Brandschutz
 9783955534349, 9783955534332

Table of contents :
Inhalt
Kapitel 01. Grundlagen
Kapitel 02. Planungsstrategien
Kapitel 03. Materialwahl
Kapitel 04. Bauen im Bestand
Kapitel 05. Projektbeispiele
Kapitel 06. Anhang

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Brandschutz Thilo A. Hoffmann

∂ Praxis

Autor Thilo A. Hoffmann, Dipl.-Ing. Architekt, M. Eng. Prüfsachverständiger für Brandschutz nach PrüfVBau, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für vorbeugenden Brandschutz mit Fachbeiträgen von: Arie Johannes Reimers, Dipl.-Ing. Architekt, M. Eng. Ferdinand Wirsching, M. Sc. Robert Gruschke, Dipl.-Ing. (FH) Architekt, M. Eng. Florian Mödl, Dipl.-Ing. (FH), M. Eng. Mitarbeiter: Dipl.-Ing. Christian Leis, Dipl.-Geogr. Alexander Rosner

Verlag Redaktion und Lektorat: Steffi Lenzen (Projektleitung), Sophie Karst, Eva Schönbrunner Redaktionelle Mitarbeit: Michaela Linder, Laura Oberhofer Zeichnungen: Ralph Donhauser, Irini Nomikou Korrektorat: Sandra Leitte, Valley City Cover gestaltet nach einem Konzept von Kai Meyer, München Herstellung / DTP: Simone Soesters Reproduktion: ludwig:media, Zell am See Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe

Ein Fachbuch aus der Redaktion ∂ DETAIL Business Information GmbH, München Messerschmittstr. 4, 80992 München www.detail.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks oder von Teilen dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. Dieses Fachbuch berücksichtigt die bei Redaktionsschluss gültigen Begriffe und den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Stand der Technik. Rechtliche Ansprüche können aus dem Inhalt dieses Buchs nicht abgeleitet werden. © 2018, erste Auflage ISBN: 978-3-95553-433-2 (Print) ISBN: 978-3-95553-434-9 (E-Book) ISBN: 978-3-95553-435-6 (Bundle)

Inhalt

5 9 12 13 19

25 26 28 29 34 35 40

45 45 46 49 49 52 61 65

Kapitel 01 Grundlagen Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland Bauordnungsrechtliche Schutzziele Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.) Kapitel 02 Planungsstrategien Brandschutzplanung / Brandschutzkonzepte und -nachweise, Leistungsbild Grundregeln beim Brandschutz im Entwurf – Wirkungsprinzipien Brandschutznachweis, Mustergliederung Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz) Konstruktive Besonderheiten – Details, Trennwandanschlüsse, Deckenanschlüsse, hinterlüftete Fassaden Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen) Kapitel 03 Materialwahl Brandverhalten von Baustoffen Baustoffklassen Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen Feuer- und /oder Rauchschutzabschlüsse Übersicht und Herleitung der europäischen Klassifizierungskriterien Bauteile und Elemente Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

89 90

Kapitel 04 Bauen im Bestand Rechtliche Grundlagen, »Bestandsschutz« Allgemeine Herangehens-/ Vorgehensweise Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz Bauliche und technische Nachrüstung / Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen Denkmalschutz und Denkmalpflege Aufstockung und Nachverdichtung

94

Kapitel 05 Projektbeispiele 10 Projektdokumentationen im Detail

71 73 76 80

125 126 126 126 128

Anhang Autoren Bildnachweis Dank Sachregister Sponsor

K APITE L

01 G RU N D L AG E N

Grundlagen Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland

Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland Das deutsche Brandschutzwesen stützt sich auf zwei Grundpfeiler (Abb. 2, S. 6): • den abwehrenden Brandschutz und • den vorbeugenden Brandschutz. Abwehrender Brandschutz

Fah rrad

Der abwehrende Brandschutz wird durch die Feuerwehren sichergestellt. Hierzu zählen die öffentlichen Feuerwehren (d. h. die derzeit 107 Berufsfeuerwehren und die ca. 23 000 Freiwilligen Feuerwehren) [1] sowie im industriellen/gewerblichen Bereich die privaten Feuerwehren (d. h. die nichtöffentlichen Feuerwehren wie Werk- und Betriebsfeuerwehren, die – je nach Konstellation – dem betrieblichen Brandschutz zugeordnet werden können). Im Rahmen der Gebäudeplanung zu bewerten sind die Feuerwehren im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit (wie beispielsweise die Tagesalarm-

sicherheit einer freiwilligen Feuerwehr) sowie deren Ausstattung (z. B. ob ein Hubrettungsgerät vorhanden ist oder nicht) und deren Hilfsfrist (z. B. bedingt durch die Lage des Bauvorhabens). Diese Parameter können einen wesentlichen Einfluss auf die jeweilige Planungsaufgabe haben. Beispielsweise wird dieselbe Aufgabenstellung einer Brandschutzplanung für ein Hotel • in einer Großstadt mit Berufsfeuerwehr, • in einer kleinen ländlichen Gemeinde mit freiwilliger Feuerwehr oder • in einer abgelegenen, gebirgigen Lage zu grundsätzlich abweichenden Lösungen führen, nur weil vorgenannte Parameter naturgemäß stark variieren. Dergleichen gilt für den angenommenen Neubau eines Büro- oder Wohngebäudes mit z. B. vier oder fünf Obergeschossen (also Gebäudeklasse 4 oder 5, kein Gebäude besonderer Art und Nutzung, d. h. kein »Sonderbau«, siehe »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz«, S. 13ff.). Im

12,00

16°

Ram pe

16 °

2,00 37°

TG

Wo hne n 102 EG m²

hrt ufa TG -Z

2,00

1,0 0

Ein Wo gang hne n

° 49 6,15

8 11,9

91

FW

-Zu

fah

rt

41°

5,0

0

1

5,0

0

1

Grundriss mit Darstellung der erforderlichen Flächen für die Feuerwehr, bauliche Rettungswege, Maßstab 1:500, Wohnanlage mit Kinderkrippe, steidle architekten

5

Grundlagen Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland

Brandschutz in Deutschland

vorbeugend betrieblich / organisatorisch

abwehrender Brandschutz

vorbeugend anlagentechnisch

vorbeugend baulich

vorbeugender Brandschutz

2 3

Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland Brandschutzplan, 4. Obergeschoss, Sanierung eines Bürogebäudes, RKW Architektur+ platzendes Sprinklerfass Brandschutzplan, Untergeschoss eines Multifunktionsgebäudes, Nickl & Partner Architekten AG

4 5

2

über baurechtliche Mindestanforderungen in entsprechenden Regelwerken (d. h. Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien, siehe »Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge«, S. 12f.) beschrieben. Zusätzlich können konzerninterne, versicherungs- und arbeitsrechtliche Anforderungen bestehen (Abb. 9, S. 11). Sie richten sich insofern direkt an die Planungsbeteiligten. Zu den wesentlichen Elementen des vorbeugenden baulichen Brandschutzes gehören u. a. • die Gliederung von Gebäuden in Brandabschnitte • die Festlegung von Feuerwiderstandsklassen und/oder Baustoffklassen an einzelne Gebäudeteile bzw. Bauteile oder Baustoffe • die Systematik der Anordnung der baulichen Rettungswege, sowie die zugehörigen Anforderungen an diese (Abb. 5)

Wirkbereich einer Feuerwehr, die über ein Hubrettungsgerät verfügt, ist die Sicherstellung des zweiten Rettungswegs über dieses Fahrzeug zulässig (Abb. 1, S. 5). Hält die zuständige Feuerwehr hingegen keine Drehleiter vor, sind in der Planung zwei bauliche Rettungswege je Nutzungseinheit vorzusehen, d. h. zwei Treppenräume (Abb. 3). Hieraus wird die Notwendigkeit einer frühzeitigen Abklärung der Belange des abwehrenden Brandschutzes ersichtlich. Vorbeugender Brandschutz

Der vorbeugende Brandschutz gliedert sich darüber hinaus in • den vorbeugenden baulichen Brandschutz • den vorbeugenden anlagentechnischen Brandschutz • den vorbeugenden betrieblichen /organisatorischen Brandschutz (Abb. 2) Baulicher und anlagentechnischer Brandschutz Der bauliche und der anlagentechnische Brandschutz werden im Wesentlichen

Als anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen gelten beispielsweise Brandmelde- und Alarmierungsanlagen,

35 m

T30 T30

RS

NE Typ B - Teileinheiten

T30-RS T30-RS

DS

T30-RS 1

RS T90

1

T30 T90

T1

DS

DS FST

FST

1

1 DS

T2

T30 T30 T90

1

RS

RS

T30-RS

T30-RS NE Typ B - Teileinheiten

T30 T30

35 m

3

6

Das Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein solcher Anlagen beeinflusst direkt die (verbleibenden) erforderlichen baulichen Brandschutzmaßnahmen. So ist z. B. die zulässige Fläche eines Brandabschnitts in einem Gebäude mit automatischer Löschanlage normalerweise größer als in einem Gebäude ohne eine solche Anlage. Nach Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVkVO) darf die Grundfläche der Brandabschnitte z. B. bei erdgeschossigen Verkaufsstätten ohne Sprinkleranlage nicht mehr als 3000 m2 betragen [2], wohingegen die Brandabschnitte desselben Gebäudes mit Sprinkleranlage jeweils bis zu 10 000 m2 groß sein dürfen. Das Wechselspiel der einzelnen Bausteine aus dem baulichen und anlagentechnischen Brandschutz untereinander ist somit direkt und wesentlich entwurfsbeeinflussend. Dies gilt sowohl für Neubaumaßnahmen als auch für Umbauten in Bestandsgebäuden. Tendenziell besteht bei der Auswahl der einzelnen Bausteine bei Neubauten ein größerer Gestaltungsspielraum, wohingegen sich bei Umbaumaßnahmen die Notwendigkeit etwaiger anlagentechnischer Brandschutzmaßnahmen bereits aus der Bestandsstruktur ergibt, insbesondere zur Kompensation von Abweichungen beim baulichen Brandschutz.

1

T90 T30-RS

DS

automatische Löschanlagen (auch als »Sprinkleranlage« bezeichnet, Abb. 4) oder auch mechanische Entrauchungsanlagen.

Betrieblicher /organisatorischer Brandschutz Der betriebliche bzw. organisatorische Brandschutz grenzt sich vom baulichen und anlagentechnischen Brandschutz etwas ab. Dieser wendet sich insbesondere an den Betreiber der jeweiligen

Grundlagen Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland

Fortluft RA2 TG2 Fortluft RA4 TG1 T30

15 m

VDS

SA

23m

VDS

RS

15m

D T30

T30

T30

SA

DIN

T30

VDS

T11

T30

T12

T30

T30

T30

T30

Brandwand

34m

a. 41

6m²

T30-RS

G30

T30 34 m

G30

NE c

LEGENDE

BSA 3 ca. 2.368m²

T30

4

35

m

< 200 Personen

T30

T30

Bauart Brandwand feuerbeständige Wand F90

T13 DIN

T30-RS

T30

VDS 4

T90

flächendeckende Rauchmelderüberwachung Bereich mit Sprinklerschutz

RS

2

T30

T09

T09

notwendige Treppe / Treppenraum notwendiger Flur

T90-RS

T90

T90-RS

26 m

freizuhaltender Gang Hauptgang 2 m breit T30-RS

Ladenstraße frei von Gegenständen Fort- und Außenluft feuerbeständige Decke/Dachdecke F90

RA = ca. 44,5m²

T90-RS im BSA3 EG BSA2

BSA3 im EG BSA2

RS

T30-RS RS

22m

T30-RS

² 40m a. 5

VK < 50 RA = 17m²

m 25

dichtschließender Abschluss vollwandig, dicht- u. selbstschließender Abschluss

T30-RS

r = 35m

Rauchschutz-Abschluss

VK < 50

35m r=

D VDS

RS

m² 365 ca.

RS

3

RS

VK c

T30-RS-Abschluss

T08

r = 25m

T90-RS-Abschluss

T30-RS

VK < 50 T07

NE

T90-RS

19m

T30-Abschluss

m

T30

VK < 50

RS

DIN

RS

43

T90

BSA 2 ca. 4.384m²

DIN

Maßgebend ist der Textteil des Nachweises T90-Abschluss

T30

23m

G30

Fahrschachttür DIN 18090-92 Rauchschutzvorhang G 30-Brandschutzverglasung

im BSA2 EG BSA1

27

m

T90

23m

DIN

r = 35m

Schlupftür T90

T06

r = 25

T30-RS

T90

T90

m

RS

VK c

a.

DIN T03

VK < 50

F90-Decke

3

bei Erstellung Wanddurchbruch Einbau T90-Tor

4

2. Rettungsweg über Fenster

SA

Schachtabschluss F 90-A

5m

m 35

2

T30-RS

r=

geschossübergreifender Schacht

D

VK < 50 VK < 100

Sichtverbindung kein Aufenthaltsraum nicht absperrbar 1

DIN

VK < 50 m 25

Signalgeber

D RS

r=

Steigleitung nass (Wandhydrant)

RS

RA = ca. 42,5 m²

Notleiter Steigleitung trocken, Entnahmestelle

T04

r=3

Fluchtrichtung /Ausgang (2. Rettungsweg)

BSA 1 ca. 3.961m²

Fluchtrichtung /Ausgang

BSA2 im BSA1 EG

VK < 100

1.0

m

36

25



r=

Fehlflächen bei Fluchtwegradien

RA = ca. 36 m²

Rauchableitung (RA) Verlauf Rettungsweg Rettungsweglänge, -radius

RS

RS

T30-RS VK < 50 RS T30-RS

T01 RS

T30-RS

RS

RS

T90 T02

5

7

Grundlagen Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland

6 7

Beispiel für ein Räumungskonzept Brandwand als Gebäudeabschlusswand, 30 cm über Dach geführt Bereich

baulichen Anlage sowie an die dort Beschäftigten. Dazu gehören beispielsweise betriebliche Regelungen zum Brandschutz (z. B. definiert in einer Brandschutzordnung), die Einweisung von Personal in den Umgang mit Feuerlöschgeräten zur Erstbrandbekämpfung, das Erarbeiten eines Räumungskonzepts sowie die Durchführung von Räumungsübungen oder auch das Vorhandensein eines Brandschutzbeauftragten im Bedarfsfall (Abb. 6). Baurechtliche Vorgaben hierzu enthalten z. B. Betriebsvorschriften einzelner Sonderbauverordnungen (siehe »Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge«, S. 12f.).

M1

Räumung im Brandfall Sall IV-VII+Umgang

Tür schließen

A1

VI

M1

Tor schließen

V

VII A2

IV

M2

sobald Blickkontakt mit M3 Rundgang fortsetzen

1 2 3

Allgemein betrachtet sind diese betrieblichen bzw. organisatorischen Maßnahmen also weniger entwurfsbeeinflussend. Nichtsdestotrotz gehören auch diese Aspekte – zumindest im koordinierenden Sinne – zur Planung. Und die nicht rechtzeitige Umsetzung von betrieblichen Brandschutzmaßnahmen aus einem Baugenehmigungsbescheid könnte beispielsweise zu Schwierigkeiten bei der Inbetriebnahme des Gebäudes führen. Vorbeugende organisatorische Brandschutzmaßnahmen, die rechtlich den Gemeinden bzw. den Ländern zugeordnet sind (wie z. B. die Durchführung von Feuerbeschauen, Brandsicherheits- oder Brandverhütungsschauen) werden hier nur der Vollständigkeit halber angeführt. Da diese jedoch nicht an den eigentlichen Planungsprozess gekoppelt sind, erfolgt keine weitere Vertiefung. Jegliche Planung sollte diese Eckpfeiler derart in Einklang bringen, dass ein stimmiges Gesamtkonstrukt entsteht. Nur unter Berücksichtigung aller ineinandergreifenden Aspekte kann ein funktionierendes, wirtschaftliches und nachhaltiges Gesamtkonzept entstehen. Einer klaren und einfachen Konzeption gilt der Vorzug. 8

Rundgang wie bei Schließung

M3

M1 M2 M3

Standort Mitarbeiter 1 Standort Mitarbeiter 2 Standort Mitarbeiter 3

M1

Laufstrecke Sammelstelle

Räumung im Brandfall

M1

Räumung im Brandfall ABLAUF

GRUNDSÄTZE Eigenschutz geht vor Hilfeleistung Rauch meiden, stets auf gefahrenlosen Rückzugsweg achten! Panik verhindern Durch überlegtes, bestimmtes Handeln beruhigend wirken. Klare Anweisungen Verweisen Sie die Personen auf die gekennzeichneten Rettungswege! Fordern Sie diese auf, das Gebäude geordnet zu verlassen und den Sammelplatz aufzusuchen. Beim Verlassen der Räume Türen / Tore schließen Einfache Aufgaben an Anwesende delegieren z.B. zur Unterstützung von Besuchern mit Behinderung Sollte der vorgegebene, gekennzeichnete Fluchtweg gefährdet oder abgeschnitten sein Alternativen Fluchtweg nutzen. Es ist keinesfalls zu versuchen, durch verrauchte Bereiche zu flüchten! Jede begonnene Beräumung bis zu Ende durchführen Auch bei abgebrochener Räumungsdurchsage wird die Räumung abgeschlossen.

6

Auf M3 warten, dann Rundgang fortsetzen

Umgang

Alarmierung Bei Auslösen eines Melders der BMA ertönt im gesamten Ausstellungsbereich die automatische Durchsage: »Technik 1000« Der gemeldete Bereich wird über Funk durchgegeben. Beziehen des Postens nach Auslösung Räumungsalarm. Räumung Unterstützung bei der Gebäuderäumung im umseitig beschriebenen Bereich. Absuchen dieses Bereichs und beräumen. Besucher nutzen den nächstgelegenen Ausgang. Meldung an die Oberaufsicht, dass der geräumte Bereich »frei von Personen« ist. Alle Türen schließen, nicht absperren! Vor Schließen der Schiebetore vergewissern, dass sich niemand mehr in diesem Bereich aufhält! Kommunikation erfolgt über Funk Einsatzende Das beräumte Gebäude darf erst wieder nach Freigabe durch die Oberaufsicht oder durch die verantwortliche Person bzw. die Feuerwehr freigegeben werden.

Grundlagen Bauordnungsrechtliche Schutzziele

§ 14 MBO: »Bauliche Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass der Entstehung eines Brandes und der Ausbreitung von Feuer und Rauch (Brandausbreitung) vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.«

Bauordnungsrechtliche Schutzziele

chen sowie der Verwendung von offenem Feuer in Verkaufsstätten nach MusterVerkaufsstättenverordnung [4], aber auch die allgemeinen Anforderungen aus der MBO, wonach sogenannte Grundanforderungen an Gebäude gestellt werden [5]. Die Technischen Baubestimmungen nach § 85a MBO präzisieren diese Grundanforderungen. Durch die Einhaltung dieser Technischen Baubestimmungen wird (je nach Bestimmung) indirekt auch einer Brandentstehung vorgebeugt, wie z. B. durch die Anforderungen der Muster-Feuerungsverordnung (MFeuV).

Nachfolgende vier brandschutztechnische Schutzziele werden als abgeschlossenes Standardbrandschutzkonzept durch die Musterbauordnung (MBO) an jedes Gebäude/jede bauliche Anlage als bauordnungsrechtlicher und gesetzlicher Mindeststandard vorgegeben [3]: • der Entstehung eines Brands vorbeugen • der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorbeugen • die Rettung von Mensch und Tier ermöglichen • wirksame Löscharbeiten ermöglichen

Brandausbreitung vorbeugen

Sollte es gleichwohl zu einem Brand kommen – wovon gemäß der Rechtsprechung im Übrigen immer auszugehen ist [6] (siehe S. 10) –, soll sich das Schadensausmaß auf den Bereich des Brandausbruchs begrenzen, d. h. die Brandausbreitung soll eingeschränkt werden. Zur Realisierung dieses Schutzziels dient

Brandentstehung vorbeugen

Das originäre Ziel ist es, die Entstehung eines Brands so gut wie möglich zu verhindern. Hierzu dienen beispielhaft die betrieblichen Vorgaben in einzelnen Sonderbauvorschriften, z. B. das Verbot von Rau-

das sogenannte Abschottprinzip, d. h. an Trennwände werden z. B. je nach ihrer Funktion unterschiedliche Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer gestellt (siehe »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen«, S. 29ff.), z. B. an Wohnungstrennwände oder an Brandwände als innere Brandwände bzw. als Gebäudeabschlusswände (Abb. 7) [7]. Zusätzlich beschreiben die gesetzlichen Regelungen Mindestvorgaben an die Baustoffklasse einzelner Bauteile bzw. Baustoffe (siehe »Baustoffklassen«, S. 45f.), deren Materialeigenschaften dann ebenfalls einer Brandausbreitung vorbeugen. Rettung ermöglichen

Neben der Eindämmung der Brandausbreitung muss es den Nutzern – Mensch und Tier werden hierbei gleichgestellt – des Gebäudes möglich sein, sich im

7

9

Grundlagen Bauordnungsrechtliche Schutzziele

Auszug OVG Münster 10A 363/86: »Es entspricht der Lebenserfahrung, daß mit der Entstehung eines Brandes praktisch jederzeit gerechnet werden muß. Der Umstand, daß in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausbricht, beweist nicht, daß keine Gefahr besteht, sondern stellt für die Betroffenen einen Glücksfall dar, mit dessen Ende jederzeit gerechnet werden muß!«

Brandfall selbst zu retten (»Selbstrettung«) oder von der Feuerwehr gerettet zu werden (»Fremdrettung«; Abb. 8). Hierzu enthalten die gesetzlichen Regelungen Vorgaben für die Rettungswegstruktur zur Räumung von Gebäuden, d. h. an horizontale und vertikale Rettungswege. Neben der Beschreibung der erforderlichen Rettungswegsystematik (insbesondere Anzahl, Anordnung, Rettungsweglängen sowie ggf. -breiten) bestehen materielle Anforderungen an die zugehörigen Rettungswegkomponenten (Flure, Treppen, Treppenräume). Diese Belange der Rettung werden im Sprachgebrauch oft unter »Personenschutz« subsummiert und haben immer Vorrang vor denen des «Sachschutzes«. Die Räumung von Gebäuden kann nicht nur aufgrund eines Brands, sondern

8

10

auch aus anderen Gründen (Terrordrohung /-anschlag, Amoklauf, Wassereinbruch, Teileinsturz etc.) erforderlich werden. Gründe dieser Art sind im Weiteren nicht Gegenstand der vorliegenden Publikation. Wirksame Löscharbeiten ermöglichen

Das vierte Schutzziel gibt vor, wirksame Löscharbeiten zu ermöglichen. Wann im baurechtlichen Sinne noch von wirksamen Löscharbeiten gesprochen werden kann, zeigt eine Veröffentlichung der »Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO« aus dem Jahr 2008 [8]: »1. Das Bauordnungsrecht ermöglicht wirksame Löscharbeiten grundsätzlich dadurch, dass die Feuerwehr eine bauliche Anlage von der öffentlichen Verkehrsfläche aus ungehindert erreichen und die Rettungswege als Angriffswege

nutzen kann, durch die Standsicherheit im Brandfall für eine bestimmte Zeit, durch die Schaffung von Brandabschnitten und dadurch, dass ggf. Löschanlagen zur Verfügung stehen. 2. Das Bauordnungsrecht stellt keine Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Feuerwehr, geht aber von einer den örtlichen Verhältnissen entsprechend funktionsfähigen Feuerwehr aus. 3. Das Bauordnungsrecht lässt nur einen zeitlich eingeschränkten Feuerwehreinsatz innerhalb einer baulichen Anlage zu, der durch die vorgegebene Standsicherheit der Anlage im Brandfall bestimmt wird. 4. Müssen aufgrund der Brandentwicklung beim Eintreffen der Feuerwehr einzelne, brandschutztechnisch abgetrennte

Grundlagen Bauordnungsrechtliche Schutzziele

baurechtliche Anforderungen

konzerinterne Vorgaben

Planung

Bauvorhaben

versicherungsrechtliche Anforderungen

arbeitsrechtliche Anforderungen

normative Anforderungen

9

Räume, die Nutzungseinheit, der Brandabschnitt/Brandbekämpfungsabschnitt oder das Gebäude aufgegeben werden, können aber die benachbarten Räume / Nutzungseinheiten / Brandabschnitte / Brandbekämpfungsabschnitte /Gebäude durch den Feuerwehreinsatz geschützt werden, handelt es sich gleichwohl im bauordnungsrechtlichen Sinn um ›wirksame Löscharbeiten‹.« Den an der Planung Beteiligten muss bewusst sein, dass der durch vorgenannte Schutzziele definierte gesetzliche Mindeststandard stets ein gesellschaftlich toleriertes Restrisiko enthält. Dies betrifft insbesondere den Sachschutz aufgrund der vorstehenden Ausführungen zur Frage »wirksamer Löscharbeiten«, wonach selbst der Totalverlust eines Brandabschnitts oder eines Gebäudes noch als wirksame Löscharbeit zu bezeichnen wäre, wenn weitere Brandabschnitte oder Gebäude durch den Feuerwehreinsatz gehalten werden können. Dies erscheint insbesondere deshalb nachvollziehbar, da andernfalls wirtschaftliche Bauweisen kaum oder nur eingeschränkt möglich wären und es auch nicht Ziel des öffentlichen Bauordnungsrechts sein kann, dieses (private) Risiko durch gesetzliche Vorgaben darüber hinaus zu reduzieren. Versicherungsrechtliche Konzepte und konzerninterne Vorschriften auf privater Basis versuchen gelegentlich – je nach Art des Bauvorhabens – dieses verbleibende Restrisiko des baurechtlichen Mindeststandards zu reduzieren. Alleinig die Umsetzung der baurechlichen Mindeststandards würde in diesem Fal dann zu keiner konzerninternen bzw. versicherungsrechtlichen Akzeptanz führen. Daher geben Versicherungskonzerne zur Schadensreduzierung im Brandfall im Rahmen ihres Risikomanagements ggf. weitere Anforderungen an einzelne

Gebäude vor. Oder es sind konzerninterne Vorschriften in die Planung zu implementieren, die z. B. sogenannte Betriebsunterbrechungsrisiken reduzieren sollen. In diesen Fällen sind die tatsächlichen brandschutztechnischen Aufwendungen für das Vorhaben u. U. deutlich höher als sie sich allein aus den baurechtlichen Mindestanforderungen ergeben würden. Exemplarisch sei hier der Neubau eines Hotels genannt, der baurechtlich in der Regel ohne automatische Löschanlage zulässig ist [9]. Hotelbetreiber mit vorwiegend internationalem Kundenstamm könnten das Vorhandensein einer Sprinkleranlage aber konzernintern als Standard festgelegt haben. In diesem Fall müsste die Anlage in der Planung also trotzdem vorgesehen werden (Abb. 9). Mit den bauordnungsrechtlichen Mindeststandards ebenfalls nicht vollständig deckungsgleich sind die (Personen-) Schutzkonzepte, die sich aus dem Rechtsbereich des Arbeitsschutzes ergeben (als Basis dient hierbei insbesondere die Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV). Je nach Gefährdung für die Arbeitnehmer, die aus der konkreten Tätigkeit resultiert, können sich z. B. maximal zulässige Rettungsweglängen ergeben, die kürzer sind als nach MBO möglich. Die baurechtliche Brandschutzkonzeption unterstellt dabei jeweils ein Brandereignis im Gebäude, nicht aber den gleichzeitigen Brandausbruch an verschiedenen Stellen im Gebäude z. B. aufgrund von Brandstiftung. Ereignisse dieser Art können die baurechtlichen Mindeststandards nicht abgedecken. Dergleichen gilt z. B. für Folgebrände, die sich aus Terroranschlägen oder vergleichbaren Ereignissen ergeben. Insofern sind diese auch nicht Gegenstand der weiteren Betrachtung.

8 9

Personenrettung mithilfe einer Drehleiter Einwirkungen auf Bauvorhaben (Baurecht, Arbeitsstättenrecht, Versicherungen, konzerninterne Vorgaben)

11

Grundlage Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge

Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge Der Brandschutz ist einer der Bestandteile des Bauordnungsrechts. Das Bauordnungsrecht wiederum ist neben dem Bauplanungsrecht ein Teilbereich des öffentlichen Baurechts. Das Bauordnungsrecht stellt Anforderungen an Gebäude und bauliche Anlagen. Dabei stehen Sicherheitsaspekte wie der Brandschutz im Vordergrund. Bezüglich der zu realisierenden Schutzziele siehe »Bauordnungsrechtliche Schutzziele« (S. 9ff.). Das Bauordnungsrecht definiert darüber hinaus die Aufgaben der am Bau Beteiligten und der Baurechtsbehörden. Ferner werden auch die Regelungen für die Verfahren bestimmt, die bei der Errichtung der baulichen Anlagen – hier im Wesentlichen Gebäude – gelten und

die Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden geregelt und festgelegt, welche Sanktionen zur Anwendung kommen können, wenn ein Bauvorhaben planabweichend oder unter Missachtung anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften ausgeführt wird. Das öffentliche Baurecht fällt in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer und ist damit Landesrecht (Gesetzgebungskompetenz). Die grundsätzliche Struktur ist jedoch in den meisten Bundesländern vergleichbar: Das Bauordnungsrecht wird in der jeweiligen Landesbauordnung und den hierauf basierenden Folgeverordnungen (z. B. den entsprechenden Sonderbauverordnungen bzw. allgemeinen Rechtsverordnungen) geregelt (Abb. 10). Aus der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer ergibt sich für den Pla-

europäisches Recht

Ko n

Stufe 4: Gesetze Landesbauordnung

Stufe 3: (Sonderbau-)Verordnungen z. B. VersammlungsstättenVO, VerkaufstättenVO

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Stufe 5: Grundgesetz

Stufe 2: Technische Regeln (Baubestimmungen), Richtlinien z. B. Leitungsanlagenrichtlinie, Lüftungsanlagenrichtlinie Verfahrensvorschriften

Stufe 1: Normen, Stand der Technik, anerkannte Regeln der Technik 10

12

nungsalltag, dass baurechtliche Vorgaben von Bundesland zu Bundesland (mehr oder weniger) differieren bzw. abweichend vollzogen werden können. So weicht exemplarisch die vorgeschriebene Mindestgröße von Fenstern, die als zweite Rettungswege dienen, in den Bauordnungen von Bayern und Hessen wesentlich voneinander ab. Während in Bayern 0,60 ≈ 1,00 m ausreichend sind, werden in Hessen 0,90 ≈ 1,20 m gefordert [10]. Da die Unterschiede oftmals aber nur Feinheiten oder Auslegungen betreffen, sind mit bundeslandübergreifenden Planungen häufig Schwierigkeiten verbunden und bergen das Risiko von Planungsfehlern. Dieser systemimmanenten Problematik hat sich die Bauministerkonferenz angenommen [11]. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, für einheitliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Länder, u. a. im Bereich des Bauwesens, sowie für deren einheitlichen Vollzug zu sorgen. Die Bauministerkonferenz stimmt sich hierzu z. B. über die Musterbauordnung (MBO) ab, welche die Grundlage für die Landesbauordnungen darstellt (die in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen). Neben der Musterbauordnung (die erste Fassung wurde 1959 verabschiedet) erarbeitet und publiziert die Bauministerkonferenz weitere Mustervorschriften und Mustererlasse, die den Bundesländern zur Übernahme in Landesrecht zur Verfügung gestellt werden, wie z. B. die Muster-Feuerungsverordnung (MFeuV) oder die Muster-Beherbergungsstättenverordnung (MBeVO). Im Sinne allgemeingültiger Regelungen wird in der vorliegenden Publikation daher jeweils auf die Musterbauordnung sowie die weiteren Mustervorschriften Bezug genommen, nicht aber

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

10 Pyramide des deutschen Rechtssystems 11 Gebäudeklassen nach MBO § 2 (3) 12 Gebäudeklasse anhand von fünf Gebäudeschnitten

läuft der Gültigkeitsdauer entgegen, d. h. er nimmt von oben nach unten sukzessive zu. So wird beispielsweise in einer Sonderbauvorschrift aus Stufe 3 die Notwendigkeit einer sicherheitstechnischen Einrichtung baurechtlich vorgegeben (z. B. Brandmeldeanlage). Eine technische Beschreibung oder gar Detaillierung, wie diese sicherheitstechnische Einrichtung konkret ausgeführt bzw. geplant werden soll, ist nicht Gegenstand der gesetzlichen Regelung. Diese finden sich in entsprechenden normativen Regelungen der Stufe 1, z. B. DIN-Normen [14]. Neben den zuvor genannten nationalen Regelungen wirken seit geraumer Zeit auch europäische Gesetze, Verordnungen und Normen auf den Brandschutz in Deutschland ein (siehe »Bautechnische Grundlagen«, S. 19ff.). Kriterium 2

Höhe 1)

max. 7 m

max. 7 m

Anzahl der Nutzungseinheiten

max. 2 Nutzungseinheiten

max. 2 Nutzungseinheiten

Größe der Nutzungseinheiten 1)

max. insgesamt 400 m2 GesamtBruttogrundfläche nach DIN 277 (in Summe, ohne KG)

max. insgesamt 400 m2 GesamtBruttogrundfläche nach DIN 277 (in Summe, ohne KG)

Bemerkung

frei stehend oder land-, forstwirtschaftlich genutzt

1)

Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz Nachfolgend werden die wesentlichen Begriffe und Definitionen für den Brandschutz erläuternd dargestellt. Gebäudeklassen

Der Grundsatz der Musterbauordnung basiert auf einem abgestuften, risikoorientierten Anforderungskatalog, der auf die Größe und Komplexität der einzelnen Vorhaben Bezug nimmt. Er leitet sich aus der Höhe der Gebäude, der Größe und Anzahl der enthaltenen Nutzungseinheiten sowie den Kriterien »frei stehend« und »unterirdisch« ab. Hierzu definiert die MBO fünf Gebäudeklassen (1 – 5). Die Einordnung in die

Gebäudeklasse (GK) 3 4

1

max. 7 m

5

max. 13 m

max. 400 m2 je NE

alle Übrigen, auch unterirdische Gebäude

Höhen, Flächen (Definition): • Höhe ist das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel. • Bei der Berechnung der Flächen bleiben die Flächen im Kellergeschoss außer Betracht.

11 Gebäudeklasse (GK) unbegrenzte NE, OKF ≤ 7 m

unbegrenzte NE mit jeweils max. 400 m2, OKF ≤ 13 m

5

7 m < h ≤ 22 m

4

2 NE mit insg. max. 400 m2, OKF ≤ 7 m

7 m < h ≤ 13 m

3

2 NE mit insg. max. 400 m2, OKF ≤ 7 m

h≤7m

2

h≤7m

1

h ≤ 7m

auf die jeweilige Landesregelung. Wie die Pyramidendarstellung in Abb. 10 zeigt, nimmt die gesetzliche Verbindlichkeit der deutschen Regelungen von unten nach oben – d. h. mit den anerkannten Regeln der Technik beginnend (Stufe 1) und beim Grundgesetz (Stufe 5) endend – stetig zu. Während die Einhaltung der Anforderungen aus den Landesbauordnungen (in Stufe 4 mit Gesetzescharakter) und der hierauf basierenden Sonderbauverordnungen der Stufe 3 absolut verbindlich ist – allenfalls im Einzelfall kommt das Instrumentarium der »Abweichung« bzw. »Erleichterung« auf formalen Antrag nach § 67 MBO in Betracht [12] (siehe »Abweichungen«, S. 16f.) –, ist die Umsetzung der normativen Regelungen der Stufe 1 baurechtlich nicht vorgeschrieben. Nur zivil-/privatrechtliche Regelungen z. B. aus dem Werkvertragsrecht bleiben hiervon unberührt. Anders die Technischen Regeln /Technischen Baubestimmungen der Stufe 2, die z. T. auch Normen sind. Deren Regelungen sind zunächst verbindlich. Um diese technischen Regelungen jedoch nicht vor baufortschrittlichen Änderungen und Optimierungen zu verschließen, bietet die MBO für diese ein formloses Abweichungsverfahren auf dem »Gleichwertigkeitsprinzip« [13]. Danach kann von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden. Hierzu ist dann in der Regel kein Abweichungsverfahren nach § 67 MBO erforderlich. Die Gültigkeitsdauer der Dokumente der Stufen 1 bis 5 nimmt ebenfalls von unten nach oben zu, Normen der Stufe 1 unterliegen in der Regel kürzeren Überarbeitungsphasen als eine Landesbauordnung aus Stufe 4. Der Konkretisierungsgrad

12

13

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

Gebäudeklassen erfolgt nutzungsneutral (ausgenommen hiervon sind die landund forstwirtschaftlich genutzten Gebäude, die frei stehend grundsätzlich in Klasse 1 fallen). Jedes Gebäude/jede bauliche Anlage ist einer Gebäudeklasse zuzuordnen – und zwar zunächst unabhängig von einer eventuellen Einstufung des Gebäudes als Sonderbau (Abb. 11 und 12, S. 13).

spielsweise einem nachträglichen Dachgeschossausbau zu Aufenthaltszwecken vorgreifen, der ansonsten u. U. eine nachträgliche Änderung der Gebäudeklasse mit sich bringen würde. Den neben der »Höhe« für die Einstufung wesentlichen Begriff der »Nutzungseinheit« definiert die Musterbauordnung nicht abschließend. Im Allgemeinen ist hiermit eine baulich abgegrenzte Folge von Räumen gemeint, die auch eine betriebliche bzw. organisatorische Einheit bilden. Als Beispiel kann hier ein Schulgebäude dienen, das im Sinne der Gebäudeklasseneinstufung eine betriebliche und organisatorische Einheit und somit eine Nutzungseinheit darstellt, auch wenn – zur Vermeidung von notwendigen Fluren – »virtuelle« Nutzungseinheiten bzw. Teilnutzungseinheiten gebildet werden [16]. Insofern wird ein Schulgebäude, dessen Grundfläche meist mehr als 400 m2 beträgt, in der Regel in die Gebäude-

Die relevante Höhe zur Einstufung in die jeweilige Gebäudeklasse definiert sich nach MBO als »das Maß der Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist, über der Geländeoberfläche im Mittel« [15]. Die Begrifflichkeit »[…] in dem ein Aufenthaltsraum möglich ist«, grenzt sich dabei bewusst von der Tatsache ab, ob momentan ein Aufenthaltsraum vorgesehen bzw. geplant wird. Vielmehr genügt das faktische Vorhandensein der Möglichkeit. Hiermit möchte der Gesetzgeber bei-

22 m

30 m T30-RS

T30-RS

D

RS

37 m

T30-RS 24 m

RS

57 m D D

30 m

D D

T30-RS T30-RS

T30-RS

VDS

T90

D

D

T30-RS D

31 m

T30-RS

D

27 m

20 m T30-RS

24 m

T30-RS

T30-RS 22 m

T30-RS

D D

T30-RS T30-RS

VDS

G30

RS D T30-RS 22 m

13

14

D

klasse 3 oder 5 (je nach Höhe) einzustufen sein (Abb. 13). Dass die fehlende abschließende Definition des Begriffs der »Nutzungseinheit« auch formal problematisch sein kann, zeigt nachfolgendes Beispiel. Ein Bürogebäude der Gebäudeklasse 4 besteht aus einzelnen Nutzungseinheiten, deren Grundfläche jeweils maximal 400 m2 beträgt. Diese Einheiten werden von unterschiedlichen Mietern genutzt, sind also jeweils betrieblich und organisatorisch selbstständige Einheiten, sodass die Einstufung zutreffend ist. Nun wird das Gebäude an einen »Großmieter« vermietet, sodass formal nun das gesamte Gebäude eine betrieblich und organisatorisch zusammenhängende Einheit bildet. Die Grundfläche dieser Nutzungseinheit beträgt dann mehr als 400 m², sodass sich eine Einstufung in die Gebäudeklasse 5 ergäbe. In der Konsequenz führt dieser Mieterwechsel dazu, dass das bestehende Gebäude formal nicht mehr die brandschutztechnischen Anforderungen erfüllt, die sich aus der aktuellen Gebäudeklasse ergeben. Naturgemäß wird sich das brandschutztechnische Risiko allein durch den Unterschied hinsichtlich der Vermietung aber nicht ändern. Im Einzelfall wäre nun zu prüfen, ob der Umstand mit einer Abweichung zu »heilen« wäre. In jedem Fall entsteht aus einem eigentlich genehmigungsfreien Vorgang nun ein genehmigungspflichtiger Tatbestand (Abb. 14). Eine höhere »Komplexität« des Bauvorhabens – ausgedrückt durch eine höhere Gebäudeklasse – führt zu höheren materiellen Anforderungen an den Brandschutz (insbesondere an Wände, Decken, Dächer, Rettungswege). Exemplarisch zeigt Abb. 15 die Anforderung an tragende und aussteifende Wände und Stützen nach MBO.

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

GK 4

GK 5 Mieter A

13 Brandschutzplan mit Nutzungseinheiten eines Schulgebäudes, Felix+Jonas Architekten 14 Beispiel Änderung der Gebäudeklasse wegen Mieterwechsel 15 Mindestanforderung nach § 27 (3) MBO 16 systematische Zuordnung der Rechtsgrundlagen nach Gebäudeklasse und Sonderbaukriterium 14

Je nach Bundesland ergeben sich in Abhängigkeit von der Gebäudeklasse auch Verfahrensänderungen. So ist der Brandschutz bei Standardbauten in Bayern beispielsweise nur bei Gebäuden der Gebäudeklasse 5 sowie bei Mittel- und Großgaragen prüfpflichtig (Vier-Augenprinzip), bei den Klassen 1– 4 dagegen nicht.

B

C

D

E

F

G

H

≤ 13 m

≤ 13 m

GOK

jeweils ≤ 400 m2

aber

jeweils ≤ 400 m2

Bauteile

gesamt Mieter A > 400 m2

Mindestanforderung 1

2

Gebäudeklasse (GK) 3 4

5

§ 27

tragende und aussteifende Wände und Stützen

Abs. 1

tragende und aussteifende Wände und Stützen

keine Anforderungen

feuerhemmend (30 Min)

feuerhemmend (30 Min)

hochfeuerhemmend (60 Min)

feuerbeständig (90 Min)

Abs. 1

im Dachgeschoss, wenn darüber noch Aufenthaltsräume sind

keine Anforderungen

feuerhemmend (30 Min)

feuerhemmend (30 Min)

hochfeuerhemmend (60 Min)

feuerbeständig (90 Min)

Abs. 1

in der obersten Dachgeschossebene, über der keine weiteren Aufenthaltsräume möglich sind (§ 29 Abs. 4 bleibt unberührt)

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

Abs. 1

Balkone, ausgenommen offene Gänge, die als notwendige Flure dienen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

keine Anforderungen

Abs. 2

im Kellergeschoss

feuerhemmend (30 Min)

feuerhemmend (30 Min)

feuerbeständig (90 Min)

feuerbeständig (90 Min)

feuerbeständig (90 Min)

Standardbauten /Sonderbauten

Neben dem Kriterium der Gebäudeklasse, in die jedes Gebäude eingeordnet wird, kann ein Gebäude zusätzlich einen »Sonderbautatbestand« erfüllen. Die Einstufung des Gebäudes in die jeweilige Gebäudeklasse bleibt hiervon unberührt. Sonderbauten sind nach MBO Gebäude /bauliche Anlagen bzw. auch nur einzelne Räume »besonderer Art oder Nutzung«. Alle anderen Gebäude werden sinngemäß als »Standardbauten« bezeichnet [17]. Die Frage, ob ein Gebäude der Gebäudeklasse 3 z. B. auch einen Sonderbau darstellt, ist für den weiteren Planungsverlauf essenziell (Abb. 16 und 17). Für Standardbauten regelt die MBO abschließend alle Brandschutzanforderungen. Darüber hinausgehende brandschutztechnische Maßnahmen sind bauordnungsrechtlich nicht geboten, wenn die Planung des Standardbaus keine Abweichung im Sinne § 67 MBO (siehe »Abweichungen«, S. 16f.) enthält. Für Sonderbauten hingegen gelten in der Regel Anforderungen, die über die Vorgaben der MBO an Standardbauten hinausgehen. Diese ergeben sich • für geregelte Sonderbauten aus den »Sonderbauverordnungen«, wie z. B. der Muster-Versammlungsstättenverordnung, der Muster-Verkaufsstättenverordnung oder der Muster-Beherbergungsstättenverordnung

Mieter A

15

Projekt / Bauvorhaben

§ 2 (3) MBO Gebäudeklasse (GKXi mit i = 1– 5) 1

2

3

4

5

§ 2 (4) MBO Sonderbautatbestand erfüllt

ja

GKXi, Sonderbau

nein

MBO für GKXi

geregelter Sonderbau

ja

16

Sonderbauverordnung zzgl. MBO für GKXi

nein MBO für GKXi zzgl. Anforderungen im Einzelfall

15

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

17 Auszug aus § 2 (4) MBO

• Für nicht geregelte Sonderbauten sind die Brandschutzanforderungen im Einzelfall im Rahmen des Brandschutzkonzepts/Brandschutznachweises festzulegen. Darüber hinaus beinhaltet die Unterscheidung in Standard- und Sonderbau auch verfahrensrechtliche Konsequenzen. So wird das »eigentliche« Baugenehmigungsverfahren nach § 64 MBO normalerweise erst bei Sonderbauten erforder-

lich (hier gibt es landesrechtliche Unterschiede). Ferner sind nach § 51 MBO bei Sonderbauten im Einzelfall auch »Erleichterungen« statthaft, die den Brandschutz betreffen können. Die Musterbauordnung listet die einzelnen Sonderbaukriterien konkret auf [18] (Abb. 17). Allerdings werden zunächst zwar 19 Einstufungsmerkmale benannt, als »Auffangtatbestand« dient jedoch das recht allumfassend formulierte 20. »Merkmal«. Denn hierunter fallen dann sämtli-

Sonderbauten sind Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung, die einen der nachfolgenden Tatbestände erfüllen: 1. Hochhäuser (Gebäude mit einer Höhe nach Absatz 3 Satz 2 von mehr als 22 m), 2. bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m, 3. Gebäude mit mehr als 1600 m2 Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen, 4. Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von insgesamt mehr als 800 m2 haben, 5. Gebäude mit Räumen, die einer Büro- oder Verwaltungsnutzung dienen und einzeln eine Grundfläche von mehr als 400 m2 haben, 6. Gebäude mit Räumen, die einzeln für die Nutzung durch mehr als 100 Personen bestimmt sind, 7. Versammlungsstätten a) mit Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben, b) im Freien mit Szenenflächen sowie Freisportanlagen jeweils mit Tribünen, die keine Fliegenden Bauten sind und insgesamt mehr als 1000 Besucher fassen, 8. Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 40 Gastplätzen in Gebäuden oder mehr als 1000 Gastplätzen im Freien, Beherbergungsstätten mit mehr als 12 Betten und Spielhallen mit mehr als 150 m2 Grundfläche, 9. Gebäude mit Nutzungseinheiten zum Zwecke der Pflege oder Betreuung von Personen mit Pflegebedürftigkeit oder Behinderung, deren Selbstrettungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn die Nutzungseinheiten a) einzeln für mehr als 6 Personen oder b) für Personen mit Intensivpflegebedarf bestimmt sind oder c) einen gemeinsamen Rettungsweg haben und für insgesamt mehr als 12 Personen bestimmt sind, 10. Krankenhäuser, 11. sonstige Einrichtungen zur Unterbringung von Personen sowie Wohnheime, 12. Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung und alte Menschen, ausgenommen Tageseinrichtungen einschließlich Tagespflege für nicht mehr als 10 Kinder, 13. Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen, 14. Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug, 15. Camping- und Wochenendplätze, 16. Freizeit- und Vergnügungsparks, 17. Fliegende Bauten, soweit sie einer Ausführungsgenehmigung bedürfen, 18. Regallager mit einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 7,50 m, 19. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist, 20. Anlagen und Räume, die in den Nummern 1 bis 19 nicht aufgeführt und deren Art oder Nutzung mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind. 17

16

che Gebäude, die in den Nummern 1 bis 19 nicht aufgeführt sind, deren Art oder Nutzung aber mit vergleichbaren Gefahren verbunden sind. Insofern kann die Aufzählung nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Abb. 17 zeigt, dass der Gesetzgeber bei einzelnen Sonderbautatbeständen bewusst differenziert, ob ein Gebäude oder Raum für eine gewisse Nutzung bzw. Anzahl an Personen »bestimmt«, also bereits in der Planung in dieser Hinsicht konkret definiert ist, oder ob nur die abstrakte Möglichkeit einer solchen Nutzung bzw. Anzahl von Personen besteht. So wäre das Sonderbaukriterium nach Ziffer 6 beispielsweise nur dann erfüllt, wenn der Raum tatsächlich für eine Nutzung mit mehr als 100 Personen geplant ist, nicht aber dann, wenn hierzu nur die Möglichkeit (z. B. aufgrund von dessen Größe) besteht. Anderes hingegen gilt für die Definition, wann der Sonderbautatbestand einer Versammlungsstätte nach Ziffer 7 gegeben ist. Hierbei zählt, ob diese Versammlungsstätten Räume aufweisen, die mehr als 200 Besucher »fassen«. Die Überprüfung, ob dies der Fall ist oder nicht, ergibt sich z. B. anhand des Bemessungsschlüssels aus der Muster-Versammlungsstättenverordnung [19]. Im Umkehrschluss ist es in diesem Fall also zunächst irrelevant, ob diese Räume planerisch tatsächlich für mehr als 200 Besucher »bestimmt« sind. Abweichungen

Nicht immer ist es möglich, sämtliche materiellen Anforderungen aus der jeweiligen Landesbauordnung und den hierauf basierenden Folgeverordnungen – wie z. B. den entsprechenden Sonderbauverordnungen – im Rahmen der Planung umzusetzen. Daher sieht die Musterbauordnung, wie bereits erwähnt, das Instrumentarium der

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

»Abweichung« nach § 67 MBO vor. Danach können Abweichungen zugelassen werden, wenn sie »unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen […] vereinbar sind« [20]. Ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Abweichung besteht natürlich nicht. Über die Zulässigkeit einer Abweichung befindet die Bauaufsichtsbehörde bzw. – je nach Bundesland – die Prüfsachverständigen bzw. Prüfingenieure für Brandschutz (siehe »Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz)«, S. 34ff.). Im Rahmen dieser Entscheidungsfindung wird insbesondere untersucht, ob die jeweilige Abweichung ohne weitere »Kompensationsmaßnahmen« zulässig ist und/ oder ob die geplante(n) Kompensationsmaßnahme(n) ausreichend bzw. zielführend sind. Dies sei an nachfolgendem, einfachen Beispiel erläutert: Nach MBO sind ausgedehnte Gebäude in Abständen von nicht mehr als 40 m mit Brandwänden zu unterteilen [21]. Geplant ist ein Baukörper mit einer Länge von 50 m, der nicht mit einer inneren Brandwand unterteilt werden soll. Im Fall A beträgt die Gebäudetiefe 20 m, im Fall B 40 m. Darüber hinaus liegt keine weitere Abweichung vor. Zunächst sollte man analysieren, welchen Zweck diese Anforderung einer »Gebäudeunterteilung mit Brandwänden in Abständen bis 40 m« verfolgt: Entsprechend der zu erreichenden Schutzziele (siehe »Bauordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.) dient sie der Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten durch die Feuerwehr, da Brandwände die großflächige Ausbreitung des Feuers verhindern (Abb. 18, S. 18).

