Blut auf Pharsalischen Feldern: Lucans Bellum Ciuile und Vergils Georgica [1 ed.] 9783666310553, 9783525310557

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Blut auf Pharsalischen Feldern: Lucans Bellum Ciuile und Vergils Georgica [1 ed.]
 9783666310553, 9783525310557

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Markus Kersten

Blut auf Pharsalischen Feldern Lucans Bellum Ciuile und Vergils Georgica

Hypomnemata Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben

Herausgegeben von Friedemann Buddensiek, Sabine Föllinger, Hans-Joachim Gehrke, Karla Pollmann, Christiane Reitz, Christoph Riedweg, Tanja Scheer, James Wilberding Band 206

Vandenhoeck & Ruprecht

Markus Kersten

Blut auf Pharsalischen Feldern Lucans Bellum Ciuile und Vergils Georgica

Vandenhoeck & Ruprecht

Verantwortliche Herausgeberin: Christiane Reitz

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: »Ostufer Kummerower See in Vorpommern«, Carsten Büttner © smoltfilm! ISSN 0085-1671 ISBN 978-3-666-31055-3 © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen | www.text-form-art.de

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Einleitung: Lucan und die Georgica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Metapoetischer Realismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.2 Die Georgica als Referenztext: Intention und Intertextualität . . . 34 2. Caesar und die Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.1 Der Beginn des Krieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.1.1 Rost auf den Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.1.2 Das Versprechen des Laelius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.1.3 Die Vorzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.1.4 Caesar in Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.2 Bäumefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.2.1 Das Motiv cadit omne nemus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.2.2 Der Hain von Massilia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2.3 Ilerda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2.3.1 Die Große Flut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2.3.2 Die Verbrüderung und die Rede des Petreius . . . . . . . . . 104 2.3.3 Das Leid der Pompeianer und Caesars Gnade . . . . . . . . 121 2.4 Der Sturm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Pompeius, Cato und der Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.1 Der morsche Baum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3.1.1 Das Stiergleichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.1.2 Belagerung, Pest und Wellengleichnis . . . . . . . . . . . . . 165 3.1.3 Abermals den Taurus … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3.1.4 Augustius aris uictoris . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3.2 Der schlechte Hirte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.2.1 Das Ende der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3.2.2 Marcia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3.2.3 Die Bienen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

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Inhalt

4. Pharsalische Felder und Goldene Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4.1 Die Tradition eines Schreckensortes . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4.1.1 Krieg und Feldbau und das Peleus-Epos . . . . . . . . . . . . 221 4.1.2 Die Wiederkehr einer besseren Zeit bei Vergil . . . . . . . . 225 4.2 Pharsalia tanta causa mali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4.2.1 Vor der Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.2.2 Der Beginn der Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4.2.3 Nach der Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.3 Das Proöm als Epilog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4.3.1 Die Komposition: Panegyrik und Antipanegyrik . . . . . . . 270 4.3.2 Der panegyrische Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 4.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 5. Schlussbetrachtungen: Aneignung und Gegenbild . . . . . . . . . . . . 313 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Ausgaben und Übersetzungen des Bellum Ciuile . . . . . . . . . . . . . 320 Sonstige Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Index Locorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

Vorwort

Den Anstoß dazu, das Bellum Ciuile und die Georgica nebeneinander zu legen, erhielt ich durch den scharfsinnigen Vortrag ›Zweimal Emathien‹ von Ruurd Nauta. Als ich dann im Herbst 2010 in einem Privatissimum unter seiner Anleitung Lucan las, wurden die Grundlagen zur Bearbeitung dieses Themas bereitet. An vielen Stellen beruht das vorliegende Buch auf dem, was ich in Groningen habe lernen dürfen. Eine weitere Station war Oxford. Die Gespräche mit Matthew Leigh, der mich auf das Freundlichste und Großzügigste aufnahm (und der dankenswerterweise auch als Gutachter fungierte), haben mich zu wichtigen Einsichten geführt und die Struktur meines Vorgehens entscheidend geprägt. Anfang und Ende meiner Studienzeit aber liegen in Rostock, wo ich die ersten Versuche gemacht habe, antike Epik zu lesen. Den entscheidenden Anteil, dass aus meinen Lesefrüchten eine Dissertation werden konnte, hatte meine Doktormutter, Christiane Reitz. Es ist kein remotum, wenn ich hier dankend einen irrealen Bedingungssatz sage: Ohne ihre Hilfe, ihren Rat und ihr Urteil hätte ich diese Arbeit weder schreiben können noch schreiben wollen. Dankbar bin ich auch Nicola Hömke: für regelmäßigen intensiven Austausch, für Manuskripte und Hinweise sowie für die Übernahme des dritten Gutachtens. Mannigfache Hilfe und Ermunterung habe ich von meinen Rostocker Kollegen erfahren: von Anja Behrendt, Simone Finkmann, Evelyn Syré, Anke Walter, Torben Behm, Andreas Fuchs, Lars Keßler und Stefano Poletti. Die erhellende Diskussion, die sich während der Disputation ergab, hat den Abschluss des Buches sehr befördert. Seine endgültige Gestalt haben die Herausgeber der Hypomnemata bewirkt; für die Aufnahme in diese Reihe möchte ich stellvertretend Christiane Reitz und Karla Pollmann danken. Für die stets zuvorkommende verlegerische Betreuung bin ich Kai Pätzke und Carla Schmidt verbunden – und Elisabeth Kühn sowie Felix Apel für die Reduzierung der von mir verfertigten Fehler. Den Luxus, in einem bequemen Studierzimmer einen Text interpretieren zu dürfen, der eindringlich vor dem Verlust der Kultur warnt, hat mir die Studienstiftung des Deutschen Volkes ermöglicht. Für das Stipendium und für vielfältige andere Förderung bin ich sehr dankbar. Und der Fondation Hardt danke ich dafür, dass sie mich zwei Wochen ins Goldene Zeitalter reisen ließ. Rostock, Januar 2018

1. Einleitung: Lucan und die Georgica »Oui, c’est plus que la guerre dans la patrie, c’est la guerre dans la famille. Il le faut, et c’est bien. Les grands rajeunissements des peuples sont à ce prix.«

›Plus quam civilia bella‹ – die Kapitelüberschrift bekräftigt die verstörend begeisterte Lucan-Anspielung, die Victor Hugo im Roman Quatrevingt-treize den ehemaligen Priester Cimourdain machen lässt. Der überzeugte Revolutionär und tugendfeste Tyrannenfeind, der solchermaßen vom großen Sinn der Erneuerung spricht, ahnt da noch nicht, dass er später aus Pflichtgefühl gegenüber der Republik den von ihm selbst erzogenen und über alles geliebten Offizier Gauvain zum Tode verurteilen wird, weil der sich den monarchistischen Feinden mitfühlend und hilfsbereit gezeigt hat. Stalin, heißt es, hat diesen Cimourdain sehr bewundert.1 Darüber nachzudenken, ob der Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius einen Sinn hatte, unter welchen Umständen ein Bürgerkrieg überhaupt einen Sinn haben kann, und was das womöglich für die Nachgeborenen bedeutet, begleitet die Lektüre von Lucans Bellum Ciuile durchgehend. Ein Cimourdain wird das Werk auf seine Art verstehen. Was, wenn man mit ihm bisweilen übereinstimmt? Kann oder muss man dieses Epos lesen, ohne entweder Pompeianer oder Caesarianer zu sein? Das Werk ist umstritten, will es so umstritten sein? – Diese Fragen umreißen ein grundlegendes Phänomen. Eine philologische Annäherung an das Gedicht muss, historisch-kritisch gesehen, vorurteilsfrei erfolgen und muss auch akzeptieren, dass vieles sich nicht in Erfahrung bringen lässt, was vor einer Lektüre zu wissen vielleicht wünschenswert wäre: etwa was Lucan selbst von Gewalt gegen andersdenkende Mitbürger gehalten hat, und wie seine Meinung zu Vergil gewesen ist, den er nicht persönlich kannte, oder zu Seneca und Nero, die er wohl recht gut kannte. Gleichzeitig muss aber jede philologische Betrachtung unmittelbar voraussetzen, dass das Bellum Ciuile an Leser gerichtet war, die durchaus gewisse Vorurteile gehabt haben dürften. Sie hatten den Bürgerkrieg nicht erlitten, aber sie waren davon immer noch irgendwie betroffen, und vor allem: Sie hatten viel gelesen. Die vorliegende Arbeit ist inmitten dieses Problems angelegt. Sie behandelt Lucans Anspielungen auf Vergils Georgica, also die Rezeption eines Textes, der ursprünglich für ein Publikum gedacht war, das die Bürgerkriege tatsächlich selbst erlebt hatte, der aber, bereits ein Klassiker zur Zeit Neros, immer wieder gelesen und von verschiedenen Lesern sehr verschieden gedeutet worden ist.

1 Cf. Montefiore (2007/2008), 105.

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Einleitung

Ich möchte zeigen, dass das Bellum Ciuile besser verständlich wird, wenn man diese Anspielungen als Einheit begreift und ihnen gezielt nachgeht. Was ich aber allenfalls zeigen kann, ist, dass sich für mich hierdurch interessante Interpretationswege ergeben. Eine der größten Schwierigkeiten des Bellum Ciuile besteht darin, dass Lucan nicht dokumentarisch erzählt, sondern poetisch, und dass er dennoch mit seiner Verbindung aus Wahrheit und Fiktion auch einen historiographischen Anspruch erhebt.2 Zwar wurde hierzu schon viel geschrieben, trotzdem (oder gerade deswegen) hat jeder Lucan-Leser aufs Neue zu erklären, welche Dimensio­nen des Geschichtlichen in welcher Weise für die Deutung des Gedichts herangezogen werden sollen. Bei der Analyse von Lucans Georgica-Anspielungen geht es um einen Aspekt dichterischer Technik. Hier ist meines Erachtens nicht in erster Linie nach dem konkreten Geschichtsbild des Autors zu fragen, auch eine ›Entschlüsselung‹ des Werks als Abbild der neronischen Gegenwart muss nicht versucht werden. Lucans poetisches Raffinement legt allerdings nahe, auf die Geschichtlichkeit der Literatur selbst bzw. der literarischen Kultur zu schauen. Für eine Untersuchung zur Georgica-Rezeption ist das aus drei eng zusammenhängenden Gründen notwendig: erstens, weil Vergils Ascraeum carmen selbst eine wichtige literarhistorische Dimension hat, zweitens, weil das Bellum Ciuile in gewisser Weise ein ›Prequel‹ der Georgica ist, also rückblickend Prozesse und Personen einer Zeit darstellt, in der die Lehren des Lehrgedichts noch nicht formuliert waren, und drittens, weil es aufschlussreich ist, die komplexe Intertextualität des Bellum Ciuile chronologisch zu betrachten. Ich versuche daher, das Epos unter einem narratologischen Gesichtspunkt zu lesen, den ich als ›metapoetischen Realismus‹ bezeichnen möchte. Auch wenn ich damit schon einige Deutungsrichtungen skizziere und manchen meiner Untersuchungen etwas vorgreife, muss ich dies zuerst erklären (1.1). Danach können die Intertextualität des Bellum Ciuile und die Bedeutung der Georgica als Referenztext behandelt werden (1.2).

1.1 Metapoetischer Realismus Die Figuren jeder historischen Erzählung sind nur unter der Prämisse verständlich, dass sie einerseits eigenständige literarische Charaktere sind und doch andererseits von ihren geschichtlichen ›Vorbildern‹ nicht getrennt werden können.3 2 Für zwei aktuelle Beiträge hierzu cf. Blaschka (2015), 9–12; Kimmerle (2015), 2–8. 3 Cf. z. B. die theoretische Unterscheidung der fünf Darstellungsarten historischer Dichtung bei Klemperer (1923), 371: »Der Erzählende kann 1. unverknüpft berichten, was er an Tatsachen weiß und für Tatsachen hält, 2. die Dinge auf ihre Tatsächlichkeit prüfen, 3. nach ihren Gründen und Zusammenhängen suchen, 4. sie gestalten und besee­len, 5. sie zum Zweck einer irgendwie belehrenden Wirkung wiedergeben.« Die vierte Darstellungsart komme al­ ler­dings, sofern es sich um Literatur handele, immer zur Wirkung.

Metapoetischer Realismus

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Im Bellum Ciuile wird das besonders deutlich an Caesar, und zwar in besonders paradoxer Weise: Caesars Handlungen, die jedes Erzählen vom Bürgerkrieg überhaupt erst möglich gemacht haben, sind Thema eines ambitionierten, seine eigene Existenz kaum bedauernden Gedichtes, das ebendiese Handlungen verurteilt und besagt, dass es den Bürgerkrieg, seinen Gegenstand, nie hätte geben dürfen.4 Caesar wäre sozusagen besser nicht Caesar gewesen. Caesar erscheint im Bellum Ciuile sowohl als die Verkörperung unrechtmäßiger Gewalt als auch als der uir Fortunae, der mit dem, was er tut, dauerhaften Erfolg haben wird. Der Erzähler beklagt, dass Caesar die römische Freiheit beseitigt, und gleichzeitig redet er Nero, den kaiserlichen Widmungsträger, mit ebendiesem Namen an. Oft werden Caesar und seine Gefolgsleute verdammt,5 und dennoch heißt es zu Anfang: uictrix causa deis placuit (1, 128). Caesar ist unbestreitbar die Hauptfigur des Werkes.6 Die bedeutende metapoetische Aussage, die gegen Ende des neunten Buches in die Erzählung eingefügt ist, richtet sich nicht ohne Grund an ihn (9, 980–986):7 8 o sacer et magnus uatum labor! omnia fato 980 eripis et populis donas mortalibus aeuum. inuidia sacrae, Caesar, ne tangere famae; nam, si quid Latiis fas est promittere Musis, quantum Zmyrnaei durabunt uatis honores, uenturi me teque legent; Pharsalia nostra985 uiuet; et a nullo tenebris damnabimur aeuo.

Heiliges, großes Bemühen der Dichter! Alles entreißt du seinem Schicksal; sterblichen Völkern verleihst du Dauer. Sei nicht neidisch auf den heiligen Ruhm, Caesar. Denn wenn es Lateinischen Musen erlaubt ist, etwas zu versprechen, werden, solange der Ruhm des Sängers aus Smyrna dauert, kommende Generationen dich und mich lesen: Unsere Pharsalia wird leben, und keine Epoche wird uns ins Dunkel verbannen.8

Insofern Lucans Caesar gelesen und immer wieder gelesen wird, kann und soll er mit dem verglichen werden, was die römische Literatur im Nacheifern Homers hervorgebracht hat. Man denkt vor allem an Aeneas. Exemplarisch für alle anderen Personen des Bellum Ciuile ist Caesar eine literarische, literarisch zu würdigende Gestalt.9 Für die Leser kommt das nach neun anspielungsreichen Büchern sicher nicht unerwartet. Auffällig kompliziert ist allerdings die genaue 4 Hierzu cf. z. B. Ambühl (2015), 287: der Erzähler als tragischer Bote. 5 Cf. 4, 182 ff.; 5, 310 ff.; 7, 455 ff.; 796 ff. 9, 1046 ff. 6 Cf. Thierfelder (1935/1970), 63; Haffter (1957), 126 und Henderson (1987/2010), 438: »Caesar-Epos«. 7 Hierzu cf. Ahl (1976), 209–222; Johnson (1987), 118–123; Zwierlein (1986); Schrijvers (1990); Eigler (2005); Tesoriero (2005); Joseph (2017). Für einen Überblick über die verschiedenen Forschungsmeinungen zu der Passage cf. Wick (2004b), 416–420; Ambühl (2015), 337–355; zur Tradition von ›Caesar-Dichtungen‹ cf. Walde (2006), 47 f. 8 Alle Übersetzungen stammen, soweit nicht anders angegeben, vom Verfasser. 9 Heitland (1887), cxxv denkt an Verg. Aen. 9, 446 f. Zu Caesar und Achill cf. von Albrecht (1970), 272–277; Lausberg (1985), 1583–1589; Christophorou (2010).

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Einleitung

Bestimmung der Apostrophe. Soll die Rede vom Ruhm den fiktiven lucanischen Caesar im Moment seines ebenso fiktiven Troiabesuchs betreffen oder, über die Fiktion hinaus, den wirklichen Caesar, der seit 42 göttlich und sowohl durch die eigenen als auch durch die Werke eines Livius oder Pollio bereits ›unsterblich‹ ist? Dient Lucan die Stelle zur Werbung für das eigene Gedicht oder dazu, den »im Leben Siegreichen«, wie Andreas Thierfelder das Bellum Ciuile zusammengefasst hat, »nachträglich mit erbitterter Feindschaft und Rachsucht« zu verfolgen?10 Auch Alexander soll bedauert haben, nicht von einem Homer besungen worden zu sein.11 Wie dieser will Lucans Caesar sein eigenes Epos, weil er anscheinend genau weiß, was es bedeutet, im Gedicht verewigt zu werden. Der Erzähler motiviert diesen Gedanken ein paar Verse vorher, als er über Heldengräber spricht und hier durch Caesar fokalisiert: multum debentis uatibus umbras (9, 963). Anders als Alexander preist Caesar aber nicht nur die Gepriesenen glücklich, sondern scheint Neid zu empfinden. Die auktoriale Aufforderung ne […] tangere inuidia wird gerade in dem Augenblick formuliert, als Caesar durch einen anonymen monstrator nur knapp daran gehindert worden ist, Hektors Grab und den Altar des Ζεὺς Ἑρκεῖος mit Füßen zu treten (976 ff.). Lucan platziert also die Apostrophe, nachdem er Caesar solchermaßen ›missgünstig‹ durch die Erinnerungsstätten hat gehen lassen. So, wie der Neid zurückgewiesen wird, ist Caesar als jemand angesprochen, der die Macht hat oder beansprucht, literarischen Ruhm durch inuidia zu beschneiden. Der metaliterarische Topos, das eigene Werk vor dem Neid der anderen zu beschützen,12 ist damit an entscheidender Stelle abgewandelt: Lucan verteidigt, wenigstens scheinbar, nicht sein Gedicht, sondern er verteidigt Homer und Vergil gegen einen Caesar, der über die Ruinen Troias trampelt. Caesar ist nicht erst durch das Bellum Ciuile unsterblich, aber wie er es ist, mit positivem oder negativem Ruhm, daran fordert das Gedicht Anteil. ›Unsere Pharsalia‹: Wenn man diese Worte so versteht, als habe er an dem Bürgerkriegsepos auf irgendeine Weise mitgearbeitet,13 dann ist Caesar mehr als bloß die fiktionale Person im festgesetzten Rahmen einer historiographischen Erzählung. Und ein Urteil über ihn ist dann mit einem 10 Thierfelder (1935/1970), 63. 11 Cic. Arch. 24: ›O fortunate‹ inquit ›adulescens, qui tuae uirtutis Homerum praeconem inueneris!‹; ähnlich Plut. Alex. 15, 8 f. Dazu cf. Zwierlein (1986); Wick (2004b) ad Lucan. 9, 962 f./982 f.; Kimmerle (2015), 30–50. 12 Cf. Pind. O. 8, 55; Call. hymn. 2, 105 ff.; Hor. carm. 3, 20, 4; Prop. 3, 1, 21; Lucan. 9, 359 f.; Sil. 4, 400; Tac. dial. 23, 6. Insbesondere kann inuidia auch ein Charakteristikum des Bürgerkrieges sein, cf. Lucr. 5, 1120 ff.; Verg. georg. 3, 37 (hier sowohl poetisch als politisch zu verstehen). Zur übergreifenden Bedeutung von inuidia für das Bellum Ciuile cf. Easton (2011). 13 Dafür, dass Lucan das Epos Pharsalia genannt habe, gibt es bekanntlich keine antiken Zeugnisse, cf. Wick (2004b) ad loc. Im Gegensatz zu 1, 38 oder 7, 408 scheint hier aber, jedenfalls im weiteren Sinne, auch das Werk gemeint zu sein.

