. Mahn- und Vollstreckungskostenpauschalen aufzuaddieren. XI.

Höhere Gewalt

1.

Inhalt

7.155 In Fällen höherer Gewalt, z. B. bei Arbeitskampfmaßnahmen oder im Falle sonstiger, vom Kunden nicht zu vertretender Umstände, soll sich dieser nicht auf Nichterfüllung des Getränkelieferungsvertrages durch den Getränkelieferanten berufen können. Insbesondere soll ihm kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen. Der Getränkelieferant ist in diesen Fällen von seiner Leistungspflicht befreit. Er hat allerdings das Recht, den Kunden durch einen Dritten (andere Brauerei, bei Belieferung durch den Getränkefachgroßhändler ein anderer Getränkefachgroßhändler) nach seiner Wahl auf eigene Rechnung mit gleichwertigen Erzeugnissen beliefern zu lassen (sogenannte Aushilfslieferungen). 2.

Wirksamkeit

7.156 Insofern bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. XII. Verzicht auf Restschuldbefreiung 7.157 Auch ein Unternehmer kann einen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiungen in AGB nicht wirksam erklären. Ebenso kann er den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in diesen nicht wirksam anerkennen (§§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 301 Abs. 1, 302 Nr. 1 InsO).184) XIII. Schiedsklauseln 1.

Einbeziehung

7.158 Überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB wird die Vereinbarung eines Schiedsgerichts als solche zwischen Unternehmern nur ganz ausnahmsweise sein, wenn der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit in der betreffenden Branche oder ___________ 183) BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 = NJW 1999, 2276 = ZIP 1999, 1090. 184) BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029 = ZIP 2015, 1692.

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§ 59 Ausgewählte Klauseln

4.

Vollstreckungskosten

7.154 Klauseln in AGB von Kreditinstituten, in denen für die Bearbeitung und Überwachung von Pfändungsmaßnahmen gegen den Kunden von diesen ein Entgelt (15,00 € pro Pfändung bei Bearbeitung von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen) erhoben wird, verstoßen gegen § 307 BGB.183) Auch diese Rechtsprechung dürfte im Hinblick auf § 288 Abs. 5 BGB überholt sein. Allerdings sind ggf. Mahn- und Vollstreckungskostenpauschalen aufzuaddieren. XI.

Höhere Gewalt

1.

Inhalt

7.155 In Fällen höherer Gewalt, z. B. bei Arbeitskampfmaßnahmen oder im Falle sonstiger, vom Kunden nicht zu vertretender Umstände, soll sich dieser nicht auf Nichterfüllung des Getränkelieferungsvertrages durch den Getränkelieferanten berufen können. Insbesondere soll ihm kein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zustehen. Der Getränkelieferant ist in diesen Fällen von seiner Leistungspflicht befreit. Er hat allerdings das Recht, den Kunden durch einen Dritten (andere Brauerei, bei Belieferung durch den Getränkefachgroßhändler ein anderer Getränkefachgroßhändler) nach seiner Wahl auf eigene Rechnung mit gleichwertigen Erzeugnissen beliefern zu lassen (sogenannte Aushilfslieferungen). 2.

Wirksamkeit

7.156 Insofern bestehen keine Wirksamkeitsbedenken. XII. Verzicht auf Restschuldbefreiung 7.157 Auch ein Unternehmer kann einen vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Wirkungen der Restschuldbefreiungen in AGB nicht wirksam erklären. Ebenso kann er den Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in diesen nicht wirksam anerkennen (§§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. §§ 301 Abs. 1, 302 Nr. 1 InsO).184) XIII. Schiedsklauseln 1.

Einbeziehung

7.158 Überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB wird die Vereinbarung eines Schiedsgerichts als solche zwischen Unternehmern nur ganz ausnahmsweise sein, wenn der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit in der betreffenden Branche oder ___________ 183) BGH, Urt. v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380 = NJW 1999, 2276 = ZIP 1999, 1090. 184) BGH, Urt. v. 25.6.2015 – IX ZR 199/14, NJW 2015, 3029 = ZIP 2015, 1692.

1214

XIV. Erfüllungsort

zwischen den beteiligten Parteien völlig unüblich ist. Dies kann selbst bei Verbraucherverträgen regelmäßig nicht angenommen werden.185) 2.

Inhaltskontrolle

a) § 309 Nr. 12 BGB. Auch wenn sich durch eine Schiedsgutachtenklausel die 7.159 Beweisposition des Vertragspartners verschlechtern sollte, so liegt keine Beweislaständerung vor, die von dem Klauselverbot erfasst würde.186) b) § 307 BGB. Im Verkehr zwischen Unternehmern sind Schiedsklauseln schon 7.160 wegen des gemeinsamen Interesses an einer raschen Streiterledigung mit § 307 BGB grundsätzlich vereinbar.187) XIV. Erfüllungsort 1.

Inhalt

Eine formularmäßige Vereinbarung hinsichtlich des Erfüllungsortes geschieht 7.161 durch Formulierungen wie „Erfüllungsort ist…“. 2.

Abgrenzung

Sollte die Erfüllungsortklausel ausnahmsweise als Gerichtsstandsklausel zu ver- 7.162 stehen sein, so ist sie auch AGB-rechtlich als solche und nicht als Erfüllungsortklausel zu behandeln. Es gelten dann die nachfolgenden Hinweise.188) 3.

Inhaltskontrolle

a) Kontrollfähigkeit. Der Ausschluss der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 7.163 Satz 1 BGB gilt nur für die Beschreibung des unmittelbaren Leistungsgegenstands, nicht aber für Regelungen, welche die übernommene Leistungspflicht des Verwenders modifizieren.189) Daher sind Erfüllungsortklauseln kontrollfähig. b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei Erfüllungsortklauseln sind die §§ 269, 270 BGB 7.164 als Leitbild i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB heranzuziehen. Eine Klausel, die entgegen § 269 Abs. 1 BGB als Erfüllungsort den Sitz des Gläubigers nennt, bedarf daher eines rechtfertigenden sachlichen Grundes. Dieser kann sich aus der Vertragswirklichkeit oder der Natur des Schuldverhältnisses ergeben.

___________ 185) BGH, Urt. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, NJW 2005, 1125: Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher, bei der die Formerfordernisse des § 1031 Abs. 5 ZPO erfüllt werden, weil diese dem Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung Rechnung tragen sollen. 186) Staudinger-Coester-Waltjen, BGB, § 309 Nr. 12 Rz. 4. 187) BGH, Urt. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, NJW 2005, 1125. 188) Siehe unten § 59 XV m. w. N. 189) BGH, Urt. v. 17.10.2007 – VIII ZR 251/06, NJW 2008, 214.

1215

XIV. Erfüllungsort

zwischen den beteiligten Parteien völlig unüblich ist. Dies kann selbst bei Verbraucherverträgen regelmäßig nicht angenommen werden.185) 2.

Inhaltskontrolle

a) § 309 Nr. 12 BGB. Auch wenn sich durch eine Schiedsgutachtenklausel die 7.159 Beweisposition des Vertragspartners verschlechtern sollte, so liegt keine Beweislaständerung vor, die von dem Klauselverbot erfasst würde.186) b) § 307 BGB. Im Verkehr zwischen Unternehmern sind Schiedsklauseln schon 7.160 wegen des gemeinsamen Interesses an einer raschen Streiterledigung mit § 307 BGB grundsätzlich vereinbar.187) XIV. Erfüllungsort 1.

Inhalt

Eine formularmäßige Vereinbarung hinsichtlich des Erfüllungsortes geschieht 7.161 durch Formulierungen wie „Erfüllungsort ist…“. 2.

Abgrenzung

Sollte die Erfüllungsortklausel ausnahmsweise als Gerichtsstandsklausel zu ver- 7.162 stehen sein, so ist sie auch AGB-rechtlich als solche und nicht als Erfüllungsortklausel zu behandeln. Es gelten dann die nachfolgenden Hinweise.188) 3.

Inhaltskontrolle

a) Kontrollfähigkeit. Der Ausschluss der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 7.163 Satz 1 BGB gilt nur für die Beschreibung des unmittelbaren Leistungsgegenstands, nicht aber für Regelungen, welche die übernommene Leistungspflicht des Verwenders modifizieren.189) Daher sind Erfüllungsortklauseln kontrollfähig. b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei Erfüllungsortklauseln sind die §§ 269, 270 BGB 7.164 als Leitbild i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB heranzuziehen. Eine Klausel, die entgegen § 269 Abs. 1 BGB als Erfüllungsort den Sitz des Gläubigers nennt, bedarf daher eines rechtfertigenden sachlichen Grundes. Dieser kann sich aus der Vertragswirklichkeit oder der Natur des Schuldverhältnisses ergeben.

___________ 185) BGH, Urt. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, NJW 2005, 1125: Schiedsvereinbarung mit einem Verbraucher, bei der die Formerfordernisse des § 1031 Abs. 5 ZPO erfüllt werden, weil diese dem Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung Rechnung tragen sollen. 186) Staudinger-Coester-Waltjen, BGB, § 309 Nr. 12 Rz. 4. 187) BGH, Urt. v. 13.1.2005 – III ZR 265/03, NJW 2005, 1125. 188) Siehe unten § 59 XV m. w. N. 189) BGH, Urt. v. 17.10.2007 – VIII ZR 251/06, NJW 2008, 214.

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§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.165 c) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Rein gerichtsstandsbezogene Erfüllungsortklauseln dürften im Unternehmerverkehr wirksam sein. Dies auch dann, wenn die Klausel nicht ausdrücklich zwischen Verbrauchern und Unternehmern differenziert.190) XV. Gerichtsstand 1.

Inhalt

7.166 Üblicherweise erfassen Gerichtsstandsklauseln Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit. Vereinzelt wird auch die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Streitwerten über 5.000,00 € vereinbart (prorogiert). Dies kann aus Zeit- und Kostengründen sinnvoll sein. 2.

Einbeziehung

7.167 Grundsätzlich sind Gerichtsstandsklauseln im unternehmerischen Verkehr mit Hinblick auf den hohen Verbreitungsgrad nichts Außergewöhnliches und damit nichts Überraschendes i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.191) Dies jedenfalls dann, wenn sie das Gericht prorogieren, bei dem der Verwender seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, oder die Zuständigkeit des Gerichts der Zweigniederlassung bestimmt wird, von der aus der Vertrag geschlossen wird. Etwas Anderes könnte möglicherweise dann gelten, wenn der Gerichtsstand keinen Bezug zum Hauptsitz und zur Niederlassung des Verwenders hat.192) Diese Bedenken greifen jedenfalls dann nicht durch, wenn die Klausel drucktechnisch besonders hervorgehoben und sprachlich leicht verständlich ist. 3.

Inhaltskontrolle

7.168 a) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 38 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2, 29 Abs. 2, 689 Abs. 2 ZPO. Gerichtsstandsklauseln sind nach §§ 38 Abs. 1, 29 Abs. 2 ZPO nur mit Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlichrechtlichen Sondervermögen zulässig. Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen stellt sich diese Situation nur für im Handelsregister eingetragene Kaufleute und für alle Handelsgesellschaften, die Formkaufleute nach § 6 HGB sind, damit beispielsweise für die GmbH, die AG, die OHG und die KG, sowie für öffentlich-rechtliche Körperschaften. Der praktische Anwendungsbereich von Gerichtsstandsklauseln ist daher begrenzt. 7.169 § 38 ZPO beruht nicht nur auf Zweckmäßigkeits-, sondern auch auf Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen.193) Der Grundgedanke ist, dass die Vereinbarung eines Gerichtsstandes, der für die betroffene Partei ungünstig gelegen ist, ___________ 190) 191) 192) 193)

OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.2.1998 – 5 U 267/96, BB 1998, 2230. BAG, Urt. v. 24.7.1996 – X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013. OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506. BGH, Urt. v. 2.7.1987 – III ZR 219/96, BGHZ 101, 271 = NJW 1987, 2867.

1216

§ 59 Ausgewählte Klauseln

7.165 c) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Rein gerichtsstandsbezogene Erfüllungsortklauseln dürften im Unternehmerverkehr wirksam sein. Dies auch dann, wenn die Klausel nicht ausdrücklich zwischen Verbrauchern und Unternehmern differenziert.190) XV. Gerichtsstand 1.

Inhalt

7.166 Üblicherweise erfassen Gerichtsstandsklauseln Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit. Vereinzelt wird auch die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts bei Streitwerten über 5.000,00 € vereinbart (prorogiert). Dies kann aus Zeit- und Kostengründen sinnvoll sein. 2.

Einbeziehung

7.167 Grundsätzlich sind Gerichtsstandsklauseln im unternehmerischen Verkehr mit Hinblick auf den hohen Verbreitungsgrad nichts Außergewöhnliches und damit nichts Überraschendes i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB.191) Dies jedenfalls dann, wenn sie das Gericht prorogieren, bei dem der Verwender seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, oder die Zuständigkeit des Gerichts der Zweigniederlassung bestimmt wird, von der aus der Vertrag geschlossen wird. Etwas Anderes könnte möglicherweise dann gelten, wenn der Gerichtsstand keinen Bezug zum Hauptsitz und zur Niederlassung des Verwenders hat.192) Diese Bedenken greifen jedenfalls dann nicht durch, wenn die Klausel drucktechnisch besonders hervorgehoben und sprachlich leicht verständlich ist. 3.

Inhaltskontrolle

7.168 a) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. §§ 38 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2, 29 Abs. 2, 689 Abs. 2 ZPO. Gerichtsstandsklauseln sind nach §§ 38 Abs. 1, 29 Abs. 2 ZPO nur mit Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlichrechtlichen Sondervermögen zulässig. Im Zusammenhang mit Getränkelieferungsverträgen stellt sich diese Situation nur für im Handelsregister eingetragene Kaufleute und für alle Handelsgesellschaften, die Formkaufleute nach § 6 HGB sind, damit beispielsweise für die GmbH, die AG, die OHG und die KG, sowie für öffentlich-rechtliche Körperschaften. Der praktische Anwendungsbereich von Gerichtsstandsklauseln ist daher begrenzt. 7.169 § 38 ZPO beruht nicht nur auf Zweckmäßigkeits-, sondern auch auf Gerechtigkeits- und Billigkeitserwägungen.193) Der Grundgedanke ist, dass die Vereinbarung eines Gerichtsstandes, der für die betroffene Partei ungünstig gelegen ist, ___________ 190) 191) 192) 193)

OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.2.1998 – 5 U 267/96, BB 1998, 2230. BAG, Urt. v. 24.7.1996 – X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013. OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506. BGH, Urt. v. 2.7.1987 – III ZR 219/96, BGHZ 101, 271 = NJW 1987, 2867.

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XV. Gerichtsstand

für diese einen erheblichen Nachteil darstellen kann. Daher gilt der Grundsatz, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch unter Kaufleuten unwirksam sind, wenn ihnen kein berechtigtes Interesse zugrunde liegt.194) Zu prüfen ist, ob der genannte Gerichtsort etwa mit dem Firmensitz oder mit dem Erfüllungsort in näherer Beziehung steht.195) Sind beide Parteien Kaufleute, so kommt dem Gerechtigkeitsgehalt des § 38 ZPO eine geringere Bedeutung zu.196) In diesen Grenzen sind anfängliche Gerichtsstandsklauseln grundsätzlich zu- 7.170 lässig.197) Dies auch dann, wenn sie zugleich gegenüber Verbrauchern verwandt werden.198) Es genügt nicht, dass die Vereinbarung den Zusatz „soweit gesetzlich zulässig“ 7.171 oder eine ähnliche salvatorische Klausel enthält, ohne sich ausdrücklich auf die Ausnahmefälle nach § 38 Abs. 3 ZPO zu beschränken.199) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Gerichtsstandsklauseln, die an den Sitz des Verwen- 7.172 ders, den Erfüllungsort oder an den Ort des Vertragsschlusses anknüpfen, verstoßen im Unternehmerverkehr grundsätzlich nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.200) Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes, der weder mit dem Vertragsinhalt noch mit dem Geschäftssitz des Verwenders im Zusammenhang steht, soll unwirksam sein.201) Klauseln, die dem Verwender das Recht einräumen, einseitig zwischen zwei oder mehr Gerichtsständen zu wählen, sind nach h. M. zulässig.202) § 60 Verpackung und Pfand Zu den außerordentlich umstrittenen, praktisch aber besonders bedeutsamen Fra- 7.173 gen des Getränkelieferungsrechts gehört die rechtliche Behandlung und Einordnung der verschiedenen Gebindeformen und des Pfandes. Insofern können nur ausgewählte Aspekte aufgezeigt werden. Berücksichtigt wird vorrangig die hierzu ergangene Rechtsprechung.

___________ 194) 195) 196) 197) 198) 199) 200)

OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506. LG Konstanz, Urt. v. 23.6.1983 – 3 HO 31/83, WW 1983, 1372. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.3.1996 – 10 U 249/95, NJW 1996, 2041. OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2006 – 2 W 88/06, NJW 2006, 3361. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.2.1998 – 5 U 267/96, BB 1998, 2230. OLG Hamm, Urt. v. 18.2.1983 – 20 U 174/82, BeckRS 1983, 31381256. OLG Köln, Urt. v. 20.6.1989 – 24 U 44/89, ZIP 1989, 1068; OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.6.2006 – 2 W 80/06, NJW 2006, 3360. 201) OLG Köln, Urt. v. 20.6.1989 – 24 U 44/89, BeckRS 1989, 31145969 = ZIP 1989, 1068; OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506; LG Konstanz, Urt. v. 23.6.1983 – 3 HO 31/83, BB 1983, 1372. 202) BGH, Beschl. v. 28.10.1982 – I ARZ 449/82, NJW 1983, 996 = ZIP 1983, 369.

1217

XV. Gerichtsstand

für diese einen erheblichen Nachteil darstellen kann. Daher gilt der Grundsatz, dass Gerichtsstandsvereinbarungen auch unter Kaufleuten unwirksam sind, wenn ihnen kein berechtigtes Interesse zugrunde liegt.194) Zu prüfen ist, ob der genannte Gerichtsort etwa mit dem Firmensitz oder mit dem Erfüllungsort in näherer Beziehung steht.195) Sind beide Parteien Kaufleute, so kommt dem Gerechtigkeitsgehalt des § 38 ZPO eine geringere Bedeutung zu.196) In diesen Grenzen sind anfängliche Gerichtsstandsklauseln grundsätzlich zu- 7.170 lässig.197) Dies auch dann, wenn sie zugleich gegenüber Verbrauchern verwandt werden.198) Es genügt nicht, dass die Vereinbarung den Zusatz „soweit gesetzlich zulässig“ 7.171 oder eine ähnliche salvatorische Klausel enthält, ohne sich ausdrücklich auf die Ausnahmefälle nach § 38 Abs. 3 ZPO zu beschränken.199) b) § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Gerichtsstandsklauseln, die an den Sitz des Verwen- 7.172 ders, den Erfüllungsort oder an den Ort des Vertragsschlusses anknüpfen, verstoßen im Unternehmerverkehr grundsätzlich nicht gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.200) Die Vereinbarung eines Gerichtsstandes, der weder mit dem Vertragsinhalt noch mit dem Geschäftssitz des Verwenders im Zusammenhang steht, soll unwirksam sein.201) Klauseln, die dem Verwender das Recht einräumen, einseitig zwischen zwei oder mehr Gerichtsständen zu wählen, sind nach h. M. zulässig.202) § 60 Verpackung und Pfand Zu den außerordentlich umstrittenen, praktisch aber besonders bedeutsamen Fra- 7.173 gen des Getränkelieferungsrechts gehört die rechtliche Behandlung und Einordnung der verschiedenen Gebindeformen und des Pfandes. Insofern können nur ausgewählte Aspekte aufgezeigt werden. Berücksichtigt wird vorrangig die hierzu ergangene Rechtsprechung.

___________ 194) 195) 196) 197) 198) 199) 200)

OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506. LG Konstanz, Urt. v. 23.6.1983 – 3 HO 31/83, WW 1983, 1372. OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.3.1996 – 10 U 249/95, NJW 1996, 2041. OLG Schleswig, Urt. v. 21.6.2006 – 2 W 88/06, NJW 2006, 3361. OLG Frankfurt/M., Urt. v. 3.2.1998 – 5 U 267/96, BB 1998, 2230. OLG Hamm, Urt. v. 18.2.1983 – 20 U 174/82, BeckRS 1983, 31381256. OLG Köln, Urt. v. 20.6.1989 – 24 U 44/89, ZIP 1989, 1068; OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506; OLG Schleswig, Beschl. v. 2.6.2006 – 2 W 80/06, NJW 2006, 3360. 201) OLG Köln, Urt. v. 20.6.1989 – 24 U 44/89, BeckRS 1989, 31145969 = ZIP 1989, 1068; OLG Hamburg, Urt. v. 26.3.1999 – 1 U 162/98, NJW-RR 1999, 1506; LG Konstanz, Urt. v. 23.6.1983 – 3 HO 31/83, BB 1983, 1372. 202) BGH, Beschl. v. 28.10.1982 – I ARZ 449/82, NJW 1983, 996 = ZIP 1983, 369.

1217

§ 60 Verpackung und Pfand

I.

Individualisierte Mehr-/Einwegverpackungen

1.

Begriff und Anwendungsbeispiele

7.174 Individualisierte Mehr-/Einwegverpackungen sind durch Formgebung, Prägung, Stanzung, Anbringung von Identifizierungsnummern, Aufdruck und/oder Kennzeichnung im Übrigen auch nach Ablösung des Etiketts dauerhaft und unverwechselbar als Eigentum eines bestimmten Herstellers oder Vertreibers zu identifizieren.203) Zu nennen sind insbesondere Individualflaschen204), -kästen205) und -fässer/kegs sowie Gasflaschen.206) Der BGH ließ sogar den durch das abgefüllte eisenhaltige Wasser entstandenen Belag in einer Einheitsflasche genügen.207) Bei Flaschen besteht die Besonderheit darin, dass ihre Herkunft auch nach Ablösen der Papieretiketten noch ohne Mühe bestimmt werden kann. Zu denken ist auch an Kennzeichnungen wie „Flasche bleibt Eigentum des Herstellers“. Die Kennzeichnung lediglich mit dem Namen des Herstellers dürfte allerdings nicht genügen. Der Aufdruck „Pfandflasche“ weist nicht auf Eigentum des Herstellers hin, sondern kennzeichnet vielmehr allein das Recht, die Flasche gegen Erstattung des Pfandbetrages zurückzugeben. 2.

Eigentumsverhältnisse

7.175 a) Interessenlage. Der Eigentümer einer individualisierten – aufgrund einer dauerhaften Kennzeichnung als sein Eigentum ausgewiesenen – Pfandflasche legt erkennbar Wert auf die Rückgabe dieser Flaschen und auch der sonstigen entsprechend gekennzeichneten Gebinde. Er will sein Eigentum am Leergut dauerhaft über sämtliche Handelsstufen hinweg behalten, was in Branchenkreisen auch bekannt ist.208) 7.176 b) Einigung. Der Hersteller verliert daher das Eigentum an der Flasche weder durch den Verkauf des Getränks noch durch den weiteren vorbehaltslosen Ver-

___________ 203) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (Kunststoffflaschen mit der Prägung „GG-Pool“); LG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 204) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“). 205) LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen). 206) Verneint von OLG Brandenburg, Urt. v. 13.2.2003 – 6 U 63/02, BeckRS 2003, 30306871, für durch Firmenlogos gekennzeichnete Flüssiggastanks. 207) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Glasflaschen mit der Bodenprägung „F“ (für Staatl. Fachingen)). 208) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool).

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I. Individualisierte Mehr-/Einwegverpackungen

trieb des Getränks auf allen Handelsstufen bis zum Endverbraucher.209) Hinsichtlich der Verpackung liegt ein branchenüblicher und damit erklärter tatsächlicher Vorbehalt des Eigentums vor. Die Eigentumsübertragung soll sich ausschließlich auf den Inhalt der Gebinde beziehen. Im Übrigen fehlt es an dem erkennbaren Übereignungswillen und damit an einem Übereignungsangebot gem. § 929 Satz 1 BGB. Die schuldrechtlichen Rechtsverhältnisse an dem Pfandbetrag sind für die Eigentumsverhältnisse ohne Bedeutung.210) 3.

Verlust des Eigentums

a) Gutgläubiger Erwerb. Aus der individuellen Kennzeichnung der Gebinde, 7.177 der Abrechnung des Pfandes, den Branchenkenntnissen der Beteiligten, etwa der Getränkefachgroßhändler hinsichtlich der Durchmischung rücklaufender Leerflaschen, und dem Umstand, dass sich der Endverbraucher keine Gedanken über den Eigentumserwerb macht, folgt, dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb (§ 932 BGB, § 366 Abs. 1 HGB) ausscheidet.211) Dies gilt auch dann,

___________ 209) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.2.1990 – 2 W 6/90, BeckRS 1990, 03192 = Zeller IV, 372; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 210) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 336/07, DStR 2009, 2474 (Einheitsleergut); BFH, Urt. v. 9.1.2013 – I R 33/11, DStR 2013, 957 (Brunneneinheitsflasche); OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.10.1979 – 11 U 50/79, Zeller II, 383; OLG München, Urt. v. 8.5.1980 – 6 U 3928/79, GRUR 1980, 1010 (Brunneneinheitsflasche); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356 (Fässer); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363. 211) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); i. E. ebenso BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“). Anders für CO2-Zylinder, die als Zubehör einem „Getränkebesprudelungsgerät“ beilagen, trotz des Verpackungsaufdrucks „CO2Zylinder zur Miete“ OLG München, Urt. v. 1.2.2007 – U(K) 3622/06, BeckRS 2007, 14735; OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.4.2003 – 20 U 180/02, BeckRS 2003, 11361.