Im Fall A wird die Abweichung ohne zusätzliche Kompensation beantragt mit der Begründung, dass wirksame Löscharbeiten auch im gegenständlichen Fall möglich sein werden, da die gesamte Grundfläche mit 1000 m2 (50 ≈ 20 m) deutlich geringer ist, als in einem Gebäude mit einer Ausdehnung von 40 ≈ 40 m (d. h. 1600 m2 Grundfläche), welches nach § 30 MBO theoretisch ohne innere Brandwand zulässig ist – auch wenn in der Praxis eine Gebäudetiefe von 40 m wohl eher nicht die Regel darstellt. Insofern wird dieser Abweichung normalerweise zugestimmt werden. Im Fall B ist dies bei der Gebäudetiefe mit 40 m und einer Grundfläche von 2000 m2 nicht mehr ohne Weiteres gegeben: Ohne geeignete Kompensation muss die Möglichkeit wirksamer Löscharbeiten angezweifelt werden. Das heißt Fall B 1 (ohne Kompensationsmaßnahme) wird in der Regel nicht »mit den öffentlichen Belangen […] vereinbar sein«. Im Fall B 2 wird als Kompensationsmaßnahme exemplarisch die Einrichtung einer internen Hauswarnanlage vorgeschlagen. Anlagen dieser Art dienen im Wesentlichen dem Personenschutz und nicht den »wirksamen Löscharbeiten«. Sie stehen mit dem Zweck, den die Anforderung aus § 30 MBO verfolgt (wirksame Löscharbeiten), brandschutztechnisch nicht in kausalem Zusammenhang. Somit besteht auf Basis dieser Begründung formal immer noch keine Zulässigkeit, dieser Abweichung zuzustimmen. Vergleichbar wäre die Situation, wenn als Kompensation z. B. das Vorhandensein einer Blitzschutzanlage angeführt würde. Diese reduziert zwar das Risiko eines blitzschlagbedingten Brandereignisses, es kann aber trotzdem nicht ausgeschlossen werden, dass in dem Gebäude ein Brand entsteht, der vollkommen unabhän-

gig vom Ereignis »Blitzschlag« sein kann bzw. sein wird. Wirksame Löscharbeiten müssen dann möglich sein. Sieht die Planung für Fall B 3 die Installation einer automatischen Löschanlage im Gebäude vor, kann diese Anlagen aktiv in das Brandgeschehen eingreifen und den Brand in einer frühen Phase bis zum Eintreffen der Feuerwehr eingrenzen. In diesem Fall ist von der Möglichkeit wirksamer Löscharbeiten durch die Feuerwehr (die sich dann in der Regel auf Nachlöscharbeiten beschränken werden) auszugehen. Insofern sind dann die Bedingungen erfüllt, sodass dieser Abweichung in der Regel zugestimmt werden kann. Brandschutznachweis (als bautechnischer Nachweis), Nachweisberechtigung)

Nach MBO muss die Einhaltung der Anforderungen an den Brandschutz bei jedem Bauvorhaben nachgewiesen werden [22]. Hierzu ist ein »bautechnischer Nachweis« erforderlich, der daher als »Brandschutznachweis« bezeichnet wird. Diese Bezeichnung variiert jedoch regional, es finden sich auch Begriffe wie »Brandschutzkonzept«, »Erläuterungsbericht Brandschutz zur Bauvorlage« o. Ä., früher auch »Brandschutzgutachten«. Im Sinne der Klarheit wird nachfolgend nur noch der Begriff »Brandschutznachweis« der Musterbauordnung verwendet. Der Inhalt des Brandschutznachweises wird in § 11 der Musterbauvorlagenverordnung prinzipiell beschrieben [23], die zwischen Standard- und Sonderbauten unterscheidet sowie zwischen Mittel- und Großgaragen. Bei ersteren ist – aufgrund des geringeren Schwierigkeitsgrads – der Umfang der erforderlichen Angaben im Nachweis entsprechend geringer (Abb. 19). 17

Grundlagen Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz

40 m 40 m

10 m

1 Brandabschnitt 1000 m2

20 m

1 Brandabschnitt 1600 m2

40 m

P

Fall A

50 m mit Abweichung, ohne Kompensation ohne Abweichung 40 m

10 m

1 Brandabschnitt 2000 m2

40 m

mit Abweichung, ohne Kompensation

nicht zulässig

Fall B1

50 m

40 m

10 m

1 Brandabschnitt 2000 m2

40 m

mit Abweichung, Kompensation: interne Hauswarnanlage

nicht zulässig

Fall B2

50 m

40 m

1 Brandabschnitt 2000 m2

50 m

18

18

10 m

40 m

mit Abweichung, Kompensation: automatische Löschanlage

zulässig

P

Fall B3

Neben der textlichen Beschreibung eignen sich Eintragungen im Lageplan sowie in den Bauzeichnungen. In der Regel werden hierzu Brandschutzpläne gefertigt, auch als Visualisierung des Brandschutzkonzepts bezeichnet. Darüber hinaus ist es aus Dokumentationsgründen sinnvoll, Abweichung, die den Brandschutz betreffen, im Brandschutznachweis darzustellen (manche Bauaufsichtsbehörden verlangen zusätzlich die Darstellung von Abweichungen auf eigenen Formblättern) und jeweils separat zu begründen. Auch sieht die Musterbauvorlagenverordnung vor, dass der Nachweis als »objektbezogenes Brandschutzkonzept« dargestellt werden kann. Hierbei können auch ingenieurmäßige Nachweisverfahren zu speziellen Fragestellungen relevant werden (siehe »Ingenieurmäßige Nachweisverfahren«, S. 40ff.). Als Bauvorlage muss der Brandschutznachweis von einem Nachweisberechtigten unterschrieben werden. Die Bauvorlageberechtigung des Entwurfsverfassers schließt dabei in der Regel die Berechtigung ein, den Brandschutznachweis eigenverantwortlich erstellen zu dürfen. Lediglich für Gebäudeklasse 4 sieht die Musterbauordnung einen zusätzlichen Kenntnisnachweis im Bereich des Brandschutzes vor [24]. Nur bei Sonderbauten wird es im Allgemeinen so sein, dass die Brandschutzplanung und somit auch die Nachweiserstellung durch einen separaten Fachplaner (Brandschutzingenieur oder Brandschutzplaner) erfolgt [25]. In diesem Fall übernimmt der Brandschutzplaner die Verantwortung für sein Werk. Hierbei muss der Entwurfsverfasser jedoch für das ordnungsgemäße Ineinandergreifen aller Fachplanungen sorgen.

Grundlagen Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.)

18 Beispiel für eine schutzzielorientierte Analyse des Abweichungstatbestands »Brandabschnittslängenüberschreitung« 19 Inhalt des Brandschutznachweises nach MBauVorlV

Sofern ein Brandschutzplaner nicht hinzugezogen wird, bleibt der Entwurfsverfasser dafür alleinig verantwortlich, dass auch im Bereich des Brandschutzes alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden (siehe auch »Brandschutzplanung/Brandschutzkonzepte und -nachweise, Leistungsbild«, S. 25ff.). Brandschutzdienststelle

Die Brandschutzdienststelle gibt im Rahmen der Bauleitplanung und des Baugenehmigungsverfahrens für die Städte und Gemeinden sowie für Prüfsachverständige für Brandschutz im jeweiligen Zuständigkeitsbereich Stellungnahmen zum abwehrenden Brandschutz ab. Die Brandschutzdienststellen stimmen sich zur Wahrung der Belange des abwehrenden Brandschutzes im Bedarfsfall mit den örtlich zuständigen (gemeindlichen / städtischen) Feuerwehren ab. Bei Städten mit Berufsfeuerwehr hat diese zumeist auch die Funktion der Brandschutzdienststelle inne. Sicherheitstreppenraum

Ein Sicherheitstreppenraum ist nach § 33 (2) Satz 3 MBO ein »Treppenraum […] in den Feuer und Rauch nicht eindringen können«. Da somit ein Ausfall des vertikalen Rettungswegs bauordnungsrechtlich ausgeschlossen wird, ist eine Redundanz des vertikalen Rettungswegs in dieser Fallkonstellation nicht erforderlich. Die Art der Ausgestaltung des Sicherheitstreppenraums und somit der umzusetzenden Anforderungen wird dagegen in der MBO nicht beschrieben. Mögliche Ausgestaltungvarianten können vielmehr z. B. der Muster-Richtlinie über den Bau und Betrieb von Hochhäusern (MusterHochhaus-Richtlinie – MHHR) bzw. im Hinblick auf die erforderliche Anlagentechnik normativen Regelungen entnommen werden.

Ausführliche Erläuterungen zu den bauordnungsrechtlich relevanten Begriffen Baustoffklassen und Feuerwiderstandsfähigkeit enthält das Kapitel »Materialwahl« (S. 45ff.), Informationen über bestandsgeschützte Gebäude /bauliche Anlagen finden sich im Kapitel »Bauen im Bestand«, (S. 70ff.) und der Beitrag »Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz)« liefert tiefgehende Informationen zur Definition Prüfsachverständiger / Prüfingenieur für Brandschutz (S. 34ff.).

bei Standardbauten ist insbesondere anzugeben: 1. das Brandverhalten der Baustoffe (Baustoffklasse) und die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile (Feuerwiderstandsklasse) entsprechend den Benennungen nach § 26 MBO oder entsprechend den Klassifizierungen nach den Anlagen zur Bauregelliste A Teil 1 2. die Bauteile, Einrichtungen und Vorkehrungen, an die Anforderungen hinsichtlich des Brandschutzes gestellt werden, wie Brandwände und Decken, Trennwände, Unterdecken, Installationsschächte und -kanäle, Lüftungsanlagen, Feuerschutzabschlüsse und Rauchschutztüren, Öffnungen zur Rauchableitung, einschließlich der Fenster nach § 35 Abs. 8 Satz 2 MBO 3. die Nutzungseinheiten, die Brand- und Rauchabschnitte

Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.) Arie Johannes Reimers

4. die aus Gründen des Brandschutzes erforderlichen Abstände innerhalb und außerhalb des Gebäudes 5. der erste und zweite Rettungsweg nach § 33 MBO, insbesondere notwendige Treppenräume, Ausgänge, notwendige Flure, mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stellen einschließlich der Fenster, die als Rettungswege nach § 33 Abs. 2 Satz 2 MBO dienen, unter Angabe der lichten Maße und Brüstungshöhen

Der Sammelbegriff »bauliche Anlagen« umfasst laut Musterbauordnung sowohl Gebäude im herkömmlichen Sinne als auch aus Bauprodukten hergestellte, vor6. die Flächen für die Feuerwehr, Zu- und Durchgänge, Zu- und Durchfahrten, Bewegungsflächen wiegend ortsfeste Anlagen wie Lagerund die Aufstellflächen für Hubrettungsfahrzeuge und Stellplätze oder Aufschüttungen [26]. 7. die Löschwasserversorgung Alle baulichen Anlagen müssen bauaufsichtlichen Anforderungen bzw. Schutzbei Sonderbauten ist zusätzlich insbesondere zielen genügen. Dies ist durch den Einanzugeben: satz von Produkten möglich, die einer1. brandschutzrelevante Einzelheiten der Nutzung, seits die Brandentstehung durch ihre insbesondere auch die Anzahl und Art der die Beschaffenheit behindern und die Ausbauliche Anlage nutzenden Personen sowie Explosions- oder erhöhte Brandgefahren, Brandlasten, breitung von Feuer und Rauch eingrenGefahrstoffe und Risikoanalysen zen, andererseits die Voraussetzungen 2. Rettungswegbreiten und -längen, Einzelheiten für eine Selbstrettung durch den Nutzer der Rettungswegführung und -ausbildung einoder das wirksame Eingreifen der Feuerschließlich Sicherheitsbeleuchtung und -kennzeichnung wehr mittels Personenrettung und Brandbekämpfung gewährleisten (siehe »Bau3. technische Anlagen und Einrichtungen zum Brandschutz wie Branderkennung, Brandmeldung, ordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.). Alarmierung, Brandbekämpfung, Rauchableitung, Die Regeln zur Anwendung von euroRauchfreihaltung paweit gehandelten Produkten nach 4. die Sicherheitsstromversorgung sogenannten harmonisierten techni5. die Bemessung der Löschwasserversorgung, schen Spezifikationen in Deutschland Einrichtungen zur Löschwasserentnahme sowie die Löschwasserrückhaltung haben in Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 6. betriebliche und organisatorische Maßnahmen zur Brandverhütung, Brandbekämpfung und Rettung 16. Oktober 2014 in Teilen bereits einen von Menschen und Tieren wie Feuerwehrplan, einschneidenden Wandel vollzogen bzw. Brandschutzordnung, Werkfeuerwehr, Bestellung von Brandschutzbeauftragten und Selbsthilfekräfsind derzeit im Begriff, dies zu tun [27]. Es ist also sinnvoll, sich mit den Begrifflich- 19 ten

19

Grundlagen Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.)

MLTB Bauprodukte + Bauarten

MBO BRL 20

keiten und dem Umgang mit national und europäisch gehandelten Bauprodukten und Bauarten in Deutschland vor und nach dem EuGH-Urteil auseinanderzusetzen. Musterbauordnung 2002 – Zustand vor dem EuGH-Urteil

Bauprodukte waren gemäß der Musterbauordnung in der zum Zeitpunkt des EuGH-Urteils gültigen Fassung 2002 alle Baustoffe, Bauteile und Anlagen, die »hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden« sowie »aus Baustoffen und Bauteilen vorgefertigte Anlagen« [28] In die Kategorie Baustoffe fallen Mauerwerksteine, Beton, Glas, Gipskartonplatten oder Dämmstoffe. Bauteile können Wände, Türen oder Fertigteile aus Stahlbeton, Holz oder Mauerwerk sein. Anlagen können z.B. Klima- und Lüftungsanlagen, vorgefertigte Anlagen Fertiggaragen oder Silos sein. Die Musterbauordnung beschreibt mit dem Begriff Bauart das »Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen« [29], z. B. der Mauerwerks-, Beton-, Holz-, Stahlbau oder Produktsysteme z. B. in den Bereichen Schall- und Brandschutz. Bauregellisten (BRL), Musterliste der Technischen Baubestimmungen (MLTB) In der Musterbauordnung werden Vorgaben für die zulässige Verwendung von Bauprodukten und Bauarten gemacht [30]. Eine Konkretisierung dieser Anforderungen erfolgte in der Musterbauordnung 2002 durch Verweise auf die eingeführten technischen Regeln in Form der Musterliste der Technischen Baubestimmungen (MLTB) und auf die Bauregellisten (BRL) A und B sowie die Liste C [31] (Abb. 20). Erfüllt ein Bauprodukt die an es gestellten Anforderungen der technischen Regel bzw. des Verwendbarkeitsnachweises, 20

20 Regelungskonzept für Bauprodukte und Bauarten nach MBO 2002 21 Auszüge aus der Bauregelliste B1 a mit Anlage 1/12.4 b mit Anlage 1/5.2 c mit Anlagen 1/6.1 und 6.5

wird dies durch den Hersteller über die Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen kenntlich gemacht. Für die aus Bauprodukten zusammengefügten Bauarten erklärt der Anwender / Fachunternehmer die Übereinstimmung mit dem Anwendbarkeitsnachweis. Neben den nationalen (Ü-gekennzeichneten) und sonstigen Bauprodukten dürfen gemäß der Musterbauordnung in Deutschland auch »europäische« Bauprodukte eingesetzt werden, die nach der Bauproduktenverordung (BauPVO) in Europa in den Verkehr gebracht werden dürfen und die erforderlichen Leistungsstufen oder -klassen nach BRL B erfüllten. Diese Produkte tragen die CE-Kennzeichnung. Erfüllte ein in der BRL B aufgelistetes, harmonisiertes Bauprodukt eine national geforderte Eigenschaft nicht oder nicht vollständig, so wurde dies in Deutschland bis zur Entscheidung des EuGH über eine nationale Norm oder eine sogenannte allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) »nachgeregelt« und »nachgekennzeichnet« (siehe »Harmonisierte Bauprodukte«, S. 66). EuGH-Urteil

In seinem Urteil vom 16. Oktober 2014 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Deutschland seine auf den europäischen Binnenmarkt bezogenen Verpflichtungen aus den europäischen Unionsverträgen – konkret der damals geltenden Bauproduktenrichtlinie (BPR) – verletzt hat, indem es mit der Bauregelliste zusätzliche, über die Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie hinausgehende, unmittelbare Anforderungen an das Inverkehrbringen von Bauprodukten gestellt hat. Durch diese Maßnahme wurde nach Auffassung des EuGH der wirksame Marktzugang für harmonisierte Bauprodukte in Deutschland in unzulässiger Weise eingeschränkt.

Konkret stellten die zusätzlichen nationalen Produktanforderungen für die drei folgenden CE-gekennzeichnete Bauprodukte einen Verstoß gegen das »Marktverhinderungsverbot« [32] dar: • Elastomerdichtungen für Rohrleitungen (EN 681-2:2000, Nachweis der Dauerhaftigkeit der Dichtwirkung) • Dämmstoffe aus Mineralwolle (EN 13 162:2008; Nachweis des Glimmverhaltens) • Türen / Tore (EN 13 241-1, Nachweis des  Brandverhaltens) Musterbauordnung 2016 – Zustand nach dem EuGH-Urteil

Die Europäische Kommission überwacht die Befolgung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs und ist angehalten, ein Vollstreckungsverfahren oder ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, wenn ein Mitgliedsstaat nicht innerhalb von 18 –24 Monaten den Verpflichtungen eines gegen ihn gerichteten Urteils nachkommt. In einem ersten Schritt wurde in Deutschland als Reaktion auf das Urteil die Bauregelliste (BRL) B1 durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) angepasst. Diese Zusatzanforderungen der BRL wurden jedoch erhoben, weil die aus den europäischen Regelwerken resultierenden Produktanforderungen nicht ausreichten, um die in Deutschland erforderlichen Sicherheitsanforderungen an das Bauwerk vollständig sicherzustellen. Ausgangspunkt weiterer Überlegungen in Deutschland war daher der Konsens, dass ausschließlich die EU den Handel und das Inverkehrbringen von europäisch harmonisierten Bauprodukten über die BauPVO regeln darf, die Bauwerkssicherheit und der Erlass von Regeln zur Verwendung von Produkten jedoch in der Hand des Mitgliedsstaats liegen. Als weitere Konsequenz des besagten

Grundlagen Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.)

EuGH-Urteils hat die Bauministerkonferenz daher eine Novellierung der Musterbauordnung von 2002 beschlossen, die in der Fassung von 2016 vorliegt und in Bezug auf den Umgang mit Bauprodukten wesentliche Änderungen beinhaltet [33].

Anlagen sowie Bausätze gemäß Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011, die hergestellt werden, um dauerhaft in bauliche Anlagen eingebaut zu werden« [40] und »2. aus Produkten, Baustoffen, Bauteilen sowie Bausätzen gemäß Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 vorgefertigte Anlagen, die hergestellt werden, um mit dem Erdboden verbunden zu werden [41] und deren Verwendung sich auf die Anforderungen nach § 3 Satz 1 auswirken kann«. Mit dem Bezug auf die allgemeinen Anforderungen wird nun unmittelbar auf die Grundanforderungen an Bauwerke / Basic Works Requirements (BWR) gemäß der BauPVO Bezug genommen. Zu dem neu eingeführten Begriff des Bausatzes wird in der Begründung zur Musterbauordnung erläutert, dass es sich bei einem Bausatz um einen Satz handelt, der von einem Hersteller in Verkehr

MBO-Novelle, Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (MVV TB) Die Musterbauordnung in der aktuell gültigen Fassung 2016 enthält ein neues Regelungskonzept, das einerseits die Europarechtskonformität herstellen, andererseits den Erhalt des Sicherheitsniveaus in Deutschland garantieren soll. Die wesentliche Änderung in der Herangehensweise bei der Novellierung der Musterbauordnung ist die deutlichere Unterscheidung der Regelungen in Bezug auf das Bauwerk und die Merkmale auf der Ebene der Bauprodukte. Bislang wurde dies überlagert, d. h. die Produkte mussten nach Maßgabe der Bauregelliste über einen ggf. zusätzlichen nationalen An- oder Verwendbarkeitsnachweis verfügen und konnten dann in Gebäuden in Deutschland eingesetzt werden. Bauprodukte, Bauarten Die Musterbauordnung 2016 unterscheidet daher zwischen Bauprodukten [34] und Bauarten [35] als • Produkte, die nach deutschen Produktnormen (oder Normen anderer europäischer Mitgliedstaaten) angefertigt werden [36] • Produkte, die nach harmonisierten technischen Spezifikationen (z. B. hEN, EAD) hergestellt werden und die CEKennzeichnung tragen [37] • Bauarten nach deutschen Produktnormen [38] Nach der geänderten Definition gemäß MBO 2016 [39] sind Bauprodukte nun »1. Produkte, Baustoffe, Bauteile und

1.12.10

a

EN 681-2:2000 EN 681-2/A1:2002 und EN 681-2/A2:2002-03 in Deutschland umgesetzt durch EN 681-2:2006-11

Anlage 01 Zusätzlich gilt: Anlagen 1/12.3 und 1/12.4

Anlage 1/12.4 (2005/3) Thermoplastische Elastomerdichtungen dürfen für die Verbindungen von Abwasserrohren und Formstücken nur verwendet werden, wenn die Dauerhaftigkeit der Dichtung in einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung geregelt ist.

1.5.1

b

Rohrleitungs-Dichtungen aus thermoplastischen Elastomeren für Anwendungen in der Wasserversorgung und Entwässerung

gebracht wird und aus zwei oder mehr getrennten Komponenten zusammengefügt werden muss, um in das Bauwerk eingefügt zu werden. Dies erfolgt zur Abgrenzung, da Bausätze oder das Zusammenfügen von Komponenten Bauprodukte und keine Bauarten sind. Die Bauart ist unverändert als »das Zusammenfügen von Bauprodukten zu baulichen Anlagen oder Teilen von baulichen Anlagen« definiert. Das Zusammenfügen von Komponenten eines Bausatzes gilt nicht als Bauart [42]. Die Trennung von Bauprodukten und Bauarten zeigt sich auch in den Ver- und Anwendbarkeitsnachweisen. So wird klargestellt, dass für CE-gekennzeichnete Bauprodukte die nationalen Anforderungen an Bauprodukte nicht gelten, diese aber auch nur dann verwendet werden dürfen, wenn sie den in der Musterbauordnung definierten Anforde-

werkmäßig hergestellte Dämmstoffe aus Mineralwolle (MW)

EN 13 162:2012 in Deutschland umgesetzt durch DIN EN 13 162:2013-03

Anlage 01 Zusätzlich gilt: Anlagen 1/5.1 und 1/5.2

Anlage 1/5.2 (2008/1) Das Glimmverhalten von Baustoffen, die nach DIN EN 13 501-1 in die Klasse A1, A2, B oder C eingestuft werden, ist im Rahmen einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung nachzuweisen.

Anlage 1/6.1 (2007/1) Die harmonisierte Norm enthält im Anhang ZA.1 keine Festlegungen für das Brandverhalten der Tore. Bis zu einer Ergänzung der harmonisierten Norm um solche Bestimmungen ist das Brandverhalten der Tore noch nicht harmonisiert. Das Brandverhalten der Tore ist deshalb gemäß Bauregelliste A Teil 1, lfd. Nr. 6.20.3 festzulegen.

21c

Anlage 6.5 (2005/3) Tore müssen aus mindestens normal entflammbaren Baustoffen (Klasse E nach DIN EN 13 501-1 oder Baustoffklasse B2 nach DIN 4202-1) bestehen.

21

Grundlagen Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.)

rungen für ihre Verwendung entsprechen. In der Umsetzung soll die Zuordnung der europäischen Klassen zu den Anforderungen der Musterbauordnung über die sogenannte Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) erfolgen. Das heißt ein Bauprodukt darf eingesetzt werden, wenn die durch den Hersteller erklärten Leistungen den über die MVV TB definierten Anforderungen an das Bauwerk entsprechen.

Die Grundanforderungen werden über diese sogenannte normkonkretisierende Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) definiert. Die MVV TB wird durch das DIBt als Verwaltungsvorschrift bekannt gemacht und soll in den Ländern gelten, soweit diese durch die jeweilige oberste Bauaufsichtsbehörde des Bundeslands keine eigene, abweichende Verwaltungsvorschrift erlassen. Die MVV TB tritt somit an die Stelle der BRL und MLTB (Abb. 23).

Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB)

Auf die Bauregellisten oder eingeführte technische Baubestimmungen und unmittelbare Anforderungen an harmonisierte Bauprodukte enthält die Musterbauordnung somit keine Verweise mehr. Stattdessen ist in dem § 85 a, Technische Baubestimmungen die »Ermächtigungsgrundlage« enthalten, Vorschriften für allgemeine Anforderungen an Bauprodukte und Bauarten in einer Rechtsverordnung zu erlassen.

Nationale Bauprodukte (nach deutschen Produktnormen), die mit der jeweiligen technischen Regel übereinstimmen bzw. die Anforderungen des An- oder Verwendbarkeitsnachweises erfüllen, werden auch in diesem Regelungskonzept weiterhin mit dem Ü-Zeichen gekennzeichnet bzw. wird für Bauarten die Übereinstimmung durch den Anwender erklärt. Für CE-gekennzeichnete Bauprodukte enthält die Musterbauordnung hingegen zukünftig ein ausdrückliches Verbot der

Regelungen Bauwerk

Regelungen Bauprodukt

Bauart

Bauprodukt

grundlegende Anforderungen an Bauwerke und wesentliche Merkmale von Bauprodukten

22

22

Bauwerk

Bauprodukt

grundlegende Anforderungen: • mechanische Festigkeit und Standsicherheit • Brandschutz • Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz • Sicherheit und Barrierefreiheit bei der Nutzung • Schallschutz • Energieeinsparung und Wärmeschutz • nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen

wesentliche Merkmale werden auf der Basis der grundlegenden Anforderungen festgelegt.

Kommission: • kann für bestimmte Produktfamilien wesentliche Merkmale vorgeben, für die dann eine Leistung anzugeben ist • kann Schwellenwerte vorgeben

Doppel- bzw. Zusatzkennzeichnung mittels Ü-Zeichen. Für bereits in Verkehr gebrachte, doppelgekennzeichnete Produkte verliert das Ü-Zeichen mit Inkrafttreten des Gesetzes seine Gültigkeit. Stand der Umsetzung

Als Reaktion auf das zitierte Urteil des Europäischen Gerichtshofs wurden zunächst die Anlagen der Bauregelliste BRL B1 und somit die Anforderungen in Deutschland für die drei vom Urteil betroffenen Produkte außer Vollzug gesetzt [43]. Im Oktober 2016 erfolgte eine gleichlautende Änderungsmitteilung durch die obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder mit Hinweisen zum Vollzug der Bauregellisten BRL A und B: In der Mitteilung wurde darauf hingewiesen, dass für Bauprodukte, die die CE-Kennzeichnung nach der Bauproduktenverordnung tragen, keine allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) mehr erforderlich sind und diese keine zusätzliche Ü-Kennzeichnung mehr tragen dürfen. Zur Darlegung des bauaufsichtlichen Anforderungsniveaus kommen daher derzeit in den meisten Bundesländern nur Leistungserklärungen, (nicht mehr gültige) abZ/abP sowie freiwillige Herstellerangaben in Betracht. Im Dezember 2016 erfolgte eine Änderung der BRL A mit Streichung der Fußnote zum Glimmverhalten. Im Juni 2017 wurde das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland durch die Europäische Kommission eingestellt. Dabei wurde zwischen den Streitparteien einerseits die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Bauwerkssicherheit bestätigt und andererseits von Deutschland der Umbau des bauaufsichtlichen Konzepts unter Ausschöpfung der möglichen nationalen Regelungsvorbehalte zugesichert [44]. Das Notifizierungsverfahren zur Novellierung der MBO 2016 und Schaffung der

Grundlagen Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.)

MLTB

BRL

MVV TB

technische Regeln 23

MVV TB wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Im August 2017 wurde die erste Ausgabe der MVV TB veröffentlicht. Auch wenn die Änderungen der MBO 2016 ein wichtiges Signal gegenüber der EU-Kommission darstellen, hat Deutschland seine Verpflichtungen zum Vollzug des Bauproduktenrechts bei harmonisierten Bauprodukten noch nicht erfüllt. Vielmehr wird es nun erforderlich sein, dass sämtliche Bundesländer die MBO 2016 durch Novellierungen der Bauordnungen der einzelnen Länder in geltendes Landesrecht umsetzen und insbesondere, dass die Anforderungen an Bauwerke durch Übernahme der MVV TB oder Erlass einer eigenen, landesspezifischen Verwaltungsvorschrift überführt werden. Bislang wurden in den Bundesländern Baden-Württemberg und Sachsen die Landesbauordnungen novelliert und die MVV TB übernommen [45]. Fazit und Ausblick

Die Verwaltungspraxis führte dazu, dass Bauprodukte in Deutschland teilweise neben der CE-Kennzeichnung das Ü-Zeichen tragen mussten, um gehandelt werden zu dürfen. Diese Vorgehensweise wurde durch den EuGH für europarechtswidrig erklärt und muss nun in einem umfassenden Verfahren geändert werden, das Bauherren, Planer und Errichter die nächsten Jahre begleiten wird. Für Planer und Errichter hatte die Doppelkennzeichnung jedoch den Vorteil, dass von der Zulässigkeit der Verwendung eines in Deutschland gehandelten Bauprodukts ausgegangen werden konnte. Auf Basis der aktuell gültigen Vorschriften sollte der Anwender sich daher frühzeitig – möglichst bereits im Stadium der Entwurfsphase – bewusst sein, welche Bauprodukte für die Umsetzung der Bauwerksanforderungen geeignet bzw. zugelassen sind.

Im Gegensatz zu den nationalen Bauprodukten, die alle Anforderungen bereits über die nationale Produktnorm erfüllen und erklären müssen, ist daher zukünftig bei harmonisierten CE-gekennzeichneten Bauprodukten besonderes Augenmerk darauf zu richten, welche Anforderungen gemäß MVV TB das Bauprodukt im konkreten Anwendungsfall erfüllen muss und ob die erklärten Leistungsmerkmale diese Bauwerksanforderungen erfüllen.

Anmerkungen: [1] AGBF Bund, www.agbf.de (Stand 14.05.2018) [2] § 6 (1) MVkVO [3] §14 MBO: [4] §24 MVkVO [5] §3 MBO [6] vgl. Urteil Oberverwaltungsgericht Münster 10A 363/86 vom 11.12.1987 [7] Wohnungstrennwände nach § 29 MBO, Brandwände als innere Brandwände bzw. als Gebäudeabschlusswände, jeweils nach § 30 MBO [8] Ziffer 4 der Veröffentlichung der »Grundsätze zur Auslegung des § 14 MBO« der Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU) abgestimmt mit dem AK Grundsatzfragen und dem AK VB/G der AGBF (16./17.10.2008) [9] auf Basis der Muster-Beherbergungsstättenverordnung (MBeVO) [10] Vergleich der Bauordnungen Bayern und Hessen: Bayern Art. 35 BayBO (4) 1 Fenster, die als Rettungswege nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 dienen, müssen in der Breite mindestens 0,60 m, in der Höhe mindestens 1 m groß, von innen zu öffnen und nicht höher als 1,20 m über der Fußbodenoberkante angeordnet sein. Hessen § 34 HBO (5) 1 Öffnungen, die als Rettungswege dienen, müssen im Lichten mindestens 0,90 ≈ 1,20 m groß und nicht höher als 1,20 m über der Fußbodenoberkante angeordnet sein. [11] Die Bauministerkonferenz ist die Arbeitsgemeinschaft der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren der 16 Länder der Bundesrepublik Deutschland. [12] Instrumentarium der »Abweichung« bzw. »Erleichterung« im Einzelfall, die formal nach § 67 MBO zu beantragen sind, siehe auch [20] [13] nach § 85 a MBO: Abweichungsverfahren auf dem Gleichwertigkeitsprinzip [14] Die detaillierte Beschreibung zur Ausführung der sicherheitstechnischen Einrichtung findet sich im beschriebenen Beispiel in DIN VDE 0833, DIN 14 675, DIN EN 3 etc. [15] § 2 Abs. 3 Satz 2 MBO

22 Trennung von Bauwerksanforderungen und Produktanforderungen 23 Regelungskonzept für Bauprodukte und Bauarten nach MBO 2016

[16] nach § 36 (1) Nr. 4 MBO [17] Definition von »Sonderbauten« nach § 2 (4) MBO [18] § 2 Abs. 4 Ziffern 1–20 MBO [19] § 1 (2) MVStättVO [20] § 67 MBO (1) [21] § 30 MBO (2) Nr. 2 [22] § 66 MBO; eine Ausnahme bilden – je nach Bundesland – die verfahrensfreien Bauvorhaben [23] § 11 der Musterbauvorlagenverordnung (MBauVorlV, Fassung Februar 2007) [24] § 66 MBO [25] Brandschutzingenieur oder Brandschutzplaner, der im Sinne von § 54 MBO tätig wird [26] MBO 2016, Musterbauordnung (Fassung November 2002, zuletzt geändert 13.5.2016) § 2 Abs. 1 [27] EuGH Rechtssache C-100/13; Urteil vom 16.10.2014 [28] MBO 2002, Musterbauordnung (Fassung November 2002) § 2 Abs. 9 [29] MBO 2002 § 2 Abs. 10 bzw. Bauordnungen der Länder [30] MBO 2002 § 17ff. Abs. 3 [31] Verweise in MBO 2002 § 3 Abs. 3 Satz 1 auf die MLTB und in MBO § 17 Abs. 2 auf BRL A und B sowie die Liste C [32] Marktverhinderungsverbot nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 89/106/EWG (BPR) [33] MBO 2016 [34] Bauprodukte nach MBO 2016 § 2 (10) [35] Bauarten nach MBO 2016 § 2 (11) [36] MBO 2016 §§ 17–25 [37] MBO 2016 § 16c) [38] MBO 2016 § 16a) [39] MBO 2016 § 2 Abs. 10 [40] gemäß Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 [41] ebd. [42] MBO 2016 § 2 (11) [43] siehe BRLvom 4.12.2014 [44] www.bmub.bund.de/pressemitteilung/europaeische-kommission-stellt-vertragsverletzungsverfahren-zu-bauprodukten-ein/ (Stand 16.05.2018) [45] www.dibt.de/de/dibt/data/UebersichtUmsetzung_MVVTB_Laender.pdf (Stand 16.05.2018)

23

K APITE L

02 PL AN U NGS STR ATEG IE N

Planungsstrategien Brandschutzplanung, Brandschutzkonzepte und -nachweise, Leistungsbild

Brandschutzplanung, Brandschutzkonzepte und -nachweise, Leistungsbild Brandschutzplanung ist die brandschutztechnische Generalplanung eines Brandschutzingenieurs mit einem Brandschutznachweis (bzw. ganzheitlichen, schutzzielorientierten Brandschutzkonzept oder Brandschutzgutachten) als Ergebnis. Die unterschiedlichen Begrifflichkeiten erläutert das Kapitel »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz« (S. 13ff.). Der Brandschutznachweis, der das eigentliche Brandschutzkonzept enthält, dient im Genehmigungsverfahren als Bauvorlage. Zur einfachen Übersicht und als Visualisierung des baulichen und anlagentechnischen Brandschutzkonzepts dienen in der Regel Brandschutzpläne. Die Darstellung eines Brandschutzkonzepts bzw. -nachweises in Tabellenform sollte sich – auch aus der Sicht des Prüfers – in der Regel auf Kleinstprojekte beschränken, nicht aber für Sonderbauten angewendet werden. Brandschutztechnisch komplexe Zusammenhänge lassen sich in Tabellenform nicht ausreichend präzise beschreiben bzw. es kann mit dieser relativ starren Struktur kaum auf Projektspezifika eingegangen werden. Ferner ist die Lesbarkeit zumeist ungenügend. Auch sollte im Rahmen des Brandschutznachweises darauf verzichtet werden, größere Passagen bzw. Textauszüge aus Rechtsgrundlagen oder normativen Regelwerken anzuführen bzw. abzudrucken oder allgemein bekannte Schutzzieldefinitionen wiederzugeben. Prüfbar und durch die Beteiligten umsetzbar sind dagegen kurz und präzise abgefasste Textformen, die einen konkreten Projektbezug haben und die ausschließlich aus den konkreten Anforderungen bestehen. Je klarer und eindeutiger die Angaben

gefasst sind, desto geringer ist das Risiko einer Fehlinterpretation. Von entscheidender Bedeutung ist zudem, dass sich der Brandschutznachweis als Bestandteil der Bauvorlagen auf denselben Stand bzw. Index der Genehmigungspläne beziehen muss wie die Bauvorlage des Architekten. Die Verwendung von abweichenden Planständen (z. B. zwischen Eingabe- und Brandschutzplan) führt entweder zu rechtlichen Unsicherheiten (was ist genehmigt?) oder schlimmstenfalls zur Zurückweisung der Unterlagen durch die Bauaufsicht. Deshalb sollte nach Fertigstellung der Bauantragsunterlagen des Architekten (aber noch vor deren Einreichung) ein Zeitfenster freigehalten werden, um die Planungsgrundlagen abzugleichen. Der erforderliche Mindestinhalt eines Brandschutznachweises ergibt sich aus der Musterbauvorlagenverordnung. Eine in der Praxis bewährte Mustergliederung enthält das Kapitel »Brandschutznachweis, Mustergliederung« (S. 28f.). Der Brandschutznachweis mit den zugehörigen Brandschutzplänen ist mittlerweile sowohl ein wesentlicher Bestandteil der Bauvorlagen, als auch die Basis einer integralen Gesamtplanung geworden. Diesem Umstand trägt auch die Neufassung der HOAI 2013 Rechnung und definiert in der amtlichen Begründung den Anwendungsbereich für ein eigenständiges Leistungsbild Brandschutz. Eindeutig ist hier geregelt, dass eine entsprechende Brandschutzplanung nicht Gegenstand der Grundleistung der Objektplanung sein kann. Das eigenständige und strukturierte Leistungsbild der sogenannten AHO-Fachkommission [1] »Leistungen für Brandschutz« [2] hat sich heute zu einem weit verbreiteten Standard etabliert. Hierin wird auch ein zugehöriges Vergütungssystem vorgeschlagen. Ingenieurleistungen für Brandschutz werden als Planungsleistung erforderlich

• zur Festlegung der Objekt- und nutzungsspezifischen Brandschutzanforderungen • zu deren Abstimmung mit den Genehmigungsbehörden bzw. Prüfsachverständigen oder -ingenieuren • als Begleitung der Planung von Objektund Fachplanern in der Ausführungsplanung und Objekt- bzw. Bauüberwachung Sie beinhalten die nach den jeweiligenLandesbauordnungen geforderten Nachweise für den Brandschutz im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens, nicht jedoch die Prüfung dieser Nachweise als Prüfingenieure oder Prüfsachverständige (siehe »Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz)«, S. 34ff.). Die Umsetzung der Anforderungen aus den Vorschriften des Arbeitsstättenrechts bzw. ein Abgleich der Planung mit diesen Vorgaben stellt keine Grundleistung der Brandschutzplanung dar und ist somit in der Regel im Brandschutznachweis nicht enthalten (siehe auch »Bauordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.). Gleiches gilt für etwaige Anforderungen zum Brandschutz aus konzerninternen Vorgaben oder durch Sachversicherer. Hier zeigt sich, dass diese auch nicht Gegenstand des behördlichen Prüfumfangs zum Brandschutz sind. Solche Leistungen gelten innerhalb der Brandschutzplanung als besondere Leistungen mit gesonderter Vergütung. Als hilfreich hat sich erwiesen, Anforderungen zum Brandschutz z. B. aus konzerninternen Vorgaben – und somit außerhalb des baurechtlichen, behördlichen Prüfumfangs – entweder in einem separaten Dokument zusammenzustellen (ggf. auch als Anlage zum Brandschutznachweis) oder diese zumindest im Brandschutznachweis als solche deutlich zu kennzeichnen. In Einzelfällen (oder bei entsprechenden Fragestellungen) kann es nötig sein, 25

Planungsstrategien Grundregeln beim Brandschutz im Entwurf – Wirkungsprinzipien

Brandschutznachweise mit Methoden des Brandschutzingenieurwesens unter Beachtung der jeweiligen Grundsätze aufzustellen (siehe hierzu »Ingenieurmäßige Nachweisverfahren«, S. 40ff.). Diese Nachweisverfahren sind als besondere Leistungen ebenfalls gesondert vergütungspflichtig. Um eine mangelfreie, effiziente und wirtschaftliche Umsetzung des genehmigten Brandschutznachweises zu ermöglichen, ist ein integraler Planungsprozess, der einen Brandschutzingenieur in die Ausführungsplanung und Objektüberwachung einbezieht, fast immer empfehlenswert. Allein der originäre Zweck des Brandschutznachweises als Bestandteil der Bauvorlage verdeutlicht, dass sich die darin enthaltene Detaillierungstiefe noch nicht zur direkten Umsetzung auf der Baustelle eignet. Endet mit Abschluss der Genehmigungsphase jedoch die Beauftragung des Brandschutzingenieurs, besteht die Gefahr, dass im Rahmen der Ausführungsplanung Festlegungen getroffen werden, die die Wirksamkeit des Brandschutzkonzepts tangieren bzw. dieses im schlimmsten Fall sogar unwirksam machen. Darüber hinaus lassen sich wirtschaftliche Detaillösungen zumeist nur dann ermöglichen, wenn der Brandschutz als integraler Bestandteil der Gesamtplanung – wie bei den anderen Fachleistungen – auch bei der Ausführungsplanung berücksichtigt wird (siehe auch »Konstruktive Besonderheiten«, S. 35ff.). Im Rahmen der weiteren Planungsphasen muss der Brandschutznachweis um die Ergebnisse bzw. Detaillierungen z. B. aus der Ausführungsplanung fortgeschrieben werden, damit eine klar strukturierte Gesamtdokumentation der zum Brandschutz erforderlichen Maßnahmen auf der Baustelle vorliegt. Zudem ist es zielführend, wenn etwaige Auflagen und Ergänzungen aus dem Baugenehmigungsbescheid in den Nachweis mit aufgenom26

men werden. Denn liegen bei der Ausführung nicht nur eines, sondern mehrere zu berücksichtigende Brandschutzdokumente vor, erweist sich dies in der Praxis häufig als Quelle von Planungs- und Ausführungsmängeln. Daher ist die Bearbeitung der Leistungsphasen 5 (»Ausführungsplanung«) und 8 (»Objektüberwachung«) durch einen Brandschutzingenieur – insbesondere bei Sonderbauten – essenziell für eine termingerechte, mangelfreie Umsetzung des genehmigten Brandschutznachweises bis zur Inbetriebnahme des Gebäudes. Um die Schnittstellen zwischen Bauüberwachung und »Objektüberwachung Brandschutz« klar abgrenzen zu können, enthält das Leistungsbild des AHO eine konkrete Beschreibung der geschuldeten Leistung anhand dreier differierender Leistungstiefen (mit Niveau 1– 3 bezeichnet), die projektspezifisch gewählt werden können. Eine Beauftragung des Niveaus 2 (»systematisch-stichprobenartige Kontrolle«) erscheint für die Mehrzahl der Sonderbauprojekte dabei sinnvoll. Als zweckmäßig erweist es sich regelmäßig, wenn der Brandschutzplaner neben seinem Ingenieursstudium auch über eine feuerwehrtechnische Ausbildung verfügt bzw. auch im aktiven Feuerwehrdienst steht oder stand. Neben einem entsprechenden Netzwerk ergibt sich durch den Einsatzalltag zumeist die Fähigkeit, die Leistungsgrenzen, aber auch die Möglichkeiten des abwehrenden Brandschutzes exakter einschätzen zu können.

Grundregeln beim Brandschutz im Entwurf – Wirkungsprinzipien Das mit weitgehend jeder Planung verknüpfte Bestreben nach einer relativ hohen Termin- und Kostensicherheit in

einer möglichst frühen Projektphase führt in der Regel dazu, dass einzelne Leistungen des Brandschutzes aus späteren Leistungsphasen vorgezogen werden, damit frühzeitig die wesentlichen Weichenstellungen und Festlegungen getroffen werden können (z. B. ob bzw. in welchem Umfang ggf. sicherheitstechnische Einrichtungen zur Kompensation von Abweichungen erforderlich werden). Andernfalls ist eine fundierte Kostenschätzung bzw. -berechnung über alle Kostengruppen nicht möglich. Neben den zuvor genannten wirtschaftlichen Aspekten hängt die Genehmigungsfähigkeit eines Projekts immer eng mit Belangen des Brandschutzes zusammen, die deshalb eine wesentliche Bedeutung haben für das Gesamtprojekt bzw. dessen Machbarkeit. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie sollten mögliche Abweichungen von öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Umsetzung des Projekts erkannt und benannt sowie hierauf aufbauend die Grundzüge des Brandschutzkonzepts erarbeitet werden. Der brandschutztechnische Beitrag zur Machbarkeitsstudie dient somit als wesentliche Grundlage zur Feststellung der Genehmigungsfähigkeit und beinhaltet hierzu neben Leistungen aus Leistungsphase 2 auch Elemente der Leistungsphase 3. Arbeitsfähig wird der Brandschutzingenieur allerdings grundsätzlich erst, wenn der Bauherr klare Vorstellungen im Hinblick auf die konkret angestrebte Nutzung hat und entsprechende Festlegungen trifft, z. B. hinsichtlich der Anzahl von Personen im Gebäude bzw. in einzelnen Räumen, oder auch eine beabsichtigte Nutzung im Geltungsbereich der Versammlungsstättenverordnung. Das Ergebnis beeinflusst u. a. die Rettungswegstruktur. Daneben sind aber auch Festlegungen von Bedeutung, beispielsweise ob die Vorhaltung von Gefahrstoffen wie brennbaren Flüssigkeiten oder Gasen

Planungsstrategien Grundregeln beim Brandschutz im Entwurf – Wirkungsprinzipien

erforderlich bzw. gewünscht ist und wenn ja, in welchen Mengen. Werden diese Entscheidungen spät getroffen oder ergeben sich im Planungsverlauf diesbezüglich Änderungen, hat dies entscheidenden Einfluss auf die Brandschutzplanung und hierdurch rückwirkend auf nahezu alle anderen Fachplanungen. Neben terminlichen Konflikten zieht eine nachträgliche Implementierung geänderter Nutzungsparameter fast immer erhebliche Mehraufwendungen nach sich. Neben den Belangen der Art der Nutzung des Gebäudes ist frühzeitig zusammen mit dem Bauherrn festzulegen, ob der Einsatz einzelner sicherheitstechnischer Einrichtungen gewünscht ist (wenn z. B. die Reduzierung von Betriebsunterbrechungsrisiken angestrebt wird) oder vermieden werden soll (siehe auch »Bauordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.). Werden solche sicherheitstechnischen Einrichtungen aus Betriebsgründen »ohnehin« vorgehalten, entstehen naturgemäß entsprechende Synergieeffekte, wenn diese bei der Erstellung des Brandschutzkonzepts von vornherein mit einbezogen werden. Aus Gründen der Dokumentation und als Leistungsnachweis ist jede Leistungsphase mit einer Zusammenstellung der erarbeiteten Ergebnisse abzuschließen, wobei diese zunächst stichpunktartig und skizzenförmig sein können und zunehmend präzisiert werden. Insbesondere bei (komplexen) Sonderbauten ist es zur Reduzierung von Genehmigungsrisiken bzw. allgemein im Sinne der Kosten- und Terminsicherheit erforderlich, frühzeitig (sowie im Bedarfsfall phasenweise wiederkehrend) nachfolgende Beteiligte einzubeziehen: • die zuständige Feuerwehr bzw. die Brandschutzdienststelle • den Prüfsachverständigen bzw. -ingenieur für Brandschutz bzw. die Bau-

aufsichtsbehörde, sofern der Brandschutz bauaufsichtlich geprüft werden soll • die Prüfsachverständigen für die Prüfung sicherheitstechnischer Einrichtungen (die Einbindung und Abstimmung erfolgt durch den Planer der sicherheitstechnischen Einrichtung) Zweckmäßig ist es, die Sachverständigen möglichst frühzeitig zu beauftragen (und ggf. entsprechend auf den Bauherrn einzuwirken). Insbesondere die Sachverständigenleistungen im letzten Punkt werden in der Praxis meist erst zusammen mit den einzelnen sicherheitstechnischen Gewerken ausgeschrieben und hier jeweils als Leistungsbestandteil des Anlagenerrichters. In dieser Konstellation kann der Sachverständige nicht planungsbegleitend arbeiten, was sich in der Regel nachteilig auf das Projekt und die Kosten auswirkt. Wirtschaftliche Gesamtlösungen sind nur möglich, wenn Planer und Prüfer frühzeitig in Dialog treten können. Darüber hinaus erscheint die Sicherstellung der Objektivität leichter möglich, wenn der Sachverständige nicht Auftragnehmer des Anlagenerrichters ist. Nachfolgende Inhalte, gegliedert nach den ersten Leistungsphasen, gehören normalerweise zum Leistungsprofil des Brandschutzingenieurs: Grundlagenermittlung/Vorplanung (Lph 1 und 2)

Neben der Klärung der Aufgabenstellung im Detail sowie des genauen Planungsumgriffs und der Festlegung der relevanten Schnittstellen zu den weiteren Beteiligten, geht es in diesen Phasen zunächst darum, die einschlägigen Rechtsgrundlagen herauszuarbeiten. Hierauf basierend können die wesentlichen materiellen Anforderungen festgelegt und die Grundzüge des Brandschutzkonzepts erarbeitet werden. Aufeinander aufbauend sind insbesondere festzulegen:

• die Gebäudeklasse • etwaige Sonderbautatbestände bzw. die Feststellung, dass es sich um einen Standardbau handelt • die Rechtsgrundlagen • etwaige konzerninterne Vorgaben des Bauherrn bzw. dessen Versicherer • die Anforderungen an die brandschutztechnische Infrastruktur – Zugang und Flächen für die Feuerwehr – Löschwasserversorgung – trockene Steigleitungen, Wandhydranten, Gebäudefunk etc. – sicherheitstechnische Einrichtungen • bauliche Anforderungen – an die Feuerwiderstandsklasse von tragenden und aussteifenden Bauteilen – an die Abschnittsbildung (Festlegung des Abschottungsprinzips, d. h. die Brandabschnitte, Trennwände) – an Außenwände, Decken und Dächer • Anforderungen an die Rettungswegstruktur – Anzahl und Lage von Ausgängen – Breite und Länge von Rettungswegen – die horizontale Rettungswegführung – die vertikale Rettungswegführung – die baulichen Anforderungen an die horizontalen und vertikalen Rettungswege • Anforderungen an die technische Gebäudeausrüstung • Anforderungen an den betrieblichen Brandschutz Eine Übersicht über die wesentlichen, typologischen Besonderheiten in Abhängigkeit der Gebäudeklassen sowie die entsprechenden brandschutztechnischen Anforderungen enthält das Kapitel »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen« (S. 29ff.). Wie bereits dargestellt, werden die materiellen Anforderungen durch eine Vielzahl von Eingangsparametern der Planung 27

Planungsstrategien Brandschutznachweis, Mustergliederung

bestimmt, auf die der Brandschutzingenieur zumeist keinen Einfluss hat, z. B.: • die geplante Art und Nutzung des Gebäudes • die Lage der Baumaßnahme • die Ausdehnung des Gebäudes (insbesondere Höhe und Grundfläche) • die geplante Bauweise (sowohl strukturell als auch auf die Materialien bezogen) • ggf. bereits vorhandene brandschutztechnische Infrastruktur • die Möglichkeiten des abwehrenden Brandschutzes (d. h. die Leistungsfähigkeit der örtlichen Feuerwehr sowie deren Ausstattung) • die gegebene Nachbarbebauung bzw. • die Art des Baugrundstücks • das gestalterische Konzept • bei bestehenden Gebäuden zusätzlich die Fragestellung eines möglichen Bestandsschutzes bzw. Anpassungsverlangens und/oder Belange des Denkmalschutzes (siehe »Bauen im Bestand«, S. 70ff.). Der Fachplaner Brandschutz muss unter Berücksichtigung dieser weitgehend unveränderlichen Eingangsparameter ein schutzzielorientiertes, funktionierendes, wirtschaftliches und nachhaltiges Gesamtkonzept entwickeln. Eine klare und einfache Konzeption ist das Ziel, auch wenn sich zu weitgehend jeder Aufgabenstellung eine Vielzahl möglicher Lösungen bietet, deren jeweiliger Schwerpunkt entweder eher auf dem baulichen oder aber dem anlagentechnischen Brandschutz liegt. So kann die Umsetzung des Abschottungsprinzips nach § 30 MBO in einem Projekt z. B. dazu führen, dass das Gebäude mit inneren Brandwänden alle 40 m gegliedert wird und die Maßnahme ohne anlagentechnische Maßnahmen genehmigungsfähig ist. Dasselbe Projekt könnte aber auch unter der gestalterischen 28

und /oder nutzungsbedingten Prämisse stehen, möglichst offen, transparent und durchlässig zu sein, sodass die Unterteilung nach § 30 MBO dieser Absicht tendenziell entgegensteht. In diesem Fall kommt ggf. eine Lösung ohne Unterteilung in Brandabschnitte auf Grundlage sicherheitstechnischer Einrichtungen (z. B. einer Sprinkleranlage) in Betracht (siehe Projektbeispiel »Flughafenterminal in München«, S. 104ff.). Die gesamte Planungsphase versteht sich insofern als iterativer Prozess zwischen allen Planungsbeteiligten, was eine Konzeptfindung im »stillen Kämmerchen« ausschließt.

tet werden kann, betrifft die Thematik aber im Einzelfall bereits die (Vor-)Auswahl konkreter Bauprodukte. Erfordert beispielsweise die Umsetzung des gestalterischen Konzepts im Bereich feuerwiderstandsfähiger Trennwände den Einsatz von mobilen Abschlüssen, wäre frühzeitig zu verifizieren, dass für die konkrete Einbausituation tatsächlich geeignete (zugelassene) Produkte verfügbar sind und deren Verwendung auch wirtschaftlich umsetzbar ist. Grundlagen und Lösungsansätze hierzu vermitteln die Kapitel »Bauteile und Elemente« (S. 52ff.) und, Besonderheiten zum »Bauen im Bestand« (S. 70ff.).