Metapoetischer Realismus

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Urteil über den historischen Menschen (und Autor) Caesar verbunden.14 Das bedeutet aber weder, dass man Lucans Caesar deswegen historisch zu beurteilen hätte, noch dass ein Urteil tatsächlich erschöpfend und über das Epos hinaus für den historischen Caesar gültig sein müsste. Lucan erzählt poetisch, was geschehen sein könnte: οἷα ἂν γένοιτο.15 Der literarische Ruhm Caesars wird eindeutig, quantum durabunt honores (984), an die Existenz der epischen Gattung geknüpft. Caesar zur epischen Figur zu machen, heißt aber auch, ihn epischen Wertmaßstäben zu unterwerfen. Dieser Deutungsanspruch bekunden die Worte me teque legent. Von Caesar, der ja auch heute nicht unumstritten ist, können leicht die verschiedensten Caesar-Bilder gezeichnet werden.16 Aber wie immer Lucans Leser den lucanischen Caesar sehen, können sie doch von ihrer Einschätzung auch sich selbst bzw. ihre Gegenwart betroffen fühlen – vielleicht mehr, als dies bei einer mythischen oder erfundenen Figur der Fall wäre. Quintilians berühmte Bemerkung, Lucans agitativer Stil solle mehr von Rednern als von Dichtern imitiert werden (inst. or. 10, 90), lässt sich mit dieser Beobachtung gut verbinden. Diese nicht immer entwirrbare Vermischung der narrativen Ebenen des Gedichts (bzw. der Welten, in denen und von denen erzählt wird) und die in der jüngeren Vergangenheit angesiedelte Eposhandlung eröffnen einen besonderen hermeneutischen Zugang zum Bellum Ciuile.17 Caesar, der das Epos seiner Taten an der Stelle der alten großen Erzählungen wissen will, steht hierfür exemplarisch: Lucans Leser können auf Grund ihrer eigenen literarischen Erfahrungen bzw. auf Grund ihrer historischen Kenntnisse annehmen  – und zwar ohne damit einen logischen Bruch zwischen den Erzählebenen zu provozieren –, dass die handelnden Personen des Bellum Ciuile selbst Leser oder, wie im Fall 14 Cf. Housman (21927) ad loc.: »proelium a te gestum, a me scriptum«; für einen Überblick über die verschiedenen Deutungen der Stelle cf. Ambühl (2015), 338 No. 132. – In die Überlegungen zur Rivalität zwischen den beiden Autoren einer Bürgerkriegsdarstellung ist noch einzubeziehen, dass Caesars poetische Werke in der Tat sämtlich in Vergessenheit geraten sind (weil sie auf Anweisung des Augustus nicht publiziert wurden, cf. Suet. Iul 56; Tac. dial. 21, 6). 15 Wenn die Art, wie Lucan seinen Caesar darstellt, als Verfälschung bzw. Vergewaltigung geschichtlicher Wahr­heit angesehen werden kann, hierzu cf. z. B. Tschiedel (1985), 9 f., so ist folglich auch vorauszusetzen, dass dies jeweils von den Lesern erkannt und für die Interpretation des Werkes berücksichtigt wurde. Zur Anwendung pe­ripatetischer Literaturbegriffe für Lu­cans Werk cf. Rutz (1950/1989), 179–183, zum Problem des Historischen auch Johnson (1987), ix–xiii, 102–104. Zur Dominanz der memoria gegenüber historia bei Lucan: Gowing (2005), 82–84; Thorne (2010); Bureau (2010). 16 Zu Ciceros Kritik an Caesar cf. z. B. Strasburger (1990); zum Caesarbild in der Kaiserzeit Donié (1996); speziell zur tiberianischen Zeit Wiegand (2013), 169–173. 17 Zu narrativen Ebenen cf. Genette (1972/1994), 162 f., zur Veranschaulichung werden oft vertikale Begriffe ver­wendet; zumeist verortet man, allerdings im Gegensatz zu Genettes Konzeption, die verschiedenen Ebenen, in denen eine Erzählung erzählt wird, unterhalb der Diskursebene, hierzu cf. Nauta (2013a), 230 f.

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Einleitung

­ aesars oder Ciceros, auch selbst Autoren gewesen sind. Lucans Figuren lassen C sich damit im doppelten Sinne als Teil einer literarischen Kultur betrachten, als Personen der Literatur und als Personen, die mit Literatur umgehen. Dies ist folgenreich: Das Bellum Ciuile ist, so gesehen, nicht nur ein Gedicht über Geschichte, sondern auch ein Gedicht über die Geschichte von Dichtung. Als ›metapoetischen Realismus‹ möchte ich demgemäß die direkte oder indirekte Präsenz von literarischer Kultur auf der Ebene der Eposhandlung verstehen; das betrifft sowohl Texte, Narrative und Motive als auch literarische Praktiken und literarische Akteure.18 Metapoetischer Realismus ist in den meisten Gattungen ganz selbstverständlich. Literarische Kultur kann hier so dargestellt und behandelt werden, als ob sie Autor und intendierte Rezipienten in gleicher Weise beträfe wie die fiktiven Personen innerhalb eines Werks.19 Wenn die Charaktere der Komödien Menanders anscheinend regelmäßig Tragödien im Theater sehen, so hat das als metapoetisches Spiel mit der dramatischen Illusion sogar eine zentrale Bedeutung.20 Aber die Wirkung literarischer Selbstreferentialität muss nicht schlechthin komisch oder satirisch sein; auch Historiker und Biographen reflektieren ihre eigene literarische Kultur. Von Pompeius wurde beispielsweise erzählt, dass er vor einer Schlacht stets das Λ der Ilias gelesen habe; seine Soldaten hätten ihn zudem Agamemnon genannt.21 Und der Scipio des Polybios hat vor Karthago den Vers ἔσσεται ἦμαρ … zitiert.22 Das Epos scheint hier eher eine Ausnahme zu sein. Vor allem dort, wo es die fiktionale Welt einer ›vorliterarischen‹ Zeit kaum nachprüfbar selbst erschafft,23 ist eine derartig offene literarische Referentialität erzähllogisch unmöglich. Der homerische Achill hat zwar von Helden gehört bzw. gesungen,24 und Odysseus wird selbst zum Erzähler der eigenen Erlebnisse. Aber wenn man die Annahme macht, dass Aeneas die attischen Tragödien kennt, so ist das chronologisch 18 Ob und inwiefern das Bellum Ciuile in noch anderer Weise ein ›realistisches‹ Gedicht ist (etwa in Hinsicht auf sachliche Richtigkeiten, historische Erklärungen oder Sprachgebrauch), soll hiervon unberührt bleiben. 19 Für die römische Literatur cf. z. B. Catull. 14; Hor. carm. 1, 6; 2, 1; epod. 8, 15 ff.; serm. 1, 4; epist. 1, 2; Prop. 1, 7; Ov. trist. 4, 10; Pont. 4, 2. 20 Cf. Gutzwiller (2000). 21 Cf. Lausberg (1985), 1577 f. No. 51/52 mit App. civ. 2, 67; Plut. Pomp. 67, 5; Ptolemaios Chennos Καινὴ ἱστορία = Photios 151a; Leigh (2009), 242 mit Cic. Att. 7, 1, 2; Cass. Dio 42, 5, 3–5. Zu Ciceros Umgang mit Pompeius’ Na­ch­a hmung Agamemnons cf. Behrendt (2013), 90–91. 22 Hom. Δ 164; Ζ 448; cf. Polyb. 38, 22. Hierzu Lausberg (1985), 1587; Ambühl (2010), 20. 23 Cf. Liv. praef. 6: quae ante conditam condendamue urbem poeticis magis decora fabulis quam incorruptis rerum gestarum monumentis traduntur, ea nec adfirmare nec refellere in animo est. datur haec uenia antiquitati ut mis­cendo humana diuinis primordia urbium augustiora faciat. 24 Cf. Ι 189. Für einen allgemein paradigmatischen Mythos cf. z. B. Ω 602 ff.

Metapoetischer Realismus

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para­dox.25 Im mythologischen Epos gibt es keine kodifizierte Literatur oder gar Literaten. Anders in Lucans historischem Epos, das von Ereignissen aus dem ersten Jahrhundert vor der Zeitenwende handelt. Hier können die Figuren eben nicht nur allgemein frühere, mythische Helden kennen, sondern – realistischerweise – die Figuren ganz bestimmter literarischer Werke, die auch mit bestimmten politischen Interpretationen zusammenhängen und eine bestimmte exemplarische Bedeutung haben können.26 Lucan hat diese Art von Anspielungen nicht erfunden (schon bei Ennius und bei Ovid lässt sich Ähnliches beobachten27), aber er nutzt das darin liegende Potential in besonderer Weise aus. Vor allem die Literatur vom Krieg ist für das Bellum Ciuile im Ganzen als bedeutend ausgewiesen. Annemarie Ambühl hat diesbezüglich auf die Ilioupersis als wichtiges Narrativ aufmerksam gemacht: »Lucan turns intertextual memory into character memory.«28 Diese ›Umwandlung‹ ist hochgradig symbolisch und sie betrifft gleichermaßen die Referenztexte als Teil einer kollektiven Erinnerung wie die Notwendigkeit, Erinnerung literarisch zu betreiben und zu erneuern.29 In ähnlicher Weise hat Alfredo Casamento auf das Phänomen aufmerksam gemacht, das mit dem augustinischen Begriff der concatenatio gefasst werden kann: die Fortsetzung des Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla durch Caesar und ­Pompeius. Historische (und literarische) Konfigurationen wiederholen sich

25 Cf. die berühmte Stelle Aen. 2, 324 ff. mit Eur. Troad. 581; ähnlich Aen. 4, 471: aut Agamemnonius scaenis agi­tatus Orestes; allgemein Nauta (2013a), 223–230. 26 Insofern die direkte oder indirekte Darstellung literarischer Praktiken ein vornehmlich schmückendes Detail der Erzählung ausmachen kann, ließe sich metapoetischer Realis­mus als eine Spielart des »effet de réel« begreifen, cf. Barthes (1968). Sofern aber metapoetischer Realismus literarische Selbstreferentialität und die folgenreiche Bewertung von Referenztexten betrifft, ist er Teil eines größeren intertextuellen Phänomens; sein narratologisches Gegenstück ist hierbei die Metalepse im Sinne Genettes, dazu siehe auch unten, 19.  27 Neben der Rolle Homers für die Annalen cf. Enn. ann. 213 ff. V = 206 ff. Sk: scripsere alii  …; 234 ff. V = 268 ff. Sk [der amicus des Servilius]; 268 ff. V = 248 ff. Sk [das Bild des Krieges], dazu cf. Häußler (1976), 178–193; Ov. met. 15, 435 ff. [Pythagoras, der hier ein Zeitgenosse Numas zu sein scheint, ›erinnert‹ sich – weil er davon gehört oder gelesen hat? – an die Flucht des Aeneas aus Troia]: sic dicere uates | faticinasque ferunt sortes, quantumque re­ cordor, | Priamides Helenus … dixerat Aeneae … Das chronologische Problem der Zeitgenossenschaft von Nu­ma und Pythagoras, das Ovid fiktiv aufhebt, ist bereits in der Antike diskutiert worden, cf. Cic. rep. 2, 28; Deremetz (2013), 234. Auch in Silius’ Punica, dem ersten wieder greifbaren historischen Epos nach Lucan, gibt es metapoetischen Rea­lismus: Der Dichter Ennius tritt als handelnde und in griechischer Literatur bewanderte Person auf (Sil. 12, 387), während der Nekyia sieht Scipio die Seele Homers (13, 778), und die homerischen Gedichte sind den Handelnden bekannt (4, 94; 15, 274 ff.). 28 Ambühl (2010), 37. 29 Zu diesem Phänomen, besonders in Hinsicht auf die augusteische Literatur cf. Schwind (2013).

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dabei desto eindringlicher,30 wenn die Protagonisten sich dieser Wiederholung auch bewusst sind. Im Bellum Ciuile wird, wie auch in anderer epischer Dichtung, insbesondere der Aeneis, die Gegenwart vermittels eines bestimmten Blicks auf die Vergangenheit zu deuten versucht.31 Anders als bei der Aeneis sind aber für die Leser des Bellum Ciuile die Zeiten, von denen erzählt wird, noch nicht lange vergangen. Kulturelle, namentlich literarische Abhängigkeit und die spezifische Stellung von Literatur in der Gesellschaft fallen für die Welt, von der Lucan erzählt, weit mehr ins Gewicht als für die Welt des Aeneas. Am Auftreten Ciceros im siebten Buch beispielsweise ist nicht interessant, dass dieser ›in Wahrheit‹ nicht in Pharsalos war und dort zur Schlacht aufgerufen hat, sondern dass er vom Erzähler als Romani maximus auctor eloquii (7, 62 f.) vorgestellt wird, der sich den Frieden und das Forum zurückwünscht und daher der schwächeren Sache Kraft verleihen will (67).32 Er ist nicht nur ein charakteristischer Vertreter der Senatsaristokratie, die ebenso ohnmächtig und stolz ist wie ihr Anführer Pompeius. Cicero steht als orator, der zum unvermeidlichen und kaum aussichtsreichen Kampf raten muss, insbesondere für die republikanische Rhetorik, ihr Vermögen und Unvermögen.33 In seiner eigenartigen Entschlossenheit, die tatsächlich den unmittelbaren Anstoß für die katastrophale Entscheidungsschlacht gibt, erscheint dieser Cicero geradezu tragisch (oder, je nachdem, komisch), und man muss fragen, ob er, ähnlich wie sein historisches Vorbild, sich dessen nicht auch irgendwie bewusst ist.34 Für das Bellum Ciuile ist es aber nicht ausschlaggebend, dass Cicero die verhängnisvolle Forderung stellt,35 sondern wie er das tut. Es 30 Cf. Casamento (2005), bes. 19–58 mit Aug. civ. 3, 29 f. 31 Charakteristisch ist Servius’ Erklärung per transitum historiam tangere (Serv. Aen. 1, 382) bzw. historiam miscere (Serv. Aen. 6, 69). Zur diesbezüglichen Stellung Lucans in der Nachfolge Vergils cf. Leigh (1997), 1–40; 307–329, bes. 20 f. 32 Cf. Stanford (1980), 24 f.; Ahl (1976), 162. 33 Zu Cicero als Symbol in nachaugusteischer Zeit cf. Wiegand (2013), bes. 130 f. 34 Man hat in Lucans Cicero eine Karikatur sehen wollen, cf. Malcovati (1953); Narducci (2003a). Dagegen z. B. Rambaud (1955), 263–266; Ahl (1976), 162 No. 29; Rolim de Moura (2010b), 74–76; Fucecchi (2011), 239 f. Gegen eine ausschließlich karikierende Absicht spricht auch die Bedeutung ciceronischer Philosophie für das Bellum Ciuile, cf. Leigh (2016). Zwar ist es schwierig einzuschätzen, ob und inwiefern Lucan Ciceros Korrespondenz gekannt hat, cf. Casamento (2005), 50. Dass er aber Ciceros Atticus-Briefe, aus denen Seneca immerhin direkt zitiert (epist. 97, 4), kannte, ist oft vermutet worden. Galli (2015), 79 zieht daher Cic. Att. 8, 14, 2 als wichtigen Referenztext in Betracht: nec me Hercule laudandos ex­is­ti­mo qui trans mare belli parandi causa profecti sunt – quamquam haec ferenda non erant –, uideo enim quantum id bellum et quam pestiferum futurum sit; sed me mouet unus uir cuius fugientis comes, rem publicam reciperantis socius uideor esse debere. ›totiensne igitur sententiam mutas?‹ ego tecum tamquam mecum loquor. quis autem est tanta quidem de re quin uarie secum ipse disputet? simul et elicere cupio sententiam tuam, si manet, ut firmior sim, si mutata est, ut tibi adsentiar. 35 Ciceros Rat ist nicht schlechthin ›falsch‹, wie z. B. Glaesser (1984), 121–125 meint; Pompeius wird kaum dadurch entschuldigt, dass er gedrängt werden muss. Es scheint auf die Unvermeidbarkeit des Entscheidungskampfes an­zukommen, den alle herbeisehnen und doch

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geht nicht darum, ob er den Beginn der Schlacht wirklich will oder gutheißt. Der ­pater patriae gebraucht in dieser unkomfortablen Situation seine Redekunst dafür, den angesichts der persönlichen Gefahr nun zögerlichen Pompeius (52 ff.) an die Vorgeschichte zu erinnern (73), und dafür, das Dilemma des Bürgerkrieges eindringlich zu benennen: ›Bring es über dich, deinen Schwiegervater zu besiegen‹ (71).36 Cicero appelliert nicht etwa an Pompeius als den einzig möglichen Verteidiger der Freiheit oder des Friedens. Er verlangt von dem General, der so oft als König der Könige aufgetreten ist, nun ein letztes Mal zu siegen – zugunsten der von ihm so schlecht geschützten, in den Bürgerkrieg gestürzten Republik. Einem Schuldigen wird so die Schuld aufgedrängt, die er doch nicht ganz allein hat. Pompeius gibt daraufhin die geforderten Befehle, aber er gibt sie seufzend und widerwillig; er hätte gern die Verantwortung abgegeben (91 ff.). Auch für die Leser dürfte die Rede des lucanischen Cicero unbehaglich sein; zeigt sie doch, dass es unmöglich ist, sich aus Überzeugung für eine der beiden Seiten zu entscheiden, und ebenso unmöglich, sich nicht zu entscheiden. Eine andere Dimension des metapoetischen Realismus liegt vor, wenn Pompeius mehrfach als der Erbauer eines Theaters dargestellt wird (1, 132 f.; 7, 9 ff.). Dies sagt nicht nur etwas über die Methode seiner Propaganda, sondern auch etwas über das Theater als literarische Institution, sei es, dass sich hier Hochkultur, sei es, dass sich Sittenverfall ereignet. Für Lucans Pompeius ist jedoch nur wichtig, in dem Theater akklamiert zu werden. Was dort gezeigt und gefordert wird, scheint ihn nicht wirklich zu interessieren.37 Die komplexe Intertextualität des Bellum Ciuile, das treffend als ›Summe der Literaturgeschichte‹ charakterisiert worden ist,38 lässt sich mit dem Konzept des metapoetischen Realismus etwas präziser beschreiben und hierarchisieren: Man könnte vielleicht vereinfachend sagen, dass eine ›äußere‹ Intertextualität realisnicht verantworten wollen: Die Verse 7, 58–61 sind dunkel: hoc placet, o superi, cum uobis uertere cuncta | propositum, nostris erroribus addere crimen? | cladibus inruimus nocituraque poscimus arma; | in Pompeianis uotum est Pharsalia castris. Ist das Verbrechen der Schlacht oder das Verbrechen der Feigheit gemeint? Es ist nicht zu entscheiden. 36 Ciceros später formulierte ›Apologie‹, fam. 7, 3, steht hierzu nur scheinbar im Widerspruch. Auch Lucans Cicero könnte sagen nihil boni praeter causam. Interessant ist ferner das Bewusstsein des Tragischen, das der historische Cicero im Brief mittels eines Zitates zum Ausdruck bringt: ubi non sis, qui fueris, non esse, cur uelis uiuere, aber für sich selbst nur teilweise akzeptiert, weil er sich für unschuldig hält, cf. Degl’Innocenti Pierini (1998). Bei Lucan ist ein ganz ähnlicher Gedanke direkt auf Pompeius bezogen, cf. unten 174 ff. Allgemein zur Zitations­praxis in Ciceros Briefen cf. Behrendt (2013). – Nach der Schlacht von Pharsalos hat Cicero den Oberbefehl über die Pompeianer nicht annehmen wollen: Plut. Cic. 39. 37 Cicero scheint die Kulturlosigkeit der dortigen Aufführungen beklagt zu haben: fam. 7, 1, 2 f., cf. Wiseman (2015), 88. Zur Eröffnung des Theaters scheint u. a. die Clutemestra des Accius gespielt worden zu sein. Zu deren didaktischem Potential (das bei der betreffenden Aufführung aber wohl eher ungenutzt blieb) cf. Taylor (2016), 145. 38 Ambühl (2015), 1–11. Zu dem ebenfalls auf Ambühl zurückgehenden Intertextualitätsbegriff, der hier angewendet werden soll, cf. auch unten, 37 ff.