1219

§ 60 Verpackung und Pfand

wenn es an einer unmittelbaren Zusammenarbeit fehlt und die Geschäftsbedingungen der Gegenseite unbekannt waren.212) 7.178 b) Rücknahme fremder Flaschen. Das Eigentum geht nicht deshalb verloren, weil ein Händler auch fremde Flaschen zurücknimmt und hierauf den Pfandbetrag erstattet.213) 4.

Dingliche Ansprüche

7.179 a) Eigentumsrechtliche Ansprüche. Insbesondere im Bezug auf die Flaschen, die – in der Praxis unvermeidlich – aufgrund von Sortierfehlern in zum Teil erheblichen Umfang bei konkurrierenden Anbietern bzw. deren Händlern als fremdes Leergut auflaufen, kommen Ansprüche des Herstellers auf Herausgabe oder ersatzweise auf Schadensersatz mangels vertraglicher Beziehungen der Parteien nur aus Eigentum (§§ 985, 989, 990, 1004, 823 BGB) in Betracht.214) Der Hersteller/Abfüller daher von den jeweiligen Besitzern Herausgabe (§ 985 BGB) seiner leeren Flaschen fordern, um sie wieder befüllen zu können, sowie sie wegen der Vernichtung seiner Flaschen auf Unterlassung (§ 1004 BGB direkt ___________ 212) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.10.1979 – 11 U 50/79, Zeller II, 383; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG München, Urt. v. 8.5.1980 – 6 U 3928/79, GRUR 1980, 1010 (Brunneneinheitsflasche); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363; FG Hessen, Urt. v. 23.3.2011 – 4 K 1065/07, BeckRS 2011, 95569. 213) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 214) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 336/07, DStR 2009, 2474 (Einheitsleergut); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BFH, Urt. v. 9.1.2013 – I R 33/11, DStR 2013, 957 (Brunneneinheitsflasche); OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.10.1979 – 11 U 50/79, Zeller II, 383; OLG München, Urt. v. 8.5.1980 – 6 U 3928/79, GRUR 1980, 1010 (Brunneneinheitsflasche); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); KG, Urt. v. 10.2.2006 – 5 U 148/04; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); LG Bremen, Urt. v. 10.11.1977 – 2 O. 592/77, Zeller II, 355 (Bierkästen); LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356 (Fässer); LG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1982 – 2/6 O. 519/82, Zeller III, 412 (Fässer); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363.

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I. Individualisierte Mehr-/Einwegverpackungen

oder analog) und grundsätzlich auch auf Schadensersatz (§§ 989, 990; 823 BGB) in Anspruch nehmen.215) b) Insolvenz. In der Insolvenz des Gebindebesitzers kann der Eigentümer gem. 7.180 § 47 InsO aussondern. 5.

Rechtsnatur der Hingabe des Pfandgeldes

Die rechtliche Behandlung der Pfandabrede ist sehr umstritten. Die wohl h. M. 7.181 bewertet die Hingabe des Pfandgeldes als Barkaution zur Sicherung des Rückgabeanspruchs, bei der am Geld ein irrreguläres (unregelmäßiges) Pfand entsteht. Die Einordnung als irreguläres Pfand hängt nicht von der sachenrechtlichen Frage des Eigentumsübergangs ab, sondern ist nur davon abhängig, dass man den Überlassungsvertrag schuldrechtlich als Darlehen oder Leihe oder diesen Verträgen ähnlich, nicht aber als Kauf einordnet. Der Zusatz „irregulär“ soll nämliche beschreiben, dass der Gläubiger Eigentümer des Geldes wird. Irregulär ist das Pfand in diesem Fall deshalb, weil der Hersteller als Pfandrechtsgläubiger im Gegensatz zu § 1205 BGB nicht nur den Besitz, sondern wegen der zwingenden Regel des § 948 Abs. 1 BGB auch das Eigentum an dem Geld erlangt (Kautionspfand) und entgegen § 1215 BGB das hingegebene Geld unverzinslich in seinem Betrieb für sich verwenden und an seiner Stelle bei Rückgabe der Verpackungen durch den Abnehmer einen entsprechenden Geldbetrag zurückgewähren darf.216) 6.

Pfandgelderstattung

a) Pfandgegenstand. Pfandgegenstand ist das Geld, das jeweils zur Absicherung 7.182 der Rückgabeverpflichtung gezahlt worden ist. b) Anspruchsgrundlage. Mit Rückgabe der Verpackung erwirbt der Abnehmer 7.183 einen Zahlungsanspruch in Höhe des Pfandes.217) c) Aktivlegitimation. Anspruchsberechtigt ist jeder – auch ausländischer – 7.184 Dritte, der im Besitz der Flaschen ist, ohne dass insoweit zwischen Mehrweg-

___________ 215) LG Bremen, Urt. v. 10.11.1977 – 2 O. 592/77, Zeller II, 355 (Bierkästen); LG Frankfurt/M., Urt. v. 27.10.1982 – 2/6 O. 519/82, Zeller III, 412 (Fässer); LG Weiden, Beschl. v. 15.6. und 1.10.1999 – HK O. 948/99 (Fässer). 216) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.7.2005 – 10 U 11/05, BeckRS 2011, 19957. 217) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool).

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§ 60 Verpackung und Pfand

und Einwegflaschen bzw. Individualverpackungen oder Einheitsverpackungen unterschieden wird wer die Verpackungen zurückgibt.218) 7.185 d) Passivlegitimation. Hersteller und Händler haften als Gesamtschuldner, wobei im Innenverhältnis der Hersteller als Empfänger des ersten gezahlten Pfandbetrages allein verpflichtet ist. Nimmt der Händler daher eine bepfandete Verpackung vom Endverbraucher zurück, so erwirbt er gem. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB den Anspruch des Endverbrauchers gegen den Hersteller.219) 7.186 e) Fehlende Pfandangabe. Es genügt, wenn sich die Modalitäten der Rückgabe aus dem in der Praxis geübten Verfahren ergeben. Die Zahlungspflicht besteht damit auch dann, wenn der Pfandbetrag nicht auf der Flasche angegeben sei, weil der Pfandbetrag den Marktkreisen bekannt bzw. zumindest gem. § 315 BGB bestimmbar ist und im Zweifel in gesetzlicher Höhe besteht.220) II.

Einheitsverpackungen

1.

Begriff und Anwendungsbeispiele

7.187 Einheits- bzw. Gruppenverpackungen weisen keine spezifischen Individualisierungsmerkmale auf und werden ununterscheidbar von unterschiedlich vielen Herstellern verwendet.221) Zu nennen sind insbesondere (Euro-)Bierflaschen222) und Kästen223). 2.

Eigentumsübergang

7.188 Dem Gläubiger liegt insofern regelmäßig nichts an der Rückgabe der Gebinde in Natura, weil er durch das Pfand hinreichend gesichert ist. Im Ergebnis findet daher auf jeder Handelsstufe ein Verkauf mit rechtsgeschäftlichem Eigentums___________ 218) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); ); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJWRR 2010, 1432 (GG-Pool). 219) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.7.2005 – 10 U 274/04, NJW 2005, 3148, Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler). 220) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool). 221) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool). 222) BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche). 223) LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen).

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§ 60 Verpackung und Pfand

und Einwegflaschen bzw. Individualverpackungen oder Einheitsverpackungen unterschieden wird wer die Verpackungen zurückgibt.218) 7.185 d) Passivlegitimation. Hersteller und Händler haften als Gesamtschuldner, wobei im Innenverhältnis der Hersteller als Empfänger des ersten gezahlten Pfandbetrages allein verpflichtet ist. Nimmt der Händler daher eine bepfandete Verpackung vom Endverbraucher zurück, so erwirbt er gem. § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB den Anspruch des Endverbrauchers gegen den Hersteller.219) 7.186 e) Fehlende Pfandangabe. Es genügt, wenn sich die Modalitäten der Rückgabe aus dem in der Praxis geübten Verfahren ergeben. Die Zahlungspflicht besteht damit auch dann, wenn der Pfandbetrag nicht auf der Flasche angegeben sei, weil der Pfandbetrag den Marktkreisen bekannt bzw. zumindest gem. § 315 BGB bestimmbar ist und im Zweifel in gesetzlicher Höhe besteht.220) II.

Einheitsverpackungen

1.

Begriff und Anwendungsbeispiele

7.187 Einheits- bzw. Gruppenverpackungen weisen keine spezifischen Individualisierungsmerkmale auf und werden ununterscheidbar von unterschiedlich vielen Herstellern verwendet.221) Zu nennen sind insbesondere (Euro-)Bierflaschen222) und Kästen223). 2.

Eigentumsübergang

7.188 Dem Gläubiger liegt insofern regelmäßig nichts an der Rückgabe der Gebinde in Natura, weil er durch das Pfand hinreichend gesichert ist. Im Ergebnis findet daher auf jeder Handelsstufe ein Verkauf mit rechtsgeschäftlichem Eigentums___________ 218) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); ); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJWRR 2010, 1432 (GG-Pool). 219) OLG Frankfurt/M., Urt. v. 8.7.2005 – 10 U 274/04, NJW 2005, 3148, Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler). 220) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 232/05, NJW 2007, 2912 (Tauschhändler); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool). 221) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool). 222) BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche). 223) LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen).

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II. Einheitsverpackungen

übergang nach § 929 Satz 1 BGB auch hinsichtlich der Verpackung statt. Das Einheitsleergut wird zusammen mit seinem Inhalt verkauft und übereignet. Dies gilt für alle Vertriebsstufen.224) Zudem kommt es durch die Vermengung von Flaschen verschiedener Hersteller zwangsläufig zu einem Eigentumsverlust des einzelnen Herstellers (§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB).225) 3.

Unbeachtlichkeit des Eigentumsvorbehalts

Die Begründung hierfür ist allerdings dann nicht einfach, wenn es an einem aus- 7.189 drücklich oder konkludent vereinbarten rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang nach § 929 Satz 1 BGB fehlt. Dies gilt erst recht bei in den AGB zugrunde gelegten Eigentumsvorbehalten. Soweit sich Hersteller oder Absatzmittler in ihren Verkaufsbedingungen dauerhaft das Eigentum an den Flaschen vorbehalten und den Abnehmern daher allenfalls Besitz am Behältnis verschaffen wollen, dürfte eine derartige Regelung unbeachtlich sein, weil es im Rahmen des Rücklaufs der Flaschen bei den Einzel- und Großhändlern notwendig zur Vermengung bzw. Vermischung von Flaschen unterschiedlicher Hersteller und damit zu einem Eigentumsverlust nach §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 1 BGB kommt. Die Konsequenzen einer Miteigentümergemeinschaft nach Bruchteilen gem. §§ 948 Abs. 1, 947 Abs. 1, 1008, 741 ff. BGB226) wären indes völlig unpraktisch, letztlich wohl auch angesichts der Unübersehbarkeit der Miteigentümer undurchführbar. Mit der Rückgabe von Flaschen gleicher Art und Güte, die jedenfalls im Miteigentum eines anderen Herstellers stehen könnten, würde in dessen Eigentumsrechte eingegriffen.227) Eine abweichende ausdrückliche Vereinbarung („Eigentumsvorbehalt“) ist daher unwirksam sein, weil sie auf ein unmögliches

___________ 224) BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 336/07, DStR 2009, 2474 (Einheitsleergut); OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.2.1990 – 2 W 6/90, BeckRS 1990, 03192 = Zeller IV, 372; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); BFH, Urt. v. 9.1.2013 – I R 33/11, DStR 2013, 957 (Brunneneinheitsflasche); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen). 225) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool). 226) OLG München, Urt. v. 8.5.1980 – 6 U 3928/79, GRUR 1980, 1010 (Brunneneinheitsflasche); FG Hessen, Urt. v. 23.3.2011 – 4 K 1065/07, BeckRS 2011, 95569. 227) BFH, Urt. v. 9.1.2013 – I R 33/11, DStR 2013, 957 (Brunneneinheitsflasche); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363.

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§ 60 Verpackung und Pfand

und unzulässiges Verhalten gerichtet wäre (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) bzw. nicht ernstlich gewollt sein dürfte (§ 116 Satz 2 BGB).228) III. Ausgewählte weitere Fragen hinsichtlich des Gebindepfandes 1. Zweck 7.190 Das Pfand dient zur Sicherung des Rückgabeanspruchs.229) Nachrangig dient es zur Erfüllung eines bedingten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung. 2. Einführung einer Bepfandung 7.191 Bei Getränkelieferungsverträgen handelt es sich um Rahmenverträge, die durch einzelne Kaufverträge ausgefüllt werden.230) Das Pfand ist ein Aufschlag auf den Kaufpreis und ein in der Regel ausgewiesener Teil der Getränkerechnung in Vollzug des Kaufvertrages. Es ist dagegen nicht Bestandteil des ggf. zugrunde liegenden Getränkelieferungsvertrages. Eine Einführung der Bepfandung stellt daher ebenso wie eine Änderung der Pfandentgelte keine Änderung des Getränkelieferungsvertrages dar. Einer rechtsgeschäftlichen Zustimmung des Kunden bedarf es daher nicht. 3. Höhe des Pfandes 7.192 a) Tatsächliches. Durchweg liegen die Anschaffungskosten über dem verlangten Pfandbetrag.231) 7.193 b) Inhaltskontrolle. aa) Grundsatz. Klauseln, die die Gestellung von Sicherheiten für Forderungen des Verwenders beinhalten, sind nicht von vorne herein nach § 307 BGB zu beanstanden.232) ___________ 228) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.2.1990 – 2 W 6/90, BeckRS 1990, 03192 = Zeller IV, 372; LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363; BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 336/07, DStR 2009, 2474 (Einheitsleergut); a. A. OGHBrZ Köln, Urt. v. 2.2.1950 – I ZS 53/49, NJW 1950, 345 (Einheitsflasche); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche). 229) OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 230) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Siehe oben § 2 III 2 m. w. N. 231) BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche): 0,28 EM zu 0,20 DM; BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool): 0,173 € zu 0,15 €. 232) BGH, Urt. v. 14.7.1987 – X ZR 38/86, BGHZ 101, 307 = NJW 1987, 2810; BGH, Urt. v. 8.10.1986 – VIII ZR 342/85, BGHZ 98, 303 = NJW 1987, 487 = ZIP 1987, 85; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328.

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§ 60 Verpackung und Pfand

und unzulässiges Verhalten gerichtet wäre (§ 275 Abs. 1 Fall 2 BGB) bzw. nicht ernstlich gewollt sein dürfte (§ 116 Satz 2 BGB).228) III. Ausgewählte weitere Fragen hinsichtlich des Gebindepfandes 1. Zweck 7.190 Das Pfand dient zur Sicherung des Rückgabeanspruchs.229) Nachrangig dient es zur Erfüllung eines bedingten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung. 2. Einführung einer Bepfandung 7.191 Bei Getränkelieferungsverträgen handelt es sich um Rahmenverträge, die durch einzelne Kaufverträge ausgefüllt werden.230) Das Pfand ist ein Aufschlag auf den Kaufpreis und ein in der Regel ausgewiesener Teil der Getränkerechnung in Vollzug des Kaufvertrages. Es ist dagegen nicht Bestandteil des ggf. zugrunde liegenden Getränkelieferungsvertrages. Eine Einführung der Bepfandung stellt daher ebenso wie eine Änderung der Pfandentgelte keine Änderung des Getränkelieferungsvertrages dar. Einer rechtsgeschäftlichen Zustimmung des Kunden bedarf es daher nicht. 3. Höhe des Pfandes 7.192 a) Tatsächliches. Durchweg liegen die Anschaffungskosten über dem verlangten Pfandbetrag.231) 7.193 b) Inhaltskontrolle. aa) Grundsatz. Klauseln, die die Gestellung von Sicherheiten für Forderungen des Verwenders beinhalten, sind nicht von vorne herein nach § 307 BGB zu beanstanden.232) ___________ 228) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Köln, Urt. v. 30.9.1980 – 21 U 6/80, ZIP 1980, 1098 (Brunneneinheitsflasche); OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.2.1990 – 2 W 6/90, BeckRS 1990, 03192 = Zeller IV, 372; LG Darmstadt, Urt. v. 30.10.1979 – 14 O. 60/79, ZIP 1980, 113 (Bierkästen); LG Regensburg, Urt. v. 1.8.1989 – S 96/89, NJW-RR 1989, 1458 = Zeller IV, 363; BFH, Urt. v. 6.10.2009 – I R 336/07, DStR 2009, 2474 (Einheitsleergut); a. A. OGHBrZ Köln, Urt. v. 2.2.1950 – I ZS 53/49, NJW 1950, 345 (Einheitsflasche); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche). 229) OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 230) BGH, Urt. v. 4.12.1996 – VIII ZR 360/95, NJW 1997, 933 = ZIP 1997, 593. Siehe oben § 2 III 2 m. w. N. 231) BGH, Urt. v. 5.10.1955 – IV ZR 302/54, BGHZ 19, 269 = NJW 1956, 298 (Einheitsbierflasche): 0,28 EM zu 0,20 DM; BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool): 0,173 € zu 0,15 €. 232) BGH, Urt. v. 14.7.1987 – X ZR 38/86, BGHZ 101, 307 = NJW 1987, 2810; BGH, Urt. v. 8.10.1986 – VIII ZR 342/85, BGHZ 98, 303 = NJW 1987, 487 = ZIP 1987, 85; BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328.

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IV. Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

bb) Grenzen. Sie stellen jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Geg- 7.194 ners des Verwenders dar, wenn die Höhe der Sicherheit über das zu sichernde Interesse erheblich hinausgeht. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus einer Parallelwertung zu § 309 Nr. 5 a BGB.233) IV.

Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

1.

Anspruchsgrundlage

Erfüllt der Rückgabeschuldner seine – vertragliche234) – Rückgabepflicht ggf. auch 7.195 nur teilweise nicht und beruft sich auf Unvermögen, so sieht er sich einem vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Geld nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, hilfsweise nach § 989 BGB, aufgesetzt.235) 2.

Nachfristsetzung

Der Anspruchsberechtigte hat eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach 7.196 § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB zu setzen, soweit nicht die Voraussetzungen des § 281 Abs. 2 BGB gegeben sind.236) Ist diese erfolglos verstrichen, so kann nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Rückgabe verlangt werden.237) 3.

Verschulden

Gibt der Getränkefachgroßhändler Leergut nicht zurück, so hat er dies regelmäßig 7.197 zu vertreten;238) sein Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vermutung kann auch nicht dadurch i. S. d. § 292 ZPO widerlegt239) werden, dass dem Rückgabeverlangen der Brauerei unter Hinweis auf eine spätere Rück___________ 233) BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328. 234) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334. 235) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 236) OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 237) OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566. 238) LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356 (Fässer); LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen). 239) OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98.

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IV. Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

bb) Grenzen. Sie stellen jedoch eine unangemessene Benachteiligung des Geg- 7.194 ners des Verwenders dar, wenn die Höhe der Sicherheit über das zu sichernde Interesse erheblich hinausgeht. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus einer Parallelwertung zu § 309 Nr. 5 a BGB.233) IV.

Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

1.

Anspruchsgrundlage

Erfüllt der Rückgabeschuldner seine – vertragliche234) – Rückgabepflicht ggf. auch 7.195 nur teilweise nicht und beruft sich auf Unvermögen, so sieht er sich einem vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung in Geld nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, hilfsweise nach § 989 BGB, aufgesetzt.235) 2.

Nachfristsetzung

Der Anspruchsberechtigte hat eine angemessene Frist zur Nacherfüllung nach 7.196 § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB zu setzen, soweit nicht die Voraussetzungen des § 281 Abs. 2 BGB gegeben sind.236) Ist diese erfolglos verstrichen, so kann nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Schadensersatz statt der Rückgabe verlangt werden.237) 3.

Verschulden

Gibt der Getränkefachgroßhändler Leergut nicht zurück, so hat er dies regelmäßig 7.197 zu vertreten;238) sein Verschulden wird vermutet (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Vermutung kann auch nicht dadurch i. S. d. § 292 ZPO widerlegt239) werden, dass dem Rückgabeverlangen der Brauerei unter Hinweis auf eine spätere Rück___________ 233) BGH, Urt. v. 9.10.2014 – III ZR 32/14, NJW 2015, 328. 234) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334. 235) BGH, Urt. v. 26.11.1953 – IV ZR 139/53, BeckRS 1953, 31373481 = LM § 989 Nr. 2 (Einheitsgebinde Bodenprägung „F“); BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool); OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 236) OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool). 237) OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566. 238) LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356 (Fässer); LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen). 239) OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98.

1225

§ 60 Verpackung und Pfand

erlangung der fehlenden Fässer zu einem unbekannten Zeitpunkt über andere Kunden der Brauerei entgegengetreten wird. 7.198 Ein Vertretenmüssen ist erst recht dann anzunehmen, wenn der zur Rückgabe Verpflichtete im Vertrieb für die Fässer Pfand vereinnahmt hat, obwohl er an den rückgabeberechtigten Getränkelieferanten kein Pfand bezahlt hat.240) 4.

Rückgabe an Dritte

7.199 Zum Vorbringen, die Rückgabe der Fässer sei über fremde Kanäle erfolgt und dies stelle eine Erfüllung der Rückgabeverpflichtung dar, wird auf die Rechtsprechung verwiesen.241) 5.

Unmöglichkeit der Rückgabe

7.200 Der Umstand, dass die Rückgabe der Fässer möglicherweise nicht objektiv unmöglich ist, ist unerheblich, weil das subjektive Unvermögen der Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB gleichgestellt ist. Dieses Unvermögen zur Rückgabe der Fässer besteht auch dann auf Dauer, wenn der zur Rückgabe Verpflichtete behauptet, die noch fehlenden Fässer würden irgendwann durch andere Kunden der Brauerei an diese zurückgelangen. Denn dies bedeutet nicht, dass der Schuldner irgendwann sicher in der Lage sein wird, die ihm obliegende Rückgabeverpflichtung zu erfüllen, sondern drückt lediglich eine bloße Hoffnung aus.242) 6.

Darlegung der Fehlmengen

7.201 Der Rückgabeanspruch ist durch Vorlage der entsprechenden Lieferscheine und ggf. auch Rechnungen darzutun. Einer darüber hinausgehenden Darlegung der Entwicklung des Leergutsaldos bedarf es jedenfalls dann nicht, wenn in den wirksam einbezogenen AGB der Brauerei eine Bestimmung enthalten ist, wonach die auf den Rechnungen der Brauerei dem jeweiligen Kunden mitgeteilten Leergutsalden dann als anerkannt gelten, wenn dieser nicht innerhalb von acht Tagen ab Rechnungsdatum schriftlich widersprochen hat.243)

___________ 240) LG Augsburg, Urt. v. 31.1.2012 – 2 HK O. 3724/10. 241) LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356; LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen). 242) BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen). 243) OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98.

1226

IV. Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

7.

Saldenbestätigungen

a) Grundsatz. Grundlage der Schadensberechnung sind die durch die AGB der Brauerei abgesicherten Saldenbestätigungen. Dabei handelt es sich jedenfalls um schuldbestätigende (deklaratorische) Schuldanerkenntnisse i. S. d. § 781 BGB.244) Der Getränkelieferant bietet den Abschluss des Vertrages nach § 781 BGB an und der Kunde nimmt ihn durch die Anerkennung des Saldos an. Voraussetzung eines wirksamen Saldoanerkenntnisses ist, dass der mit dem Leergutauszug bzw. der Leergutabrechnung mitgeteilte Leergutsaldo ohne Widerspruch geblieben ist. Dann ist er wirksam und kann der Fehlmengenberechnung zugrunde gelegt werden.245) b) Inhaltskontrolle. aa) Die darin enthaltene Erklärungsfiktion i. S. d. § 308 Nr. 5 BGB ist auch im Unternehmerverkehr (§ 310 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB) zu beachten.246) Die Frist zum Widerspruch gegen den mitgeteilten Kontokorrentsaldo von acht Tagen ist in Anbetracht des Bedürfnisses der Brauerei nach möglichst kurzfristiger Klärung der Verhältnisse durchaus als angemessen anzusehen.247) bb) Gegen die Saldenbestätigungsklausel ist auch im Hinblick § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nichts zu erinnern, weil ein sachlich anzuerkennendes Bedürfnis der Brauerei an deren Verwendung besteht.248) c) Darlegung und Beweis. Aufgrund unbeanstandet entgegengenommener Leergutauszüge bzw. Leergutabrechnungen trifft den Herausgabeschuldner zumindest die Beweislast dafür, dass die darin im Einzelnen nachvollziehbar aufgezeigte Leergutentwicklung unrichtig sei.249) Will der Schuldner geltend machen, er habe einzelne, von der Gegenseite mitgeteilte Salden als unrichtig beanstandet, so ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig. Eine Darlegung dahingehend, wann und auf welche Weise ggf. welche Mitteilung des Gläubigers beanstandet worden ist, erfolgt zumeist nicht. Das bloße pauschale Bestreiten ist unbeachtlich.250) 8.