Entwurfsplanung (Lph 3)

Bei der Entwurfsplanung wird das eigentliche Brandschutzkonzept auf Basis der zuvor festgelegten Grundzüge erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt hierbei insbesondere im Herausstellen der Wechselwirkungen zwischen anlagentechnischen und baulichen Maßnahmen zur Begründung bzw. Kompensation von Abweichungen von öffentlich-rechtlichen Vorschriften (siehe »Kompensationsmaßnahmen«, S. 86ff. und »Abweichungen«, S. 16f.). Darüber hinaus müssen in dieser Phase die objektspezifischen Brandschutzanforderungen weiter detailliert bzw. konkretisiert werden. Insbesondere bei Lösungen, die auf anlagentechnischen Maßnahmen beruhen, geht es darum, neben den Investitionskosten auch die zugehörigen Betriebskosten in der Gesamtheit zu betrachten. Im Zuge dieser Konkretisierung finden in der Regel Beratungs- bzw. Planungsleistungen im Hinblick auf eine wirtschaftliche und projektgemäße Auswahl von geeigneten Materialien und Baustoffen für das jeweilige Vorhaben statt. Neben der allgemeinen Fragestellung, ob und wie ein Gebäude z. B. in Holzbauweise errich-

Brandschutznachweis, Mustergliederung Insbesondere bei Sonderbauten hat es sich als zielführend erwiesen, den Brandschutznachweis gemäß nachfolgender Mustergliederung bei der Nachweisführung und der Nachweisprüfung zu strukturieren – wobei es erforderlich sein wird, die einzelnen Kapitel projektspezifisch weiter zu unterteilen. Die Anwendung der Gliederung erleichtert es, die brandschutztechnisch relevanten Aspekte aufeinander aufbauend zu bearbeiten und so in einen folgerichtigen und somit nachvollziehbaren Gesamtzusammenhang zu stellen. Naturgemäß sind in Abhängigkeit von der konkreten Fallgestaltung Variationen zum Inhalt und zur Reihenfolge möglich bzw. erforderlich. 1. Einführung 1.1. Einführung 1.2. Unterlagen und Beiträge 1.3. Gebäude und Nutzung, Personenzahlen 1.4. Einstufung und Rechtsgrundlagen 1.5. Brandschutzkonzept, Zusammenfassung 1.6. Abweichungen

Planungsstrategien Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen

2. 2.1.

Brandschutztechnische Infrastruktur Abwehrender Brandschutz (Zuständigkeit, Zufahrten, Löschwasserversorgung) 2.2. Löscheinrichtungen 2.3. Brandmeldeanlage 2.4. Alarmierungseinrichtungen 2.5. Sicherheitsbeleuchtung, Rettungszeichen 2.6. Funktionserhalt, Sicherheitsstromversorgung 2.7. BOS-Gebäudefunkanlagen 2.8. Brandfallsteuerung 2.9. Rauchableitung 3. Baulicher Brandschutz 3.1. Tragwerk 3.2. Abschnittsbildung 3.3. Außenwände und Vorbauten 3.4. Dächer 3.5. Rettungswege 3.5.1. Rettungswegführung, Ausgänge 3.5.2. Treppen 3.5.3. Notwendige Treppenräume 3.5.4. Notwendige Flure 3.5.5. Fenster, Türen 3.6. Ausbau 4. Brandschutz bei der technischen Gebäudeausrüstung 4.1. Aufzüge 4.2. Lüftungsanlagen 4.3. Leitungsanlagen, Schächte 4.4. Feuerungsanlagen 4.5. Blitzschutz 4.6. Elektrische Betriebsräume 5. Betrieblicher Brandschutz, Planunterlagen 5.1. Aufgaben 5.2. Brandschutzbeauftragter 5.3. Selbsthilfekräfte 5.4. Betriebsvorschriften 5.5. Feuerwehrpläne 5.6. Flucht- und Rettungspläne 6. Prüfungen 6.1. Bescheinigungen durch Prüfsachverständige 6.2. Bestätigungen durch Sachkundige 6.3. Wiederkehrende Prüfungen

7.

Anlagen (z. B. mit Hinweisen zur Ausführung außerhalb des baurechtlichen Prüfumfangs)

Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen Wie unter »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz« (S. 13ff.) bereits dargestellt, ist jedes Gebäude entsprechend der Musterbauordnung (MBO) zunächst einer der fünf Gebäudeklassen zugeordnet. An jede dieser Gebäudeklassen bestehen verbindliche materielle Anforderungen zum Brandschutz über den zugehörigen abgestuften, risikoorientierten Anforderungskatalog (insbesondere an Wände, Decken, Dächer, Rettungswege). Eine Übersicht der wesentlichen Anforderungen an den Brandschutz aus diesem Anforderungskatalog zeigt Abb. 1 (S. 30ff.). Weitere Anforderungen ergeben sich bauordnungsrechtlich in den meisten Fällen, wenn zusätzlich ein Sonderbautatbestand vorliegt (siehe Abb. 16, S. 15). Diese Gebäudetypen und die jeweils objektspezifisch zugehörigen Brandschutzkonzepte zeigen eine derartige Variantenvielfalt, dass an dieser Stelle keine verallgemeinernde Aussage möglich ist. Außer vielleicht, dass bei Sonderbauten regelmäßig die Rettungswegführung über bauliche Rettungswege erfolgen muss, d. h. dass ein Nachweis der Rettungswege über Gerätschaften der Feuerwehr in den meisten Fällen nicht bedenkenlos möglich sein wird (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 2 MBO). Die nachfolgend angeführten typologischen Besonderheiten bzw. Gemeinsamkeiten beziehen sich somit auf das Brandschutzkonzept der Musterbauordnung für Standardbauten und stellen exemplarisch in der Praxis häufig wiederkehrende Situationen dar.

Wie Abb. 1 (S.  30ff.) zeigt, bestehen an Gebäude der Gebäudeklasse 1 weitgehend keine materiellen Anforderungen an deren Bauteile, was der geringen Ausdehnung dieser Gebäude in Verbindung mit dem gesellschaftlich akzeptierten Restrisiko geschuldet ist. Aber auch in dieser Gebäudeklasse gibt es umzusetzende Grundstrukturen hinsichtlich der Rettungswegkonzeption. Generell gilt: 1. Maximal zulässige Rettungsweglänge

Unabhängig von der Gebäudeklasse darf die Rettungsweglänge von jeder Stelle • eines Aufenthaltsraums sowie • eines Kellergeschosses maximal 35 m zu • einem Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder • einem Ausgang ins Freie betragen. In den oberirdischen Geschossen ist somit eine Differenzierung im Hinblick auf die Nutzung zulässig (Aufenthaltsraum ja /nein), wohingegen im Untergeschoss die Weglänge unabhängig von der Nutzung auf max. 35 m beschränkt ist. Dies begründet sich dadurch, dass eine Brandbekämpfung durch die Feuerwehr im Untergeschoss unter erschwerten Umständen erfolgt (es ist meist kein »Außenangriff« möglich, es bestehen oft nur gerige Öffnungen für die Rauchableitung und meist muss gegen einen ansteigenden Heißgasstrom gearbeitet werden etc.). Der Nachweis der Rettungsweglänge erfolgt zeichnerisch von der hintersten Raumecke (nicht etwa von Raummitte o. Ä.) und in wahrer Lauflinie (also nicht im 35 m-Radius), wobei dem allgemeinen Verständnis nach lose Möblierung übermessen werden darf, nicht aber unüberwindbare Bauteile wie Wände, feste Raumteiler o. Ä. 29

Planungsstrategien Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen

Gebäudeklasse Anforderungskatalog wesentlicher Bauteilmerkmale nach Musterbauordnung (MBO)

frei stehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

GK 1

GK 2

Bauteil

sonstige Gebäude mit Gebäude mit einer einer Höhe bis zu 7 m Höhe bis zu 13 m

sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude

Anforderung nach

und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2 GK 3

GK 4

GK 5

MBO

tragende und aussteifende Wände und Stützen feuerhemmend

feuerhemmend

hochfeuerhemmend

feuerbeständig

… in Kellergeschossen

… in oberirdischen Geschossen

feuerhemmend



feuerhemmend

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

… für Geschosse im Dachraum

– (bei Anordnung von Trennwänden ggf. feuerhemmend)

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: hochfeuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerbeständig

feuerhemmend

feuerhemmend

hochfeuerhemmend

feuerbeständig

§ 27

Decken … von oberirdischen Geschossen



… von Kellergeschossen

feuerhemmend

feuerhemmend

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

… für Geschosse im Dachraum

– (bei Anordnung von Trennwänden ggf. feuerhemmend)

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: hochfeuerhemmend

nur, wenn darüber noch Aufenthaltsräume möglich sind: feuerbeständig

feuerbeständig (außer in Wohngebäuden)

feuerbeständig (außer in Wohngebäuden)

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

ja

ja, innerhalb derselben Nutzungseinheit mit nicht mehr als 400 m2 in nicht mehr als zwei Geschossen

… unter und über Räumen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr

…Öffnungen ohne Abschlüsse in ja der Feuerwiderstandsfähigkeit der Decke zulässig

§ 31

Dächer … mit harter Bedachung

nein, wenn Abstände nein, wenn Abstände nein, wenn Abstände ja nach § 32 Abs. 2 MBO nach § 32 Abs. 2 MBO nach § 32 Abs. 2 MBO eingehalten werden eingehalten werden eingehalten werden

… von traufseitig aneinandergebauten Gebäuden

feuerhemmend, für eine Brandbeanspruchung von innen nach außen

… von Anbauten, die an Außenwände mit Öffnungen oder ohne Feuerwiderstandsfähigkeit anschließen

im Abstand von 5 m zu diesen Wänden in der Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudeteils, an dem sie angebaut werden (außer bei Wohngebäuden)

ja

§ 32 im Abstand von 5 m zu diesen Wänden in der Feuerwiderstandsfähigkeit der Decken des Gebäudeteils, an dem sie angebaut werden

Außenwände nicht tragende Außenwände und nicht tragende Teile tragender Außenwände







nicht brennbar oder feuerhemmend

nicht brennbar oder feuerhemmend

… Oberflächen von Außenwänden sowie Außenwandbekleidungen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktion







mindestens schwer entflammbar (bei feuerhemmender Außenwand)

mindestens schwer entflammbar (bei feuerhemmender Außenwand)

… mit hinterlüfteten Außenwandbekleidungen oder Doppelfassaden





bei Doppelfassaden: besondere Vorkehrungen gegen Brandausbreitung treffen

besondere Vorkehrungen gegen Brandausbreitung treffen

besondere Vorkehrungen gegen Brandausbreitung treffen

§ 28

Gebäudeabschlusswände … Feuerwiderstandsfähigkeit

– (frei stehendes Gebäude)

hochfeuerhemmend oder von außen feuerbeständig und von innen mind. feuerhemmend

hochfeuerhemmend oder von außen feuerbeständig und von innen mind. feuerhemmend

hochfeuerhemmend auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung

Brandwand (feuerbeständig, auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung)

… oberer Abschluss

– (frei stehendes Gebäude)

bis unter die Dachhaut geführt

bis unter die Dachhaut geführt

0,3 m über Dach geführt oder in Höhe der Dachhaut beiderseits 0,5 m auskragende feuerbeständige Platte

0,3 m über Dach geführt oder in Höhe der Dachhaut beiderseits 0,5 m auskragende feuerbeständige Platte

… Außenwandbekleidungen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktion

– (frei stehendes Gebäude)

nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

… Türen, Fenster, sonstige Öffnungen

– (frei stehendes Gebäude)

nicht zulässig

nicht zulässig

nicht zulässig

nicht zulässig

1

30

§ 30

Planungsstrategien Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen

Gebäudeklasse Anforderungskatalog wesentlicher Bauteilmerkmale nach Musterbauordnung (MBO)

frei stehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

GK 1

GK 2

Bauteil

sonstige Gebäude mit Gebäude mit einer einer Höhe bis zu 7 m Höhe bis zu 13 m

sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude

Anforderung nach

und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2 GK 3

GK 4

GK 5

MBO

innere Brandwände Brandwand (feuerbeständig, auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung)

… Feuerwiderstandsfähigkeit

hochfeuerhemmend

hochfeuerhemmend

hochfeuerhemmend

hochfeuerhemmend, auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung

… oberer Abschluss

bis unter die Dachhaut geführt

bis unter die Dachhaut geführt

bis unter die Dachhaut geführt

0,3 m über Dach geführt oder in Höhe der Dachhaut beiderseits 0,5 m auskragende feuerbeständige Platte

… Außenwandkonstruktion

besondere Vorkehrungen gegen Brandausbreitung treffen

… Türen, Verglasungen, sonstige Öffnungen

nur zulässig, wenn sie auf die für die Nutzung erforderliche Zahl und Größe beschränkt sind und ihr Abschluss der Qualität der Wand entspricht

§ 30

Trennwände … zwischen Nutzungseinheiten

feuerhemmend (außer in Wohngebäuden)

feuerhemmend

hochfeuerhemmend

feuerbeständig

… zum Abschluss von Räumen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr

feuerbeständig (außer in Wohngebäuden)

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerhemmend (außer in Wohngebäuden) … zwischen Aufenthaltshaltsräumen und anders genutzten Räumen im Kellergeschoss

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

nicht brennbar oder feuerhemmend

nicht brennbar

feuerhemmend und nicht brennbar

§ 29

notwendige Treppen … tragende Teile … tragende Teile von Außentreppen

… in einem Zug zu allen angeschlossenen Geschossen zu führen





– (sofern ihre Nutzung ausreichend sicher ist und im Brandfall nicht gefährdet werden kann – vgl. § 35 MBO)

nicht brennbar (sofern ihre Nutzung ausreichend sicher ist und im Brandfall nicht gefährdet werden kann – vgl. § 35 MBO)

nein

nein

nein

nein

nein

ja, außer für die Verbindung von höchstens zwei Geschossen innerhalb derselben Nutzungseinheit, wenn in jedem Geschoss ein anderer Rettungsweg erreicht werden kann

§ 34

ja, außer bei Treppen ja, außer bei Treppen nach § 35 Abs. 1 Satz nach § 35 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 MBO 3 Nr. 2 MBO

notwendige Treppenräume … als eigener, durchgehender Treppenraum mit unmittelbarem Ausgang ins Freie erforderlich

hochfeuerhemmend, auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung

in Bauart von Brandwänden (feuerbeständig, auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung)

… Wände





feuerhemmend

… Außenwände





wenn nicht durch andere an diese Außenwände anschließende Gebäudeteile im Brandfall gefährdet: nicht brennbar; sonst wie »Wände«

… oberer Abschluss





feuerhemmend oder oberer Abschluss durch Dach und Treppenraumwände bis unter die Dachhaut geführt

hochfeuerhemmend oder oberer Abschluss durch Dach und Treppenraumwände bis unter die Dachhaut geführt

feuerbeständig oder oberer Abschluss durch Dach und Treppenraumwände bis unter die Dachhaut geführt

… Bekleidungen, Putze, Dämmstoffe, Unterdecken, Einbauten





nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

… Bodenbeläge, ausgenommen Gleitschutzprofile





mindestens schwer entflammbar

mindestens schwer entflammbar

mindestens schwer entflammbar

… Öffnungen zu Kellergeschossen, nicht ausgebauten Dachräumen, Werkstätten, Läden, Lager- und ähnlichen Räumen sowie zu sonstigen Räumen und Nutzungseinhieten mit einer Fläche von mehr als 200 m2





feuerhemmend, rauchdicht und selbstschließender Abschluss

feuerhemmend, rauchdicht und selbstschließender Abschluss

feuerhemmend, rauchdicht und selbstschließender Abschluss

§ 35

31

Planungsstrategien Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen

1

Anforderungskatalog zu den Gebäudeklassen 1– 5 nach MBO Gebäudeklasse

Anforderungskatalog wesentlicher Bauteilmerkmale nach Musterbauordnung (MBO)

frei stehende Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

Gebäude mit einer Höhe bis zu 7 m

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

und nicht mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt nicht mehr als 400 m2

GK 1

GK 2

Bauteil

sonstige Gebäude mit Gebäude mit einer einer Höhe bis zu 7 m Höhe bis zu 13 m

sonstige Gebäude einschließlich unterirdischer Gebäude

Anforderung nach

und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2 GK 3

GK 4

GK 5

MBO

notwendige Treppenräume (Fortsetzung) … Öffnungen zu notwendigen Fluren





rauchdicht und selbstschließender Abschluss

rauchdicht und selbstschließender Abschluss

rauchdicht und selbstschließender Abschluss

… Öffnungen zu Wohnungen, sonstigen Räumen und Nutzungseinheiten





dicht- und selbstschließender Abschluss

dicht- und selbstschließender Abschluss

dicht- und selbstschließender Abschluss

… Sicherheitsbeleuchtung bei Ausführung ohne Fenster (innen liegender Treppenraum)





… Öffnung zur Rauchableitung









in jedem Geschoss unmittelbar ins Freie führende, öffenbare Fenster mit einem freien Querschnitt von mind. 0,5 m2 oder an oberster Stelle Öffnung mit einem freien Querschnitt von mind. 1 m2

ja

§ 35

an oberster Stelle Öffnung mit einem freien Querschnitt von mind. 1 m2

Rettungswegslängen … in oberirdischen Geschossen

35 m von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes bis zu einem Ausgang in einen notwendigen Treppenraum oder ins Freie

… in Kellergeschossen

35 m von jeder Stelle eines Kellergeschosses bis zum Augang in einen notwendigen Treppenraum oder ins Freie

§ 35

notwendige Flure (offene Gänge) … Anforderungen bestehen

nie in Wohngebäuden, sowie in oberirdischen Geschossen sonstiger Gebäude

nicht für Flure: innerhalb von Wohnungen, innerhalb Nutzungseinheiten mit nicht mehr als 200 m2 und innerhalb von Nutzungseinheiten, die einer Büround Verwaltungsnutzung dienen, mit nicht mehr als 400 m2

… Wände in oberirdischen Geschossen





feuerhemmend

feuerhemmend

feuerhemmend

… Wände in Kellergeschossen

feuerhemmend

feuerhemmend

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

… Bekleidungen, Putze, Dämmstoffe, Unterdecken, Einbauten

nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

nicht brennbar

… Rauchabschnittbildung (gilt nicht für offene Gänge)

Unterteilung max. alle 30 m durch nichtabschließbare, rauchdicht und selbstschließende Abschlüsse

… Türen in Flurwänden

dichtschließend

dichtschließend

dichtschließend

dichtschließend

§ 36

dichtschließend

… Öffnungen zu Lagerbereichen feuerhemmend, dicht- und selbstschließender Abschluss in Kellergeschossen Aufzüge … ohne eigenen Fahrschacht zulässig

ja

ja

nur innerhalb von notwendigen Treppenräumen, innerhalb von Räumen, die Geschosse überbrücken und zur Verbindung von Geschossen, die offen miteinander in Verbindung stehen dürfen

… Fahrschachtwände und -türen –



feuerhemmend mit korrespondierenden Fahrschachttüren



2,5 % der Fahrschachtgrundfläche, mind. aber 0,1 m2

1 … Öffnung zur Rauchableitung

32



feuerbeständig mit hochfeuerhemmend mit korrespondieren- korrespondierenden den Fahrschachttüren Fahrschachttüren

§ 39

Planungsstrategien Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen

2. Anzahl von Ausgängen/Rettungswegen

Ebenfalls unabhängig von der Gebäudeklasse müssen für jede Nutzungseinheit (mit zumindest einem Aufenthaltsraum) in jedem Geschoss (d. h. auch dem Erdgeschoss!) zwei voneinander unabhängige Rettungswege ins Freie vorhanden sein. Die weitläufig anzutreffende Auffassung, dass bei einer Nutzungseinheit im Erdgeschoss mit einem einzigen direkten Ausgang ins Freie den Anforderungen der MBO Genüge getan ist, trifft nicht zu. Allerdings dürfen nach MBO beide Rettungswege im Geschoss über denselben notwendigen Flur führen [3]. Insofern bezieht sich die Redundanz des Rettungswegsystems in Obergeschossen ausschließlich auf die vertikalen Rettungswege. Hier ist also eine Schwachstelle systemimmanent, wenn bei einem solchen Gebäudetyp der notwendige Flur ausfällt und aufgrund der beiden baulichen Rettungswege dann z. B. keine Aufstellflächen für die Feuerwehr vorhanden sind oder die zuständige Feuerwehr nicht über eine Drehleiter verfügt. 3. Nachweis des zweiten Rettungswegs

Die Gebäude der Gebäudeklasse 1– 3 haben gemeinsam, dass aufgrund deren begrenzter Höhe die Führung des zweiten Rettungswegs in der Regel über ragbare Leitern möglich ist, wohingegen bei Gebäudeklasse 4 und 5 Hubrettungsfahrzeuge erforderlich werden, wenn der zweite Rettungsweg nicht baulich sichergestellt werden soll/kann. Bei Gebäudeklasse 4 und 5 sind somit entsprechende Aufstellflächen in der Planung zu berücksichtigen – vorbehaltlich, die Feuerwehr verfügt über ein entsprechendes Rettungsgerät. Bleibt die Thematik im Zuge der Bauleitplanung z. B. bei der Aufstellung eines Bebauungsplans unberücksichtigt, kann dies ggf. dazu führen, dass für dort zu errichtende Gebäude von vornherein ein Rettungswegnachweis

über Gerätschaften der Feuerwehr ausscheidet (da z. B. die entsprechenden Flächen nicht nachträglich eingeplant werden können) und insofern immer bauliche Lösungen erforderlich sind. Entsprechend MBO ist ein zweiter Rettungsweg nur dann nicht erforderlich, wenn ein Sicherheitstreppenraum projektiert wird (siehe »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz«, S. 13ff.). Einzelne Bundesländer (wie z. B. Berlin oder Hamburg) weichen derzeit für Wohngebäude von der bisher bewährten Konzeption der Musterbauordnung dahingehend ab, dass unter gewissen Voraussetzungen auf einen zweiten Rettungsweg verzichtet werden kann, auch wenn nur eine vereinfachte Ausführung eines Sicherheitstreppenraums geplant wird (als »Sicherheitstreppenraum light« bezeichnet). Hierbei wird eine Reduzierung des Sicherheitsniveaus in Kauf genommen, deren Vertretbarkeit Gegenstand aktueller Diskussionen in der Fachwelt ist. Das Bauordnungsrecht sieht nur die Elemente »notwendige Treppe« und «Gerätschaft der Feuerwehr« als vertikalen Rettungsweg vor. Das heißt, ortsfeste Leitern oder beispielsweise in Kellerlichtschächten verbaute Steigeisen o. Ä. sind nicht zulässig. Sofern im begründeten Einzelfall Notleiteranlagen für den zweiten Rettungsweg vorgesehen werden müssen, handelt es sich immer um genehmigungspflichtige Abweichungen (siehe »Bauen im Bestand«, S. 70ff.). 4. Schutz des Rettungswegs, Rettungswegbreite

Mit Ausnahme der Gebäudeklassen 1 und 2 müssen notwendige Treppen zur Sicherstellung der Benutzbarkeit in der Regel – eine Ausnahme kann u. U. eine Außentreppe darstellen – in geschützten Treppenräumen geführt werden. An die Ausgestaltung dieser Treppenräume wer-

den entsprechende materielle Anforderungen geknüpft. Ein notwendiger Treppenraum benötigt einen unmittelbaren Ausgang ins Freie oder muss über eine Treppenraumerweiterung nach § 35 (3) Satz 2 MBO geführt werden. Treppenraumabschlüsse müssen nach MBO immer auch selbstschließend sein – und zwar unabhängig von der Nutzung und der Gebäudeklasse. Insbesondere bei Wohngebäuden wird diese Anforderung nicht immer berücksichtigt, wenngleich die selbstschließende Funktion für den Schutz des Rettungswegs von essenzieller Bedeutung ist. Für die Einbausituation eigen sich beispielsweise Freilauftürschließer, die bei der täglichen Nutzung der Türen keine Beeinträchtigung darstellen (siehe »Bauteile und Elemente«, S. 52ff.). Zur erforderlichen Rettungswegbreite enthält die MBO unabhängig von der Gebäudeklasse keine direkt ablesbare Maßangabe o. Ä. Vielmehr gilt für notwendige Treppen und notwendige Flure, dass diese Elemente für den »größten zu erwartenden Verkehr ausreichen« müssen. Die konkrete Umsetzung für das Projekt obliegt insofern den Planungsbeteiligten. Darüber hinaus bezieht sich diese Formulierung nur indirekt auf den Brandfall. Originär zielt sie auf die Nutzbarkeit des Gebäudes mit dessen Verkehrsflächen im täglichen Betrieb ab. Sind die Breiten hierfür ausreichend dimensioniert, werden sie auch für den Brandfall genügen, so der Ansatz. Allerdings können sich je nach Nutzung des Gebäudes konkrete Anforderungen an Rettungswegbreiten aus anderen Rechtsbereichen ergeben, z. B. aus Regelungen zum Arbeitsschutz. 5. Gebäudeabschlusswände / Schutz des Nachbarn / Abschottungsprinzip

Unabhängig von der Gebäudeklasse 33

Planungsstrategien Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz)

zielen die Regelungen der MBO auf einen Schutz des jeweils angrenzenden Nachbarn ab. Dies beginnt im Kleinen bei der Forderung nach einer feuerwiderstandsfähigen Abtrennung einzelner Nutzungseinheiten voneinander, d. h. innerhalb des Gebäudes (Abschottungsprinzip) und endet bei der Notwendigkeit einer Brandwand als Gebäudeabschlusswand, sofern in einem Abstand < 2,5 m zur Grundstücksgrenze gebaut wird. Mit einer Ausnahme: Ein Abstand von mindestens 5 m zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden ist bereits für die Zukunft »gesichert«, beispielsweise durch Festsetzungen in einem Bebauungsplan. In diesen Gebäudeabschlusswänden sind generell sowohl Öffnungen als auch Verglasungen unzulässig – auch, wenn entsprechend feuerwiderstandsfähige Produkten eingesetzt würden. Bei Trennwänden zwischen Nutzungseinheiten und inneren Brandwänden hingegen sind vorgenannte Elemente möglich, wenn sie »auf die für die Nutzung erforderliche Zahl und Größe beschränkt sind«. 6. Einsatzmöglichkeit des Baustoffs Holz

Die Anforderungssystematik der MBO beeinflusst insbesondere die Materialwahl von tragenden und aussteifenden Bauteilen (siehe Abb. 1, S. 30ff.). Während bei Gebäudeklasse 1– 3 maximal »feuerhemmend« vorgegeben wird, was Holzbauweisen weitgehend unbeschränkt ermöglicht, scheidet der Baustoff Holz bei Gebäudeklasse 5 (Anforderung »feuerbeständig«) per Definition aus. Gebäudeklasse 4 stellt einen Sonderfall dar, für den der Einsatz von Holzwerkstoffen im Rahmen weiterer Bedingungen vom Grundsatz her möglich sein soll (Anforderung »hochfeuerhemmend«). Hochfeuerhemmend sind tragende und aussteifende Bauteile aus Holz, sofern sie gemäß § 26 MBO »allseitig eine brand34

schutztechnisch wirksame Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) und Dämmstoffe aus nichtbrennbaren Baustoffen haben« (siehe »Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK4 bzw. im Stahlbau«, S. 61ff.). 7. Prüfpflicht der Brandschutznachweise

Die Brandschutznachweise bzw. Brandschutzkonzepte von Gebäuden der Gebäudeklasse 1– 4 sind gemäß der Regelungen von § 66 (3) MBO nicht prüfpflichtig. Im Umkehrschluss besteht auch kein Rechtsanspruch auf eine Prüfung des Nachweises, wenn er im Rahmen des Genehmigungsverfahrens trotzdem eingereicht wird. Prüfpflichtig ist ausschließlich die Gebäudeklasse 5, Mittel- und Großgaragen sowie Sonderbauten (siehe »Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz)«). Befindet sich beispielsweise eine Großgarage unterhalb einer Wohnbebauung der Gebäudeklasse 4, ist der Brandschutz der Garage prüfpflichtig, nicht aber die hiervon aufgehenden Wohngebäude. In der Regel beinhaltet der Prüfumfang in diesem Fall noch die Treppenräume einschließlich deren Ausgänge ins Freie, sofern hierüber die Rettungswege der Garage führen.

Verfahren (Vier-Augenprinzip, PSV Brandschutz) Wie bereits im Kapitel »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen« (S. 29ff.) erwähnt, sieht die MBO ein Vier-Augenprinzip für den Brandschutz in Abhängigkeit vom jeweiligen Risikopotenzial des Gebäudetyps bzw. der Gebäudeart vor. Diese Systematik nimmt auf den gesellschaftlich angestrebten Bürokratieabbau und den Wunsch nach Deregulierung Bezug. Die Brand-

schutznachweise werden daher im VierAugenprinzip nur geprüft bei: • Gebäuden der Gebäudeklasse 5 • Sonderbauten • Mittel- und Großgaragen In allen anderen Fällen ist der Brandschutz von der Prüfpflicht befreit [4]. Die Musterbauordnung eröffnet jedoch die Möglichkeit, • einer bauaufsichtlichen Brandschutzprüfung oder • einer Bescheinigung durch einen Prüfsachverständigen Beide Verfahren sind danach gleichgestellt, wobei die Umsetzung dieser Möglichkeit in den einzelnen Bundesländern zum Teil differiert. Die Prüfsachverständigen für Brandschutz nach MBO sind gleichermaßen berechtigt, im Rahmen der Nachweisprüfung Abweichungen nach § 67 MBO zu bescheinigen. Das Anerkennungsverfahren sowie die Tätigkeit der Prüfingenieure bzw. Prüfsachverständigen (einzelne Bundesländer differenzieren in der Begrifflichkeit) wird in der Musterverordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen (M-PPVO) definiert [5]. Neben der eigentlichen Nachweisprüfung definieren sich deren Tätigkeitsschwerpunkte wie folgt: • der Prüfingenieur bzw. Prüfsachverständige hat die zuständige Brandschutzdienststelle zu beteiligen und deren Anforderungen des abwehrenden Brandschutzes im Rahmen seiner Prüfung zu »würdigen« und • der Prüfingenieur bzw. Prüfsachverständige hat die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichlich der von ihm geprüften/bescheinigten Brandschutznachweise zu überwachen. Letzteres bedeutet, dass das Prüfsachverständigenverfahren eine brandschutztechnische Überwachung der Bauausführung

Planungsstrategien Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden

Übertragung von Feuer und Rauch möglich? Vorderkante Rohdecke

2

durch einen Dritten zwingend vorschreibt, wohingegen dies im bauaufsichtlichen Verfahren nicht der Fall ist. Die Überwachung der ordnungsgemäßen Bauausführung kann sich auf Stichproben nach M-PPVO beschränken. Soll der Brandschutznachweis bauaufsichtlich geprüft werden, ist dieser als Bestandteil der Bauvorlagen zeitgleich einzureichen. Dies führt in der Praxis meist zu terminlichen Schwierigkeiten, da das erforderliche Zeitfenster für den finalen Planaustausch nach Fertigstellung der Bauantragspläne oft fehlt (siehe auch »Brandschutzplanung, Brandschutzkonzepte und -nachweise, Leistungsbild«, S. 25ff.). Eine gewisse zeitliche Entspannung bietet hier das Prüfsachverständigenverfahren. In diesem Fall ist es ausreichend, wenn die Bescheinigung des Prüfsachverständigen (spätestens) zum Zeitpunkt des Baubeginns vorliegt [6].

Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden Ferdinand Wirsching, Thilo A. Hoffmann In der Ausführungsplanung müssen die Anforderungen aus dem Brandschutznachweis in die konkrete Planung übersetzt werden. Nachfolgend werden relevante Hinweise zu konstruktiven Besonderheiten regelmäßig wiederkehrender Detailpunkte beschrieben. Fassadenanschluss Geschossdecke

Bei vielen Fassadentypen (z. B. Vorhangfassaden) führen Geschossdecken – meist aus konstruktiven Gründen – nicht direkt bis an die Fassade, d. h. bis an die Hinterkante der eigentlichen Klimahülle. Dadurch entsteht ein mehr oder weniger breiter Spalt zwischen der meist massiven Geschossdecke und der Fassaden-

Prinzipschnitt Anschluss Decke an Fassade, Maßstab 1:10

konstruktion (und somit innerhalb des Gebäudes), der für den Brandschutz u. U. problematisch sein kann und im Hinblick auf die Mindestanforderungen der Musterbauordnung zu überprüfen ist (Abb. 2). Gemäß Schutzzieldefinition der MBO müssen: »Decken [...] als […] raumabschließende Bauteile zwischen Geschossen im Brandfall ausreichend lang […] widerstandsfähig gegen die Brandausbreitung sein.« [7] Zur Umsetzung dieses Schutzziels kann der Planer nicht auf »fertige« – also geprüfte – »Systemlösungen« zurückgreifen, wie dies z. B. bei den im Kapitel »Bauteile und Elemente« (S. 52ff.) vorgestellten Elementen der Fall ist, denn für den Anschlusspunkt Geschossdecke – Fassade gibt es kein geeignetes Prüfverfahren. Daher kann auch kein klassifizierter Anschluss nachgewiesen werden. Insofern findet der Planer auch keine Verwendbarkeitsnachweise (allgemein bauaufsichtlichen Zulassungen bzw. Prüfzeugnissen o. Ä., siehe » Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)«, S. 65ff.) mit Vorgaben, wie die feuerwiderstandsfähigen Bauteile (hier die Geschossdecke) an nicht feuerwiderstandsfähige Bauteile (hier die Fassade) angeschlossen werden müssen bzw. können. Dergleichen gilt für Angaben allgemein anerkannter Regeln der Technik. In Ermangelung eines Prüfverfahrens und damit der Bewertungsgrundlage ist dementsprechend auch keine Zustimmung im Einzelfall (siehe »Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)« S. 65ff.) für diesen Anschlusspunkt möglich bzw. im Umkehrschluss bauordnungsrechtlich auch nicht erforderlich. Selbiges gilt für die Erteilung einer Abweichung nach § 67

2

Hinterkante Fassade / Klimahülle

MBO (siehe »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz«, S. 13ff.). Vielmehr gehört es zur Planungsaufgabe, den Fassadenanschluss in Abhängigkeit von den jeweiligen projektspezifischen Gegebenheiten im Einzelfall konstruktiv zu lösen. Aus dem Schutzziel der MBO abgeleitet, muss der Anschluss eine Ausbreitung von Feuer und Rauch in das darüberliegende Geschoss zumindest bis zum Zeitpunkt des Versagens der Fassade verhindern. Hierzu eignen sich z. B. entsprechend dimensionierte Stahlblechwinkel oder Feuerschutzplatten, die an der Rohdecke auskragend kraftschlüssig befestigt werden – an der Fassade ist dementsprechend ein gleitender Anschluss auszubilden –, die den Spalt zunächst nach unten abdecken. Von oben kann der Spalt dann mit nicht brennbarem Dämmmaterial (z. B. Mineralwolle, Schmelzpunkt > 1000 °C) dicht verfüllt werden. Alternativ oder auch zusätzlich kann auf der Deckenoberseite in Verbindung mit einem auskragenden Winkel ggf. der Fußbodenaufbau, d. h. insbesondere die Estrichebene, über den Spalt geführt und unterseitig die Ausstopfung vorgenommen werden (Abb. 3 a– c, S. 36). Ein Nachweis über die Umsetzung des Schutzziels kann bei Bedarf anhand einer gutachterlichen Stellungnahme eines Sachverständigen oder aber durch eine anerkannten Prüfstelle erfolgen, eine baurechtliche Notwendigkeit besteht hierzu aber in der Regel nicht. Für Fassadentypen mit zweischaligem Aufbau wie hinterlüftete oder Doppelfassaden gibt es über den zuvor beschriebenen Sachverhalt hinaus weitere brandschutztechnisch relevante Anforderungen, siehe dazu »Hinterlüftete Fassaden« (S. 38f.) und »Außenwände und Fassaden« (S. 58). 35

Planungsstrategien Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden

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hohlraumfreie und stramm bzw. gestaucht eingebrachte Mineralwolle, nicht brennbar, Schmelzpunkt > 1000 °C Brandschutzdichtschnur mit entsprechender Fugenabdeckung versetzt verschraubt und verspachtelte Feuerschutzplatten Stahlblechwinkel (Blechdicke ≥ 2 mm) gegeneinander verschraubte Stahlblechwinkel (Blechdicke ≥ 2 mm) dauerelastische Fugenabdeckung Fassadenanschluss Trennwand – Brandwand 4

1 Vorderkante Rohdecke

5 2 3 Hinterkante Fassade/Klimahülle a

4 6

1 Vorderkante Rohdecke 5 2 3 Hinterkante Fassade/Klimahülle b

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1

Vorderkante Rohdecke

2 4 Hinterkante Fassade/Klimahülle

3c

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Werden Trennwände, die eine raumabschließende Funktion im Brandfall besitzen, oder Brandwände bis an die Fassade geführt, ergibt sich im Hinblick auf die Detaillierung des Anschlusspunkts sowie die Art der Nachweisführung bzw. etwaiger Verwendbarkeitsnachweise eine ähnliche Situation wie bei den zuvor erläuterten Fassadenanschlüssen von Geschossdecken. Um die in der MBO definierten Schutzziele bezogen auf den Raumabschluss [8] auch bei diesen Anschlüssen umzusetzen, müssen die betroffenen Wände ebenfalls zumindest bis an die Hinterkante der eigentlichen Klimahülle führen. Insofern endet das Bauteil »Wand« mit Anforderung an den Feuerwiderstand dann systembedingt einseitig an einem Bauteil »Fassade«, in der Regel ohne Anforderung an den Feuerwiderstand. Die Verwendbarkeitsnachweise für Wände (wie z. B. Trockenbautrennwände) regeln diesen Einsatzfall nicht und fordern daher zunächst einen allseitigen Anschluss der gegenständlichen Trennwand an Bauteile mit gleicher Feuerwiderstandsdauer (und somit eigentlich auch im Bereich der Fassade). Diese Forderung liegt dabei ausschließlich in den Prüf- und Klassifizierungsnormen begründet (z. B. DIN 4102 Teil 4), da für die Klassifizierung von Bauteilen vorausgesetzt wird, dass deren angeschlossene Bauteile ebenfalls mindestens derselben Feuerwiderstandsklasse angehören. Aus bauordnungsrechtlicher Sicht bedeutet dies aber keinen Widerspruch, da die Anforderungen aus der Musterbauordnung mit Blick auf die zu erfüllenden Schutzziele bei der baurechtlichen Beurteilung Vorrang haben. Nach MBO ist der Anschluss von Trennwänden mit Anforderung an den Feuerwiderstand an nicht tragende Außenwände ohne Anforderung

an den Feuerwiderstand grundsätzlich zulässig bzw. sogar so vorgesehen. Bei Trockenbautrennwänden erfordert der Verwendbarkeitsnachweis jedoch ggf. einen zwei- oder vierseitig kraftschlüssigen Anschluss, der somit auch im Fassadenbereich zwingen erforderlich wäre. Die vorstehende Thematik überlagert sich in der Praxis oftmals mit der Gestaltungsabsicht, Trenn- bzw. Brandwände möglichst »schlank« an die Fassade zu führen, sodass sich der Trennwandanschluss in der Fassadenansicht von außen nicht abbildet. Hieraus resultieren häufig »schwertartige« Lösungen zur Reduzierung der Bauteilstärke, deren Ausbildung jeweils im Einzelfall unter Beachtung des Gesamtkonzepts zu entwickeln ist. Die reduzierte Bauteilstärke geht in der Regel mit einer reduzierten Feuerwiderstandsdauer einher, sodass stets eine Überprüfung im Hinblick auf die Übereinstimmung mit den betroffenen Schutzzielen erforderlich wird. Neben der Frage, welche Trennwand konkret betroffen ist (feuerhemmend / feuerbeständig/Brandwand) und wie der jeweilige Fassadenaufbau aussieht, spielt insbesondere die gewünschte Schwerttiefe für die fachliche und formale Bewertung eine Rolle. So wird beispielsweise mit zunehmender Schwerttiefe bei einer Brandwand auch die Feststellung einer Abweichung nach § 67 MBO erfolgen (die somit auch entsprechend zu begründen /zu kompensieren ist), da die Brandwand im Bereich des Trockenbauschwerts voraussichtlich nicht alle Anforderungen an Brandwände aus § 30 MBO erfüllen wird (z. B. im Hinblick auf die mechanische Belastbarkeit im Brandfall »M«). Dabei erfolgt die Feststellung der Abweichung dann losgelöst von der zuvor geschilderten Thematik des eigentlichen Anschlusses Wand – Fassade.

Planungsstrategien Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden

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4 5 7 8

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Mietbereichstrennwand (R'W ≥ 64 dB): Massivbauplatte (beidseitig) 20 mm Stahlblech verzinkt (beidseitig) 0,5 mm Stahlständer entkoppelt 100 mm dazwischen Hohlraumbedämpfung Mineralfaser 80 mm Stahlstütze als Abschluss für Brandwand Verkleidung F 90/BW Anschlussschwert Mietbereichstrennwand (RWR ≥ 50 dB, F 90): beidseitige Beplankung Spezialgipsplatte 15 mm Stahlblech verzinkt 2 mm Hohlraumbedämpfung Mineralwolle 10 mm Fugendeckstreifen Spezialgipsplatte 15 mm Mineralwolle 10 mm Trennwandkitt erforderliche Maßnahme zur Erreichung des geforderten Schalllängsdämmmaßes

a

Wesentlich bei diesen Schwertanschlüssen ist analog zu den Deckenanschlüssen an die Fassade die kraftschlüssige, dreiseitige Befestigung des Schwerts an den begrenzenden Bauteilen mit Feuerwiderstand und ein (im Brandfall) gleitender, aber möglichst formstabiler Anschluss an der Fassade selbst (Abb. 4). Bei einer kraftschlüssigen Verbindung zur Fassade besteht die Gefahr, dass das Schwert in Verbindung mit der beginnenden Zerstörung der Fassade im Brandraum vorzeitig versagt bzw. beschädigt wird und so innerhalb des Gebäudes eine Übertragung von Feuer und Rauch im Bereich der Trennwand ermöglicht. Insbesondere Fassadenkonstruktionen mit Aluminiumprofilen versagen bei einem Brand meist »frühzeitig«. Mit zunehmender Pfostentiefe oder bei nach innen zurückversetzten Pfosten ist es im Einzelfall erforderlich, die Fassadenpfosten selbst in die brandschutztechnische Maßnahme einzubeziehen, d. h. beispielsweise auch mit Feuerschutzplatten zu bekleiden (Abb. 4 d). Auch gehören in diesem Fall die Fassadenriegel gleichermaßen mit in die Betrachtung und erfordern häufig Sonderlösungen, insbesondere, wenn diese an den Pfosten im Trennwandbereich nicht gestoßen werden, sondern durchlaufen sollen.

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1 Anschlussschwert Mietbereichstrennwand (RWR ≥ 50 dB, F 90) beidseitige Beplankung Spezialgipsplatte 15 mm Stahlblech verzinkt 2 mm Hohlraumbedämpfung Mineralwolle 30 mm 2 Fugendeckstreifen 3 Spezialgipsplatte 15 mm 4 Mineralwolle 5 Trennwandkitt 6 Stahlprofil fi 7 erforderliche Maßnahme zur Erreichung des geforderten Schalllängsdämmmaßes der Fassadenkonstruktion (RL, W, B = 56 dB) 8 Stahlprofil  9 Hartschaumdämmung 10 Aluminiumprofil fi 11 elastische Kopplung

11 10 9

b

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1 2 3 2 3

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4 5 6 8

c

Mietbereichstrennwand (R'W ≥ 53 dB /RWR ≥ 63 dB): Gipskarton-Schallschutz-/Feuerschutzplatten (beidseitig) 2≈ 12,5 mm Stahlständer entkoppelt 2≈ 50 mm mit 5 mm Abstand dazwischen Hohlraumbedämpfung Mineralfaser 2≈ 40 mm Trennwandkitt Anschlussschwert Mietbereichstrennwand (RWR ≥ 50 dB, F 90): Spezialgipsplatte (beidseitig) 15 mm Stahlblech verzinkt (beidseitig) 2 mm Hohlraumbedämpfung Mineralwolle 10 mm Fugendeckstreifen Spezialgipsplatte 15 mm Mineralwolle erforderliche Maßnahme zur Erreichung des geforderten Schalllängsdämmmaßes der Fassadenkonstruktion (RL, W, B = 56 dB)

Anschluss Trennwand – Dach

Um das nach MBO geforderte Schutzziel von Trennwänden mit einer ausreichend langen Feuerwiderstandsdauer in raumabschließender Hinsicht im Bereich des Dachanschlusspunkts sicherzustellen [9], sieht diese grundsätzlich zwei Varianten vor. Die Trennwände sind entweder • bis unter die Dachhaut zu führen oder • wenn die Trennwände nur bis zur Rohdecke geführt werden, ist diese Decke als raumabschließendes Bauteil einschließlich der sie tragenden und aussteifenden Bauteile feuerhemmend herzustellen.

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brandschutztechnisch wirksame zusätzliche Bekleidung 4

4d

Prinzipschnitte Fassadenanschluss, Maßstab 1:10 a unterseitig Feuerschutzplatten, oberseitig Estrich b unterseitig Feuerschutzplatten, oberseitig Systemboden c Stahlblechwinkel unterseitig Feuerschutzplatten, oberseitig Estrich Schwertanschlüsse, Maßstab 1:10 a Trockenbaubrandwand an Fassade b Stahlbetonbrandwand an Fassade c Trockenbautrennwand F 90 an Fassade d Trockenbautrennwand F 90 an Fassade mit bekleidetem Fassadenpfosten

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Planungsstrategien Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden

1 2 3

4

Sickenfüller Feuerschutzplatte Gipskarton 2≈ 20 mm Feuerschutzplatte Gipskarton 2≈ 12,5 mm Metallständer Feuerschutzplatte Gipskarton 2≈ 12,5 mm Feuerschutzplatte Gipskarton 3≈ 12,5 mm

Die erste Lösung kommt oft zum Einsatz, da feuerhemmende, raumabschließende Bauteile (in diesem Fall die Dachflächen) meist nicht vorgesehen sind und somit einen deutlichen Mehraufwand bedeuten würden. Zunächst muss dabei jedoch festgestellt werden, welche Schicht überhaupt konkret die »Dachhaut« bildet. Theoretisch könnte das eine oberseitige Lage Trapezblech sein. Sobald hierauf allerdings eine Wärmedämmschicht aufliegt, wird bei dem Trapezblech im Allgemeinen nicht mehr von der Dachhaut gesprochen. Vielmehr gilt es dann als tragende Dachschale, etwaige Abdichtungsbahnen über der Wärmedämmschicht bilden in diesem Fall die Dachhaut. Insofern müsste nun die Trennwand (formal) bis unter die Abdichtungsbahn geführt werden. Was bei einer Neuplanung – je nach Situation – noch lösbar erscheint, wird späte-

stens im Rahmen einer Bestandsertüchtigung kaum mehr möglich sein. Dann wäre abzuwägen, ob eine nachträgliche Öffnung der Dachkonstruktion (mit der einhergehenden Änderung des statischen Systems der tragenden Dachschale) verhältnismäßig erscheint, um die Trennwand bis unter die Abdichtung führen zu können. Ggf. lohnt sich im Kontext des Gesamtkonzepts die Überprüfung, ob das Schutzziel nicht erreichbar wird, wenn die Trennwand auch in diesem Fall nur bis unter das Trapezblech reicht und flankierende Maßnahmen (wie das Verschließen etwaiger Hohlräume sowie die Verhinderung einer möglichen Brandweiterleitung im Dachbereich z. B. über den Austausch der Dämmung zugunsten von A1-Baustoffen) ausreichend wären. Inwiefern eine zu kompensierende Abweichung von der MBO vorliegt, hängt im Einzelfall vom jeweiligen Dachaufbau ab.

112,5 cm

100 cm 1

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50 cm

50 cm

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Aus brandschutztechnischer Sicht sind bei raumabschließenden Trennwänden, die an das Dach angeschlossen werden müssen, massive Bauweisen den leichten Bauweisen grundsätzlich vorzuziehen. Letztlich bildet der obere Abschluss der Trennwand einen Detailpunkt, der in der Regel keine Feuerwiderstandsdauer aufweist. Bei Trockenbautrennwänden würde sich hier die Frage des fehlenden oberseitigen kraftschlüssigen Anschlusses in der gleichen Feuerwiderstandsdauer der Trennwand stellen. Umgangen wird diese Frage in der Praxis beispielsweise durch Anbringen von Feuerschutzplatten unterseitig der Tragschale (z. B. Trapezblech) ohne Feuerwiderstandsdauer, die ein wenig (z. B. 50 cm) über die Trennwand auskragen, wodurch die Trockenbautrennwand dann bis an diese Feuerschutzplatten angeschlossen werden kann (Abb. 5). Ob dies im Einzelfall zielführend und ausreichend ist, hängt von einer Vielzahl an Parametern ab und erfordert eine Einzelfallbetrachtung. In der Regel wird sich eine nicht raumabschließende Dachfläche im Brandfall immer relativ rasch öffnen. Wenn damit das Herabfallen bzw. eine Beschädigung der zuvor genannten Feuerschutzplatten einhergeht, wird die Kombination aus den Platten in Verbindung mit der Trennwand eine Übertragung von Feuer und Rauch über den erforderlichen Zeitraum voraussichtlich nicht verhindern können. Hinterlüftete Fassaden

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5a

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b

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Sollen Fassaden zusätzlich mit einer hinterlüfteten Außenwandbekleidung ausgeführt werden, ist neben dem Anschluss von inneren Gebäudeteilen wie Geschossdecken und Trennwänden an die Fassade (siehe S. 35ff.) auch die konstruktive Ausführung des äußeren Fassadenaufbaus brandschutztechnisch relevant.