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tischerweise nur von den Lesern auf der Diskursebene wahrgenommen werden kann, eine ›innere‹ hingegen womöglich auch von den handelnden Figuren.39 Man könnte ebenfalls sagen, dass diese äußere Intertextualität in der Erzählung deutlicher markiert ist. Denn während die Leser wörtliche Anspielungen im Erzähltext erkennen können, ist dies für die Figuren auf der Handlungsebene, sofern man dort nicht gerade bewusst zitiert, weniger wahrscheinlich.40 Hier muss in einem weiteren Sinne von der Präsenz und Wirkung von Motiven, Narrativen, rhetorischen Konventionen etc. ausgegangen werden. Diese innere Intertextualität ist insofern ›implizit‹; sie kann zum Gegenstand der Frage werden, was Lucans Figuren kennen und was sie nicht kennen. Für die Leser dürfte auf die innere Intertextualität häufig überhaupt erst durch die äußere hingedeutet sein; beispielsweise durch ›window references‹, wenn zusammen etwa mit einer Vergilanspielung auch deren homerische oder tragische Referenztexte in Betracht kommen.41 Diese könnten dann, wie gesagt, für die Handlungsebene als bedeutend angesehen werden. Diese Abgrenzung von ›außen‹ und ›innen‹ ist zugegebenermaßen sehr sche­ matisierend. Sie soll aber auch nur der Orientierung dienen. Es geht mir um nichts anderes, als zu bemerken, dass für die Lektüre des Bellum Ciuile eine bestimmte, interpretativ bedeutende ›Grenze‹ unmittelbar naheliegt: historisch im Bürgerkrieg, dessen Folgen auf der Handlungsebene noch nicht sichtbar, aber zum Teil zu erahnen sind, und literarhistorisch in der augusteischen Literatur, die auf der Handlungsebene noch nicht existiert, aber den wichtigsten Referenzrahmen für das Epos darstellt. Eine weitere Erklärung ist notwendig. Zwar wird metapoetischer Realismus im Bellum Ciuile gerade dadurch möglich, dass Figuren sowie Situationen ›historisch‹ und nicht ›fiktiv‹ sind. Ein wichtiger Effekt des metapoetischen Realismus ist es jedoch, die Bedeutung der erzählerischen Fiktion erst recht hervorzuheben. Denn das Urteil darüber, was auf der Handlungsebene des Epos realistisch sein könnte, wird von den Lesern retrospektiv gefällt und betrifft insofern die literarischen oder historiographischen Konstruktionen der Rezipien-

39 Diese hier lediglich zur Illustration verwendeten Begriffe stehen nicht in Beziehung zu ähnlich bezeichneten, aber ganz anders gearteten Konzepten wie z. B. der ›externen Intertextualität‹, cf. Zima (1980), 82 f., womit textso­ziologisch die »fiktionale Verarbeitung nichtfiktionaler Texte« gemeint ist, das heißt »der Soziolekte und Dis­kurse«. 40 Zwei Fälle verdienen allerdings Beachtung: Amyclas scheint aus den Phainomena des Arat zu zitieren, genauer gesagt aus Ciceros lateinischer Übersetzung (cf. unten 142 f.), und Cato verwendet die berühmte cicero­nische Junktur arma togae, cf. Cic. Pis. 72 f.; Phil. 2, 20; off. 1, 77. Zur Markierung von Intertextualität cf. Helbig (1996); zur Anwendung dieser Theorie auf Fragestellungen der Klassischen Philologie cf. Behrendt (2013), 40–46; Groß (2013), 37–39. 41 Zu diesem Phänomen cf. Hutchinson (2013), 329–333.

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ten.42 Wenn es auch scheint, dass Lucan Wert darauf legt, kulturell ansprechbare und verantwortliche Charaktere darzustellen, so ist doch nicht anzunehmen, dass er die Absicht gehabt hätte, ein möglichst wahrheitsgetreues Bild der kulturellen Situation der frühen Vierziger Jahre zu entwerfen. Es geht hier also nicht um ›Realismus‹ im engeren Sinne, nicht darum, welche Beziehung Cato und Caesar zu gewissen Texten in ihrer Zeit ›wirklich‹ haben konnten, sondern darum, dass sich die dargestellte Handlung nicht in einem kulturell leeren Raum vollzieht, also dass die Personen, wie im wahren Leben, nicht ohne literarische Erfahrungen handeln. Für Lucans Leser führt dies dazu, rückblickend zu fragen, welche Bedeutung gewisse Texte im Bürgerkrieg haben könnten. Gemäß der Gattung des Bellum Ciuile liegt es nahe, insbesondere poetische Referenztexte in Betracht zu ziehen. Die Annahme, dass Lucans Figuren innerhalb der Handlung gewisse literarische Paradigmata in ähnlicher Weise wie die Leser der Erzählung erkennen könnten oder sogar müssten, korrespondiert mit einer gleichermaßen unrealistischen wie hyperrealistischen Wirkung des Gedichts, nämlich der Metalepse: Figuren und Leser, die getrennten Welten angehören, werden beständig parallelisiert und beständig adressiert. Mit der Frage quis furor, o ciues (1, 8) ist dieser Effekt programmatisch an den Anfang des Werks gestellt; sowohl Leser als Figuren sind Bürger.43 Das im Bellum Ciuile Erzählte erscheint, wie Matthew Leigh gezeigt hat, oft unmittelbar und geradezu theatralisch präsent, so dass Lucans Leser in die Handlung gewissermaßen hineingezogen werden – mit dem immer wiederkehrenden illusionistischen Effekt, dass das Geschehene nicht als geschehen erscheint, sondern als noch zu ändern. Dies lässt sich aber auch von der anderen Seite betrachten: Die Figuren treten aus der Handlung heraus, begegnen den Lesern von gleich zu gleich, als gebildete Römer, für die ähnliche, nicht aber (sozusagen: noch nicht) dieselben kulturellen Standards gelten. Für die Leser wird sichtbar, wie die Figuren ihre eigene Geschichte erleben, während sie gerade geschrieben und kommentiert wird. Auch sichtbar wird, dass die Figuren – wie wiederum die Leser in ihrer eigenen Gegenwart – ahnen müssen, bald einmal ›gelesen‹ zu werden. In der Apostrophe an Caesar ist das, wie gesagt, explizit: uenturi me teque legent (9, 985).44 Die sich zwischen allen Welten befindende 42 Insofern stehen die seit langem gesehenen kaiserzeitlichen Anachronismen, cf. Grimal (1970), dem metapoeti­schen Realismus nicht notwendig entgegen. 43 Zur Metalepse und zur Anwendung des Begriffes für die Klassische Philologie cf. Nauta (2013a), 230 f. mit Bezug auf Genette: »any intrusion by the extradiegetic narrator or narratee into the diegetic universe (or by diegetic cha­racters into a metadiegetic universe, etc.) or the inverse«; darüber hinaus Nauta (2013b); Döpp (2013); de Jong (2014), 41 f.; in Bezug auf Lucan cf. Rolim de Moura (2010b), 89 f. 44 Die Metapher vom Welttheater, die schon in der Antike gebraucht wurde, reflektiert das Bewusstsein, sich vor dem Hintergrund der eigenen literarischen Kultur zu sehen bzw. gesehen zu werden, cf. Cic. Cato 70; Sen. epist. 80, 7; dial. 1, 2, 9; Suet. Aug. 99.

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Erzählerinstanz des Bellum Ciuile scheint damit den metapoetischen Realismus des Gedichts durchaus zu befördern und den Lesern als relevanten Gesichtspunkt anzubieten.45 Ich werde also, um es noch einmal prägnant zu fassen, die interpretatorische Annahme zulassen, dass die Personen des Bellum Ciuile gewisse Texte, Narrative oder Motive als Teil ihrer Lebensrealität empfinden, zu denen auch ihre ›Vorbilder‹ irgendeine Beziehung gehabt haben könnten.46 Diese Annahme kann von Einzelheiten und direkten Anspielungen ausgehen, aber auch übergreifende Zusammenhänge betreffen. Um Vollständigkeit kann es hierbei nicht gehen. Aber die Frage, wie Lucans Figuren mit ihrer literarischen Kultur umgehen, kann dennoch zur exegetischen Leitlinie werden. Drei Beispiele sollen das knapp andeuten: (1) Ein Referenztext, der als allgemeiner Bezugsrahmen den Figuren des Bellum Ciuile bekannt gewesen sein könnte, ist das Lehrgedicht des Lukrez. Lucan zeigt die Bürgerkriegsteilnehmer, für die die Nichtigkeit irdischen Besitzes offensichtlich keine Bedeutung hat, gerade in dem historischen Moment – wenn Gregory Hutchinsons Datierung richtig ist47 –, als Lukrez sich mit epikureischer Philosophie gegen die Bürgerkriegsmentalität wendet. Die Veröffentlichung des Textes würde, so gesehen, zur Hintergrundhandlung des Bellum Ciuile gehören; Lucans epische Figuren gehören zu dem Publikum, das Lukrez anspricht  – und zwar, darin seinerseits realistisch, oft mit Blick auf dessen literarische Erfahrungen.48 Es scheint durchaus, als seien Lucans Protagonisten mit dem Inhalt des Lehrgedichts vertraut: Caesar agiert als furchtloser Waldfrevler, der weiß, dass sich

45 Zum lucanischen Erzähler cf. Masters (1992), 87–90; Schlonski (1995); Nickau (2003); Kimmerle (2015). Zum Verhältnis des Erzählers zu den Figuren (und auch zu den Lesern des Gedichts) cf. Ormand (1994); D’Alessandro Behr (2007), passim, bes. 5: »characters and the narrator are voices in competition«; Groß (2013), 41–70. Man beachte demgegenüber die traditionelle Verbindung zwischen epischem Erzähler und epischem Helden, cf. Hardie (1993), 99 f.; Erler (2012) hat u. a. mit Verweis auf den Bericht des Aeneas in Aen. 2/3 gezeigt, dass Haltung und Perspektive des lucanischen Erzählers zum Teil derjenigen von intradiegetischen epischen Erzählern gleicht, also solchen Figuren, die nicht musisch inspiriert sind und folglich nicht umfassendes Wissen besitzen (zum Vergleich der Erzählweisen des lucanischen Erzählers und des vergilischen Aeneas lässt sich beispielsweise auch der Ge­brauch der Apostrophen anführen, cf. Aen. 2, 56; 241 f.; 429 f.). Diese Beobachtung ist nicht nur hinsichtlich der philosophischen Konsistenz der Erzählung von Belang, sondern auch für das Verhältnis eines solchen Erzählers zu den übrigen Figuren. 46 Zur Lebensrealität der historischen Personen (wie auch der intendierten Leser) als Grundlage für die Beurteilung der Figuren cf. Thorne (2011) mit Bezug auf die römische Memorialkultur, Bernstein (2011) zum Umgang mit Toten oder Geistern und Santangelo (2015) zu Orakeln und Prophezeiungen. 47 Cf. Hutchinson (2001), für eine Veröffentlichung (oder Neuauflage) zwischen März 49 und August 48. 48 Cf. Taylor (2016).

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die Götter nicht um ihn und seine Bestrafung kümmern werden.49 Pompeius ist von Träumen geängstigt und will doch ungerührt sein, indem er sich sagt: ›aut nihil est sensus animis a morte relictum | aut mors ipsa nihil‹ (3, 39 f.).50 Wenn beide sich auf epikureische Philosophie zu berufen scheinen, wenn beide also womöglich Lukrez gelesen haben und darauf reagieren, wird nicht nur die Frage interessant, warum sie ihn auf ihre Weise verstanden haben. Lucan provoziert auch den Gedanken, dass sich Lukrez’ programmatisch insistierende Worte nam neque nos agere hoc patriai tempore iniquo | possumus aequo animo (1, 41 f.) gerade auf sie beziehen sollten – und didaktisch wirkungslos bleiben. Wenn der Erzähler im Namen der betroffenen Römer nach dem Wirken der Götter fragt (sunt nobis nulla profecto | numina, 7, 445),51 ist überdies einem populären epikureischen Philosophen Ausdruck gegeben. Dies muss freilich auf der Ebene der Handlung anders wirken als für Lucans Leser, die mit den Georgica eine folgenreiche Reaktion auf die lukrezische Religionsphilosophie kennen. (2) Lucans Libyen ist, wie man seit langem gesehen hat, ein ›literarischer Ort‹.52 Die beiden großen mythologischen Exkurse im Bellum Ciuile, die Sage vom Sieg des Hercules über Antaeus (4, 591–655) und die Sage über die Entstehung der Schlangen aus dem Blut des abgeschlagenen Medusenhaupts (9, 619–699), sind mit dem Land verbunden. Auffällig ist zudem die metapoetische Bemerkung, die der Erzähler über den Tritonischen See und den dort gemäß epischer Tradition gelegenen Garten der Hesperiden macht: inuidus, annoso qui famam derogat aeuo, | qui uates ad uera uocat (9, 359 f.).53 Ein tatsächlich sagenhaftes Land ist Lucans Libyen, in dem Curio und Cato ihre Niederlage erleiden, zwar nicht (jedenfalls ereignet sich dort nichts Sagenhaftes), dennoch scheint es für das Handeln der Charaktere bedeutend zu sein, was bzw. in welcher Weise über das Land erzählt wurde. Curio hört die Antaeuserzählung von einem Libyer, der ausführlich über Hercules berichtet und dann nur knapp (und man könnte meinen, nur aus Höflichkeit dem Römer gegenüber) hinzufügt, dass der Sieg des Scipio das Land noch viel berühmter gemacht habe (4, 656–660). Für Curio, der Scipios Ruhm durch das historische Epos des Ennius kennen bzw. damit in Verbindung bringen dürfte,54 ist Letzteres freilich 49 Cf. unten 61 ff. 50 Cf. Hunink (1992) ad loc. mit Lucr. 3, 830: nil igitur mors est ad nos neque pertinet hilum; Earnshaw (2013) mit Lucan. 3, 8 ff.; überdies Walde (2001), 389–399; Schrijvers (2005), 36–39 zur Mehrfacherklärung. 51 Hierzu cf. unten 58 f.; 248 ff. 52 Cf. Ambühl (2015), 137–144. 53 Zu diesem Vers und seiner Stellung im Bellum Ciuile ist viel geschrieben worden, cf. Ahl (1976), 260 f.; Batinski (1991); de Nadaï (2000), 57–59; Wick (2004b) ad loc.; Easton (2011); Fratantuono (2012), 365; Ambühl (2015), 58. 54 Dass Curio seine Unglückszelte an dem Ort aufschlägt, wo Hercules und Scipio gesiegt haben, und ihn so ent­weiht, wird mit besonderem epischen Prunk erzählt; Vers- und Gedankenenden fallen zusammen, Alliterationen sind verwendet: ›en, ueteris cernis uestigia

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weit interessanter. Er glaubt daran, hier ebenfalls zu siegen: Curio laetatus, tamquam fortuna locorum | bella gerat seruetque ducum sibi fata priorum (661 f.).55 Ein Scipio ist Curio jedoch nicht. Hannibal scheint Scipio vor der Schlacht von Zama an die Unbeständigkeit des Glücks erinnert zu haben. Bei Livius sagt er: ›maximae cuique fortunae minime credendum est‹ (Liv. 30, 30, 18).56 Das EnniusFragment: mortalem summum Fortuna repente | reddidit †summo regno famul †ut †optimus esset (ann. 312 V / Sk) hat man daher als Warnung Hannibals an Scipio verstanden.57 In Lucr. 3, 1034 f. wirkt der Vers als allgemeine Erinnerung an die Sterblichkeit fort: Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror, | ossa dedit terrae proinde ac famul infimus esset. Solcher Überlegungen ist Lucans Curio nicht eingedenk. Ihm, der Rom verkauft hat, bleibt am Ende nur noch der Selbstmord. Ein glückverheißender römischer Erinnerungsort ist aber, so sagt es der Erzähler, durch Curios maßloses Vertrauen entweiht: et collibus abstulit omen (664). Was sich damit im Nach­hinein bestätigt, ist die sentenzhafte Warnung der mythischen Erzählung: ›standum est tibi […] et ultra | non credere solo‹ (646): »Curio failed to learn the lessons of his predecessors.«58 Auch über Lucans schwer verständlichen Cato – ist er das heldenhafte Musterbild eines Tyrannengegners oder ein ohnmächtig an seinen Prinzipien hängender Sonderling?59 – kann das literarische Libyen einige Aufschlüsse geben. ualli‹ (4, 659); felici non fausta loco tentoria ponens | inclusit castris et collibus abstulit omen | sollicitatque feros non aequis uiribus hostis. [inclusit Kortte, cf. Shackleton Bailey (1987), 80 f.; indulsit ΩC] (4, 663). Hat man hier ebenso eine Nachahmung ennianischen Stils zu vermu­ ten wie bei Scaevas Ankündigung: ›uincimus, o socii: ueniet qui uindicet arces | dum morimur‹ (6, 164)? Zu Letzterem cf. Skutsch (1985), 137; Krenkel (1970) ad Lucil. 1339 = 1323 M. Zur Enniusrezeption in der Aristie des Scaeva cf. Conte (1970). Allgemein zu Lucan und Ennius cf. Heitland (1887), cxxviii mit ASL 10, 252; Häußler (1976), 202–210. Asso (2010) sieht konkrete Beziehungen zu Ennius (und dessen Nachwirkung in der epischen Tradition) in 4, 623: fesso de corpore sudor ~ Enn. ann. 435 V = 416 Sk: manat ex omni corpore sudor; 4, 782: stipata membra teruntur ~ Enn. ann. 572 V = 584 Sk: pes premitur pede at armis arma teruntur; 4, 805 uestro de sanguine poenas ~ Enn. ann. 100 V = 95 Sk: nam mi calido dabis sanguine poenas. 55 Für die Leser ist hier zudem die Beziehung zu Ov. met. 4, 565 ff. wirksam: exit | conditor urbe sua, tamquam fortuna locorum, | non sua se premeret. Zum achten Buch der Aeneis als ebenfalls relevantem Referenztext cf. Ahl (1976), 88–99. 56 Der livianische Scipio antwortet: ›quod ad me attinet, et humanae infirmitatis memini et uim fortunae reputo et omnia quaecumque agimus subiecta esse mille casibus scio‹ (Liv. 30, 31, 6). Zu weiteren Warnungen vor Über­heblichkeit cf. Asso (2010) ad loc. Dazu, wie eng Lucan sich an Livius anlehnt, und zwar sowohl an dessen Dar­stellung des Hannibal als auch an die des Curio, cf. Merli (2005). 57 Cf. Skutsch (1985) ad loc. 58 Ahl (1976), 103. Die ›metapoetische Strafe‹ für Curio, der als auctor den Bürgerkrieg ins Werk gesetzt hat (4, 739), ist, dass er aus der Erzählung verschwinden muss und dem Bürgerkrieg nicht weiter zuschauen darf: spec­tandumque tibi bellum ciuile negatum est (804), hierzu cf. Leigh (1997), 291. 59 Zu Cato cf. auch unten 186 ff.

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Der Weg, den er nimmt und auf dem er schließlich in die Syrten gerät, erinnert im Groben an den Marsch, den bei Apollonios die Argonauten unternehmen und der nur erfolgreich ist, weil vor ihnen schon Herakles durch das Land gezogen ist und die Hesperiden beraubt hat.60 Es kann daher so scheinen, als wolle auch Cato auf den Spuren des Herakles wandeln; vielleicht sieht er in ihm den stoischen Weisen,61 vielleicht ist er an einer Auseinandersetzung mit ›epischem‹ Ruhm interessiert. Das, worauf es dem Kommandeur allerdings ausdrücklich ankommt, ist, dass seine Soldaten in Libyen gefährlichen Schlangen begegnen werden (9, 379–406). Er scheint darüber gut informiert zu sein. An der von Dipsas-Schlangen bevölkerten Quelle, an die sich niemand heranwagt, erklärt Cato mit anscheinend überlegenem Wissen, man könne getrost trinken, nur den Biss einer Schlange müsse man fürchten (607–618). Cato trinkt denn auch als erster. Als ›Quelle‹ für dieses Wissen ist gemäß metapoetischem Realismus die Kenntnis einschlägiger Fachschriftsteller anzunehmen.62 Martha Malamud hat allerdings auf die metapoetische Bedeutung des fons hingewiesen und gefragt, ob das, was Cato hieraus schöpft, wirklich so unschädlich ist.63 Für die Leser ist hier das Lehrgedicht des Nikander der maßgebliche Referenztext.64 Entscheidend ist dabei nicht der tatsächliche medizinische Gehalt oder das instruktive Potential der Theriaka (für beides dürften andere Schriften weit bedeutender gewesen sein),65 sondern die allgemeine Dimension des Didaktischen, die Frage nach Umgang mit Wissensbeständen sowohl in ›technischer‹ als auch ›kultureller‹ Hinsicht.66 Insofern kann Nikanders Gedicht gewissermaßen synekdochisch für die iologische Fachschriftstellerei stehen, und man darf fragen, welche ›Rolle‹ es in der Libyenepisode hat. Von zentraler Bedeutung für Lucans Schlangenepisode ist, dass auf den mythologischen  – und vom Erzähler betreffs seines Wahrheitsgehalts ange­

60 Hierzu cf. Leigh (2000a) zu Libyen als literarisch stark bestimmtem Ort; überdies Batinski (1991) zu den epischen Strukturelementen in der Episode. 61 Hierzu cf. Leigh (2000a), 106–109; Raschle (2001), 49–54. 62 Cf. Wick (2004b) ad 9, 614 mit Cels. 5, 27, 3B. 63 Cf. Malamud (2003), 42: »Although Cato states that the spring is harmless, we are never told that he was correct, and the text does not confirm him in his uncharacteristic optimism. In fact, the immediate aftermath of his decision to drink is the attack of the snakes.« Für einen Vergleich der gewissermaßen ungeeigneten schlangenverseuchten ›Quelle‹ verweist Malamud insbesondere auf Lucr. 1, 921 ff. 64 Nikander dürfte nicht der einzige Iologe sein, auf den sich Lucan bezieht, insbesondere Aemilius Macer wird auch eine Rolle gespielt haben, cf. CB 9, 701; Lausberg (1990); Raschle (2001), 60–68; ibid. ad 789–804; Wick (2004b), passim. Dass Lucan sich aber mit Nikander intensiv auseinandergesetzt hat, lässt sich anhand seiner Aus­f ührungen zum Fluss Dipsus vermuten, cf. unten 175 ff. 65 Hierzu cf. Effe (1977), 56–65; Overduin (2010/2015). 66 Cf. Overduin (2014) zum Antibukolischen bei Nikander.