7.202

7.203

7.204

7.205

7.206

Wiederbeschaffungswertklauseln

a) Inhalt. Wiederbeschaffungsklauseln haben die Verpflichtung des Entleihers 7.207 von Leergut zum Inhalt, im Fall der Nichtrückgabe den jeweiligen vollen Wiederbeschaffungspreis ersetzen zu müssen.251) ___________ 244) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.8.1994 – 14 U 144/93. 245) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.8.1994 – 14 U 144/93; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 246) BGH, Urt. v. 6.10.2008 – XI ZR 283/07, BGHZ 177, 69 = NJW 2008, 3348; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 247) OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 248) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 249) OLG Düsseldorf, Urt. v. 5.8.1994 – 14 U 144/93. 250) OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98. 251) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334.

1227

§ 60 Verpackung und Pfand

7.208 b) § 305c Abs. 1 BGB. Wegen der Branchenüblichkeit der Wiederbeschaffungsoder Tagesneupreisklausel in den AGB's und der entsprechenden Verbreitung dieser Klausel scheidet eine Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB aus.252) 7.209 c) Kontrollfähigkeit. Wiederbeschaffungsklauseln sind nicht lediglich gesetzeswiederholende Regelungen.253) 7.210 d) Inhaltskontrolle. aa) Schranke der §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Nr. 5 a BGB. Die Zulässigkeit von Klauseln, wonach für nicht zurückgegebenes Leergut dessen Wiederbeschaffungswert bzw. ein prozentualer Anteil hiervon als Ersatz zu zahlen ist, ist seit langem umstritten. Unstreitig ist, dass die Grundsätze der Vorteilsausgleichung in den Fällen „neu für alt“ als wesentliche Grundgedanken des Schadensersatzrechts Leitbildfunktion i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB haben.254) Eine unzulässige Bereicherung ist auch dann anzunehmen, wenn Pfand, Mietzins und Kaufpreis für Leergut gezahlt werden müssen.255) So sind Klauseln eines Getränkefachgroßhändlers unwirksam (§ 307 BGB), soweit sie vorsehen, dass der Kunde für das Leergut außer dem üblichen Pfand nach einer Woche einen täglichen Mietzins und nach einem Monat gegen Übereignung des Leerguts den Selbstkostenpreis des Händlers als „Kaufpreis“ zu zahlen hat.256) 7.211 bb) Schranke des § 309 Nr. 5 b BGB. Auch bei Vereinbarung eines pauschalierten Schadensersatzes ist dem Schuldner der Nachweis eines geringeren Schadens zuzulassen.257) 9.

Konkrete Schadensberechnung

7.212 Ist die Wiederbeschaffungspreisklausel unwirksam, so kann nach § 306 Abs. 2 BGB der konkrete Schaden berechnet werden.258) Bei der Schadensberechnung ergeben sich eine Reihe von Schwierigkeiten. ___________ 252) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334. 253) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334. 254) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; a. A. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.1.1991 – 2 HK O. 1184/90, Zeller, IV, 379. 255) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche); LG Köln, Urt. v.12.11.1986 – 26 O. 70/86, MDR 1987, 672; LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen), zu einer Verpflichtung zu Mietzinszahlung und/oder Sicherheitsleistung); a. A. LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.1.1991 – 2 HK O. 1184/90, Zeller, IV, 379. 256) LG Köln, Urt. v. 12.11.1986 – 26 O. 70/86, MDR 1987, 672 = Zeller IV, 321; vgl. auch LG Mühlhausen, Urt. v. 27.9.2000 – 1 HKO 17/2000 (CO2-Stahlflaschen), zu einer Verpflichtung zu Mietzinszahlung und/oder Sicherheitsleistung). 257) OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373. 258) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334.

1228

IV. Schadensersatz wegen Nichterfüllung der Rückgabeverpflichtung

a) Darlegung. Zu Fragen der Darlegung wird auf die Rechtsprechung verwie- 7.213 sen.259) b) Zeitwert. Zu bemessen ist der Schadensersatzanspruch nach dem Zeitwert 7.214 der Verpackungen. Vereinzelt konnte der durchschnittliche objektive Wert der Verpackung ermittelt werden.260) Gibt es für die streitgegenständlichen Gebinde einen Gebrauchtmarkt, so können entsprechende Wiederbeschaffungswerte vorgetragen und für den Fall des Bestreitens sachverständig bewiesen werden. Zudem behilft sich die Rechtsprechung auch mit einer Schadensschätzung nach § 287 ZPO.261) Im Rahmen der Vorteilsausgleichung (Abzug neu für alt) werden in der Rechtsprechung allerdings unterschiedlich hohe Abschläge als erforderlich angesehen.262) Fehlt allerdings für die gebrauchte Sache mangels ausreichender Nachfrage ein Marktpreis, soll der Verkehrswert durch lineare oder degressive Abschreibung aus dem Neupreis entwickelt werden können.263) Andere Gerichte stellen auch insofern auf § 251 Abs. 1 BGB ab.264) c) Wiederbeschaffungswert. Die Höhe eines Schadensersatzanspruchs wegen 7.215 Verlustes gebrauchter Gegenstände richtet sich in der Regel nach den Kosten der Wiederbeschaffung einer wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzsache. Dieser Wiederbeschaffungswert ist nicht gleichzusetzen mit dem Preis, den der Schadensersatzberechtigte beim Verkauf der gebrauchten Sache am Markt hätte erlösen können (Zeitwert). Maßgebend ist vielmehr der Preis, den er beim Kauf einer gleichwertigen gebrauchten Sache aufzuwenden hätte, eventuell einschließlich der üblichen Händlergewinnspanne.265) d) Die Schadensberechnung einer Brauerei wurde nicht beanstandet, soweit sie 7.216 hinsichtlich der nicht zurückgegebenen Fässer von einem Wiederbeschaffungs___________ 259) BGH, Urt. v. 5.7.1995 – XII ZR 246/93, NJW-RR 1996, 56; OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566. 260) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool): 0,0865 €. 261) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334; OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 262) OLG Karlsruhe, Urt. v. 10.4.1987 – 14 U 5/85, NJW-RR 1988, 370 (Brunneneinheitsflasche) = Zeller IV, 334 (20 %); OLG Köln, Urt. v. 13.11.1987 – 20 U 54/87, NJW-RR 1988, 373 = Zeller IV, 346 (Brunneneinheitsflasche) (50 %); OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93 (50 %); OLG Braunschweig, Urt. v. 8.12.1995 – 4 U 13/94, NJW-RR 1996, 566 (50 %); KG, Urt. v. 10.2.2006 – 5 U 148/04; verneinend LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 8.1.1991 – 2 HK O. 1184/90, Zeller, IV, 379. 263) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93. 264) LG Wuppertal, Urt. v. 16.11.1990 – 1 O. 342/88 = Zeller IV, 377. 265) BGH, Urt. v. 10.7.1984 – VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85 = NJW 1982, 1864; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566. Siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 19.11.2012 – 23 U 68/12, NJW-RR 2013, 566; LG Köln, Urt. v. 3.5.2000 – 28 O. 377/99.

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§ 60 Verpackung und Pfand

wert in Höhe des von ihr für eine Neuanschaffung der Fässer aufzuwendenden Betrages ausgegangen ist.266) 7.217 e) Pfandbetrag. Hat der Rückgabegläubiger seinen Geschäftsbetrieb zwischenzeitlich eingestellt, so kann er einen Schaden wegen Fehlens des Leergutes im Betriebsablauf grundsätzlich nicht geltend machen. Als Schaden kommt nach § 252 BGB aber auch ein entgangener Gewinn in Betracht. Bei bepfandetem Leergut ist dieser in Höhe der Pfandwerte anzusetzen.267) 7.218 f) Anrechnung des Pfandbetrages. Werden die Verpackungen nicht ordnungsgemäß oder nicht fristgemäß zurückgegeben, so ist der vereinnahmte Pfandbetrag auf einen etwaigen Schadensersatzbetrag anzurechnen.268)

___________ 266) OLG Düsseldorf, Urt. v. 29.7.1994 – 21 U 219/93; OLG Köln, Urt. v. 30.9.1998 – 5 U 106/98; LG Mainz, Urt. v. 14.3.1978 – 3 S 260/77, Zeller II, 356; LG Wuppertal, Urt. v. 16.11.1990 – 1 O. 342/88 = Zeller IV, 377. 267) OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2008 – U 1842/05, BeckRS 2009, 87838 (GG-Pool) als Vorinstanz zu BGH, Urt. v. 13.11.2009 – V ZR 255/08, NJW-RR 2010, 1432 (GG-Pool); LG Augsburg, Urt. v. 31.1.2012 – 2 HK O. 3724/10. 268) BGH, Urt. v. 9.7.2007 – II ZR 233/05, BGHZ 173, 159 = NJW 2007, 2913 (GG-Pool).

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Anhang Auszüge aus Bestimmungen des Unionsrechts, soweit sie für Getränkelieferungsverträge von Bedeutung sind Celex-Nummer1) I.

Bekanntmachung der Kommission vom 3.12.1997 über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. C 372/5-13 vom 9.7.1997

II.

Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarun- 52001XC1222(03) gen von geringerer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl. Nr. C 368/13-15 vom 22.12.2001

31997Y1209(01)

III. Bekanntmachung der Kommission über die Zusam- 52004XC0427(02) menarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl. Nr. C 101/43-53 vom 27.4.2004 IV. Bekanntmachung der Kommission über die Zusam- 52004XC0427(03) menarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Art. 81 und 82 des Vertrags, ABl. Nr. C 101/54-64, vom 27.4.2004 V.

Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien über 52004XC0427(06) den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Art. 81 und 82 des Vertrags, ABl. Nr. C 101/81-96, vom 27.4.2004

VI. Bekanntmachung der Kommission – Leitlinien zur An- 52004XC0427(07) wendung von Art. 81 Abs. 3 EG-Vertrag, ABl. Nr. C 101/97-118 vom 27.4.2004 VII. Leitlinien für vertikale Beschränkungen ABl. EU 52010XC0519(04) Nr. C 130/1-46 vom 19.5.2010

___________ 1) Dokumente sind abrufbar unter der Internetadresse: eur-lex.europa.eu mit Eingabe der entsprechenden Celex-Nummer.

1231

Stichwortverzeichnis Abmahnung

2.168, 2.2094, 2.2187, 2.2237, 2.2279, 2.2299 ff., 2.2633, 4.121, 4.126 f. Abnahmeverpflichtung 2.975 Abräumklausel 4.165 ff. Abräumrecht 3.34, 3.143 Abrechnungsklausel 3.90 f. Absatzstätte 2.103, 2.239, 2.2360, 2.2538, 2.2361 ff. – Angabe 2.103 – Aufgabe 2.2361, 2.2334, 2.2361 – Außer-Haus-Lieferung 2.106 – Betriebspflicht 2.108 ff. – Brand 2.2349 – Erweiterung 2.105, 2.404 – Erwerb 2.604 – Führung 1.23 – Investitionskostenausgleich 2.927 – Kriegseinwirkung 2.2349 – räumlicher Umfang 2.104 – Schließung 2.2362 – Übergabe 2.2361 – Veräußerung 2.2363 – Verlegung 2.105 – Verpachtung 2.1986 ff. Abschreibung 2.220, 2.235, 2.264, 2.283, 2.445 ff., 2.937 f., 4.383, 4.525, 4.789 – abnahmebezogene 4.26 – Fest- 4.26 – interne 2.2044 – hl-bezogene 2.446, 2.1512, 4.26, 4.363 – steuerliche 2.351 – zeitbezogene 2.363, 4.26

Abschreibungsdarlehen 2.838, 2.876, 2.2254, 4.26, 4.8, 4.26 ff., 4.40 ff., 4.67, 4.91, 4.113, 4.180 ff., 4.201, 4.717 – Absatzweg 4.45 – Rückzahlung 4.41, 4.180 – Tilgung 2.980 Abschreibungsfinanzierung 4.38, 4.80 Abwehrklausel 7.16, 7.26, 7.35 Abzahlungsgesetz 2.655, 2.678, 2.1024, 2.1059, 2.1086 Abzinsung 2.2038 ff., 2.2227, 2.2269, 3.185, 4.181 AGB 1.77 ff., 2.6, 2.39 ff., 2.275 ff., 2.285, 2.461 ff., 2.541, 2.569 ff., 2.811, 2.850, 2.888 ff., 2.947, 2.1385, 2.1615, 2.2410 ff., 2.2446, 2.2451, 2.2493, 7.1 ff. – Aushandeln 1.112 – Aushöhlungsverbot 1.268 – Auslegung 1.221 ff., 1.236 ff. – Beifügung 7.20 – branchenübliche 7.5, 7.25 – Briefvereinbarungen 7.2 – Einbeziehung 1.83, 1.137, 7.7 ff. s. a. dort – einseitige Regelung 7.40 – Firmenlastschrift 7.144 – freie Wirte 7.2 – formularmäßige Erklärung 1.119 – Gastronomie 7.2 – gesetzesfremder Kerngehalt 1.112 – Handelsbrauch 7.6 – Inhaltskontrolle s. dort

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Stichwortverzeichnis

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Kenntnisnahme 7.19 ff. kollidierende 7.31 ff. Konkurrenzlösung 7.34 kumulative 1.79 Lebensmittelhandel 7.3 Lesbarkeit 7.22 Link 7.14 Mehrfachverwendungsabsicht 1.95 – nachträgliche Änderung 1.142 – Normzweck 1.78 – Restschuldbefreiung 7.157 – sachlicher Anwendungsbereich 2.541 – Schriftform 1.82, 7.46 ff. – sonstige Vereinbarung 1.92 – Überlassung 7.20 – Übermaßregelung 1.283, 1.318 – unangemessene 2.11 – unselbständige Ergänzung 2.845 – unwirksame 1.305, 1.353 – Verständlichkeit 7.22 – Vollstreckungskosten 7.145 ff. – Vorformulierung 1.81 – Wegfall 1.351 – Wirksamkeit 1.83 – Würdigung aller schutzwürdiger Interessen 1.289 – Zusätze 1.81 s. a. Klauseln Alleinbezugsvereinbarung 2.1718, 2.1726, 2.1745, 2.1846 Alleinvertriebsrecht 6.44, 6.59 – Gebietsschutz 6.44 Altverträge 1.71, 1.76, 2.428, 2.625, 2.1974, 4.193, 4.964, 4.701 Amortisationsdarlehen 3.1, 4.6 ff. Amortisationsfaktor 4.26 Annuitätendarlehen 4.32, 4.363, 4.737 Anschaffungspreis 2.1200, 4.891, 4.1020 1234

Anschlussvertrag 2.417 ff., 2.438, 2.1162, 3.80 – Begriff 2.416 – Bezugskontinuität 2.416 – Parteien (Identität) 2.416 Arglisteinwand 2.189 Äquivalenzprinzip 1.340, 2.19, 2.75, 2.467, 2.986, 4.64, 4.155, 6.10 Aufrechnungsverbotsklausel 2.6 Aufstellplatz 3.140 Ausfallentschädigung 2.975 Ausfallhaftung 3.111 Ausfallrisiko 2.1, 2.453, 4.37, 4.37, 5.434, 6.69 – Forderung- 6.108 Aufrechnungsklausel 7.128 ff. Ausgleichsanspruch 2.588, 2.866, 2.892 ff., 2.903, 2.925, 2.966, 6.51, 6.59 – Mindermengen- 6.33 Aushändigungsbestätigung 2.1268, 2.1302 ff. Auslegung 1.221 ff., 1.236 ff., 1.270, 2.420, 2.535, 2.562, 2.570, 2.584, 2.602, 2.725, 2.780, 2.853, 2.1094, 2.1241, 2.1399, 2.1431, 2.1730, 2.1846, 2.2146, 2.2199, 2.2422, 2.2479, 2.2552, 4.39 ff., 5.250, 5.338, 5.351, 6.67 – § 306 Abs. 3 BGB 1.349 – AGB 1.236 ff. – ergänzende 1.232 – erste 2.1403 – europarechtsfreundliche 2.1929 – fernliegende 1.245 – herrschende Anschauung 1.264 – kundenfeindliche 1.223, 1.247 – kundenfreundliche 1.247 – objektive 1.237 ff., 2.1391 – richterliche 1.279 – Streitverfahren 1.90 – teleologische 2.1950 – Vertragsübernahme 6.12

Stichwortverzeichnis

– Vorrang 1.243 – Wettbewerbsbeschränkung 2.1730 – zweite 2.1403 Auslegungsergebnis 1.246 Auslegungsregel 1.246, 2.460 Ausschließlichkeitsbindung 2.1 ff., 2.48 ff., 2.157, 2.470, 2.2083, 4.155, 6.44 – Dauer 2.92, 2.191 ff. – Herkunftsbezeichnung 2.554 – Inhalt 1.10, 2.1 ff., 2.96, 2.110 – Kartellrecht 2.16 – Kündigung 4.112 – Laufzeit 2.96 – langfristige 2.544, 2.576 – Mitbezug 2.52 – Teilbindung 2.52 – Umfang 1.10, 2.1 ff., 2.48, 6.2 – Verletzung 2.788, 3.138 – Vertragsstrafe 2.817, 2.872 – Zeitvertrag 2.92 Ausschließlichkeitsklausel 7.35 Ausschlussfrist 2.1473 ff. Außergeschäftsraumvertrag 2.2430 Automatenanbringungsvertrag 3.9 Automatenaufstellplatz 3.140 Automatenaufstellrecht, ausschließliches 3.1, 3.164 Automatenaufstellvertrag 1.2, 2.546, 3.1 ff. – Abbau 3.176 – Abräumrecht 3.34, 3.143, 3.147 – Abrechnung 3.91 – AGB-Laufzeit 3.60 – Amortisation 3.30, 3.62, 3.68 – Ausschließlichkeit 3.39 – Änderungsvorbehalt 3.35 – Äquivalenzverhältnis 3.62 – Aufstellplatz 3.33, 3.140 – Austauschrecht 3.35 ff. – Auswahlrecht 3.32 – Automatenart 3.32 ff.

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Bedarfsklausel 3.36 Beschädigung 3.52, 3.163 Betriebsaufgabe 3.105 Betriebspflicht 3.44, 3.134 Betriebsstörung 3.49 f. Bruttoerlös 3.90 Bürgschaft 3.65 Darlehen 3.57, 3.64, 3.81 Dauer 3.54 Dauerschuldverhältnis 3.5, 3.127 Diebstahl 3.163 Einheitspauschale 3.116, 3.136 Einspielerlöse 3.1, 3.82 ff. Erstlaufzeit 3.58, 3.67 Erweiterungsklausel 3.40 ff. Freizeichnung(sklausel) 3.50 f. gegenseitiger Vertrag 3.6 geltungserhaltende Reduktion 3.108, 3.141 Gesamtnichtigkeit 3.15, 3.25 f., 3.71 Gestattungsvertrag 3.4 Geräte 3.33 ff. Individuallaufzeit 3.55, 3.58 Insolvenz 3.151 Kaskoversicherung 3.53 Kündigung 3.72, 3.101, 3.103 ff., 3.182 ff. Kündigungsfrist 3.72, 3.77 f. Kündigungsklauseln 3.142 ff. Kündigungsschaden 3.178 Laufzeit 3.55 ff., 3.60 ff. Mietvergütung 3.95 Musikdarbietung 3.38 f. Nachfolgeklauseln 3.40 ff., 3.99 ff., 3.100 ff. Nebenerwerbschance 3.1 Nutzungsgarantie 3.45 Pflichtverletzung 3.152, 3.158a Rentabilitätsklausel 3.143, 3.194 ff. Reparatur 3.37, 3.51, 3.93 1235

Stichwortverzeichnis

– Schadensersatz 3.114, 3.128, 3.157 – Schadensersatzpauschale 3.114 ff. – Schriftform 3.7 – Service/Wartung 3.47 f., 3.93 – Sittenwidrigkeit 3.12 ff., 3.55 – Statusklausel 3.43 – Teilkündigung 3.148 – Transparenzgebot 3.87 – Übertragung 3.96 ff. – Umsatzbeteiligung 3.1 – Verlängerung 3.75 – Verlängerungsklausel 3.73 ff. – Vertragsstrafe 3.84, 3.122 ff., 3.134, 3.180 ff. – Vertragsverletzung 3.119 – Wiederaufstellung 3.176 – Wirteanteil 3.1, 3.57, 3.63, 3.66, 3.82 ff. – wirtschaftliche Bewegungsfreiheit 3.55, 3.102 – Zutrittsrecht 3.46 Automatenkaufvertrag 3.12 Automatenspielhalle 3.10

Bagatellbekanntmachung

2.1731, 2.1786, 2.1874, 2.1877 ff., 2.1902, 2.1956 Bagatellgrenze 2.1248 Bagatellklausel 2.1248 Bagatellregel 2.1744 Bedarfsklausel 3.36 Bankbürgschaft 4.398, 4.568 Beleihungswert 5.37 Belieferungspflicht 2.2482 Bereicherungsrecht 2.190, 2.1522, 2.2650, 4.315, 4.190, 4.644 Bestätigungsklausel 7.66 ff. – Deutlichkeit 7.73 – Einbeziehung 7.70 – Vertretung 7.74 Bestätigungsschreiben, kaufmännisches 1.154 1236

Bestimmtheitsgebot 1.280, 2.488 Betreiber 2.88 ff., 4.52, 4.79, 4.85 – Stellung 2.107 – Vor- 4.11 Betreiberwechsel 2.89, 2.605, 2.2041, 2.2377, 4.79 – Nachfolgeregelung 2.2386 Betriebsaufgabe 2.442, 2.1145, 2.2213, 2.2362, 3.162 – Automatenaufstellvertrag 3.105 – Veräußerung 2.1145 Betriebsmittelkredit 4.10 Betriebspflicht 1.18, 2.108 ff., 2.2195, 2.2335, 2.2362, 3.44, 3.134 – Abgrenzung 1.18 – anfänglich latente 2.2388 – Betriebsferien 1.21, 2.109 – Ruhetag 1.21, 2.109 Beurkundung, notarielle 2.1562, 2.2255 ff., 2.2273, 4.474, 4.678, 4.915, 4.1052 Beurteilungsgrundsätze 1.277, 2.148 ff., 2.223 – Einzelfallprüfung 2.2395 – Erwartungshorizont 1.277 – richterliche 1.277 – Verkehrskreis 1.277 – Verständnismöglichkeit 1.277 Beurteilungszeitpunkt 2.151, 2.224, 2.353, 2.1098 f., 2.1269 Beweislast s. Darlegungs- und Beweislast Beweislastumkehr 1.145 f., 2.719, 2.752, 2.1104, 2.1540 Bezugsbindung 1.1, 2.20, 2.262, 2.435, 2.2013, 2.2570, 4.63, 4.155, 4.525 – Ablauf 2.435 – Anschlussvertrag 6.4 – Art der Leistungen 2.344 – befristete 2.240 ff. – Darlehen 4.63, 4.155, 4.525 – Dauer 2.93, 2.162, 2.191, 2.245, 2.271

Stichwortverzeichnis

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dingliche Sicherung 2.2533 Dritter 2.576, 2.2488 Gesamtrechtsnachfolge 2.426 Getränkefachgroßhändler 2.54 langfristige 2.1, 2.3, 2.230, 2.238 Laufzeit 2.98, 2.194, 2.1995, 2.2359 – Menge 2.87 – neu vereinbarte 2.430 – sittenwidrige 2.46, 2.1991, 2.2490 f. – Übernahme 2.574, 2.578 – Umfang 2.94, 2.198, 2.204, 2.338, 2.2611 – Umzug 2.449 – unbefristete 2.238 f. – unkündbare 2.95, 2.158 – Verlängerung 2.437 – Vertragsbruch 2.1710 ff. s. a. Getränkebezugsverpflichtung Bezugsverpflichtung s. Getränkebezugsverpflichtung Bezugsvertrag 1.29, 1.46, 2.450, 2.470, 2.2041, 2.2118, 2.2374, 2.2538, 2.2571 – Ablauf 2.2602, 2.2652 – Abschluss 2.2613 – Allein- 2.367, 2.1786 – Darlehen 4.112 – Dienstbarkeit 2.2613 f. – Doppelbindung 6.82 f. – Laufzeit 2.513, 2.2435 – Nachpächter 2.2405 Nebenabrede 2.2586 – sittenwidriger 2.398, 2.2596 Übernahme 2.2296 Biermarke 2.545, 6.38 – Änderung 2.548 f., 2.2365 – Wechsel 2.550 f., 2.555 s. a. Biersorte, Marke Biermarkt 2.1784, 2.1793 – deutscher 2.1800, 2.1890, 2.1875