Planungsstrategien Konstruktive Besonderheiten – Details Deckenanschlüsse, Trennwandanschlüsse, hinterlüftete Fassaden

5

6 7

So schreibt die MBO für Außenwandkonstruktionen mit geschossübergreifenden Hohl- oder Lufträumen im Allgemeinen und insbesondere bei Hinwegführung über Brandwände besondere Vorkehrungen gegen die Brandausbreitung vor [10]. Konkrete Maßnahmen zur Erreichung der vorgenannten Schutzziele beschreibt Anhang 6 der MVV TB. Wesentliche Elemente sind dabei einerseits die Reduzierung von brennbaren Baustoffen selbst, sowie anderseits eine konstruktive Trennung der Außenwandkonstruktion in (kleinere) Segmente. Eine etwaige Wärmedämmung muss z. B. immer nicht brennbar sein, während brennbare Unterkonstruktionen in Abhängigkeit der Tiefe des Hinterlüftungsspalts zum Teil möglich sind und die äußere Bekleidung der Fassade unter Beachtung der übrigen Rahmenparameter aus § 28 MBO weiterhin brennbar sein darf. Die Segmentierung einer hinterlüfteten Fassade erfolgt in der Regel in jedem zweiten Geschoss über sogenannte horizontale Brandsperren, möglicherweise brennbare Unterkonstruktionen sind an diesen Stellen ebenfalls zu unterbrechen. Diese horizontalen Brandsperren müssen über mindestens 30 Minuten hinreichend formstabil sein. MVV TB beschreibt beispielhaft die Verwendung von überlappenden und in einem Abstand von bis zu 60 cm in der Außenwand verankerten Stahlblechen mit einer Mindeststärke von 1 mm. Die horizontalen Brandsperren dürfen Öffnungen (Spalte oder Einzelöffnungen) zur Gewährleistung der Durchlüftung des Hinterlüftungsspalts aufweisen – allerdings begrenzt auf maximal 100 cm2/lfm Fassade. Je nach Art der eingesetzten Wärmedämmung sind horizontale Brandsperren entweder nur im tatsächlichen Hinterlüftungsspalt (also zwischen Wärmdäm-

Trockenbauwandanschluss an Trapezblechdach, Maßstab 1:20 a längs zu Sicken b quer zu Sicken Beispielaufbau einer Fassade mit hinterlüfteter Außenwandbekleidung Beispiel für eine horizontale Brandsperre: Glas, Edelstahl /Aluminium-Unterkonstruktion, Profilstoß vertikales Tragprofil, Steinwolledämmung, Vertikalschnitt Maßstab 1:10

mung und Bekleidung) oder durchgängig zwischen Wand und außen liegender Bekleidung auszuführen (Abb. 7). Öffnungen für Türen und Fenster in der Fassade können Bestandteil der horizontalen Brandsperre sein, sofern sie über eine entsprechende Laibungsausbildung verfügen und die Unterkonstruktion (und ggf. eine vorhandene Wärmedämmung) aus nicht brennbaren Baustoffen besteht. Bei öffnungslosen Fassaden kann auf die Ausbildung von horizontalen Brandriegeln normalerweise verzichtet werden. Über Brandwände darf der Hinterlüftungsspalt jedoch nicht hinwegführen; dieser ist mindestens in Brandwanddicke mit einem im Brandfall formstabilen Dämmstoff (mit einem Schmelzpunkt von > 1000 °C) auszufüllen – und bildet so die sogenannte vertikale Brandsperre.

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Aufbau einer Fassade mit hinterlüfteter Außenwandbekleidung: • Bekleidungen mit offenen oder geschlossenen Fugen, sich überdeckenden Elementen bzw. Stößen • Unterkonstruktionen (z. B. Trag- und ggf. Wandprofile aus Metall, Holzlatten (Traglatten), Konterlatten (Grundlatten) • Zubehörteile (z. B. Anschlussprofile, Dichtungsbänder, thermische Trennelemente) • Hinterlüftungsspalt • ggf. Wärmedämmung mit Dämmstoffhaltern • Wandscheibe

Doppelfassaden Einen Sonderfall stellen in diesen Zusammenhang Doppelfassaden dar. Für diese gelten die vorgenannten Anforderungen aus § 28 der MBO entsprechend. Auch aufgrund der großen Gestaltungsvielfalt von Doppelfassaden entstehen brandschutztechnische Lösungen hier in der Regel jedoch nur in Bezug auf den konkreten Einzelfall (siehe auch »Außenwände und Fassaden«, S. 58). WDVS Fassaden mit herkömmlichen Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) beinhalten in der Regel keine geschossübergreifenden Hohl- oder Lufträume. Ungeachtet dessen sind hier jedoch zur Verhinderung einer Brandausbreitung über die Fassade ähnliche, aber nicht die gleichen konstruktiven Maßnahmen wie bei Fassaden mit hinterlüfteten Außenwandbekleidung nötig (Brandsperre bei hinterlüfteter Fassade, Brandriegel bei WDVS; siehe hierzu »Wärmedämmverbundsysteme«, S. 58).

Brandsperre Stahlblech mind. 1 mm

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Planungsstrategien Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen)

Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen) Florian Mödl Der Beitrag gibt einen Überblick über die Werkzeuge und Möglichkeiten der ingenieurmäßigen Nachweisverfahren im Brandschutz und hält zum kritischen Umgang mit Szenarien sowie der sorgfältigen Auswertung der Ergebnisse an. Einsatzbereiche, mögliche Fragestellungen

Dort, wo die präskriptiven Anforderungen und Vorgaben aus den bauaufsichtlichen 100,0 90,0 80,0 70,0 60,0 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0 0,0 8

Sichtweite [m] 0,17 0,15 0,14 0,12 0,10 0,09 0,07 0,05 0,03 0,02 0,00 optische Dichte [1/m]

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Regelwerken (siehe »Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge«, S. 12ff.) nicht (mehr) anwendbar sind, wo nutzungsbedingte oder gestalterische Anforderungen einer konventionellen Umsetzung entgegenstehen, wo bauaufsichtliche Regelwerke unwirtschaftliche Ergebnisse liefern oder aber nur zur Sicherung und Verbesserung auf präskriptiver Grundlage geplanter Maßnahmen, kann mithilfe von ingenieurmäßigen Nachweisverfahren ein hinreichend sicherer, effektiver und maßvoller Brandschutz entwickelt werden. Diese Art der leistungsorientierten Nach-

weisführung kommt also nicht nur bei der Begründung von Abweichungen zum Einsatz (siehe »Relevante bauordnungsrechtliche Begriffe und Definitionen für den Brandschutz«, S. 13ff.), sondern auch dann, wenn die bauaufsichtlichen Mindestanforderungen auf deren Vereinbarkeit mit der konkreten Bauaufgabe und den zugehörigen Schutzzielen (siehe »Bauordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.) zu überprüfen bzw. zu optimieren sind. Der Leitfaden »Ingenieurmethoden des Brandschutzes« [11] und DIN 18 009 [12], aber auch DIN SPEC 18 230-4 [13] sowie die »Richtlinie für mikroskopische Entfluchtungsanlysen« (RiMEA) [14] geben hier auf nationaler Ebene einen aktuellen Rahmen vor. Mögliche Fragestellungen könnten lauten: • Welche Querschnitte sind für den Rauchabzug erforderlich? Welche Volumenströme / Massenströme bei maschineller Rauchableitung? • Gelingt der Nachweis der hinreichenden Sichtweite /der optischen Rauchdichte? • Gelingt der Nachweis für die Selbstrettungsphase? • Gelingt der Nachweis für die Fremdrettungsphase? Sind wirksame Löscharbeiten der Feuerwehr möglich? • Ist die Anordnung der Öffnungen zur Rauchableitung (für die maßgebenden Szenarien) sinnvoll? • Welche Temperatur ist am Tragwerk zu erwarten? • Welche Temperaturen treten an der Verglasung im überdachten Innenhof auf? • Wie kann die Anordnung der Gänge und Ausgänge im Versammlungsraum optimiert werden? • Welche Auswirkung hat die Einengung des Rettungswegs an Stelle x? Ist eine signifikante Staubildung zu erwarten? • Wie ändert sich die raucharme Schicht

Planungsstrategien Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen)

Eigenschaft

Zonenmodell

Feldmodell

Geometrieerfassung

abstrahiert

abstrahiert bis exakt

Aufwand der Modellierung

gering

hoch

Ventilationsbedingungen

abstrahiert

abstrahiert bis exakt

abstrahiert

abstrahiert

globale Aussagen /Mittelwerte, in Plumebereich lokal (abhängig vom eingesetzten Programm)

lokale Aussagen möglich

gering

hoch

Minuten

Tage und Wochen (neuere Programme liefern ggf. auch schnellere Ergebnisse)

Wärmefreisetzung 8 Darstellung der optischen Dichte einer unterirdiErgebnisse schen Verkehrsanlage als Ergebnis einer Zonenmodellsimulation (mit mehreren Räumen) mit dem Programm MRFC [18] 9 beispielhafte Darstellung der optischen Dichte Datenmenge einer unterirdischen Verkehrsanlage als Ergebnis einer Feldmodellsimulation mit dem Programm Rechendauer FDS [19] 10 Gegenüberstellung der wesentlichen Kriterien von Zonen- und Feldmodell 10

bei Anordnung der Rauchschürze an Stelle x im Vergleich zur Stelle y? Welche Auswirkung hat die Anbringhöhe? Ziel ist es, die für die konkrete Aufgabe erforderlichen Schutzziele mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen (leistungsbezogene Nachweisführung). Diese lassen sich über Kriterien wie die Zeit oder die Festigkeit eines Bauteils /einer Struktur erfassen: Zeit (t): tfi,d ≥ tfi,requ mit fi = fire, d = design, requ = required oder ASET ≥ RSET available safe egress time ≥ required safe egress time (die verfügbare Zeit zur sicheren Räumung muss mindestens der benötigten Räumzeit entsprechen) Festigkeit (R): Rfi,d,t ≥ Efi,d,t mit fi = fire, d = design, t = Zeit jeweils unter Berücksichtigung der entsprechenden Sicherheitsbeiwerte.

dynamik, auch von Nachbarbebauung oder durch Fahrbewegungen induzierte Strömungen in Tunneln). Die Verfahren lassen sich folgenden drei Ebenen der Nachweisführung zuordnen: • Ebene 1 – Präskriptive Vorgaben (z. B. Rettungsweglängen, Ausgangsbreiten) • Ebene 2 – Nachweis mit einfachen Modellen und Rechenverfahren, wie z. B. Zonenmodelle (Brand) und Handrechenverfahren (Räumung, nach NFPA 130 [16] oder Predtetschenski & Milinski [17]) • Ebene 3 – Nachweis mit komplexen Modellen und Rechenverfahren, wie z. B. Feldmodell (Brand) und mikroskopisches Personenstrommodell (Räumung) In Einzelfällen empfiehlt es sich, eine Prüfung der Ergebnisse durch Vergleichsrechnung mit einem anderen Modell durchzuführen. Szenarien

Nachweisverfahren

Die Lösung der Aufgaben erfolgt mit Methoden des Brandschutzingenieurwesens. Nach DIN 18 009-1 definiert sich dieses Fachgebiet durch »Anwendung ingenieurtechnischer Verfahren, die auf wissenschaftlichen Grundsätzen beruhen, für den Entwurf und die Bemessung von baulichen Anlagen durch die Untersuchung bestimmter Brandszenarien oder durch die Quantifizierung des Risikos für eine Gruppe von Brandszenarien« [15]. Das Feld dieser »ingenieurmäßigen Nachweisverfahren« ist dabei breit gefächert – und deren Anwendung von der Komplexität der Fragestellung abhängig: Von der einfachen Handrechnung bis hin zu gekoppelten Räumungs- und Brandsimulationen mit Parameterstudien zur Ermittlung der ungünstigsten Lage des Brandherds (und anderer Einflüsse, wie z. B. durch Wind und die Gebäudeaero-

Zu Beginn ist das maßgebende Szenario zu klären. Dies kann durch eine Risikoanalyse erfolgen oder bereits mit Parameterstudien und einfachen Modellen / Simulationen. Je nach Fragestellung kann das Szenario mit der größten Brandleistung und Temperatureinwirkung, also hochenergetisch z. B. für die Heißbemessung, oder im eher niedrigenergetischen Bereich für die Beurteilung der Rauchschichtbildung anzusetzen sein. Eingabeparameter können beispielsweise sein: Ausbreitungsgeschwindigkeit, Heizwert, Rußausbeute, Brandleistung, Ventilationsbedingungen etc. Die Festlegung dieser Parameter wird als »Bemessungsbrand« bezeichnet. Das Brandszenario beschreibt beispielsweise für den Nachweis der Personensicherheit den zur Verfügung stehenden Zeitraum für eine sichere Räumung (ASET). Zum Abgleich mit diesem muss

dann auch das maßgebende Räumungsszenario mit den entsprechenden Vorbrenn- / Detektions-, Alarmierungs- und Reaktionszeiten als erforderliche Räumzeit identifiziert werden. Brandsimulationsmodelle

Mit Brandsimulationsmodellen lässt sich der Verlauf, d. h. die Ausbreitung, Wärmefreisetzung und die Rauchproduktion von Bränden simulieren. Für die rechnergestützte Brandsimulation stehen zwei grundlegende Arten von Modellen zur Verfügung: Zonen- und Feldmodelle. Zonenmodelle Bei den Zonenmodellen teilt man die Räume in eine obere, heiße und untere, kalte Schicht auf. Üblicherweise werden Mehrraumzonenmodelle eingesetzt, bei denen mehrere Räume aneinandergereiht betrachtet werden können. Zonenmodelle berechnen Energie- und Massenbilanzen je Zeitschritt, wobei in den Schichten jeweils homogene Zustände angenommen werden (Abb. 8). Feldmodelle Bei den Feldmodellen werden die Räume in kleine Volumen (Zellen) unterteilt. Dabei bewegen sich die Zellgrößen in der Regel im Bereich zwischen 10 und 50 cm. Feldmodelle bedienen sich eines komplexen Systems aus Differentialgleichungen aus der Strömungsmechanik (Navier-Stokes-Gleichungen) und Kontinuitätsbedingungen der Massen- und Energieerhaltung. Diese werden für jede Zelle berechnet (Abb. 9). Die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Modelle hinsichtlich der wesentlichen Kriterien zeigt Abb. 10. Die Ergebnisse lassen sich tabellarisch oder grafisch darstellen, die Darstellung der Feldmodelle ist höher auflösend und daher bei Anspruch lokaler Aussagen mit räumlicher Genauigkeit das Mittel der Wahl. 41

Planungsstrategien Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen)

1)

Beurteilungsgröße

längere Aufenthaltsdauer mittlere Aufenthaltsdauer (< 30 min) (ca. 15 min)

kurze Aufenthaltsdauer (< 5 min)

CO-Konzentration

100 ppm

200 ppm

500 ppm

CO2-Konzentration

1 Vol-%

2 Vol-%

3 Vol-%

HCN-Konzentration (1)

8 ppm

16 ppm

40 ppm

Wärmestrahlung

1,7 kW/m2

2,0 kW/m2

< 2,5 kW/m2

Gastemperatur (2)

45 °C

50 °C

50 °C

Rauchdichte DL (4)

0,1 m -1

0,1 m -1 / 0,15 m -1 (3)

0,1 m -1 / 0,2 m -1 (3)

10 – 20 m

10 – 20 m

10 – 20 m

Erkennungsweite (5) 11 Grenzwerte/Leistungskriterien

Der wesentliche Schritt bei der Auswertung der Simulationsergebnisse ist die einvernehmliche Festlegung – z. B. mit der Bauaufsichtsbehörde oder dem Prüfsachverständigen – der einzuhaltenden Grenzwerte anhand der konkreten Fragestellung. Die Grenzwerte sind bei Fragen der Personensicherheit abhängig von der Aufenthaltsdauer der Personen (unter den Umgebungsbedingungen) und beziehen sich beispielsweise auf • die Kohlenmonoxid (CO-Konzentration) • die Wärmestrahlung • die Temperatur • die optische Rauchdichte

12

42

Einige gebräuchliche Grenzwerte zeigt Abb. 11. Da diese Grenzwerte neben physikalischen, chemischen und lichttechnischen Aspekten auch von physiologischen und individuellen Aspekten geprägt sind, muss die Auswahl dieser Werte ausreichend konservativ erfolgen. Personenstromsimulation

Diese Modelle dienen der Berechnung von Räumzeiten aus Geometrien (Gebäude oder auch Straßen und Festivalgelände – die Programme werden auch für die Simulation von Flugzeug- oder Schiffsräumungen eingesetzt). Grob unterscheidet man bei den Perso-

Die HCN-Konzentrationen sind starken Streuungen unterworfen. Für typische Brände besteht eine Korrelation mit den CO-/CO2-Konzentrationen, wobei hier konservativ ein Verhältnis CO:HCN von 12,5:1 vorausgesetzt wird. 2) Die Gastemperatur bezieht sich auf Luft mit einem Gehalt an Wasserdamf von weniger als 10 Volumenprozent. Die Gastemperatur darf nicht isoliert ohne gleichzeitig Bewertung der Rauchausbreitung (insbesondere der Rauchdichte) als Beurteilungsgröße für die Personensicherheit herangezogen werden. 3) Der jeweils höhere Anhaltswert kann zur Beurteilung angesetzt werden, wenn der betreffende Bereich übersichtlich strukturiert ist oder die Personen mit den Räumlichkeiten vertraut sind. 4) Die Erkennungsweite ist starken Streuungen unterworfen. Für typische Brände besteht eine Korrelation mit der Rauchdichte DL. 5) Unter Zugrundelegung eines massenspezifischen Extinktionskoeffizienten Km = 8,7 m2/g ergibt sich (gerundet) für DL = 0,1 m-1 eine Rußkonzentration von 25 mg/m3 bzw. für DL = 0,2 m-1 von 50 mg/m3.

nenstromsimulationen zwischen makroskopischen, hydraulischen und mikroskopischen Modellen. Neben verschiedenen Handrechenverfahren, wie etwa der Kapazitätsanalyse nach NFPA 130 [20] oder die Methode nach Predtetschenski & Milinski [21], die den hydraulischen Modellen zuzuordnen ist, stehen auch rechnergestützte Verfahren – die sogenannten Individualmodelle – zur Verfügung. Die einzelnen Personen (Individuen) können dabei simulativ mit deren im Fluchtfall gewählten Wegen und Stauzeiten einzeln bis ins Freie nachverfolgt werden. Eingangsparameter bei den Individualmodellen sind die Geometrie des Objekts sowie beispielsweise personenbezogene (individuelle) Mobilitätsparameter, Verhalten und Reaktionszeiten. Die Programme können etwa auch die Ausdauer von Personen berücksichtigen, d. h. die Wartezeit, die das Individuum zulässt, bevor es sich zu einem weiteren Ausgang umorientiert (Abb. 12 und 13). Die Wahl dieser Parameter ist dabei mit hoher Sorgfalt und dem entsprechenden Bewusstsein vorzunehmen, da sich individuelle Verhaltensweisen (derzeit) noch schwer in Rechenprogrammen abbilden lassen. Den Beteiligten muss darüber hinaus klar sein, dass die Ergebnisse der Räumungsberechnungen nicht realen Zeiten entsprechen (können), wohl aber können damit (bei gleich gesetzten Parametern) gewinnbringend Vergleichsrechnungen angestellt werden. Es kann zum Beispiel sinnvoll sein, in der Planung befindliche Szenarien gegen das »bauordnungskonforme Szenario« abzuprüfen, um so begründen zu können, dass der geplante Ansatz nicht nachteilig ist. Die Ansätze der Räumzeitmodelle unterscheiden sich vereinfachend zusammengefasst – und ähnlich wie Zonen- und Feldmodelle – in Aufwand und Ergebnis.

Planungsstrategien Ingenieurmäßige Nachweisverfahren (Räumungssimulation, Brandsimulationsrechnungen)

Personen

Ausgänge

A

C

B

D

E

F

G

H

1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0

240

480

720

13 Experimentelle Modelle

In Einzelfällen kommen auch experimentelle Modelle in Betracht, die den ingenieurmäßigen Nachweisverfahren zuzuordnen sind, hier aber nur der Vollständigkeit halber aufgeführt werden. Sie betreffen sogenannte Heißrauch- und skalierte Realbrandversuche. Verwendbare Ergebnisse können hiermit erzielt werden, wenn die Regeln der Ähnlichkeitstheorie zutreffend beachtet werden. Chancen und Risiken

Ingenieurmäßige Nachweisverfahren bieten Chancen bei der gestalterischen und wirtschaftlichen Umsetzung von Bauaufgaben. Sie werden mit den Bemühungen des Leitfadens »Ingenieurmethoden des Brandschutzes« [22] und der Normenausschüsse der DIN 18 230-4 und 18 009 zunehmend normativ geregelt, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Neben einer gewissen Standardisierung ist hierdurch eine Erhöhung der Akzeptanz (insbesondere auch bei der jeweils prüfenden Instanz) zu erwarten. Allerdings wird es auch weiterhin selbst mit den leistungsfähigsten Brandschutzingenieurmethoden nicht möglich sein, jede Fragestellung sinnvoll zu beantworten. Abweichungen bei Rettungswegen können beispielsweise nicht nur den Brandfall berücksichtigen. Rettungswege müssen auch bei anderen Gefahren zur Verfügung stehen wie etwa eine Terrordrohung, ein Anschlag, ein Amoklauf, ein Wassereinbruch, ein Teileinsturz etc. Zwar erzeugen die Programme teils »schöne bunte Bilder«, ob damit aber auch das gesellschaftlich akzeptierte Sicherheitsniveau der öffentlich-rechtlichen Regelwerke durch den ingenieurmäßigen Nachweis gleichermaßen erreicht ist, bleibt im Einzelfall zu klären. Entfernt man sich von präskriptiven

960

1200

1440

1680

1920 Zeit [s]

Regeln und dem darin enthaltenen Sicherheitskonzept, ist man gezwungen, sich gleichzeitig auch mit der Sicherheitsfrage zu beschäftigen. Es gibt eine Vielzahl an Entscheidungen, Festlegungen, »Stellschrauben« und Parametern, die bei der Anwendung ingenieurmäßiger Nachweismethoden auszuwählen und einzugeben sind – und dies bei jeder Art der Anwendung von Simulationsprogrammen. Daher ist die Dokumentation der Nachweise und insbesondere dieser Parameter von größter Bedeutung. Allein bei der Wahl des maßgebenden Brandorts, der Verbrennungsprodukte oder auch der Personendichte und der Zuweisung der Personen zu Zielausgängen. Eine umfassende Beleuchtung anhand von Parameterstudien ist aufwendig und dauert heute noch relativ lang. Neueste Forschungsvorhaben entwickeln bereits Programme, die sogenannte Echtzeit-Ensemble-Simulationen ermöglichen (Brand- und Räumungssimulation gleichzeitig). Üblicherweise wird im Vorfeld der Anwendung von Ingenieurmethoden daher eine Abstimmung mit der Bauaufsichtsbehörde oder dem Prüfsachverständigen / -ingenieur erfolgen, um die Szenarien und Parameter im Sinne einer »Expertenrunde« maßvoll zu gestalten. Letztlich handelt es sich bei den ingenieurmäßigen Nachweisverfahren um Werkzeuge, die modellhafte Untersuchungen ermöglichen, deren Ergebnisse aus einem unterschiedlich vereinfachten Modell mit »Ingenieurverstand« zu interpretieren und mit entsprechenden Sicherheiten zu belegen sind. Auf diesem Weg können die Ergebnisse für die Anwendung im realen Gebäude »übersetzt« werden.

Anmerkungen: [1] AHO: Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V. [2] AHO: »Leistungen für Brandschutz«, Heft Nr. 17, Stand Juni 2015 [3] § 33 (1) MBO [4] § 66 (3) Satz 2 MBO [5] Musterverordnung über die Prüfingenieure und Prüfsachverständigen (M-PPVO), Stand 12/2012 [6] §72 (6) MBO [7] § 31 MBO [8] § 29 bzw. § 30 MBO [9] § 29 MBO [10] § 28 (4) MBO § 30 (7) MBO [11] Dietmar Hosser (Hrsg.): Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes. vfdb TB 04-01, November 2013 [12] DIN 18 009-1:2016-09: Brandschutzingenieurwesen – Teil 1: Grundsätze und Regeln für die Anwendung [13] DIN SPEC 18 230-4:2015-09: Baulicher Brandschutz im Industriebau – Teil 4: Brandsimulation [14] RiMEA e. V. (Hrsg): Richtlinie für mikroskopische Entfluchtungsanlysen. Version: 3.0.0, 10. März 2016 [15] wie Anm. 12 [16] National Fire Protection Association (Hrsg.): NFPA 130 – Standard for Fixed Guideway Transit and Passenger Rail Systems. 2017 [17] Wsewolod M. Predtetschenski, Anatoli I. Milinski: Personenströme in Gebäuden. Berechnungsmethoden für die Projektierung. Leipzig 2015 [18] Arbeitsgemeinschaft Brandsicherheit (Hrsg.): Referenzhandbuch für MRFC (Multi-Room-FireCode). Version 4.1. Bruchsal / Wien 2016 [19] National Institute of Standards and Technology (NIST): FDS Fire Dynamics Simulator [20] wie Anm. 16 [21] wie Anm. 17 [22] wie Anm. 11 [23] wie Anm. 11, Tabelle 8.3

11 verschiedene Grenzwerte nach [23]. Für die Dauer der Selbstrettung mit weniger als 30 Minuten (»längere Aufenthaltsdauer«) liegt der Grenzwert der optischen Dichte im Aufenthaltsbereich von Personen (in der raucharmen Schicht) beispielsweise unter 0,1 m -1 und die Temperatur  1000 °C

1

bauaufsichtliche Anforderungen, konkretisiert durch A 2.1.2 MVV TB

mindestens geeignete Klassen nach DIN EN 13 501-1:2010-01 Bauprodukte, ausgenommen lineare Rohrdämmstoffe und Bodenbeläge

lineare Rohrdämmstoffe

Bodenbeläge

A 2 – s1,d0

A 2L – s1,d0

A 2fl – s1

schwer entflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend, sowie geringe Rauchentwicklung

C – s1,d0

CL – s1,d0



schwer entflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend

C – s3,d0

CL – s3,d0



schwer entflammbar und geringe Rauchentwicklung

C – s1,d2

CL – s1,d2

Cfl – s1

schwer entflammbar

C – s3,d2

CL – s3,d2

Cfl – s1

E

EL



E – d2

EL – d2

Efl







nicht brennbar 1)

normal entflammbar und nicht brennend abfallend oder abtropfend normal entflammbar 1)

ggf. zusätzlich Schmelzpunkt > 1000 °C

Erläuterungen zu Tabelle oben

2

Bauaufsichtliche Anforderung und Zuordnung der Baustoffklassen nach DIN 4102-1:1998-05 für Baustoffe (einschließlich Bodenbeläge und lineare Rohrdämmstoffe) und weitere Angaben Nachweis des Brandverhaltens von Bauprodukten nach DIN EN 13 501 gemäß MVV TB Tabelle 1.3.1 Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) gemäß DIN 4102-2

bauaufsichtliche Anforderungen

Herleitung des Kurzzeichens

Kriterium

Anwendungsbereich

s (Smoke)

Rauchentwicklung

Anforderungen an die Rauchentwicklung • s1: geringe Rauchentwicklung • s2, s3: begrenzte Rauchentwicklung

d (Droplets)

brennendes Abtropfen /Abfallen

Anforderungen an das brennende Abtropfen /Abfallen • d0: kein brennendes Abtropfen /Abfallen • d1, d2: brennendes Abtropfen /Abfallen

fl (Floorings)

Brandverhaltensklasse für Bodenbeläge

L (Linear Pipe Thermal Insulation Products)

Brandverhaltensklasse für Produkte zur Wärmedämmung von linearen Rohren

46

Zum Nachweis des Brandverhaltens von Bauprodukten nach bereits harmonisierten technischen Spezifikationen erfolgt die Zuordnung der Klassen nach DIN EN 13 501 [6]. Abb. 2 zeigt, dass nach DIN EN 13 501 auch Brandnebenerscheinungen wie die Rauchentwicklung (s1– 3) und das brennende Abtropfen /Abfallen (d0–2) von Baustoffen weiter differenziert werden. Damit birgt das europäische Klassifizierungssystem im Unterschied zur bisherigen nationalen Klassifizierung ein deutlich größeres Spektrum an Baustoffklassen und Kombinationen. Ein direkter Vergleich zwischen den Baustoffklassen nach nationaler und europäischer Norm ist deshalb nicht ohne weiteres möglich, weshalb die Zuordnung nach Abb. 2 von Bedeutung ist.

Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen Neben dem Brandverhalten von Baustoffen beschreibt die MBO allgemeine Anforderungen an die Feuerwiderstandsklasse von Bauteilen [7] und unterscheidet dabei in: • feuerbeständige Bauteile (mit der gebräuchlichen Abkürzung fb) • hochfeuerhemmende Bauteile (hfh) • feuerhemmende Bauteile (fh)

Materialwahl Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen

Die Feuerwiderstandsfähigkeit bezieht sich bei tragenden und aussteifenden Bauteilen auf deren Standsicherheit im Brandfall (nach dem europäischen Bezeichnungssystem »R«), bei raumabschließenden Bauteilen auf deren Widerstand gegen die Brandausbreitung (Raumabschluss, europäisch »EI«). Das heißt, die Bauteile können • nur tragend und aussteifend (»R«) • nur raumabschließend (»EI«) oder • tragend/aussteifend und raumabschließend (»REI«) sein (müssen).

Hochfeuerhemmende Bauteile (hfh – F 60 bzw. R 60/REI 60/EI 60)

Tragende und aussteifende Teile können hier aus brennbaren Baustoffen bestehen, sofern sie allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) und Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen besitzen. Raumabschließende hochfeuerhemmende Bauteile müssen ebenfalls zusätzlich eine in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nicht brennbaren Baustoffen aufweisen. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn tragende Bauteile nicht brennbar geplant werden und somit die erstgenannte Brandschutzbekleidung nicht erforderlich ist.

Für den Hochbau werden die Feuerwiderstandsklassen in der Regel auf der Grundlage von Brandprüfungen nach der Einheitstemperaturzeitkurve (ETK) nach DIN 4102 eingestuft (Abb. 3), im Einzelfall eignet sich auch eine Bemessung von tragenden und aussteifenden Bauteilen anhand der Einwirkungen eines Naturbrands.

Feuerhemmende Bauteile (fh – F30 bzw. R 30/ REI30/EI30)

Tragende und aussteifende Bauteile können hier ohne weitere Maßnahmen aus brennbaren Baustoffen ausgeführt werden. Dies gilt auch für raumabschließende Bauteile.

Feuerwiderstandsfähige Bauteile müssen zusätzlich nachfolgende Mindestanforderungen an das Brandverhalten ihrer Baustoffe erfüllen, um nach MBO verwendet werden zu können [8]. Dies ist deshalb hervorzuheben, da die europäische Klassifizierung der Feuerwiderstandsfähigkeit nicht das Brandverhalten der Bauteile berücksichtigt. Insofern müssen diese Eigenschaften immer »übereinandergelegt« werden (Abb. 5 – 9, S. 48ff.):

Standsicherheit im Brandfall bei Brandeinwirkung nach der ETK

Temperatur [K]

Dies betrifft tragende und aussteifende Bauteile:

Feuerbeständige Bauteile (fb – F90-AB bzw. R 90/

• feuerbeständig: mindestens über 90 Minuten feuerwiderstandsfähig (R 90) • hochfeuerhemmend: mindestens über 60 Minuten feuerwiderstandsfähig (R 60) • feuerhemmend: mindestens über 30 Minuten feuerwiderstandsfähig (R 30) Raumabschluss im Brandfall

Ein Bauteil gilt als raumabschließend, wenn über die geforderte Zeitdauer (30, 60 oder 90 Minuten) eine Brandausbreitung verhindert und der Raumabschluss auch im Bereich von Verbindungen und Anschlüssen zu angrenzenden Bauteilen nicht beeinträchtigt wird. Auf der brandabgewandten Seite darf keine Rauchentwicklung entstehen und kein Abfallen oder Abtropfen von Bestandteilen des Bauteils auftreten. In der Regel muss für das Bauteil die Brandausbreitung in alle (dem Einsatzfall nach) möglichen Brandeinwirkungsrichtungen nachgewiesen werden können, d. h. beispielsweise von innen nach außen sowie in umgedrehter Richtung (Abb. 4, S. 48). Dies gilt, sofern in der MBO nichts anderes geregelt ist. Eine Ausnahme stellt beispielsweise eine Gebäudeabschlusswand nach § 30 (3) Satz 2 Nr. 3 MBO dar, für die explizit hinsichtlich der

1000

800

600

REI 90/EI 90)

Tragende und aussteifende Teile müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen, raumabschließende Bauteile zusätzlich eine in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nicht brennbaren Baustoffen haben.

400

200

0 0 3

30

60

90

120

150

180 Zeit t [min]

47

Materialwahl Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen

4 5 6 4

Brandprüfung einer Stoßfugenverglasung mit Spezialglas der Feuerwiderstandsklasse EI 90 Übersicht bauaufsichtlicher Anforderungen nach MVV TB Tabelle 4.2.3 Übersicht bauaufsichtlicher Anforderungen nach MVV TB Tabelle 4.3.1

raumabschließenden Wirkung bei einer Brandbeanspruchung von innen nach außen und außen nach innen differenziert wird. Im europäischen Klassifizierungssystem wird die Richtung der Einwirkung über die Kurzbezeichnung (i ∫ o) oder (i o) dargestellt. • feuerbeständig: mindestens über 90 Minuten raumabschließend (EI 90) • hochfeuerhemmend: mindestens über 60 Minuten raumabschließend (EI 60) • feuerhemmend: mindestens über 30 Minuten raumabschließend (EI 30) ∫

bauaufsichtliche Anforderung

Klassen nach DIN 4102-2:1977-09

Kurzbezeichnung nach DIN 4102-2:1977-09

feuerhemmend

Feuerwiderstandsklasse F 30

F 30-B 1)

feuerhemmend und aus nicht brennbaren* Baustoffen

Feuerwiderstandsklasse F 30 und aus nicht brennbaren* Baustoffen

F 30-A 1) 2), 3)

hochfeuerhemmend und in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen**

Feuerwiderstandsklasse F 60 und in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen

F 60-AB

hochfeuerhemmend (tragende Teile brennbar, Dämmstoffe nicht brennbar* mit brandschutztechnisch wirksamer Bekleidung)





hochfeuerhemmend und aus nicht brennbaren* Baustoffen

Feuerwiderstandsklasse F 60 und aus nicht brennbaren Baustoffen

F 60-A 2), 3) 4), 5)

feuerbeständig (tragende und aussteifende Teile nicht brennbar*)

Feuerwiderstandsklasse F 90 und in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen

F 90-AB

feuerbeständig und aus nicht brennbaren* Baustoffen

Feuerwiderstandsklasse F 90 und aus nicht brennbaren Baustoffen

F 90-A 4), 5)

Brandwand (feuerbeständig und aus nicht brennbaren* Baustoffen)

Brandwand



Wand anstelle einer Brandwand (hochfeuerhemmend und aus nicht brennbaren* Baustoffen auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung standsicher)

hochfeuerhemmende Wand anstelle einer Brandwand und aus nicht brennbaren Baustoffen auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung standsicher (Wand anstelle einer Brandwand)



Gebäudeabschlusswände, die jeweils von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes, mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile, und von außen nach innen die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile haben

Gebäudeabschlusswände, die jeweils von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes, mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile, und von außen nach innen die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile haben

F 30-B (von innen) und F 90-B (von außen)

1)

Bei nicht tragenden Außenwänden auch W 30 zulässig. Der Nachweis und die Zuordnung erfolgen nach Tabelle 4.3.1 (Abb. 6). 3) Bei nicht tragenden Außenwänden auch W 60 zulässig. 4) Bei nicht tragenden Außenwänden auch W 690 zulässig. 5) Tragende Bauteile müssen nach DIN 4102-2:1977-09, Abschnitt 6.2.2.6., unter entsprechender Last geprüft sein. * Hinsichtlich der Anforderungen gilt Tabelle 1.2.1. (MVV TB). 5 ** in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nicht brennbaren Baustoffen 2)

48

Wie zuvor beschrieben, müssen raumabschließende feuerbeständige und hochfeuerhemmende Bauteile (EI 90, EI 60) zusätzlich eine in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nicht brennbaren Baustoffen haben (F 90-AB, F 60-AB). Brandwände (BW, REI 90-M)

Brandwände (oder Wände, die nach § 30 MBO anstelle von Brandwänden zulässig sind) dürfen keinen Beitrag zum Brand leisten, d. h. sie müssen grundsätzlich aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen, soweit im Einzelfall nichts anderes geregelt ist. Darüber hinaus müssen Brandwände auch für den Fall standsicher (R) und raumabschließend (EI) sein, wenn zusätzliche mechanische Belastungen (M) im Brandfall auf diese Wände einwirken, d. h. aufgrund von versagenden Gebäudeteilen über Anprall (REI 90-M). Dies gilt grundsätzlich – sofern nach MBO nichts anderes geregelt ist – auch für Wände anstelle von Brandwänden. Zusammengefasst ergibt sich somit eine Zuordnung der Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102 für tragende Bauteile, Innenwände, Außenwände, selbstständige Unterdecken, Dächer, Treppen, Doppelböden, Brandwände (Abb. 5) [9]. Sollen Bauprodukte und Bausätze nach harmonisierten technischen Spezifikationen verwendet werden, ergibt sich eine

Materialwahl Feuer- und/oder Rauchschutzabschlüsse | Übersicht und Herleitung der europäischen Klassifizierungskriterien

Zuordnung im Hinblick auf die bauaufsichtlichen Anforderungen zur Feuerwiderstandsfähigkeit auf Basis der Klassifizierung nach DIN EN 13 501 einschließlich des Brandverhaltens sowie der zugehörigen erforderlichen Angaben zu weiteren Leistungen (Abb. 6) [10].

DIN 4102 erfolgen oder bei Produkten mit harmonisierten technischen Spezifikationen nach DIN EN 13 501 (Abb. 7 und 8, S. 50).

Feuer- und/oder Rauchschutzabschlüsse

Die Herleitung der Kurzzeichen auf europäischer Ebene orientiert sich an französischen und englischen Begrifflichkeiten. Abb. 9 (S. 51) zeigt eine Übersicht über die europäischen Klassifizierungskriterien mit Kurzzeichen und Anwendungsbereich.

Auch bei Verwendung von Feuer- und / oder Rauchschutzabschlüsse kann die Zuordnung der Feuerwiderstandsklasse entweder anhand der Normenreihe der

Übersicht und Herleitung der europäischen Klassifizierungskriterien

bauaufsichtliche Anforderung ohne Raumabschluss 1)

tragende Bauteile mit Raumabschluss Brandverhalten, mindestens geeignete Klassen nach DIN EN 13 501-1:2010-01

feuerhemmend

R 30

REI 30

E – d2

feuerhemmend und aus nicht brennbaren* Baustoffen

R 30

REI 30

A 2 – s1, d0**

hochfeuerhemmend (tragende Teile brennbar, Dämmstoffe nicht brennbar* mit brandschutztechnisch wirksamer Bekleidung)

R 60-K260

REI 60-K260

tragende und aussteifende Teile E, im Übrigen A 2 – s1, d0**

hochfeuerhemmend und in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren* Baustoffen**

R 60

REI 60 2)

A 2 – s1, d0**

Wand anstelle einer Brandwand (hochfeuerhemmend und aus nicht brennbaren* Baustoffen auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung standsicher)



REI 60-M

A 2 – s1, d0**

REI 60-M-K260

tragende und aussteifende Teile E, im Übrigen A 2 – s1, d0**

Wand anstelle einer Brandwand (hochfeuerhemmend (tragende Teile brennbar, Dämmstoffe nicht brennbar* mit brandschutztechnisch wirksamer Bekleidung) auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung standsicher) feuerbeständig (tragende und aussteifende Teile nicht brennbar*)

R 90

REI 90 2)

A 2 – s1, d0**, im Übrigen E

feuerbeständig und aus nicht brennbaren* Baustoffen

R 90

REI 90

A 2 – s1, d0**

Feuerwiderstandsfähigkeit 120 Min. und aus nicht brennbaren* Baustoffen

R 120

REI 120

A 2 – s1, d0**

Brandwand***



REI 60-M

A 2 – s1, d0**

1)

Für die mit reaktiven Brandschutzsystemen beschichteten Stahlbauteile ist die Angabe IncSlow gemäß DIN EN 13 501-2:2010-02 in der Leistungserklärung zusätzlich zu nennen. 2) Eine in Bauteilebene durchgehende, nicht brennbare Schicht: A2 – s1, d0** * Hinsichtlich der Anforderungen gilt Tabelle 1.2.1. (MVV TB) ** Hinsichtlich der Anforderungen gilt Tabelle 1.3.1. (MVV TB) 6 *** Die Brandwand muss aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen.

49

Materialwahl Übersicht und Herleitung der europäischen Klassifizierungskriterien

7

bauaufsichtliche Anforderungen und Zuordnung der Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-5 für Feuer- und Rauchschutzabschlüsse (Tabelle 5.1.2.1 aus MVV TB) Zuordnung der Klassifizierungen nach DIN EN 13 501-2:2010-02 für Feuer- und Rauchschutzabschlüsse nach DIN EN 16 034 (Tabelle 5.1.3.1 aus MVV TB) Anlage zu Anhang 4 MVV TB

8

9

7

bauaufsichtliche Anforderungen

Produkt

Kuzbezeichnung nach DIN 4102-5

feuerhemmend selbstschließend dichtschließend

Feuerschutzabschluss

T 30

feuerhemmend selbstschließend rauchdicht

Feuerschutzabschluss mit Rauchschutzeigenschaft

T 30-RS

hochfeuerhemmend selbstschließend dichtschließend

Feuerschutzabschluss

T 60

hochfeuerhemmend selbstschließend rauchdicht

Feuerschutzabschluss mit Rauchschutzeigenschaft

T 60-RS

feuerbeständig selbstschließend dichtschließend

Feuerschutzabschluss

T 90

feuerbeständig selbstschließend rauchdicht

Feuerschutzabschluss mit Rauchschutzeigenschaft

T 120-RS

Feuerwiderstandsfähigkeit 120 Minuten selbstschließend dichtschließend

Feuerschutzabschluss

T 120

Feuerwiderstandsfähigkeit 120 Minuten selbstschließend rauchdicht

Feuerschutzabschluss mit Rauchschutzeigenschaft

T 120-RS

rauchdicht selbstschließend

Rauchschutzabschluss

RS

1)









siehe Abschnitt 5.4 (Tabelle 5.1.2.1 MVV TB)

bauaufsichtliche Anforderungen

Feuerschutzabschlüsse ohne Rauchschutzeigenschaft mit Rauchschutzeigenschaft

feuerhemmend dichtschließend selbstschließend

EI2 30-SaC... 1)

hochfeuerhemmend dichtschließend selbstschließend

EI2 60-SaC... 1)

feuerbeständig dichtschließend selbstschließend

EI2 90-SaC... 1)

feuerhemmend rauchdicht selbstschließend



Rauchschutzabschlüsse

EI2 30-S200C... 1)

hochfeuerhemmend rauchdicht selbstschließend

EI2 60-S200C... 1)

feuerbeständig rauchdicht selbstschließend

EI2 90-S200C... 1)

rauchdicht und selbstschließend

S200C 1)

dicht- und selbstschließend

SaC 1)

1)

8

dichtschließend 1)

Festlegung der Prüfkennzahl für die Dauerfunktionsprüfungen: C 5 (200 000 Zyklen) für Feuerschutz- / Rauchschutztüren (Drehflügelabschlüsse) C 2 (10 000 Zyklen) für sonstige Feuerschutz- / Rauchschutzabschlüsse (z. B. Klappen, Tore)

50

Materialwahl Übersicht und Herleitung der europäischen Klassifizierungskriterien

Herleitung des Kurzzeichens

Kriterium

R (Résistance)

Tragfähigkeit

E (Étanchéité)

Raumabschluss

I (Isolation)

Wärmedämmung (unter Brandeinwirkung)

W (Radiation)

Begrenzung des Strahlungsdruchtritts

M (Mechanical)

mechanische Einwirkung auf Wände (Stoßbeanspruchung)

Sa (Smoke)

Begrenzung der Rauchdurchlässigkeit (Dichtheit, Leckrate), erfüllt die Anforderungen bei Umgebungstemperatur

dichtschließende Abschlüsse

S200 (Smokemax. leakage rate)

Begrenzung der Rauchdurchlässigkeit (Dichtheit, Leckrate), erfüllt die Anforderungen sowohl bei Umgebungstemperatur als auch bei 200 °C

Rauchabschlüsse (als Zusatzanforderung auch bei Feuerschutzabschlüssen)

S (Smoke)

Rauchdichtheit (Begrenzung der Rauchdurchlässigkeit)

Entrauchungsleitungen, Entrauchungsklappen, Lüftungsleitungen, Brandschutzklappen

C... (Closing)

selbstschließende Eigenschaft (ggf. mit Anzahl der Lastspiele) einschl. Dauerfunktion

Rauchschutztüren, Feuerschutzabschlüsse (einschließlich Abschlüsse für Förderanlagen)

Cxx

Dauerhaftigkeit der Betriebssicherheit (Anzahl der Öffnungs- und Schließzyklen)

Entrauchungsklappen

P

Aufrechterhaltung der Energieversorgung und /oder Signalübermittlung

elektrische Kabelanlagen allgemein

K1, K2

Brandschutzvermögen

Wand- und Deckenbekleidungen (Brandschutzbekleidungen)

I1, I2

unterschiedliche Wärmedämmungskriterien

Feuerschutzabschlüsse (einschließlich Abschlüsse für Förderanlagen)

i i i

Richtung der klassifizierten Feuerwiderstandsdauer

nicht tragende Außenwände, Installationsschächte /-kanäle, Lüftungsleitungen / Brandschutzklappen

Richtung der klassifizierten Feuerwiderstandsdauer

Unterdecken

ve, ho (vertical, horizontal)

für vertikalen / horizontalen Einbau klassifiziert

Lüftungsleitungen, Brandschutzklappen, Entrauchungsleitungen

vew, how

für vertikalen / horizontalen Einbau in Wände klassifiziert

Entrauchungsleitungen

ved, hod

für vertikalen / horizontalen Einbau in Leitungen klassifiziert

Entrauchungsleitungen

vedw, hodw

für vertikalen / horizontalen Einbau in Wände und Leitungen klassifiziert

Entrauchungsleitungen

U/U (uncapped /uncapped)

Rohrende offen innerhalb des Prüfofens / Rohrende offen außerhalb des Prüfofens

Rohrabschottungen

C/U (capped /uncapped)

Rohrende geschlossen innerhalb des Prüfofens / Rohrende offen außerhalb des Prüfofens

Rohrabschottungen

U/C (uncapped /capped)

Rohrende offen innerhalb des Prüfofens / Rohrende geschlossen außerhalb des Prüfofens

Rohrabschottungen

MA

manuelle Auslösung

Entrauchungsklappen

multi

Eignung, ein oder mehrere feuerwiderstandsfähige Bauteile zu durchdringen bzw. darin einzubauen

Entrauchungsleitungen, Entrauchungsklappen

o o o (in – out)

a

9

b (above – below)

Anwendungsbereich

zur Beschreibung der Feuerwiderstandsfähigkeit

51

Materialwahl Bauteile und Elemente

E (G)

EW

EI (F)

im Einzelfall, als Abweichung

im Einzelfall, als Abweichung

regulär ohne Abweichung

10

Bauteile und Elemente Ferdinand Wirsching, Thilo A. Hoffmann Die Materialauswahl für Bauteile und -elemente spielt für den Brandschutz eine entscheidende Rolle. Nachfolgend werden für den Planungsprozess relevante Grundlagen und Hinweise zu einzelnen Materialien regelmäßig wiederkehrender Bauteile und -elemente beschrieben. Fenster, Verglasungen

Im bauordnungsrechtlichen Sinne sind Fenster öffenbare Abschlüsse in den Außenwänden eines Gebäudes. Die Produktauswahl bei Fenstern hängt in der Regel überwiegend von bauphysikalischen Anforderungen ab, Anforderungen an den Feuerwiderstand ergeben sich aus der MBO nur in Sonderfällen, z. B. wenn eine Brandwand in eine Gebäudeinnenecke geführt wird [11] (siehe »Außenwände und Fassaden«, S. 58ff.). Feststehende großformatige Verglasungen von bzw. in Außenwänden gelten im bauordnungsrechtlichen Sinne nicht als Fenster. Derartige Verglasungen erlauben die Erleichterungen für Fenster in der Regel nicht, es gelten zunächst die allgemeinen Anforderungen an Außenwände. Deshalb ist u. a. ein Nachweis der Nichtbrennbarkeit laut MBO erforderlich, denn »Nichttragende […] müssen aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen […]« [12]. Was auf den ersten Blick selbstverständlich erscheint (Glas = nicht brennbar), ist bei näherer Betrachtung formal nicht immer so trivial, da z. B. die Zuordnung von mehrschaligen Isolierverglasungen – heutzutage ein komplexer Baustoffverbund – in die Baustoffklasse A nicht immer ohne Weiteres gelingt. Sollen Fenster gleichzeitig als zweiter Rettungsweg dienen (siehe »Die Grundpfeiler des Brandschutzes in Deutschland«, S. 5ff. und »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderun52

gen«, S. 29ff.), müssen diese in der Regel im Lichten mindestens 0,90 ≈ 1,20 m groß und dürfen nicht höher als 1,20 m über der Fußbodenoberkante angeordnet sein [13]. Je nach Bundesland gelten diesbezüglich u. U. abweichende Regelungen (siehe »Brandschutz im (bauordnungs-)rechtlichen Gefüge«, S. 12ff.) Diese Fenster müssen immer im stehenden Format aufgeführt werden; ein liegendes Format scheidet in der Praxis zum Anleitern aus. Anleiterbare Fenster in Dachschrägen dürfen mit ihrer Unterkante (oder einem davorliegenden Austritt) horizontal gemessen nicht mehr als 1 m von der Traufkante des Dachs entfernt liegen. Brandschutzverglasungen sind auch in feuerwiderstandsfähige Bauteile wie z. B. innere Trennwände integrierbar, um Aspekten von Licht und Transparenz Rechnung zu tragen. Wichtig ist hierbei der Unterschied zwischen Brandschutzverglasungen der Klasse G (nach DIN 410213) bzw. E(W) (nach DIN EN 13 501-2), die einen Durchtritt von Wärmestrahlung erlauben und solchen der Klasse F (nach DIN 4102-13) bzw. EI (nach DIN EN 13 501-2), die diesen verhindern (siehe »Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen«, S. 46ff.). Den bauaufsichtlichen Entsprechungen genügen jedoch nur Brandschutzverglasungen der Klasse F bzw. EI. Großflächige Brandschutzverglasungen in Bauteilen, die im Brandfall einer zusätzlichen mechanischen Beanspruchung standhalten müssen (z. B. Brandwände), stellen unabhängig von der Art der Brandschutzverglasung in der Regel eine Abweichung von den bauordnungsrechtlichen Regelanforderungen dar und müssen im Rahmen des Brandschutzkonzepts entsprechend betrachtet werden. Dies gilt üblicherweise auch für den Einsatz von G- bzw. E(W)-Brandschutzverglasungen (die, wie zuvor ausgeführt,

weiterhin einen Durchtritt von Wärmestrahlung erlauben bzw. diesen nur behindern), da die bauaufsichtlichen Anforderungen an raumabschließende Bauteile in Bezug auf den Brandschutz grundsätzlich die Verhinderung des Durchtritts von Wärmestrahlung voraussetzen. Relativ häufig werden G- bzw. E(W)-Verglasungen als Oberlichter in notwendigen Fluren oberhalb von zumindest 1,80 m eingebaut, da die potenzielle Wärmestrahlung aufgrund der Höhenlage den Fluchtweg nicht beeinträchtigt (Abb. 10). Alternativ werden G- bzw. E(W)-Verglasungen oft im Zusammenspiel mit automatischen Löschanlagen verbaut – unter der Voraussetzung, dass die Löschanlage die Gefahr der Wärmestrahlung ohnehin wesentlich reduziert. F- bzw. EI-Brandschutzverglasungen bestehen in der Regel aus einem mehrschichtigen Verbund, zwischen dessen Glasschichten sich die eigentliche, brandschutztechnisch wirksame, durchsichtige Zwischenschicht befindet (Abb. 11). Dieses reaktive »Gel« erzeugt im Brandfall eine isolierende/dämmende Wirkung (ähnlich der Wirkweise eines Dämmschichtbildners, siehe Abb. 18, S. 83). Durch diese Funktion werden derartige Verglasungen bei Brandbeanspruchung üblicherweise vollständig undurchsichtig. Frühere Produktgenerationen hatten manchmal den Nachteil, dass dieser Prozess über mehrjährigen Sonneneinfall – wenn auch in mehr oder weniger geringem Maße – angestoßen wurde und sich diese Scheiben eintrübten. Der Aufbau von G- bzw. E(W)-Brandschutzverglasungen ist in der Regel einfacher, denn hier sind auch Konstruktionsweisen ohne zusätzliche Zwischenschicht möglich (z. B. mittels vorgespannter Scheiben). Je nach Konstruktionsweise bleiben diese Verglasungen auch