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zweifelten67 – Exkurs über die Schlangenentstehung der offensichtlich minutiös recherchierte Schlangenkatalog folgt (700–733).68 Hierdurch wird nicht nur allgemein auf das schwierige Verhältnis von mythischer und wissenschaftlicher Welterklärung gedeutet. Auch die Frage, worum es Cato in Libyen geht, wird hiermit provoziert: um naturwissenschaftlich begründetes und möglichst erfolgreiches Handeln oder um die heroisch-philosophische ›Inszenierung‹ bzw. ›Rhetorisierung‹ seiner Taten? Als seine Soldaten nacheinander auf schreckliche Weise zu Tode kommen, erklärt Cato nichts mehr. Anstatt etwa eines der vielen von Nikander genannten Heilmittel auszuprobieren und gemäß seinem Diktum me non oracula certum | sed mors certa facit (9, 582 f.) empirisch zu überprüfen, setzt er dem allgemeinen Sterben ganz anders geartete, (popular-)philosophische Lehren entgegen.69 Nachdem Aulus von der Dipsas gebissen wurde, lässt er eilends aufbrechen, damit seine Soldaten nicht lernen, was Durst bedeutet: iussit signa rapi propere Cato: discere nulli | permissum est hoc posse sitim (761 f.). Den anderen Sterbenden gewährt er zwar moralischen Beistand, bleibt dabei jedoch nur ein unbeteiligter Zuschauer und versucht die Lehre aufzustellen, dass Schmerzen nichts Schlimmes sind: spectatorque docet magnos nil posse dolores (889).70  – Cato reagiert auf die Schlangenbisse wie der für seine ἀμηχανία berüchtigte Jason der Argonautika; dort ist die Geschichte von Perseus und dem Medusenhaupt gerade als Begründung dafür angegeben, dass gegen Schlangenbisse keine Heilung besteht – οὐδ᾽ εἰ Παιήων, εἴ μοι θέμις ἀμφαδὸν εἰπεῖν, | φαρμάσσοι (Ap. Rh. 4, 1511 f.). Die Fragen, ob und warum Cato womöglich wider besseres Wissen handelt, ob er nicht etwa ›informierter‹ hätte sein sollen,71 oder aber, ob man aus Texten über Schlangenbisse gar nichts Verlässliches lernen kann und sich besser auf philosophische Erbauungsschriften stützen sollte, sind gemäß metapoetischem Realismus unausweichlich. (3) Hinsichtlich des bereits erwähnten, so offenkundig intertextuell aufgeladenen Troiabesuchs Caesars hat Annemarie Ambühl darauf hingewiesen, 67 Auch Nikanders Erzähler präsentiert ein mythologisches Aition für die Ophiogenese (Ther. 8– 20) und auch er scheint dazu auf Distanz zu gehen, cf. Overduin (2010/2015) ad loc. 68 Zu dem Medusamythos insbesondere vor dem Hintergrund der epischen Tradition, cf. Fantham (1992a); Papa­ioannou (2005). Zur Mythoskritik in der Schlangenepisode cf. Baier (2015). 69 Cf. z. B. Baier (2015) zur Frage nach den interpretatorischen Implikationen, die sich aus Lucans Referenzen auf das lukrezische Lehrgedicht ergeben. 70 Hierzu cf. Leigh (1997), 273–275. 71 Cf. Batinski (1991), 79: »Finally Lucans’s readers must ask, where is Cato in this great battle […] Lucan has removed Cato from the battle and the grisly deaths.« Die schließlich erwähnten Psylli (890 ff.) haben hiermit eben­falls zu tun. Während man später über Cato berichten wird, er habe Angehörige dieses Volksstammes mitgeführt (Plut. Cato min. 56), ist Lucans Cato auf diese Idee anscheinend nicht gekommen. Der Effekt hiervon ist nicht not­ wendig ein heroischeres Catobild, wie z. B. Ahl (1976), 271 No. 47 meint.

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dass gerade in der Wendung Threiciasque legit fauces (954) ein Hinweis auf die auch aus Caesars Perspektive literarische Dimension dieser Reise gesehen werden kann.72 Metapoetisch wirkungsvoll ist, dass Caesar, nachdem er bereits als ­famae mirator in Rhoetion bzw. Sigeion am Grab des Aias und – der Erzähler formuliert es als gelehrte Anspielung – am Grab von Achill, Patroklos und Antilochos vorbeigekommen ist,73 im verfallenden Troja nicht an das Grab Hektors denkt. Sein Führer, von dessen Existenz die Leser bisher nichts erfahren haben, muss ihn darauf hinweisen (9, 974–979):74 inscius in sicco serpentem puluere riuum transierat, qui Xanthus erat. securus in alto975 gramine ponebat gressus: Phryx incola manes Hectoreos calcare uetat. discussa iacebant saxa nec ullius faciem seruantia sacri: ›Herceas‹ monstrator ait ›non respicis aras?‹

Unwissend übertrat er einen Bach, der sich durch den trockenen Sand schlängelte, das war der Xanthus. Sicher tat er im hohen Gras seine Schritte, da hindert ihn der phrygische Anwohner, auf Hektors Manen zu treten. Verstreut lagen Steine, ohne irgendeine Spur Heiligkeit: ›Achtest du nicht‹, fragte sein Führer, ›den Altar des Herceus?‹

Shadi Bartsch hat es treffend gesagt: »We almost wonder if the guide has his pocket Homer to hand.«75 Aber was ist mit Caesar, kennt er Homer nicht? Das ist kaum anzunehmen. Die Frage von Bruno Bureau führt hier weiter: »Que lit César dans Homère?«76 Den Stein, an den Hesione gekettet war, den Ort des Parisurteils (erstaunlicherweise eine Grotte) und das Liebeslager des Anchises hat Caesar anscheinend treffsicher ausfindig gemacht (970 ff.: aspicit).77 Von all dem ist in der Ilias nur andeutungshaft und nebensächlich die Rede; um die Orte des Geschehens tatsächlich aufzuspüren, ist sicher einiger Scharfsinn vonnöten.78 Caesars Interesse an diesen ›Realien‹ hat aber mit dem Epos Homers nichts zu tun. Hierin scheint sich vielmehr das verächtliche Klischee wider­ 72 Cf. Ambühl (2015), 354; zur Bekräftigung dieser Überlegung ist auf die Wiederholung von legere in unterschied­lichen Bedeutungen zu verweisen. In 9, 952 f. heißt es: [sc. Pompei] uestigia frustra | terris sparsa legens …, dazu wie zum philologischen Erklärungsbedarf des Wortes legere in 954 cf. Wick (2004b) ad 9, 38 u. a. mit Serv. Aen. 3, 127. 73 9, 961 ff.: Sigeasque petit famae mirator harenas  | et Simoentis aquas et Graio nobile busto | Rhoetion et multum debentis uatibus umbras, cf. Hom. ω 73 ff.; Wick (2004b) ad loc. mit Strab. geogr. 13, 1, 32: τοῦ μὲν οὖν Ἀχιλλέως καὶ ἱερόν ἐστι καὶ μνῆμα πρὸς τῷ Σιγείῳ, Πατρόκλου δὲ καὶ Ἀντιλόχου μνήματα, καὶ ἐναγίζουσιν οἱ Ἰλιεῖς πᾶσι καὶ τούτοις καὶ τῷ Αἴαντι. Zur möglicherweise negativen Konnotation des Begriffs mirator cf. Bureau (2010), 78. 74 Man beachte den Gegensatz zu einem anderen Tyrannen vor Troja, Xerxes interessiert sich anscheinend für alles (Hdt. 7, 42 f.); dazu Haubold (2007). 75 Bartsch (1997), 134. 76 Bureau (2010), 79. 77 Zu Caesars erotisch-elegischem, jedenfalls unhomerischem Interesse cf. Bureau (2010), 79–81. 78 Hom. Υ 146 ff.; Ω 28 f.; Β 819 ff.; zu Anchises: Hes. theog. 1008 ff.; Hom. hymn. 5, 53 ff. Ganymed und Oeone (Lucan. 9, 972 f.) werden in der Ilias nicht erwähnt, cf. Wick (2004b) ad

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zuspiegeln, wonach manche Gelehrte zwar die Fahrtroute des Odysseus rekonstruieren, nicht aber den Sinn der Odyssee erfassen können.79 Was Hektor betrifft und Caesars sicheren Gang durch das Gras, so ist anzunehmen, dass Caesar entweder überhaupt nicht erwartet, das Grab hier irgendwo finden zu können (man müsste dann aber fragen, warum?),80 oder dass er Hektor nicht anders behandeln will als die Toten von Pharsalos, die er bereits mit Füßen getreten hat (ebenfalls: warum?).81 Angesichts des Schlusses der Ilias einerseits und der von Caesar mit Wiederaufbauversprechungen bekundeten Verehrung der trojanischen Vorfahren andererseits (990 ff.) muss sein Verhalten unerhört wirken. Es ist realistisch in dem hier entwickelten Sinne, wenn damit auch unmittelbar auf der Handlungsebene die Frage provoziert wird, was und wie dieser Caesar eigentlich gelesen hat, wenn er das Ω der Ilias so schlecht kennt,82 aber ein neues Troja zu errichten verspricht. Das entrüstete ›non respicis?‹ des Führers scheint das zu bekräftigen. Auf der Handlungsebene liegen Lucans Vergilanspielungen demgegenüber, wie gesagt, jenseits des Realistischen. Die Leser, die sie erkennen, haben damit einen Wissensvorsprung vor den Figuren, der interpretativ relevant ist. Für das Bäume­ fällen vor Massilia und für die Ilerda-Episode sind die Georgica ein fundamentaler Referenztext.83 Die Frage, was Lucans Leser gelesen haben und wie Lucans Caesar Vergils Dichtung lesen würde, die er noch nicht kennen kann (aber vielleicht irgendwie erwartet), ist für die Beurteilung des Bürgerkriegs und des locc.; Rossi (2001), 316 f.: Caesar suche diese Orte gezielt auf, anders Tesoriero (2005), 207: Caesar sehe die Orte, aber begreife sie nicht, bis ihn der Führer einweist. 79 Cf. Sen. brev. vit. 13, 2: Graecorum iste morbus fuit quaerere quem numerum Vlixes remigum habuisset; epist. 88, 7 ff.: quaeris Vlixes ubi errauerit potius quam efficias ne nos semper erremus? Das Argument lässt sich ähnlich bis zum platonischen Ion zurückverfolgen. 80 Cf. hierfür 8, 805 f., die Worte des Erzählers über das Grab des Pompeius: erremus ­populi cinerumque tuorum, | Magne, metu nullas Nili calcemus harenas; 820 ff.: Pompei nomen harena | depressum tumulo, quod non legat aduena rectus,| quod nisi monstratum Romanus transeat hospes. Diese Besucher werden offenbar eigens jemanden fragen, wo das Grab sich befindet. 81 Die Gräber sind doch gerade zum Symbol für Troia geworden, cf. Ov. met. 15, 425: et pro diuitiis tumulos ostendit auorum. – Dafür, dass Caesar Hektor bewusst und mit dem Interesse eigener Vergangenheitsdeutung ignoriert, cf. Rossi (2001). Kimmerle (2015), 42–46 betont, dass hier metatextuell auf den Ausgang des Bürgerkrie­ges, namentlich die Ermordung des Pompeius gedeutet sei, von der Caesar zum Zeitpunkt seines Troiabesuchs noch keine Kenntnis gehabt haben könne. Das exkulpiert Caesar aber nicht von der Ignoranz gegenüber seiner eigenen Kultur, cf. Hardie (2008), 316. 82 Der Altar des Ζεὺς Ἑρκεῖος ist nicht nur der Ort, an dem Priamos ermordert wurde (cf. Aen. 2, 512 ff.), er hat auch im letzten Gesang der Ilias eine wichtige Bedeutung, Priamos betet hier zu Zeus für die Herausgabe von Hektors Leichnam (Ω 302 ff.), hierzu cf. Rossi (2001), 318. Bureau (2010), 80 weist mit Dion. Hal. 1, 67, 3 darauf hin, dass ἑρκεῖοι die griechische Entsprechung des lateinischen Wortes penates ist. 83 Cf. unten 68 ff.

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folgenden Prinzipats instruktiv.84 So kann sich das, wofür ich einleitend den Begriff ›Prequel‹ verwendet habe, nämlich die Reziprozität von Bellum Ciuile und Georgica im Verhältnis von Abfassungszeit zur Zeit der Handlung, als ein wirksames Deutungsmoment erweisen. Lucans Figuren geraten in Gegensatz zu ihrer eigenen Kultur; und wie Lucans Anspielungen nahelegen, scheitern sie oft gerade deswegen, weil sie die Georgica nicht kennen und sich für ein friedliches Leben nicht entscheiden wollten oder konnten. – So einfach ist es freilich nicht. Denn zum einen handeln ja die Georgica nicht als erstes Gedicht von Erwerb und Bewahrung der Kultur. Und zum anderen kennen Lucans Figuren die Georgica ja nur insofern nicht, als sie Personen aus den Jahren 49/48 sind, und insofern eben die Leser diesbezüglich eine strenge zeitliche Logik anlegen können. Das Modell ›metapoetischer Realismus‹ gestattet hier, die interpretative Bedeutung einer solchen logischen Grenzziehung etwas feiner zu beschreiben: Wenn Lucans Caesar und Pompeius aller Chronologie zum Trotz Vergil doch gelesen (und in einer bestimmten Weise verstanden) zu haben scheinen, dann ist das nicht realistisch, sondern metaleptisch.85 Caesar kennt Vergil dann, wie nach einer berühmten Bemerkung von Wilamowitz Senecas Medea die Medea des Euripides kennt.86 Die Wirkung dieses Übergangs, dieses ›metaleptischen Wendepunkts‹ ist weitreichend. Insofern Caesar und Pompeius ›realistischerweise‹ keine Leser der Nerozeit sind, aber metaleptisch zuweilen so scheinen, bleibt undeutlich, worauf sie nach Meinung des Interpreten kulturell und moralisch ansprechbar sein sollten. Für Lucans Leser wird dadurch aber nur desto deutlicher hervorgehoben, dass der Lauf der Geschichte inzwischen weitergegangen ist. Ebenso wie es gemäß metapoetischem Realismus unmöglich ist, dass Lucans Figuren die Ilias oder die attischen Tragödien oder Lukrez nicht gelesen haben, ist es unmöglich oder sogar unzulässig, dass man nun Vergil ignoriert bzw. nicht sorgfältig interpretiert. Entscheidend ist dabei die für die frühe Kaiserzeit konstitutive Bedeutung der augusteischen Klassik, die eben ihrerseits darin besteht, gewisse Formen und Inhalte innovativ zu wiederholen, weil diese Wiederholung historisch notwendig erschienen ist. Das Lehrgedicht, das ein ›Goldenes Zeitalter der Landwirtschaft‹ ankündigt, ist nach Caesar, nach den Bürgerkriegen 84 Cf. Tesoriero (2005). Eine propagandistische Auslegung der Troiasage zugunsten des julischen Hauses wird unmittelbar problematisiert. 85 Ein Beispiel können Pompeius’ Worte vor Pharsalos sein: ›si Curios his fata darent reducesque Camillos | temporibus Deciosque caput fatale uouentes | hinc starent‹ (7, 358 ff.). Sie scheinen oberflächlich an Verg. georg. 2, 167 ff. anzuklingen, cf. dazu Guillemin (1951), 223 f. 86 Cf. von Wilamowitz-Moellendorff (1906), 162: »Nichts kann bezeichnender sein für diese Epigonenkunst als die Pointe, dass Medea in ihren eignen Namen bereits den Nebenbegriff der grandiosen Verbrecherin, der Kindsmör­derin legt. Diese Medea hat offenbar die Medea des Euripides gelesen«, hierzu Nauta (2013a).

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geschrieben; in seiner eigenen Intertextualität wiederholt und aktualisiert es gerade die hesiodeische Version vom gelingenden Leben.87 Lucans Leser müssen sich damit auseinandersetzen, was ein solches Goldenes Zeitalter sein soll, ob und wann es eintreten kann und wie es zu bewahren wäre. Sie dürfen dies – metaleptisch gesagt – nicht Caesar überlassen.88 Ausgehend von der Troja-Episode und ihren Verweisen auf die Aeneis hat bereits Kirk Ormand Caesar als ›Leser‹ betrachtet: Gegenüber Pompeius, dem scheiternden, nicht überzeugend ›erzählenden‹ Selbstdarsteller, sei Caesar ein scheiternder Leser. Aus seiner Defizienz ergebe sich aber, anders als für Pompeius, keine Niederlage, sondern gerade die individuelle Aneignung der Welt und die wenigstens zeitweilige Herrschaft über sie: »He reads selectively, and always to his advantage.«89 Ormand begreift Caesars ›Lesen‹ als symbolisch für den Umgang mit einem Text, der das, was er zu erzählen scheint, gleichzeitig aufhebt: »The text of ruin is essentially unredeemable, and so its narration – at least for the external narratee – is designed to fail.«90 Die Wirkung hiervon hat Ormand prägnant formuliert: »We believe in the unbelievability of narration.«91 Dieser Schluss eröffnet zwar für einige Aspekte der Erzählerinstanz, für einzelne Figurenkonstellationen sowie für das Verhältnis der narrativen Ebenen zueinander gewichtige Interpretationswege. Aber er kann nicht auf das Werkganze übertragen werden – jedenfalls nicht, ohne damit die Annahme einer grund 87 Cf. unten 107 ff. 88 Zu Caesar als »anti-poète« und »ennemi poétique du poète« cf. Bureau (2010), 82. Pypłacz (2015), 23 nimmt an, dass sich Lucans Caesar die Aeneis gewissermaßen aneignet, und konstatiert in Bezug auf die partielle Ähnlichkeit zwischen vergilischen und lucanischen Episoden: »Lucan’s experiment consists in staging a myth with ›real-life‹ actors and is meant to be a failure. The contrast between the heroic scenario and the completely inadequate performers produces a comic effect. Lucan’s aim, however, is not to emulate Virgil’s [sc. Aeneid], but rather to expose the falsehood of the Roman national myths, the most important of which is, without any doubt, that of Aeneas. At the same time, the poet demonstrates how irrational and ridiculous it is for a human being to emulate mythical characters«, ähnlich ibid., 227– 231. Ob durch das Bellum Ciuile die Falschheit des My­t hos der Aeneis erwiesen werden soll und nicht vielmehr die Falschheit der Aneignung dieses Mythos nach der Art eines Caesar, thematisiert Pypłacz nicht. Dies ist aber die entscheidende Frage, denn die Vorstellung vom Bellum Ciuile als einer Parodie der Aeneis (cf. ibid. 108) vermag nicht zu überzeugen, wenngleich Pypłacz Recht hat mit ihrem Schlusswort: »Lucan proves […] that a state founded on the idea that human life can be sacrificed with complete impunity on the altar of personal political ambition is ultimately doomed to self-annihilation.« 89 Ormand (1994), 51. 90 Ormand (1994), 53, cf. auch ibid. 52: »However, we should consider that [Caesar’s] reading is also a paradigm of ours: what are we with our preconceptions, passing over inscii et insciae.« 91 Ormand (1994), 55, cf. auch ibid. 42: »The very text of the Pharsalia is deficient and we readers unwittingly mir­ror that deficiency«. Zu ähnlichen und teilweise weiter reichenden Schlüssen kommen auch Henderson (1987); Martindale (1993); Masters (1994); Sklenář (2003); Kimmerle (2015).