– europäischer 2.1920 – schrumpfender 2.1886 – Zugänglichkeit 2.1919 Biermischgetränk 2.57, 2.73, 6.82 ff. – Besonderheiten 2.751 – Doppelbindung 6.82 Biersorte 2.2015, 2.2541, 2.2545, 6.35 – Publikumsgeschmack 2.549, 2.551 f. – Wechsel 2.547 ff., 2.547 ff. s. a. Biermarke, Sorte Bierverlagsvertrag 1.3, 6.40 ff., 6.57 ff. – Alleinvertriebsrecht 6.44 – Gebietsschutz 6.44 – Getränkefachgroßhändler s. dort – kaufrechtliche Bezugspflicht 6.44a – Kündigung 6.60 f. – Paralellvertrieb 6.43 – Vertriebspolitik 6.42 Bindungsgrad 2.1782 ff., 2.1825 Bindungsdauer 1.343, 2.194, 2.250, 2.360, 2.1954, 2.2518 – höchstzulässige 2.245, 2.250, 2.262 – fünf Jahre 2.249 – fünfzehn Jahre 2.245 – zehn Jahre 2.248 Bonitätsprüfung 4.302, 4.314 ff., 4.430, 4.447, 5.434 Bonus 2.176, 2.838 ff., 2.923, 2.945, 2.957, 2.970 ff. Brand 2.2349, 3.53 Brauerei 1.3, 2.1808, 2.2211 – Abfüllkosten 2.2027 – Abschreibungen 2.2029 – Biersteuer 2.2027 – Betriebseinstellung 2.2365 – Direktbelieferung 2.748 f. – Einkaufspreise 2.749 – Finanzierung 2.2022, 2.2024 – Herstellkosten 2.2027 1237

Stichwortverzeichnis

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Jahresausstoß 2.1813 kleinere 2.1807 Marktabschottung 2.1801 f. Niederlassung 2.2032 Stilllegung 2.2658 variable Kosten 2.2024 ff. Vertrag Getränkefachgroßhändler 1.3, 2.2211, 6.1 ff. – Vertriebskosten 2.2029 – Zinsvergünstigungen 2.2029 – Zusammenarbeit Getränkefachgroßhändler 2.2356 Brauereidarlehen 4.9 s. a. Darlehen Brauereifreiheit 2.2082 Brauereigebundenheit 2.2538 Brauereiimmobilie 2.124 Braustelle 2.545, 2.2365 Briefzweitschriften 4.327 Bündeltheorie 2.1766 ff., 2.1880 – Fallgruppen 2.1769 – Kumulation 2.1768 Bürge 5.224, 5.235, 5.238 – Alleingesellschafter 5.235, 5.238 – Anforderungsprozess 5.254 – Darlegungs- und Beweislast 5.320 – Eigeninteresse 5.272 – Erstprozess 5.254 – Geschäftsführer 5.235, 5.238 – Haftung 5.239 ff. – Haftungsverpflichtung 5.258 – Hauptschuldner 5.224 – mehrere 5.250 – Mehrgesellschafter 5.235, 5.238 – Nahbereichsperson 5.270 – Rückforderungsprozess 5.254 – Rückzahlungsanspruch 5.230 – Teil- 5.251 – Zahlungsfähigkeit 5.244 Bürgschaft 2.219, 2.637, 2.1081, 2.1377, 2.2340, 4.48, 4.305, 5.212 ff. – Akzessorietät 5.222 1238

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Angehörigen- 5.170, 5.257 ff. Annahmeerklärung 5.221 auf erstes Anfordern 5.254 Ausfall- 5.253, 6.69, 6.84 Automatenaufsteller 5.213 Bank- 4.398, 4.568, 5.245 ff. Beteiligung Dritter 2.1047 Blanko- 5.220 Brauerei 5.213 Ehegatten- 5.273 Gesellschafter- 5.272 Getränkefachgroßhändler 5.213 Global- 5.236 Haftungserweiterung 5.249 Höchstbetrags- 5.249, 5.261 Insolvenz 5.223 Kreditinstitut 5.213 Mietausfall- 2.2373, 2.2408, 2.2439 Mit- 5.251 Nebenbürgschaftsklausel 5.250 f. Pacht- 2.2474 Privatperson 2.263, 5.213, 5.244 ff. Rück- 5.256 Schadlos- 5.253 selbstschuldnerische 2.593, 4.975, 5.248 Sicherheiten 2.1536, 2.1541, 4.43 Sicherungsfall 5.254 sittenwidrige 5.257 ff., 5.268 ff., 5.271 Teil- 5.251 Übersicherung 2.121 Verbraucherkreditrecht 5.278 ff. Verleger- 6.97 Verrechnung 5.322 vorzeitige Entlassung 2.2340 Zahlungsfähigkeit 5.244 Zeit- 5.252

Stichwortverzeichnis

– Zinslast 5.261 – Zweckerklärung 5.228 ff. s. a. Darlehen Bürgschaftserklärung 5.216 – Andeutungstheorie 5.226 – Mindesinhalt 5.226 – Telefax 5.219 – Zweck 5.228 ff. Bürgschaftsklausel 2.591 ff., 3.112 Bürgschaftsvertrag 5.212, 5.215, 5.301, 6.5 – Abschluss 5.260, 5.284 – Nichtigkeit 5.257 – Selbstauskunft 5.274 – Zeitpunkt 5.260

Darlegungs- und Beweislast

2.30, 2.75, 2.759, 2.924, 2.1301, 2.1759, 2.1824 f., 2.1966, 2.2069, 2.2203, 2.2657, 4.182 ff., 4.226, 4.357, 5.95 ff. – § 367 Abs. 2 BGB 4.76 – Existenzgründer 2.1488 – Klauselgegner 2.756 – Mindestabnahme 6.31 – Nichtigkeitseinwand 2.30 – Umkehr 1.145 f., 2.719, 2.752, 2.1104, 2.1539 – Unternehmer 2.1301, 2.1966 – Verbraucher 2.1489, 4.225 Darlehen 2.216, 2.1057, 2.1507, 2.2242, 2.2373, 3.1, 3.57, 3.64, 3.186, 4.5 ff., 4.64, 6.10, 6.88 – Abschreibungs- 2.20, 2.640, 2.838, 2.876, 2.980, 4.26, 4.29, 4.40 ff., 4.67, 4.91, 4.113, 4.180 f., 4.201 – Absicherung 2.351, 4.814 – Amortisations- 3.1, 3.62, 3.68, 4.26 ff. – Annuitäten- 4.32, 4.363, 4.737 – Anschrift 4.508 ff. – Art 4.512 – Auszahlung 2.1100

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Banklizenz 4.23 f. Barauszahlung 4.656 Betriebsmittel- 4.10 Brauerei 4.9 Bürgschaft 4.48 Differenzrate 4.28, 4.80 Dritter 4.658 Empfang 4.656 f. endfälliges 4.33, 4.524 f. Existenzgründung 2.95, 4.199, 4.219 Forderung 2.1529 Gutschrift 4.656 Höchstgrenze 4.375 Inanspruchnahme 4.659 Kündigung 2.640, 4.6, 4.182, 4.189 ff., 4.553 ff., 4.738 ff., 4.786 ff. Mindesttilgung 4.28 Nachtragsvereinbarung 4.660 Nachverzinsung 4.29 Nettobetrag 2.1522 Raten- 4.68, 4.523 Refinanzierungs- 6.102, 6.109 Rest- 4.133, 4.176, 4.525 Rückvergütung(s-) 2.190, 2.402 f., 2.1523, 4.28 Rückvergütungsgutschriften2.20, 4.363, 4.739 Rückzahlung 2.402, 2.279, 2.833 f., 2.2278, 2.2347, 3.186, 4.41, 4.89 ff., 4.693, 4.726, 4.868, 6.102 Teilzahlung(s-) 4.30, 4.645 Teilkündigung 6.15 Tilgung(s-) 3.81, 4.30 ff. tilgungsfreies 4.33 Überlassungsentschädigung 4.714 Überweisung 4.656 Umbuchung 4.657 Verbindlichkeit 2.2393, 4.14, 4.20, 4.49 1239

Stichwortverzeichnis

– Verbraucher- 2.1416, 2.1569, 4.7, 4.207 ff., 4.219, 4.225, 4.277 ff. – verbundener Vertrag 4.658 – Vereinbarungs- 4.13 ff., 4.90 – Vermittler 4.252 – -vermittlungsvertrag 4.259, 4.261 ff., 4.267 ff. – Vermögensverlagerung 5.273 – Verrechnung 4.657 – Verwertungserlöse 5.95 – verzinsliches 4.200 – vorzeitige Erfüllung 4.547 – Zahlungsmodalitäten 4.374 – Zinsen 2.141 f., 4.11 – zinsloses 2.216, 4.64, 4.199, 6.10 – zweckgebundenes 4.9 s. a. Bezugbindung, Darlehensvertrag, Finanzierung, Getränkelieferungsvertrag Darlehensgewährung 2.142, 4.64 ff., 4.150 ff., 4.398, 6.10 – Besicherung 4.804 – Existenzgründung 2.2, 2.95, 2.158 – Synallagma 4.6 – Voraussetzungen 4.64, 6.10 – Zeitpunkt 4.51 s. a. Getränkebezugsverpflichtung Darlehensgeber 2.1522 ff. Darlehensnehmer 2.1525, 4.776 – Angaben 4.322, 4.508 ff. – Kündigung 4.776, 4.786 ff. – mehrere 4.117 – Mit- 4.52 – Sicherheiten 4.713 f. – Tilgungszahlung 4.713 – Vertragsurkunde 4.687 – vorzeitige Erfüllung 4.547 – Widerruf 4.621, 4.680, 4.688 – Zahlungsverzug 4.730 – Zinszahlung 4.713 1240

Darlehensvermittlungsvertrag 4.261 ff., 4.276 Darlehensverpflichtung 6.12 Darlehensvertrag 2.562, 2.2405, 4.2 ff., 4.2 ff., 4.34, 4.275, 4.684 – Dauerschuldverhältnis s. dort – Abschluss 4.969 – gegenseitiger Vertrag 4.6 – Gesamtnichtigkeit 4.69 – gleichgründige Gesamtschuld 4.49 – Kündigung 4.44, 4.155 – Leihinventar 4.46 – Lohn- und Gehaltsabtretung 5.408 ff. – Neuabschluss 4.195 – Nichterfüllung 4.100 – sittenwidriger 4.70 – Sollzinssatz 4.216 – Synallagma 4.6 – typengemischter 4.5, 4.954 – Verbraucher 4.7, 4.207 ff., 4.277 ff., 4.1002 ff. – Verrechnungsabrede 4.59 – Vertragsabschrift 4.687 – Vorleistung 4.2 – Zinsvorteile 4.101 Darlehensvorvertrag 4.63 s. a. Getränkelieferungsvertrag, Sicherheiten, Versicherungen Dauerschuldverhältnis 1.39, 4.3 De minimis-Bekanntmachung 2.1786 Dienstbarkeiten 2.119, 2.1940, 2.2538 ff., 2.2610 f., 4.398, 4.567 – Ausschluss- 2.2539 – befristete 2.2602 – Benutzungs- 2.2539 – beschränkt persönliche 2.124, 2.245, 2.2084, 2.2503, 2.2565 f., 2.2600, 2.2623, 2.2645 – Bestellung 2.2585 ff.

Stichwortverzeichnis

– Durchsetzung 2.2624 ff. – Eigentümer- 2.2557 – eingetragene 2.646, 2.2583 f., 2.2647, 2.2649 f. – Erzwingungs- 2.2574, 2.2617 ff., 2.2653 – Grund- 2.119, 2.1563, 2.2545, 2.2551 ff., 2.2559, 2.2562 ff., 2.2604, 2.2625, 2.2629, 2.2644 ff. – Inhalt 2.2551 – isolierte 2.2613 ff. – Kartellrecht 2.2582 ff. – Laufzeit 2.2615, 2.2655 – Löschung 2.2599, 2.2648 ff. – Rückgewähr 2.2648 ff. – Sicherungs- 2.21, 2.1511, 2.2589 ff., 2.2612 – Überlassung 2.2627 – übermäßig lange 2.2597 – unbefristete 2.2597 f., 2.2609, 2.2618 – Unterlassungs- 2.2539, 2.2543 ff., 2.2579 f., 2.2656 – Verbots- 2.2574 ff., 2.2620 – Verjährung 2.2620 – Wirksamkeit 2.2608, 2.2621, 2.2652 Direkterwerb 5.56 Direktübereignung 5.59 Dreiersicherungsübereignung 5.36 Drucktechnische Gestaltung (Hervorhebung) 1.231, 2.1303, 7.22 Durchgangserwerb 5.56 Durchschlagsklausel 2.1292, 4.623 – personale 2.1520

Ehegattenbürgschaft 5.273 Eigentümererklärung 2.542, 2.559, 2.869, 2.894, 2.1986 ff., 2.2170, 2.2337, 2.2374 ff., 2.2417 f., 2.2427, 2.2475, 3.97 s. a. Hauseigentümererklärung

Eigentumsvorbehalt 1.80, 4.169, 4.175, 4.535, 4.919 f., 4.945, 5.33, 5.46, 7.39 – Herausgabe 4.944 – Inventar 4.159, 4.565, 4.657, 4.967 f., 5.7, 5.115 – Kundeninsolvenz 5.43 – Musterformulierung 4.913 – Sicherheiten 4.901, 4.422, 4.565 – Verkauf 5.4 – Warenkredit 5.35 – Zwangsvollstreckung 4.937 Ein-Urkunden-Modell 4.505, 4.580 Einbeziehung 1.83, 1.137, 7.8 ff., 7.18, 7.24 ff., 7.53, 7.122, 7.146, 7.158 – AGB 7.10 ff., 7.18 – ausdrückliche 7.8 – Bestätigungsklausel 7.70 – Gerichtsstandsklausel 7.167 – geschäftliche 7.24 – konkludente 7.29 – Schriftformklausel 7.62, 7.80 – stillschweigende 7.9, 7.13, 7.16 – überraschende Klausel 7.102 – wirksame 7.62 Einbeziehungsvereinbarung 7.7 Einbeziehungsvoraussetzung 1.83 – negativ gesetzliche 1.224 Einheitspauschale 2.742 Einkaufspreis 2.749 ff., 2.821 ff., 2.2010, 2.2028 Enteignung 2.2274, 2.2363 Entgangener Gewinn 2.725, 2.847, 2.2036, 2.2665, 6.36 f. EOP-Methode 2.2529 f. Erfüllungsgeschäft, dingliches 2.1563 Erfüllungsübernahme 2.600, 2.607, 2.645 Erhaltungsklausel 1.300 – salvatorische 1.300, 2.1501 Erkrankung 2.2088, 2.2335 f. 1241

Stichwortverzeichnis

Ersetzungsklausel 1.300, 7.111, 7.115 ff. – salvatorische 1.300 Erweiterungsklausel 2.73 Erwerbsverpflichtung 2.1025 Existenzgründung 1.127 ff., 1.217 ff., 1.301, 2.2, 2.95, 2.157 f., 2.183, 2.230, 2.354, 2.1084 ff., 2.1489, 2.1545, 2.2050, 4.203 ff., 4.260, 4.1047 – Abschluss 2.1149, 2.1099, 2.1122 – Abzahlungsgesetz 2.1086, 2.1131 – Änderungsvertrag 4.224 – Betreuungsaufwand 2.158 – Darlehen 2.95, 4.199, 4.219 – Finanzierung 4.203 ff., 4.234 ff. – Forderungsausfall 2.158 – Gaststättengrundstück 2.95, 2.158 – Grundausstattung 2.1107 – Kredit 2.159, 4.243 ff., 4.296 – Lastschriftklausel 2.127, 2.158 – mehrere Personen 4.249 – Nachfinanzierung 4.250 – Schein- 2.1103 – Unanwendbarkeit der 75.000,00 €-Grenze 4.232 – Verbraucherkreditgesetz 2.1087, 2.1203, 2.1135 – Vertragstreue 2.158 – Widerrufserstreckung 4.1047 – wiederholte 2.1126 ff., 2.1134, 2.1146 – Zahlungsverzug 4.730

Fernsprechnebenstellenanlage

2.364 Finanzdienstleitung 5.285, 5.375 Finanzierung 2.228, 2.630, 2.631, 2.1182 ff., 2.1378, 2.1693, 2.2029, 2.2428, 4.1 ff., 4.60 ff., 4.736, 4.935, 4.956, 6.67

1242

– Abschreibung 2.2029, 4.38, 4.80 – Anschluss- 2.110, 2.139, 2.1162, 4.789 – Banken- 4.251 – Bau- 4.573 – Berechnung 4.389 – Bindung 2.631, 2.1182 ff., 6.18 – Darlehen s. dort – Dritt- 4.954 – Existenzgründung 4.203 ff., 4.234 ff. – Forderungen 6.99 – Fremd- 4.1 – Gastronomie- 4.404, 4.1038 – Inventarvor- 2.1496, 2.2340, 4.9, 4.159 – Kaufvor- 4.34 f. – Kredit- 2.2, 2.62 – Nach- 4.250 – Raten- 4.525 – Re- 2.16, 2.485, 2.923, 2.2078, 2.2160, 4.728, 6.85 ff., 6.107 ff. – Richtlinien 5.47 – Rückführung 2.63, 2.111, 4.27, 4.37 – Rückvergütungsgutschriften4.25, 4.78, 4.525 – Selbst- 4.954 – Teil. 4.960 – Teilzahlungskauf 4.34 f. – Tilgung 4.27 f., 4.73 ff., 4.37 f. – Über- 4.445 – Umfang 4.1004 – Umschuldung 2.110 – Umweg- 2.52, 2.54, 2.1182, 4.65, 4.251, 4.722, 4.954, 5.256 – Unter- 4.445 – Unternehmer 4.218 – unverzinsliche 4.644 – verbundene Verträge 4.953, 4.956 ff.

Stichwortverzeichnis

– Verbraucher 2.1416, 2.2432, 4.231 ff., 4.780 – Vermittlung 2.103 – Zusage 4.60 ff. – Zuschuss- 2.842, 2.976, 4.29 s. a. Darlehen Finanzierungshilfe 4.241, 4.870 ff., 4.884, 4.895 – Allgemein- 4.871, 4.887, 4.911 – entgeltliche 4.268, 4.292, 4.363, 4.782, 4.886, 4.901 – Immobiliar- 4.871, 4.911 – sonstige 4.262, 4.878, 4.878 ff. Finanzierungskonzept 2.7, 2.470 Finanzrichtlinien 5.47 Fluktuation 2.158, 2.354, 2.574 Formularmäßige Erklärung 1.119 Formulierungsstringenz 1.272 Fremdbelieferung 2.2074 ff. Fremdbezug 2.61, 2.126, 2.810 ff., 2.902, 2.913, 2.954, 2.2074 ff., 2.2091, 2.2206, 2.2637, 6.13, 6.94 – Art 2.2091 – Ausschluss 2.49 – Ausschließlichkeitsvereinbarung 2.817 – einstweilige Verfügung 2.2101 – Glaubhaftmachung 2.2100 – Gratisgetränke 2.2091 – Graubezug 2.940, 6.94 – Kündigung 2.2121, 4.740 – Schadensersatz 2.700, 2.957 – Schwarzbezug 2.916, 6.94 – Unterlassungserklärung 2.2094 – Verbot 2.1046 – Verstoß 2.2124 – Vertragsstrafe 2.773, 2.824 ff., 5.17 – Wiederholungsgefahr 2.2086

Garantiehaftung

2.914, 2.939 Gastronomie-Mikromarketing 2.7, 2.923

Gaststättengrundstück 2.157, 2.2538, 2.2592, 4.75 – Bezugsvertrag 2.2571 – Erwerb 2.162, 2.223 – Existenzgründung 2.95, 2.158 – förmliche Enteignung 2.2274 – Grundschuld 2.1513 – Grunddienstbarkeit 2.2658 – Sicherungsübereignung 5.109 – Veräußerung 2.628, 2.2186, 2.2190, 2.2259 ff. Gaststätteninventar s. Inventar Gaststättenpachtvertrag 2.127, 2.818, 2.879, 2.833 – Gegenseitigkeitsverhältnis 2.2513 – Kündigung 2.2123, 2.2517, 2.2123 – negative Umsatzpacht 2.2210 – Pachtzinshöhe 2.2527 Gastwirt 2.2 ff., 2.2334 – Alter 2.161 – Erkrankung 2.2088 – Existenzgründer 2.2, 2.14 – Geschäftstüchtigkeit 2.83 – Gesundheit 2.2335 – Lieferantenneubennung 2.475 – Rechtsstellung 1.1 – Rentenalter 2.2334 – Vorkenntnisse 2.88 s. a. Existenzgründung, Kaufmann, Unternehmer Gastwirtsrecht 1.4 Gemischter Vertrag 2.288, 2.632, 2.1042, 2.1058, 2.1182, 2.1426, 2.1448 ff., 2.1552, 4.581 – Aufteilung 2.1505 – Bewertung 2.1499 Generalklausel 1.260 ff., 2.16, 2.359, 2.397, 2.1962 ff., 2.2336 Gerichtsstandsklausel 1.80, 2.6 1243

Stichwortverzeichnis

Gesamtbedarfsvertrag 1.30 ff., 1.40 – Begriff 1.30 – Einordnung 1.30 Gesamtmarktbetrachtung 2.1808 ff. – Distributionswege 2.1808 – Struktur Brauwirtschaft 2.1808 – Theorie 2.1808 – Wettbewerbsparameter 2.1808 Gesamtnichtigkeit 1.306, 1.325, 1.346 ff., 2.190, 2.261, 5.86 – AGB 1.353, 2.42 – Darlehensvertrag 4.69 – Intransparenz 1.313 – Klauselzusatz 1.313 – Vertrag s. dort – Vertragsdauer 1.354 Gesamtrechtsnachfolge 2.426, 2.531 ff., 2.1421, 2.2317, 2.2623 – Betriebsaufspaltung 2.2623 – Getränkefachgroßhändler 2.531, 2.538 – Umwandlung 2.532 – Verschmelzung 2.531 Gesamtschuld 5.332 Gesamtschuldklausel 2.584, 3.110 Geschäft – b2b- 2.1060 – c2c- 2.657 – Direkt- 2.1414 – Erfüllungs- 2.1563 – Fix- 2.2178 f. – Präsenz- 2.1533, 2.1607 – Schein- 2.2580, 2.2593 – Umsatz- 2.886 – verbundenes 2.1496, 3.88, 4.217 – Verpflichtungs- 2.682 – Volumen 2.1166, 2.1207 Geschäftsaufgabe 2.442, 2.1161 Geschäftsaufnahme 2.1095 Geschäftsbetrieb – Aufrechterhaltung 2.230 – Einstellung 2.2206 1244

– planmäßiger 2.2423 Geschäftseinheit 2.2605 f. Geschäftserweiterung 2.1150 Geschäftsgewandtheit 2.787, 2.1097 Geschäftsgrundlage 1.270, 2.478, 2.2177, 2.2321, 2.2329 – Störung 4.154 – Wegfall 1.270, 1.347, 2.2207, 4.114, 4.179, 6.33 ff. Geschäftsnachfolge 2.596 ff., 2.641 Geschäftsräume Geschäftswillen 2.1394 Getränkebezugsverpflichtung 1.13, 2.4 ff., 2.47 ff., 2.201, 2.1035 ff., 4.65 – Auferlegung 2.21, 2.1049 – ausschließliche 2.48 ff., 2.191, 2.202, 2.1507, 2.2530, 4.112 – Betriebspflicht 2.108 – Bonus 6.71 – Darlehen 4.8, 4.65, 4.112, 4.146, 4.180 f., 4.424, 4.581, 4.682 – Dauer 2.275, 2.416 – Erfüllung 4.79 – Erlöschen 4.159 – Fremdbezug 2.49 – Gebindeart 2.78 – Grundstück 2.2082 – Inventarschein 2.4 – Kündigung 4.112, 4.146 ff., 4.158, 4.163 – langfristige 2.192 – Laufzeit 2.336, 2.402, 2.2414, 4.379, 4.535 – Leistungserbringung 4.62 – Malus 6.71 – Neuverpachtung 4.79 – Nichterfüllung 2.2005, 2.2392, 4.8, 4.29, 4.57 – mittelbare 2.1039 – nichtige 2.2490 – notarielle 1.165 – ruhende 2.2387

Stichwortverzeichnis

– Schließung der Absatzstätte 2.406 – Schranken 2.5 – Schuldbeitritt 2.610, 2.2494 – schuldrechtliche 2.124 – Schuldübernahme 2.299 – Sondertilgungen 2.147 – Sortimentsbindung 2.204, 2.338 – Übernahme 2.19, 2.53, 2.217, 2.231, 2.604, 2.674, 2.1164, 2.2265, 2.2381 – Übersicherung 2.121 – Umfang 2.21, 2.35, 2.338, 2.2392, 6.100 – Vorleistung 6.84 – Verstoß 2.2533 – Widerruf 2.1422, 4.581 – wirksame 2.2169 f., 6.26 – wirtschaftliche Bewegungsfreiheit 2.5 – Zweckabrede 5.67 s. a. Bezugsverpflichtung Getränkefachgroßhändler 1.3, 2.14, 2.470, 2.2036, 6.21 – Abnahmepreise 2.341 – Absatzmittler 6.47 – Absatzmeldung 4.26 – Aktionsprogramm 6.54 – Änderungskündigung 2.70 – Anschlussvertrag 2.415 – Ausschließlichkeitsbindung 2.54 – Bezugsbindung 2.54 – Brauerei 1.3, 6.40 ff. – Bürgschaft 5.213, 5.301 – Darlehen 2.142 ff., 2.158, 2.202, 4.33, 4.247 s. a. Darlehen – Doppelbindung 6.82 – Eigenhändler 6.48 – Fehlinvestitionen 2.158 – Finanzierung 2.7 f., 2.10, 2.1505, 6.99 – Forderungsausfall 2.158