Materialwahl Bauteile, Elemente

10 Wirkungsweisen von Brandschutzverglasungen 11 übliche Konstruktionsweisen von Brandschutzverglasungen a Klasse G 30 nach DIN 4102-13/ E 30 nach DIN EN 13 501-2 b Klasse F 30 nach DIN 4102-13/ EI 30 nach DIN EN 13 501-2 12 Feuerschutz-Ganzglastür T 30-1/2-FSA, Sanierung Schloss Colditz, Colditz (DE) 2005

unter Brandbeanspruchung weitgehend durchsichtig, da keine Dämmschichtbildung erfolgt. Konstruktiv bestehen Brandschutzverglasungen nicht nur aus der eigentlichen Verglasung, d. h. der Scheibe selbst, sondern bilden zusammen mit allen für den Einbau erforderlichen Konstruktionselementen, wie z. B. Rahmen, Dichtungen etc., ein Gesamtsystem. Für dieses Gesamtsystem muss also der Verwendbarkeitsnachweis vorliegen, nicht nur für die Einzelkomponenten (siehe »Einbau und Nachweise (Übereinstimmung , An- und Verwendbarkeit«, S. 65ff.). Dies ist insbesondere beim Einbau von weiteren Bauteilen wie z. B. Türen wichtig, da sich diese in die überordnete Konstruktion der Brandschutzverglasung integrieren müssen, z. B. als »Systemverglasung F 30/ T 30«. Türen, Rauch- und Feuerschutzabschlüsse

Brandschutztechnische Anforderungen an Türen gibt das Bauordnungsrecht nach der Einbaulage der Tür (und dem daraus abgeleiteten Risiko) vor, wobei sowohl Anforderungen an den Feuerwiderstand der Tür selbst (z. B. feuerhemmend) und ihre Fähigkeit im geschlossenen Zustand einen Rauchdurchtritt zu verhindern (dichtschließend oder rauchdicht) als auch in Bezug auf ihren Schließmechanismus (selbstschließend) gestellt werden (siehe »Feuer- und/oder Rauchschutzabschlüsse«, Abb. 7 S. 51). Die Anforderung »dichtschließend« (z. B. als Abschluss in einer Flurtrennwand nach § 36 (4) Satz 4 MBO) erfordert keinen speziellen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis, diese Anforderung versteht sich vielmehr im Wortsinn. Eine Drehflügeltür mit formstabilem Türblatt und dreiseitig umlaufender (dauerelastischer) Dichtung gilt in der Regel als

dichtschließende Tür, die im geschlossenen Zustand einen Rauchdurchtritt ohne näheren Nachweis behindert. Ergänzend zu diesen »dichtschließenden Abschlüssen« der MBO fordert die Bayerische Bauordnung baurechtlich zudem »vollwandige«, dicht- und selbstschließende Abschlüsse als Treppenraumabschlüsse z. B. zu Wohnungen [14]. Die »vollwandige« Anforderung definiert sich dabei über weitergehende Vorgaben an das Türblatt selbst (z. B. Türblätter aus Vollholz mit ca. 4 cm Stärke oder auch Türblätter mit Hartholz- oder Stahlrahmen und Einlage aus einer widerstandsfähigen Verglasung), wobei diese nur den einschlägigen Kommentierungen bzw. Erläuterungen zur BayBO entnommen werden können. Daher benötigen auch diese Abschlüsse keinen Verwendbarkeitsnachweis. Zum Nachweis aller übrigen brandschutztechnischen Anforderungen an Türen aus der MBO ist jeweils ein entsprechender bauaufsichtlicher Verwendbarkeitsnachweis als Rauch- und/oder Feuerschutzabschluss erforderlich. Besonders wichtig sind bei diesen Produkten in der Praxis die Einbaubedingungen, die sich aus dem bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis oder zugehörigen Dokumenten wie Einbauanleitungen o. Ä. ergeben. Rauch- und/oder Feuerschutzabschlüsse bietet der Markt in einer Vielzahl an unterschiedlichsten Produkten und Ausführungsvarianten an, die auch anspruchsvollen Gestaltungsabsichten gerecht werden. Einige davon lassen ihre brandschutztechnische Leistungsfähigkeit nicht auf den ersten Blick erahnen – z. B. als rahmenlose Ganzglastür mit Zulassung als T 30-Feuerschutzabschluss (Abb. 12). Auch Sonderfälle lassen sich in der Regel über eine geschickte Produktauswahl abbilden – so sind z. B. Feuerschutzabschlüsse erhältlich, deren bauaufsicht-

BrandschutzSicherheitsglas

Verbundsicherheitsglas

a

Einscheibensicherheitsglas aufschäumende Zwischenschicht Randverbund 11 b

12

53

Materialwahl Bauteile und Elemente

licher Verwendbarkeitsnachweis auch eine nicht fußbodengleiche Einbaulage (»Verwendung in größerer Höhe«) vorsieht. Zudem gibt es neben Drehflügeltüren auch Roll- und Schiebetore mit einer Qualifikation als Rauch- und oder Feuerschutzabschluss. Dergleichen gilt auch für Automatikschiebetüren (Abb. 15), wobei hiermit ein Einsatz im direkten Verlauf eines Flucht- und Rettungswegs in der Regel ausgeschlossen ist. Spezielle Systemlösungen erlauben die Anwendung in Einzelfällen. An welcher Stelle der Einbau von Roll-

oder Schiebetoren und/oder -türen brandschutztechnisch sinnvoll bzw. möglich ist, sollte im Rahmen des Brandschutzkonzepts definiert und bewertet werden. Diese Elemente können zwar unstrittig (wie Türen) die an sie gestellten Vorgaben im Hinblick auf den Feuerwiderstand erfüllen, weitere ggf. bestehende Anforderungen (z. B. als Rettungsoder Angriffsweg) lassen sich im Einzelfall nicht abbilden. Zusätzlich ist hierbei auch die Anzahl und Größe der Abschlüsse (d. h. der Öffnungen) relevant. Nach MBO sind Öffnungen in Trennwänden »nur zulässig, wenn sie

auf die für die Nutzung erforderliche Zahl und Größe beschränkt sind« [15]. Diese Maßgabe soll zunächst verhindern, dass beispielsweise eine Trennwand mit der Anforderung F 90 großflächig durch mehrere aneinandergereihte T 30-Abschlüsse mehr oder weniger »aufgelöst« wird – und diese Abschlüsse könnten ja auch Roll- oder Schiebetore sein. Diese einschränkende Regelung ist zum einen sinnvoll, da an die »für die Nutzung erforderliche« Tür nach MBO eine geringere Feuerwiderstandsklasse zulässig ist als für die Trennwand selbst, und zum anderen, da bei jedem Abschluss (verglichen

RD T90 T30-RS RD T90

T30

VTS T30-RS T30-RS RD

RS T30-RS T90

T90

T90

T90

T30-RS VTS

T30

T90 T30

RS

RD

T30-RS T30-RS

13

T30

T30

Brandabschnitt

T90

Rollgewebe Rauchschürze

T90

T90

T90

FGA 30

Rauchschürze

Poller

14

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T30-RS

Materialwahl Bauteile, Elemente

15

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mit der eigentlichen Wand) ein gewisses Restrisiko verbleibt, dass das Element im Brandfall nicht bestimmungsgemäß geschlossen ist bzw. schließt. Sofern aus Entwurfsgründen jedoch genau diese »Auflösung« mit dem Ziel einer größtmöglichen Durchlässigkeit gewünscht ist (Abb. 14), müssen im Brandschutzkonzept eine zugehörige Risikobewertung durchgeführt und etwaige Kompensationsmaßnahmen erarbeitet werden. Rauch- und Feuerschutzvorhänge

Neben Abschlüssen mit weitgehend formstabiler Konstruktion kann ein Raumabschluss im Bedarfsfall auch über textile Systeme in Form von sogenannten Rauch- und/oder Feuerschutzvorhängen sichergestellt werden. Diese Systeme zeichnen sich in der Regel durch ihre »kompaktere« Bauform aus, entsprechen somit häufig den Gestaltungsabsichten der Planer und finden vermehrt Einzug in Brandschutzkonzepte (Abb. 16). Die (wunschgemäß) relativ leichten, textilen Materialien der Vorhänge erfüllen mitunter aber nur bedingt die für einen Feuerschutzabschluss erforderlichen Leistungskriterien. Insbesondere das Kriterium Wärmedämmung bzw. isolierende Wirkung ist durch diese Produkte systembedingt schwer nachweisbar. Daher können die meisten Feuerschutzvorhänge nur E- oder EW-Klassifizierungen (nach DIN EN 13 501-2) nachweisen, und es wäre eigentlich richtiger, diese Produkte als Rauchschutzvorhänge zu bezeichnen, denn Feuerschutzvorhang ist diesbezüglich irreführend. Rauchschutzvorhänge mit der vorgenannten Klassifizierung sind insofern auch normalerweise nicht äquivalent zu einem »klassischen« Feuerschutzabschluss, gleichwohl können sie natürlich Bestandteil eines schutzzielorientierten Brandschutzkonzepts sein, z. B. im Rahmen einer Abweichung. Zum Teil bietet der Markt auch Produkte

17

an, die zunächst eine E- bzw. EW-Klassifizierung aufweisen, aber in Verbindung mit einer Wasserbeaufschlagung (z. B. durch ohnehin vorhandenen Sprinklerschutz) oder der Anordnung von brandlastfreien Zonen vor bzw. hinter dem Vorhang auch die höherwertige EI-Klassifikation erreichen. In der Regel wird jedoch – da die Anforderung nicht auf dem herkömmlichen Klassifizierungsweg umgesetzt wird – weiterhin eine Abweichung von bauordnungsrechtlichen Anforderungen vorliegen, die im Rahmen der Brandschutzplanung zu bewerten ist, allerdings eher formaler Natur. Für alle mobilen Systeme bzw. Abschlüsse muss betrieblich sichergestellt werden, dass der erforderliche Schließbereich dauerhaft freigehalten werden kann. Insbesondere, da die Elemente möglichst »unauffällig« verbaut werden, ist dies mit zunehmender Breite des Abschlusses nicht immer ganz einfach. Eine Plausibilitätsprüfung des betrieblichen Konzepts ist ratsam. Revisionsabschlüsse von Installationsschächten und -kanälen

Einen Sonderfall feuerwiderstandsfähiger Abschlüsse stellen Revisionsabschlüsse (z. B. von Installationsschächten und -kanälen) dar (Abb. 17). Diese gelten als Teil des Schachts bzw. des Kanals und müssen in Bezug auf den Brandschutz insofern auch die gleichen Anforderungen erfüllen (Prüfung als Teil der Wand und nicht als Türabschluss). Sie dürfen sich von außen nur mit besonderem Werkzeug oder Schlüssel öffnen lassen, müssen im Gegenzug aber auch keine selbstschließende Eigenschaft aufweisen. Förderanlagenabschlüsse

Auch zur Abschottung von automatischer Fördertechnik (z. B. von bahngebundenen und pneumatischen Förderanlagen)

13 »Auflösung« einer inneren Brandwand in drei mobile T 90-Abschlüsse, Grundriss, Maßstab 1:1250, Flughafenterminal, Koch + Partner Architekten Stadtplaner 14 Flughafenterminal, Grundrissausschnitt, Maßstab 1:250 15 Schiebetür-Systemkombination mit AluminiumRohrrahmenelementen als Fluchtweg 16 flexibler Textil-Feuerschutzvorhang 17 Revisionsklappe F 30 in Metallständerwand

55

Materialwahl Bauteile und Elemente

gibt es Feuerschutzabschlüsse bzw. »Förderanlagenabschlüsse« (Abb. 18). Eine Besonderheit der Förderanlagenabschlüsse stellt die erforderliche Verknüpfung des Abschlusses mit der jeweiligen Fördertechnik dar, da hier zur Gewährleistung eines freien Schließbereichs im Bedarfsfall zumeist weitergehende Steuerungsmaßnahmen – sogenanntes Freifahren – getroffen werden müssen. Neben dem Einsatz in der Industrie kommen diese Systeme beispielsweise auch in Kantinen bei Geschirr- bzw. Tablettförderbändern vor, sofern Bauteile mit Feuerwiderstand gequert werden müssen. Türschließer, Feststellanlagen und Freilauftürschließer

Um die bauordnungsrechtlich erforderliche Eigenschaft »selbstschließend« zu erreichen, benötigen Türen sowie Rauch-

18

56

und Feuerschutzabschlüsse zusätzliche Schließmittel, die ein selbsttätiges Schließen des Abschlusses auch ohne zusätzliche Fremdenergie sicherstellen (d. h. z. B. auch bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung o. Ä.). Einfache Ausführungen funktionieren ausschließlich über kraftbetätigte Schließsysteme, die den Abschluss nach jeder Öffnung mittels gespeicherter mechanischer Energie automatisch schließen (z. B. Federbänder oder einfache Obentürschließer). Die Einfachheit dieser Lösung hat in der Praxis den Nachteil, dass diese Türen bei regelmäßiger Benutzung oft »aufgekeilt« bzw. anderweitig unzulässig arretiert werden. Zur Vermeidung dieses betrieblichen Problems gibt es Systeme mit zusätzlichen Steuerungskomponenten, die eine ständige Offenhaltung bzw. Arretierung des Abschlusses erlauben und diesen über integrierte Rauchauslöseeinrichtungen nur im Bedarfsfall schließen (Feststellanlagen). Aufgrund der Steuerungskomponenten benötigen Feststellanlagen eine externe Energieversorgung. Zweiflügelige Türen bzw. Feuerschutzabschlüsse enthalten ferner Mechanismen zur Schließfolgeregelung. Der Markt bietet Feststellanlagen in unterschiedlichsten Ausführungen an. Sogenannte Freilauftürschließer erlauben ein weitgehend widerstandstandloses Begehen der Tür bzw. des Abschlusses, d. h. im Regelbetrieb verhält sich der Abschluss so, als ob kein Türschließsystem vorhanden wäre. Insofern sind diese z. B. für Wohnungseingangstüren (als Abschluss zum Treppenraum) nach MBO prädestiniert [16]. Insbesondere solche Feststellanlagen fördern die Akzeptanz der Nutzer von selbstschließenden Türen und verhindern dauerhaft und zuverlässig, dass die Brandschutzfunktion der Türen durch den Nutzer aufgehoben wird. Im Rahmen

der Planung sollte also mit dem Nutzer bzw. Bauherrn abgestimmt werden, welche der vorgesehenen Türen mit Feststellanlage ausgeführt werden sollen und welche nicht. Die Schließmittel bzw. Feststellanlagen benötigen unabhängig von der eingebauten Tür oder dem Abschluss einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis. Bei Rauch- und Feuerschutzabschlüssen können Schließmittel bzw. Feststellanlage und Abschluss in der Regel nicht beliebig kombiniert werden. Angaben hierzu liefern die jeweiligen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweise und die Ausführungen in der Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (MVV TB) [17] (siehe »Einbau und Nachweise (Übereinstimmung , An- und Verwendbarkeit)«, S. 65ff.). Wände

Bauordnungsrechtlich unterscheidet man zwischen nicht tragenden und tragenden sowie raumabschließenden und nicht raumabschließenden Wänden. Nicht tragende Wände werden überwiegend durch ihre Eigenlast beansprucht. Sobald sie der Aussteifung tragender Wände dienen, sind sie wie diese zu behandeln. Tragende Wände müssen aus Sicht des Brandschutzes nicht zwingend zugleich raumabschließend sein, sie müssen in Bezug auf ihre Feuerwiderstandsdauer ggf. nur die übergeordneten Tragwerksanforderungen des Gebäudes erfüllen. Nicht tragenden Wänden mit einer definierten erforderlichen Feuerwiderstandsdauer müssen im Umkehrschluss üblicherweise raumabschließend sein, da ihre brandschutztechnische Funktion in der Regel dann in der Verhinderung einer Brandübertragung von Feuer und Rauch in angrenzende Bereiche besteht (innere Trennwände; siehe auch »Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen«, S. 46ff.).

Materialwahl Bauteile, Elemente

19

Brandwände, Wände in der Bauart von Brandwänden Brandwände müssen auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung feuerbeständig sein und aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen (REI 90-M; siehe »Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen«, S. 46ff.). Wie bereits dargestellt, sind für die Gebäudeklassen 1– 4 auch reduzierte Anforderungen (z. B. Wand anstelle einer Brandwand) möglich (siehe »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen«, S. 29ff.). Die zusätzliche mechanische Beanspruchung stellt eine Stoßbeanspruchung dar (z. B. äquivalent zu Schlägen mit einem 200 kg Pendelgewicht bei 3 m Pendellänge) und soll ein umstürzendes, angrenzendes Bauteil im Brandfall symbolisieren. Brandwände werden meist als Massivbauteile realisiert. Alternativ eignen sich aber auch Trockenbaukonstruktionen, deren Attraktivität in ihrer schlanken Bauform besteht. Zur Erlangung der Widerstandsfähigkeit einer Trockenbaukonstruktion gegen die vorgenannte Stoßbelastung werden diese Wandsysteme in der Regel mit einer integrierten, zusätzlichen Stahlblecheinlage ausgeführt (Abb. 19). Trockenbautrennwände gelten zu Recht als flexibel. Dies ist bei einem Einsatz als Brandwand jedoch nur bedingt der Fall. Ein nachträglicher Abbau bzw. bereits ein Versetzen dieser Wände im laufenden Betrieb könnte ohne Berücksichtigung des zugehörigen Brandschutzkonzepts gravierende Folgen haben. Grundsätzlich gilt, dass Bauteile mit brennbaren Baustoffen nicht über Brandwände hinweggeführt werden dürfen. Insbesondere unter diesem Gesichtspunkt bedarf die Brandwandausbildung im Bereich der Gebäudeaußenhülle in der Regel konstruktiv besonderer Auf-

merksamkeit, da hier regelmäßig aus architektonischen oder bauphysikalischen Gründen eine Ausführung aus brennbaren Baustoffen oder aus Bauteilen ohne definierten Feuerwiderstand gewünscht ist. Aussteifungen von Brandwänden ebenfalls mindestens feuerbeständig sein. Innere Trennwände Abhängig von der erforderlichen Feuerwiderstandsdauer steht für innere Trennwände – im Vergleich zu Brandwänden – ein noch breiteres Konstruktions- bzw. Produktspektrum zur Verfügung, z. B. in Massivbauweise, als Trockenbauwandkonstruktion oder aber auch in Holzbauweise (siehe auch »Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau«, S. 61). Trockenbauwandkonstruktionen mit definiertem Feuerwiderstand können sowohl als klassifizierte Wände aus Gipsplatten entsprechend DIN 4102-4 erstellt werden (d. h. Zusammenfügen normierter Einzelteile zu einer in Summe klassifizierten Wandkonstruktion) als auch als herstellerspezifische Wandkonstruktion, d. h. für die Wand ist die Erfüllung der Norm als Ganzes bzw. in Summe nachgewiesen. So bietet der Markt Systeme, die z. B. die Errichtung von weitgehend autarken feuerwiderstandsfähigen Raum-im-RaumLösungen erlauben oder die Errichtung von Wandkonstruktionen, die in beide Richtungen feuerwiderstandsfähig, aber nur einseitig beplankt sind (»Schachtwand«). Beide Systeme eignen sich insbesondere bei Umbaumaßnahmen im Bestand. So können die vorgenannten Schachtwände beispielsweise zur Ertüchtigung von bestehenden Trennwänden eingesetzt werden, d. h. wenn diese nicht über die erforderliche Feuerwiderstandsdauer verfügen, aber eine Ertüchtigung beispielsweise nur von einer Seite möglich ist (Abb. 20).

Feuerwiderstandsfähige, in sich abgeschlossene Raum-im-Raum-Systeme (Abb. 21, S. 58) lassen sich z. B. unterhalb von bestehenden Installationstrassen errichten, wenn mit einer neuen Trennwand nicht bis an die Rohdecke angeschlossen werden kann. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass die Installationen oberhalb des Raum-im-RaumSystems im Brandfall (und während der erforderlichen Dauer des Feuerwiderstands) nicht auf die darunter errichtete Konstruktion stürzen dürfen. Das Raumim-Raum-System verhält sich diesbezüglich ähnlich wie eine feuerwiderstandsfähige Unterdecke (siehe »Unterdecken«, S. 59f.). Insofern müssen die Abhängungen der bestehenden Trassen ggf. ertüchtig oder verstärkt werden.

18 Beispiel vertikaler Förderanlagenabschluss 19 Brandwand in Form einer Trockenbaukonstruktion 20 einseitig beplankte Trockenbauwandkonstruktion (F 90-Schachtwand)

Schachtseite

F90

Raumseite F90

20

57

Materialwahl Bauteile und Elemente

21

Die Integration von zusätzlichen Bauteilen wie Türen, Brandschutzklappen, Schottsysteme o. Ä. in herstellerspezifische Wandkonstruktionen erweist sich meist als nachteilig. Die Verwendbarkeitsnachweise dieser Bauteile müssten den Einbau einschließlich der erforderlichen Bedingungen in das jeweilige Wandsystem explizit behandeln, was aufgrund der Vielzahl an herstellerspezifischen Konstruktionen aber nicht immer der Fall ist, da ein Hersteller normalerweise nicht alle möglichen Produktkombinationen prüfen lässt. Hierdurch ergibt sich u.U. eine Einschränkung bei der Produktauswahl. Für die Praxis bedeutet dies, den spezifischen Wandtypen möglichst frühzeitig auszuwählen und hierbei parallel zu überprüfen, ob die für die Einbausituation konkret erforderlichen Einbauteile in diesem Wandtypen zulassungskonform verbaut werden können. Außenwände und Fassaden

Grundsätzlich gilt für Außenwände und Außenwandteile der bauordnungsrechtliche Grundsatz, dass eine Brandausbreitung auf und in diesen Bauteilen »ausreichend lang begrenzt« sein muss. In Abhängigkeit von der Gebäudehöhe definiert das Bauordnungsrecht hierzu verschiedene Anforderungen, wobei für die Gebäudeklassen 1–3 weitgehende Erleichterungen gelten (siehe »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen«, S. 29ff.). Ab Gebäudeklasse 4 müssen nicht tragende Außenwände und nicht tragende Teile tragender Außenwände entweder aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen oder bei der Verwendung brennbarer Baustoffe als raumabschließende Bauteile feuerhemmend sein. Dies gilt nicht für Fenster und Türen, Fugendichtungen sowie brennbare Dämmstoffe in nicht brennbaren geschlossenen Profilen der Außenwandkonstruktion. 58

Werden brennbare Baustoffe in der Außenwandkonstruktion eingesetzt, müssen Oberflächen von Außenwänden sowie Außenwandbekleidungen einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen schwer entflammbar sein und dürfen nicht brennend abfallen oder abtropfen. Bei Außenwandkonstruktionen mit geschossübergreifenden Hohl- oder Lufträumen oder bei hinterlüfteten Außenwandbekleidungen wie Doppelfassaden sind gegen die Brandausbreitung besondere bzw. zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, selbst wenn sie aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen (siehe auch »Konstruktive Besonderheiten«, S. 35). Dies erfolgt bei hinterlüfteten Fassaden in der Regel über den Einsatz einer nicht brennbaren Wärmedämmung in Verbindung mit horizontalen Brandsperren (und dort getrennter Unterkonstruktion) in jedem zweiten Geschoss im Hinterlüftungsspalt (siehe »Hinterlüftete Fassaden«, S. 38f.). Insbesondere bei Doppelfassaden ist jedoch eine weitergehende Betrachtung nötig. Erforderliche Maßnahmen können hier bis zu einem Einsatz von automatischen Löschanlagen reichen, um einer durch die Fassadenart begünstigten Brandübertragung von Geschoss zu Geschoss entgegenzuwirken. Gleiche Sorgfalt gilt auch für die Konzeption von Außenwänden mit hinterlüfteten Bekleidungen, die über Brandwände hinweggeführt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Festlegung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen an die Außenwand von Standardbauten unterhalb der Hochhausgrenze immer auch den Einsatz der Feuerwehr im Außenangriff mitbewertet [18]. Insofern ist z. B. bei Innenhöfen, die für die Feuerwehr im Brandfall nicht zugänglich – oder im schlimmsten Fall nicht einmal erkennbar – sind, zu überprüfen, ob ausschließlich die Umsetzung der Mindestanforde-

rungen aus § 28 MBO an diese Fassaden angebracht wäre (Abb. 22). Wärmedämmverbundsysteme Obwohl Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) nicht zwangsläufig geschossübergreifende Hohl- oder Lufträumen beinhalten, sind bei WDVS auf Basis brennbarer Dämmstoffe (z. B. mit expandierter Polystyrol-(EPS)-Dämmung) weitere Maßnahmen zur Verhinderung einer Brandausbreitung über die Außenwände zu treffen. Dies kann z. B. durch die Anordnung von Brandriegeln erfolgen (Abb. 23). Hintergrund dieser Regelung ist u. a. die Erkenntnis, dass diese Systeme insbesondere im Sockelbereich – auch aufgrund der zu erwartenden mechanischen Beanspruchung des eigentlich schützenden Putzsystems über die Jahre – bei einer Brandbeanspruchung (z. B. durch einen brennenden Müllcontainer oder Pkw) eine äußerst schnelle, geschossübergreifende Brandausbreitung zulassen. Die MVV TB beschreibt hierzu ein eigenes Prüfverfahren [19]. Um einen Einbrand in das WDVS bei Ausbrand aus einem Fenster zu verhindern, eignen sich alternativ zu den vorgenannten umlaufenden Brandriegeln auch Schutzmaßnahmen direkt an den Fenstern. Hierzu sind im Bereich der Stürze oberhalb der jeweiligen Öffnung (auch bei Brandeinwirkung standsichere und formstabile), nicht brennbare konstruktive Maßnahmen anzuordnen. Der ordnungsgemäße Einbau des Wärmedämmverbundsystems muss durch den Unternehmer, der dieses vor Ort einbaut, bestätigt werden. Decken

Decken bilden als Flächentragwerk üblicherweise einen essenziellen Bestandteil des Gebäudetragwerks. Als üblicherweise raumabschließende Bauteile müssen sie daneben aber auch entsprechend

Materialwahl Bauteile, Elemente

T90

T90 T30-RS

5m

RS r=25 m

T30-RS

T30-RS

T30

r=

T30

r=2

m 25

T30-RS

T30 5m

T30-RS VTS

r=2

T30-RS T30-RS

T30-RS

r=25 m

T30-RS T30-RS T30

T30-RS T30 T30-RS

r= 25 m

r=

25

m

T30-RS

r=25 m

T30 RS

T30-RS

T90

T90

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lange eine Brandausbreitung verhindern bzw. den Raumabschluss gewährleisten. Aufgrund ihrer Funktion als Flächentragwerk werden Decken heutzutage in der Regel als Massivbauteil aus (Stahl-)Beton errichtet. Möglich ist grundsätzlich aber auch die Verwendung von Holzwerkstoffen (z. B. in Holztafelbauart oder als Holzbalkendecke). Es gelten die bauordnungsrechtlichen Einschränkungen in Abhängigkeit der Gebäudeklasse bezüglich des Einsatzes von brennbaren Baustoffen (siehe auch »Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau«, S. 61ff. und »Gebäudeklassen, typologische Besonderheiten, Anforderungen«, S. 29ff.). Die Dimensionierung bzw. die Auslegung der Decken sowie ggf. auch die Auswahl der Konstruktionsart erfolgt üblicherweise durch den Tragwerksplaner unter Berücksichtigung der zu erreichenden Feuerwiderstandsdauer. Hierbei stehen auch wirtschaftliche Aspekte und der Wunsch nach einer möglichst schnellen Bauausführung im Vordergrund. Insbesondere bei der Auswahl der Konstruktionsart ist die Einbindung eines Brandschutzingenieurs insofern sinnvoll, als die wirtschaftlichsten Lösungen meist nur interdisziplinär unter Beachtung aller zugehörigen Planungsaspekte gefunden werden können. Dies gilt insbesondere, wenn »neuere« Konstruktionsarten anstelle »klassischer« Bauweisen geplant sind. Bei dem Neubau des Satellitenterminals am Flughafen München (siehe S. 104ff.) kam nach Abwägung aller Aspekte und insbesondere der vorgenannten Gründe die in Abb. 24 dargestellte Stahlverbunddecke in Verbindung mit einem Holoribdeckensystem zum Einsatz. Bei der Entscheidung für eine solche Bauweise ist beispielsweise frühzeitig zu berücksichtigen, dass für Elemente, die zukünftig an der Rohdecke befestigt oder angeschlossen werden sollen,

ggf. projektspezifische Verwendbarkeitsnachweise erforderlich werden. Im vorgenannten Beispiel waren dies Zustimmungen im Einzelfall nach BayBO u. a. für Anker und Schrauben, einzelne Abschottsysteme sowie diverse Befestigungen für Kabelanlagen mit Funktionserhalt [20]. Die Kenntnis und frühe Berücksichtigung dieses Umstands ist entscheidend für den erforderlichen zeitlichen Vorlauf.

21 Raum-in-Raum-System im Bau 22 Gebäude mit Innenhöfen, die von der Feuerwehr nur bedingt im Brandfall betreten werden können, Objektplanung: Baumschlager Eberle Architekten 23 Brandriegel bei WDVS mit EPS-Dämmstoffen und Putzbeschichtung (Dämmdicke ≤ 300 mm) 24 Stahlverbunddecke in Verbindung mit einem Holoribdeckensystem, Flughafenterminal, Koch + Partner Architekten Stadtplaner

3. BR

2. BR 1. BR

max. 8m max. 3m max. 0,9 m

23

Der Nachweis des Feuerwiderstands eines Deckensystems erfolgt immer mit Bezug auf die Gesamtkonstruktion. Möglicherweise konstruktiv bedingte Hohlräume in der Deckenkonstruktion (also im Bauteil, für das als Gesamtkonstruktion der Feuerwiderstand nachgewiesen wird, Abb. 25, S. 60) können üblicherweise nicht anderweitig – z. B. zur Unterbringung von haustechnischen Installationen – genutzt werden, d. h. alternative Trassenverläufe müssen in der Planung frühzeitig berücksichtigt werden. Vertikale Durchdringungen bedingen in Abhängigkeit vom Umfang und dem tatsächlichen Deckenaufbau ggf. weitere konstruktive Maßnahmen.

3. Brandriegel in Höhe der Decke des 3. Geschosses über der Geländeoberkante oder angrenzenden horizontalen Gebäudeteilen, mit einem maximalen Achsabstand von 8 m zum 2. Brandriegel. Bei größeren Abständen sind zusätzliche Brandriegel einzubauen. 2. Brandriegel in Höhe des 1. Geschosses über der Geländeoberkante oder angrenzenden horizontalen Gebäudeteilen, mit einem maximalen Achsabstand von 3 m zum 1. Brandriegel. Bei größeren Abständen sind zusätzliche Brandriegel einzubauen. 1. Brandriegel an der Unterkante des WDVS bzw. maximal 90 cm über der Geländeoberkante oder genutzen angrenzenden horizontalen Gebäudeteilen (z. B. Parkdächer).

Ferner gilt, dass die Feuerwiderstandsdauer einer raumabschließenden Decke – soweit bauordnungsrechtlich bzw. im Brandschutzkonzept nichts Abweichendes geregelt ist – sowohl für eine Brandbeanspruchung von unten als auch von oben eingehalten werden muss. Vor allem die Feuerwiderstandsfähigkeit bei Beanspruchung von unten ist insbesondere bei historischen Deckenkonstruktionen oft nicht (mehr) gegeben (siehe auch »Nachrüstung und Ertüchtigung«, S. 80ff.). Unterdecken Neben optischen Aspekten können Unterdecken auch eine brandschutztechnische 24 59

Materialwahl Bauteile und Elemente

1 2

3 25

60

bei brandbedingter Durchbiegung der Medien ergibt. Da diese Gesichtspunkte für die resultierende Gesamthöhe des Unterdeckenpakets entwurfsbestimmend sind, sollten diese Parameter sinnvollerweise rechtzeitig eingeplant werden. Wie in Beispiel 3 der »Kompensationsmaßnahmen« (S. 86ff.) dargestellt, gibt es im Rahmen des Brandschutzkonzepts (und auf Basis einer Abweichung) im Einzelfall ggf. sinnvolle Alternativlösungen, die natürlich ebenfalls frühzeitig in den Planungsprozess integriert werden sollten. Nur für eine einseitige Brandbeanspruchung ausgelegte Unterdecken sind in der Regel Teil einer übergeordneten Konstruktion – wie z. B. beim Einsatz zur Erhöhung des Feuerwiderstands einer darüberliegenden Deckenkonstruktion. Hier muss für die Unterdecke in der Regel keine Brandbeanspruchung von oben (a b, d. h. aus der Deckenkonstruktion selbst) nachgewiesen werden, da diese über den oberseitigen Deckenaufbau abgebildet wird (siehe auch die Beispiele im Kapitel »Nachrüstung und Ertüchtigung«, S. 80ff.). ∫

spruchung). Mit Ausnahme von Unterdecken in Rettungswegen wie notwendigen Fluren oder Treppenräumen, die zur Abtrennung des Deckenhohlraums mit brennbaren Installationen gegenüber dem Rettungsweg dienen, ist die maßgebende Richtung der Brandbeanspruchung aus dem Hohlraum in Richtung Rettungsweg (d. h. a∫b). Schutzzielorientiert könnte auf den Nachweis einer Beanspruchung vom Rettungsweg in Richtung Deckenhohlraum also verzichtet werden (a b). Die Befestigungsbauteile der Unterdecke müssen aufgrund einer möglichen Brandbeanspruchung im Deckenhohlraum mindestens der erforderlichen Feuerwiderstandsdauer der Unterdecke entsprechen. Auch die Befestigung darüberliegender Installationen muss ausreichend »brandsicher« sein, um ein frühzeitiges Versagen der Unterdecke durch herabfallende Teile zu verhindern. Ferner ist ein Mindestabstand zwischen Unterdecke und den darüber geführten Installationen erforderlich, sodass sich auch hierdurch ein Schutz der Unterdecke vor Belastungen ∫

Funktion erfüllen. Je nach Einsatzszenario unterscheidet man Unterdecken, die für eine beidseitige Brandbeanspruchung (a b, d. h. von unten und oben) ausgelegt sind, von Unterdecken, die sich nur für eine einseitige Brandbeanspruchung eignen. Wesentliches Ziel ist immer eine raumabschließende Wirkung zum Schutz darüber- oder darunterliegender Bereiche. Konstruktiv können Unterdecken sowohl klassisch als Abhangdecke mit Abhängung von der Rohdecke als auch als freitragend mit Befestigung an den angrenzenden Umfassungswänden realisiert werden (siehe auch »Nachrüstung und Ertüchtigung«, S. 80ff.). Die einzelnen Systeme gibt es für unterschiedliche Aufbauhöhen, aber auch verschiedene Einsatzbereiche und -grenzen. Werden brandschutztechnisch qualifizierte Unterdecken benötigt (und besagt das Brandschutzkonzept nichts Abweichendes), ist in der Regel von einer beidseitigen Brandbeanspruchung auszugehen (auch die bauordnungsrechtlichen Regelanforderungen unterstellen üblicherweise eine beidseitige Brandbean-

Materialwahl Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau

a

b

26

c

Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau Ferdinand Wirsching, Thilo A. Hoffmann Holzbau, hochfeuerhemmende Ausführung in GK 4

Grundsätzlich handelt es sich bei Holz um einen brennbaren Werkstoff, der sich bei direkter Brandbeanspruchung am Brandgeschehen »beteiligen« wird. Im Holzbau spielt bei der brandschutztechnischen Bewertung insofern auch eine Brandausbreitung über die Gebäudekonstruktion selbst eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus sind im Holzbau häufig auch hohlraumhaltige Bauweisen in Form von Holztafel-, Holzrahmen- oder Fachwerkkonstruktionen gebräuchlich. Über diese Hohlräume darf die Ausbreitung von Feuer und Rauch nicht begünstigt werden. Hiervon abgesehen müssen (insbesondere massive) Holzbauteile bzw. Holzbauweisen in Bezug auf das Brandverhalten aber nicht schlechter beurteilt werden als andere Bauweisen. So schützt die im Brandfall einsetzende Verkohlung an der Oberfläche die Holzbauteile, sodass diese nur langsam durchwärmen. Ferner bleiben sie aufgrund ihres geringen Temperaturausdehnungskoeffizienten auch im Brandfall lange formstabil. Im Vergleich zu Bauweisen mit Stahlbauteilen ergeben sich hierdurch sogar Vorteile (siehe »Holzbauteile und Holzbalkendecken«, S. 80f. sowie »Stahlbetonbauteile«, S. 81f.). Die Regelungen der Musterbauordnung berücksichtigen diese Eigenschaften insofern, als zwar einerseits mit der Erforderlichkeit einer feuerbeständigen Ausführung von Bauteilen gleichzeitig auch die Anforderung »nicht brennbar« verknüpft wird (siehe »Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen«, S. 46ff.), andererseits aber für viele Bauwerke über die Gebäudeklasse 4 und die korrespondierende bauaufsichtliche Regelanforderung

25 Beispiel einer Gesamtkonstruktion mit konstruktiv bedingten Hohlräumen: Decke mit im Zwischenbereich freiliegenden Stahlträgern 1 feuerwiderstandsfähiger oberseitiger Decken-/ Bodenaufbau zum Schutz vor Brandbeanspruchung von oben 2 Gesamtkonstruktion der Decke, für die der Feuerwiderstand nachgewiesen wird 3 feuerwiderstandsfähige Unterdecke zum Schutz vor Brandbeanspruchung von unten 26 Wände in Holzrahmenbauweise a Innenwand b Außenwand mit Holzverschalung c Außenwand mit Putzsystem 27 beispielhafte Installationsführung in einer zusätzlichen Ebene nach Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hoch feuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR), Schnitt Wand – Deckenanschluss

»hochfeuerhemmend« auch die Möglichkeit zur Ausführung als Holzbau besteht. Ein gegenüber Bauweisen aus nicht brennbaren Baustoffen äquivalentes Sicherheitsniveau wird darüber erreicht, dass hochfeuerhemmende Bauteile aus brennbaren Baustoffen allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen aufweisen und möglicherweise enthaltene Dämmstoffe aus nicht brennbaren Baustoffen bestehen müssen (Abb. 27). Für Holztafel-, Holzrahmen- und Fachwerkbauweisen werden weitergehende konstruktive Details bauaufsichtlich im Rahmen der »Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise« beschrieben. Aufgrund der im Rahmen der Richtlinie vorgesehenen Fremdüberwachung bedingt sich jedoch für derartige Bauteile ein gewisser Fertigteilcharakter. Prinzipiell kann die Richtlinie bzw. die darin beschriebene Bauweise – bei entsprechender Berücksichtigung im Brandschutzkonzept – aber auch sinngemäß zur Ertüchtigung von Bestandsbauteilen genutzt werden. Allerdings lassen sich im Bestand insbesondere bei Bauteilanschlüssen die Vorgaben der Richtlinie nachträglich meist nicht mehr vollumfänglich umsetzen. Zur Beschreibung des Brandschutzvermögens der vorbeschriebenen allseitig brandschutztechnisch wirksamen Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen dient im Rahmen der europäischen Klassifizierungen nach DIN EN 13 501 das sogenannte Kapselkriterium, z. B. K260, das beschreibt, wie lange der bekleidete brennbare Baustoff vor einer Entzündung geschützt wird. Dieses ist zusätzlich zur eigentlichen Feuerwiderstandsfähigkeit eines Bauteils nachzuweisen. Die Bekleidung soll einen Einbrand in die Bauteilkonstruktion selbst verhindern,

27

61

Wärmeleitfähigkeit [W/mK]

Materialwahl Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau

60 50 Stahl 40

30

20

10

Beton

Holz

0 0 28

200

400

600

800 1000 1200 Temperatur [°C]

sowie in der Folge eine unbemerkte Brandweiterleitung über dortige Hohlräume vermeiden. Sie ist dann auch Teil der übergeordneten Konstruktion (ähnlich wie bei Unterdecken zur Erhöhung des Feuerwiderstands einer darüberliegenden Deckenkonstruktion) und kann in der Regel nicht als Installationsraum genutzt werden; auch der Einbau von weiteren Bauteilen wie z. B. Fenstern und Türen oder brandschutztechnischen Abschottungen für haustechnische Installationen muss z. B. über die Ausbildung von entsprechenden Laibungen oder zusätzlichen Ebenen erfolgen (Abb. 26; siehe auch »Neue Brandschutzprodukte in Bestandsgebäuden«, S. 85).

Die Gebäudeklassen 1– 4 lassen sich in der Regel ohne Abweichungen von bauaufsichtlichen Regelanforderungen in Holzbauweise umsetzen. Selbst Wände, die auch unter zusätzlicher mechanischer Beanspruchung als hochfeuerhemmend klassifiziert werden müssen (Wand anstelle einer Brandwand), sind prinzipiell in Holzbauweise realisierbar. Eine Bemessung von Holzbauteilen für eine klassifizierte Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten (d. h. für GK 5) ist ingenieurmäßig durch Überdimensionierung leicht möglich, stellt aber eine Abweichung von bauaufsichtlichen Regelanforderungen dar und bedarf der Einzelbetrachtung im Zuge der Brandschutzplanung (Abb. 29).

Erhöhter Aufmerksamkeit bedarf in Gebäudeklasse 4 auch eine Fassadengestaltung mit Holzwerkstoffen, da hier die bauaufsichtlichen Regelanforderungen eine Ausführung von Oberflächen sowie Außenwandbekleidungen aus schwerentflammbaren Baustoffen vorgeben. Für Gebäudeklasse 1–3 gelten hingegen Erleichterungen (siehe auch »Außenwände und Fassaden«, S. 58). Eine solche Abweichung sowie etwaige Ersatzmaßnahmen (z. B. konstruktive Maßnahmen, um eine selbstständige Ausbreitung des Brands außerhalb des Primärbrandbereichs zu verhindern) sind Bestandteil des Brandschutzkonzepts, d. h. sie müssen im Einzelfall individuell beurteilt werden. Insbesondere, wenn es sich um Gebäude der Gebäudeklasse 5 handelt und insofern die vorgenannte Abweichung in Bezug auf eine feuerbeständige Konstruktion vorliegt, wird heute vermehrt in Hybridbauweise gebaut, mit dem Ziel, den/die Treppenraum- und Installationskern(e) des Gebäudes in Stahlbetonbauweise zu errichten und diesen massiven Kern zugleich als (weitere) Aussteifungskomponente zu nutzen. Hierdurch ergeben sich zwar in der Regel sowohl bei der Begründung der vorgenannten Abweichung als auch bei der Ausführungsplanung der technischen Gebäudeinstallation Erleichterungen, letztlich reicht dies jedoch als alleinige Maßnahme nicht aus. Stahl- und Stahlverbundbau

Aufgrund der Realisierbarkeit relativ leicht anmutender und »schlanker«, aber dennoch hochbelastbarer Bauteile erlaubt der Stahlbau eine sehr flexible und filigrane Ausführung von Tragwerken. Aus Brandschutzsicht steht dem entgegen, dass reine Stahlkonstruktionen –

29

62

Materialwahl Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau

28 Wärmeleitfähigkeit für Baustahl und Normalbeton in Abhängigkeit von der Temperatur 29 achtgeschossiges Wohnhaus H8 (GK 5) aus vorgefertigten Holzelementen, Bad Aibling (DE) 2011, Schankula Architekten 30 Stahlfachwerk mit beginnendem Tragwerksversagen nach Brandbeaufschlagung 31 Bürohochhaus, Grundriss Regelgeschoss, Maßstab 1:1000, JAHN 1 Regelgeschoss mit Brandabschnitt 2 Stahl-Fachwerktürme

3 Liftbereich mit sechs verglasten Personenaufzügen 4 Liftbereich mit acht verglasten Personenaufzügen 5 Verbindungsbrücke 32 Bürohochhaus, Brandschutzplan 11.–16. OG, Maßstab 1:500 33 Bürohochhaus, Ausführungsplanung, Brandschutzbeschichtung bzw. -bekleidung, Ausschitt aus dem Aufzugsbereich, Maßstab 1:200

bedingt durch die hohe Wärmeleitfähigkeit von Stahl (Abb. 28) und die verhältnismäßig geringe Massigkeit – in der Regel ohne weitere Maßnahmen nur eine geringe Feuerwiderstandsdauer aufweisen. Bei einer Erwärmung von mehr als 400 – 500 °C verliert Stahl normalerweise seine Tragfähigkeit.

tenden Entwässerungs- und Verdampfungsprozessen und den daraus folgenden Abplatzungen zerstört werden (Abb. 30 sowie »Stahlbetonbauteile«, S. 81f.). Soll bzw. muss eine reine Stahlkonstruktion einen (höheren) Feuerwiderstand nachweisen, bieten sich unterschiedliche Lösungen bei zunächst gleicher Systematik wie beim Holzbau an. Die Stahlbauteile werden in der Regel mit einer entsprechenden brandschutztechnischen Bekleidung oder Beschichtung versehen, die eine unmittelbare Brandeinwirkung auf das eigentliche Stahlbauteil und ein Erreichen der kritischen Stahltemperatur möglichst lange verhindert.

Stahlbetonverbundkonstruktionen können dagegen bei entsprechender Gestaltung des Querschnitts und Nutzung der abschirmenden Wirkung des Betons hohe Feuerwiderstandsdauern erreichen. Allerdings kann die schützende Betonschicht bei längerfristiger Brandbeanspruchung durch Erwärmung des Betons mit beglei-

T30 RS

30

Hier eignen sich Bekleidungen mit Putzoder Plattensystemen oder eine direkte Beschichtung der Stahlbauteile mittels reaktiver Brandschutzsysteme (»Brandschutz-Coatings«). Wichtige Kenngröße ist in diesem Zusammenhang unter anderem der jeweilige U/A-Wert eines Bauteils. Als Faustformel gilt: je schwächer/ filigraner das Stahlbauteil, desto dicker muss die Bekleidung/Beschichtung sein, um den geforderten Feuerwiderstand zu erreichen. Zielführend kann hier oft auch eine Kombination verschiedener Bau- bzw. Konstruktionsweisen sein. Bei den HighlightTowers in München, einem Gebäudeensemble mit zwei Türmen und Firsthöhen

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2 T30

2

1

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4 5

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‡ F 0-Beschichtung ‡ F 30-Beschichtung ‡ F 90-Bekleidung

T30

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Materialwahl Besonderheiten beim Brandschutz im Holzbau GK 4 bzw. im Stahlbau

1

2

2

5 4

2 3 3 3 Erdgeschoss

7.–12. Obergeschoss

27.– 31. Obergeschoss

34

von 126 m bzw. 113 m, wurden beispielsweise die Hauptaussteifungsstützen als massive Stahlstützen in ausbetonierten Rundprofilen erstellt, wohingegen bei anderen (d. h. statisch untergeordneten) Bauteilen zum Teil auch brandschutztechnische Bekleidungen bzw. Beschichtungen zum Einsatz kamen (Abb. 30 – 33), wodurch die aufgrund der Höhenentwicklung des Gebäudes erforderliche Ausführung der primären Tragwerkkomponenten des Gebäudes in Feuerwiderstandsklasse F 120 ermöglicht wurde.

34 Querschnitte Verbundstützen, Highlight Towers, München, Maßstab 1:25 1 Stahlstütze  1016 ≈ 10 mm 2 Grobblechpaket 3 Füllbeton 4 Stahlstütze  762 ≈ 8 mm 5 Stahlstütze  406 ≈ 8 mm 35 Regelungskonzept nach MBO 2002 für Bauprodukte und Bauarten 36 Musterdeckblatt einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) 37 Muster eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis (abP) 38 Muster einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) 39 Muster Ü-Zeichen (abZ)

64

Unabhängig von der Bekleidungs- bzw. Beschichtungssart sollte frühzeitig der Anschluss von weiteren Bauteilen an die bekleideten Bauteile bedacht werden. Häufig benötigen deren Anschlüsse weitere Maßnahmen bzw. sind dem Anschluss selbst enge Grenzen in Bezug auf gegebene Verwendbarkeitsnachweise gesetzt. Dies kann – je nach Konstruktionsart – auch Stahlverbundkonstruktionen betreffen (siehe »Decken«, S. 58f.). Auch der jeweilige Einsatzort spielt bei der Auswahl des Bekleidung- bzw. Beschichtungssart eine Rolle. Reaktive Beschichtungssysteme verfügen z. B. oft nur für druck- und nicht für zugbelastete Bauteile über einen bauaufsichtlichen Verwendbarkeitsnachweis, reagieren u. U. sehr empfindlich auf mechanische Beschädigung und dürfen üblicherweise nicht bewittert werden. Bei einer umfangreichen Plattenbekleidung hingegen kann die Bekleidung selbst einen erheblichen (zu berücksichtigenden) Gewichtsfaktor darstellen. Für Putzsysteme bietet der Markt sowohl Systeme mit zusätzlichem Putzträger als auch ohne (Spritzputz) an. Alternativ zur Bekleidung bzw. Beschichtung ist prinzipiell auch eine Überdimensionierung von Stahlbauteilen möglich, wobei sich hier aber insbesondere für

»höhere« Feuerwiderstandsdauern in der Regel derartig große Querschnitte ergeben, dass die eigentlichen Vorteile der Stahlbauweise verlorengehen. Insbesondere wenn die Stahlkonstruktion konzeptbedingt keine Anforderungen hinsichtlich ihres Feuerwiderstands erfüllen muss, ist sowohl bei der Bauteilbemessung als auch bei der Detaillierung der Auflagerpunkte die thermische Dehnung der Stahlbauteile im Brandfall zu berücksichtigen. Es dürfen hierdurch keine ungewollten mechanischen Einwirkungen auf angrenzende (etwaig feuerwiderstandsfähige) Bauteile durch Schubkräfte auftreten, zumal sonst über diese Krafteinwirkung auch die Gefahr des Versagens des Auflagerpunkts selbst besteht. Bei hochoptimierten Stahlkonstruktionen (wie z. B. im Industriebau gebräuchlich) kann es zu einer sogenannten kinematischen Versagenskette kommen. Hierunter versteht man ein großflächiges Versagen der Gesamtkonstruktion aufgrund des Versagens eines einzelnen Bauteils (»Domino-Effekt«). Die Ursache für das originäre Bauteilversagen könnte z. B. in einer lokal begrenzten Brandeinwirkung liegen, die bei isolierter Betrachtung zu keinem größeren Schadensfall führen würde. Dieser Aspekt muss daher bei der Planung thematisiert und berücksichtigt werden. Die Verhinderung dieses Versagensmechanismus ist insbesondere auch im Hinblick auf den abwehrenden Brandschutz erforderlich, da sich zum Versagenszeitpunkt die Rettungskräfte zur Brandbekämpfung bzw. Menschenrettung noch im Gebäude befinden könnten. Zudem kann bei reinen Stahlkonstruktionen ein Versagen vergleichsweise schnell und ohne klar erkennbare Vorzeichen (wie beispielsweise Abplatzungen bei Betonbauteilen oder Verkohlung bei Holzbauteilen) für die Feuerwehrdienstleistenden auftreten.