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sätzlichen Deutbarkeit des Gedichts weitgehend aufzugeben. Das Bellum Ciuile, das oft sorgfältig komponiert ist und virtuos, auf immer wieder andere Weise den Lesern Fragen und Widersprüche vor Augen führt, scheint mit dem unmittelbar verständlichen Anliegen, über den Grund eines von Bürgern verursachten Unheils nachdenken zu wollen, höchste Glaubwürdigkeit und tiefen Ernst zu beanspruchen (das schließt beißenden Spott selbstverständlich nicht aus, auch nicht ästhetischen Genuss).92 Besonders an dieser Stelle hat auch der hinter dem Erzähler stehende Autor mit seinen ›Intentionen‹ ein maßgebliches Gewicht.93 Die in der Präsenz eines selbstreferentiellen Erzählers und den gelehrten Digressionen offensichtliche formale Nähe zum didaktischen Epos, zu den Georgica wie auch zu Vergils verschiedenen Vorläufern, Hesiod, Nikander, Arat und Lukrez, ist hier wichtig. Man hat zu Recht von lehrgedichthaften bzw. belehrenden Zügen des Bellum Ciuile gesprochen.94 Für diese Beziehung zum Lehrgedicht ist auch die zuweilen nicht ganz offensichtliche Relevanz des Themas bedeutend. So wie Vergil nach Senecas berühmten Ausspruch nicht Bauern unterrichten, sondern Leser erfreuen will,95 so kommt es auch Lucan nicht nur auf die Schrecken des Krieges und die Vielfalt des Sterbens an. Literarisch erfreulich sind am Bellum Ciuile sowohl die poetischen Finessen als auch die Herausforderung zum politischen Raisonnement. Für die Wirkung des Bellum Ciuile grundlegend ist der ethische Gehalt der aufgerufenen Literatur und die im zeitgenössischen Diskurs immer wieder beschworene Möglichkeit, allgemein aus der Kunst lernen zu können oder zu müssen.96 Damit meine ich durchaus nicht, dass Lucans Epos oder die darin präsen 92 Dass Lucans Gedicht in gewisser Weise ›spielerisch‹ ist, steht außer Frage, aber sowohl sein Gegenstand als auch, um einmal darüber zu spekulieren, sein Anlass sind keineswegs heiter. Die Spielmetaphorik kann hier leicht irreführen und ist daher nicht hilfreich. Zu Lucans historisch-poetischer Absicht und zur Kritik an Masters’ Gedan­ken vom ›Betrug des Lesers‹ cf. Bartsch (2011). Zur Dialektik von Ironie und Ernst cf. auch Fowler (1994). 93 Zum Verhältnis von Autor und Erzähler cf. z. B. Nauta (2002): Der ›Erzähler‹ ist als ›Rolle‹ des freilich nicht allein durch den Text zugänglichen Autors aufzufassen; in Bezug auf Lucan cf. z. B. Ripoll (2016), 62–66. 94 Cf. Häußler (1978), 66; Rutz (1985), 1490–1493. Zur Bedeutung des Lehrgedichts für das Bellum Ciuile insgesamt cf. Lausberg (1990); Schrijvers (2005); Baier (2015). 95 Sen. epist. 86, 15. Dazu cf. Effe (1977), 87; Christmann (1982); Thibodeau (2011), passim. 96 Um nur drei ganz unterschiedliche Beispiele anzudeuten: Aristot. poet. 1448b13 ff.: μανθάνειν οὐ μόνον τοῖς φιλοσόφοις ἥδιστον ἀλλὰ καὶ τοῖς ἄλλοις ὁμοίως, ἀλλ᾽ ἐπὶ βραχὺ κοινωνοῦσιν αὐτοῦ. διὰ γὰρ τοῦτο χαίρουσι τὰς εἰκόνας ὁρῶντες, ὅτι συμβαίνει θεωροῦντας μανθάνειν καὶ συλλογίζεσθαι τί ἕκαστον, οἷον ὅτι οὗτος ἐκεῖνος. Hor. ars 99 f.: non satis est pulchra esse poemata; dulcia sunto  | et quocumque uolent animum auditoris agunto; ibid. 333 ff.: aut prodesse uolunt aut delectare poetae | aut simul et iucunda et idonea dicere uitae. | quicquid praecipies, esto breuis, ut cito dicta  | percipiant animi dociles teneantque fideles. Sen. epist. 88, 5/8: demus illis [sc. philoso­phis] Homerum philosophum fuisse: nempe sapiens factus est, antequam carmina ulla cognosceret; ergo illa dis­camus quae Homerum fecere sapientem. […] doce me quid sit pudicitia et quantum in ea bonum, in corpore an in animo sit. – Cf. auch allgemein die Bemerkungen zu den ›Maßstäben‹ literarischen Schaffens bei Häußler

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ten literarischen Texte als philosophisch-moralistische Lehrstücke anzusehen sind. Ich gehe allerdings davon aus, dass hier ähnliche Fragen behandelt werden wie in der Philosophie.97 Aber auch wenn Literatur solchermaßen Ausdruck und Träger gewisser kultureller Standards sein kann, muss ein Gedicht nicht deswegen das darstellen, was sein soll, oder zu den konkreten Problemen, die es aufwirft, eine konsistente Lösung bieten.98 Das scheint jedenfalls in besonderem Maß für das Bellum Ciuile zu gelten. Für eine Untersuchung darüber, wie Lucan mit der literarischen Kultur in Rom umgeht, ist es nicht relevant, ob ›die Kunst‹ ihre Rezipienten wirklich ›besser machen‹ will oder kann. Relevant ist vielmehr, dass einem literarischen Text eine gewisse moralische Bedeutung zugemessen werden kann, und dass zu Lucans Lebenszeit bereits eine umfangreiche philosophische, poetische und exegetische Überlieferung bestand, die genau dies in vielfältiger Weise behandelte: Epos und Tragödie lassen sich leicht ethisch bzw. didaktisch deuten, insbesondere in Hinsicht auf Fragen des Gemeinwesens. In Rom gehört in diesen Diskurs beispielsweise die Darstellung und Selbstdarstellung augusteischer Dichter als uates,99 aber auch, dass Seneca Accius zitiert, um die Schädlichkeit und Vergeblichkeit von tyrannischer Härte zu unterstreichen. Ein weiterer Aspekt ist, dass (bzw. wie) Columella auf Hesiod und Vergil und den ›Sinn‹ ihrer Lehrgedichte verweist.100 Und schließlich ist es ein wesentliches Charakteristikum der Nerozeit, dass der Kaiser ein Literat sein will und der Literatur, namentlich der Tragödie, große Beachtung schenkt.101 An dieser Stelle ist zu bedenken, was durch den Anspruch ethischer Deut­ barkeit in dem Fall erzwungen wird, dass ein Leser nicht versteht und entsprechend handelt: Entweder kann diese Literatur dann keine wirklich ethische Wirkung haben, oder der betreffende Leser hat einen Fehler gemacht. Dies scheint Lucan bei seinen Anspielungen immer wieder auszunutzen. Sein metaleptischer (1978), 21–33 sowie die Ausführungen zu uirtus bzw. moralischen Werten in der antiken Literatur und im Besonderen im römischen Epos bei Pollmann (2008). Zum didaktischen und wahrscheinlich durchaus von der aristotelischen Poe­tik beeinflussten Anspruch der Tragödien Senecas cf. Staley (2010), 72–95 zur Katharsis. 97 Das Erkenntnisinteresse kann ähnlich, der ›Zweck‹ aber ganz anders sein. Hierzu cf. allgemein Stanford (1980), 71–88. 98 Zum Verhältnis von Dichtung und Wissenschaft insbesondere mit Blick auf die Lehrgedichtstradition cf. Reitz (2003). 99 Cf. Leigh (1997), 16–19 mit Newman (1967), 99–206; auch Buchheit (1972), 31–45. Als ganz anders gelagertes Beispiel wären die allegoretischen bzw. pädagogischen Diskurse zu nennen, wie sie im ersten Jahrhundert bei­spielsweise von Cornutus geführt worden sind. 100 Cf. Sen. clem. 1, 12, 5; 2, 2, 2: oderint dum metuant. Colum. 1, 3, 5: ita dementis est ipsum sibi malam facere fortunam; quod facit, qui nequam uicinum suis nummis parat, cum a primis cunabulis, si modo liberis parentibus est oriundus, audisse potuerit: οὐδ᾽ ἂν βοῦς ἀπόλοιτ᾽, εἰ μὴ γείτων κακὸς εἴη [Hes. op. 348]; Colum. 1, 3, 8; 1, 4, 4. Zur Normativität des Theaters (und der problematischen Folgenlosigkeit seiner Lehren) cf. auch Sen. epist. 108, 8 f. 101 Hierzu cf. Reitz (2006), 18–25.

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Erzähler tritt, wie Daniel Groß es genannt hat,102 als ein praeceptor populi auf und wendet sich sowohl an seine Figuren als auch an seine Rezipienten, um sie zur Änderung ihres Verhaltens bzw. zur Deutung der Handlung aufzurufen; sei es fragend: quis furor, o ciues (1, 8), bittend: saeuos tu neglege cantus (4, 186) oder verachtend: quidquid in hac acie gessisti, Roma, tacebo (7, 556).103 Wenn für Lucans Figuren die Kenntnis gewisser Werke vorausgesetzt werden kann, ist es hinsichtlich der vom Erzähler angemahnten Deutung interessant, welche ethischen Folgerungen sie aus den Texten ableiten und warum.104 Lucans Lentulus kann den Gehalt des (sophokleischen?) Ödipusdramas als sittliches Normativ anführen und die Verkommenheit der Parther gerade dadurch illustrieren, dass sie diesem Normativ zuwiderhandeln. Er sagt ausdrücklich infelix fabula, und die Pointe seiner Beweisführung liegt in der Universalität, in der allgemeinen Bekanntheit des Werkes (8, 406–409):105 ›damnat apud gentes sceleris non sponte peracti Oedipodionias infelix fabula Thebas: Parthorum dominus quotiens sic sanguine mixto nascitur Arsacides!‹

›Vor aller Welt verdammt, wegen eines unfreiwillig begangenen Verbrechens, die Tragödie das Theben des Ödipus. Wie oft wird aber bei den Parthern aus so vermischtem Blut ein Arsakide zum Herrscher geboren!‹

Wenn es allerdings um ihre eigenen Angelegenheiten geht, messen die Protagonisten des Bürgerkriegs der Normativität der Klassik oft nicht viel Bedeutung bei. Für Petreius’ Umgang mit dem Weltaltermythos werde ich das weiter unten 102 Cf. Groß (2013), passim. 103 Bartsch (2012) betrachtet die Apostrophen im Zusammenhang mit ethischen Werturteilen im Bellum Ciuile und kommt angesichts der Inkonsistenzen der Erzählerstimme zu dem Schluss: »the narrator himself lives in a world without meaning, a post-lapsarian universe in which consistent moral judgements are impossible.« Dieser Aus­druck mag zwar etwas übertrieben sein, sofern hiermit aber mehr über den Erzähler gesagt ist als über die Welt (und gar die Welt des Autors), führt er genau dahin, dass die Leser die stete Notwendigkeit ethischen Urteilens erfahren und gewissermaßen als Aufgabe für sich ausmachen. Vielleicht dürfen sie in der Widersprüchlichkeit des Erzählers ihre eigenen Mühen antizipiert finden. Hierbei ist auch zu bedenken, dass die Erzähler-Apostrophen in zeitlicher Reihenfolge zu sehen sind: Die Situation bei Dyrrachium ist anders als noch vor Ilerda. Und so haben die Leser gegen­über dem scheinbar zuschauend-wertenden Erzähler den Vorteil, dass sie am Ende eine abge­schlossene Handlung beur­teilen werden (auch wenn diese erzählt wird, als stehe sie unmittelbar bevor). 104 Die Bemerkungen von D’Alessandro Behr (2007) zur Apostrophe und zur didaktischen Wirkung sind hier sehr nützlich, bes. 73–75 zum Vergleich mit Bertold Brechts Theorie des epischen Theaters (unabhängig davon, ob man sie zu Recht ›nicht-aristotelisch‹ nennen kann oder nicht). Es bleibt jedoch fraglich, ob im Ganzen hieraus der Schluss der Verherrlichung Catos gezogen werden kann, oder ob nicht auch diese Figur einer ›Verfremdung‹ un­ter­liegt, die zu einem kritischen Urteil bei den Lesern führen muss. 105 Zur Präsenz weiterer mythischer Anspielungen sowie literarischer Praktiken in dieser Passage cf. auch Casamento (2016).

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noch ausführlich diskutieren.106 Ein etwas anderes Beispiel ist der weitere Kontext der berühmten Apostrophe oder Sphragis in Buch sieben:107 haec et apud seras gentes […] non transmissa, legent et adhuc tibi, Magne, fauebunt (7, 207 ff.). Pompeius wird den Lesern hier als bewundernswert präsentiert, und zwar in einer traditionell metaleptischen Weise: Auch Apollonios, zum Beispiel, hat den Figuren seiner Argonautika versprochen, dass ihr Ruhm nie verschwinden wird.108 Der individuelle, aemulative Charakter dieser Sphragis wird aber insbesondere dadurch erreicht, dass die Metalepse abgeschwächt ist: Lucans Pompeius müsste den Gedanken der Apostrophe eigentlich erwarten. Vielleicht tut er dies auch. Er gehört einer Gesellschaft mit etablierter Geschichtsschreibung an und beschwört die exemplarischen Helden Roms (7, 356 ff.).109 Tatsächlich ist es ›realistisch‹, wenn er in seiner Lage bewusst davon ausgeht, dass seine Reden nachgelesen und bewertet werden.110 Aber die Strategie, mit der er sich einen erhabenen Platz in der Geschichte zu sichern versucht, scheitert: Wenn Pompeius seine Soldaten in die Entscheidungsschlacht eines Krieges gegen die eigene Familie schickt, obwohl er offensichtlich ahnt, dass es falsch bzw. unnütz ist, den Dingen nun ihren Lauf zu lassen (7, 87 ff.; 342 ff.), und zudem weiß, dass solches Verhalten oft schon unnütz gewesen ist, befindet er sich in einer ganz ähnlichen Situation wie seine späteren Leser, die das mindestens auch alles wissen. Pompeius ermahnt seine Soldaten, indem er sie an ihre Mütter erinnert: ›credite pendentes e summis moenibus urbis | crinibus effusis hortari in proelia matres‹ (7, 369 f.). Hiermit ist zwar einerseits ein irgendwie heroisches Teichoskopiemotiv gegeben, andererseits muss die Rede von den matres in einem Bürgerkrieg 106 Cf. unten 104 ff. 107 Zu dieser Bezeichnung cf. Ambühl (2015), 242/245. 108 Cf. Ap. Rh. 4, 1773 ff.: ἵλατ’ ἀριστήων μακάρων γένος· αἵδε δ᾽ ἀοιδαὶ | εἰς ἔτος ἐξ ἔτεος γλυκερώτεραι εἶεν ἀείδειν | ἀνθρώποις; man beachte vor allem die vorausgesagte Reaktion der Hörer. Ähnlich Verg. Aen. 9, 446 ff. 109 Hierzu cf. Bureau (2010), 83–86, auch zu den Beschränkungen, die freilich dem Urteilsvermögen mancher Han­delnder gesetzt sein können, ibid. 85: »l’homme qui agit dans l’histoire ne peut pas discerner le sens même de l’histoire.« Vulteius vertraut zu Unrecht auf sein ruhmvolles Fortdauern in der Erinnerung (4, 496 f.). Cato hinge­gen kann antizipieren, was ihm bevorsteht (9, 579 ff.). Auch wenn er kein perfekter stoischer Weiser ist, pace Bureau, ist er damit schon weiser als Vulteius. 110 Bereits Helena kann davon ausgehen, dass man sich ihrer erinnern wird, cf. Ζ 357 f.: ›οἷσιν ἐπὶ Ζεὺς θῆκε κακὸν μόρον, ὡς καὶ ὀπίσσω | ἀνθρώποισι πελώμεθ᾽ ἀοίδιμοι ἐσσομένοισι‹. Auch dies gilt als ein klassisches Beispiel für eine Metalepse, und zwar insofern Helena hier anscheinend weiß, dass sie eine Figur der Ilias ist, cf. de Jong (2014), 78 f. Wenn man allerdings nur annimmt, dass Helena die historische Bedeutung des Troischen Kriegs er­a hnt, so wird der metaleptische Bruch der Erzähllogik geringer. Anzunehmen, dass Pompeius ahnen müsste, nicht nur einfach nicht vergessen, sondern historisch bewertet zu werden (und zwar als Gegenstand entsprechender li­terarischer Werke), impliziert daher keine Metalepse. Nach der Rede Ciceros (7, 112 ff.) und kurz vor seinem Tod ist Pompeius sich seiner Geschicht­lich­ keit ausdrücklich bewusst, freilich sind dies dann eher egoistische Erwä­g ungen, cf. 8, 622 (aber der Erzähler bestärkt die Wirkung des historischen Moments: 8, 608 ff.).

Metapoetischer Realismus

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unmittelbar mit den Bemühungen Iokastes oder, römisch gesagt, Veturias dissonieren.111 Ein gebildeter Römer kann dieses Motiv nur verwenden, wenn er diese literarischen und ethischen Exempla bewusst ignoriert – oder nicht versteht.112 Obwohl Pompeius also einerseits ahnen müsste, dass man seine Worte und Entscheidungen später bewerten wird, setzt er sich gerade damit in seiner Rede nicht auseinander, sondern hält seine Zuhörer wie auch die späteren Generationen mit seiner schwachen Propaganda zum Narren. Durch die auktoriale Apostrophe ist der gesamte Zusammenhang hervorgehoben, und indem die Leser dazu provoziert werden zu fragen, ob und warum sie betroffen, attoniti sind, ist die Mahnung zur sorgfältigen Interpretation gegeben.113 Sie dürfen einerseits in Betracht ziehen, dass Pompeius sich anders verhält als jemand, der die in der Literatur kodifizierten kulturellen Standards anerkennt. Andererseits haben sie zu bedenken, dass Pompeius in einer Situation scheitert, die ihrer eigenen prinzipiell ähnlich sein könnte. Wenn der Erzähler zudem die erwartete Reaktion der Leser als spesque metusque (211) charakterisiert und dabei auf das aristotelische φόβος καὶ ἔλεος zu verweisen scheint,114 stellt er keine neue Wirkung seines Gedichts in Aussicht, sondern vielmehr eine, die häufig beschrieben und gefordert wurde, nämlich eine kathartische, erkenntnisleitende.115 Der fauor der Leser wird damit zum einen erklärt bzw. geleitet – er wird nicht unkritisch sein –, zum anderen wird, insofern spes und metus die üblichen Reaktionen von Lesern sind, wiederum die auf die Handlungsebene zu richtende Frage motiviert, wie die lucanischen Figuren ihrerseits einmal gelesen haben, wie sehr sie 111 Cf. Eur. Phoen. 585 f.: μέθετον τὸ λίαν, μέθετον· ἀμαθία δυοῖν, | ἐς ταὔθ᾽ ὅταν μόλητον, ἔχθιστον κακόν; Sen. Phoen. 450 f.; 454 ff.: dexteras matri date, | date dum piae sunt […] in uestra manu est, | utrum uelitis: sancta si pi­e­tas placet, | donate matri bella; si si placuit scelus, | maius paratum est: media se opponit parens. | proinde bellum tollite aut belli moram; Liv. 2, 40: ›sine, priusquam complexum accipio, sciam‹ inquit, ›ad hostem an ad filium uenerim.‹ Statius wird später seine Iocasta noch deutlicher mit Veturia, der Mutter Coriolans, in Verbindung bringen, cf. z. B. Vessey (1973), 270–282; zu dem Komplex insgesamt Ambühl (2015), 188 f.; 223–227. Den Lesern ist zudem in Erinnerung, wie die matronae in Rom auf den Beginn des Krieges reagiert haben: 2, 28 ff., dazu cf. Fant­ham (1992) ad loc. mit Verg. Aen. 1, 479 ff.; 11, 477 ff.; Hom. Ζ 293 f. 112 Dazu, dass Pompeius seine Rede rhetorisch gestalten will, indem er sich an den Konventionen des epischen Kataloges orientiert, cf. Reitz (2017b); zu den rhetorischen Schwächen: Rolim de Moura (2010b), 82–84. 113 Dafür, dass die Passage nicht schlechthin als pompeianisch-republikanische Propaganda zu deuten ist, cf. z. B. Masters (1994), 158–163, dazu, dass sie aber andererseits auch nicht bloß ein Verwirrspiel des Autors sein kann, cf. unten 178 ff. 114 Cf. D’Alessandro Behr (2007), 80–87; Ambühl (2015), 245 f.; allgemein dazu bereits Glaesser (1984), 129–131. 115 Die Frage nach bestimmten philosophischen (Schul-)Traditionen zur Katharsis ist hier nicht relevant. Ob Lucan im eher peripatetischen Sinne von einer Reinigung und Bildung der Gefühle oder in einem eher stoischen Sinne von einer Reinigung des Geistes von (falschen) Gefühlen ausgeht, betrifft nicht grundlegend die didaktische Wir­kung von Literatur. Hierzu cf. Schmitt (2008), 333–348; 476–510.