– Gesamtrechtsnachfolge 2.531, 2.538 – Geschäftsgrundlage 6.34 f. – Getränkesortiment 2.58 f. – Gewinnminderung 2.237 – Grundstückserwerb 2.138 – Handelsvertreter 6.48 – Hausmarke 2.2051 – Immobilie 1.165, 2.21, 2.138 – Insolvenz 6.109 – Investitionen 2.38, 2.135 – Inventar s. dort – Insolvenz 4.181 – Kommissionsagent 6.48 – Konditionen 6.61 ff. – Kostenbeteiligung 6.67 f. – Kündigung 6.38, 6.61 – Leistungen 2.134 ff., 2.155, 2.250, 2.328 – Lieferantenbenennung 6.75 ff. – Lieferbedingungen 2.485 – Lieferchance 6.73 – Lieferungsvermögen 2.405 – Markentausch 2.75 – Mustertexte 1.157 f. – Nebensortiment 2.77 – Paralellvertrieb 6.43 – Partnerschaftsabkommen 6.62 – Preise 2.744, 2.858, 6.56 – Rechtsnachfolge 2.476 – Risikobeteiligung 6.107 ff. – Rückzahlungsverpflichtung 6.91 – Sicherheiten 5.1 ff., 6.96 ff. – Sortentausch 2.75 f. – Sortiment 2.58 ff., 6.44 – Stellung 6.47 ff., 6.73 ff. – Überfinanzierung 6.90 – Vermittler 4.251, 4.272 – verschuldensunabhängig 6.14 – Vertragserstellungsprogramm 1.164 – Vertragshändler 6.48 1245

Stichwortverzeichnis

– Vertriebsabkommen 6.62 – Wechsel 2.471 f. – Wertberichtungen 2.158 – Zahlungsbedingungen 2.485 s. a. Vertriebsmodelle Getränkelieferungsvertrag 1.1, 2.1376, 4.1 ff., 6.1 ff. – Absatzstätte 2.103 ff. – AGB 7.2 – Amortisation 2.356, 2.363 – auf unbestimmte Zeit 2.239 – Ausschließlichkeitsbindung 2.1 ff., 2.49, 2.2119 – außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge 2.1015 – Betriebsferien 2.108 – Bezugsbindung s. dort – Bezugsverpflichtung s. dort – Bezugsvertrag s. dort – Bordell 2.163 – Darlehen 2.145 f., 2.1057, 2.1099, 2.1350, 2.2195, 6.88 s. a. dort; Darlehensvertrag – Direktübereignung 5.59 – elektronische Form 2.1227 – Eigentumsübergang 5.59 – Eigentumsvorbehalt 5.33 – Erfüllung 2.974 – Finanzierung s. dort – Gaststättenbezeichnung 2.103 – Gaststätteninventar s. Inventar – Gebindeart 2.78 – gemischter Vertrag 2.288, 2.1042, 2.1498 s. a. dort – (Gesamt-)Mengenvertrag 2.408 ff. – Gesamtabnahmemenge 2.409 f. 1246

– Gesamtbedarfsvertrag s. dort – Gesamtnichtigkeit 2.42 – Grundschuld 5.199 f. – Individualregelung 2.84, 2.282, 2.508, 6.1 ff. – Inhaltskontrolle s. dort – Inventar s. dort – Kartellrecht 2.315, 2.1936 ff. – Knebelungsvertrag 2.26 ff. – Kündigung s. dort – Laufzeit 2.288, 2.294, 2.305 ff., 2.357, 2.408 ff., 2.2596 ff., 6.9 ff. – Leistungsvorbehalt 2.1320 – Lieferweg s. dort – Mindestabnahmeverpflichtung 2.81, 2.84 – Mindestbezugsmenge 6.11 – Mindermengenausgleich 2.875, 2.952, 2.974 – Mithaftklausel 2.584 ff. – Nachfolge 2.558 ff., 2.569, 2.2663 – Nachverzinsung 2.976 ff. – Neuabschluss 2.668 – nichtiger 2.398 – Nichtigkeitseinwand 2.30 – notarieller 2.1349 – postalische Anschrift 2.103 – Rahmenvertrag 2.81, 2.508, 2.1514 s. a. dort – Ruhetag 2.108 f. – Schriftform 2.659 ff. – Sicherungszweck 5.7 – sittenwidriger 2.17 f., 2.34, 2.98, 2.136, 2.152, 2.593 ff., 2.265, 2.2231 – Sortimentsfestlegung 2.60 ff.

Stichwortverzeichnis

– Sukzessivlieferungsvertrag 2.303 ff. s. a. dort – übernommener 2.673 – unkündbarer 2.238 – unwirksamer 2.864, 2.2599 – Urlaub 2.109 – Verbraucherkreditrecht 2.1002 ff. – Verbraucherschutz 2.1002 ff. – Verlängerung 2.972 ff. – Verstoß 2.830, 2.2080 – Vertragspartner 7.42 – Vertragsstrafe 2.126, 2.865 ff., 2.956, 2.2274, 2.2406, 6.13 – Vertriebskartellrecht 2.1921 ff. – widerrufener 2.1520 ff. – Widerrufsbelehrung s. dort – wirksamer 2.882, 2.1221 – Zeitvertrag 2.409 – Zusicherung 2.2159 – Zuschuss 2.830, 4.8 s. a. Darlehensvertrag, Klauseln, Pachtvertrag Gewerbe 2.1123 – Abmeldung 2.2334, 2.2348 – Anmeldung 2.1109 f., 2.1124 Gewerbesteuer 2.745 Gewinn, entgangener s. Entgangener Gewinn Graubezug 2.876, 2.916, 2.940, 2.2074 f., 6.93 Grundbucheinsicht 5.142, 5.176 Grundbuchsicherheiten 4.567, 4.597, 5.66 Grunddienstbarkeit 2.1563, 2.2559 ff., 2.2562 ff., 2.2657 f. Grundpfandrechte 1.179, 4.567, 5.5, 5.176 – Abtretung 4.420, 4.565 – Besicherung 4.808 ff., 4.838, 4.875

– – – – –

Ersterwerb 5.176 Darlehen 4.801 ff. Haftungsverband 5.131 nachrangige 5.176, 5.183 ff. nachträgliche Verzichtserklärung 5.140 – Zubehöreigenschaft 5.134 – Zweckerklärung 1.179 Grundschuld 2.1513, 2.1563, 2.2595, 5.141 ff., 5.202 ff., 6.97 – Aufvalutierung 5.169 – Brief- 5.167, 5.174 s. a. Grundschuldbrief – Beleihung 5.143, 5.144 – Buch- 5.166, 5.174 – Drittsicherheit 5.141 – Getränkelieferungsvertrag 5.199 f. – Grundbucheinsicht 5.142, 5.176 – Eigentümer- 5.169, 5.176, 5.179, 5.184 ff. – Einmalvalutierung 5.145 – Eintragung 5.143 – Fremd- 5.141, 5.168, 5.186 ff. – gleichrangige 5.183 – Hypothek 4.845 – Neuvalutierung 5.169 – Revalutierung 5.181 – Sicherungs- 2.2595, 2.2602, 5.66, 5.141, 5.151, 5.190, 5.314 – Verkehrswert 5.144 Grundschuldbestellung 2.1377, 4.597, 5.147, 5.151, 5.192 – -surkunde 5.163, 5.168 Grundschuldbrief 5.167 ff. – Aushändigungsabrede 5.168 – Übergabe 5.167 Grundstück – Scheinbestandteile 5.16 Grundstückskaufvertrag 2.627 f., 2.646, 2.1049, 2.1510, 4.907, 4.915 – Beurkundung 2.627, 2.2255 – notarieller 2.2255 1247

Stichwortverzeichnis

Gruppenfreistellungsverordnung 2.313 ff., 2.1776 ff., 2.1935, 2.1963 ff. – Schirmcharakter 2.320 – Vertikalleitlinien s. dort – Vertikalvereinbarung s. dort

Haftung

2.637 f., 2.779, 5.234, 5.332 ff. – Ausfall- 4.975, 5.267 – beschränkte 5.273 – Bürgschafts- 4.48, 5.239 ff. – dem Grunde nach 2.701 ff., 6.14 – Eigen- 5.234, 5.347 – Ent- 2.431, 2.584, 2.623, 5.109 ff., 5.135, 5.301 – Garantie- 2.914, 2.939 – gesamtschuldnerische 2.213, 5.251, 5.332, 5.345 – Grundpfand- 5.131 – Grundsatz der Einzelwirkung 5.337 – kollidierende 5.6 – Mit- 1.80, 2.542, 2.584 ff., 4.49 ff., 4.70 f., 4.305, 4.975, 5.275, 5.342, 5.348, 5.349 – persönliche 5.154 ff., 5.162 ff., 5.341 – Risiken 4.453, 4.458, 5.267, 5.300 – Schadensersatz- 2.701 ff., 2.911 – Störer- 5.65 – Übernahme 4.836, 5.155, 5.163 – verschuldensunabhängige 2.782, 2.915 – Weiter- 2.589 – Zubehör- 5.42, 5.106, 5.109, 5.139 Haftungserklärungen 2.1377 – Bürgschaften 2.1377 – Mit- 2.392, 2.542, 4.70 f., 4.305 1248

– Schuldbeitritt 2.1377 Haftungserweiterung 5.300 ff., 5.346 Haftungserweiterungsklausel 5.249 Haftungsverband 5.131 ff. Haftungsverpflichtung 5.258 Handelsvertreter 4.251, 4.257, 6.48 Hauptleistungspflicht 2.292, 2.906, 4.61, 4.455, 4.528 Hauseigentümer 2.16, 2.2371 ff., 2.2496 – Nachfolgeregelung 2.2386 ff. – nicht selbst bewirtschaftender 2.14, 2.2380, 2.2383 – Pflichten 2.440, 2.2383 ff. – private 2.1987, 2.2372 – Rechtsnachfolgeregelung 2.2387 – selbst bewirtschaftender 2.368, 2.424, 2.2379 Hauseigentümererklärung 2.2375 ff. Haustürgeschäft 2.1015, 2.1701 – Widerruf 2.1399 Haustürsituation 2.1425 Heim-Getränkedienst-Vertrag 6.52 Herkunftsbezeichnung 2.552 ff., 2.2367, 2.2370 Herstellungspreis 2.764, 2.2010, 5.72 f. Hypothetischer Parteiwille 1.338 ff., 2.256, 2.259 ff., 2.1330, 2.1505

Individualabrede

1.108, 1.124, 1.134 ff., 1.145 ff., 1.174 f., 1.296, 2.119, 2.283, 2.297, 2.383, 2.536, 2.771, 2.1613, 2.2157 ff., 2.2192 – Vorrang 1.221 ff., 1.242 – wirksame 1.222 Individuallaufzeit 2.251, 2.264, 2.398 – Höchstgrenze 2.417 – Kappungsgrenze 2.406 – übermäßig langer 2.251

Stichwortverzeichnis

Individualvereinbarung 1.139, 1.142, 1.145, 1.144, 1.186, 1.237, 1.300, 2.80, 2.281, 2.379, 2.508, 2.801, 2.831, 2.915 Inhaltskontrolle 1.83, 1.250 ff., 1.266 ff., 1.287 ff., 1.296, 1.358, 2.15, 2.275 ff., 2.285 ff., 2.318, 2.459, 2.462, 4.69, 4.111, 4.142, 4.154, 4.733, 5.68, 5.83, 5.150, 5.157, 5.180, 5.255, 5.316, 5.392, 5.397, 5.409 ff., 6.6, 6.57 ff., 7.141 ff. – Ausschluss 7.163 – Benachteiligung 2.44 – Klauseln 1.256, 1.262, 1.266, 1.280, 1.358, 2.499, 2.66, 2.105, 4.119 ff., 4.142, 4.922, 7.64 f., 7.71, 7.114, 7.117, 7.147, 7.159, 7.168, 7.193, 7.210 – Kündigung 2.2233, 2.2282, 2.2305, 4.111, 4.119 ff., 4.155 – Leistungsbeschreibung 1.257 f., 2.305 – mündliche Nebenabreden 7.58 – richterliche 1.343, 2.391 – Schranken 1.262 – Teilzahlungsgeschäft 5.410 – Vormietrecht 2.2454 – Unternehmerverkehr 1.287 Insolvenz 2.1, 2.1124, 3.151, 4.140 ff., 4.181, 5.36, 5.223, 6.102 – Abschreibungsdarlehen 4.91 – Absonderung 5.43 – Ausfallrisiko 2.1 – Aussonderung 5.33a – Direkterwerb 5.405 – drohende 2.918, 2.2330 – Getränkefachgroßhändler 6.109 – Kfz-Sicherungsübereignung 5.44 – Kunden- 5.35, 5.43 – Masse 5.9 – Sicherheiten 4.398 – Sicherungsgeber 6.106

– Vermieter 5.53 – Verpächter 5.53 Insolvenzanfechtung 6.105 Insolvenzbeschlag 5.9 Insolvenzeröffnung 4.142 Insolvenzrisiko 2.587, 2.640, 3.110 Insolvenzverfahren 4.141, 5.43 Inventar 2.121, 4.933 – Abschreibung 2.264, 2.283, 2.445 – angefertigtes 5.39 – Beleihungswert 5.37 – Bestandteile 5.28 f. – Bewertungsabschlag 5.47 – Darlehen 2.232, 4.11, 2.25, 4.659, 4.935, 4.1022 – Direktübereignung 5.34 f., 5.59 – Eigentum 4.106 – Eigentumsvorbehalt 4.159, 4.565, 4.657, 4.967 f., 5.33a, 5.59 – Finanzierung 4.953, 4.1022 – gebrauchtes 5.38 – Gestellung 2.20, 2.237, 2.2373, 4.6, 4.164 – Grundstücks- 2.628 – Insolvenz 5.9 – Kauf 4.75, 4.539, 4.962, 4.977, 4.1022 – Kredit 4.25 – Leihe 2.172 ff., 2.217, 2.835, 2.2343, 4.46, 4.164 ff. – Nettorechnungsbetrag 5.40 – Neu- 5.39, 5.47 – Rückholung 2.842 – Rücksendung 4.681 – Sachversicherung 4.400 – Schätzung 5.90 – sicherungsübereignetes 2.119, 2.170, 2.351, 2.2375, 4.565, 4.984, 5.4, 5.97, 6.97, 6.103 – übereignetes 2.639, 4.158 – Veräußerung 4.931 – Verwertung 4.110 1249

Stichwortverzeichnis

– Verzeichnis 4.101 – vorfinanziertes 2.1497, 2.2340, 4.159, 4.166, 4.883, 4.886 – Weiterverkauf 4.931 – Wert 2.156, 2.168 ff., 2.223, 5.37 ff. – Zubehör 5.7, 5.42 Inventarkaufvertrag 2.1510, 4.75, 4.962 Inventarschein 2.4 Inventarsicherheiten 2.121, 5.1 ff., 5.37, 5.66 Inventarversicherung 4.1010

Jahresausstoß

2.1786, 2.1813

Kapitalisierungsverbot 5.425 Kartellrecht 1.307, 2.5, 2.76, 2.250, 2.1705 ff., 2.1757, 2.1921, 2.2582 ff., 6.20 – europäisches 2.250, 2.311 ff., 2.1705 ff., 2.1876, 2.1929 ff., 2.1996, 2.2583 – deutsches 2.1980 f., 2.1931, 2.1981, 2.1996 – Dezentralisierung der Kartellrechtsanwendung 2.1757 – Generalklausel 2.1962 – nationales 2.1738, 2.1928 – Schriftformerfordernis 2.484, 2.1208, 2.1942 – Schutzzweck 2.1707 – Unions- 2.308 f., 2.317 – Unternehmensvereinigung 2.1710 – Vertriebs- 2.1921 ff. – Verbot 2.1710 ff., 2.1929 Kartellrechtsverstoß 2.1970 ff. Kartellrechtswidrigkeit 2.1817, 2.1974 f. Kaufmann 2.182, 2.231 – eingetragener 2.1079 – Handelsregister 2.655 1250

– Minder- 2.182 s. a. Gastwirt; Unternehmer Klauseln 1.90, 1.234, 1.280, 2.39 ff., 2.281, 2.383, 2.473, 2.522, 2.541 ff., 2.845 ff., 2.850, 2.868, 2.947, 2.1924, 2.2157 ff., 2.2410 – Abräum- 4.165 ff. – Abwehr- 7.16, 7.26, 7.35 – Anzeigen 7.95 – Aufrechnungsausschluss7.128 ff. – äußerer Zuschnitt 1.230 – Ausschließlichkeits- 7.34 f. – Bagatell- 2.1248 – Bearbeitungsentgelt- 7.148 – belastende 1.109 – Bestätigungs- 7.66 ff. – Bürgschafts- 2.591 ff. – Datenschutz- 7.145 – deklaratorische 7.50, 7.65 – Durchschlags- 2.1292, 2.1520, 4.623 – Einzugsermächtigungs- 7.141 – Erfüllungsort- 7.161 ff. – Erhaltungs- 2.1502 – Erklärungen 7.95 – Ersetzungs- 7.111, 7.115 – Form von Anzeigen und Erklärungen 7.90 ff. – Geltungs- 7.34 – General- 2.16, 2.359, 2.397, 2.1962 f., 2.2336 – Gestaltung 1.280 – Gerichtsstands- 1.80, 2.6, 7.166 ff. – kartellrechtswidrige 2.1970, 2.1975 – Kostenelement- 2.512 ff. – Kündigungs- 2.706, 2.979, 2.993, 4.119 ff. – Kundengruppenschutz- 2.1904 – Lastschrift- 2.127, 7.135 – Laufzeit- 2.369 ff.

Stichwortverzeichnis

– Lösungs- 4.142 – Mahnkosten- 7.151 – Malus- 2.851, 2.861, 2.911, 2.919, 2.967 – Meistbegünstigungs- 6.59 – Mindermengenausgleichs6.14 ff. – Mit- 2.590 – Mithaft- 2.584 ff. – Nachfolge- 2.342, 2.541, 2.567 ff., 2.591, 2.594 ff., 2.641, 2.832, 2.2406, 6.14, 6.12 – nichtige 2.907, 2.925, 2.946, 6.59 – Preis- 2.479 ff., 2.498 ff. – Preisänderungs- 2.216, 2.497, 2.503, 2.506 ff. – Preisanpassungs- 1.341, 2.480, 2.509 ff., 2.517, 2.522 ff., 2.857 – Preiserhöhungs- 2.514 ff. – Preisvorbehalts- 2.494 ff. – Öffnungs- 2.1805 – Options- 2.384, 2.386 – Rückzahlungs- 4.25, 4.114 – salvatorische 1.300, 2.258, 2.1502, 2.1971, 2.1978, 2.2507, 6.16, 7.110 ff. – Schadensersatz- 2.706 ff., 2.855, 2.909, 2.2006 – Schadensersatzpauschalierungs2.702, 2.718, 2.815 – Schieds- 7.158 f. – Schriftform- 1.91, 7.49 ff. – Schufa- 7.147 – schwarze 2.1903 f. – Sicherungs- 5.70, 5.150, 5.163 – SMG 1.76 – sonstige 1.92 – Sortimentsänderungs- 2.76 – Status- 2.105 – Tagespreis- 1.179, 2.517 – Teilkündigungs- 2.985 ff., 4.153, 4.157 f., 6.19 – transparente 2.945

– überraschende 1.224 ff., 2.461, 2.592, 2.963, 2.2446, 4.63, 7.55, 7.102 – Übertragungs- 6.79 – Üblichkeit 1.303a – Umgestaltung 1.314 – unwirksame 2.372, 2.1975 – Verbund- 2.1879 – Verfall- 4.148, 4.170, 4.922, 5.84 – Verlängerungs- 2.390 ff., 2.1911, 2.2415, 2.2491, 2.2520, 4.789 – Verrechnungs- 4.539 – Vertragsstrafen- 2.567, 2.718, 2.779 ff., 2.793, 2.812, 2.815, 2.828 ff., 2.866, 2.2406 – Vertragsübertragungs- 2.539, 2.544 – Verwertungs- 5.81 ff., 5.86, 5.412 – Vollmachts- 7.101 ff. – Vollständigkeits- 7.83 ff. – Vollstreckungsunterwerfungs5.434 f. – Vorfälligkeits- 4.133, 4.184 – vorformulierte 1.90 ff., 1.149 – Weiterhaftungs- 2.589 – Wiederbeschaffungs- 7.207 ff. – Zins- 1.280, 4.666, 4.733 – Zurückbehaltungsrecht 7.131 ff. – Zusatz- 1.313 – Zwischenstaatlichkeits- 2.1724, 2.1724 Klauselwirksamkeit 2.2302 ff. Klauselverbote 1.259 ff., 2.394, 2.543, 2.766 – spezielle 1.259 ff. Knebelungsvertrag 2.26 ff. Konzession 2.131, 2.1111 ff., 2.2316, 3.204 – Entzug 3.204 – Erlöschen 2.131 – Erteilung 2.1111 ff. – fehlende 3.181 1251

Stichwortverzeichnis

Kosten 2.2019 ff., 2.2439, 4.104, 4.211, 4.646, 5.87 – Abfüll- 2.2027 – Abschrift 4.715 – Bearbeitungs- 2.743, 4.389 – Beteiligung 4.36, 6.67 ff. – Betriebs- 6.107 – Dritt- 4.648 – Einmal- 4.398, 4.644 – Finanzierungs- 2.2029, 4.800 – fixe 2.2019 ff., 2.2045, 2.2067, 2.2069 – Grundschuldbestellung 5.211 – Herstell- 2.2027 – Inkasso- 4.758 – Investitions- 2.297 ff., 2.2029, 4.29 – Kredit 4.454 – laufzeitabhängige 4.7 – Mahn- 4.759 – Notar 4.418 ff., 4.559 ff., 4.597, 4.628, 4.639 ff., 5.435 – Personal- 2.2047, 2.2069 f. – Rechtsverfolgung 2.743, 4.321, 4.756 – -Sachverständiger 4.398 – Selbst- 2.2009 f., 2.2023, 2.2026 – Sicherheiten 4.855, 4.1021 – sonstige 4.388, 4.394 ff., 4.540 f., 5.440 – Spezial- 2.2019 f. – Stück- 2.2021 – Umstellungs- 2.1720 ff. – variable 2.2019 ff., 2.2032, 2.2046, 2.2225 – Versicherungs- 4.402, 4.1010 – Vertriebs- 2.2029 – Verwaltungs- 2.2031, 4.759 – Verwertung 5.87 – Verzugs- 4.395, 4.406 – Wertgutachten 5.211 – Zahlungsverzug 4.458 – Zinsanpassung 4.646 1252

Kredit 4.24, 4.44, 4.49, 4.270, 4.833 – -aufnahme 4.366, 4.390 – Betriebsmittel- 4.10 – Existenzgründer 4.917 – Fest- 4.33, 4.388 – Geld- 4.25 – grundpfandrechtlich besicherter 4.859 – Konsortial- 6.103 – Nettokreditbetrag 4.983 – Raten- 4.31 – Versicherung 4.404 – verzinslicher 4.424 – Waren- 4.883, 5.35 s. a. Darlehen, Verbraucherkreditrecht Kreditvergabe 4.307 f. Kreditvertrag 4.283 Kreditwürdigkeit 2.159, 2.355, 2.1019 ff., 4.283 ff. – Kapitaldienstfähigkeit 4.292, 4.826 – Kapitaldiensttauglichkeit 4.292, 4.826 – Prüfung 4.294, 4.296, 4.302 ff., 4.782 ff., 4.825 ff., 4.841 ff., 4.885 Kumulationsverbot 2.707 ff., 2.803 ff., 2.873 ff., 2.956 ff., 2.974, 6.15 – unzulässige Kumulation 2.876 – zulässige Kumulation 2.804 Kündigung 2.129 ff., 2.212, 2.525, 2.707, 2.991, 2.1419, 2.1433 ff., 2.2121 ff., 2.2233 ff., 2.2278, 2.2280 ff., 2.2316 ff., 2.2435 f., 2.2463, 2.2533, 3.182 ff., 4.111 ff., 5.203, 6.38 f., 6.60 ff. – Abmahnung 2.2279 – Änderungs- 2.509 – -androhung 4.127, 4.754 ff. – Aufsteller 3.183 – aus wichtigem Grund 2.2207, 2.2292 ff., 2.2315 ff.