Materialwahl Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

MBO 2002

Bauprodukte, Bauarten

MLTB BRL

36

35

Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit) Arie Johannes Reimers Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 16. Oktober 2014 zum Umgang mit Produkten nach »harmonisierten technischen Spezifikationen« in Deutschland hat Änderungen der Musterbauordnung (MBO 2016) und der Musterregelungen zur Anwendung von Bauprodukten und Bauarten in Deutschland ausgelöst. Diese Änderungen sind bislang in vier Bundesländern in geltendes Baurecht umgesetzt worden. Ein Großteil der Landesbauordnungen fußt daher noch auf dem System gemäß MBO 2002 vor Entscheidung des EuGHs bzw. bereitet die Umsetzung der MBO 2016 vor (siehe Kapitel »Stand der Umsetzung«, S. 22f.). Die Änderungen haben teilweise erhebliche Auswirkungen auf die bautechnischen Nachweise. Aufgrund der momentanen Umbruchphase werden daher nachfolgend die beiden derzeit in Deutschland in der Anwendung befindlichen Regelungssysteme mit den erforderlichen Nachweisen vorgestellt – zunächst in Bezug auf die MBO 2002 bzw. die weitgehend noch auf Grundlage der MBO 2002 fußenden Bauordnungen der Länder, dann nach MBO 2016. MBO 2002: Bauprodukte, Bauarten, bautechnische Nachweise

Nach MBO 2002 wurde zwischen Bauprodukten und Bauarten unterschieden. Auf der Ebene der technischen Baubestimmungen sind die Anforderungen an Bauprodukte und Bauarten konkretisiert in • der Musterliste Technischer Baubestimmungen (MLTB) [21] • den Bauregellisten (BRL) A und B sowie der Liste C [22]

Nationale Bauprodukte Für die Nachweisführung ist zunächst die Einstufung in »geregelte, nicht geregelte und sonstige Bauprodukte« gemäß MBO 2002 entscheidend. [23] Sofern ein Bauprodukt einer in der Bauregelliste (BRL) A Teil 1 bekannt gemachten technischen Regel entsprach, handelte es sich definitionsgemäß um ein »geregeltes Bauprodukt«, z. B. Keramikklinker nach DIN 105 [24], BRL A1. Falls ein Bauprodukt wesentlich von einer technischen Regel abweicht oder es keine technische Baubestimmung oder allgemein anerkannte Regel der Technik hierfür gibt, so spricht man von einem »nicht geregelten Bauprodukt«, z. B. bei Streckenisolierungen mit Prüfung nach DIN 4102 [25], BRL A2. Die MBO 2002 verlangte für die nicht geregelten Bauprodukten Verwendbarkeitsnachweise in Form von • allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) [26], die vom Deutschen Institut für Bautechnik erteilt werden (Abb. 36) • allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen (abP) [27], die von einer amtlich anerkannten Materialprüfanstalt erteilt werden (Abb. 37), • Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) [28], die durch die oberste Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslands erteilt werden (Abb. 38).

37

38

Geregelte nationale Bauprodukte durften nur dann verwendet werden, wenn sie mit der technischen Regel übereinstimmten bzw. die Verwendbarkeit nicht geregelter nationaler Bauprodukte in dem für sie geforderten Übereinstimmungsnachweis bestätigt war. Diese Bauprodukte mussten jeweils das Übereinstimmungszeichen (Ü-Zeichen) tragen (Abb. 39). Die »sonstigen Bauprodukte« waren solche, für die es allgemein anerkannte

39

65

Materialwahl Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

40 Musterdeckblatt einer Europäischen Technischen Bewertung (ETA) 41 CE-Zeichen 42 nationale Bauprodukte, Nachweise nach MBO 2002 43 nationale Bauarten, Nachweise nach MBO 2002 44 europäische Bauprodukte, Nachweise nach MBO 2002 45 Auszug aus der MLTB, Teil I, Abschnitt 3 – Technische Regeln zum Brandschutz

41

40

Regeln der Technik gab, die jedoch nicht in der BRL enthalten waren. Für diese Bauprodukte verlangte die MBO 2002 weder Verwendbarkeits- noch Übereinstimmungsnachweise (ÜN) (Abb. 42). Bauarten Bei den Bauarten wurde zwischen »geregelten« und »nicht geregelten« Bauarten unterschieden. Geregelte Bauarten im Sinne der MBO 2002 waren solche, die den eingeführten technischen Regeln der Muster-Liste Technische Baubestimmung (MLTB) entsprachen bzw. der Liste der eingeführten technischen Baubestimmungen des jeweiligen Bundeslands. Analog zu den Bauprodukten erfolgte die Einstufung als nicht geregelte Bauart nach MBO 2002 bei wesentlichen Abweichungen von den technischen Baubestimmungen oder sofern es (noch) keine allgemein anerkannte Regel der Technik gab [29].

geregelte Bauprodukte

BRL (A1)

Als Nachweis der Anwendbarkeit geregelter Bauarten galt die Übereinstimmung mit der technischen Regel; die Anwendbarkeit nicht geregelter Bauarten ergab sich – ebenfalls wie auf der Produktebene – aus der Übereinstimmung mit der abZ, oder dem abP oder der ZiE (Abb. 43). Für den Übereinstimmungsnachweis und die Kennzeichnung geregelter und nicht geregelter Bauarten mit dem Ü-Zeichen galten ebenfalls die gleichen Regelungen wie für Bauprodukte (Abb. 39, S. 65). Harmonisierte Bauprodukte Nach MBO 2002 durften neben nationalen (Ü-gekennzeichneten) und den sonstigen Bauprodukten ferner europäische Bauprodukte verwendet werden, die nach Bauproduktenverordnung (BauPVO) in den Verkehr gebracht werden durften, die CE-Kennzeichnung tragen und die erforderlichen Leistungs-

Technische Regel AbZ

MBO 2002

nicht geregelte Bauprodukte

BRL (A2)

Ü, ÜN

AbP ZiE

sonstige Bauprodukte

BRL (C)

Technische Regel

geregelte Bauarten

(M)LTB

Technische Regel

42

AbZ

MBO 2002 nicht geregelte Bauarten

BRL (A3)

66

Der Hersteller muss für ein Bauprodukt, das von einer harmonisierten Norm erfasst ist oder das einer ETA (Abb. 40) entspricht, eine Leistungserklärung (LE) und die technische Dokumentation erstellen und als Übereinstimmungsnachweis die CE-Kennzeichnung am Bauprodukt anbringen (Abb. 41). Diese harmonisierten technischen Spezifikationen (hEN, ETA) können aber keine Anforderungen an Produkte hinsichtlich der Verwendung im Bauwerk stellen, sondern legen ausschließlich fest, • welche Produkteigenschaften »wesentliche Merkmale« sind [31] • wie die »wesentliche Merkmale« zu bestimmen sind (Prüfnormen) • welches Qualitätsprüfungssystem / -sicherungssystem anzuwenden ist (AVCP) • wie die »wesentlichen Merkmale« (Werte, Stufen, Klassen) zu deklarieren sind

AbP ZiE

43

Ü, ÜN

stufen oder -klassen nach Bauregelliste (BRL) B erfüllten [30]. Die BauPVO gilt für Bauprodukte nach harmonisierten technischen Spezifikationen, d. h. • für Produkte, für die eine gemäß BauPVO erstellte, harmonisierte europäische Norm (hEN) vorliegt • für Bauprodukte und Bausätze im Geltungsbereich von Europäischen Bewertungsdokumenten (EAD) für Europäische Technische Bewertungen (ETA) (Abb. 40 und im Geltungsbereich von Leitlinien für Europäische Technische Zulassungen (ETAG) die vor dem 1.7.2013 veröffentlicht worden sind • für Bauprodukte und Bausätze, für die europäische technische Zulassungen vor dem 1. Juli 2013 ohne Leitlinie erteilt worden sind

Mit Erfüllung dieser Voraussetzungen dürfen harmonisierte Bauprodukte gehan-

Materialwahl Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

hEN BauPVO

BRL (B1) CE

MBO 2002

ETA

BRL (B2)

CE + Ü

43

45

delt werden. Dies ist aber nicht synchron mit den Regeln für das Inverkehrbringen nationaler Bauprodukte und von Bauarten, die alle Anforderungen bereits über die nationale Produktnorm erfüllen und erklären müssen. Im Regelungskonzept der MBO 2002 führte diese Tatsache dazu, dass für harmonisierte Bauprodukte fehlende oder nicht vollständig erfüllte in der BRL B geforderte Eigenschaften über eine nationale Norm oder eine abZ »nachgeregelt« wurden und für diese eine zusätzliche nationale Kennzeichnung mit dem Ü-Zeichen erforderlich wurde (siehe »Bautechnische Grundlagen«, S. 19ff.). Gemäß der in Folge des EuGH-Urteils angepassten Regelungssystematik der MBO 2016 ergeben sich bei harmonisierten, CE-gekennzeichneten Bauprodukten Anforderungen an die Anwendung des Bauprodukts im konkreten Anwendungsfall gemäß der MVV TB. Aufbau der Liste Technischer Baubestimmungen (MLTB) und Bauregellisten (BRL) Die MLTB enthielt technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile. Die Regeln wurden über die oberste Bauaufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslands eingeführt und waren daher verbindlich (Abb. 44). Die MLTB hatte folgende Teile: • Teil I – Technische Regeln für die Planung, Bemessung und Konstruktion baulicher Anlagen und ihrer Teile • Teil II – Anwendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätze nach harmonisierten Normen und Europäischen Bewertungsdokumenten für Europäische Technische Bewertungen nach BauPVO sowie nach europäischen technischen Zulassungen nach BPR • Teil III – Anwendungsregelungen für Bauprodukte und Bausätze nach harmonisierten Normen und Europäischen

DIN 4102 Anlage 3.1/1

Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen

-4 Anlage 3.1/2

–; Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile

März 1994

-A/A1 Anlage 3.1/3

–; Teil 4: Zusammenstellung und Anwendung klassifizierter Baustoffe, Bauteile und Sonderbauteile; Änderung A1

November 2004

-22 Anlage 3.1/4

–; Teil 22: Anwendungsnorm zu DIN 4102-4 auf der Bemessungsbasis von Teilsicherheitsbeiwerten

November 2004

Bewertungsdokumenten für Europäische Technische Bewertungen nach BauPVO sowie nach europäischen technischen Zulassungen nach BPR im Geltungsbereich von Verordnungen nach MBO [32] Über die Bauregellisten (BRL) wurden die Leistungsstufen, Leistungsklassen und bauaufsichtliche Verwendbarkeitsanforderungen geregelt, die in Deutschland verwendbare Bauprodukte nach der MBO 2002 zu erfüllen hatten. Die BRL wurden durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) geführt, halbjährlich überarbeitet und im Einvernehmen mit den obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder veröffentlicht [33]. Die BRL war wie folgt gegliedert: • BRL A1 – für geregelte Bauprodukte mit Angaben zu den anzuwendenden technischen Regeln • BRL A2 – für nicht geregelt Bauprodukte, die entweder nicht der Erfüllung erheblicher Anforderungen an die Sicherheit baulicher Anlagen dienten und für die es keine allgemein anerkannten Regeln der Technik gab oder die nach allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt wurden • BRL A3 – für nicht geregelte Bauarten • BRL B1 – für Bauprodukte und Bausätze auf Grundlage von harmonisierten technischen Spezifikationen • BRL B2 – CE-gekennzeichnete europäische Bauprodukte und Bausätze, bei denen Grundanforderungen durch die europäischen Vorschriften nicht abgedeckt waren • Liste C – nicht geregelte Bauprodukte und Verwendungen, für die aus Sicht des Brandschutzes nur die Normalentflammbarkeit (DIN 4102-B2 bzw. Klasse E nach DIN EN 13 501-1) vorausgesetzt wird und auch keine Anforderungen an den Schall- und Wärmeschutz gestellt wurden.

MBO 2016 Bauprodukte, Bauarten, bautechnische Nachweise

Die MBO 2016 trennt stärker in Regelungen an das Bauwerk und an Bauprodukte. Mit dem Umbau des bauaufsichtlichen Regelungssystems entfallen in der MBO 2016 die MLTB und BRL. An ihre Stelle tritt die MVV TB. Nationale Bauprodukte, Bauarten, harmonisierte Bauprodukte Die Unterscheidung in geregelte und nicht geregelte Bauarten und Bauprodukte ändert sich nicht, wohl aber Definitionen und Anwendungsbereiche (siehe »Bautechnische Grundlagen«, S. 19ff.) sowie die bautechnischen Nachweise. Geregelte Bauprodukte müssen gemäß MBO 2016 bzw. nach Umsetzung in den jeweiligen Landesbauordnungen den in der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmung (MVV TB) Teil C bekannt gemachten technischen Regeln entsprechen – bislang waren diese in der Bauregelliste A Teil 1 enthalten. Geregelte Bauprodukte und Bauarten bedürfen einer Bestätigung ihrer Übereinstimmung mit den Technischen Baubestimmungen. Für nicht geregelte Bauprodukte, die wesentlich von den technischen Regeln in MVV TB Teil C abweichen oder für die es (noch) keine Technischen Baubestimmungen oder allgemein anerkannte Regeln der Technik gibt, ist unverändert nach MBO2016 die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ), das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) oder eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erforderlich. [34] Der Hersteller erklärt die Übereinstimmung geregelter und nicht geregelter nationaler Bauprodukte mit den technischen Regeln oder Verwendbarkeitsnachweisen nach deutschen Produktnormen weiterhin mittels Ü-Zeichen. 67

Materialwahl Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

Regelungen Bauwerk

Bauart

MBO 2016

MVV TB Produktanforderungen

Bauprodukte

46

Für nicht geregelte Bauarten wird nach MBO 2016 anstelle der bisherigen abZ eine allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) durch das DIBt erteilt [35]. An die Stelle der ZiE tritt für nicht geregelte Bauarten die sogenannte vorhabenbezogene Bauartgenehmigung (vBG), die durch die oberste Bauaufsichtsbehörde des Bundeslands erteilt wird. Das allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnis (abP) gibt es nach MBO 2016 weiterhin auch für nicht geregelte Bauarten. [36] Geregelte Bauarten bedürfen einer Übereinstimmungsbestätigung mit den technischen Baubestimmungen, nicht geregelte Bauarten mit dem Anwendbarkeitsnachweis (abP, aBG, vBG; Abb. 48). Die Zuordnung der europäischen Klassen zu den allgemeinen Begriffen der MBO 2016 erfolgt über die MVV TB [37]. Das harmonisierte Produkt ist verwendbar, wenn die erklärten Leistungen den Bauwerksanforderungen entsprechen. Harmonisierte Bauprodukte dürfen ausschließlich die CE-Kennzeichnung tragen. Bauaufsichtliche Übereinstimmungs- und geregelte Bauprodukte

Verwendbarkeitsnachweise sind ergänzend zur CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung nicht mehr zulässig. Auf die nach BRL geforderten Nachweise und Anforderungen wird entweder verzichtet, oder sie werden ersatzweise in Form von Anwendungsregeln als Bauwerks-Anforderungen oder als freiwillige technische Dokumentation gestellt. Aufbau der MVV TB Die MVV TB tritt im Regelungssystem der MBO 2016 wie zuvor beschrieben an die Stelle der BRL und MLTB (siehe »Bautechnische Grundlagen (technische Baubestimmungen, Nachweise etc.), S. 19ff.). Die MVV TB ist in vier Teile A–D gegliedert, besteht im Wesentlichen aus dem Zusammenfügen der Muster-Liste der Technischen Baubestimmungen (MLTB), den Bauregellisten (BRL) sowie den technischen Regeln und soll alle zur Gewährleistung der Bauwerkssicherheit erforderlichen materiellen Bauwerksanforderungen zusammenfassen. • Teil A – Technische Baubestimmungen, die bei der Erfüllung der Grundanforderungen an Bauwerke /Basic Works

MVV TB (C2)

Technische Regel AbZ

MBO 2016 nicht geregelte Bauprodukte

MVV TB (C3)

Ü, ÜB

AbP ZiE

47

geregelte Bauarten

MVV TB (A2)

MBO 2002

Technische Regel

ABG nicht geregelte Bauarten

MVV TB (C4)

ABP VBG

48

68

ÜB

45 Regelungskonzept nach MBO 2016 für Bauarten und Bauprodukte 46 nationale Bauprodukte, Nachweise nach MBO 2016 47 nationale Bauarten, Nachweise nach MBO 2016 48 europäische Bauprodukte, Nachweise nach MBO 2016 49 Übergang des Regelungssystems der MBO 2002 mit MLTB und BRL in die MBO 2016 mit MVV TB

Requirements (BWR) zu beachten sind (entspricht der ehemaligen MLTB und BRL B2) • Teil B – Technische Baubestimmungen für Bauteile und Sonderkonstruktionen, die zusätzlich zu den in Abschnitt A aufgeführten Technischen Baubestimmungen zu beachten sind (entspricht der ehemaligen MLTB und BRL B2) • Teil C – Technische Baubestimmungen für Bauprodukte, die nicht die CE-Kennzeichnung tragen, und für Bauarten (entspricht der ehemaligen BRL A) • Teil D – Bauprodukte, die keines Verwendbarkeitsnachweises bedürfen (entspricht der ehemaligen Liste C) Aufgabe und Ziel der MVV TB ist die Vermeidung von konkreten technischen Anforderungen auf der Ebene der Bauprodukte. Die wesentlichen bauwerksbezogenen Regelungen aus MLTB, BRL A, B und Liste C sollten in die MVV TB überführt werden (Abb. 46 und 47). Nicht übernommen in die MVV TB wurden die produktbezogenen Regelungen der BRL B1. Der »Ersatz« erfolgt wie zuvor beschrieben durch Verzicht, durch die Festlegung von Anwendungsgrenzen oder durch die Überführung von Produktanforderungen in bauwerks- bzw. verwendungsbezogene Anforderungen. Entsprechende Zusatzanforderungen finden sich teilweise in der MVV TB A2 wieder, die aber auf Bauwerksebene und somit nicht mehr direkt auf Produktebene gelten. Die BRL Liste C wird in abgewandelter Form in MVV TB Teil D wiedergegeben. Ferner sind technische Regeln enthalten, die sich hauptsächlich auf die Verwendung von Produkten nach europäisch harmonisierten Spezifikationen beziehen. Das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlicht die MVV TB im Einvernehmen mit den obersten Bauaufsichtsbehörden als Muster-Verwaltungs-

Materialwahl Einbau und Nachweise (Übereinstimmung, An- und Verwendbarkeit)

MBO 2002

MBO 2016

MLTB MVV TB A,B hEN BauPVO

CE

MVV TB (A2)

Anwendungsregeln

MVV TB (D3)

freiwillige technische Dokumentation

BRL B(2)

MBO 2016

ETA 49

50

vorschrift, für eine unmittelbare Geltung in den einzelnen Bundesländern ist jedoch die öffentliche Bekanntmachung der Verwaltungsvorschrift erforderlich (siehe »Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB)«, S. 22). Fazit

Die Änderungen des bauaufsichtlichen Regelungssystems mit der MBO 2016 haben teilweise erhebliche Auswirkungen auf die bautechnischen Nachweise. Erschwerend kommt hinzu, dass sich aufgrund des föderalen Aufbaus des Bauordnungsrechts in Deutschland derzeit ein heterogenes Bild darstellt. Über den Stand der Umsetzung der MVV TB in den Bundesländern informiert das DIBt in einer Übersicht. Planer und Errichter sollten sich daher möglichst frühzeitig bewusst werden, welches Regelungssystem für ihr Bauvorhaben zum Zeitpunkt der Anwendung gültig ist und welche Bauprodukte dafür geeignet sind. Koexistenz nationaler und europäischer Normen

Grundsätzlich dürfen der BauPVO und nach harmonisierten technischen Spezifikationen in den Verkehr gebrachten Bauprodukten keine nationalen Regelungen entgegenstehen oder den freien Warenverkehr dieser Produkte behindern. Die Tragweite dieser Regelung zeigt sich in Deutschland durch das Urteil des EuGH und seinen Folgen (siehe auch »EuGHUrteil«, S. 20). Ein hiervon abweichender Sonderfall kann sich aber im Umgang mit Bauprodukten nach nationalen und europäischen Normen ergeben. So kann die Europäischen Kommission für Bauprodukte im Geltungsbereich harmonisierter Normen (hEN) mit der Bekanntmachung der jeweiligen Norm sogenannte Koexistenzperioden bekannt

geben, die den Übergang von nationalen zu europäischen Regelungen oder unterschiedlichen Fassungen der harmonisierten Norm behandeln. Während dieser Koexistenzperiode können Bauprodukte alternativ nach geltenden nationalen oder europäischen Regelungen in den Verkehr gebracht (d. h. hergestellt, gekennzeichnet, gehandelt und verwendet) werden, nach Ablauf besteht die Verpflichtung zur CE-Kennzeichnung und Erstellung einer Leistungserklärung (LE). Dies kann beispielsweise Feuer- und Rauchschutzabschlüsse betreffen, die in Deutschland nach DIN 4102-5 geprüft und in Verkehr gebracht werden [38]. Die harmonisierte Produktnorm DIN EN 16 034 »Türen, Tore und Fenster« wurde am 10. Juli 2014 im EU Amtsblatt veröffentlicht und die Koexistenzperiode auf drei Jahre (vom 1. November 2016 bis zum 1. November 2019) festgelegt [39]. Bis zum 1. November 2019 können Hersteller somit ihre Produkte noch nach bekannten, nationalen Verwendbarkeitsnachweisen in Verkehr bringen. Danach dürfen diese nur als CE-gekennzeichnete Bauprodukte nach europäischem Nachweis gehandelt und verwendet werden. Sofern die Musterbauordnung etwa als Abschluss eines notwendigen Treppenraums einen mindestens feuerhemmenden, rauchdichten und selbstschließenden Abschluss verlangt [40], kann dies zunächst noch als »T 30-RS« klassifiziertes Bauprodukt mit abZ nach DIN 4102-5 und DIN 18 095-1 erfolgen [41], ab dem 2. November 2019 muss ein »EI230S200-C5«-Produkt mit LE nach DIN EN 16034 verwendet werden. Einzige Ausnahme stellen Lagerbestände dar, die vor Ablauf der Koexistenzperiode nach nationalen Regelungen in den Verkehr gebracht wurden. Diese können auch nach Ablauf der Koexistenzperiode noch verwendet werden.

BRL A

MVV TB C

Liste C

MVV TB D

Anmerkungen: [1] Anhang 4 MVV TB vom 11.12.2017 [2] § 26 (1) MBO [3] siehe auch A 2.1.2.2 bis A 2.1.2.4 MVV TB [4] § 27 (1) Satz 2 MBO [5] Baustoffklassen nach DIN 4102-1:1998-05 [6] DIN EN 13 501-1:2010-01 [7] § 26 (2) MBO [8] ebd. [9] DIN 4102-2:1977-09, -3:1977-09 [10] DIN EN 13 501-2: 2010-02 [11] nach § 30 Abs. 6 MBO [12] nach § 28 Abs. 2 MBO [13] § 37 Abs. 5 MBO [14] BayBO Art. 33 Abs. 6 [15] § 29 (5) MBO [16] MBO § 35 (6) Nr. 3 »Wohnungseingangstüren (Abschluss zum Treppenraum)« [17] MVV TB Anhang 7 »Anforderungen an Feststellanlagen« [18] § 28 MBO [19] MVV TB Anhang 5 »WDVS mit EPS, Sockelbrandprüfverfahren« [20] Art. 15 (3) Satz 1 Nr. 3 BayBO i. V. m. Art. 18 und 19 BayBO [21] MLTB, Fassung Juni 2015, letzte Änderungen gemäß Sitzungen der Fachkommission Bautechnik am 8./9. Dezember 2015 und 1./2. März 2016 bzw. der Liste der wiederum in dem jeweiligen Land eingeführten technischen Baubestimmungen [22] BRL Änderungsmitteilung Ausgabe 2016/2: Änderungen der Bauregelliste A Teil 1, Fassung 22. Dezember 2016 [23] § 17 nach MBO 2002 [24] Keramikklinker nach DIN 105-100:2012-01 [25] Streckisolierungen mit Prüfung nach DIN 4102-11:1985-12 [26] § 18 MBO 2002 [27] § 19 MBO 2002 [28] § 20 MBO 2002 [29] § 21 Abs. 1 MBO 2002 [30] § 17 Abs. 1 Nr. 2 MBO 2002 [31] Anhang ZA.1 hEN [22] im Geltungsbereich von Verordnungen nach § 17 Abs. 4 MBO und § 21 Abs. 2 MBO [33] bis zur Änderungsmitteilung Ausgabe 2016/2 (Änderungen der Bauregelliste A Teil 1, Fassung 22. Dezember 2016); www.dibt.de/de/Geschaeftsfelder/GF-BRL-Archiv.html (Stand 21.5.2018) [34] § 17 Abs. 1 MBO 2016 [35] nach § 16a (2) Nr. 1 und 2 MBO 2016 [36] § 16a Abs. 3 MBO 2016 [37] § 16c MBO 2016 [38] DIN 4102-5:1977-09 Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen; Feuerschutzabschlüsse, Abschlüsse in Fahrschachtwänden und gegen Feuer widerstandsfähige Verglasungen, Begriffe, Anforderungen und Prüfungen [39] DIN EN 16 034:2014-12 Türen, Tore und Fenster – Produktnorm, Leistungseigenschaften – Feuerund /oder Rauchschutzeigenschaften; Deutsche Fassung EN 16 034:2014; siehe auch Anhang 4 MVV TB [40] nach § 35 Abs. 6 Nr. 1 MBO 2016 [41] nach DIN 4102-5:1977-09 und DIN 18 0951:1988-10

69

K APITE L

04 BAU E N IM B ESTAN D

Bauen im Bestand Rechtliche Grundlagen, »Bestandsschutz«

1

Rechtliche Grundlagen, »Bestandsschutz« Bei Baumaßnahmen oder Nutzungsänderungen in Bestandsgebäuden müssen sich die Planer in der Regel mit einem etwaigen Bestandsschutz des Gebäudes auseinandersetzen. Im folgenden Kapitel werden die rechtlichen Zusammenhänge aufgezeigt sowie die verschiedenen Arten des Bestandsschutzes erläutert. Bestandsschutz: Schutz des Eigentums

In Verbindung mit bestehenden Gebäuden wird oftmals der Begriff des »Bestandsschutzes« bemüht. Die Musterbauordnung kenn diesen jedoch nicht. Gemeint ist mit »Bestandsschutz« im Allgemeinen die Sicherung von rechtmäßig bestehenden Gebäuden (bei einer rechtmäßig ausgeübten Nutzung) vor behördlichen Eingriffen – im Gegensatz zur zivilrechtlichen Betrachtungsweise, die auch bei bestehenden, bestandsgeschützten Gebäuden ein gewisses Anpassungsverlangen im Sinne der Sorgfaltspflicht / Verkehrssicherungspflicht gegenüber Dritten implizieren kann. Abgeleitet wird diese Sicherung dabei zumeist aus Art. 14 (1) des Grundgesetzes, der besagt: »Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.« [1] Die Bayerische Bauordnung (BayBO) enthält bezüglich dieser »Schranken« nachfolgende, den Bestandsschutz beschränkende Regelung, wenngleich auch die BayBO den Begriff der bestandsgeschützten baulichen Anlage an sich nicht näher definiert: »(4) Bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen können Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist«. [2]

So wird der Bauaufsichtsbehörde die Aufgabe bzw. die Ermächtigung erteilt, nachträgliche Anforderungen an bestandsgeschützte Gebäude zu stellen, wenn dies zur Abwehr einer »erheblichen Gefahr« erforderlich ist. Dieser Artikel greift unabhängig davon, ob eine Baumaßnahme vorgesehen ist oder nicht. Rechtsprechungen präzisieren in diesem Zusammenhang, dass das Recht nur ausgeübt werden darf, wenn die Gefahr auch »konkret« (d. h. real) ist, das Vorhandensein einer »abstrakten« Gefahr genügt hierzu nicht. Die abstrakte Gefahr ist mit einer potenziellen Gefahr gleichzusetzen. Diese entsteht alleinig aus einer Rechtsverletzung, d. h. beispielsweise einer Nichtübereinstimmung mit dem geltenden Recht [3]. Ferner wird klargestellt, dass eine »erhebliche Gefahr« in vorgenanntem Sinne nicht bereits allein dadurch entsteht, dass sich gesetzliche Vorschriften im Laufe der Zeit ändern und hierdurch u. U. eine Nichtübereinstimmung mit geltenden Recht resultiert [4]. Eine konkrete (reale) Gefahr besteht aus juristischer Sicht immer dann, wenn mit der Schädigung von Leben und Gesundheit zu rechnen ist und diese mit hoher Wahrscheinlichkeit eintritt [5], sie liegt jedoch nicht vor, wenn ein »Abweichen von Vorschriften, die der Sicherheit dienen« festgestellt wird [6]. Nach aktueller Auffassung der Gerichte ist die »fachkundige Feststellung« erforderlich, dass »nach den örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht unwahrscheinlich ist« [7]. Im Umkehrschluss zeigt diese Regelung, dass die Bauaufsicht kein Recht auf nachträgliche Anforderungen hat, wenn eine »erheblichen Gefahr« bzw. »konkrete Gefahr« nicht gegeben ist.

erahnen lässt, ist der Betriff des »Bestandsschutzes« oftmals Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. Nachfolgende Definition ergibt sich aus einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts NordrheinWestfalen: »Bestandsschutz ist der durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz vermittelte Anspruch einer durch Genehmigung legalisierten oder während eines Mindestzeitraums materiell rechtmäßigen baulichen Substanz, sich in ihrer von der Genehmigung beziehungsweise Genehmigungsfähigkeit umfassten konkreten Nutzung gegen spätere nachteilige Rechtsänderungen durchzusetzen.« [8] Hieraus ergibt sich die Differenzierung in einen »formellen Bestandsschutz« (d. h. explizit durch eine Genehmigung legalisiert) und einen »materiellen Bestandsschutz«. Bei einem materiellen Bestandsschutz liegt also keine Baugenehmigung vor (oder sie ist nicht mehr auffindbar), das Gebäude wurde aber in Übereinstimmung mit allen zum Errichtungszeitpunkt für das Vorhaben relevanten öffentlich-rechtlichen Vorschriften hergestellt – und die Nutzung seitdem nicht geändert. In diesem Fall hätte also ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Genehmigung vorgelegen. Es gibt jedoch auch Rechtsprechungen, die materiellen Bestandsschutz erkennen, wenn das Gebäude zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Errichtung den oben genannten Vorschriften entsprach. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass es dem Eigentümer obliegt, den Beweis über einen etwaigen formellen oder materiellen Bestandsschutz zu führen, nicht aber z. B. der Bauaufsichtsbehörde. Insofern ist eine lückenlose Dokumentation durch den Eigentümer essenziell (Abb. 1).

Arten des Bestandsschutzes

Hat ein Gebäude dann Bestandsschutz erlangt, ist eine dauerhafte Nachrüstung

Wie sich aus vorgenannten Ausführungen

71

Bauen im Bestand Rechtliche Grundlagen, »Bestandsschutz«

aktiver Bestandsschutz

Schutz bei Modernisierung

GG Art. 14 bestandsgeschütztes Gebäude

formeller Bestandsschutz

materieller Bestandsschutz

passiver Bestandsschutz

Schutz vor / bei Vorschriftenänderung 1 2

2

auf den Stand der aktuell geltenden Vorschriften bauordnungsrechtlich nicht veranlasst. Der Bestandsschutz beginnt in der Regel mit Aufnahme der (genehmigten) Nutzung eines ordnungsgemäß errichteten Gebäudes und endet, wenn Verhältnisse geschaffen werden, die durch die Genehmigung nicht abgedeckt sind (und auch nach den zuvor dargestellten Grundsätzen der jeweils zugrunde zu legenden Vorschriften nicht zulässig sind oder wären). Häufige Gründe für das Enden von Bestandsschutz sind beispielsweise: a eine Nutzungsänderung, b eine bauliche, nachträgliche Veränderung, die nicht in Übereinstimmung mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften liegt c eine bauliche Veränderung, deren Verhältnis von Neubauteilen gegenüber unveränderten Bestandsbauteilen deutlich überwiegt, also eher einem Neubau zuzuordnen wäre d eine längere Nutzungsunterbrechung (wobei die Dauer im Einzelfall zu klären ist) Bei Abriss, Zerstörung o. Ä. endet ein etwaiger Bestandsschutz naturgemäß ebenfalls. Der Übergang im Fall c ist fließend und wird je nach Bundesland unterschiedlich gehandhabt. Bei Umbauten oder Nutzungsänderungen in bestehenden Gebäuden sind grundsätzlich die aktuell geltenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen umzusetzen. Sie beziehen sich dann zumindest auf die jeweils geplante Maßnahme (wenn sich diese abgrenzen lässt), nicht aber von vornherein auch auf Bereiche, die von der Maßnahme nicht berührt werden oder gar auf das ganze Gebäude. Diese »Abgrenzung« definieren im Einzelnen die Regelungen der jeweiligen Landesbauordnungen. Die Bayerische 72

Bauordnung (BayBO) besagt beispielsweise, dass »von der Änderung nicht berührte Teile« des Gebäudes nur dann anzupassen sind, sofern sie in konstruktivem Zusammenhang mit den zu ändernden Teilen stehen bzw. mit diesen unmittelbar verbunden sind und die Anpassungen auch im Sinne von Art. 3 (1) Satz 1 erforderlich sind (gleichbedeutend zu § 3 Satz 1 MBO). Ferner muss die bauliche Änderung »wesentlich« sein, und es wird zusätzlich die Frage der wirtschaftlichen Zumutung aufgeworfen [9]. Folgendes Beispiel veranschaulicht dies in der Praxis (siehe auch »Dachgeschossausbau in München«, S. 98ff.): In einem zunächst bestandsgeschützten Wohngebäude soll der nicht ausgebaute Dachraum zugunsten einer Wohnnutzung ausgebaut werden. Hierzu muss der Treppenraum bis in das Dachgeschoss hochgeführt werden. Die Treppenraumabschlüsse zu den bestehenden, darunterliegenden Wohnungen entsprechen nicht den aktuellen Vorgaben der entsprechenden Landesbauordnung, aber der Fassung, die zum Zeitpunkt der Errichtung gültig war. Ein Anpassungsverlangen dieser bestehenden Wohnungseingangstüren wird im Regelfall nicht gegeben sein, denn die Türen stehen weder in konstruktivem Zusammenhang mit den für den Dachgeschossausbau erforderlichen Bauteilen, noch sind die Türen mit diesen unmittelbar verbunden. Darüber hinaus wird keine Erfordernis aufgrund von § 3 Satz 1 MBO bestehen. Die Frage der wirtschaftlichen Zumutung wird in diesem Fall nicht aufgeworfen (siehe auch »Nachverdichtung, Aufstockung«, S. 90ff.). Die Regelungen in den einzelnen Bundesländern unterscheiden sich jedoch z. T. deutlich voneinander. Im Gegensatz zur bayrischen Regelung zielt beispielsweise die niedersächsische Bauordnung

Baugenehmigung Begriffe des Bestandsschutzes

(NBauO) ausschließlich auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit, nicht aber auf konstruktive Zusammenhänge o. Ä. [10]. Auf dieser Basis könnte also ein Anpassungsverlangen der Treppenraumabschlüsse aus vorgenanntem Beispiel durchaus abgeleitet werden. Zusammengefasst verfolgt das Rechtsinstitut des »Bestandsschutzes« zwei Ziele: 1. Passiver Bestandsschutz Ein rechtmäßig errichtetes Gebäude soll davor geschützt werden, rechtswidrig zu werden, nur weil sich öffentlich-rechtliche Vorschriften ändern und das Gebäude dann ggf. den geänderten Vorschriften widerspricht (d. h. Schutz vor Anpassungsverlangen der Bauaufsichtsbehörden). 2. Aktiver Bestandsschutz Dieser soll dem Eigentümer ein gewisses Recht auf Änderung (eines bestandsgeschützten Gebäudes) einräumen, ohne dass hierdurch der gesamte Bestandsschutz verloren geht. Vom aktiven Bestandsschutz erfasst sind regelmäßig Maßnahmen zur Sicherung bzw. Erhaltung des Bestandseigentums. Dies betrifft insbesondere bauliche Maßnahmen, die der Aufrechterhaltung der ausgeübten Eigentumsposition dienen und z. B. auf Sanierung, Modernisierung oder denkmalpflegerische Maßnahmen abzielen. Diese Änderungen dürfen dabei nur begrenzter und geringfügiger Art sein (d. h. nicht wesentlich), ferner muss die Identität des ursprünglichen, d. h. des bauzeitlichen Bauwerks gewahrt bleibt. Eine wesentliche Änderung liegt immer dann vor, »wenn es sich um eine eingreifende, das Bauwerk umgestaltende Bauausführung handelt« [11]. Die bauordnungsrechtliche Genehmigungspflicht einer Baumaßnahme an sich kann ein Indiz für eine wesentliche Änderung sein, ist aber nicht zwingend.

Bauen im Bestand Allgemeine Herangehens- / Vorgehensweise

Allgemeine Herangehens-/ Vorgehensweise Bei fast jeder (Um-)Baumaßnahme in einem bestehenden Gebäude stellt sich im Vorfeld die Frage des Bestandsschutzes (siehe »Rechtliche Grundlagen, ›Bestandsschutz‹«, S. 71f.). Hieraus entscheidet sich, ob und in welchem Ausmaß der Umfang der baurechtlich erforderlichen Anpassungen über die eigentliche Maßnahme hinausgeht oder nicht. Relativ einfach ist der Fall, wenn ein formaler Bestandsschutz nachgewiesen werden kann, d. h. • die Baugenehmigungsunterlagen vorliegen • das Gebäude in Einklang mit der Genehmigung errichtet wurde • die Nutzung noch der Genehmigung entspricht Allerdings kann der Abgleich der Bestandssituation an sich (hier also der zweite Punkt) insbesondere bei älterer Bausubstanz zeitlich und auch monetär aufwendig werden. Häufig sind systematische Bauteiluntersuchungen – insbesondere an tragenden sowie raumabschließenden Wänden und Decken – notwendig. Als geeignet hat sich dabei die Erstellung eines entsprechenden Bauteilkatalogs erwiesen. Darüber hinaus muss eine detaillierte Auseinandersetzung mit den gegebenen Brandschutzprodukten wie Türen o. Ä. erfolgen (siehe auch »Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz«, S. 76ff.). Sind diese Genehmigungsunterlagen dagegen nicht auffindbar, muss festgestellt werden, ob ein materieller Bestandsschutz vorliegt. Wie bereits ausgeführt, obliegt die Verpflichtung des Nachweises (d. h. die Beweislast) dem Eigentümer / Bauherrn, der in der Regel entsprechende Fachingenieure mit der Erstellung beauftragt.

Für die Feststellung eines materiellen Bestandschutzes ist zunächst eine Recherche aller zum Zeitpunkt der Errichtung gültigen und anzuwendenden Bauvorschriften erforderlich. Dieser Nachweis ist jedoch nicht immer einfach zu führen und bedarf einer intensiven Auseinandersetzung mit der damaligen Rechtssituation – insbesondere bei älteren Gebäuden ein u. U. zeitlich sehr aufwendiges Verfahren. Anschließend muss die Bausubstanz mit den Anforderungen aus diesen Bauvorschriften abgeglichen werden, d. h. hier gilt bezüglich der Klassifizierung und Einstufung der einzelnen Bauprodukte und Bauarten wieder Vorgenanntes. Auf den Sonderfall, dass es auch Rechtsprechungen gibt, die materiellen Bestandsschutz erkennen, wenn das Gebäude zu einem beliebigen Zeitpunkt nach Errichtung den anzuwendenden Vorschriften entsprach, wird hier nicht näher eingegangen. Aufgrund des Interpretations- und z. T. auch Ermessensspielraums bei der Feststellung des Bestandsschutzes ist in der Regel eine frühzeitige Abstimmung mit der zuständigen Bauaufsichtsbehörde sinnvoll bzw. erforderlich. Kann die Fragestellung des Bestandsschutzes abschließend bejaht werden, ist zu klären, inwiefern das geplante Vorhaben – gegenüber den nicht zu verändernden Gebäudeteilen – klar abgegrenzt werden kann oder nicht (und ggf. sogar die Genehmigungsfrage insgesamt neu zu stellen wäre). Wie zuvor dargestellt, ist es bei einem räumlich und konstruktiv abgrenzbaren Vorhaben in einem bestandsgeschützten Gebäude rechtlich zulässig, die aktuellen öffentlich-rechtlichen Brandschutzvorschriften nur auf den Bereich des Vorhabens sowie direkt damit verbundene Teile anzuwenden.

Im konkreten Fall des Beispiels eines Dachgeschossausbaus in München (S. 98ff.) würde dies bedeuten, dass: • sämtliche neuen Bauteile im Dachgeschoss, die die Wohnung umhüllen • die Geschossdecke im Dachgeschoss (zumindest für eine Brandbeanspruchung von oben nach unten) • die Trennwand zum Treppenraum im Dachgeschoss • die neue Wohnungstür im Dachgeschoss (d. h. der Treppenraumabschluss) sowie • der zweite Rettungsweg aus der Dachgeschosswohnung jeweils den aktuellen Anforderungen aus der entsprechenden Landesbauordnung genügen müssen. Die restlichen Gebäudeteile können (aller Voraussicht nach) unverändert bleiben. Im Sinne einer vollumfänglichen Planungsleistung sollte der Planer den Bauherrn jedoch darüber aufklären, dass mit diesem eingeschränkten Maßnahmenumgriff nur die öffentlich-rechtlichen Mindestanforderungen des Brandschutzes erfüllt werden, das Gebäude aber unter Umständen (ggf. sogar in weiten Bereichen) nicht den aktuellen Brandschutzanforderungen genügt. Eine fundierte Entscheidungsvorlage mit weiteren, risikominimierenden Maßnahmen z. B. nach Prioritäten im Hinblick auf die Dringlichkeit gegliedert und auf Basis einer Bestandsanalyse mit brandschutztechnischer Gefährdungsanalyse erstellt, kann hierbei ein hilfreiches Instrumentarium sein. Einen deutlich anderen Projektverlauf würde dasselbe Vorhaben nehmen, wenn kein Bestandsschutz nachweisbar wäre bzw. dieser aufgrund von nachträglichen, nicht genehmigten Umnutzungen oder Umbaumaßnahmen im Gebäude verloren gegangen wäre. In diesem Fall wird sich das Anpassungsverlangen (das immer 73

Bauen im Bestand Allgemeine Herangehens- / Vorgehensweise

auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt) an den aktuellen Stand der Vorschriften auch deutlich außerhalb des eigentlichen, aktuellen Vorhabens erstrecken. Dies beginnt in der Regel mit der Notwendigkeit der Ertüchtigung der Rettungswege und kann bis zu erforderlichen Anpassungen am Tragwerk oder den raumabschließenden Bauteilen (insbesondere den Geschossdecken) enden. Von der Anpassung der Rettungswege sind sowohl der erste Rettungsweg als auch der zweite Rettungsweg betroffen. Beim ersten Rettungsweg in vorgenanntem Beispiel (dem Treppenraum) kommen für eine Ertüchtigung bzw. einen Austausch insbesondere in Betracht: • die Treppenraumabschlüsse, d. h. beispielsweise die Wohnungseingangstüren in allen Geschossen • etwaige Schwachstellen in den Treppenraumumfassungswänden • etwaige brennbare Wand- und Deckenverkleidungen im Treppenraum • etwaige Installationen im Treppenraum • ggf. die Treppenkonstruktion selbst, wenn diese brennbar ist • die Öffnung zur Rauchableitung

3

Im Bereich des zweiten Rettungswegs – sofern dieser nicht auch baulich ist – sind insbesondere Ertüchtigungen in folgenden Bereichen erforderlich: • Aufstellflächen für Hubrettungsgeräte • anleiterbare Stellen je Nutzungseinheit Bestehende tragende und raumabschließende Bauteile entsprechen oftmals nicht mehr den aktuellen Brandschutzanforderungen bzw. ein entsprechender Nachweis kann häufig nicht erbracht werden. Neben Mängeln bei der Ausführung liegt dies oft an fehlenden (einfachen) Nachweisverfahren zur Ermittlung der vorliegenden Feuerwiderstandsdauer – insbeson-

4

74

Bauen im Bestand Allgemeine Herangehens- / Vorgehensweise

3 4

Baustelle Dachgeschossausbau Ertüchtigung Holzbalkendecke, Ladenlokal, Luzern (CH) 2010, Lauber Ingenieure Schema zum Vorgehen bei einer genehmigungspflichtigen Baumaßnahme im Bestand

5

dere bei historischen Bausubstanzen – oder aber an inhaltlichen Veränderungen in Vorschriften bzw. Bemessungsregeln (z. B. Betonüberdeckung, siehe »Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz«, S. 76ff.). Meist ist ein einfacher Austausch bzw. eine Ertüchtigung (Abb. 4) nicht möglich oder scheiden diese aus bautechnischen Gründen (da z. B. keine statischen Lastreserven mehr gegeben sind) oder aus Gründen des Denkmalschutzes (keine größeren Eingriffe dieser Art in die bestehende Gebäudestruktur) zumeist aus.

gliedern. Die Prioritäten stellen tendenzielle Gewichtungen der Mängel dar, deren Behebung im Rahmen eines festzulegenden Realisierungszeitraums dem Bauherrn empfohlen wird. Hierbei hat es sich als zweckmäßig erwiesen, zunächst abstrakte Zeiträume festzulegen (z. B. »kurzfristig«, »mittelfristig« und »langfristig«). Die konkrete Definition dieser Realisierungszeiträume muss dann gemeinsam mit dem Eigentümer / Bauherrn erfolgen. Die Zeitspanne hängt im Wesentlichen von den jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen ab. So wird es z. B. bei einem institutionellen Eigentümer mit größerem Immobilienbestand und bei einer Vielzahl an »dringenden« Maßnahmen sinnvoll sein, in allen Liegenschaften parallel zunächst die »kurzfristigen Mängel« abzustellen und den Zeitraum für die mit-

In diesen Fällen verbleiben dann (genehmigungspflichtige) Abweichungen mit projektspezifisch zu erarbeitenden Kompensationsmaßnahmen (siehe »Bauliche und technische Nachrüstung / Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen«, S. 80ff.). Diese Kompensationsmaßnahmen sind in aller Regel Bestandteil eines übergeordneten Brandschutzkonzepts für das bestehende Gebäude (Abb. 5). Ein solches übergeordnetes Brandschutzkonzept muss dabei grundsätzlich dem Anspruch genügen, den Sollzustand unter Berücksichtigung • der nunmehr geltenden Vorschriften und der über die Jahre hinweg veränderlichen Auslegung von Vorschriften • der vertretbaren Inanspruchnahme des Bestandsschutzes • den baulichen/unveränderlichen Gegebenheiten des Bestands • von möglichen Kompensationsmaßnahmen • von Wechselwirkungen mit dem Denkmalschutz zu beschreiben und etwaige Differenzen zur Bestandssituation mit den dazugehörigen Maßnahmen aufzuzeigen. Dabei sind die Maßnahmen nach deren jeweiligen Dringlichkeit in Prioritäten – als Entscheidungshilfe für den Bauherrn – zu

telfristige bzw. langfristige Umsetzung länger zu fassen. Die Vorgabe eines Brandschutzkonzepts für Bereiche, die außerhalb des eigentlichen Maßnahmenumgriffs liegen, erfolgt somit zusammengefasst mit folgender Zielsetzung und Begründung: • Bei künftigen Umgestaltungen oder Umbaumaßnahmen soll sichergestellt werden, dass der Brandschutz den geltenden Vorschriften angepasst wird. • Auch kleinere Umgestaltungen müssen mit einem Brandschutzkonzept für das Gesamtgebäude kompatibel sein. • Wirtschaftliche Lösungen für Teilbereiche sind oftmals möglich, sofern diese im Gesamtzusammenhang betrachtet werden. • Der Sollzustand wird im Rahmen eines angemessenen Realisierungszeitraums sukzessive erreicht.

genehmigungspflichtige Maßnahme im Bestand

Baugenehmigung vorhanden? ja formeller Bestandsschutz

nein Abgleich mit Vorschriften zum Zeitpunkt der Errichtung positiv? ja

materieller Bestandsschutz

nein

kein Bestandsschutz

Vorhaben räumlich /konstruktiv klar abgrenzbar? ja

Anwendung aktueller Vorschriften auf Vorhaben beschränkt; kaum Anpassungsverlangen

nein

Anwendung aktueller Vorschriften auf Vorhaben und Umgriff; höheres Anpassungsverlangen

Anwendung aktueller Vorschriften auf Gesamtgebäude; weitgehendes Anpassungsverlangen

5

75

Bauen im Bestand Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz

1

Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz Die brandschutztechnische Beurteilung und Klassifizierung der vorhandenen Bausubstanz ist bei fast jeder Planungsaufgabe im Bestand eine wesentliche Grundlage bzw. Voraussetzung für die Entwicklung des Brandschutzkonzepts. Ohne diese bautechnische Analyse fehlen grundlegende Eingangsparameter für die Risikoanalyse. Im Vordergrund steht hierbei zumeist die Ermittlung der Feuerwiderstandsdauer von Bauteilen, ggf. auch von einzelnen Bauprodukten. Auch aus Gründen der Dokumentation hat es sich in der Praxis als hilfreich erwiesen, die Zustandserfassung in Form eines Bauteilkatalogs darzustellen. Je nach Substanz sind dafür Bauteilöffnungen bzw. Aufschlüsse erforderlich (Abb. 6 a–c), oder aber es eignen sich zerstörungsfreie Prüfverfahren. In Teilbereichen bieten sich ggf. Kamerabefahrungen (ergänzend) an. Neben einer bildhaften sowie zeichnerischen Darstellung des geprüften Bauteils ist die Angabe der Lage der Bauteilöffnung sinnvoll. Die Anzahl der Stichproben sowie die Festlegung der zugrunde gelegten Systematik variiert projektspezifisch und kann daher nicht verallgemeinert werden.