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also ihren eigenen kulturellen Standards genügen. Damit lenkt aber der metapoetische Realismus des Bellum Ciuile die Aufmerksamkeit der Leser schließlich auch darauf, wie gewisse literarische Motive durch den Bürgerkrieg in Rom zu einer neuen Symbolik gefunden haben. Ein Eteocles und ein Polynices werden nach Pharsalos sozusagen immer die Narben des Bürgerkriegs an sich haben.116 Die Leser ›sehen‹ im Bellum Ciuile das geschehen, was sie selbst beim Lesen des anspielungsreichen Textes auf ähnliche Weise erfahren: das Wieder-Geschehen und Wieder-Erkennen des schon einmal Gewesenen und Gesagten. Der alte Mann, der kurz nach Kriegsausbruch über Marius und Sulla erzählt, bringt dies auf eine prägnante Formel: ›haec rursus patienda manent‹ (2, 223).117 Es bleibt undeutlich, ob dieser Rede überhaupt jemand zuhört, und für den Verlauf der Handlung scheint sie keinerlei Bedeutung zu haben.118 Die Leser können damit aber fragen, was der immer sich wiederholende Bürgerkrieg bedeutet und ob das nützlich ist, was man seit dem Ende des letzten getan hat. Das heißt auch: was geschrieben und gelesen wurde. Hier muss der Blick direkt zu Vergils Georgica gehen.

1.2 Die Georgica als Referenztext: Intention und Intertextualität Wie gegensätzlich und teilweise unversöhnlich die verschiedenen Deutungen sind, die das Bellum Ciuile bisher erfahren hat, zeigt sich ebenfalls sehr deutlich an Lucans Caesar. Sowohl für die ›Inkarnation des Bösen‹ als auch für den alle Normen brechenden, genialen und erfolgreichen, gottähnlichen ›Fortschrittsbringer‹ sind die verschiedensten Argumente vorgetragen (und für entsprechende politische Deutungen des Epos genutzt) worden.119 Insofern sich die wichtigsten Zugänge zu dieser Figur durch die Analyse inter- und intratextueller Beziehungen ergeben und insofern sich in solchen Beziehungsgefügen oft mehrere interpretative Wege eröffnen,120 können und müssen hier durchaus gegensätzliche Deutungen neben- oder sogar gegeneinander stehen. Es ist daher von Christine Walde gefordert worden, die Lucan-Philologie solle sich »fortan stärker 116 Hierzu cf. Esposito (2012) sowie ASL ad 7, 453. 117 Zu den tragischen Anklängen in der Rede des Alten cf. Ambühl (2010); Ambühl (2015), 304–335. Zur ›Wiederholung der Geschichte‹ als concatenatio cf. Casamento (2005), zur Rede des Alten cf. ibid. 144–156; 213 f. 118 Für eine narratologische Analyse und insbesondere zur metaleptischen Form der Rede cf. Ludwig (2014), 199–208: Der alte Mann kann kaum alles, was er erzählt, mit eigenen Augen gesehen haben, noch scheint er sich vom lucanischen Erzähler grundlegend zu unterscheiden. Adressaten sind damit vor allem die Leser (bzw. der narratée-focalizée) des Bellum Ciuile. 119 Hierzu cf. unten 41 ff. 120 Cf. von Albrecht (1970), 272–277; Ahl (1976), 190–230; Green (1991); Masters (1992), passim; Ormand (1994), 50–55; Leigh (1997), passim; Tesoriero (2005); Christophorou (2010); Groß (2013), 231–247.

Die Georgica als Referenztext

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mit den nicht auflösbaren Tendenzen [der] Caesar-Gestalt […] beschäftigen und damit abfinden.«121 Auf das Werkganze verallgemeinert lässt sich dies auf dasselbe Problem zuspitzen wie die ›unbelievability of narration‹: Wenn die bisher beobachteten Widersprüche zwischen den diversen Sichtweisen bedeuten müssten, Lucans Gedicht sei insgesamt fragmentiert, disparat und daher kaum interpretierbar, wäre dies sehr unbefriedigend. Wenn hingegen die Annahme, die intertextuell begründeten Widersprüche und Uneindeutigkeiten seien gerade die wesentliche Eigenschaft des Textes, dazu führt, das Werk schließlich umso mehr mit Blick auf die Vielfältigkeit der darin enthaltenen literarischen Techniken zu lesen und das – ebenfalls nicht interpretierbare – ›Spiel‹ als den eigentlichen Antrieb des Dichters vorauszusetzen,122 so wäre dies ebenfalls unbefriedigend. Insofern diese Schwierigkeit aus einem intertextuellen Ansatz hervorgeht, ist ihr mit einer intertextuellen Teiluntersuchung kaum zu begegnen. Wenn ich dennoch, wie gesagt, davon ausgehe, dass der Dichter mit seiner Art, über den Krieg zwischen Bürgern nachzudenken, Glaubwürdigkeit und Ernst beansprucht, und wenn ich das Bellum Ciuile von seinen Georgica-Anspielungen her interpretiere, mache ich starke Vorannahmen. Die Perspektive, die ich damit einnehme, soll zwar nicht dazu führen, dem Nebeneinander von Widersprüchen auszuweichen. In der polyphonen Form des Werkes wird damit allerdings nicht das Stimmengewirr, sondern, um die musikalische Metapher weiterzuführen, eine bestimmte Melodie hörbar gemacht.123 Die Gründe für diese Vorannahmen liegen zum einen in der spezifischen literarischen Abhängigkeit des Bellum Ciuile, also in dem Gefüge intertextueller Beziehungen, in dem die Dichtung Vergils besonders prominent ist. Zum anderen betreffen sie die Georgica als ein Bürgerkriegs- oder Nachbürgerkriegsgedicht,124 das den Lesern einen Blick auf die römische Geschichte bietet, von dem zuweilen schwer zu bestimmen ist, ob er eher – um die problematischen Begriffe zu gebrauchen125 – ›optimistisch‹ oder ›pessimistisch‹ ist. Vergils Landbaugedicht liegt damit als Referenztext für das Bellum Ciuile unmittelbar nahe. Die emathischen Felder des Gedichtanfangs (Lucan. 1, 1 ~ Verg. georg. 1, 492) stehen für diese Beziehung als Ganzes. Ettore Paratore hat 1943 mit seinem Aufsatz »Virgilio georgico e Lucano« hierauf hingewiesen und mit Blick auf die ›Sentimenta­lität‹ der Georgica festgehalten: »l’anticesarismo di Lucano [è] sopratutto pacifismo 121 Walde (2009a), 457; ähnlich auch schon Walde (2006), 50. 122 Hierfür cf. z. B. Groß (2013), 61–70; Kimmerle (2015), 263–267; Caterine (2015). 123 Cf. schon Rutz (1950/1989), 156: »Wenn wir aber die Caesargestalt betrachten, werden wir von derartig bedingten stationären Erscheinungen [sc. Inkonsistenzen, der Verf.] abzusehen haben. Sie heben die Einheit der Gestalt im gan­zen genauso wenig auf wie die relative Verselbständigung der Einzelszene die Einheit der Komposition des Epos.« 124 Cf. z. B. Thomas (1988), I, 16–24; Glei (1991), 57–61. 125 Cf. von Albrecht (2006), 95 No. 361.

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traditionalista.« Man ist dem in der Folge aber nicht weiter systematisch nachgegangen.126 Die Bezüge zwischen Bellum Ciuile und Georgica wurden zwar immer wieder betont, aber nicht untersucht. Es waren stattdessen die motivischen und strukturellen Bezüge zur Aeneis, die hauptsächlich zur Lektüre des Bellum Ciuile herangezogen wurden; insbesondere unter dem lange populären (und auch von Paratore bekräftigten) Leitgedanken, dass Lucan ein ›Anti-Vergil‹ sei.127 Exemplarisch hierfür ist, wie noch Elaine Fantham Lucans Georgica-Anspielungen zusammengefasst hat:128 Lucan’s admiration for the Georgics is apparent from his many allusions to their text. Since he was not himself writing didactic poetry, he could draw on the Georgics without the same competitive pressure that he felt in relation to the Aeneid.

Welche auktoriale Empfindung für die Interpretation des Bellum Ciuile mehr zu beachten ist, Bewunderung oder Konkurrenz, ist letztlich wahrscheinlich eine Glaubensfrage. Doch sie macht deutlich, dass keineswegs feststeht, ob man Lucans Umgang mit den Georgica von seinem Umgang mit der Aeneis her betrachten sollte oder umgekehrt. Die bereits in der Antike empfundene Einheit der Werke Vergils als pascua, rura, duces (Suet. Verg. 57) bereitet hier einige Schwierigkeiten.129 Aber nicht nur über der Diskussion, ob und wie Lucan sich gegen Vergil oder Nero oder gegen bestimmte Leser gewendet habe, sind die Georgica immer wieder übersehen worden. Es scheint nicht zuletzt gerade auch eine Folge des berechtigten Missbehagens mit dem ›Anti-Vergil‹ gewesen zu sein, dass man sich in jüngerer Zeit von Vergil etwas abgewendet und andere, teils fernerliegende Referenztexte in den Blick genommen und auf sie das Instrumentarium einer klassisch-philologischen Intertextualitätstheorie angewendet hat.130 Das Vorgehen hat sich insgesamt als außerordentlich erfolgreich erwiesen; es genügt, 126 Cf. Paratore (1943), 41; prägnant bereits Paratore (1942), 58: »potremo constare quanto, pur contrapponendosi all’Eneide, egli abbia attinto dalle Georgiche, sì che proprio questo poema rappresenta i terreno su cui si sono stabiliti più saldi rapporti fra il poeta di Andes e il poeta di Cordova.« Zu Lucan und den Georgica cf. überdies Caspari (1908); Thompson / Bruère (1968). Andere Arbeiten sind einzelnen Spezialproblemen gewidmet, etwa Badalì (1977); Hunink (1992a); Malamud (2009); Kersten (2014). Aus raumphi­losophischer Perspektive ist das Verhältnis von Lucan zu Vergil von Willis (2011) untersucht worden. 127 Cf. z. B. Guillemin (1951); Dilke (1968); Narducci (1979); Casali (2011). Zur Begriffsgeschichte und einigen defi­nitorischen Problemen des ›Anti-Vergil‹ cf. Kersten (2015). 128 Fantham (1992), 7. 129 Cf. auch Ov. am. 1, 15, 25 f.; Ant. Lat. 509. Zur Einheit innerhalb der Dichtung Vergils cf. z. B. Klingner (1967); Briggs (1980); Hardie (1998); Nelis (2004). Erschwerend tritt noch hinzu, dass Lucan wohl den Culex für vergilisch gehalten hat. 130 Für die theoretische Grundlegung cf. Conte (1974/1986); Thomas (1986); Hinds (1998); Hutchinson (2013).

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hier die bereits erwähnte Studie von Annemarie Ambühl anzuführen. Zur Methode heißt es dort:131 Intertextualität im Bellum civile soll denn auch nicht im engen Sinne von punktuellen Allusionen verstanden werden, was bei der […] Intertextualität zwischen Texten verschiedener Sprachen und angesichts des Verlusts großer Teile der antiken Literatur ohnehin problematisch wäre, sondern ist auf die Adaption und Transformation von Motiven und Themen, die Charakterisierung von Figuren, Szenentypen und narrative Techniken auszuweiten.

Die philologische Untersuchung jener ›punktuellen‹ oder, wie ich im Folgenden sagen werde, direkten Anspielungen ist für das Gedicht deswegen nicht weniger bedeutend, und nach wie vor muss hierbei das von Richard Thomas formulierte Kriterium angewendet werden: »there must be a reason of some sort for the reference – that is, it must be susceptible of interpretation.«132 Die Frage nach Intention ist an dieser Stelle unausweichlich. Aber ein etwas weiterer Intertextualitätsbegriff, der freilich intendierte Allusivität bewusst einschließt, erlaubt wichtige Verallgemeinerungen. Wenn einerseits deutlich ist, dass Lucan einen Text anzitieren kann (man denke an das berühmte uenit summa dies, 7, 195), um eine Anspielung zu machen, und wenn andererseits untersucht und interpretiert werden soll, wie Lucan ebenjenen Text (ob als ganzen oder nur in Teilen, ob mit Bezug auf charakteristische Kontexte oder auf Referenztexte133) in dem von Ambühl beschriebenen weiteren Sinne rezipiert, so braucht man nicht jedes Mal, wenn es scheint, dass dieser Text ›aufgerufen‹ wird, zu bestimmen, wer hier ›aufruft‹, der Leser oder der Autor. Die notorische und im Einzelfall oft nur durch Plausibilitätsargumente lösbare Schwierigkeit, auktorial ›intendierte‹ von ›zufälligen‹ Bezügen (oder Parallelen) irgendwie zu trennen,134 stellt sich hiermit nicht. Und zwar nicht, weil diese Frage rein logisch und historisch sinnlos wäre, sondern weil die Leser zu einer Interpretation nur gelangen können, wenn sie gewisse motivische Leitlinien bzw. Assoziationen nachverfolgen, die ihren Ausgang bei der Person des Autors, bei direkten Anspielungen, aber auch bei literarischen Topoi und allgemeinen kulturellen Standards und Konventionen 131 Ambühl (2015), 4. Darüber hinaus z. B. Groß (2013), 33–40; Blaschka (2015), 24–27; methodologisch dezidiert Nelis (2011), 263: »If it is accepted that there is validity in the technique whereby the tracing of allusions to other texts opens up access to further layers of meaning and so to more accurate interpretation, then there is still a lot of systematic work to be done on the intertextuality of the De Bello Civili before we can be sure that we are in a position to evaluate fully the meaningful complexities of Lucan’s allusive art.« 132 Thomas (1986), 174. Hinzu tritt das Kriterium, dass der Referenztext dem anscheinend referierenden Autor gut bekannt sein muss. Eine strenge Unterscheidung zwischen Allusion und Referenz braucht dabei nicht vorge­nom­men zu werden, cf. Hinds (1998), 21–25. 133 Man denke an Phänomene wie ›window reference‹: das Hervorscheinen des Referenztextes hinter einem Refe­renz­text. 134 Zu diesem Problem cf. z. B. Tischer (2006), 20–25; Blaschka (2015), 25.

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haben können. Stephen Hinds hat hinsichtlich dieser Verbindung von produktionsästhetischem und rezeptionsästhetischem Ansatz von der »›fuzzy logic‹ of allusive interpretability« gesprochen und auf ihre exegetische Praktikabilität hingewiesen.135 Ambühl hat ausführlich gezeigt, wie nützlich gerade diese ›fuzzy logic‹ für die Lektüre von Lucans umstrittenem Gedicht ist:136 Dass die Leser permanent mit Referenzen auf bestimmte Texte und Motive umzugehen haben, ist, kurz gesagt, sicher die Intention des Autors. Wie das geschieht, liegt jedoch in der Verantwortung der Rezipienten (und auch diese Verantwortung kann sinnvoll als Teil der Autorintention begriffen werden). Häufig betrifft dies die Bewertung von Ambiguitäten und, um auf Waldes Forderung zurückzukommen, die Entscheidung, womit man sich abfinden will. Lucans Rezipienten müssen im Übrigen tatsächlich vor allem Leser sein. Nicht nur, weil der Erzähler dies, wie gesagt, an zwei Stellen metapoetisch wirkungsvoll prophezeit (7, 210 ff.; 9, 985), sondern weil das Gedicht mit seinen elaborierten Gleichnissen, Exkursen, Apostrophen und Akrosticha dies erfordert. Ein Bezug, der sich erst auf den zweiten oder dritten Blick ergibt, muss daher nicht zu weit hergeholt scheinen, um interpretativ fruchtbar gemacht zu werden. Dies ist insbesondere dort von Bedeutung, wo verschiedene Referenztexte, verschiedene Arten von Referenzen und die Perspektiven, die die Leser hierzu einnehmen können, gleichzeitig beachtet und hierarchisiert werden müssen. Derartige ›Überdetermination‹ ist für das Bellum Ciuile charakteristisch.137 Von diesen theoretischen Fortschritten hat das Studium der lucanischen Vergil-Rezeption bisher erst wenig profitiert. Das Paradigma vom ›Anti-Vergil‹ bzw. der ›Anti-Aeneis‹ ist, trotz allen Problemen dieses Begriffs, immer noch bestimmend.138 Indem aber die Intertextualität des Bellum Ciuile immer genauer beschrieben wurde, sind Lucans Anspielungen auf Vergil nicht weniger interpretationsbedürftig geworden; eher das Gegenteil ist der Fall. Es lohnt also, für eine Lucanlektüre zu Vergil zurückzukehren. Das Augenmerk dafür auf die Georgica zu richten, ist eine willkürliche (und nur vorübergehend mögliche) Beschränkung. Dennoch: Die direkte Beziehung der Georgica zu den römischen Bürgerkriegen, die expliziten politischen Passagen, der didaktische Ernst und die prominente, selbstreferentielle Erzählerstimme, nicht zuletzt die eigene Intertextualität der Georgica rechtfertigen diese Beschränkung. Das Gedicht 135 Hinds (1998), 50. 136 Cf. Ambühl (2015), 2; zur Verbindung von Produktionsprozess und Rezeptionsprozess cf. auch den Überblick bei Behrendt (2013), 38–43. 137 Man hat hierfür den etwas ungünstig konnotierten Begriff ›Kontamination‹ angewendet, cf. Groß (2013), 236 mit Helbig (1996), 98–100; Knauer (1964), 146. Treffender ist ›multiple Referenz‹ oder ›Konflation‹, cf. Thomas (1986); Hinds (1998), 34–38 und Farrell (1991), 106 zu Knauer. In eine ähnliche Richtung deutet auch die von Stoffel (2015), 150 für das Phänomen textueller ›Überproduktion‹ gebrauchte Metapher der ›Textflut‹. 138 Cf. z. B. Eigler (2005); Asso (2010), 10; Casali (2011); Pypłacz (2015).