Stichwortverzeichnis

– außerordentliche 1.298, 2.597, 2.842, 2.920, 2.2206, 2.2288 ff., 2.2310, 3.189, 3.101, 4.118 ff., 4.198, 4.737, 4.118 ff., 4.198 ff., 4.738 ff., 5.393, 6.23 f., 6.33 ff. – Bedingungen 2.1581, 2.1623 – Berechtigung 4.767 ff. – Dauerschuldverhältnis 2.2092 – Darlehen 2.640, 4.189 ff., 4.112 f., 4.189 ff., 4.764, 4.780 ff., 4.786 ff. – Einzel- 4.774 – Erklärung 2.2309 ff., 4.129, 4.115, 4.129, 4.150, 4.199, 4.743, 4.771 ff., 4.776, 6.25, 6.61 – Folgen 4.777 ff. – fristgerechte 2.2137, 2.2360, 6.61 – fristlose 1.358, 2.69, 2.447, 2.525, 2.597, 2.2123, 2.2244, 2.2292 ff., 2.2299, 2.2315, 2.233 ff., 4.123, 4.129, 4.150, 4.184, 4.555, 6.35 – frühestmögliche 2.1192 – Gewerbeabmeldung 2.2348 – Insolvenz 4.140 ff. – Nachfristsetzung 4.121 – nicht rechtzeitig erklärte 2.398 ff., 2.2415 – ordentliche 1.353, 2.2281, 2.2283 ff., 3.188, 4.111 ff., 4.190 ff., 4.780 ff., 6.22 – Partnerschaftsvertrag 6.66 – -regelung 6.94 – sofortige 2.1433 – Teil- 2.841, 2.975, 2.985 ff., 2.2242, 2.2347, 4.146 ff., 4.151 ff., 4.160 ff., 4.791, 6.15, 6.18 f. – Tod des Betriebsinhabers 3.200 – Unredlichkeit 3.199 – unwirksame 2.2310, 4.764 f. – Verpächter 3.182

– vertragliche 2.2152 – Voll- 2.993 – Vorschrift 2.37, 2.1274, 2.1406, 4.315 – vorzeitige 2.343, 2.2127 – Widerruf 2.1459 – wirksame 2.2302 ff. – Zahlungsverzug 3.197, 4.745 Kündigungsbefugnis 2.129, 2.2239, 2.2289 ff., 4.140 – Automatenaufstellvertrag 3.189 – schwerwiegender Verstoß 4.123 – Wegfall 2.2239 Kündigungserklärungsfrist 2.2238, 2.2311, 4.129, 4.772, 6.61 Kündigungsfrist 2.70, 2.375, 2.400, 2.1581, 2.2282, 2.2283, 2.2318, 4.789 ff., 5.205 – Ablauf 2.2465 – gesetzliche 4.524, 4.789 – Verkürzung 4.780 Kündigungsgrund 2.130, 2.2122 ff., 2.2234 ff., 2.2292 ff., 2.2316, 2.2318 ff., 3.191, 4.122, 4.131 ff., 6.61 – Anschlussverpachtung 2.2435 – Belieferung von Konkurrenten 2.2350 – Geschäftsgrundlage 2.2321 – Insolvenz 4.140 ff. – Nichtzahlung Pacht 2.2534 – Ratenverzug 4.131, 4.744 ff. – Schankerlaubnis 2.2535 – Umsatz 2.2329 – Verstoß 2.2533 – vertragliche Regelung 2.2285 – Wegfall der Geschäftsgrundlage 2.2321 – wichtiger 2.2292, 2.2315 Kündigungsklausel 2.706, 2.979, 3.142 ff., 4.119, 4.153 – Teil- 2.985 ff., 6.19 1253

Stichwortverzeichnis

Kündigungsrecht 2.69, 2.413, 2.907, 2.1194, 2.2311, 2.2311, 2.2317 ff., 2.2342, 4.44, 4.780 ff. – allgemeines 4.786 – Ausschluss 4.323 – fehlende Angaben 4.787 – jederzeitiges 4.650 – ordentliches 2.374, 2.2282, 4.789 – Sonder- 2.467, 2.1194, 2.2285, 4.318 – Übertragung 5.429 – uneingeschränktes 4.521 – verwirktes 2.2312 Kündigungsvorbehalt 4.986 Kündigungszeitpunkt 2.1193 – frühestmöglicher 2.1192, 2.1087 Kundenstamm 2.545, 2.527, 6.59 – Wechsel 2.2332 Kundengruppenschutzklauseln 2.1904

Lastschrift

7.135 ff. – Abbuchungsverfahren 7.137 – Einzugsermächtigung 7.136 – Firmenlastschrift 7.140, 7.144 – Klauseln 7.135 – SEPA 7.140 Laufzeit 2.92 ff., 2.258 ff., 2.275 ff., 2.361 ff., 2.378 ff., 2.1815, 2.1908 ff., 2.1980 ff., 2.2398, 2.2414, 2.2441, 2.2485 ff., 2.2509, 6.3, 6.8 ff. – AGB 2.275 ff. – Aushandeln 2.282 ff. – Beginn 2.439 ff. – Bindung 6.93 – Divergenz 2.245 ff. – Ende 2.442 ff. – Ermittlung 2.258 ff. – Erst- 2.285 – feste 2.2490 – Grenzen 2.2469

1254

– Höchst- 2.417 – Individuals. dort – konkrete 2.262 – Kündigung 2.2282 ff., 4.787 – längere 6.3 – Mindest- 2.402 – nachträglich eingesetzte 2.284 – sittenwidrige 2.2596 – unbegrenzte 2.2609 – überschrittene 2.268 – unwirksame 2.371, 2.400 – Verlängerung 2.2415, 2.2520, 6.9 – Verstoß 2.369 – Vertrags- 2.792, 2.798, 2.1581, 2.1623 – Vorgaben 2.279 – zulässige 2.268 s. a. Automatenaufstellvertrag, Bezugsvertrag, Dienstbarkeit, Getränkelieferungsvertrag, Pachtvertrag Laufzeitdauer 4.379 Laufzeitklausel 2.369 ff. Laufzeitschranke 2.330 ff., 2.1908, 2.2609 – Ablauf 2.400 – AGB 2.285 – explizite 2.312 – gesetzliche 2.191 – Kartellrecht 2.310 – spezielle 2.310 Leasingvertrag 2.1151 Leistungsbeschreibung 1.254 ff., 2.287, 2.510 – Begriff 1.254 – Inhaltskontrolle 1.256 f. – Umfang der Hauptleistung 2.287 – versteckte 1.256 Leistungsbestimmungsrecht 2.460, 2.464 ff., 2.495 ff. – einseitiges 2.460, 2.464, 2.472

Stichwortverzeichnis

Leistungsstörung 1.49 f., 2.158, 2.354, 2.700 ff., 6.46 – Sanktionen 2.700 ff. – Schadensbeweis 2.724 – schuldrechtliche 2.576 – wirksames Durchgreifen 2.158, 2.354 Lieferweg 1.24, 2.110, 2.456 ff., 2.2074, 2.2383 – Änderung 2.457 ff. – Nichteinhaltung 2.700, 2.2316 Lohn- und Gehaltsabtretung 5.408 ff. – Darlehensvertrag 5.411 – Teilzahlungsgeschäft 5.410

Mahnkosten

7.151 ff. – Mahnpauschale 7.153 – Nachfristsetzung 7.151 – Verzugsfolgen 7.152 Mahnung 2.704, 2.2182, 2.2185 f., 2.2261, 4.745, 7.151 – qualifizierte 5.79 – schriftliche 1.358 Malus 2.10, 2.127, 2.837 ff., 2.842 f., 2.893, 2.957, 2.970 ff., 6.71 Malusklausel 2.851, 2.861, 2.911, 2.919, 2.967 Marke 2.553, 6.38, 6.66 – Absatzmeldung 6.80 – Änderung 2.553 – Auswahlentscheidung 2.60 – Begriff 2.553 – Biers. dort – Eigen- 2.2036, 2.2051 – Haus- 2.2036, 2.2051 Markenaustausch 2.75 Markenbezeichnung 2.74, 2.552, 2.2367 f. – Änderung 2.74 Markengläser 1.16 Markentreue 2.1799

Markt 2.1117, 2.1793 – Alleinbezugsvereinbarung 2.1796 – Gesamtmarktbetrachtung 2.1808 – nationaler 2.1867 – räumlich relevanter 2.1726, 2.1794, 2.1825, 2.1861 – relevanter 2.1724 ff., 2.1792, 2.1797, 2.1859 ff., 2.1870, 2.1939, 2.1997 – sachlich relevanter 2.1725, 2.1792, 2.1825, 2.1860, 2.1871, 2.1896 – Vertragspartner 2.1803 – Wettbewerbsbedingung 2.1797 – zeitlich relevanter 2.1727, 2.1795 – Zugang 2.1735, 2.1797 s. a. Biermarkt Marktanalyse 2.1736 Marktanteil 2.1749, 2.1825, 2.1872, 2.1878, 2.1897 – Berechnung 2.1870 Markanteilsschwelle 2.1877 – Überschreitung 2.1881 Marktbeherrschung 2.1996 ff. Marktführerschaft 2.1825 Marktkonzentration 2.1747 Marktpreis 2.2009 Marktstellung 2.1735, 2.1747 – schwache 2.1864 Marktverhältnisse 2.1797 Mehrfachverwendungsabsicht 1.95 – dreimalige Verwendung 1.95 – verschiedene Vertragspartner 1.98 Meistbegünstigungsklausel 6.59 Mengenvertrag 1.33, 1.47, 2.340, 2.408 ff., 2.867, 2.970, 2.988, 2.2325, 2.2339 – Gesamt- 1.65 ff., 2.988, 2.2229 – periodische Mindestbezugsmenge 2.2236 – reiner 2.408 Mietausfallbürgschaft 2.2373, 2.2408 1255

Stichwortverzeichnis

Mieteintrittsrecht 2.2473 Mietvertrag 2.283, 2.1509, 2.1999, 2.2466 – Dritter 2.2458 – Geschäftsraum 2.1733 – Laufzeit 2.2359, 2.364 – langjähriger 2.1909 – Neuabschluss 2.2470 – Optionsrecht 2.2492 – unbefristeter 2.2468 – Verlängerung 2.2492 – Vormietrecht 2.2462 Mietzins 2.2233, 2.2466 Minderbezug 2.127, 2.640, 2.814, 2.835 ff., 2.866, 2.2145 ff., 2.2154, 2.2206 – Abrechnung 2.966, 2.2241 – Ausgleichszahlung 2.127, 2.870 – Entschädigung 2.851 – Graubezug 2.916, 2.940 – Kündigung 2.640, 2.987, 2.999, 2.2233, 2.2235, 2.2240 f., 2.2278 – mehrmonatiger 2.979 – Schadensersatz 2.852, 2.893, 2.955, 2.2216, 6.27 – Schwarzbezug 2.916 – verschuldeter 2.911, 2.946 – Vertragsstrafe 2.773, 2.866 – wiederholter 2.2234 Mindermengenausgleich 2.837, 2.875 ff., 2.962, 2.974, 2.2078, 6.14 ff., 6.26 ff. Mindermengenausgleichsregelung 2.844, 2.902, 2.953, 2.2155 – nichtige 2.864 – Transparenzgebot 2.955 – Verjährung 2.968 – verschuldensunabhängige 2.941 – Zulässigkeit 2.892 Mindestbezugsmenge 2.84 f., 1.14, 2.24, 2.84, 2.1805, 2.2146, 2.2151, 2.2236 – Anrechnung 2.2161 1256

– – – – –

Ausgleichsregelung 2.846 Bonus 2.819 Dauer 2.997 Doppelbindung 2.86 Erreichbarkeit 2.87, 2.90, 2.207, 2.723, 2.2170, 2.2486 – Jahres- 2.85, 2.880, 2.867, 2.899, 2.975, 2.991, 2.1815, 2.2181, 2.2241, 2.2146, 6.80, 6.83 – Kalkulation 2.893, 2.908 – Kündigung 2.2234 ff. – Nachverzinsung 2.976 – Nichteinhaltung 2.127, 2.849, 2.2228 – Pachtvertrag 2.2486 – periodische 1.32, 2.80 ff., 2.206, 2.414, 2.971 ff., 2.1055, 2.1090, 2.1190, 2.2236 – Provision 2.819 – Rückvergütung 2.819 – unrealistische 2.128, 2.2406 – Überschreiten 2.819 – Unterschreiten 2.77, 2.841 f., 2.983, 2.992, 2.2203, 2.2211 – Vertragsstrafe 2.128, 2.983, 2.2231 – Wirtschaftlichkeit 2.24, 2.87 – Zielmengen 2.2146, 2.2216 Mindestmengenvereinbarung 2.887, 2.2146 f., 2.2155, 2.2215 Mitbewerber 2.475, 2.762, 2.1722, 2.1797 – ausländische 2.1836 – Passivlegitimation 2.2632 Mitbezugsgestattung 1.12, 2.51, 2.203, 2.2083, 2.2206 Mithaftklausel 2.584 ff. Musikautomat 3.75 – Austausch 3.35 – Bedarfsklausel 3.36 – neuer 3.75 f. – Reparatur 3.37 – Vertragsverlängerung 3.75

Stichwortverzeichnis

Musikdarbietung 3.38 f. – Ausschließlichkeit 3.39 – Verbot anderweitiger 3.39

Nachfolgeklausel

2.342, 2.556 ff., 2.575 ff., 2.596 ff., 2.641 ff., 3.99 ff. – Darlehen 2.630 – Kündigung 2.2278 – Rechts- 6.12 – Schuldübernahme 2.599, 2.602 – sittenwidrige 2.566 f. – unwirksame 2.594, 2.2362, 2.2406 – Verstoß 2.832 – Vertragsübernahme 2.599, 2.602 – Vollzug 2.596 ff. – vorformulierte 2.541 – wirksame 2.572, 2.580 – Vertragsstrafe 2.567 – Zulässigkeit 2.572 f., 2.579 Nachfolgeregelung 2.208, 2.527, 2.2389 – Betreiberwechsel 2.2386 – potentielle Eigenverpflichtung 2.2387 – Übertragung 2.2365 Nachfolgerevers 2.2443, 2.2473 Nachfristsetzung 2.2181 ff., 2.2190, 4.121, 4.126, 4.754 ff., 4.775, 6.29 – Ablehnungsandrohung 2.2299 ff., 4.121, 4.126 ff., 6.29 – Abmahnung 2.2187, 2.2237, 2.2299, 4.121, 4.126 – entbehrliche 2.2188, 4.127 – erfolglose 2.2299, 2.2353, 4.918 – erforderliche 2.2181 – erneute 4.919 – Form 4.763 – Kündigungsandrohung 4.775 – Schuldnerverzug 2.2182 Nebenabrede 1.149, 2.462, 4.482, 7.58, 7.68

– formgedürftige 4.484 – mündliche 4.482, 4.852, 7.83 ff., 7.89 – Preis- 1.280, 2.292, 2.480 f., 2.502 ff., 2.292, 7.149 – Schriftform 7.54 Nebenbürgschaftsklausel 5.250 Neuvertrag 1.70 Nichtabnahme 2.810, 2.892, 2.2025, 2.2030 – Ausgleichanspruch 2.2170 – Ersatzanspruch 2.2169, 6.26 – Fremdbezug 2.810 – Pflichtverletzung 2.2196 – Naturalrabatte 2.2018 – vertragliche Menge 2.814 – Vertragsstrafe 2.2231, 2.2406 Notarkosten 4.418 ff., 4.559 ff., 4.597, 4.628, 4.639 ff., 4.356

Öffnungsklausel

2.1805 OLG-VertretungsänderungsG 2.1005 ff. Optionsklausel 2.384, 2.386 Optionsrecht 2.388, 2.2452, 2.2465 ff., 2.2492, 2.2519

Pacht

2.1986 f., 2.1909, 2.2003, 2.2373, 2.2629 – Anpachtung 2.2502 – Anschluss 2.2435 – auf unbestimmte Zeit 2.329 – Dauer 2.2399 – Nachfolge 2.561, 2.2443 – Nichtzahlung 2.2534 – Schuldbeitritt 2.2402 – Umsatz- 2.82, 2.2210, 2.2525 – Unter- 2.2257 – Veranstaltungshalle 2.2003 – Vor- 2.2447 ff. Pachtaufschlag 2.880 Pachtausfallbürgschaft 2.2373, 2.2438 1257

Stichwortverzeichnis

Pachtbürgschaft 2.2473 Pachtentschädigung 2.845, 2.890 Pachteintrittsrecht 2.2443 ff. Pachtvermittlungsauftrag 2.2475 Pachtvermittlungsvertrag 2.2374 Pachtvermittlungsvollmacht 2.2475 Pächterwechsel 2.559, 2.2404 Pachtvertrag 2.82, 2.1291, 2.1508, 2.2090, 2.2476, 2.2486, 2.2382 – bauliche Mängel 2.2206 – Bezugspflicht 2.2477 – Fortbestand 3.192 – Gaststätten- 2.127, 2.818, 2.879, 2.2210 – Gebrauchsüberlassung 2.393 – Kündigung 1.358, 2.329, 2.2123, 2.2137, 2.2206 – Laufzeit 2.92, 2.239, 2.2359, 2.2359 – Treu und Glauben 2.1503 – Unter- 2.2511, 2.2206 – Vermittlung 2.2374 – wirksamer 2.882 – Wucher 2.2526 s. a. Bezugsbindung, Getränkebezugsverpflichtung Pachtzins 2.82, 2.2402, 2.2525 ff. – An- 2.2515 – Aufschlag 2.881 – Bemessung 2.127, 2.880 ff., 2.2210 – denkbar niedriger 2.345 – Erhöhung 2.889 – Höhe 2.881, 2.899, 2.2147, 2.2525, 2.2527 Pachtzinsanpassungsmechanismus 2.345 Pauschale 2.720 ff., 2.821, 2.2275, 6.17 – absolute 2.2116 – Einheits- 2.742 – prozentuale 2.749, 2.2117 – Schadenspauschale s. dort – ungewöhnlich hohe 2.763 1258

Pfand 7.175 ff. – Bepfandung 7.191 – fehlende Angabe 7.186 – fremde Flaschen 7.178 – Gegenstand 7.182 – Höhe 7.192 ff. – Pfandgeld 7.181 f. – Pfandgelderstattung 7.172 – Sortierfehler 7.179 – Wiederbeschaffungsklausel 7.207 ff. Pflichtangaben 2.597, 2.662, 2.687, 2.1307, 2.1406, 4.228, 4.280, 4.483, 4.500 ff., 4.637 ff., 4.494 ff., 4.669 ff., 4.853 ff., 4.897 ff., 4.1018 ff. – Darlehen 4.280, 4.426, 4.476, 4.587, 4.664, 4.899 – erforderliche 4.642 – Erhalt 4.587 – erneute 4.626 – gesetzlich geforderte 4.640, 4.684 – fehlende 4.625, 4.627, 4.635, 4.637 ff., 4.651, 4.654, 4.662, 4.672, 4.688, 4.696, 4.904 – fehlerhafte 4.627, 4.672, 4.673, 4.690, 4.697, 4.905 – Nachholen 4.598, 4.625 ff., 4.683a – notwendige 4.626 – Sollzinssatz 4.483 – unvollständige 4.625, 4.631 – vermittelter Kredit 4.270 – verständliche 4.503 – vertragliche 2.1240, 4.494 ff., 4.506, 4.598, 4.678 – Verwendungszweck 4.501 – Vollmacht 4.504 – Widerruf 4.233, 4.582, 4.585 ff., 4.642, 4.651, 4.664, 4.668 Pflichtverletzung 1.38, 2.74, 2.742, 2.2004 ff., 2.2041, 2.2113 ff., 4.125 – Abmahnung 4.126

Stichwortverzeichnis

– Bezugsbindung 2.274 – Darlehen 4.320 ff. – Fremdbezug 2.2114 – Nachfristsetzung 4.126 – Notar 2.2248, 2.2255 f. – Schaden 2.2068 – Unterverpachtung 2.2257 – Verkehrs- 5.61 – verschuldete 4.130, 4.923 – Verzug 2.2194, 2.2182 Preis 1.155, 1.174, 1.297, 2.214 ff., 2.479 ff., 2.1054, 2.1957, 6.74, 6.100 – Abnahme- 2.341 – Änderung 2.116, 2.512, 2.2014 – Auf- 2.235 – Aushandeln 1.123 -– Differenz 2.1482 – Durchschnitts- 2.2015 – Einkaufs- 2.2010, 2.2353, 6.17 – Empfehlung 2.1718 – Erhöhung 2.513 – Garantie 2.117 – Getränke 2.116 – gültiger 2.857 – Herstellungs- 2.2010, 6.36 – Leistungsverhältnis 1.256 – Listen- 1.179 – Markt- 2.2009 – Mindestpreisbindung 2.1904 – Nettoverkaufs- 2.88 – Reduzierung 2.217 – Selbstkosten- 2.2009 – Tages- 1.179 – Teilzahlungskauf- 2.146 – üblicher 2.491 – unangemessener 2.2354 – Vereinbarung 2.787 – Verkaufs- 2.2009 ff. – Vertrags- 6.36 – Wucher- 2.256 s. a. Anschaffungspreis; Barzahlungspreis; Einkaufspreis

Preisänderungsklausel 2.116, 2.497, 2.506 ff., 2.521 ff. Preisanpassungsklausel 1.336, 1.341, 2.480 f., 2.509 ff., 2.857 – unwirksame 1.336 – Nichtigkeit 1.341 Preisbindung 2.1904 Preiserhöhungsklausel 2.514, 2.517 Preisgestaltung 1.184, 2.281, 2.2353, 6.38 Preisklausel 2.479 f., 2.492 Preisliste 2.485 f., 2.490, 2.2013 f., 6.56 Preisnachlass 2.2017 Preisnebenabreden 1.280, 2.292, 2.480 f., 2.502 ff., 2.292 Preisvorteil 2.921 Preisvorbehaltsklausel 2.480, 2.494 ff. Prinzip der Kongruenzgeltung 7.36, 7.38 Publikumsgeschmack 2.53, 2.549, 2.551 ff., 2.2332, 2.2367 – Änderung 2.53, 2.2212, 2.2332

Rahmenvertrag

1.34 ff., 2.81, 2.508, 2.1210, 2.1514 ff., 2.1551, 2.2324, 4.1000, 6.50, 6.62, 7.10 – Abgrenzung 1.36 – Begriff 1.34 – Einordnung 1.34 – Einzelkaufvertrag 2.508, 2.697, 2.1319 – Kündigung 2.2324 Rate 4.28 ff., 4.747, 4.750 – Anzahlung 4.747 – Differenz- 4.28, 4.80, 4.363 – Jahres- 4.525 – Kredit 4.31 – offene 4.749 – periodische 4.31 – Verzug 4.131, 4.744 – Zins- 4.31

1259

Stichwortverzeichnis

Ratendarlehen 4.68, 4.523 – Termine der Fälligkeit 4.523 – Tilgung 4.68 Ratenkauf 4.169 ff. Ratenkaufvertrag 4.968 Ratenzahlungsabrede 4.74 Ratenlieferungsvertrag 2.1029, 2.1098, 2.1132, 4.263, 4.921, 4.1049, 4.1060 – Definition 2.1017 – Existenzgründung 2.1132 f. – Finanzierung 2.1044, 2.1090, 2.1166, 2.1416 – Grundstück 2.1048 – mehrere Verträge 2.1428 – Widerruf 2.1414, 2.2433 Ratenzahlungsabrede 4.74 Rechtsgeschäft, wucherähnliches 2.18, 2.389 Rechtsnachfolge 2.476, 2.535, 2.570, 2.596 ff., 2.641, 2.2222, 2.2626, 2.2656, 6.12, 6.66, 6.74 – Ausschließlichkeitsregelung 2.2275 – Einzel- 2.425, 2.537 – Gesamt- 2.246, 2.531, 2.538, 2.2317, 2.2623 – Getränkelieferant 2.2364 ff. – Kündigung 2.2239 – Regelung 2.2389 – Teil- 2.2389, 2.2393 – Vertragsübernahme 6.12 – Voll- 2.2389, 2.2393 Rechtsnachfolgeklausel 2.541, 2.548, 2.566, 2.2278, 6.12 Rechtsverfolgungskosten 2.743, 4.321 Rentabilitätsminimum 3.173 Rückgabe 2.1436 ff., 6.66 Rücksendung 2.1436 ff. – Widerruf 4.681 Rücktrittsrecht 2.1016, 2.1433, 2.2326 – sofortiges 2.2179 1260

– vertragliches 2.1386 – Rückvergütung 2.114 ff., 2.137a, 2.146, 2.176, 2.493, 2.921, 6.68, 6.74 – einbehaltene 2.937 – erhöhte 2.819, 2.838 – Vertriebsmodell II 2.475, 2.492 – Vorauszahlung 4.28 Rückvergütungsdarlehen 2.190, 2.402 f., 2.1523, 4.28 Rückvergütungsgutschrift 2.146, 2.220, 2.917, 2.938, 4.6, 4.38, 4.78 ff., 4.233, 4.525, 4.717 Rückzahlungsgebot 4.195 Rückzahlungsvorbehalt 4.622, 4.1033

Salvatorische Klauseln

1.300, 2.258, 2.1502, 2.1971, 2.1978, 2.2507, 6.16, 7.110 ff. – Erhaltungsklausel 1.300, 2.1502, 7.112 ff. – Ersetzungsklausel 1.300, 7.115 ff. – soweit gesetzlich zulässig 7.121 ff. Schadensberechnung 2.710, 2.720, 2.750 ff., 2.2005 ff., 2.2054 ff., 2.2017 ff., 2.2073, 2.2215 ff., 2.2265 ff., 3.168 ff. – abstrakte 2.752, 2.2054, 3.175 – fixe Kosten 2.2019 f. – Darlegung und Beweis 2.752 ff. – Durchschnittspreis 2.2015 – Gesamtvermögensvergleich 2.2008 – konkrete 2.710, 2.752, 2.2006, 2.2006, 2.2042, 2.2058 – Mindestmengenvereinbarung 2.2215 – Rechtsgrundlage 2.2005 – Schadensersatzpauschalierung 2.710, 2.2267 – Schadensschätzung 5.312