1

30/50 mm

1 2

a

Elastomerauflager Teppich Holzspanplatte 40 mm Zwischenraum mit Mineralwolle 50 mm Schalung 20 mm Zwischenraum 140 mm Schalung 20 mm abgehängte Gipskartondecke 3

25/50 mm

3

b

Liegen die relevanten Informationen über die Bauprodukte bzw. Baustoffe oder Bauteile vor, erfolgt eine Einstufung in eine Feuerwiderstandsklasse. Eine mehr oder weniger einfache Zuordnung ist dann möglich, wenn es sich um Baustoffe bzw. Bauteile handelt, die nach DIN 4102-4 klassifiziert sind oder waren. Da sich Anforderungen innerhalb dieser Norm über die Jahre/Jahrzehnte geändert haben – die erste Fassung stammt aus dem Jahre 1934 (Abb. 7), ist für eine korrekte und maßvolle Beurteilung zunächst die jeweils 6 c 76

2

Parkett 21 mm Schalung 25 mm Schüttung 85 mm Schalung 20 mm Zwischenraum 115 mm mit Schüttung Schalung 20 mm Putz auf Strohmatten 4

30/50 mm

4

Parkett 21 mm Schalung 24 mm Schüttung 80 mm Schalung 20 mm Zwischenraum 120 mm mit Schüttung Schalung 19 mm Putz auf Strohmatten 18 mm

Bauen im Bestand Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz

6

7 7

verschiedene Bauteilöffnungen, Sanierung Bayerische Architektenkammer, München (DE) 2006, Schmöller Architekten a Decke Dachgeschoss b Decke 1. Obergeschoss, Seitenflügel c Decke 1. Obergeschoss, Hauptbau DIN 4102 »Widerstandsfähigkeit von Baustoffen und Bauteilen gegen Feuer und Wärme«, August 1934

77

Bauen im Bestand Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz

zum Errichtungszeitpunkt gültige Fassung der Norm maßgebend. Kann, wie im nachfolgenden Beispiel dargestellt, die erforderliche Feuerwiderstandsdauer nach der »alten Norm« nachgewiesen werden (im Beispiel die Fassung von Februar 1970), nicht aber nach der aktuellen Fassung, ist dieser Umstand im Rahmen der Risikoanalyse zu bewerten und im Brandschutzkonzept darzustellen. Abhängig von der Umfänglichkeit des Eingriffs können dann ggf. weitere Maßnahmen erforderlich werden – oder es kann »aktiver Bestandsschutz« geltend gemacht werden (siehe »Rechtliche Grundlagen, ›Bestandsschutz‹«, S. 71f). Beispielhaft wird ein statisch bestimmter Stahlbetonbalken mit einer Balkenbreite von 200 mm und einer Höhe von 400 mm angenommen. Ferner Bügel mit ∅ 8 mm und je 3 Längsstäbe ∅ 16 mm zur Zug-

bewehrung bei einer Betonbügelüberdeckung cBü = 15 mm. Entsprechend DIN 4102-4 vom Februar 1970 war das Bauteil in die Feuerwiderstandsklasse F 90 einzustufen. Wird nun die aktuelle Fassung der Norm zur Einstufung des Bestandsbauteils angewendet, ergibt sich formal nur noch die Möglichkeit einer Einstufung in die Feuerwiderstandsklasse F 30 (Abb. 8). Der Nachweis für die Feuerwiderstandsklasse F 90 gelingt nicht, da u = 15 + 8 + 16/2 = 31 < 45 mm = min. u us = 15 + 8 + 16/2 = 31 < 55 mm = min. us Der Nachweis für die Feuerwiderstandsklasse F 60 gelingt nicht, da u = 15 + 8 + 16/2 = 31 > 30 mm = min. u us = 15 + 8 + 16/2 = 31 < 40 mm = min. us Der Nachweis für die Feuerwiderstandsklasse F 30 gelingt, da u = 15 + 8 + 16/2 = 31 > 10 mm = min. u us = 15 + 8 + 16/2 = 31 > 10 mm = min. us

Handelt es sich um vor 1934 errichtete Gebäude, kann hilfsweise für eine Abschätzung eine sinngemäße Anwendung der Tabellen aus DIN 4102 fallweise in Betracht kommen, wenn das zu beurteilende Bauteil einer dort beschriebenen Ausführungsart entspricht. Die Tabellenwerke der DIN 4102-4 ermöglichen im Bestand eine Einstufung insbesondere der nachfolgenden Bauteile (mit der Einschränkung, dass aufgrund der europäischen Harmonisierung die aktuelle Fassung der DIN 4102-4 nicht mehr zu allen zuvor genannten Bauteilen entsprechende Bemessungsregeln enthält; im Hinblick auf die Thematik »Bauen im Bestand« ist dies aber weitgehend belanglos): • Betonbauteile, insbesondere – Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbauteile /-decken – Decken aus Stahlbetonhohldielen – Decken aus Porenbetonplatten – Stahlbeton- und Spannbeton-Rippendecken – Stahlbeton- und Spannbeton-Plattenbalkendecken – Stahlbeton- und Spannbeton-Balkendecken – Stahlsteindecken – Stahlbetondecken in Verbindung mit im Beton eingebetteten Stahlträgern sowie Kappendecken • Holzbauteile, insbesondere – Holzbalkendecken – Decken in Holztafelbauart • Stahlbauteile, insbesondere – Stahlträger- und Stahlbetondecken mit Unterdecken • Verbundbauteile • Mauerwerksbauteile Beispielhaft sei hier die Einstufung einer Einschubdecke (mit verdeckten Holzbalken) und unterseitiger Drahtputzdecke anhand des nachfolgend dargestellten Ergebnisses einer Bauteilöffnung angeführt (Abb. 9).

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Bauen im Bestand Beurteilung und Klassifizierung vorhandener Bausubstanz

Aufgemessener Deckenaufbau: • Parkett 21 mm • Schalung 24 mm • Schüttung /Dämmung 80 mm • Schalung 20 mm • Zwischenraum 120 mm mit Schüttung / Dämmung • Rohrputzdecke 19 mm • Drahtputzdecke, Putzdicke 18 mm und Drahtgewebe mit Spannweite 25 mm

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> 25 mm

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c

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Bauen im Bestand Bauliche und technische Nachrüstung /Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen

Um diese Anforderungen mit historischen Türen zu erfüllen, eignen sich insbesondere folgende Maßnahmen: • Nachrüstung von Dichtungen • Nachrüstung von (Oben-)Türschließern • Ertüchtigung/Austausch der Beschläge (wenn Bestandstüren z. B. keine Falle haben) • Verstärkung bzw. Aufdoppelung der Türblätter (z. B. auf der wohnungszugewandten Seite) • ggf. Nachbildung von Holztürblättern in massiverer Bauart • Nachrüstung der rauchdichten Eigenschaft über die Nachrüstung von Absenkdichtungen bzw. Spezialsystemen Zudem haben historische Türelemente z. T. auch mehr oder weniger große Glasfüllungen, die den Anforderungen des Brandschutzes entgegenstehen können (Abb. 21). Hier bietet sich im Einzelfall der Austausch der Glasfüllung gegen eine Brandschutzverglasung an (je nach Situation als F- oder G-Verglasung). Bei deren Einbau sollten die Einbaubedingungen aus dem zugehörigen Verwendbarkeitsnachweis so gut wie möglich umgesetzt werden. Die Nachrüstung erfolgt durch Fachbetriebe auf Basis der Vorgabe aus dem übergeordneten Brandschutzkonzept und – sofern nötig – nach Erteilung der denkmalrechtlichen Genehmigung / Erlaubnis. Gegebenenfalls kann auch ein Nachbau unter Einbeziehung von Originalbauteilen zum Ziel führen. In einigen Situationen müssen Hauptrettungswege wie Treppenräume oder notwendige Flure im Bestand erst dadurch rückwirkend definiert werden, dass sie gegenüber angrenzenden Raumaufweitungen (mit brandlasthaltiger Nutzung) abgetrennt werden. Dies sollte aber unter Wahrung der ursprünglichen Identität des Gebäudes

21

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bzw. Raumbereichs erfolgen (Abb. 22). Gegebenenfalls ist in einem solchen Fall auch die Nachrüstung von Brandschutzverglasungen oder von mobilen Abschlüssen wie z. B. Rauchschutzvorhängen zweckmäßig. Einzelelemente – Treppen Um die Feuerwiderstandsdauer von historischen Holztreppen in Altbauten zu erhöhen, bietet sich häufig eine Bekleidung der ungeschützten Treppenlaufunterseiten und ggf. der Treppenwangen mit Brandschutzplatten an. Ob sich allein hierdurch tatsächlich eine signifikante Verringerung der Abbrandgeschwindigkeit erzielen lässt, sei jedoch dahingestellt. Der Effekt ist in der Regel nur gering, wie eine Versuchsreihe der Materialforschungs- und Prüfungsanstalt für Bauwesen in Leipzig aus dem Jahr 1986 belegt [14]. Da die Treppen durch die Nutzer zu diesem Zeitpunkt, d. h. wenn die Bekleidung wirksam würde, ohnehin nicht mehr nutzbar sind, stellt sich die Frage nach dem praktischen Nutzen dieser »Brandschutzmaßnahme«. Zweckdienlicher erscheint es, das bestehende Element »Treppenraum mit Holztreppe« als Ganzes einer Risikobeurteilung zu unterziehen. Diese wird voraussichtlich zu dem Ergebnis führen, dass eine Ertüchtigung oder ein Austausch der Treppenraumabschlüsse einen höheren Sicherheitsgewinn bringt als die genannte Treppenbekleidung. In diesen Fällen ist aber ein Blick auf den betrieblichen Brandschutz ratsam: Kommen zu den beschriebenen bausubstanzbedingen Abweichungen zusätzliche betriebliche Mängel im Treppenraum hinzu (wie z. B. das Abstellen oder Zwischenlagern von brennbaren Gegenständen im Treppenraum, brennbare Teppiche als Stufen- oder Podest-

Bauen im Bestand Bauliche und technische Nachrüstung/Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen

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beläge etc.), kann eine reale Gefahr für die Bewohner vorliegen. Insofern müssen diese betrieblichen Mängel zwingend ausgeschlossen werden. Flankierend sollte das Untersuchungsergebnis des jeweils zweiten Rettungswegs in vorgenannte Beurteilung einfließen. Neue Brandschutzprodukte in Bestandsgebäuden Bei Bestandssanierungen ergibt sich immer wieder die Schwierigkeit, dass aktuelle Brandschutzprodukte, die in Bestandsgebäuden konzeptbedingt nachgerüstet werden müssen (z. B. eine Brandschutztür oder eine Brandschutzklappe), für die vorliegende Einbausituation (z. B. auf oder in einer Holzbalkendecke) keinen Verwendbarkeitsnachweis haben bzw. nicht entsprechend der vorgegebenen Einbauanleitungen verbaut werden können. Oftmals resultiert dies allein daraus, dass diese Einbausituation nicht Bestandteil der zum Verwendbarkeitsnachweis gehörenden Produktprüfung war (da hier in der Regel vorrangig Standardsituationen geprüft werden). Dieses Thema sollte daher bereits im Rahmen der Brandschutzplanung aufgegriffen und konzeptionell bearbeitet werden. Beispielsweise könnte der Einbau einer Brandschutztür (z. B. T 30) auf einer Holzbalkendecke (ertüchtigt auf F 90-B) innerhalb eines schutzzielorientierten Brandschutzkonzepts für das Bestandsgebäude beschrieben und als Abweichung beantragt werden. Wird dieser Abweichung dann in Verbindung mit dem Gesamtkonzept bauordnungsrechtlich zugestimmt, ist die formale Differenz zum Verwendbarkeitsnachweis hierüber abgedeckt (und die sonst zu erwartende formelle Bedenkenanmeldung der ausführenden Firma entsprechend obsolet). Eine ähnliche Konstellation ergibt sich

z. B. bei der Nachrüstung von Trockenbautrennwänden mit Anforderung an die Feuerwiderstandsdauer in Gebäuden mit Holzbalkendecken. Hierbei können sich in Abhängigkeit vom Gesamtaufbau des Bauteils und des zur Ausführung kommenden Produkts oftmals Diskrepanzen bezüglich der Anschlussbedingungen an Boden und Decke ergeben. Auch hier kann es zweckmäßig sein, diese prinzipielle Abweichung von den Einbaubedingungen der Trennwand im Brandschutznachweis von Haus aus detailliert zu beschreiben und zu beantragen z. B. durch Verwendung von Begrifflichkeiten wie »Trennwand in feuerbeständiger Bauart«. Die beispielhaft beschriebene Nachrüstung einer Brandschutzverglasung in einem historischen Türblatt (Abb. 21) kann somit zu einem Konstrukt mit der Bezeichnung »vollwandig, dicht- und selbstschließende Tür mit Verglasung Bauart F 30« führen. Es gibt allerding auch Fälle, für die sich die beschriebene Vorgehensweise nicht eignet, da fachliche Bedenken der Beteiligten (d. h. des Brandschutzingenieurs oder des Zulassungsinhabers) gegen den Einbau des Produkts unter den gegebenen Bedingungen bestehen.Ein denkbares Beispiel ist die Nachrüstung von Elektroabschottungen (Abb. 24) oder von Brandschutzklappen in bestehenden Holzbalkendecken. Hierbei kann man sich behelfen, indem die geprüften Einbausituationen der jeweiligen Produkte für einen Teilbereich des zu durchdringenden Bauteils nachträglich geschaffen werden. Dies geschieht dann z. B. durch Ausbetonieren eines einzelnen Deckenfelds bzw. eines Teils hiervon (Abb. 25). Inwiefern diese Vorgehensweise für ein konkretes Projekt sinnvoll ist, hängt vom Einzelfall ab und kann nicht verallgemeinert werden.

21 Treppenraumabschluss mit historischen Verglasungen 22 Empfang im Erdgeschoss, Bayerische Architektenkammer, München (DE) 2006, Silke Kahl 23 Holztreppe mit brennbarem Stufenbelag 24 ausbetoniertes Deckenfeld zur Anordnung von Durchführungen, Maßstab 1:10 1 Bestandsdecke, Holz 2 brandschutztechnisch wirksame Bekleidung mit Ausbildung einer Laibung 3 Verfüllung zum Einbau eines geregelten Schottprodukts 4 Leitungsdurchführungen 25 vorbereitende Maßnahmen zur Abschottung von Leitungsanlagen in einer Holzbalkendecke

1

2

3

24 4

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Bauen im Bestand Bauliche und technische Nachrüstung/Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen

Kompensationsmaßnahmen

Wie bereits erläutert, ist es mit vertretbarem Aufwand nicht immer möglich, durch bauliche Maßnahmen alle Bauteile bzw. bestehenden Gebäudestrukturen derart zu ertüchtigen, dass diese den aktuellen Anforderungen entsprechen. Auch können andere Rechtsbereiche – insbesondere der Denkmalschutz – diese Möglichkeiten im Einzelfall stark einschränken (siehe »Denkmalschutz und Denkmalpflege«, S. 89ff.). In diesen Fällen sind – im Rahmen eines übergeordneten, projektspezifischen Brandschutzkonzepts – Kompensationsmaßnahmen für die verbleibenden Abweichungen zu erarbeiten. Immer wieder tauchen dabei nachfolgende Probleme auf. Die Lösungsvorschläge der Beispiele sind selbstverständlich nicht auf jedes Gebäude bzw. Vorhaben allgemein zutreffend, es sind aber auf jeden Fall allgemeingültige Tendenzen ableitbar. Beispiel 1a: Ungenügender Feuerwiderstand bei tragenden/raumabschließenden Bauteilen (Ü3) • Gebäudeklasse 5, größeres Gebäude • Anforderung nach § 27 (1) MBO: tragende und aussteifende sowie raumabschließende Bauteile müssen feuerbeständig sein • im Bestand gegeben: Stahlbetondecken mit deutlich zu geringer Betonüberdeckung; Feuerwiderstand in der Größenordnung von 20 Minuten • Bauteilertüchtigung nicht sinnvoll durchführbar • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »wirksame Löscharbeiten« Abwägung: Aufgrund der geringen Feuerwiderstandsdauer (und der damit einhergehenden Gefahr eines frühzeitigen, brandbedingten Tragwerksversagens) sind wirksame 86

Löscharbeiten ohne Kompensationsmaßnahmen nicht in jedem Fall möglich. Die Einrichtung einer automatischen Löschanlage, die entsprechend ihrem Wirkprinzip aktiv in das Brandgeschehen eingreift, stellt hierzu eine geeignete Kompensationsmaßnahme dar. In Verbindung mit der Löschanlage muss nicht von einem Brandereignis nach Einheitstemperaturzeitkurve über diesen Zeitpunkt ausgegangen werden. Ferner könnte die Anlage ggf. für etwaige weitere Abweichungen, die sich im Bestand befinden, angesetzt werden. Als Nebeneffekt ergibt sich über das Vorhandensein der Löschanlage auch ein deutlicher Vorteil in Bezug auf den Sachschutz. Allein die Nachrüstung einer automatischen Brandmeldeanlage wie im Beispiel 1b wird – aufgrund der sehr geringen Feuerwiderstandsdauer der Bauteile – in der Regel nicht ausreichend sein. Beispiel 1b: Ungenügender Feuerwiderstand bei tragenden /raumabschließenden Bauteilen • Gebäudeklasse 5, größeres Gebäude • Anforderung nach § 27 (1) MBO: tragende und aussteifende sowie raumabschließende Bauteile müssen feuerbeständig sein • im Bestand gegeben: Stahlbetondecken mit zu geringer Betonüberdeckung; Feuerwiderstand in der Größenordnung von 45 – 60 Minuten • Bauteilertüchtigung nicht sinnvoll durchführbar • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »wirksame Löscharbeiten« Abwägung: Wie bei Beispiel 1a muss die Feuerwehr trotz der abweichenden Feuerwiderstandsdauer im Gebäude Löscharbeiten durchführen können. Der angenommene, verbleibende Feuerwiderstand von 45 – 60 Minuten ermöglicht

dies, sofern die Feuerwehr frühzeitig über ein Brandereignis Kenntnis erhält. Insofern könnte hier die Einrichtung einer automatischen Brandmeldeanlage mit Aufschaltung auf die alarmauslösende Stelle der Feuerwehr als Alternativmaßnahme sinnvoll und zulässig sein. Dabei sind zumindest alle Raumbereiche zu überwachen, in denen eben die Abweichung vorliegt. Beispiel 2: Abweichungen bei Rettungsweglängen • Gebäudeklasse 5, größeres Bürogebäude, nur ein baulicher Rettungsweg, Denkmalschutz • Anforderung nach § 35 (2) MBO: Rettungsweglängen von jeder Stelle eines Aufenthaltsraums < 35 m zum Treppenraum bzw. Ausgang ins Freie • im Bestand gegeben: Rettungsweglängen in der Größenordnung von 40 – 45 m • Bauteilertüchtigung aufgrund der Belange des Denkmalschutzes nicht durchführbar (d. h. hier die Nachrüstung einer weiteren notwendigen Treppe / Außentreppe) • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »Rettung von Menschen« Abwägung: Die im Brandfall zurückzulegende Weglänge ist deutlich länger als nach MBO maximal zulässig. Insofern ist – abhängig davon, wann der Notfall wahrgenommen wird – nicht unbedingt sichergestellt, dass eine ausreichende Zeitreserve verbleibt, um den baulichen Rettungsweg noch erreichen zu können. Für diesen Fall wäre eine automatische, interne Alarmierung über die Kenngröße »Rauch« eine geeignete Ersatzmaßnahme. Hierdurch kann sichergestellt werden, dass Personen noch in einer frühen Brandentstehungsphase den vorhandenen Rettungsweg nutzen, der in dieser Phase noch

Bauen im Bestand Bauliche und technische Nachrüstung/Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen

26 Brandschutzplan Dachgeschossausbau, Maßstab 1:250, OSA Ochs Schmidhuber Architekten GmbH

nicht beeinträchtig sein wird; insofern erscheint es dann vertretbar, auf diesem Weg eine zusätzliche Weglänge zurück legen zu müssen. Diese interne Alarmierungsanlage muss dabei nicht unbedingt im Sinne einer Brandmeldeanlage auf die Feuerwehr aufgeschaltet sein; die Überwachung muss hierbei in der Regel flächendeckend sein.

bauliche Rettungswege führen jeweils über denselben notwendigen Flur • Anforderung nach § 36 (1) MBO in Verbindung mit der Musterleitungsanlagenrichtlinie (MLAR) Punkt 3.1: Notwendige Flure müssen so ausgebildet sein, dass die Nutzung im Brandfall ausreichend lang möglich ist; bei brennbaren elektrischen Leitungsanlagen im Flur (die nicht nur dessen Versorgung dienen): F 30-Unterdecke bzw. I 30-Kanal entsprechend Punkt 3.5 MLAR • im Bestand gegeben: brennbare elektrische Leistungsanlage im Deckenhohlraum des notwendigen Flurs; Lei-

Beispiel 3: Abweichungen bei der Installationsführung in Rettungswegen (hier: in Fluren) • Gebäudeklasse 3, zwei bauliche Rettungswege, kein Sonderbau; beide

tungsanlagen dienen nicht der Versorgung des Flures; Unterdecke nicht brennbar, aber abweichend von Punkt 3.5 MLAR nicht F 30 • Bauteilertüchtigung nicht sinnvoll durchführbar • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »Rettung von Menschen« Abwägung: Die Anforderung zielt darauf ab, ein etwaiges Brandereignis im Deckenhohlraum über 30 Minuten gegenüber dem Rettungsweg abzukapseln, sodass dessen Nutzung im Brandfall ausreichend

Whg 2

VDS

Whg 3

VDS

18 m

1

20 m

2 VDS

VDS 1

Whg 4 15 m Whg 1

13 m

2

VDS

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anleiterbare Stelle

Brandwand

Rauchableitung (RA)

Bauart Brandwand

Bedienstelle (RA)

1

Abmessung Fenster (b = 0,6 m; h = 1,0 m)

feuerhemmende Wand F 30

Verlauf Rettungsweg

2

notwendige Treppe / Treppenraum

Fluchtrichtung /Ausgang

Notleiteranlage nach DIN 14 094-1 bis auf Erdgleiche

VDS vollwandig, dicht- und selbstschließender Abschluss

Fluchtrichtung /Ausgang (2. Rettungsweg)

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Bauen im Bestand Bauliche und technische Nachrüstung/Ertüchtigung, Kompensationsmaßnahmen

27 Notleiteranlage 28 Schaden an der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar ca. 18 Stunden nach dem Ausbruch des Brands

27

lang möglich ist. Zu welchem Zeitpunkt die Nutzer von dem Brand erfahren (und somit den Rettungsweg aufsuchen), ist dagegen nicht geregelt. Theoretisch kann dieser Zeitpunkt sehr spät sein, sodass die verbleibende Nutzungsdauer gering sein kann. Insofern kann – analog zu Beispiel 2 – eine Überwachung des Deckenhohlraums mit automatischen Rauchmeldern und einer automatischen Ansteuerung (zumindest) einer internen Alarmierung eine sinnvolle Kompensationsmaßnahme sein. Hierbei wird aber vorausgesetzt, dass die Unterdecke zumindest nicht brennbar und weitgehend rauchdicht ist, sodass keine unverzügliche Beeinträchtigung des Rettungswegs durch Rauchgase im Flur zu befürchten ist. Beispiel 4 – Dachausbau in Müchen (siehe Abb. 26, S. 87): zweiter Rettungsweg nicht über anleiterbare Stelle bzw. notwendige Treppe oder Sicherheitstreppenraum • Gebäudeklasse 5, Dachgeschossausbau eines Wohngebäudes mit Vorderund Rückgebäude; Rückgebäude orientiert sich ausschließlich zu einem Innenhof, Innenhof für Feuerwehr nicht befahrbar; nur ein baulicher Rettungsweg gegeben • Anforderung nach § 33 (1) und (2) MBO: zwei Rettungswege je Wohnung, von denen der zweite Rettungsweg – eine mit Rettungsgeräten der Feuerwehr erreichbare Stelle – eine weitere Treppe bzw. – ein Sicherheitstreppenraum sein kann • im Bestand gegeben: Der Innenhof kann nur fußläufig durch die Feuerwehr begangen werden; mit der vierteiligen Steckleiter können die Wohnungen über dem 2. OG nicht erreicht werden; jede Wohnung ist nur an einen Treppenraum angebunden. • Bauteilertüchtigung nicht sinnvoll durchführbar (d. h. die Schaffung einer Zu88

fahrtsmöglichkeit für Hubrettungsgeräte in den Innenhof bzw. die Anordnung einer Außentreppe oder die Aufrüstung des Treppenraums als Sicherheitstreppenraum) • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »Rettung von Menschen«, aber auch »wirksame Löscharbeiten«, da der zweite Rettungsweg regelmäßig auch als Angriffsweg dient Abwägung: Notleiteranlagen nach DIN 14 094-1 sind nach MBO als zweiter Rettungsweg zunächst nicht vorgesehen, stellen aber im Einzelfall (und insbesondere im Bestand) eine vertretbare Kompensationsmaßnahme dar, wenn ein MBO-konformer zweiter Rettungsweg nicht nachträglich geschaffen werden kann. Da diese Leiteranlagen nur bedingt durch die Feuerwehr (unter schwerem Atemschutz) als Angriffs- bzw. Rückzugsweg genutzt werden können und auch nicht für jeden Personenkreis nutzbar sind, ist diese Lösung immer mit der Brandschutzdienststelle abzustimmen (Abb. 27). Beispiel 5: zweiter Rettungsweg nicht über anleiterbare Stelle bzw. notwendige Treppe oder Sicherheitstreppenrau • Gebäudeklasse 5, Sanierung eines denkmalgeschützten Wohngebäudes in Innenhofsituation; Innenhof für Feuerwehr nicht befahrbar, nur ein baulicher Rettungsweg gegeben • Anforderung nach § 33 (1) und (2) MBO: zwei Rettungswege je Wohnung, siehe Beispiel 4 • im Bestand gegeben: Der Innenhof kann nur fußläufig durch die Feuerwehr begangen werden; mit der vierteiligen Steckleiter können die Wohnungen über dem 2. Obergeschoss nicht erreicht werden; jede Wohnung ist nur an einen Treppenraum angebunden.

• Bauteilertüchtigung nicht sinnvoll durchführbar (d. h. die Schaffung einer Zufahrtsmöglichkeit für Hubrettungsgeräte in den Innenhof bzw. die Anordnung einer Außentreppe / Notleiteranlage oder die Aufrüstung des Treppenraums als Sicherheitstreppenraum) • betroffenes Schutzziel nach § 14 MBO: »Rettung von Menschen«, aber auch »wirksame Löscharbeiten«, da der zweite Rettungsweg regelmäßig auch als Angriffsweg dient Abwägung: Ein zweiter Rettungsweg ist in diesem Beispiel nachträglich nicht herstellbar. Der zweite Rettungsweg wird für die Nutzer dann relevant, wenn der erste Rettungsweg (d. h. der Treppenraum) brandbedingt ausfällt (d. h. insbesondere bei Raucheintrag durch die offenstehende Tür zur Brandwohnung). Wenn es nicht möglich ist, einen zweiten Rettungsweg zu schaffen, kann die Sanierungsmaßnahme darauf abzielen, das Risiko des Ausfalls des vorhandenen Rettungswegs (über das Schutzkonzept der MBO hinaus) so weit wie möglich zu reduzieren. Neben der Aufrüstung der Treppenraumabschlüsse – insbesondere im Hinblick auf deren selbstschließende Eigenschaft –, kann der Einbau einer Spüllüftungsanlage oder ggf. einer Differenzdruckanlage eine geeignete, flankierende Maßnahme sein. Je nach Situation kann es zusätzlich sinnvoll sein, die Nutzer über eine interne Alarmierungsanlage frühzeitig auf die Gefahrensituation hinzuweisen, sodass der Treppenraum vor einer möglichen Beeinträchtigung genutzt wird. Eine Überwachung der an den Treppenraum angrenzenden Nutzungseinheiten ist dabei erforderlich, die alleinige Überwachung des Treppenraums wäre nicht zielführend.

Bauen im Bestand Denkmalschutz und Denkmalpflege

28

Denkmalschutz und Denkmalpflege Der Denkmalschutz fällt – wie auch der Brandschutz – in den Zuständigkeitsbereich der einzelnen Bundesländer, d. h. er ist Landesrecht (Gesetzgebungskompetenz). Entsprechende Regelungen finden sich in den Denkmalschutzgesetzen der Länder. Schutzziel von Denkmalschutz und Denkmalpflege

Das Schutzziel von Denkmalschutz und Denkmalpflege ist »die Bewahrung des Zeugniswertes eines authentisch überlieferten Kulturdenkmals durch eine möglichst weitgehende Erhaltung • seiner Substanz, • seines Erscheinungsbildes sowie seiner • sonstigen denkmalbestimmenden Eigenschaften«. [15] Für diese Ziele können Maßnahmen des vorbeugenden Brandschutzes essenziell sein (sowohl bauliche als auch anlagentechnische Maßnahmen). Insofern helfen die Schutzziele des Brandschutzes (siehe »Bauordnungsrechtliche Schutzziele«, S. 9ff.) auch bei der Erfüllung der Schutzziele des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Hierbei eignen sich insbesondere Brandschutzmaßnahmen, die das Risiko eines Brandereignisses an sich verringern oder die zu einer Eingrenzung des Schadensmaßes führen. Um die Nutzbarkeit eines Denkmals zu ermöglichen, d. h. um es beispielsweise für die Öffentlichkeit erlebbar zu halten, sind meist Brandschutzmaßnahmen im Bereich der Rettungswege nötig. Ohne diese Ertüchtigungen droht das »tote Baudenkmal«. Die sinnvolle, d. h. »verträgliche« brandschutztechnische Ertüchtigung eines solchen Denkmals ist also eine wesentliche Voraussetzung für dessen Erhaltung und Erlebbarkeit. Welche verheerenden Folgen ein Brandereignis in einem Weltkulturerbe auslösen

kann, hat der Großbrand in der AnnaAmalia-Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 verdeutlicht. Neben einer Vielzahl an verlorenen Kulturgütern wurde auch die bauliche Substanz stark beschädigt (Abb. 28). Der Denkmalschutz zur Authentizitätswahrung setzt den Brandschutzmaßnahmen in einem Denkmal immer Grenzen, d. h. die konzeptionellen und planerischen Möglichkeiten werden in der Regel durch den erhaltenswerten Bestand vorgegeben. Insofern ist der Planer gefordert, innerhalb dieser Grenzen ein schutzzieloptimiertes Ergebnis zu entwickeln. Vorgehensweise, Lösungsansätze

Bauliche Maßnahmen in einem denkmalgeschützten Gebäude sind grundsätzlich genehmigungspflichtig (denkmalrechtliche Genehmigung/Erlaubnis). Dies gilt selbst dann, wenn die Maßnahme gemäß der baurechtlichen Regelungen der Landesbauordnung nicht genehmigungspflichtig wäre. Insofern fallen auch erforderliche Brandschutzmaßnahmen unter den Genehmigungsvorbehalt der zuständigen Denkmalschutzbehörde. Die beiden Zielsetzungen Denkmalschutz und Brandschutz sind dabei rechtlich grundsätzlich gleichwertig, d. h. es gibt keine prinzipielle Vorrangstellung des ein oder anderen Rechtsbereichs. Daher sollten alle Planungsbeteiligten darauf hinwirken, Lösungen zu finden, die unter der Beachtung beider Zielsetzungen zum bestmöglichen Ergebnis führen. Brandschutzkonzepte für ein Denkmal sind ganzheitlich und auf den jeweils konkreten Einzelfall bezogen zu entwickeln. Grundlage einer denkmalgerechten Brandschutzmaßnahme ist – wie bei jeder Maßnahme im Bestand – eine fachkundige Planung, insbesondere eine sorgfältige Bestandserfassung und -analyse als Bestandteil eines übergeordne-

ten Brandschutzkonzepts (siehe auch »Bauen im Bestand, Allgemeine Herangehens-/ Vorgehensweise«, S. 73ff.). Den Schwerpunkt der Bestandsanalyse bildet auch hier die brandschutztechnische Gefährdungsanalyse mit dem Ziel, die konkreten, realen Gefahren herauszuarbeiten und diese ggf. zu priorisieren sowie entsprechende Lösungsansätze für diese Einzelgefahren zu entwickeln. Aus brandschutztechnischer Sicht stehen hierbei Belange des Personenschutzes im Vordergrund. Das Abstellen aller abstrakten (potenziellen) Gefahren steht insbesondere in Baudenkmälern nicht im Fokus, vielmehr würde dies eher das Risiko des Identitätsverlusts des Denkmals mit sich bringen. Führt die Gefährdungsanalyse zu dem Ergebnis, dass konkrete Gefahren nur dadurch abgestellt werden können, dass Bauteile bzw. -elemente hinzugefügt werden müssen (zusätzliche Feuerschutzabschlüsse, Treppen, Ausgänge etc.), gilt beim Umgang mit dem geschützten historischen Bestand der Grundsatz, dass Hinzufügungen ablesbar und rückführbar sein sollen. Ein gutes Beispiel für die Ertüchtigung der Rettungswege stellt die Sanierung des Schlosses Cadolzburg der Architekten Claus und Forster dar (Abb. 29, S. 90). Um das Gebäude museal nutzen zu können, wurden u. a. zwei vertikale, bauliche Rettungswege ertüchtigt bzw. neu erstellt. Strukturelle oder substanzbedingte Mängel bzw. Abweichungen – wie z. B. eine von der Landesbauordnung abweichende Feuerwiderstandsdauer am Tragwerk –, die mit vertretbarem Aufwand nicht abgestellt werden können, lassen sich dabei oft über eine gute Rettungswegstruktur und entsprechend guten Angriffswegen für die Feuerwehr begründen (im Bedarfsfall flankiert von Brand89

Bauen im Bestand Aufstockung und Nachverdichtung

29 a

b

melde- und/oder Alarmierungsanlagen). Auch lassen sich Ziele des Brandschutzes oftmals »denkmalverträglich« durch anlagentechnische Brandschutzmaßnahmen erreichen. Insbesondere Brandmeldeanlagen, aber auch automatische Löschanlagen erfüllen meist die Anforderungen beider Zielsetzungen, wobei eine Einzelfallbetrachtung immer erforderlich ist. Diese sicherheitstechnischen Einrichtungen lassen sich häufig weitgehend »unsichtbar« in bestehende Gebäude integrieren. Sind Brandmeldeanlagen erforderlich, ist u. U. der Einsatz von Rauchansaugsystemen sinnvoll, deren Ansaugstellen deutlich weniger auffällig als »herkömmliche« punktförmige Rauchmelder beispielsweise in Bestandsdecken integriert werden können. Ähnliches gilt auch bei der Anwendung von verdeckten Sprinklerköpfen bei automatischen Löschanlagen. Diese können

nahezu deckenbündig verbaut werden und verfügen über eine Abdeckung, sodass sie optisch in den Hintergrund treten.

Aufstockung und Nachverdichtung Aufgrund des hohen Siedlungsdrucks insbesondere in Ballungsräumen stellen Nachverdichtungsmaßnahmen zur Schaffung von zusätzlichem Wohnraum aktuell eine häufig wiederkehrende Planungsaufgabe dar – meist in Form von Aufstockungen oder z. B. Neubaumaßnahmen in bereits versiegelten Innen- bzw. Hinterhofsituationen. Da die Schaffung neuen Wohnraums – insbesondere ohne Ausweisung neuer Baugebiete auf der »grünen Wiese« – sowohl im öffentlichen als auch politischen Interesse liegt, ist die Erwartungshaltung im Hinblick auf eine nachhaltige,

T1 F30 F30

F30

F30 T30 G30 Ti1

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T3 RD T2 T30 RD

VT

RD

VTS RD

T2

30 m

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wirtschaftliche und nicht zuletzt genehmigungsfähige Konzeption entsprechend hoch. Wie im Kapitel »Rechtliche Grundlagen, ›Bestandsschutz‹ (S. 71ff.) erläutert, könnte eine Aufstockung je nach Art und Umfang als wesentliche Änderung einer bestandsgeschützten Immobilie verstanden werden. Sofern deren Verhältnis von Neubauteilen gegenüber unveränderten Bestandsbauteilen deutlich überwiegt, endet jedoch auch der Bestandsschutz. Die Frage nach einem etwaigen nachträglichen Anpassungsverlangen wird sich bei diesen Aufgaben regelmäßig stellen. Aus brandschutztechnischer Sicht ergeben sich für diese Wohnbauprojekte die im Folgenden genannten Schwerpunkte. Aufstockung

Durch die Schaffung eines weiteren Geschosses kann sich zunächst eine Änderung der Gebäudeklasse ergeben. Betrug z. B. die Höhe eines Wohngebäudes nach § 2 (3) MBO im Bestand 6,5 m (somit Gebäudeklasse 3), wird diese Höhe nach einer Aufstockung mehr als 7,0 m betragen, sodass zumindest Gebäudeklasse 4 vorliegt. Hierdurch ändert sich formal auch der materielle Anforderungskatalog an die meisten Bauteile (exemplarisch: Feuerwiderstandsdauer von tragenden und aussteifenden Teilen, Decken etc., siehe »Planungsstrategien«, S. 24ff.). In der Regel können diese zusätzlichen Anforderungen mit wirtschaftlich und bautechnisch vertretbarem Aufwand nachträglich nicht erfüllt werden. Die nachträgliche Umsetzung aller Anforderungen aus der neuen Gebäudeklasse auf das Bestandsgebäude liegt jedoch zumeist nicht im öffentlichen /gesamtpolitischen Interesse, da hierdurch die Schaffung von Wohnraum durch Aufstockung in der Regel verhindert würde. Gleichwohl müssen auch bei Maßnahmen

Bauen im Bestand Aufstockung und Nachverdichtung

29 Sanierung eines alten Schlosses, Claus + Forster Architekten a notwendige Treppe als weiterer Rettungsweg b neuer Rettungsweg c Brandschutzplan 30 Konzeptstudie zur Aufstockung eines Wohn- und Geschäftshauses der GK 5 in Holzbauweise, München (DE) Planung 2017/2018, Baubüro Sauer/Laubenstein 31 Lageplan Rückgebäude im Hinterhof, OSA Ochs Schmidhuber Architekten GmbH 31

30

dieser Art die allgemeinen Anforderungen und Schutzziele aus § 3 und § 14 MBO umgesetzt werden. Hier ist der Brandschutzingenieur gefordert, über eine schutzziel- und risikoorientierte Gesamtbetrachtung mit Augenmaß ein wirtschaftliches und genehmigungsfähiges Brandschutzkonzept zu entwickeln. Ein gemeinsamer Ansatz bei diesen Konzepten wird zunächst sein, dass zumindest alle neu eingebrachten Bauteile der Aufstockung die aktuellen öffentlich-rechtlichen Anforderungen erfüllen (siehe auch Beispiel S. 72 unter »Arten des Bestandsschutzes«). Bei Aufstockungsmaßnahmen bieten sich aus Gründen der Statik »leichte« Bauweisen an, die der Baustoff Holz ermöglicht. Dies führt zumindest bei Aufstockungen der Gebäudeklasse 5 (Anforderung: Tragwerk feuerbeständig, d. h. F 90-A) zu der Problematik, dass an dieser Stelle auch für die neu eingebrachten Bauteile die aktuellen öffentlich-rechtlichen Anforderungen nicht vollständig umgesetzt werden können (realisierbar in Holz ist maximal F 90-B). In der Regel wird dieser Abweichung aber im Rahmen des Brandschutzkonzepts zugestimmt – natürlich in Abhängigkeit davon, welche Abweichungen die Maßnahme sonst noch beinhaltet (Abb. 30). Bei der Verwendung einer feuerbeständig bekleideten Stahlkonstruktion können die aktuellen Anforderungen erfüllt werden. Allerdings müssen sich die Beteiligten auch hierbei mit der Thematik auseinandersetzen, dass für das Bestandsgebäude die Feuerbeständigkeit nicht nachgewiesen werden kann und somit die neuen F 90-A-Bauteile z. B. auf F 60-B-Bauteilen stehen (siehe auch »Nachrüstung und Ertüchtigung«, S. 80ff.). Ein weiter Themenschwerpunkt bei Aufstockungsmaßnahmen ist der Nachweis

der Rettungswege für das zusätzliche Geschoss. Während die Lösung für den ersten Rettungsweg zumeist im Hochführen des bestehenden Treppenraums liegt, ist die Schaffung eines zweiten Rettungswegs im Bestand ggf. schwieriger. Führten die Rettungswege für das Gebäude der Gebäudeklasse 3 aus dem eingangs beschriebenen Beispiel bis dato über tragbare Leitern der Feuerwehr, ist dies für das Geschoss der Aufstockung aufgrund dessen Höhenlage dann nicht mehr möglich. Hierzu wird zunächst ein Drehleiterfahrzeug erforderlich, das jedoch die zuständige Feuerwehr u. U. nicht vorhält oder das ggf. nicht zum Einsatz kommen kann, da die Bestandssituation nachträglich keine entsprechenden Aufstellflächen zulässt. Sofern in diesen Fällen auch kein zweiter baulicher Rettungsweg hergestellt werden kann (z. B. durch die Verbindung zweier bestehender Treppenräume über einen Laubengang im obersten Geschoss), bietet sich ggf. die Planung einer Notleiteranlage für das Geschoss an, wie im Beispiel des Dachgeschossausbaus Vorder- und Rückgebäude, Gebäudeklasse 5 umgesetzt (Abb. 26, S. 87 und Abb. 31). Scheidet auch diese Möglichkeit (z. B. aus Gründen des Denkmalschutzes) aus, könnte eine mögliche Lösung die Ausführung als Maisonett sein. Das heißt, die neuen Wohnungen stehen jeweils über eine interne Treppe mit den bestehenden (anleiterbaren) Wohnungen im ehemals obersten Geschoss in Verbindung. Bei hochgeführtem Treppenraum genügt der Nachweis des zweiten Rettungswegs dann im unteren Maisonettgeschoss, siehe hierzu analog die Rettungswegführung des nachfolgend erläuterten Beispiels von Kiessler und Partner Architekten für eine Verdichtungsmaßnahme in einem Rückgebäude in München.

Nachverdichtung

Werden im Rahmen von Nachverdichtungsmaßnahmen neue Baukörper in bestehenden Innenhofsituationen geplant, erfordert dies eine intensive Auseinandersetzung mit den Brandschutzkonzepten – insbesondere der Rettungswege – der Bestandsgebäude der Randbebauung. Oftmals verlaufen sowohl erste als auch zweite Rettungswege durch diese Höfe im Bestand, die auch durch die Nachverdichtung nicht beeinträchtig werden dürfen. Entsteht eine Beeinträchtigung (z. B. durch den Entfall einer Aufstellfläche für Hubrettungsgeräte), müssen die Rettungswege der Bestandgebäude im Zuge der Verdichtungsmaßnahme verlegt bzw. alternativ nachgewiesen werden. Dies kann im Einzelfall zu großen Umbaumaßnahmen führen, weshalb diesen Projekten brandschutztechnische Machbarkeitsstudien vorgeschaltet werden sollten. Ungeachtet der vorgenannten Thematik ist die Konzeption der Rettungswege auch für den neuen Baukörper in einer Hinterhofsituation zumeist nicht trivial, da die Zugänglichkeit für die Feuerwehr ggf. eingeschränkt ist und in der Regel zumindest keine Anfahrbarkeit mit Hubrettungswegen mehr bestehen wird. Insofern kann hier eine Rettungswegführung über Gerätschaften der Feuerwehr oftmals nicht – und wenn, dann zumeist nur über tragbare Leitern – realisiert werden. Um gleichwohl dem Streben nach Wohnraum gerecht zu werden, müssen Sonderlösungen erarbeitet werden. Beispielhaft sei hier die Errichtung eines Wohngebäudes (Gebäudeklasse 4 mit Keller-, Erd- und erstem bis drittem Obergeschoss) in einer Hinterhofsituation genannt (Abb. 33). Der Hof ist von der Feuerwehr nur fußläufig mit tragbaren Leitern (vierteilige Steckleiter) über einen Durchgang durch ein Bestandsgebäude von der öffentlichen Verkehrsfläche aus erreichbar. 91

Bauen im Bestand Aufstockung und Nachverdichtung

32 ungeschützte Öffnungen in einer Gebäudeabschlusswand zu einer Baulücke 33 Wohnhaus, kiessler architekten gmbh a Lageplan Rückgebäude, Maßstab 1:500 b Schnitt Rückgebäude, Maßstab 1:500 34 Wohnhaus, kiessler architekten gmbh Grundrisse Rückgebäude, Maßstab 1:250 a zweites Obergeschoss mit anleiterbarer Stelle für die Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss b drittes Obergeschoss mit Zugang zur anleiterbaren Stelle im zweiten Obergeschoss über eine interne Treppe c Erdgeschoss mit dreiseitig erforderlicher Gebäudeabschlusswand

32

Abb. 33 b zeigt, dass das 3. Obergeschoss oberhalb der maximal möglichen Rettungshöhe der tragbaren Leiter liegt, für das 2. Obergeschoss ist die Steckleiter der Feuerwehr geeignet. Deshalb sieht die Brandschutzplanung vor, für die Nutzungseinheit im 3. Obergeschoss eine anleiterbare Stelle im 2. Obergeschoss auszuweisen, die über eine interne Treppe an das 3. Obergeschoss angebunden ist (Abb. 34 a und b). Da sich bei Nachverdichtungsmaßnahmen häufig auch die Gebäudeabstände reduzieren, stellt insbesondere die erforderliche Abschnittsbildung zu Grundstücksgrenzen bzw. zum angrenzenden Bestand (über Gebäudeabschlusswände nach § 30 MBO) die Beteiligten vor Herausforderungen. Dass

b

33 a

92

in diesen Gebäudeabschlusswänden sowohl Fenster als auch Türen zum Schutz der Nachbarbebauungen nach MBO nicht zulässig sind, steht dabei zunächst im Widerspruch zum Wunsch nach Belichtung und natürlicher Belüftung. Immer wieder trifft man in der Praxis abweichend von den Anforderungen aus der MBO auf Fenster in bestehenden Gebäudeabschlusswänden entlang der Grundstücksgrenze bzw. in einem Abstand < 2,5 m zur Grundstücksgrenze (Abb. 32). Diese befinden sich zwar meist außerhalb des Einflussbereichs des Bauherrn des »Hinterhofprojekts«. Dennoch muss dieser dann ggf. im Rahmen seiner Projektrealisierung die vorgenannte Problematik zu seinen Lasten lösen (lassen).

Brandschutz während der Bauzeit, Brandschutzkonzepte für die Bauphase

Nachverdichtungs- und Aufstockungsmaßnahmen finden aus wirtschaftlichen oder auch mietvertraglichen Gründen meist statt, während die betroffenen – zumindest aber die angrenzenden – Gebäude noch genutzt werden. Insofern sind für die Bauzeit (je nach Bauaufgabe mehr oder weniger aufwendige) Brandschutzkonzepte erforderlich. Zum Teil ist hierbei eine bauphasenweise Betrachtung für Zwischenzustände nötig. Insbesondere nachfolgende Themen erfordern dabei projektspezifische Lösungen: • Rettungswege sind gegebenenfalls nicht mehr nutzbar bzw. beeinträchtigt und müssen z. B. verlegt werden • das Risiko einer Brandentstehung ist über feuergefährliche Arbeiten auf der Baustelle erhöht • genutzte Bereiche grenzen ggf. direkt an die Baustelle und sind phasenweise nicht feuerwiderstandsfähig abgetrennt • Baumaterial muss ggf. im Bestandsgebäude gelagert werden • Baumaterial oder Baustelleneinrichtungsflächen schränken ggf. Feuerwehrzufahrten bzw. Aufstellflächen ein (Gerüste, Kräne) Neben betrieblichen und organisatorischen Maßnahme stellen auch bauliche Provisorien (wie temporäre Abtrennungen) oder die phasenweise Rettungswegführung über Gerüsttreppen mögliche befristete Lösungen dar.

Bauen im Bestand Aufstockung und Nachverdichtung

2. RW für Anleiterstelle Anmerkungen: [1] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 14 (1) [2] Art. 54 (4) BayBO »Aufgaben und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden« [3] Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), 28.12.1994, Aktenzeichen 7 B 2890/94 [4] siehe auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH), 18.10.1999, Aktenzeichen 4 TG 3007/97 [5] OVG NRW, 28.08.2001, Aktenzeichen 10 A 3051/99 [6] H.-G. Temme: Bauordnungsrechtliche Forderungen bei der Modernisierung oder Umnutzung auch denkmalgeschützter Gebäude. In: Deutsches Architektenblatt 11, 1992, S. 463 – 470 [7] Hess. VGH, 18.10.1999, Aktenzeichen 4 TG 3007/97 [8] OVG NRW, 15.04.2009, Aktenzeichen 10 B 186/09 [9] Art. 54 (5) BayBO (vom 14.08.2007): »Werden bestehende bauliche Anlagen wesentlich geändert, so kann angeordnet werden, dass auch die von der Änderung nicht berührten Teile dieser baulichen Anlagen mit diesem Gesetz oder den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften in Einklang gebracht werden, wenn das aus Gründen des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 erforderlich und dem Bauherrn wirtschaftlich zumutbar ist und diese Teile mit den Teilen, die geändert werden sollen, in einem konstruktiven Zusammenhang stehen oder mit ihnen unmittelbar verbunden sind.« [10] § 85 (3) NBauO (vom 03.04.2012): »Wird eine bauliche Anlage geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde verlangen, dass auch von der Änderung nicht betroffene Teile der baulichen Anlage angepasst werden, wenn sich die Kosten der Änderung dadurch um nicht mehr als 20 vom Hundert erhöhen.« [11] H.-G. Temme: Geschützter oder nicht geschützter Bestand. In: Bauen im Bestand, VdS-Tagung am 25.11.2005 in Köln [12] z. B. Karl Kordina, Claus Meyer-Ottens: BetonBrandschutz-Handbuch. Düsseldorf 1999; Karl Kordina, Claus Meyer-Ottens: Holz-BrandschutzHandbuch. Berlin 1995; Rüdiger Hass, Claus Meyer-Ottens, Ekkehard Richter: Stahlbau-Brandschutz-Handbuch. Berlin 1994 [13] Karl Kordina, F. Hoffend: Tragverhalten von gusseisernen Stützen unter Brandbeanspruchung. Stuttgart 1986 [14] Abschlussbericht »Sicherheitsbetrachtungen für Treppenhäuser mit Holztreppen in mehrgeschossigen Altwohngebäuden«. Materialforschungs- und Prüfungsanstalt für das Bauwesen Leipzig e.V. MFPA, Bauforschungsprojekt Fraunhofer IRB, Laufzeit 12.1992– 05.1993. Stuttgart 1993 [15] Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.): Brandschutz im Baudenkmal, Arbeitsheft 13. Münster 2014

DIN VDS

VDS

a

DIN VDS

VDS

b

VDS

DIN

VDS

VDS G30

G30

34 c

93

K APITE L

05 PROJ E K TB E I S PIE LE

Projektbeispiele 96

Schule mit Sport- und Mehrzweckhalle in Olching (DE) Hausmann Architekten, Aachen

98

Dachgeschossausbau in München (DE) Scheer Architekt, München

101

Verwaltungsgebäude in Shenyang (CN) HENN, Berlin

104

Flughafenterminal in München (DE) Koch + Partner Architekten Stadtplaner, München

107

Büro- und Verwaltungsgebäude in Hamburg (DE) Richard Meier & Partners Architects, New York Architekten Ingenieure PSP, Hamburg

110

Musikschule und Jugendkulturhaus in Neusäß (DE) Dürschinger Architekten, Fürth

113

Sanierung denkmalgeschützer Wohnhochhäuser in München (DE) Koch + Partner Architekten Stadtplaner, München

116

Gesundheitszentrum in Augsburg (DE) wulf architekten, Stuttgart

119

Sanierung Altbau der Bayerischen Architektenkammer in München (DE) Schmöller Architekten, München

122

Wohnhaus in Holzbauweise in Erlangen (DE) Konrad Gnad, Erlangen

Brandwand

DIN

Fahrschachttür DIN 18 090-92 automatische Schiebtür (AutSchR)

Bauart Brandwand feuerbeständige Wand F 90

F90

F 90-Brandschutzverglasung

feuerhemmende Wand F 30

F30

F 30-Brandschutzverglasung

Rauchabschnittsbildung

F 30-Brandschutzverglasung

rauchdicht (soweit techn. möglich) (Vincentinum)

Rauchableitung (RA)

rauchdicht (Satellitenterminal)

Bedienstelle (RA)

notwendige Treppe / Treppenraum

öffenbares Fenster / Tür

notwendiger Flur

Verlauf Rettungsweg

Schleuse

Verlauf Rettungsweg bis Schleuse

nicht Bestandteil des Nachweises

Fluchtrichtung /Ausgang

brandlastarmer Bereich (Vincentinum)

Fluchtrichtung /Ausgang (2. Rettungsweg)

2-geschossige Halle, NE < 400 m2 (Neusäß)

anleiterbare Stelle

Bauart notwendiger Flur (Neusäß)

anleiterbares Fenster

NF = 395 m2 (Hauptschule Olching)

Wandhydrant

feuerbeständige Decke / Dachdecke F 90

Handfeuermelder (HFM)

T90

T 90-Abschluss

Feuerlöscher

T30

T 30-Abschluss

Steigleitung trocken, Einspeisung

T90-RS

T 90-RS-Abschluss

T30-RS

T 30-RS-Abschluss

BMZ

Brandmeldezentrale

T30-RS

T 30-RS-Abschluss – Ertüchtigungsbedarf

FSD

Feuerwehrschlüsseldepot

RS

Rauchschutz-Abschluss

FBF

Feuerwehrbedienfeld

RD

rauchdichter Abschluss

FAT

Feuerwehranzeigetableau

VD

vollwandig dichtschließender Abschluss

FIZ

Feuerwehrinformationszentrale

VDS VT VTS VTS

VTS-Tor

Steigleitung trocken, Entnahmestelle

vollwandig, dicht- u. selbstschließender Abschluss

Bereich mit Rauchmelderüberwachung

vollwandig dichtschließender Abschluss

Sichtverbindung

vollwandig, dicht- u. selbstschließender Abschluss vollwandig, dicht- u. selbstschließender Abschluss – Ertüchtigungsbedarf VTS-Schiebetor (Vincentinum)

kein Aufenthaltsraum nicht absperrbar Gebäudeeingang

95

Schule mit Sport- und Mehrzweckhalle in Olching

Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

Hausmann Architekten, Aachen R&P Ruffert, Konstanz Kersken und Kirchner, München Robert Gruschke ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 3

Das Schulgebäude gliedert sich in zwei Baukörper, im Westen liegt die Sporthalle, im Osten das Schulgebäude, das sich insgesamt über drei Geschosse erstreckt. Ein eingeschossiger Verbindungsbau verknüpft beide miteinander und beherbergt die Umkleiden der Sporthalle. Die einheitliche Fassadengestaltung aus großformatigen Stahlbetonfertigteilen im Sockelbereich und eloxiertem Aluminium in den Obergeschossen unterstreicht die Zusammengehörigkeit der Bauteile. Ein zweigeschossiger Rücksprung markiert den einladenden Eingangsbereich der Schule, der sich im Inneren als Pausen-

16

17

VT

T30

halle fortsetzt. Im Erdgeschoss schließen ein Speisesaal und ein Mehrzweckbereich an, der flexibel mit dem Musikraum kombiniert werden kann. Nach Süden gelangt man über einen Ausstellungsbereich zu den Werk-, Zeichen- und Textilräumen. Im ersten Obergeschoss geht die Pausenhalle in eine Erschließungszone über, die als flexibler Lernund Freiarbeitsbereich genutzt werden kann. Hier schließen Lehrküche, Informatik- und Naturwissenschaftsraum sowie der Lehrer- und Verwaltungsbereich an. Das zweite Obergeschoss dient ausschließlich dem Lernen. Hier befinden

7

sich sechs Lerncluster, die jeweils aus zwei Klassenräumen und einem gemeinsam genutzten Gruppenraum bestehen. Diese Cluster werden zentral über großzügige Foren erschlossen, die durch verglaste Innenhöfe und Oberlichter natürlich belichtet werden und sich ebenfalls als flexible Lern- und Aufenthaltszonen nutzen lassen. Die Mehrzweckhalle wird bei schulischer Nutzung über den Verbindungsflur entlang der Umkleiden erschlossen. Für außerschulische Nutzung steht ein separater Zugang mit großzügigem Eingangsbereich und Zuschauertribüne zur Verfügung.