Die Georgica als Referenztext

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vom Landbau verdient, als Referenztext ausführlich betrachtet zu werden. Man könnte hierfür auch von der ›Klassizität‹ der Georgica sprechen. Das Gedicht ist früh zum literarischen Allgemeingut geworden, das man auf vielfältige Weise rezipiert hat.139 Vor allem ›klassisch‹ ist aber, dass die Georgica, indem sie eine schöne und zugleich so interpretationsbedürftige Vision vom gelingenden Leben bieten, tröstlich sind und sich kaum ad absurdum führen lassen.140 Es ist interessant, was dies allgemein für das Bellum Ciuile bedeuten muss – für ein Gedicht, dem man sowohl ›geistigen Widerstand‹ unterstellt hat als auch den ›Betrug des Lesers‹ und den ›Krieg mit sich selbst‹.141 In Bezug sowohl auf eine prominente, aber bisher wenig beachtete GeorgicaAnspielung bei Statius als auch darauf, was alles in den Georgica unausgesprochen zu bleiben scheint, hat Victoria Pagán kürzlich bemerkt:142 Perhaps no other poem in the Latin language achieves such a level of balance and harmony as the Georgics, and perhaps no other poem so eloquently exposes the enemies of order and virtue that exist in the world. For this reason then, perhaps no other poem exerts so strong a force on the post-Augustan writers. […] When Ovid and Columella and Lucan – and Statius – pronounce the deliberate silences of the Georgics, they prove that the risk of such outspokenness (such e-loquence) is worth taking and […] is less important than the refusal to be limited by a bygone aesthetic.

Die Untersuchung, wie Lucan mit den Georgica umgeht und mit ihrer idealischen Klassizität (deren reale und durchaus ›unordentliche‹ Seite weder übersehen noch ignoriert werden kann), vermag letztlich vielleicht zu helfen, allgemein Lucans Stellung in der Reihe der ›Nachaugusteer‹ etwas besser zu beschreiben. Auch hierfür muss aber das Schema vom ›Antivergilianismus‹, das Pagán wie selbstverständlich voraussetzt und verallgemeinert, überwunden werden. Ich werde, ausgehend von Ambühls flexiblem Intertextualitätsbegriff, Beziehungen zwischen dem Bellum Ciuile und den Georgica sowohl im Hinblick auf einzelne direkte Allusionen als auch im Zusammenhang mit wiederkehrenden Motiven und traditionsgemäß stark intertextuell determinierten epischen Strukturen wie Gleichnissen, Ekphraseis, Reden und Apostrophen be 139 Hierzu cf. allgemein Wilkinson (1969), 270–313; Christmann (1982); Thibodeau (2011), 202–243; Goodfellow (2015); speziell zu Properz: Paratore (1942); zu Ovid: Anderson (1982); Heerink (2011); zu Seneca: Krauss (1957), passim; Rivoltella (2002); zu Columella: Saint-Denis (1971); Gowers (2000); Dumont (2008). 140 Zu diesem Begriff des Klassischen cf. Hunter (2014). Klassisch bedeutet nicht, dass nicht das ›Andere‹, der Furor, das Irratio­nale und Maßlose fehlt, cf. Hardie (2016a). Klingner (1963) hat in ähnlicher Weise die Klassizität der Georgica herausgestellt. 141 Zu diesen mitlerweile geradezu kanonisierten Konzepten cf. Pfligersdorffer (1959); Masters (1992). 142 Cf. Pagán (2015), 376 zu Stat. Theb. 1, 19 f. ~ georg. 2, 497, Pagáns Kursive; zu Lucans Antivergilianismus cf. ibid. 370.

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Einleitung

handeln.143 Auf einzelne stilistische oder sachliche Bezüge, die es – selbst wenn man nicht alle seinerzeit von William Heitland aufgeführten Parallelen berücksichtigt – in großer Zahl gibt,144 kommt es mir also weniger an als auf größere, interpretativ wirkungsvolle Zusammenhänge. Wenn sich die Georgica in prominenten Strukturelementen als wesentlicher Referenztext erweisen, so kommt ihnen auch übergreifend für das Werkganze ein besonderes Gewicht zu. Das erfordert, den ›Dialog‹ zwischen Bellum Ciuile und Georgica bei der Darstellung der zentralen Figuren (Kapitel 2 und 3) und bei den übergreifenden historischen und politischen Aussagen des Bellum Ciuile zu verfolgen (Kapitel 4). Lucans Nerolob schließlich ist unumgänglich.

143 Leitmotivik bei Lucan haben bereits Schönberger (21968) und Saylor (1986) gewinnbringend untersucht. Zur Untersuchung »mythologischer Paradigmata« cf. Ambühl (2015), passim, besonders 134 f./178. Zu einer fruchtbaren Analyse lucanischer Leitmotivtechnik in Verbindung mit einem epischen Strukturelement, nämlich der Aristie des Scaeva, cf. Hömke (2012), 62–69. 144 Cf. Heitland (1887), cx–cxxvi: Lucan. 1, 229 ~ georg. 1, 309; 2, 408 f. ~ georg. 1, 481; 2, 641 ~ georg. 3, 349; 3, 209 f. ~ georg. 2, 137; 4, 106 ff. ~ georg. 1, 233 ff.; 4, 437 f. ~ georg. 3, 372; 4, 684 (mit Afer Ω) ~ georg. 3, 340 ff.; 5, 99 f. ~ georg. 1, 471; 5, 439 ff. ~ georg. 3, 361 f.; 5, 715 ~ georg. 4, 79; 6, 454 ff. ~ georg. 3, 282; 8, 467 ~ georg. 1, 208; 9, 626 ~ georg. 1, 507; 9, 787 ~ georg. 3, 312; 9, 916 ff. ~ georg. 3, 415/4, 264 ff.; 9, 959 ~ georg. 1, 207; 10, 247 ff. ~ georg. 4, 363 ff.

2. Caesar und die Umwelt

An Lucans Caesar ist vor allem das Problematische interessant.1 Zwar zeigt das Werk auch seine Verdienste und die Faszination, die von ihm ausgeht,2 seine Fehler und seine Destruktivität sind aber doch sehr viel aussagekräftiger. Zerstörung bestimmt als allgegenwärtige, vielgestaltige Motivik die gesamte Eposhandlung;3 und wenn es auch fraglich ist, ob das Gedicht wirklich den Wunsch nach der Restitution der alten Republik zum Ausdruck bringt und ob Kritik an Caesar die Ablehnung des Prinzipats schlechthin bedeuten soll,4 so bleibt zweifellos ebenfalls fraglich, ob sich Caesar durch seine beständigen Grenzüberschreitungen derart zu einem ›Helden‹ qualifiziert, dass er letztlich mehr als bewunderungswürdiger denn erschreckender Tatmensch oder ›Übermensch‹ erscheint, dessen Verbrechen sämtlich legitimiert sind. Lucan verwendet das Wort heros nicht. Das muss zwar bei dem beinahe zeitgeschichtlichen Thema nicht verwundern; es ist jedoch auffällig, dass auch allgemein vom Heroischen in diesem Epos kaum erzählt wird.5 Es geht um einen Krieg, der nicht zu einem Triumph führen kann (1, 12). 1 Die Literatur zu Lucans Caesar ist außerordentlich umfangreich, cf. Heitland (1887), liii–lvi; Gundolf (1924), 32–37; Thierfelder (1934/1970); Nutting (1932); Sanford (1933); Friedrich (1938/1970); Marti (1945/1970), 115–120; Rutz (1950/1989), 121–177; Menz (1952/1970); Haffter (1957); Grimal (1970); Ahl (1976), 190–230; Lebek (1976), 108–166; Saylor (1978); Narducci (1979), 90–144; Glaesser (1984), 1–71; Johnson (1987), 101–134; George (1988); Mas­ters (1992), 1–10 und passim; Helzle (1994/2010); Donié (1996), 114–137; Narducci (2002), 187–278; Fantham (2003/2011); Tschiedel (2004), 117–119; Gowing (2005), 82–96; Eigler (2005); Roche (2005); Walde (2006); Pitcher (2008); Walde (2009a); Leigh (2009); Coffee (2009), 135–151; Fantham (2010); Fantham (2010/2011); Leigh (2010); Christophorou (2010); Thorne (2011); Zissos (2013); Day (2013), 106–178; Tzounakas (2013); Bexley (2014), 375–384; Ludwig (2014) passim; Kimmerle (2015); Pypłacz (2015), passim. 2 Sofern das Proöm nicht schlechthin das Gegenteil von dem bedeuten soll, was geschrieben steht (hierzu siehe unten 264 ff.), ist Caesar immerhin ein Wegbereiter einer neuen Zeit (1, 33 ff.). Ähnliches gilt, wenngleich mit Einschränkungen, auch für den von Caesar versprochenen Wiederaufbau Troias (9, 987); hierzu cf. Ambühl (2015), 361–366. 3 Cf. Schrijvers (1988); Hömke (2012); Conolly (2016). 4 Cf. z. B. Masters (1994); Walde (2006), 46; Kimmerle (2015). 5 Sofern mit Held nur der ›Protagonist‹ gemeint ist, der die Handlung voranbringt, besteht keine Schwierigkeit. Das Epos widerspricht zwar der Formel vom Epos als περιοχὴ θείων τε καὶ ἡρωϊκῶν καὶ ἀνθρωπίνων πραγμάτων, der aristotelischen Forderung nach mittelmäßigen, aber bedeutenden Charakteren widerstrebt das Gedicht aller­dings nicht (cf. Poet. 1453a7–12, genannt werden Ödipus und Thyest); hierzu cf. z. B. Ahl (1976), 150–173. Allgemein bezeichnet heros die Helden der Frühzeit, cf. TLL 6, 3, 2662, 5 ff. s.  v. heros [Kornhardt 1938]. Darauf kann aber Bezug genommen werden, cf. Sil. 8, 217 über Fabius

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Caesar und die Umwelt

Das erste Gleichnis, das Caesar gewidmet ist, zeigt ihn als Naturgewalt, als Blitz: magnamque cadens magnamque reuertens | dat stragem (1, 156 f.). Das provoziert die Frage, wie Caesar und seine Anhänger auf die Natur einwirken:6 auf den Ackerboden, den Wald, überhaupt die Lebensgrundlagen der Menschen. Es handelt sich dabei, wie einerseits schon Frederick Ahl gezeigt hat,7 um einen für das Werkganze grundlegenden und übergreifenden motivischen Zusammenhang; andererseits wird in der jüngeren altertumswissenschaftlichen Forschung zunehmend nach der ›Landschaft des Krieges‹ gefragt.8 Die auffälligen Bezüge zu Vergils Georgica, besonders zu den Schlusspas­sagen des ersten und zweiten Buches, bieten sich für diese Untersuchung sehr gut an. Zu beachten ist einerseits Caesars Gleichgültigkeit gegenüber den Erfordernissen einer intakten, produktiven Landwirtschaft und insofern seine Distanz zum Traditionellen und Idealen und andererseits seine offensiv verfolgte Absicht, die Natur zu bezwingen und für sich selbst nutzbar zu machen. Aus dieser Perspektive ist es schließlich nicht in erster Linie bedeutsam, ob Lucans Caesar trotz oder wegen seiner Taten ein ›Held‹ ist und wie man sich womöglich ihm gegenüber verhalten soll.9 In den Vordergrund tritt die Frage, was im Bellum Ciuile die Cunctator. Auch ist eine Verwendung in Prosa nicht notwendig ironisch, cf. Cic. rep. 3, 12. – Zum Problem heldischer Paradigmata wie Hercules oder Perseus, cf. Leigh (2000a); Papaioannou (2005). Zur langen, aber letztlich nicht fruchtbaren Diskussion um den Helden bei Lucan cf. z. B. Galimberti Biffino (2002), 80 mit No. 8. Ferner Feichtinger (2007) zur relativen Unmöglichkeit weiterer Heldendichtung nach Vergil; Hardie (1993), 3–10 zum »synecdochic hero«, der bei Lucan nur noch in hyperbolischer Form zu finden ist. 6 Zur Rolle der caesarianischen Soldaten und der Beziehung zu ihrem Feldherrn cf. z. B. Gall (2005). 7 Cf. Ahl (1976), 197–209. 8 Zur Bedeutung der Umwelt bzw. ›landscape‹ für Kultur und Identität in Rom cf. McIntyre (2008); Spencer (2010), 16–46. Zu Lucans Bellum Ciuile und dessen ›landscape of war‹ cf. Spencer (2005); Arweiler (2006), 37–44; Har­die (2008); Papaioannou (2012); McCutcheon (2013); Bexley (2014); Ambühl (2015), 135–178; Reitz-Joosse (2016); allgemein zu Lucans Landschaften cf. Müller (1995); Zientek (2014). 9 Caesar als einen nicht alltäglichen Menschen zu sehen, hat eine lange Tradition. Einen Höhepunkt stellt das romantisch gefärbte, am Genie bzw. Individuum orientierte Geschichtsverständnis des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts dar. Lange Zeit maßgeblich war Mommsens Sicht auf Caesars ›Genialität‹, hierzu z. B. Jehne (2010), 320; in diesem Geist cf. Gundolf (1924), 34 zu Lucans Caesar: man dürfe ihn nicht aus »republikanischem Hass« missverstehen; er sei weniger das »Wider­ideal« als »eine lockende Schreckgestalt.« Zur historiographischen Tradition der vermeintlichen Au­ßerordentlichkeit Caesars cf. das pointierte Vorwort bei Canfora (1999/2001), 11–18. Die Forschungsmeinung, wonach Caesar zu Beginn des Prinzipats sehr ambivalent gesehen worden ist oder doch wenigstens nicht im Zentrum des Interesses gestanden hat und erst in nach-neronischer Zeit wieder rehabilitiert wurde – cf. Strasburger (21968); Geiger (1975); Donié (1996) –, wird in der jüngeren Lucanforschung nicht mehr unbedingt geteilt: Cf. Walde (2006), 49 für den Ansatz, Caesar als ›eine Art Hegelschen Geschäftsführer des Weltgeistes‹ zu begreifen (cf. Hegel, TWA 12, 46 f., explizit zu Caesar): Der lucanische Erzähler sei somit dem berühmten Kammerdiener vergleichbar, für den es keine Helden gibt (cf. Hegel TWA 3,

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allgemeinen Voraussetzungen für seine Destruktivität sind, wie diese wirkt und was daraus folgen kann.10 Hierzu möchte ich in den folgenden vier Abschnitten Caesars gleichnishafte Einführung (2.1), sein Bäumefällen in Italien und Massilia (2.2), die Belagerung von Ilerda (2.3) und seinen entschlossenen Versuch zur Überquerung der Adria (2.4) betrachten.

2.1 Der Beginn des Krieges Zu dem eben kurz erwähnten Gleichnis für Caesar gehört ein Pendant für Pompeius. Noch bevor die beiden Gegner als handelnde Personen in Erscheinung treten, führt der Erzähler hiermit zwei Leitmotive ein: Pompeius ähnelt einer alten heiligen Eiche, die kurz davor ist, von einem Sturm niedergeworfen zu werden (1, 129 ff.), und dennoch weiterhin Verehrung erfährt. Über Caesar dagegen heißt es (1, 143–157): […] sed non in Caesare tantum nomen erat nec fama ducis, sed nescia uirtus stare loco, solusque pudor non uincere bello. 145 acer et indomitus, quo spes quoque ira uocasset, ferre manum et numquam temerando parcere ferro, successus urguere suos, instare fauori numinis, inpellens quidquid sibi summa petenti obstaret gaudensque uiam fecisse ruina,150 qualiter expressum uentis per nubila fulmen aetheris inpulsi sonitu mundique fragore emicuit rupitque diem populosque pauentes terruit obliqua praestringens lumina flamma: in sua templa furit, nullaque exire uetante 155

Doch Caesar hatte nicht nur Namen und Ruhm eines Feldherrn, sondern auch einen Kriegsmut, der niemals stillzuhalten vermochte; er schämte sich allein davor, im Krieg nicht zu siegen. Hitzig und ungezähmt reckte er, wohin immer Hoffnung und Zorn ihn riefen, seine Hand, nie verschonte er sein Schwert mit Schändungen; er trieb seinen Erfolg voran; er drohte dem Wohlwollen der Gottheit, stieß fort, was immer sich ihm bei seinem Griff nach dem Höchsten entgegenstellte, und freute sich, wenn er durch Ruinen seinen Weg bereiten konnte. Wie ein Blitz,

489 bzw. 12, 48). In ähnlicher Weise Wick (2004b) ad 9, 980–986, § 2. Dem lässt sich allerdings immer noch entgegenhalten, was Strasburger (1990), 41 prägnant for­muliert hat: »ungemütlich mußte für ihn [sc. Cicero] ein Besuch Caesars sein, der im Dezember 45 mit etwa zwei­tausend Mann Gefolge, größtenteils Soldaten, in den campanischen Villen der Standesgenossen, darunter auch bei Cicero, als Tischgast einfiel. Warum erregen sich Forscher eigentlich über derlei nicht, tadeln es aber leb­haft, daß die Zeitgenossen den ›Geschäftsführer des Weltgeistes‹ in seiner Verkleidung als apokalyptischer Reiter nicht sogleich zu erkennen vermochten?« 10 Friedrich (1938/1970), 81 No. 20 sagt in einer Nebenbemerkung zu 3, 448 bzw. 7, 445 und Eur. Hec. 488: »Denn was des Dichters Stellung zum Geschehen betrifft, ist die Pharsalia mehr eine Tragödie als ein Epos« [Fried­richs Kursive], und bekräftigt damit, was bereits im Mittelalter ähnlich empfunden wurde, cf. Fraenkel (1927/1970), 18 f.; umfassend zum Tragischen im Bellum Ciuile: Ambühl (2015), passim. Ohne dies hier gattungstheoretisch weiter zu diskutieren, kann angemerkt werden, dass durch einen solchen Ansatz, der vor allem das Allgemeine der ›dra­ma­tischen‹ Handlung in den Blick nimmt, auch die vielfältige Erzählerstimme als weniger problematisch emp­fun­den werden kann, cf. Ambühl (2015), 239–358, außerdem die Bemerkung von Due, wie sie bei Durry (1970), 229 do­kumentiert ist, und von Albrecht (1970), 276.

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Caesar und die Umwelt

materia magnamque cadens magnamque reuertens dat stragem late sparsosque recolligit ignes.

den die Winde durch die Wolken jagen, unter dem Gedröhn des angestoßenen Aethers und der Erschütterung der Welt hervorbricht, den Tag und die furchtsamen Völker erschreckt, mit gekrümmter Flamme reizt er die Augen; er wütet gegen seine eigenen Tempel, kein Stoff hindert, dass er hindurchdringt; wo er einschlägt, wo er austritt, richtet er weithin Schaden an, dann vereinigt er wieder sein verstreutes Feuer.