Stichwortverzeichnis

– Substantiierung 2.2073 – Zeitraum 3.169 – Zielmengenvereinbarung 2.2216 s. a. Schadensersatzpauschale Schadensersatz 1.38, 1.228, 2.700 ff., 2.847 ff., 2.909, 2.911, 2.999, 2.1583, 2.2112 ff., 2.2173 ff., 2.2246 ff., 2.1408, 2.2666 ff., 3.114, 3.114, 5.61, 6.30, 6.36 f. – Abzinsung 2.2038 – Anrechnung 2.824 – Anspruch 2.2246 ff., 2.2666, 6.27 – Aufgabe Absatzstätte 2.700 – Ausschließlichkeitsabrede 2.2112 – Berechnung 6.36 – Deckungsbeitragsausgleichszahlung 2.848 – Einstellung Getränkebezug 2.700 – Fremdbezug 2.700, 2.2080, 2.2126, 2.2134 – Höhe 2.764, 2.855 – Kumulation 2.807 ff., 2.823 f., 2.873 ff., 2.943, 2.956 ff. – Kündigung 2.707, 6.39 – Lieferweg 2.700 – Leergut 6.66 – Minderbezug 2.127, 2.700, 2.946, 2.955, 6.27 – Mindermengenausgleich 2.952 ff. – Nachfristsetzung 2.2187 – Nettobetrag 2.2043 – Nichterfüllung 2.808, 5.242 – Nichtweitergabe der Bezugsverpflichtung 2.700, 2.2228 – Notar 2.2248, 2.2255 – pauschalierter 2.723, 2.738, 2.805 ff. – Pflichtverletzung 2.274, 2.2248

– positive Vertragsverletzung 2.2247 – Preise 2.857, 2.2013 – Schätzung 6.37 – Schlechterfüllung 2.808 – statt Leistung 2.919, 2.2004, 2.2020 – Steuer 2.745, 2.2163 – Unternehmerverkehr 2.733, 2.873 – Verschulden bei Vertragsschluss 1.305 – Verschuldenserfordernis 2.701 – Vertragsverletzung 2.125, 2.2247 – Zeitraum 3.114 Schadensersatzanspruch 2.447, 2.641, 2.1684, 2.2025, 2.2248 – Berechnungsgrundlage 2.829, 2.2216 – Beweiserleichterung 2.2054 – deliktischer 5.61 – entgangener Gewinn 2.2265 s. a. dort – Garantieversprechen 2.2174 – Freistellung 2.2139 – Kündigung 2.707 – Pächter 2.2250 – vertraglicher 2.723 – weitergehender 2.951 s. a. Schadensersatz Schadensersatzberechnung s. Schadensberechnung Schadensersatzklausel 2.706, 2.825, 2.909, 2.2006, 3.114 ff. Schadensersatzpauschale 2.125, 2.710, 2.723 ff., 2.731, 2.768, 2.2267 – absolute 3.119 – Einheitspauschale 3.116 – prozentuale 2.749, 2.751, 3.120 – überhöhte 2.734

1261

Stichwortverzeichnis

Schadensnachweis 2.723, 2.822, 2.2054, 2.2220 Schadensschätzung 2.729, 2.764, 2.2050, 2.2061, 2.2066, 2.2225, 6.37 Scheinbestandteile 5.16, 5.27 Scheinunternehmer 1.208 Scheinzubehör 5.24 Schiedsklauseln 7.158 f. Schriftformerfordernis 2.619 f., 2.659 ff., 2.1025, 2.1208 ff., 2.1212 ff., 2.1228, 2.1240 f., 2.1666, 4.474 ff., 4.895 f., 5.217 ff., 5.226 ff., 5.280, 5.355 ff., 6.53 ff., 7.46 ff. – Blankoerklärung 5.220, 5.356 – Darlehensvertrag 4.474 – gesetzliches 2.1028, 2.1208 f., 4.670, 5.216 – kartellrechtliches 2.484, 2.1208, 2.1942 – mündliche Nebenabreden 4.852, 7.58 – Normzweck 4.475 – Schutzzweck 2.1209, 2.1213, 2.1225, 4.493, 4.156 – Telefax 5.219, 5.357 – Verletzung 4.491 – Verstoß 2.1213 – Vertragsanpassung 4.472 – Vertragsänderung 4.481 – Widerruf 2.1025, 2.1365 Schriftformklausel 7.49 ff. – Aufhebung 7.52 – deklaratorische 7.50, 7.65 – doppelte 7.77 ff. – Einbeziehung 7.62 – einfache 7.60 – konstitutive 7.49, 7.54, 7.65 – qualifizierte 7.77 – Transparenzgebot 7.59 – überraschende 7.55 – Vorrangprinzip 7.54 – wirksame 7.54 Schufa-Klausel 7.147 1262

Schuldabänderungsvertrag 4.16 Schuldbeitritt 2.392, 2.543, 2.600, 2.609 ff., 2.635, 2.647, 2.1081 ff., 2.1378, 2.1547, 2.2253, 2.2402, 4.49, 4.53, 5.330 ff. – Ehepartner 5.351 – Erklärung 2.1382 – Erstschuldner 5.335 ff. – Existenzgründer 5.349 f. – Familienangehörige 5.351 – GmbH-Geschäftsführer 5.351 f. – Haftungserklärungen 2.1378 – kumulativer 4.975 – Verbraucher 2.694 ff., 5.349 f. – Zeitpunkt 2.1099 Schuldnerverzug 2.2175, 2.2182, 6.28 Schuldübernahme 2.299, 2.606 ff., 2.613, 2.635 ff., 4.49, 5.304 – befreiende 2.563, 2.599 ff., 2.639 f., 5.331 – Erklärung 4.88 – kumulative 5.330 Schuldversprechen 5.156 Schutzbedürftigkeit 2.672, 2.1142 ff., 2.1584 – persönliche 2.1051 Schwarzbezug 2.916, 2.2074, 6.93 Selbstkosten 2.2009 f., 2.2023, 2.2026 Sicherheiten 2.119 ff., 2.221, 2.637, 2.1528, 2.1537, 2.1571, 4.43, 4.421 ff., 4.646, 4.649, 4.713, 4.901, 5.89, 5.1 ff., 6.96 ff. – abgetretene 6.94, 6.98 – akzessorische 2.637 – andere 5.2 – Bestellung 1.164, 4.398, 4.858 – Bürgschaften 2.1536, 2.1541, 4.43 – eigene 6.97 – Dritt 2.1537, 5.2, 5.89, 5.141 – finanzielle 2.1625 – Grundbuch- 4.567 – Inventar- 4.51 ff., 5.1 ff. – Kredit- 5.1

Stichwortverzeichnis

– Pool- 6.103 ff. – Rückabtretung 4.713 – verlangte 4.562 ff., 4.858 f. – Verwertung 6.89 – Wegfall 5.111 – weitere 5.2 Sicherungsabrede 2.2598, 4.812 f., 5.66 f., 5.75, 5.148 ff., 5.183, 5.391, 5.408, 5.421 – Auskunftsanspruch 4.945 – Eigentumsvorbehalt 5.33 – Freigaberegelung 5.73 – schuldrechtliche 2.2602, 4.877, 5.391 – sittenwidrige 5.71, 5.172 – Übersicherung 5.73 – Vertrag 5.97, 5.146 – Verwertung 5.90, 6.111 – Zweckerklärung 5.67 Sicherungsdienstbarkeit 2.1512, 2.2589 ff., 2.2601, 2.2609, 2.2654 ff. Sicherungseigentum 2.170 Sicherungsgesamtschuld 4.49, 5.332 Sicherungsgrundschuld 2.2595, 2.2603, 5.141, 5.190, 5.314 – vollstreckbare 5.204 Sicherungsrichtlinien 5.47 Sicherungsübereignung 2.170, 4.400, 4.565, 4.936, 4.941, 4.984, 5.5, 5.7, 5.32 f., 5.109, 6.102 – antizipierte 5.56 – auflösend bedingt 5.70 – Dreier- 5.36, 5.55 – Enthaftung 5.135 – Insolvenz 5.35, 5.43 – Inventar 2.119, 2.121, 2.170, 2.351, 2.2375, 4.984, 4.1010, 5.58, 5.97, 6.97, 6.103 – Kraftfahrzeuge 4.571, 5.44 – mehrere Gegenstände 5.100 – Vertrag 2.621, 4.1012, 5.4, 5.55, 5.68, 5.81 – vorweggenommene 5.56

– Wirksamkeit 5.83 – Zubehör 5.135 Sicherungsvereinbarung 2.2595, 2.2598, 2.2602, 2.2656, 5.181, 5.193 – Unwirksamkeit 5.86 Sicherungsvertrag 4.936, 5.190 Sittenwidrigkeit 2.12 ff., 2.34, 2.99, 2.187, 2.1417, 2.2604, 5.170 ff., 5.268 ff., 5.348, 5.437 – AGB-Klauseln 2.39 – Angehörigenbürgschaft 5.257 – Alkohol 2.884 – Beurteilung 2.45 – Bezugsbindung 2.240 – Bordell 2.163 – Bürgschaft 5.276 – Darlehensvertrag 5.171 – Dienstbarkeit 2.2600 – Einseitigkeit Vertrag 2.2397 – Jahresmindestbezugsmenge 2.85 – Laufzeit 2.192, 2.198, 2.372, 2.40, 2.2521, 2.2600, 2.2521 – Minderkaufmann 2.182 – Missverhältnis 2.17, 2.180 – Mithaftungserklärung 4.70 f. – Sicherungsabrede 5.172 – Sondertilgungen 2.147 – Teilbindung 2.52 – Vertrag 2.34, 2.240, 4.316, 5.199 – verwerfliche Gesinnung 2.184, 5.271 – Vollkaufmann 2.182 – Vollzug der Leistung 2.2605, 2.2607, 2.2602, 2.2605 ff. – wirtschaftliche Bewegungsfreiheit 2.192, 2.257 – Zeitpunkt 2.171 Sollzinssatz 4.216, 4.237, 4.376 f., 4.518 f., 4.718, 5.363 – Abweichung 4.389 – effektiver Jahreszins 4.370 – ermäßigter 4.643 f. – gebundener 4.555, 4.869 1263

Stichwortverzeichnis

– Pflichtangabe 4.483 – Reduktion 4.531 – veränderlicher 4.555, 4.725, 4.856 – Zinsreduktion 4.643 Sonderkündigungsrecht 2.64, 2.467, 2.552, 2.560, 2.2285, 4.167, 4.318 – vertragliches 2.1194 Sorte 2.552 f., 2.2367 Sortenauswechslung 2.76, 2.275 Sortenbezeichnung 2.74 Sortimentsänderung 2.62 ff. Sortimentsbindung 1.8 ff., 2.55 ff., 2.204 ff., 2.338 – afG-Sortiment 6.82 – alkoholfreie Getränke 2.56, 2.205 – Bier 1.11, 2.55 – Biermischgetränke 2.57, 6.82 f., 6.87 – Breite 2.59 – Doppelbindung 2.128 – Gebindeart 2.78 – Konsumverhalten 2.204 – Spirituosen 2.58 – Nebensortiment 2.77 – Umfang 2.338 – Weine 2.58 Sortimentsfestlegung 2.60 f. Sortimentsliste 1.10 Sparguthaben 5.413 f. – Abtretung 5.413 – Verpfändung 5.413 – Verwertung 5.415 Sphärengedanke 2.1827 Streitwert 2.2129 ff., 2.2230, 2.2645 f. – Anhebung 2.902 – Gewinnentgang 2.2129 Streitwertfestsetzung 2.2130 f., 4.108 Strohmann 1.210, 2.1103 Stundung 2.1049, 4.18 f., 4.92, 4.883, 5.302 – unentgeltliche 4.877 Stundungsabrede 4.92 Substantiierungslast 2.1826 1264

Sukzessivlieferungsvertrag 1.43 ff., 2.1034, 2.1041, 2.1553 – Begriff 1.43 – echter 1.44, 1.50, 2.1034, 2.2325 – unechter 1.46 ff.

Tagespreis

2.507, 2.749, 2.821, 2.859, 2.2118 – Zins 4.596 Tagespreisklausel 1.179, 2.517 Tankstellenstationär 2.367 Tankstellenvertrag 2.366, 2.384 Tarifwahl 1.124, 1.124, 1.184, 2.281 Tatrichter 2.421 Täuschung, arglistige 2.257, 2.1435, 2.2082, 2.2532 Teilbarkeit 1.309 ff., 2.595 – Grenzen 1.314 – Intransparenz 1.313 – Kulitest 1.311 – personelle 1.355 – quantitative 2.260, 2.263 Teilkündigung 2.841, 2.975, 2.985 ff., 2.2242, 2.2347, 4.146 ff., 4.151 ff., 4.160 ff., 4.791, 6.15, 6.18 f. – unwirksame 4.160 ff. Teilkündigungsklausel 2.985, 2.987 ff., 4.158, 6.19 Teilleistung 2.1029 f., 2.2326, 4.526, 6.69 – Anrechnung 4.736 Teillieferungsvertrag 1.44 Teilnichtigkeit 1.306 ff., 2.255, 2.1502, 2.1972 – geltungserhaltende Reduktion 1.309 – Grundsatz 1.306 – quantitative 2.256 – von Amts wegen 1.308 – Voraussetzung 1.309 Teilwiderruf 2.1450 ff. – objektiver 2.1449 – subjektiver 2.1453

Stichwortverzeichnis

Teilzahlungsdarlehen 4.30, 4.645 Teilzahlungsgeschäft 2.1200, 4.47, 4.799, 4.870 ff., 4.881 ff. – Eigentumsvorbehalt 4.901 – Leihe 4.47 Teilzahlungskauf 4.34 Teilzahlungsvereinbarung 4.749 Telekommunikationsanlage 2.365 Teleologische Reduktion 2.1129, 2.1140, 2.1143, 2.1673 Theorie des letzten Wortes 7.33 Tilgung 2.235, 2.235, 2.444, 2.1526, 5.302 – Abschreibung 2.235 – Aufpreis 2.235, 4.27 – Aussetzung 2.453, 5.302 – Bestimmung 4.81, 4.749 f. – Mindest- 4.28, 4.79 – Rückstand 2.453, 4.132 – Sonder- 2.147 – Umsatzsteuersonder- 4.34, 4.386 Tilgungsabrede 5.321 Tilgungsdarlehen 3.81, 4.30 ff., 5.303 Tilgungsfinanzierung 4.37 f., 4.73 ff. – Aufhebung Ratenzahlungsabrede 4.74 – Rückführungszeitraum 4.73 Tilgungsplan 4.388, 4.391, 4.461, 4.550 ff., 4.716 ff. – erneuter 4.720 – Textform 4.716 – Zahlungsverzug 4.745 Tilgungsraten 2.220 Tilgungszahlung 4.713 Transparenzgebot 1.248, 1.272 ff., 2.15, 2.404, 2.488 ff., 2.512 ff., 2.706, 2.718, 2.871, 2.942 f., 2.969, 2.1262, 2.1577, 2.2304, 2.2413, 3.87 – Bestimmtheitsgebot 2.488 – Perplexität 2.854 – Preisliste 2.490 – Unternehmerverkehr 1.272

– Verletzung 1.278 – Vertragsstrafe 2.783 f. – Verstoß 2.15, 2.816, 2.854, 2.875

Überbelehrung

2.1375 Überlegungsfrist 2.1025 – Widerruf 2.1025 Überraschende Klausel 1.224 ff. – äußere Erscheinungsbild 1.226 – negative gesetzliche Einbeziehungsvoraussetzung 1.224 Übertragung 2.2365 – Belieferung 6.73, 6.84 – Bestands- 2.544 – Bezugsverpflichtung 2.632, 2.700, 2.773 – Einzelrechtsnachfolge 2.537 – Finanzierung 2.630 – Gaststätte 6.32 – Grundeigentum 2.425 – Lieferrechte 2.526 ff. – Schuldverhältnis 2.612 – Sicherheiten 6.99 ff. – Umfang 2.629 f. Übertragungsrecht 2.526 ff., 2.536, 2.541 – AGB 2.541 f. – Einzelrechtsnachfolge 2.537 – Gesamtrechtsnachfolge 2.531 ff., 2.538 – unbeschränktes 2.548 – Wirksamkeit 2.536 Umsatzpacht, negative 2.82, 2.879 ff., 2.2210 Umsatzrückgang 2.1160, 2.2352, 6.38 Umsatzsteuer 2.745, 2.860, 2.880, 2.1199 ff., 2.2042 ff., 2.2163, 2.2423, 4.29, 4.38 – Sondertilgung 4.34 Umschuldung 2.139 f., 2.418, 4.59, 4.374, 4.883, 5.303 1265

Stichwortverzeichnis

Umwandlung 2.140, 2.532 – Abschreibungsdarlehen 5.303 – Fremdgrundschuld 5.186 – Gutschriftendarlehen 2.842 – Kaufpreisschuld 4.967 – Rechtsform 2.532, 2.1156 ff., 2.2623 – Schulden 2.432 Umwegfinanzierung 2.1182, 4.65, 4.251, 4.722, 4.954, 5.256 Unklarheitenregel 1.241 ff., 2.592, 2.963, 2.1392, 5.7 – Auslegung 1.243 ff. – Bürgschaftsklausel 2.592 – Individualabrede 1.242 Unterlassungsanspruch 2.500, 2.2084 ff., 2.2624 ff., 2.2628, 2.2641 f., 2.2652 – Eigentumswechsel 2.2628 – Vermietung 2.2630 – Verpachtung 2.2630 – Wiederholungsgefahr 2.2086 Unterlassungsdienstbarkeit 2.2539, 2.2543 f. s. a. Verbotsdienstbarkeit Unternehmen – abhängiges 2.326 – ausländische 2.133, 2.1834, 2.1867 – beteiligtes 2.1741, 2.1872, 2.1724, 2.1762 – Drittstaaten 2.1741 – GmbH 1.191 – Ich-AG 1.211 – kleine 2.332, 2.1863 – Konzern 2.1714 – Limited 1.197 – mittlere 2.332, 2.1863, 2.1863 – öffentlich-rechtliche Einrichtung 1.202 – Personengesellschaft 1.203 – Selbstveranlagung 2.1756 – staatliche Einrichtung 2.1712 1266

– – – –

Unternehmergesellschaft 1.195 verbundene 2.1710 ff., 2.1895 Vereine 1.198 ff., 2.1992 ff. wettbewerbliche Vereinbarungen 2.1710 ff. Unternehmensbegriff 2.1941 ff., 2.1986 – funktionaler 2.1711, 2.1942 Unternehmer 1.187 ff., 2.182, 2.672, 2.1146, 2.1488 ff., 2.1493, 2.1543, 2.1548 – Annahmeerklärung 2.1348 – Begriff 1.187 – Existenzgründer 2.183, 2.1146, 2.1236 s. a. dort – Hilfspersonen 2.1594 – Identität 2.1580 – Geschäftsräume 2.1592 f. – gesetzliche Vermögensverwalter 1.205 – Gewinnerzielungsabsicht 1.188 – juristische Person des öffentlichen Rechts 1.201 – Schein- 1.207 f. – Strohmann 2.1103 – Vertrag 2.397, 2.513, 2.516, 2.1548 – Widerruf 2.1453 s. a. Gastwirt, Kaufmann Unternehmereigenschaft 2.298, 2.1091, 6.21 – Annahme 2.1990 f. – Ende 1.213 – Verlust 4.229 – vorgetäuschte 1.209 Unternehmerverkehr 1.122, 1.221, 1.241, 1.259 ff., 1.287, 1.319, 2.463, 2.511, 2.542, 2.715, 2.733, 2.741, 2.777, 2.785, 2.856, 2.873, 3.98, 7.85, 7.150 – AGB-Kontrolle 2.715, 7.53 – Änderungsvorbehalte 2.63

Stichwortverzeichnis

– Durchschnittsschaden 2.741 – geltungserhaltende Reduktion 1.241, 2.831, 2.863 – Inhaltskontrolle 1.287 – Kumulation 2.873 – spezielle Klauselverbote 1.259 ff. – Transparenzgebot 1.272 f. – überraschende Klauseln 1.225 – Unklarheitenregel 1.241 – Vertragsbedingungen 1.171 – Vertragsstrafe 2.773, 3.125 – Vorrang der Individualabrede 1.221 – Zustimmungsfiktion 2.64

Verbandsprozess

1.247 Verbotsdienstbarkeit 2.2543, 2.2574 ff., 2.2620, 2.2642 Verbraucherdarlehensvertrag 4.207 ff., 4.277 ff., 4.801 ff., 4.1005 – Abschluss 4.684 – Europäische Standardinformation 4.358 – Existenzgründer 4.219 – Sonderfall 4.1002 – Verbraucher 4.219 Verbrauchereigenschaft 4.229 Verbraucherkreditrecht 2.646 ff., 2.684 ff., 2.690 ff., 2.1002 ff., 2.2427, 2.2495 ff., 2.2510, 2.2522, 4.12, 4.203 ff., 4.233 – persönlicher Anwendungsbereich 2.696, 2.2495 – sachlicher Anwendungsbereich 2.691, 2.695 – Ratenlieferungsvertrag 2.1022 – Schuldübernahme 2.684 ff. – Sondervorschriften 4.12 – Vertragsbeitritt 2.690 ff. – Vertragsübernahme 2.646 ff. Verbraucherkreditvertrag 4.284 Verbraucherpräferenzen 2.1747

Verbraucherkreditlinie 2.1022, 4.204 ff. Verbraucherrechterichtlinie 2.1023, 4.204 Verbraucherschutzrecht 2.618, 2.647, 2.1002 ff., 2.2418 ff., 6.21 – allgemeines 2.647, 2.2429, 2.2524, 5.75, 5.191 ff., 5.282 ff., 5.374 ff., 5.394, 5.443 – persönlicher Anwendungsbereich 2.2418 – sachlicher Anwendungsbereich 5.374 ff. Verbrauchervertrag 2.1368, 2.1377, 2.1417 ff., 2.1541 ff., 4.608, 5.282, 5.374 – konkreter 4.608 Verbrauchervollmacht 4.488, 4.504 Verbundklausel 2.1879 Verfallklausel 4.170, 4.922 Vergaberecht 2.2000 ff. – Festwirt 2.2002 – öffentlicher Auftrag 2.2001 – Vergabenachprüfungsverfahren 2.2001 Vergleichswertmethode (indirekte) 2.2530 Verkehrsführung 2.244, 2.2212 Verlängerungsklausel 2.378, 2.390 ff., 2.843, 2.1911, 2.2415, 2.2471, 2.2491, 2.2520 Vermieterpfandrecht 5.49 ff. – eingebrachte Sachen 5.50 – Unpfändbarkeit 5.51 Vermögensverwaltung 1.205 f., 2.1083, 2.1711, 2.1987, 2.2423 f. Verpachtung s. Pacht Verpackung 7.173 ff. – Bepfandung 7.191 – Eigentum 7.175 ff., 7.188 f. – Einheits- 7.187 ff. – Einweg- 7.174 1267

Stichwortverzeichnis

– fremde 7.178 – Insolvenz 7.180 – Mehrfach- 7.174 – Pfand 7.174, 7.181 – Rückgabeverpflichtung 7.195 ff. – Sortierfehler 7.179 Verschmelzung 2.531, 2.2623, 2.2626 Verschuldensvermutung 2.2202 Versicherung 4.399, 4.562 ff., 4.569, 4.858 ff., 5.76 ff. – Abschluss 4.536 – Diebstahl- 4.572 – Feuer- 4.572 – Inventar- 4.1010, 5.78 – Kapitallebens- 5.416 ff. – Kosten 4.368, 4.402 – Kredit- 4.404 – Lebens- 4.565 – Leitungswasser- 4.572 – Prämien 4.396 – Restschuld- 4.389, 4.573 – Renten- 4.831 – Risikolebens- 4.573 – Sach- 4.400, 4.570 – Sicherungsbestätigung 5.77 – Sicherungsschein 5.77 – sonstige 4.401 – Vertrag 4.1009 – Vollkasko- 4.571 – Zahlungsverzug 5.79 Versicherungspflicht 4.1010, 5.76 Verteilungsverfahren 5.140 Vertrag 2.32 f., 2.621, 2.1254, 2.2211 – Abschrift 4.715 – AGB- 2.6, 2.14 ff., 7.2 f. – Alleinvertriebs- 6.46 – Alt- 2.1256 – Änderungs- 2.9, 4.224 – Anpassung 6.35 – Anschluss- 2.415, 6.4 – Art 4.363 – Auflösung 6.4 1268

– Aufspaltung 2.1043 – außerhalb geschlossener Räume 2.1584 ff. – Ausgestaltung 4.363 – Bau- 2.1566 – Bestandteile 2.660, 2.1505, 2.1552 – Darlehen s. dort – Einzel- 1.75 f., 2.1514 – entgeltliche Leistung 5.192 ff. – Entwurf 4.341, 4.414 f., 4.427 ff. – Ergänzungen 1.186 f., 2.9 – Erstellungsprogramm 1.34 – Fernabsatz- 2.1585 – Folge- 2.1162 – formularmäßige Bestätigung 1.146 – gegenseitiger 4.6 – gemischter 1.54 ff., 2.1042, 2.1427, 2.1496, 2.1427, 2.1499, 2.1552, 4.581 – gerichtlich protokollierte 4.216 – Gesamtnichtigkeit 4.168, 4.637, 4.652 – Gesamtcharakter 2.33, 2.335, 2.1502 – getrennte 2.1428, 2.1428 – Gewerberaummiet- 7.108 – gleichartiger 1.137, 2.1804 – Hauptmerkmale 4.446 – Individual- 2.6, 6.1 ff. – individuell ausgehandelter 1.136 – Inhalt 4.474 ff., 4.496 ff., 7.38 – Konkurrenzlösung 7.34 – Knebelungs- 2.26 – Kündigung 4.553, 4.676 – langfristiger 2.1825 – Laufzeitverlängerung 6.9 – Leistung/Gegenleistung 1.5 – Lohnbrau- und Lohnabfüllungs7.3 – Neu- 2.1698