15 VT

Ausgang für max. 300 Personen

15

35m

18 30m

12 FBF FAT 30m Ausgang für max. 300 Personen

30m 30m 30m

30m

11

11

VT

18

a

Sporthalle mit Eignung für Sonderveranstaltungen bis 856 Personen

11

11

11

VT

VT

3

20m

VT

T30

Ausgang für max. 300 Personen

VT

VT

T30

F30

a 19

Ausgang für max. 300 Personen

VT F90

11 18

11

30m

11 11

T90-RS

T30-RS

4

2

1

25m

FSD DIN

5

VTS

T30-RS BMZ

VT T30-RS VT

31m

7 7

8 T30

VT

10

6 VT

T30-RS

T30

9 VT VT

9

EG

96

9

Brandschutzkonzept

Erste und zweite Rettungswege werden aus allen Gebäudeteilen baulich geführt. Für die Obergeschosse des Schulgebäudes stehen hierzu zwei notwendige Treppenräume zur Verfügung, jeweils mit Ausgängen direkt ins Freie. Die beiden Treppenräume liegen dabei in verschiedenen Rauchabschnitten. Während der östliche Treppenraum an der zweigeschossigen Pausenhalle liegt, ist der westliche Treppenraum davon unabhängig. Da bei allen horizontalen Verkehrsflächen auch »fremde« Nutzungen, z. B. Aufenthaltsbereiche, zugelassen werden, müssen

jeweils noch andere, von den Foren und der Pausenhalle unabhängige Rettungswege existieren. Für die Aufenthaltsräume in den Obergeschossen gibt es daher Bypasslösungen. Gleichzeitig werden die Foren und die zweigeschossige Pausenhalle mit einer Brandfrüherkennung überwacht und besitzen zudem Rauchableitungsöffnungen. Die Sporthalle stellt einen eigenen Brandabschnitt dar und ist so konzipiert, dass sie auch für etwas größere außerschulische Veranstaltungen genutzt werden kann. Sie unterliegt der VStättV und wurde ebenfalls mit einer Brandfrüherkennung ausgestattet.

Brandschutzpläne • Schnitt Maßstab 1:1000 1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12 13 14 15

Eingang Pausenhalle Mensa Mehrzweckbereich Musik Ausstellung Lager Archiv Unterrichtsraum Textilarbeit / Kunst / Werken Hausmeisterwerkstatt Umkleide Foyer Dreifachhalle Hallenwart Gymnastikraum

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32

Cateringküche Sportschützenheim Geräteraum Konditionsraum Luftraum Lüftungszentrale Lehrküche Informatik Naturwissenschaften Vorbereitungsraum Lehrerzimmer Lehrercafe Verwaltung Flexible Lernzone Lichthof Klassenraum Gruppenraum

aa

31m 39m T30

33m

31

VT

VT

31 32

36m

21

31 VTS

VT T30

25m

22

VT VTS

T30-RS

32

VT

31

20

VTS

31

29

32 T30-RS T30-RS

23

DIN

T30-RS

VT

T30-RS VT T30-RS

VT T30-RS

VT

T30-RS

29 25

32

VTS VTS

26

1. OG

30

31 VTS

32

29

VT VT

VT T30-RS

VTS

VTS

28

T30-RS

VT

31

VT

VT

24 VT

VT DIN

32

31

VTS

T30-RS

30

VTS

VT

31

VT

VTS

VT VT

27 33m

26

31

32m

31 33m

32

31

36m

32m

2. OG

97

Dachgeschossausbau in München

Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

Scheer Architekt, München Ingenieurbüro Klapprott, München Kersken und Kirchner, München Robert Gruschke Gebäudeklasse 5

Das typische Gründerzeitwohnhaus von 1875 hatte einst eine prunkvolle, vollständig ornamentierte Fassade zur Straßenseite, von der jedoch nur noch wenige Stuckembleme erhalten sind. Neben einem Bistro im Erdgeschoss befanden sich im Gebäude ursprünglich drei Wohngeschosse und ein nicht ausgebautes Dachgeschoss. In jeder Wohnebene waren jeweils zwei kleine Wohnungen untergebracht. Im Rahmen einer umfassenden Sanierung und Modernisierung wurden – basiered auf der bestehenden Grundrissstruktur – jeweils in der Wohnungsmitte neue Bäder eingefügt. Das dritte Obergeschoss wurde mittels einer internen Verbindungstreppe mit dem neu ausgebauten Dachgeschoss zu einer grösseren Wohneinheit verbunden. Komplett neue Elemente sind der Glasaufzug und die hofseitig angebrachten Balkone in Form von Stahlkonstruktionen. Außerdem sind die Eingangssituation und das Treppenhaus überarbeitet. Erhaltenswerte Holzbauteile, Balken, Fenster und Türen wurden, soweit möglich, restauriert. Zum Teil verwendete man die alten Türen auch als Schiebetüren wieder. Die Fenster der Straßenseite konnten durch Dichtungen ertüchtigt werden. Eine denkmalpflegerisch bzw. historisch besonders herausragende Konstruktion ist der Dachstuhl. Da der historische Dachstuhl aus denkmalpflegerischen Gründen erhalten werden musste, dieser aber die neuen Lasten nicht mehr aufnehmen konnte, bleibt er nunmehr als Gerüst unter der neuen Schale erhalten, die als unabhängige Konstruktion aufgesetzt wurde. Das Motiv des flachen Firsts wurde in Form einer Laterne mit seitlicher Belichtung neu belebt. Zur Straße hin wurden drei neue Gauben und zum Hof große Flächenfenster ergänzt, wodurch ein lichtdurchfluteter Dachraum mit offenem Kamin und einem Bad auf der Südseite zum Hof entstand. 98

VTS

VTS

T30-RS

F90

3. OG

4. OG

a

b

4

1

2

5

1

7 8

3 6

3. OG

a

b

4. OG

Brandschutzkonzept

Grundrisse • Brandschutzpläne Maßstab 1:200 Isometrie Dachgeschoss T30-RS

VTS

1

9 EG

VTS

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Treppenhaus Flur Schlafen Bad Ankleide Arbeits- / Gästezimmer Interne Treppe Wohnen / Essen / Kochen Eingang

Da in dem denkmalgeschützten Bestandsgebäude neben dem Dachgeschossausbau auch eine umfassende Sanierung und Modernisierung sowie der Einbau eines Aufzugs vorgesehen war, stand die Frage, ob und für welche Bauteile aktiver Bestandsschutz vorliegt und ob sich die Maßnahme klar zum geschützten Bestand abgrenzen lässt, zunächst weniger im Vordergrund (siehe S. 71f. und S. 73ff.). Ein wesentlicher Schwerpunkt der brandschutztechnischen Maßnahmen lag in Abstimmung mit den Beteiligten vielmehr auf einer Überprüfung und moderaten, denkmalgerechten Ertüchtigung der Rettungswege, d. h. insbesondere der treppenraumumschließenden Bauteile, bei weitgehendem Erhalt der historischen Substanz. Der Treppenraum befindet sich mittig auf der Gebäuderückseite und besitzt im Erdgeschoss zwischen zwei gewerblich genutzten Einheiten einen Durchgang zur Straßenseite. Die historische Holzwangentreppe besteht aus eingestemmten Tritt- und Setzstufen. Die Aufstellung eines Hubrettungsgeräts ist auf der öffentlichen Straße möglich, sodass zweite Rettungswege straßenseitig über Gerätschaften der Feuerwehr nachgewiesen werden können. Beim Treppenraum wurde aufgrund der bestehenden Holztreppe der Fokus auf einen wirksamen Raumabschluss zu den Nutzungseinheiten gelegt. So wurde beispielsweise der ungenügende Abschluss zum Untergeschoss ertüchtigt und für die Wohnungstüren ein denkmalverträgliches Sanierungskonzept erarbeitet. Ungeschützte Fenster zu einzelnen Nutzungseinheiten wurden ertüchtigt, zudem der obere Treppenraumabschluss zum Dach verbessert und mit einer Öffnung zur Rauchableitung versehen, die im Erdgeschoss und vom obersten Podest geöffnet werden kann. Das bisher nicht als Aufenthaltsraum genutzte 99

Dachgeschossausbau in München

Schnitte Maßstab 1:200

aa

bb

Dachgeschoss wurde zu Wohnzwecken ertüchtigt und mit einer der beiden Wohnungen im obersten Geschoss zu einer Maisonettewohnung zusammengefasst. Dabei verfügen die beiden Ebenen der Maisonettewohnung jeweils über einen direkten Zugang zum Treppenraum, sodass der zweite Rettungsweg der oberen Ebene prinzipiell über die interne Treppe zur unteren Ebene und dort zum bereits bestehenden anleiterbaren Fenster an der Straße genügt hätte. Im konkreten Fall konnten allerdings drei neue Gauben geschaffen werden, die sich ebenfalls als zweiter Rettungsweg eignen. Im Projektverlauf stellte sich heraus, dass das alte Dachtragwerk nicht ausreichend tragfähig war, um die Lasten der neuen »Dachlaterne« aufnehmen zu können. Aufgrund dessen wurde über dem weitgehend restaurierten Bestandstragwerk, das sichtbar bleiben musste, ein neues Dachtragwerk errichtet. Im Zuge dessen war es notwendig die bestehenden Brandwände (Gebäudeabschlusswände) entsprechend zu erhöhen. Für die bestehenden Holzbalkendecken konnte man die Feuerwiderstandsklasse F 30-B nachweisen. Die Decken, die vom Dachgeschossausbau betroffenen waren, wurden insbesondere unterseitig, in den angrenzenden Nutzungseinheiten, mit Trockenbauplatten feuerbeständig bekleidet, in der Maisonettewohnung wurden die Geschossdecken oberseitig mit einem Trockenestrich versehen. Auch die Geschossdecke innerhalb der Maisonettewohnung – um die ungeschützte Treppenöffnung herum – musste brandschutztechnisch ertüchtigt werden. Aufgrund der hier vorgenommenen baulichen Maßnahmen konnte man auf technische Brandschutzmaßnahmen verzichtet. Auch war in Bezug auf die historische Substanz feuerwehrseitig eine trockene Steigleitung im Treppenraum nicht erforderlich. 100

Verwaltungsgebäude in Shenyang

Architekten: Tragwerksplaner:

Brandschutzplanung: Einstufung:

HENN, Berlin Suzhou Institute of Architectural Design, Suzhou (China) Engineering Corporation, Luoyang (China) Kersken und Kirchner, München Thilo A. Hoffmann geregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 3

BMW produziert seit 2003 in einem Joint Venture mit dem chinesischen Automobilhersteller Brillance Fahrzeuge für den chinesischen Markt. Neben dem östlich der Millionenstadt Shenyang gelegenen Produktionsstandort Dadong entstand ein neues Werk, in dem nach mehreren Ausbaustufen bis zu 90 Fahrzeugeinheiten pro Stunde gefertigt werden. Das Werk nimmt die Fertigungsstufen Karosseriebau, Lackiererei und Endmontage auf. Zudem entstanden hier ein Auslieferungszentrum, ein Entwicklungszentrum sowie eine Motorenfertigung. Im Mittelpunkt des Werks positioniert sich das Eingangs- und Büro-

Lageplan Maßstab 1:40 000

gebäude. In diesem ca. 100 ≈ 100 m großen Kubus sind Umkleidebereiche für alle Mitarbeiter, das Betriebsrestaurant, Konferenz- und Sozialräume untergebracht. Auf drei offenen, terrassierten Ebenen befinden sich Büroarbeitsplätze, von denen die Mitarbeiter auf ein Förderband blicken, das die im Werk gefertigten Karossen lautlos von der Lackiererei bis in die Endmontage transportiert. Das Dach des Gebäudes besteht aus einem parametrisch entwickelten Muster aus Oberlichtern, das durch Umlenkreflektoren Tageslicht ins Innere des Gebäudes leitet.

Brandschutzkonzept

In China wäre für das Gebäude der »Code of Design on Building Fire Protection and Prevention; National Standard of the People’s Republic of China« anzuwenden. Ein frühzeitiger Abgleich der Planung des fünfgeschossigen Gebäudes mit den hieraus resultierenden Anforderungen ergab jedoch, dass sich der Entwurf hiermit kaum hätte abbilden lassen. Mit den Behörden vor Ort einigte man sich schließlich darauf, dass die Brandschutzkonzeption im Einzelfall in Anlehnung an deutsche Vorschriften erarbeitet werden konnte. Gleichwohl

101

Verwaltungsgebäude in Shenyang

Grundriss ∙ Brandschutzpläne Maßstab 1:2000 (Ergänzung zu Legende Seite 97) feuerbeständige Wand: 1,5 h feuerbeständige Wand: 1 h feuerbeständige Wand: 0,5 h Fluchttreppe Flur brandlastfreie Zone Luftraum Glaswand zusätzliche Tür Notausgang zweiter Notausgang Wandhydrant Handfeuermelder

mussten die hieraus resultierenden Abweichungen vom chinesischen Brandschutzcode mit den Behörden intensiv diskutiert werden. Die über alle drei Geschosse weitgehend offene Struktur mit einer Grundfläche von rund 14 000 m2 stand einer herkömmlichen Brandabschnittsbildung sowie Geschosstrennung entgegen. Parallelen zur Brandschutzkonzeption einer Verkaufsstätte ließen sich darstellen, sodass hilfsweise die Muster-Verkaufsstättenverordnung angewendet werden konnte. Ferner wurde berücksichtigt, dass für den Standort eine Werksfeuerwehr nach deutschem Standard aufge-

stellt wird, in deren Schutzbereich auch das Verwaltungsgebäude liegt. Für das Gebäude wurde eine flächendeckende automatische Lösch- sowie Brandmeldeanlage und eine Alarmierungsanlage eingerichtet. Für den großen zusammenhängenden Luftraum, in den die einzelnen Gebäudeteile eingestellt sind, galt es ferner, sinnvolle und effektive Maßnahmen zur Rauchableitung zu konzeptionieren. Hierzu wurde das Hallenvolumen u. a. durch Glasrauchschürzen in kleinere Abschnitte unterteilt. Aufgrund der großen Anzahl an Beschäftigten im Gebäude sowie der großen Gebäudeausdehnung

wurden Fluchtwege ausschließlich über bauliche Rettungswege sichergestellt. Für den erforderlichen Nachweis der Rettungsweglängen und -breiten wurden vier innen liegende Treppenkerne sowie rund 20 außen liegende notwendige Treppen eingeplant. Letztere werden vor feuerhemmenden Fassadenbereichen geführt, sodass deren Nutzbarkeit im Brandfall sichergestellt ist. Dies gewährleistet für die oberirdischen Geschosse Rettungswegkapazitäten für 2600 Mitarbeiter. Im ersten Untergeschoss waren Rettungswege aus Umkleidebereichen für 15 000 Arbeiter bei einem Dreischicht-

a 1

4

9 5 7

27m

8

28m

6 3

9 35m

2

35m 40m

15

10 35m

11 27m

6

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3

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2

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4

13 14 2 EG

EG a

102

4

4

4

4

27m

5

aa

modell zu belegen. Die innen liegenden Treppenkerne werden im ersten Untergeschoss über Treppenraumerweiterungen und nachfolgende Außentreppen ins Freie geführt, sodass das Erdgeschoss von querenden, baulichen Rettungswegen weitgehend freigehalten werden konnte. Die Gliederung der oberirdischen Geschosse in Brandabschnitte jeweils kleiner 5000 m2 erfolgte unter Bezugnahme auf die Regelung der Verkaufsstättenverordnung zu Ladenstraßen. Hierzu wurden zwei 10 m breite, brandlastfreie »Ladenstraßen«, die bis unter das Dach reichen und die eingestellten Baukörper

umgrenzen, sowie die zugehörigen sicherheitstechnischen Einrichtungen eingeplant. Die »Ladenstraßen« dienen im täglichen Betrieb als Hauptverkehrsachsen zur weiteren Werkserschließung, sodass deren dauerhafte Freihaltung weitgehend als sichergestellt angenommen werden konnte. Das Gebäude wurde aufgrund der großen Außenabmessungen für die Feuerwehr allseitig umfahrbar gestaltet, wobei auf drei Gebäudeseiten Verbindungsbauwerke gequert werden müssen, wozu entsprechend große und schnell öffnende Toranlagen geplant wurden.

8

8

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Schnitt • Grundriss Maßstab 1:2000

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Haupteingang Eingang Dreigeschossige Halle/ Ladenstraße Schulungsraum Auditorium Shop Empfang Werkbesichtigung Konferenzraum Open space Büro Archiv Bibliothek Bistro Fitnessraum Gesundheitsdienst Betriebsrestaurant Fahrzeugförderband

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Flughafenterminal in München

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Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

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Kersken und Kirchner, München Thilo A. Hoffmann ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 5

Seit der Eröffnung des Terminals 2 im Jahr 2003 erhöhten sich die Wachstumsraten des Münchner Flughafens überdurchschnittlich. Nachdem das Terminal 2 bereits Ende 2011 seine Kapazitätsgrenze von 25 Millionen Passagieren pro Jahr überschritten hatte, soll das neue Satellitenterminal Kapazitäten für weitere 11 Millionen Passagiere aufnehmen können. Die Ergänzung dient der Optimierung der Umsteigebedingungen und der Gewinnung von neuen gebäudenahen Flugzeugpositionen. 19 Fluggastbrücken und vier neuartige Multiple-Aircraft-StandPositionen, an denen zwei Flugzeuge parallel oder ein größeres Flugzeug bedient werden können, erleichtern den Weg vom Terminal in den Flieger und umgekehrt. Beim Satelliten handelt es sich folglich um eine funktionale und operative Ergänzung des Terminals 2, ohne eigene landseitige Anbindung. Passagiere, die im Satelliten zu- oder aussteigen, checken im Terminal 2 ein oder holen ihr Gepäck dort ab. Nach der zentralen Sicherheitskontrolle im Terminal 2 erreicht der abfliegende Passagier mit einem führerlosen unterirdischen Personentransportsystem in weniger als 60 Sekunden den Sateliten. Aufzüge und Fahrtreppen bringen die Passagiere dann durch das Aufgangsbauwerk in die zentrale Halle. Hier, in der lichtdurchfluteten Mitte steht dem Passagier ein umfangreiches Shoppingund Gastronomieangebot zur Verfügung. Während er auf dieser weiträumigen »Piazza« auf das Boarding wartet, kann er gleichzeitig über ein eindrucksvolles 18 ≈ 87 m großes Panoramafenster das Geschehen auf dem Vorfeld beobachten. Der integrierte Vorfeldtower stellt von außen wie von innen das optische Zentrum des Satelliten dar. Eine begehbare zweischalige Klimafassade, die natürlich belüftet wird und als Klimapuffer zwischen Pier und Außenbereich dient, umhüllt das gesamte Gebäude. 104

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Koch + Partner Architekten Stadtplaner, München ARGE I-T-S, München

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Grundriss Satellitengebäude E04 Maßstab 1:6000 Grundriss zentrale Halle • Schnitt Maßstab 1:1250

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Pier (Fluggastbrücke) Gate (Flugsteig) Wartebereich Gate Verkehrsfläche

Lounge (Schengen) Verkaufsfläche Gastronomie- und Wartebereich Raucherlounge

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aa 9 Aufenthaltsbereich Mitarbeiter 10 Zoll 11 Ab- und Aufgangsbau Personentransportsystem

Brandschutzkonzept

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Für das multifunktionale Gebäude als ungeregelter Sonderbau galt es, ein schutzzielorientiertes Brandschutzkonzept zu entwickeln. Die unterschiedlichen Anforderungen aus den diversen Funktionen wie Abfertigungsbetrieb, zentrale Mitte mit Gastronomie und Shopping als offener Luftraum über mehrere Geschosse sowie das Personentransportsystem mussten hierin abgebildet und die darunterliegende Gepäcksortierhalle sowie der Bestandstower mit Sicherheitstreppenraum in das Konzept integriert werden. Konzeptbestimmend war neben der Sicherstellung der Rettungswege für eine große Anzahl von Passagieren der Wunsch nach Transparenz, der einer baulichen Unterteilung in Brandabschnitte entgegenstand. Die zentrale Mitte sowie Pier Nord und Süd stellen dabei übergeordnete Brandabschnitte dar. Die Brandabschnittsgröße beträgt jeweils rund 15 000 m2, wobei eine zusätzliche Unterteilung in Rauchabschnitte umgesetzt wurde. Die hieraus resultierenden Abweichungen wurden über sicherheitstechnische Anlagen wie automatische Löschanlage, Brandfrüherkennung, elektroakustisches Notfallwarnsystem, Maßnahmen zur Rauchableitung sowie einen konservativen Baustoffklassenkatalog kompensiert. Die Schlagkraft der Flughafenfeuerwehr, die hier auch den Gebäudebrandschutz sicherstellt, wurde ebenfalls berücksichtigt. Vertikale Rettungswege werden zusätzlich über Vorräume und Spüllüftungsanlagen abgesichert. Auch die Unterteilung in Rauchabschnitte sollte den hohen Gestaltungsansprüchen genügen und als feste Glasschürzen möglichst unauffällig erscheinen. Mithilfe von Brandsimulationsmodellen (siehe »Ingenieurmäßige Nachweisverfahren«, S. 40ff.) wurde die notwendige Anlagenkonfiguration ermittelt und die Wirksamkeit der Rauchableitungsmaßnahmen im 105

Flughafenterminal in München

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Wechselspiel mit den Rauchschürzen belegt. Eine intensive Betrachtung erforderte die zweischalige mehrgeschossige Klimafassade. Ohne gezielte weitere Maßnahmen wäre eine beschleunigte Brandübertragung von Geschoss zu Geschoss nicht auszuschließen (siehe »Außenwände und Fassaden«, S. 58). Die eigentliche Geschossdecke endet an der inneren Schale der Klimafassade. Diese Schale ist sowohl nicht brennbar als auch rauchdicht und wird zusätzlich über Sprinklerschutz abgesichert. Innerhalb der Klimafassade wurden flankierend Maßnahmen zur thermischen Entlastung im Brandfall vorgesehen und Brandlasten auf das betrieblich erforderliche Minimum reduziert. Der Konzeptersteller war neben der Ausführungsplanung auch mit der Objektüberwachung und Qualitätssicherung des Brandschutzes während der Bauzeit beauftragt, sodass eine Bestätigung der Umsetzung des Brandschutzkonzepts rechtzeitig vor Inbetriebnahme möglich war. Die Wirksamkeit der sicherheitstechnischen Anlagen sowie deren Zusammenspiel untereinander wurden neben den Prüfungen nach der Sicherheitsanlagen-Prüfverordnung auch anhand von Verbundtests nachgewiesen.

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Schnitt Klimafassade 1 2 3 4 5 6 7 8

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Maßstab 1:100

Maßnahmen zur thermischen Entlastung Sprinklerschutz Klimafassade Ebene 4 bis Ebene 6 verdichteter Sprinklerschutz rauchdichte Fassade nichtbrennbare Baustoffe in Klimafassade Ebene 4 bis Ebene 6 Pierfläche Ebene 4 bis Ebene 6 Nachströmöffnung Gepäcksortierhalle

Büro- und Verwaltungsgebäude in Hamburg

Architekten:

Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

Richard Meier & Partners Architects, New York Architekten Ingenieure PSP, Hamburg Weber ∙ Poll Ingenieurbüro für Bauwesen, Hamburg Kersken und Kirchner, München Thilo A. Hoffmann ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 5

Schon seit Gründung der Speicherstadt vor über 100 Jahren wird Kaffeehandel in der Stadt Hamburg groß geschrieben. Somit steht die Coffee Plaza, ein neues Zentrum für internationalen Kaffeehandel, das nur einen Steinwurf von der früheren Kaffeebörse in der Speicherstadt entfernt liegt, ganz in der Tradition des Orts. Direkt am Sandtorpark in der Hamburger HafenCity befindet sich das neue Ensemble, bestehend aus einem zwölfgeschossigen Turm und zwei weiteren liegenden Baukörpern. Das Gebäude-Trio mit seinen klar strukturierten Fassaden gruppiert sich um einen großen öffentli-

Lageplan Maßstab 1: 2000

chen Platz, der sich zum Hafen hin öffnet. Das Projekt ist ein wichtiger Baustein im Rahmen der ambitionierten Sanierungsbemühungen der Stadt, die den einstigen Industriehafen Hamburgs als Wirtschafts-, Handels- und Kulturzentrum neu erfinden will. Der im Grundriss ovalförmige Turm beherbergt den Hauptsitz einer internationalen Kaffehandelsgruppe und bietet neben einer erdgeschossigen Gastronomieebene elf Bürogeschosse, die im zwölften Obergeschoss durch einen skulpturalen Dachaufbau mit Konferenzräumen und Terrassen ergänzt werden. Die beiden angrenzenden siebenge-

schossigen Gebäude umfassen Mietflächen für Büronutzung sowie einen Coffee-Shop und Einzelhandelsflächen. Zwei Untergeschosse mit Park- und Technikflächen verbinden alle drei Bauteile unterirdisch miteinander. Die Büroräume zeichnen sich einerseits durch ihre variablen Grundrisse für Einzel-, Gruppen- und Kombibüros aus, andererseits durch den Blick auf die HafenCity und das Wasser. Hinzu kommt eine hochwertige technische Ausstattung mit Betonkernaktivierung, mechanischer Lüftung und außen liegendem Sonnenschutz. 107

Büro- und Verwaltungsgebäude in Hamburg

Schnitt • Grundrisse Brandschutzpläne Maßstab 1:250 1 2 3 4 5 6 7

Eingang Aufzugsvorraum Fluchttreppenhaus WC Lager Gastronomiebereich Zugang Gastronomie

8 Flur 9 Büro 10 interne Treppe (optional) 11 Teeküche 12 Besprechungsraum 13 Dachterrasse

Brandschutzkonzept

Als Planungsgrundlage wurde für die drei Gebäude neben der Bauordnung hilfsweise die Muster-Hochhausrichtlinie mit Stand Entwurf 11/2006 angewendet. Rettungswege verlaufen je Gebäude über einen innen liegenden, druckbelüfteten Sicherheitstreppenraum. Die Erschließung des Treppenraums erfolgt je Geschoss über eine Sicherheitskaskade, d. h. die Abfolge aus Nutzungseinheit, notwendiger Flur, Vorraum und Treppenraum. Alle drei Gebäude sind flächendeckend gesprinklert und verfügen über nasse Wandhydrantenanlagen. Da die Raumeinteilung innerhalb der Geschosse auch zukünftig flexibel sein soll, wurde nur die Sicherheitskaskade als festes Element vorgegeben. Darüber hinaus besteht in den Nutzungseinheiten Gestaltungsfreiheit, d. h. diese können z. B. als Großraum- oder Kombibüro bzw. Flurtyp genutzt werden, ohne dass hierfür das Brandschutzkonzept angepasst werden muss. Für das Turmgebäude wurde aufgrund der Höhenentwicklung zusätzlich ein Feuerwehraufzug, sowie eine flächendeckende Rauchmelderüberwachung mit zugehöriger Alarmierungsanlage konzipiert. Das elfte und zwölfte Obergeschoss stellen eine zusammenhän-

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Feuerwehraufzug 3 T30-RS

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T30-RS

gende Nutzungseinheit dar, der notwendige Flur wurde dazu zweigeschossig ausgeführt, sodass hier eine interne Verbindungstreppe angeordnet werden konnte. Der Fassadenaufbau des Turmgebäudes ist ähnlich einer Doppelfassade zweischalig geplant. Die äußere Ebene dient im Wesentlichen als Windschutz für die Verschattungsanlage, die zwischen beiden Fassadenebenen angeordnet ist. Um einer beschleunigten geschossweisen Brandübertragung entgegenzuwirken, wurde der Zwischenraum strömungstechnisch je Geschoss durch horizontal angeordnete Fassadenbauteile gegliedert und geschossweise Be- und Entlüftungsquerschnitte angeordnet. Die eigentliche Geschossdecke endet jedoch an der inneren Fassadenebene.

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12. OG

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Detail Fassade Maßstab 1:20 14 VSG aus TVG 12 + TVG 12 mm Hinterlüftung 15 Zweifach-Wärmeschutzverglasung in Aluminiumrahmen, Ug = 1,1 W/m2K 16 horizontale Fassadentrennung: Aluminium-Strangpressprofil 3 mm 17 Lüftungsöffnung Aluminium-Strangpressprofil 10 mm 18 Sonnenschutz Lamellenraffstore Aluminium

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T30-RS VT

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2.–10. OG

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Musikschule und Jugendkulturhaus in Neusäß

Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

Dürschinger Architekten, Fürth Peter Dürschinger, Ulrich Wiese Helmut Steinherr, Neusäß Kersken und Kirchner, München Robert Gruschke ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 3

Der viergeschossige Neubau der Musikschule mit integriertem Jugendhaus bindet sich in fast selbstverständlicher Weise in das Hanggrundstück ein. Unter dem Dach eines gemeinsamen Hauses für Jugendkultur und Musik findet dabei eine horizontale Schichtung des Raumprogramms statt. Die Topografie ermöglicht es, für beide Nutzungen separate Eingangsbereiche zu schaffen. Im Erdgeschoss befindet sich das Jugendkulturhaus. Über einen wettergeschützten Vorplatz an der Hauptstraße im Osten erreicht der Besucher vorbei an einer dienenden Kernzone den zentralen Veranstaltungsraum, der sich nach Süden hin zum außen liegenden Hof orientiert. Darüber, im ersten und zweiten Obergeschoss, befindet sich die Musikschule, die ebenerdig über den Vorplatz Daimlerstraße erschlossen wird. Hier befinden sich auch die gemeinsam genutzten Räume mit Orientierung zum Vorplatz und Foyer. Ein zentrales Oberlicht lässt Tageslicht in die atriumähnliche Mitte fluten, von der aus die großen Proberäume mit ihren direkt zugeordneten Nebenräumen erreicht werden. In Teilbereichen über dem zweiten Obergeschosses sind die Technikflächen angeordnet. Die wettergeschützten Oberlichter garantieren außerdem eine natürliche Beund Entlüftung auch hoher Räume. Eine aus Industriegussglas gefertigte hinterlüftete Fassade trägt zur Verbesserung des Schallschutzes bei. Die opake, semitransparente Oberfläche der raumhohen Glaspaneele lässt das am Abend von innen beleuchtete Gebäude wie einen kristallinen Körper erscheinen. Neben diesem atmosphärischen Aspekt hat das Fassadenmaterial außerdem den Vorteil, äußerst langlebig und unterhaltsarm zu sein. Eine strukturierte Holzschalung verleiht großen Teilen der Sichtbetonwände im Inneren eine reliefartige Oberfläche, was die Raumakustik in den Proberäumen und Fluren verbessert. 110

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Schnitt • Grundrisse Brandschutzpläne Maßstab 1:500 Lageplan Maßstab 1:4000

1 Eingang Jugendkulturhaus 2 Foyer 3 Hausanschlussraum 4 Lager 5 Proberaum 6 Teeküche 7 Gruppenraum 8 Büro 9 Bühnentechnik 10 Backstage 11 Veranstaltungsraum

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WC Küche Aufenthaltsraum Arenahof Jugendkulturhaus Eingang Musikschule Atrium Cafeteria Besprechungsraum Lehrerzimmer Hausmeister Umkleide Brandschutzkonzept

NE7 < 200m²

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Das vorliegende Gebäude wird als Sonderbau eingestuft. Da die zu erwartenden Personenzahlen allerdings unterhalb der Schwelle der Versammlungsstättenverordnung liegen, handelt es sich um einen ungeregelten Sonderbau. Für die unterschiedlichen Nutzer des Gebäudes bietet die Hanglage durchaus Vorteile. Das Erdgeschoss, das sich rückseitig vollständig im Hang befindet, wird ausschließlich als Jugendkulturhaus genutzt. Diese Ebene ist unabhängig vom übrigen Gebäude nutzbar, barrierefrei gestaltet und von der Hauptstraße aus erreichbar. Sämtliche Rettungswege führen hier im Süden und Osten direkt ins Freie. Für rückseitig gelegene Räume besteht die Möglichkeit, über den notwendigen Treppenraum im Norden zu fliehen. Im Gegensatz dazu ist das erste Obergeschoss der Musikschule von der Hangseite, d. h. von der Daimlerstraße im Westen ebenerdig zu erreichen. Rettungswege über anleiterbare Fenster für die oberen Ebenen waren von vornherein ausgeschlossen. Denn aufgrund weitgehend geschlossener Fassaden aus Gussglas sowie der Hanglage und der geplanten Freiflächengestaltung ist dies nicht möglich. Zwischen dem ersten und

22 m NE3 < 200m²

VDS VDS T30

VDS

VDS

VDS VDS

RS VDS

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NE2 < 200m²

NE1 < 200m² VDS

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Musikschule und Jugendkulturhaus in Neusäß

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zweiten Obergeschoss war eine Halle mit Freitreppe gewünscht. Gleichzeitig sollte der Eingangsbereich als Kommunikationszone und Empfangsbereich mit Stehtischen genutzt werden können. Deshalb muss aus allen angrenzenden Aufenthaltsräumen, unabhängig von der Halle mit Freitreppe, im ersten Rettungsweg über notwendige Flure ein notwendiger Treppenraum erreichbar sein. Abweichend davon wurde für einen kleinen Büroraum im zweiten Obergeschoss eine Bypasslösung vorgesehen. Die Halle mit Freitreppe erhielt ein großzügiges Oberlicht, in das eine Rauchableitungsöffnung integriert wurde. Über diese Hallen werden lediglich zweite Rettungswege geführt. Das dritte Obergeschoss enthält nur Lufträume der Proberäume oder Technikbereiche, d. h. keine Aufenthaltsräume. Hier genügt der notwendige Treppenraum, ein zweiter Rettungsweg ist nicht erforderlich.

Vertikalschnitt Maßstab 1:20 1

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Dachaufbau: Kies Abdichtung 10 mm Gefälledämmung 200 – 400 mm Dampfsperre 10 mm Spannbetonhohldielen 265 mm Außenwand: Profilglas vorgespannt, sandgestrahlt 83 mm Hinterlüfung 150 mm Wärmedämmung (nicht brennbar) 250 mm Stahlbeton 240 mm Innenputz geglättet 15 mm Anstrich Sonnenschutz: Drehlamellen Aluminium perforiert 1250 –1800/600/60 mm Elementfenster Dreifachverglasung 48 mm Bodenaufbau: Industrieparkett 15 mm

Heizzementestrich 85 mm Trittschalldämmung EPS 25 mm Wärmedämmung 20 mm Stahlbeton 200 – 260 mm abgehängte Akustikdecke Gipskarton 12,5 mm Pfosten-Riegel Fassade Dreifachverglasung 48 mm H = 2,87 m Stütze Stahlbeton 240/240 mm Fassadenrinne vor bodenbündiger Verglasung

Sanierung denkmalgeschützer Wohnhochhäuser in München

Architekten: Brandschutzplanung: Einstufung:

Koch + Partner Architekten Stadtplaner, München Kersken und Kirchner, München Thilo A. Hoffmann ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 5

Lageplan Siemens-Siedlung 1953 Maßstab 1:6000

Die Siemens-Siedlung ist die Kernsiedlung der Siemens Wohnungsgesellschaft in München. Sie umfasst insgesamt 530 Wohnungen und war die erste Wohn-Hochhaussiedlung in Bayern. Der ursprüngliche Anlass für die Errichtung dieser Siedlung waren die kriegsbedingten Zerstörungen in der Siemensstadt in Berlin, die eine Verlagerung von Werken und Verwaltungen in andere Orte nach sich zog. Das günstig gelegene Grundstück in München, nur wenige Hundert Meter vom Siemens-Hauptwerk entfernt, schien geradezu ideal, um diese Pläne zu realisieren und wurde deshalb 1948 erworben und kurz darauf durch den Architekten Emil Freymuth beplant. Die gesamte Siedlung ist in eine parkähnliche Grünanlage eingebettet, Balkone und Wohnräume durchgehend nach Süden hin angeordnet, Durchgangsverkehr wird ferngehalten. Die Gebäude Schuckertstraße 13 und 14, auch Sternhaus II und I genannt, gliedern sich jeweils in zwei unterirdische Geschosse mit Kellerabteilen und 16 oberirdische Wohngeschosse – plus Technikräume im 17. Obergeschoss. Im Zuge verschiedener Instandhaltungsmaßnahmen erhielten die Gebäude über die Jahre u. a. neue Farbanstriche, eine Wärmedämmung und Kunststofffenster, sodass bald nichts mehr von ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild zu erkennen war. Seit 1992 steht die Siedlung unter Denkmalschutz. Daher wurden im Rahmen der letzten Generalsanierung sämtliche Details bezüglich Fassade, Fenstern, Treppenhaus, Dach und Farben mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt. Mit dem Ziel, den Gestaltungsduktus der 1950er-Jahre zu erhalten bzw. wiederherzustellen, wurden die Ergebnisse verschiedener restauratorischer Bestandsuntersuchungen sowie maßgebliche Gestaltungselemente in die neue Planung aufgenommen. 113

Sanierung denkmalgeschützer Wohnhochhäuser in München

Brandschutzkonzept

Der Schwerpunkt der brandschutztechnischen Sanierung der Hochhäuser lag auf der Rettungswegführung. Die Häuser verfügen nur über einen Treppenraum, der aber nicht die Anforderungen eines innen liegenden Sicherheitstreppenraums erfüllt. Aufgrund des Baumbestands und der Höhenentwicklung mit bis zu 47 m konnte kein zweiter Rettungsweg über Gerätschaften der Feuerwehr nachgewiesen werden (siehe S. 88). Ohne einen zweiten und mit Mängeln am ersten Rettungsweg hätte der Tatbestand einer konkreten bzw. erheblichen Gefahr festgestellt werden können (siehe S. 71f.). Ziel des Brandschutzkonzepts war, den Ausfall des Treppenraums solange wie möglich zu verhindern bzw. das Risiko des Ausfalls zu reduzieren. Hierzu wurden eine Spüllüftungsanlage und T 30RSTüren mit Freilauftürschließern zu den Wohnungen vorgesehen und somit die Anforderungen der Bauordnung »übererfüllt«. Wo aus geometrischen und denkmalpflegerischen Aspekten möglich, wurde der Treppenraum zusätzlich mit Schleusen abgesichert. Weiterhin wurden die Ausgangsbereiche der Treppenräume geschützt. Da die Ausgänge ins Freie leicht abknicken und somit in Fassadennähe liegen, war eine Beeinträchtigung im Brandfall nicht auszuschließen. Daher wurden entsprechende Fenster im Erdgeschoss aufgerüstet und im Kellergeschoss ganz geschlossen. Auch zur Ansteuerung der Belüftungsanlage wurden in den Wohnungen zur Überwachung Rauchwarnmelder installiert. Begleitend wurden im Sinne einer Risikominimierung die Zufahrtsmöglichkeiten für die Feuerwehr derart verbessert, dass innerhalb der Einsatzgrenzen der Drehleiter ein alternativer Rettungsweg zur Verfügung steht. Aufgrund der Gebäudehöhe wurde ferner eine nasse Wandhydrantenanlage innerhalb des Treppenraums eingebaut. 114

Luftansaugturm Höhe: 2,00 m Ø 1,20 m Löschwasserbehälter Erdüberdeckung: 0,85 m (Tank) Ø 2,50 m Feuerwehr

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Freiflächengestaltungsplan Maßstab 1:1000 Brandschutzpläne Schuckertstr. 13 Maßstab 1:500 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Treppenhaus Flur Küche Bad Kinder- /Arbeitszimmer Schlafzimmer Wohnzimmer Loggia Schleuse Keller Waschküche Hausanschluss- /Zählerraum

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Gesundheitszentrum in Augsburg

Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung: Einstufung:

wulf architekten, Stuttgart Weischede, Herrmann und Partner, Stuttgart Kersken und Kirchner, München Robert Gruschke ungeregelter Sonderbau, Gebäudeklasse 5

Der Neubau des Gesundheitszentrums Vincentinum entstand als Ergänzungsbau zum 1859 im neugotischen Stil errichteten Alten Hauptkrankenhaus. Der u-förmige Neubau des Gesundheitszentrums schließt direkt an das vorhandene Alte Hauptkrankenhaus an und ersetzt dessen ehemaligen Ostflügel, der zu Beginn der 1950er-Jahre nachträglich angebaut worden war. Während heute im Alten Hauptkrankenhaus das Staatsinstitut zur Ausbildung von Fachlehrern und das Kinderhaus Montessori untergebracht sind, befinden sich im Neubau das OP-Zentrum, diverse Praxen, die Tagesklinik, Radiologie, Chirurgie und Rheumatologie. Das neue Gesundheitszentrum mit einer Fassade aus grob vermörteltem Ziegelmauerwerk sucht in Material und Fassadengliederung einen harmonischen Dialog mit dem Monumentalbau des rund 150 m langen Alten Hauptkrankenhauses, der ebenfalls als Ziegelbau errichtet wurde. Die strenge Ordnung der Fensterfassade wird am Gesundheitszentrum lediglich zum Hof hin durch eine großflächige Verglasung unterbrochen, hinter der eine Halle mit wellenförmig vorund zurückspringenden Galerien liegt, auf denen sich die Wartezonen der unterschiedlichen Arztpraxen befinden.

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Lageplan Maßstab 1:3000 Grundriss • Brandschutzplan Maßstab 1:500 1 Eingang Gesundheitszentrum 2 Foyer 3 Erschließungshalle 4 Apotheke 5 Sanitätshaus 6 Lager 7 Zahnarztpraxis 8 Personalraum 9 WC 10 Eingang Chirurgie 11 Eingriff

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Arztzimmer Sonographie Wartezone Untersuchung Umkleide Röntgen Abstellraum Wundversorgung Seminarraum Büro Bibliothek Eingang Liegendkranke

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TRH 2 FSD

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Einheit < 100m²

T30

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T30-RS Einheit < 400m² Einheit < 200m²

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T30-RS 30 m T30

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DIN DIN

DIN

Einheit < 400m²

T30-RS

TRH 1

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Einheit < 200m²

T30-RS 5m

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T90-Tor

DIN

DIN

TRH 4 T30

25 m T30-RS

T30-RS

T30-RS Einheit < 400m²

VTS VTS

TRH 5

Einheit < 200m² VTS

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Brandschutzkonzept Der Neubau als Ersatz für den alten Ostflügel wird heute als Gesundheitszentrum des Vincentinum bezeichnet. Er besteht aus einer Tiefgarage als geschlossene Großgarage und einem u-förmigen viergeschossigen Gebäudeteil. Im ersten Obergeschoss gibt es vier kleinere Operationssäle für überwiegend ambulante Operationen. Diese wurden in zwei verschiedene Brandschutzabschnitte aufgeteilt, was eine horizontale Verschiebung ermöglichte. D.h. die Operationssäle können auch vom benachbarten Klinikum Vincentinum genutzt werden und stehen dazu mittels einer Brücke im ersten Obergeschoss direkt über der Franziskanergasse mit dem Klinikum in Verbindung. Somit könnte bei einem Brandereignis im Operationsbereich des Klinikums unter Umständen der Operationsbereich im Gesundheitszentrum dazu dienen, eine Operation zu Ende zu führen. Das u-förmige Gesundheitszentrum wurde zwar an das Alte Hauptkrankenhaus angebaut, allerdings mit einer inneren Brandwand – ohne Öffnungen oder Verbindungen zum sanierten Altbau. Das Gesundheitszentrum teilt sich in drei Brandabschnitte. An den beiden Gebäudeecken sowie an den Gebäudeenden befinden sich notwendige Treppenräume, die gewährleisten, dass jeder Brandabschnitt Zugang zu jeweils zwei Treppenräumen hat. Eine weitere Treppe befindet sich in der großzügigen hofseitigen Halle im Mittelbau und erstreckt sich als offene Freitreppe über vier Geschosse. Die brandlastarme Halle, die teilweise auch Wartebereiche beherbergt, dient überwiegend als Verkehrsfläche. Das Gebäude wurde flächendeckend mit einer Brandfrüherkennung ausgestattet. Die Brandmeldeanlage ist zur Integrierten Leitstelle Augsburg

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Gesundheitszentrum in Augsburg

aa

aufgeschaltet. Alle Treppenräume besitzen eine trockene Steigleitung. Als große Herausforderung stellte sich im Projektverlauf das bestehende Heizöltanklager des nördlich benachbarten Heizkraftwerks heraus, das als Notreserve dient. Erst nach zahlreichen Abtimmungen mit dem Amt für Brand- und Katastrophenschutz und dem Betreiber des Kraftwerks konnte hier eine einvernehmliche Lösung gefunden werden: Die beiden Fassadenseiten, die sich in unmittelbarer Nähe des Tanklagers befinden, erhielten eine Berieselungsanlage, die über eine trockene Steigleitung angebunden ist. Die Düsen befinden sich entlang der Attika, die Einspeisung erfolgt geschützt von der Frankziskanergasse aus. Die Abnahme fand im Beisein des Amts für Brand- und Katastrophenschutz Augsburg statt. Außerdem wurde an der Attika, in der Nähe des Treppenraums am Tanklager, ein Löschmonitor (B-Strahlrohr) installiert, der es der Feuerwehr erlaubt, von dort einen geschützten Löschangriff auf das Tanklager zu führen.

RS RS TRH 2

8

T30-RS

RS T30-RS

16

16

VT-Tor

T30

F30

T30-RS

VT-Tor

TRH 3 T30 F30

VT

T30-RS

VT

Einheit < 400m²

RS

14

VT

28

DIN

29

T30-RS

VT

DIN

28

28

26

F30 Einheit < 400m²

25

RS

T30-RS

T30-RS T30-RS

T30-RS

6

27

27 32m

13

35

27 26m

T30-RS

12

T30-RS

Einheit < 200m² T30-RS

T30-RS

4

21

T30-RS m

VTS T30-RS DIN 25m

31m

T30-RS

Einheit < 200m²

TRH 1

T30-RS

31 29m

T30-RS

F90

T30-RS

T30-RS

24

14

Einheit < 200m²

32

VTS

9 T30-RS

5m

T30-RS

Schnitt • Brandschutzplan Maßstab 1:500

4

m

T90-RS

VTS

33 DIN

TRH 4 T30

T90-RS

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Galerie Brücke zum Klinikum Vincentinum Zugang Operationszentrum Operationssaal Einleitung /Ausleitung Aufwachraum Sterilisation / Desinfektion Magnetresonanztomographie (MRT) Computertomographie (CT) Küche Arztpraxis HNO Arztpraxis Allgemeinmedizin

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T30-RS T30-RS

Einheit < 400m²

34

35 T30-RS Einheit < 400m²

TRH 5

24m 17m

1. OG

Sanierung Altbau der Bayerischen Architektenkammer in München

Architekten: Tragwerksplaner: Brandschutzplanung:

Einstufung:

Schmöller Architekten, München Klaus Gammel, München Kersken und Kirchner, München Arie Johannes Reimers, Thilo A. Hoffmann Gebäudeklasse 5

Im Jahr 1924 übernahm der Architekt Max Littmann den Auftrag, für den Holzfassfabrikanten Jakob Kornmann und seine Familie eine »herrschaftliche Villa mit Auffahrt« im Münchner Stadtteil Neuhausen zu planen und ließ innerhalb nur eines Jahres das Wohnhaus im neobarocken Stil bezugsfertig realisieren. Nach 70 Jahren wechselnder Nutzungen und Eigentümer hielt die Geschäftsstelle der Bayerischen Architektenkammer Einzug in die Villa und nutzt seither die Räumlichkeiten für ihre Büro- und Verwaltungstätigkeiten. Unmittelbar nach dem Erwerb der Liegenschaft erfolgte 1996 eine erste

Lageplan Maßstab 1:1000

Modernisierung der Villa. Als dann 2011 vermehrt Schäden auftraten, die sich im Laufe der Jahrzehnte seit Errichtung und Umnutzung des Gebäudes eingestellt hatten, beschloss der Kammervorstand eine grundlegende Bestandsaufnahme für das gesamte Gebäude zu erstellen. Es folgte eine umfassende Sanierung des Altbaus samt Neugestaltung des Kellergeschosses und einzelner Räume im Obergeschoss. Somit konnten schließlich alle akuten Mängel behoben, der bauliche Brandschutz gewährleistet und eine behutsame energetische Optimierung umgesetzt werden.

Brandschutzkonzept

Zu Beginn der Brandschutzsanierung wurde eine Überprüfung des denkmalgeschützten Gebäudes vorgenommen. Da der Bestand seit der Errichtung mehrfach geändert wurde, war ein formeller Bestandsschutz schwer nachzuweisen. Insofern galt es zunächst, das Gebäude im Hinblick auf einen möglichen materiellen Bestandsschutz zu analysieren (siehe »Arten des Bestandsschutzes«, S. 71f.). Für einen genauen Überblick über die Bestandsbauteile wurden systematisch Bauteilöffnungen vorgenommen und mit den Ergebnissen ein Bauteilkatalog

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Sanierung Altbau der Bayerischen Architektenkammer in München

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