Stichwortverzeichnis

– Neugestaltung 2.381 – notariell beurkundeter 2.1249, 2.1560, 2.1689, 4.678 – Parteien 1.5, 4.995 – Raumsicherungs- 5.53 – Saison- 2.1163 – Schulabänderungs- 4.16, 4.19 – schuldrechtlicher 2.1564 – Sicherungs- 5.66 ff., 5.190 – Sortie- 7.3 – Teilaspekte 1.123 – unbefristeter 2.269, 2.329 – Unternehmer- 2.397, 2.513, 2.516 – verbundener 2.1177, 2.1217 – Verlängerungsoption 2.382 – Verwaltungs- 2.2374 – Vielzahl 1.93 ff. – vollständige Erfüllung 4.706 – Vor- 2.1099 – vorformulierter 1.81, 1.90, 1.93 – widerrufener 4.988, 4.1058 – wirksamer 4.627, 6.16 – Wohnraummiet- 7.107 – Zeit- 1.6, 2.409 – Zuliefer- 7.3 – zusammengesetzter 1.57 ff., 2.1177, 4.990 – Zweck 2.32 f., 2.198, 2.334, 4.1061 s. a. Automatenaufstellvertrag; Bierverlagsvertrag; Darlehensvertrag; Getränkelieferungsvertrag Vertragsabschluss 1.84, 1.94, 1.123, 2.155, 2.200, 2.226, 2.230, 4.476 ff. – Datum 2.439 – Form 2.652 – Umstände 2.43 – Zeitpunkt 1.84 – zweiter 1.144 Vertragsabschrift 4.663 Vertragsänderung 1.111, 2.1061, 2.1680, 4.481, 4.632, 4.635

Vertragsanpassung 4.472 Vertragsauslegung 2.460, 2.2181, 2.2359 – ergänzende 1.286, 1.328 ff., 2.260, 2.271, 2.285, 2.369 ff., 2.472, 2.567, 2.2368, 2.2384, 2.2435 Vertragsbedingungen 1.86, 1.123, 1.155, 4.557, 6.6 – Dreifachverwendung 1.95 f. – internes Rundschreiben 1.87 – Gesamtwürdigung 2.94 – Mehrverwendungsabsicht 1.95 – rechtliche Tragweite 1.123 – Tatsachenbestätigungen 1.88 – Textbaustein 1.90 – Vorformulierung 1.77, 1.90 ff., 1.94 Vertragsbeitritt 2.600 f., 2.608, 2.618, 2.690 ff., 2.1084, 2.2498, 2.2579, 4.49, 5.341 ff. Vertragsbruch 2.2135 ff. – Ausnutzung 2.2140 f. – Verleiten 2.2135 ff. Vertragsdauer 1.354, 2.256, 2.280 f., 2.325, 2.634, 2.1803 ff. – Länge 1.354, 2.356, 2.365, 2.371, 2.2515 – reguläre 2.2468 – Verkürzung 2.271 – vertraglich vorgesehene 2.2222, 2.2464 – zulässige 2.267 Vertragsentwurf 4.849 Vertragsfreiheit 1.257, 2.29, 2.712, 2.1388, 2.1403, 2.2456 – Einschränkung 2.19 – Grundsatz 2.29, 2.905, 5.268 – unzulässiger Eingriff 2.2233 Vertragsgegenstand 4.1019 Vertragsgestaltungsfreiheit 1.100 – Ausnutzung 1.108 Vertragshändler 6.48 f., 6.61 1269

Stichwortverzeichnis

Vertragslaufzeit 4.378 ff., 4.520 f. Vertragsmuster 1.152, 1.177 – selbständige Ergänzung 1.177 f., 1.181 f. – unselbständige Ergänzung 1.177 f. Vertragsnetz 2.1735, 2.1797, 2.1802, 2.1957 Vertragspartner 1.179, 1.277, 2.755, 2.1054, 4.70 – nahe Angehörige 4.71 – Stellung 2.1803 – Streitigkeiten 2.2358 – Unerfahrenheit 2.177 – verschiedene 1.98 Vertragspartnerschaft 2.1081 f., 2.1311, 2.1420, 4.49, 4.52 Vertragsschluss 4.227 ff., 4.282 ff., 4.685, 4.841 ff. Vertragsstrafe 1.179, 2.126 ff., 2.211, 2.722 ff., 2.732, 2.772 ff., 2.785 ff., 2.789 ff., 2.865 ff., 2.2120, 2.2231, 2.2271 ff., 2.2406, 2.2537, 6.13 – Absatzmeldepflicht 6.81 – Getränkebezug 2.773 – fehlende Konzession 3.181 – Formmangel 2.2273 – Fremdbezug 2.126, 2.773, 2.824, 2.2407, 6.13 – gestaffelte 3.135 – Höhe 2.2407 – Laufzeit 2.792 – Minderbezug 2.773 – Nichteinhaltung des Vertriebswegs 2.773 – Nichtweiterübertragung der Bezugsverpflichtung 2.773 – Pflichtverletzung 2.799 – Schadensersatz 2.808, 2.2408 – Verhältnismäßigkeit 2.818, 2.870 – Zuwiderhandlung 2.781, 2.784 1270

Vertragsstrafenklausel 2.567, 2.718, 2.779 ff., 2.785 ff., 2.793, 2.812, 2.815, 2.828, 2.833 f., 2.866, 2.2406, 3.122 ff. Vertragstreue 2.158, 2.354 – mangelnde 2.588, 2.2358 Vertragsübernahme 2.450 ff., 2.602 ff., 2.612 ff., 2.639 ff., 2.646 ff., 2.1546, 6.12 – Erwerb einer Absatzstätte 2.604 – Finanzierung 2.630 – Kontrahierungsformen 2.614 ff. – notarielle 2.651 – Verpflichtung 2.670 Vertragsübertragungsklausel 2.539, 2.544 f. Vertragsurkunde 4.588, 4.687 Vertragsverlängerungsklauseln s. Verlängerungsklauseln Vertragsverletzung 2.775 – positive 2.2247 – Schwere 2.795, 2.827 Vertragswirksamkeit 4.315 Vertragszins 4.66 ff., 4.99 ff., 4.184, 4.731, 4.778 – Schadensersatz 4.100 Vertretung 7.74 ff. – Handelsvertreter 7.75 – Prokurist 7.74 – organschaftliche Vertreter 7.74 – typisierte 7.75 – Versicherungsvertreter 7.75 s. a. Vollmacht Vertriebsvertrag 1.28 Verwertung 4.155, 6.104 – Inventar 4.110 – Sicherheiten 6.89, 6.102, 6.111 Verwertungsklausel 5.81 ff., 5.412 – -unwirksame 5.86 Verzugszins 4.185 Vollmacht 7.101 – Abgabe- 7.103 – Anscheins- 7.75

Stichwortverzeichnis

– Duldungs- 7.75 – Empfangsvollmacht 7.105 – Handlungs- 7.75 s. a. Vertretung Vollmachtsklausel 7.101 Vollständigkeitsklausel 7.83 ff. Vollstreckungsbeschränkung 4.104 Vollstreckungskosten 7.145 ff. Vollstreckungsunterwerfungsklausel 5.434 Vorfälligkeitsentschädigung 4.192, 4.321, 4.423 f., 4.800 Vorformulierung 1.81, 1.90, 1.157, 1.149, 1.157, 1.167, 1.173, 1.180 – Begriff 1.90 – Klausel 1.90 f., 1.149, 1.167 – selbständige Ergänzung 1.181 – Textbaustein 1.90 – vor Vertragsschluss 1.90 – Zeit 1.90

Warenlieferung

2.303, 4.271 – Darlehen 4.13 – konkludente Zustimmung 2.644 – regelmäßige 2.303 – Verrechnung 4.539 Wegfall der Geschäftsgrundlage 1.270, 2.905, 2.1517, 2.2209, 2.2321, 2.2345, 2.2360, 4.114, 4.179, 6.33 f. Weiterhaftungsklausel 2.589 Werkvertrag 2.513 Wertersatz 2.1324 ff., 2.1660, 4.714 Wertersatzpflicht 2.1659 Wettbewerb 2.125, 2.759, 2.1893, 2.2138, 2.2544 – aktueller 2.1724 – Einschränkung 2.1720 ff., 2.1730 – Finanzierungs- 2.135 – Freiheit 2.321 – harter 2.470 – inter-brand 2.1718

– intra-brand 2.1718 – Kernbeschränkung 2.1723, 2.1882 – Markt 2.1709, 2.1881, 2.1996 ff. – parallele Verträge 2.1770 – potentieller 2.1720 ff., 2.1734, 2.1875 – Parameter 2.1808 – Preis 2.483, 2.513, 2.522, 2.1800 – Verfälschung 2.1720 ff. – Vertragsbruch 2.2135, 2.2140 – Verzicht 2.288 Wettbewerbsbedingung 2.1796 ff. Wettbewerbsbehörde 2.1852 ff., 2.1869, 2.1921 ff., 2.1960 Wettbewerbsbeschränkung 2.1707 ff., 2.1723 f., 2.1730 ff., 2.1769 f., 2.1877, 2.2585 ff. – Abschottung 2.1742 – Auswirkungsprinzip 2.1741 – Bewirken 2.1790 f – Bezwecken 2.1730, 2.1789 – Bündeltheorie 2.1768 – Einigung 2.1723 – Gebietsschutz 2.1789 – gravierende 2.1876 – Klauseln 2.1924 – materielle 2.1736 – nationaler Markt 2.1867 – spürbare 2.1724, 2.1746 ff., 2.1778 f., 2.1949 ff., 2.1982 – Vereinbarung 2.1707 ff., 2.1731, 2.1780, 2.1936 ff. – vertikale 2.250, 2.1718, 2.1773, 2.1887 – Zweck 2.1789 Wettbewerbsrecht 2.2134 ff. – deutsches 2.1931 – einzelstaatliches 2.1921 – europäisches 2.1857 ff., 2.1929, 2.1933 f., 2.2584 – horizontale Vereinbarung 2.1878 1271

Stichwortverzeichnis

– Leitlinien 2.1846 – Prinzip der Doppelprüfung 2.1925 – Schutzzweck 2.1707 ff. – vertikale Vereinbarung 2.1878 – Vorrangprinzip 2.1927 Wettbewerbsverbot 2.307, 2.1705 ff., 2.1805, 2.1890 ff., 2.1907, 2.1910 ff., 2.1973 f., 6.52 – Umfang 2.1910 – Verlängerungsklausel 2.1911 ff. Wettbewerbsverstoß 2.2313, 2.1732 Wettbewerbswidrigkeit 2.2135, 2.2138, 2.2144 Widerruf 2.667 ff., 2.688 f., 2.692, 2.697, 2.1282 ff., 2.1411 ff., 2.1507, 2.1685 ff., 2.2433, 2.2523, 4.674 ff., 4.862 ff., 4.1038 ff., 5.196, 5.365 ff. – Absendung 2.1455 – Adressat 2.664, 2.677, 2.1423 f. – Ansprüche 4.708 ff. – Auslegung 2.1432 – Ausschluss 2.667 – Ausübung 2.1294 – Bezugsverpflichtung 2.1449, 2.1513, 4.581 – Berufungsinstanz 2.1485 – Datum des Poststempels 2.1655 – Direktgeschäft 2.1414 – Doppelwirkung 2.1417 – Empfangsbedürftigkeit 2.1445 – Empfangszuständigkeit 2.1368 – Erstverbindlichkeit 5.368 – Eventual- 2.1446 – Folgenbetrachtung 2.1450 – gesetzlich nicht vorgesehenes 2.1386 – Mahnbescheid 2.1441 – Kündigung 2.597 – mündlich zur Gerichtsprotokoll 2.1458 – Neuabschluss 2.668 – Nachweis 2.1457 1272

– Nichtigkeitsgrund 2.1417 – ohne Begründung 2.1364 – Rechtsfolgen 2.1310 ff., 4.612, 4.867, 4.1030 ff. – Privatautonomie 2.1388 – Rückgabe 2.1438 f. – Rückabwicklung 4.12 – Schriftformerfordernis 2.1025, 2.1028 – Schuldbeitritt 2.697 – Schuldübernahme 2.688 – Schutzzweck 2.1282 – sofortige Kündigung 2.1433 – Teilwiderruf 2.675, 2.1449 ff., 2.1453, 4.1041 – Umdeutung 2.1434 – Verbraucherkreditrecht 2.667, 2.688, 2.692, 2.697 – Vertragsbeitritt 2.692 – Vertragsfreiheit 2.1388 – Vertragsübernahme 2.667 – Vollmacht 2.1474 – Widerruf 2.1459 – Willenserklärung 4.621 – wirksamer 4.1055 – Zugang 2.1445 – Zwangsvollstreckung 2.1487 Widerrufsadressat 4.1044 Widerruflichkeit 2.127, 2.458, 2.1253 – dauerhafte 2.1008, 2.1028 Widerrufsbelehrung 1.164, 2.6, 2.618, 2.663 ff., 2.1224, 2.1245 ff., 2.1260, 2.1267, 2.1382 ff., 2.1626, 2.1629, 2.2431 ff., 2.2522, 5.195, 5.290 ff – Belehrungspflichtiger 2.2500 – Bindung 2.2431 – Doppelbelehrung 2.1306 – eigenformulierte 2.1261 ff., 2.1648 ff. – Empfangsbestätigung 2.1302 ff. – Entbehrlichkeit 2.1248

Stichwortverzeichnis

– Erforderlichkeit 2.1246 – Ergänzungen 2.1297 – fehlerhafte 2.132, 2.1253, 2.1257, 2.1334 – fehlende 2.1005, 2.1253 – Kontaktdaten 2.1654 – ladungsfähige Anschrift 2.1370 ff., 4.590 – Muster 2.1295, 2.1635 ff., 2.1643 – nachträgliche 2.1263 ff., 2.1402 – nicht geschuldete 2.1380 ff. – ordnungsgemäße (nicht) 2.698, 2.1005, 2.1224, 2.1245, 2.1261, 2.1447, 2.1465 – Transparenzgebot 2.1262 – Überschrift 2.1653 – Unklarheiten 2.1392 – unterschiedliche 2.1247 – Unwirksamkeit 4.282 – verständliche 2.1296 – widersprüchliche 2.1356 – Zeitpunkt 2.1347 Widerrufsberechtigung 2.688, 2.692, 2.1287 ff., 2.1420 ff., 4.680, 5.365 – Abtretung 2.1421 – Altschuldner 2.688 – Existenzgründer 2.692, 2.1288 – Gesamtschuldner 4.680 – Ich-Form 2.1289 – Neuschuldner 2.689 – Verbraucher 2.692, 2.1288 Widerrufsempfänger 2.1367 ff., 2.1643, 2.2501, 4.590, 4.1044 – benannte Dritte 2.1424 – Empfangszuständigkeit 2.1368 – ladungsfähige Anschrift 2.1370, 4.590 – Name 2.1369 – Postfachanschrift 2.1373 – Standort 2.1372 – Telefonnummer 2.1374, 2.1643

Widerrufserklärung 2.674, 2.1016, 2.1261, 2.1430 ff., 2.1442 ff., 2.1703 f., 4.681, 4.1043 – Absendung 2.1360 f. – Anfechtung 2.1435 – Auslegung 2.1435 – eindeutige 2.1432, 2.1437 – Form 2.1365, 2.1703 – Formular 2.1295, 2.1662, 2.1704 – Frist 2.1643 – Klageerwiderung 2.1443 – konkludente 2.1437 – Person des Erklärenden 2.1431 – telefonische 2.1643 – Textform 2.1339, 2.1342 – Übergabe Schriftsatz 2.1443 – Unterschrift 2.1456 – Zugang 2.1489 Widerrufserstreckung 2.681, 2.693, 2.699, 2.1180, 2.1328 ff., 2.1496 ff., 4.613 – gemischte Verträge 2.1498 ff. – verbundene Verträge 4.1045 – verbundenes Geschäft 2.1497 Widerrufsfolgen 2.1016, 2.1317, 2.1657 ff., 4.708, 5.196, 5.294 – Belehrung 2.1320 Widerrufsformular (Muster) 2.1295, 2.1662, 2.1704, 5.296 Widerrufsfrist 2.680, 2.1016, 2.1461 ff., 2.1331 ff., 2.1409, 2.1461 ff., 2.1486 f., 4.632, 4.634 ff., 4.683, 5.367 – 14-tägige 2.1332, 2.1461, 2.1473, 2.1461, 2.1473, 4.683 – „ab heute“ 2.1337 f. – Ablauf 2.672, 2.1320, 2.1327, 2.1492, 2.1494 ff. – Beginn 2.697, 2.1224, 2.1253 ff., 2.1262, 2.1300, 2.1334 ff., 2.1463 ff., 2.1469, 2.1627, 2.1643, 2.1696 f., 4.586 f., 4.617, 4.642, 4.684 ff., 4.862, 4.1042 1273

Stichwortverzeichnis

– Berechnung 2.1359, 2.1359 – Durchschrift 2.1343 – Ende 2.1470, 2.1697 – Neubeginn 4.664 – Neuvertrag 2.1698 – Nichtbeginn 2.662, 2.1479, 4.651 – rechtzeitige Absendung 2.1471 – Wahrung 2.1471 ff. – Zugang 2.1472 Widerrufsgegenstand 2.669, 2.1425 ff., 4.682, 4.1039 ff. – gemischte Verträge 2.1427 – Gesamtschuldnerschaft 2.1429 – getrennte Verträge 2.1428 – Übernahmeerklärung 2.669 Widerrufsinformation 1.164, 2.1280, 2.663 ff., 2.1014, 2.1273, 2.1321, 4.233, 4.579 ff., 4.860, 4.906 ff., 4.1024 ff., 5.364 – Beitretender 5.364 – Belehrungspflicht 4.1025 – Deutlichkeitsgebot 4.582, 4.607 – erweiterte 4.985 – fehlerhafte 4.703, 4.861 – Muster 2.1014, 2.1017, 4.860 – Pflichtangabe 4.581 – Sammelbelehrung 4.579 – Übernahme 2.669 s. a. Widerrufserstreckung, Widerrufsfrist Widerrufsrecht 2.1025 ff., 2.1334, 2.1411 ff., 2.1683, 2.1687 ff., 4.410 f., 4.546, 4.668, 4.914 ff., 4.1053 – Abtretung 2.1421 – Altschuldner 2.667 – Anfechtung 2.1417 f. – Ausschluss 2.1689 – Berufung 2.1485 ff. – Beitretender 2.673 – dauerhaftes 2.1005, 2.1008, 2.1255, 2.1320 1274

– Doppelung 2.1691 – Erlöschen 2.1473 ff., 2.1698 ff., 4.694, 5.297 f. – Gesamtrechtsnachfolge 2.1422 – gesetzliches 2.1389 ff., 2.1400 ff., 2.1408, 4.675 – Gestaltungsrecht 2.1490 – idealonkurrierende 2.1416 – isoliertes 2.1420 – Leistungsvorbehalt 2.1494 – Nichtbestehen 2.1310 – ordnungsgemäße Belehrung 2.1415 – Rechtspflicht 2.1630 – rechtsvernichtende Einwendung 2.1490 – Rückdatierung 2.1408 – Schutzzweck 2.1025 – schwebende Wirksamkeit 2.1485, 2.1491 – Überlegungsfrist 2.1025 – unbefristetes 2.1256 – vertragliches 2.1397, 2.1406, 2.1688, 2.1695 – Wahlrecht 2.1417 Widmung 5.18 – Dauerhaftigkeit 5.24 Wiederbeschaffungsklauseln 7.207 ff. Wiederkehrschuldverhältnis 1.51 ff. – Begriff 1.151 – Einordnung 1.152 Wirteanteil 3.1, 3.57, 3.63, 3.82 ff.

Zahlung

6.69 An- 4.747 Aus- 4.392, 4.397, 4.532, 4.537 Ausgleichs- 2.947 f. Auszahlung 2.1100, 4.52, 4.57, 4.392 ff. – Barauszahlung 4.656, 4.890, 4.900, 4.1017, 4.1020 – – – –

Stichwortverzeichnis

– Deckungsbeitragsausgleichs2.843, 2.848 – -fluss 4.961 – Modalitäten 4.374 – Nicht- 4.761 – nachgeholte 4.751 – Raten- 4.74 – Rück- 4.2, 4.41, 4.89 ff., 4.137 ff., 4.592, 4.693, 4.726, 4.868, 4.984, 6.25, 6.91, 6.99 ff. – Rückvergütungsvoraus- 4.28 – Teil- 4.34, 4.47, 4.384, 4.522 ff., 4.645, 4.770, 4.870 – Tilgungs- 4.713 – Vergütungsvoraus- 2.345 – vorzeitige Rück- 2.833 f. – Zins- 4.713, 6.107 Zahlungsaufschub 4.874 ff. – allgemeiner 4.874 – entgeltlicher 4.876 – Immobiliarbezug 4.875 Zahlungsbedingung 4.392, 4.532 Zahlungseingang, fristgerechter 4.751 Zahlungseinstellung 4.122 Zahlungsklage 2.1244, 2.2358, 4.734 Zahlungsschuldner 4.49 f. Zahlungsunfähigkeit 5.223 – bevorstehende 5.307 – drohende 4.122 Zahlungsverzug 2.2264, 2.2424 ff., 3.197, 4.131, 4.729 ff., 4.745, 4.927, 4.951, 5.79, 5.83, 5.119, 5.281, 5.370 – Folgen 4.451 ff. – Folgeprämien 5.79 – Kosten 4.458 – Kündigung 4.131, 4.171, 4.408, 4.555, 4.729 ff. – Rücktritt 4.916, 4.923 – Teilkündigung 4.146 ff. – Verfallklausel 4.170, 4.922 – Verzugszins 4.406 – wiederholter 4.130

Zeitschriftenabonnement 2.517 Zeitvertrag 2.409 Zession, stille 5.395 ff. Zielmengenvereinbarung 2.2146, 2.2216 Zinsabrede 4.184 Zinsanpassung 2.345, 2.979, 4.646, 4.666, 4.717 – Pacht 2.345 Zinsen 2.1524 ff., 4.42, 5.275 – Abzinsung 2.2038, 2.2227, 2.2269, 4.181 – dingliche 5.204 – effektiver Jahreszins 4.365 ff., 4.377, 4.513 ff., 4.665, 4.855, 4.1021 – kalkulatorische 2.2066 – marktübliche 2.1530 – Nachverzinsung 2.35, 2.211, 2.976 ff., 2.980, 4.29 – Pacht- 2.345, 2.779, 2.2176 – Tages- 4.595 – Vertrags- 4.66, 4.99, 4.184, 4.731, 4.778 – Verzugs- 2.2071, 4.102, 4.185, 4.405 f., 4.542 f., 5.327, 5.441 Zinsermäßigung 4.317 Zinsklauseln 1.280 Zinslast 4.237 Zinsreduktion 4.495 Zinssatz 2.141 ff., 2.234, 2.283, 2.349, 2.1913 – Soll- 4.376 ff., 4.518 f., 4.643, 4.722 ff., 4.856 – vereinbarter 4.711 – Verzugs- 4.639, 4.713 Zinsvergünstigungen 2.2029 Zinsvorteil 2.349, 4.101 Zinszahlung 2.1526, 2.2393, 4.713 Zubehör 5.7, 5.18, 5.30 – Schein- 5.24 – sonstige Gerätschaften 5.30 1275

Stichwortverzeichnis

Zubehörhaftungsverzichtserklärung 5.42, 5.139 Zusatzvereinbarungen 1.134 – formularmäßige 1.134 – unterzeichnete 1.134 Zuschuss 2.827, 2.830, 2.980, 2.2030, 2.2243, 4.40 ff., 4.114, 4.178 f. – abgeschriebener 2.346, 2.980 – Finanzierung 2.842, 2.976, 4.29 – Investitionen 2.978, 2.2151, 4.29 – verlorener 6.91 Zwangsversteigerung 5.136 ff., 5.155, 5.207 ff. – Anbietungsgarantie 5.209 f. – drohende 5.209

1276

– Grundstück 5.133 f. – Inventar 5.4 – -termin 5.139, 5.209 – Wartefrist 5.204 Zwangsverwaltung 5.138, 5.207 Zwangsvollstreckung 2.1487, 2.2133, 2.2142, 5.4, 5.123, 5.155 ff., 5.325 – Duldung 5.201 – Einzel- 5.417 – Gegenklage 5.160 – sofortige 5.163, 5.435, 5.442 – -unterwerfung 5.159, 5.435 – Verwertung 5.206 – Zubehör 5.131 ff. Zwischenstaatlichkeitsklausel 2.1724, 2.1738 ff.