Das Dynamische in Caesars Wesen ist übermächtig, er ist von Affekten wie Hoffnung und Zorn geleitet (146),11 er schont sein Schwert nicht (147), er droht sogar den Göttern (148 f.): Er ist das ganze Gegenbild zu Pompeius, dem eichenartigen, den ein Blitzschlag sicher leicht vernichten könnte.12 Die literarischen Beziehungen in dieser Passage werden seit langem gesehen, namentlich die Übereinstimmung mit der biographischen bzw. historiographischen Tradition, die Caesars celeritas betont.13 Vor allem aber lohnt es, die poetischen Anspielungen zu verfolgen.14 Dieses Gleichnis ist, wie auch das Proöm, ein prominentes Beispiel dafür, dass Lucan gerade an strukturell herausgehobenen Stellen multiple Referenzen platziert. Durch diese Überdermination scheint die Erzählerstimme zwar neutral bzw. uneindeutig zu bleiben,15 den Lesern aber wird eine Wertung abverlangt. 11 Cf. George (1992) zu Caesars ira als ἐπιθυμία. Zu Recht wurde in der Forschung allerdings mehrfach betont, dass der auf Marti (1945/1970) zurückgehende Schluss, das Epos sei vor allem mit stoischer Philosophie befasst, Cato sei der stoische Weise, Pompeius der proficiens und Caesar der Tor, zu pauschal ist. 12 Das Bild des Blitzes, der in eine Eiche einschlägt, hat auch Vergil bereits für den Bürgerkrieg verwendet, cf. ecl. 1, 16 f.: saepe malum hoc nobis, si mens non laeua fuisset, | de caelo tactas memini praedicere quercus. Über das Gleichnispaar ist viel gesagt worden, cf. Getty (1940) ad loc.; Aymard (1951), 98–100; Lebek (1976), 65–71; Ahl (1976), 156; Miura (1981), 211–214; Rosner-Siegel (1983); Newmyer (1983); Hershkowitz (1998), 221–223; Schindler (2000a), 148 f.; Adorjáni (2007), 187–191; Nix (2008); Roche (2009) ad loc.; Leigh (2009), 240–243; Leigh (2010); Day (2013), 107–115, ­211–217; Blaschka (2015), 46–56, 140–146. 13 Cf. Walde (2006), 50 f. mit Sen. nat. 5, 18, 4; Roche (2009) ad loc.; Leigh (2009), 241–243; neben den dort ge­­nannten Stellen cf. Ps.-Caes. bell. Alex. 71 ff. zu Caesars celeritas. 14 Wenn etwa ein General als fulmen belli bezeichnet wird, ist das eine Ehre, cf. Lucr. 3, 1034; Verg. Aen. 6, 642 f. Die Scholiasten – zur Verwendung dieser Bezeichnung cf. z. B. die prägnanten Bemerkungen bei Bitto (2012), 13 f. – haben hier verschiedene Parallelen zu Vergil gesehen, ASL: 1, 174 ~ Aen. 2, 143; 1, 153 ~ Aen. 12, 875; CB: 1, 153 ~ georg. 1, 49, diese sind allerdings für die Interpretation der Stelle nicht ergiebig, Heitland (1887), cxi, erwähnt sie nicht, sondern nennt stattdessen 1, 144–145 ~ georg. 3, 84 und 1, 153 ~ georg. 1, 330–331. Für allgemeine poetische Reminiszenzen im Zusammenhang mit dem Blitz- bzw. Schnelligkeitsmotiv cf. Lebek (1976), 70; Leigh (2009), 242 f., insbesondere zu Achill. 15 Cf. Lebek (1976), 69 zu Lucans »Neutralität zwischen den beiden domini.«

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Caesars Ungeduld, uirtus nescia stare loco (144), erinnert an das ungestüme Pferd aus den Georgica, das sich vom Waffenklang mitreißen lässt: tum, si qua sonum procul arma dedere | stare loco nescit (georg. 3, 83 f.). Paul Roche hat darauf hingewiesen, dass diese Anspielung noch bekräftigt wird, wenn einige Verse später ein elisches Rennpferd als Symbol für Caesars Bürgerkriegseifer dient (1, 293 ff.).16 Während sich dort aber eine erschreckende Wirkung ergibt (nicht zuletzt wegen des Wagengleichnisses georg. 1, 512 ff.), ist es hier eine durchaus ehrende – noch.17 Der Kontext der genannten Georgica-Stelle betrifft die Pferdezucht, die richtige Auswahl der Tiere. Edel sind vor allem die spadices und die glauci,18 sie haben die Eigenschaft, bei Waffenlärm nicht ruhig bleiben zu können. Dies wird aber gesagt mit Blick auf die preiswürdige Erhabenheit gezähmter Pferde: talis Amyclaei domitus Pollucis habenis  | Cyllarus et, quorum Grai meminere poetae | Martis equi biiuges et magni currus Achilli. (georg, 3, 89 ff.). Über elische Pferde heißt es etwas später: ante domandum  | ingentis tollent animos, prensique negabunt | uerbera lenta pati et duris parere lupatis (georg. 3, 206 ff.).19 Vor diesem Hintergrund erscheint Caesars Ungezähmtheit (146) nicht nur als ein Mangel, sondern wirkt einstweilen auch großartig.20 Ähnlich verhält es sich mit dem Blitz, der die Völker erschreckt und in seine eigenen Tempel einschlägt (153 ff.). Dieses Bild, mit dem nicht nur die zerstörerische und selbstzerstörerische Kraft entfesselter Gewalt symbolisiert sein kann,21 sondern auch die Überlegenheit der Natur über den Menschen, lässt sich mit Hilfe der Georgica (und deren Beziehung zum Lehrgedicht des Lukrez) auf verschiedene Weisen begreifen. Zum einen ist mit dem Blitz die unumschränkte Macht Jupiters verbunden:22 ipse pater media nimborum in nocte corusca  | 16 Cf. Roche (2009) ad loc.; zu dem Pferdegleichnis cf. auch Blaschka (2015), 74–79. Wirksam dürfte in diesem Zusammenhang auch das Bild der Rennpferde bei Ennius (ann. 85V = 80Sk) sein, das als Gleichnis für das Augurium von Romulus und Remus verwendet ist. Dessen mittelbarer Ausgang, der Bruderkrieg, kann auf das Motiv zurückfallen. 17 Nicht nur die Pferdemotivik wird später relativiert, auch das Blitzgleichnis insgesamt, cf. 10, 34 ff. über Alexander: terrarum fatale malum fulmenque quod omnis | percuteret pariter populos et sidus iniquum | gentibus; zur Un­sternmotivik cf. von Albrecht (1970), 276 No. 1 mit Hom. Χ 25–32, dem Sterngleichnis für Achill; darüber hinaus Reitz (1996), 15–19 zu Ap. Rh. 1, 774 mit Ε 5 ff.; Λ 62 ff.; Χ 25 ff. 18 Zu den schwierigen Farbbezeichnungen cf. Erren (2003) ad loc. 19 Cf. Briggs (1980), 44–48 zur Bedeutung des Züchters, der das Pferd unter Kontrolle hat; mit georg. 3, 194: ceu liber habenas gegenüber dem Pferdegleichnis für Turnus Aen. 11. 492 ff.: qualis ubi abruptis fugit praesepia uin­clis … 20 Cf. auch Leigh (2009), 247, wenn auch in etwas anderem Zusammenhang: »we do indeed gain far greater aes­t hetic pleasure from the energy of Caesar or the machinations of Atreus than ever we do from the inertia of Pompey or the empty pieties of Thyestes.« 21 Cf. Nix (2008), 293; Roche (2009) ad loc. 22 Cf. Lebek (1976), 68 No. 102, zu Hom. Ν 242 ff.; Fantham (2003/2011) zu den Caesaris irae als »embodiment of the divine anger that overthrew the Roman Republic«; Nix (2008), 282 No. 6 u. a. zu Hom. Α 353 f., Aen. 1, 229 f.

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fulmina molitur dextra, quo maxima motu | terra tremit, fugere ferae et mortalia corda | per gentis humilis strauit pauor (georg. 1, 328 ff.). Insofern auf der panegyrischen Ebene des Gedichtes Augustus aber mit Jupiter verglichen bzw. als ihm identisch aufgefasst wird, ist der Blitz auch ein Symbol des princeps; in der Sphragis heißt es: Caesar dum magnus ad altum  | fulminat Euphraten bello uictorque uolentis | per populos dat iura uiamque adfectat Olympo (georg. 4, 560 ff.).23 Zum anderen kann der Blitz aber auch bloß ein Blitz sein; so steht es ebenfalls in den Georgica. Auf der didaktischen Ebene ist entscheidend, dass man den Schlag des Blitzes desto weniger zu fürchten braucht, je mehr man über ihn weiß und die ihn wie auch immer bewirkende Kraft versteht, anerkennt und gebührend verehrt: hoc metuens caeli mensis et sidera serua (georg. 1, 335).24 Die Verstehbarkeit des Blitzes vermindert allerdings nicht nur die Angst, sie nährt auch die Zweifel, die darüber bestehen können, wie Jupiter über die Menschen herrscht.25 Vergils Blitz liegen sowohl die überkommene religiöse Motivik als auch die Gedanken der epikureischen Naturphilosophie zugrunde.26 Beide Sichtweisen sind auch in Lucans Beschreibung wiederzufinden. Caesar wird zwar mit dem typischen Wirken Jupiters verglichen, aber das Natur­ philosophische scheint zu überwiegen; in sua templa furit (155) spielt auf die polemische, wohl bis auf Anaxagoras zurückgehende Frage an,27 warum Jupiters Blitz in seine eigenen Tempel einschlägt (Lucr. 6, 417–420).28 Bei Lukrez ist der Blitz nicht das Machtinstrument eines königlich herrschenden Gottes,29 sondern die Folge eines natürlichen Vorgangs, etwa – wie es auch in Lucans Gleichnis heißt: expressum uentis fulmen – des Streites der Elemente beim Zusammentreffen von heißer und kalter Luft: quorum utrumque opus est fabricanda ad fulmina nubi, | ut discordia 〈sit〉 rerum magnoque tumultu | ignibus et uentis furibundus fluctuet aër (6, 365 ff.). Folgt man diesem Gedanken, so scheint Caesar seine Kraft aus dem kosmischen Verhängnis zu beziehen, das zum Bürgerkrieg führt (1, 67 ff.). Für die revolutionäre Bedeutung Caesars ist es zudem wichtig, dass der Blitz, nicht etwa eine Gabe der Götter, als Ursprung des Feuers für Lukrez am Anfang der Kulturentstehung steht: fulmen detulit in terram mortalibus ignem (5, 1092). 23 Cf. Thomas (1988) ad loc.; Thomas (2001), 45–51; Nix (2008), 284 f. 24 Cf. Heyne / Wagner (41830) ad georg. 1, 331: humilis pauor; Thomas (1988) ad 1, 335; Mynors (1990) ad 1, 335–7. 25 Zur Ambivalenz Jupiters in den Georgica cf. Thomas (1988) ad georg. 1, 328 bzw. 1, 1–42; zur Beziehung zwi­schen Jupiter und dem princeps cf. auch Nappa (2005), 23–43. 26 Cf. Gale (2000), 69 f. 27 Cf. Leigh (2010), 162–165 mit Geffcken (1907). 28 Lucr. 6, 417 ff.: postremo cur sancta deum delubra suasque | discutit infesto praeclaras fulmine sedes | et bene facta deum frangit simulacra suisque | demit imaginibus uiolento uolnere honorem?, ähnlich Lucr. 2, 1101 ff. Cf. Roche (2009) ad 1, 155. 29 Ebenso wenig für Seneca, cf. Sen. nat. 2, 45; dazu Le Bonniec (1970), 175 f.

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Lucans blitzartiger Caesar könnte vieles sein: ein kräftiger, noch ungezähmter, aber doch erhabener Krieger, ein Günstling (oder ein Werkzeug) Jupiters, ein fortschrittlicher Mensch, der nicht abergläubisch angebetet werden will, ein feuriger Charakter, der die Gunst der Stunde zu nutzen weiß und den Willen zur Veränderung hat. Dies alles hat seine Berechtigung, und es ist bedeutsam, dass damit stets etwas Großartiges verbunden ist.30 Während er aber auf diese Weise zeigt, vieles über Caesar sagen zu können, benennt der Erzähler zugleich dennoch einen Charakterzug, der alldem entgegensteht und zugleich das ganze Bild dominiert. Im Stichsatz des Gleichnisses, unmittelbar bevor die Erklärung qualiter … einsetzt, heißt es: gaudensque uiam fecisse ruina (150) – zwar bewirkt er einen Fortschrit, aber mit Freude an der Zerstörung.31 Was immer Lucans Caesar ist, er ist eben auch ein Mensch, der mit Lust zerstört. Und so wenig diese Lust zum Wirken eines natürlich entstandenen Blitzes gehört, so sehr entspricht sie dem Wesen des Tyrannen.32 Das Gleichnis zeigt also Caesars beeindruckende blitzartige Kraft und doch auch weit mehr als das. Darauf folgt die für die allgegenwärtige Schuldfrage des Gedichts maßgebliche Erörterung der publica semina belli, Habgier und Sittenverfall (1, 158 ff.). Dann erst tritt Caesar selbst als handelnde Figur in Erscheinung. Oder besser: Er scheint bereits unvermerkt in die Handlung eingedrungen zu sein: iam gelidas Caesar cursu superauerat Alpis (183). Das Gebirge ist als erster Gegner bereits sang- und klanglos bezwungen, als er am Rubicon steht. Caesar ist der Angreifer und wendet sich gegen seine Heimat; sowie er verbotenermaßen auf den Feldern Hesperiens steht (224), bricht er Frieden, Recht und Eid. Auf seinem Weg nach Rom wird er immer wieder den Bauern gegenüberstehen, die auf ihrem Feld den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien erwirtschaften. Der Bürgerkrieg ist Caesars Krieg: Er ist derjenige, der den Frieden beendet, die Äcker verheert und ein ländlich-ruhiges, anscheinend traditionell römisches Leben bis auf weiteres unmöglich macht. Dieses Motiv erscheint in unterschiedlicher Ausgestaltung immer wieder:33 bei der Reaktion der Bewohner von Ariminum (1, 236 ff.), in der Rede des Laelius (1, 374 ff.), bei den Vorzeichen der Katastrophe (1, 468 ff.) und bei Caesars Marsch auf Rom (2, 439 ff.).

30 Zum Blitz als einem Inbegriff des Sublimen cf. Day (2013), 107–116. 31 Es ist bemerkenswert, dass sich Caesar und Pompeius gerade in ihren einigermaßen primitiven Freuden ähnlich sind, Pompeius liebt die Ehrbezeugung der Massen (plausuque sui gaudere theatri, 133, dazu cf. unten 157 f.), Caesar die Aggression, cf. Roche (2009) ad 1, 150, allgemein zur Gegenüberstellung der beiden Antagonis­ten cf. Lebek (1976), 69–71; Rosner-Siegel (1983). 32 Es ist aber entscheidend für Lucans Caesar, dass er nicht in jeder Hinsicht dem Prototyp des Gewaltherrschers entspricht. Zum Problem des Tyrannischen in Caesars Charakter, cf. Ahl (1976), 228–230. 33 Schönberger (21968), 37 benennt direkt ein Leitmotiv ›Caesar – Krieg‹.

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2.1.1 Rost auf den Waffen Die Ariminenser sind völlig überrascht von Caesars Übertretung des Rubicon. Plötzlich ist Krieg, niemand ist darauf vorbereitet, es gibt kaum Widerstand. Am Anfang des Bürgerkrieges steht kein Kampf, sondern eine Tatsache: Ariminum ist eingenommen. Von unmittelbarem individuellem Leid ist nichts gesagt; die Schrecken des Bürgerkrieges werden aber mit Hilfe eines beziehungsreichen Motivs dargestellt (1, 236–243): Constitit ut capto iussus deponere miles Signa foro, stridor lituum clangorque tubarum Non pia concinuit cum rauco classica cornu. rupta quies populi, stratisque excita iuuentus deripuit sacris adfixa penatibus arma 240 quae pax longa dabat: nuda iam crate fluentis inuadunt clipeos curuataque cuspide pila et scabros nigrae morsu robiginis enses.

Als die Soldaten, wie befohlen, die Feldzeichen aufs eingenommene Forum stellten, da erscholl das Kreischen der Zinke und der Klang der Tuben zusammen mit den rauen Hörnern zu einer verbrecherischen Fanfare. Die Ruhe des Volks ist zerrissen, die wehrfähigen Männer schrecken vom Lager hoch, die Waffen, die sie während des langen Friedens den heiligen Penaten aufgehängt hatten, reißen sie herab, sie stürzen sich auf zerfallende Schilde, deren Geflecht bloßliegt, auf Spieße mit verbogenen Spitzen, auf Schwerter, die rau sind vom Biss des schwärzlichen Rosts.

Die hier endende Friedenszeit scheint so lange gedauert zu haben, dass Kriegsfanfaren geradezu unbekannt waren, wie im sagenhaften saturnischen Italien.34 Namentlich die rostigen Waffen rufen diese Assoziation hervor. Im Finale des ersten Georgica-Buches heißt es über die zwar noch in der Zukunft liegende, aber mit Gewissheit erwartete Zeit, wenn auf den mit Blut gedüngten pharsalischen Feldern wieder ein Bauer arbeitet: exesa inueniet scabra robigine pila | aut grauibus rastris galeas pulsabit inanis  | grandiaque effusis mirabitur ossa sepulcris (georg. 1, 495 ff.).35 Was eigentlich für Verfall und Zersetzung steht, der Rost,36 bezeichnet hier Aufstieg und Entwicklung: Die Waffen sind mittlerweile unbrauchbar, der Bürgerkrieg ist längst vergangen. Das ist die Vision. Ein zu-

34 Hierzu cf. auch Zientek (2014), 57–59 zur quies. Die Kriegstrompete ist ein suggestives Motiv, cf. georg. 2, 539: necdum etiam audierant inflari classica. Darüber hinaus: Aen. 7, 615; Prop. 3, 3, 41. 35 Cf. Roche (2009) ad loc. über georg. 1, 495: »locus classicus of civil war literature«, zu Tradition und Rezeption dieser Motivik cf. Heyne / Wagner (41830) ad loc.; Lebek (1976), 126 mit No. 33 denkt v. a. an Bakchyl. fr. 4, 31 ff.; Tibull. 1, 1, 4; 1, 10, 49 f. sowie Hom. χ 184 ff.; Ov. fast. 4, 925 ff.; wichtig auch Prop. 1, 22; ecl. Eins. 2, 30 f.: tardoque puer domifactus aratro | miratur patriis pendentem sedibus ensem. Dazu cf. unten 305 ff. 36 Zur Rostmotivik allgemein cf. Evans (2008), 130–188.

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künftiger Landmann wird mit den verrosteten Waffen nichts anfangen können. Er besitzt andere Werkzeuge, die rastra, die wird er glänzend und scharf halten. Die Knochen, die er findet, scheinen ihm groß, er staunt darüber. Das Bild schwebt zwischen Bewunderung der Größe vergangenen Heldentums und Verwunderung über die Hinterlassenschaften aus früheren Zeiten.37 Die Bauerngeneration, die dann in Emathien pflügt, wird den Bürgerkrieg nicht mehr selbst erlebt haben. An dieses Bild schließt Vergil ein sehr skeptisches Friedensgebet an:38 hunc saltem euerso iuuenem succurrere saeclo | ne prohibete […] tam multae scelerum facies, non ullus aratro | dignus honos, squalent abductis arua colonis, | et curuae rigidum falces conflantur in ensem (500 f., 506 ff.). Lucan greift das Motiv der rostigen Waffen auf, bereichert es um die Anspielung auf Hesiods Bild von den ›Rudern im Rauch‹,39 kehrt es aber schließlich um: Der Rost, der die Waffen unbrauchbar macht, ist zwar immer noch ein Zeichen für den Frieden (pax longa dabat40), aber dass er bemerkt wird, bezeugt nun das Ende des Friedens. Was für den vergilischen Bauern unbedeutend oder gar erfreulich war, ist für die Männer von Ariminum erschreckend: Sie werden sich mit diesen Waffen nicht verteidigen können. Die Anspielung bewirkt also zweierlei. Zunächst erscheinen die Ariminenser so friedliebend und unkriegerisch wie die Bauern zukünftiger Zeiten bei Vergil. Wenn Caesar sie nun überrennt, ist dies eine Gewalttat gegenüber Wehrlosen.41 Indem aber nicht nur die rostigen Waffen aus einer früheren Zeit stammen, sondern auch das literarische Motiv, dessen sich der Dichter bedient, eröffnet die Anspielung die Perspektive auf die Reziprozität von Bellum Ciuile und Georgica: Die Leser können hier gleichermaßen das historische Verhältnis der verschiedenen Gedichte wie auch der in ihnen jeweils behandelten Vorstellungen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft betrachten. Hierbei ergeben sich sehr reizvolle Kontraste. Zum einen: Was in der älteren Literatur ein wünschenswerter Gedanke war, stumpfe Schwerter, ist in Lucans Ariminum zwar Realität, aber unerwünscht. Das Bild der aufgehängten, 37 Zur Mehrdeutigkeit des Bildes cf. Heyne / Wagner (41830) ad loc. 38 Zu der Passage cf. Klingner (1963), 58–60; Thomas (1988) ad 1, 512–514; Lyne (1974/ 1999). 39 Das behagliche, aber von den Göttern verhinderte Leben, wo Krieg und Seefahrt nicht nötig sind, Hes. op. 42 ff.: κρύψαντες γὰρ ἔχουσι θεοὶ βίον ἀνθρώποισιν· | ῥῃδίως γάρ κεν καὶ ἐπ᾽ ἤματι ἐργάσσαιο, | ὥστε σε κεἰς ἐνιαυτὸν ἔχειν καὶ ἀεργὸν ἐόντα· | αἶψά κε πηδάλιον μὲν ὑπὲρ καπνοῦ καταθεῖο, | ἔργα βοῶν δ᾽ ἀπόλοιτο καὶ ἡμιόνων ταλαεργῶν. 40 Der Frieden ist keine Zeit des Verfalls oder der Verweichlichung, cf. Roche (2009) ad loc. 41 Die Klage, so oft von Feinden heimgesucht zu werden (248 ff.), betrifft kaum das eigene Erleben der Leute. Die genannten Kriege (gegen Hannibal, gegen die Kimbern und Teutonen) liegen über fünfzig bzw. einhundertfünfzig Jahre zurück, dennoch erscheinen die Ariminenser als Opfer. Der Erzähler legt Wert darauf, das Empfinden der Menschen in Abhängigkeit der auf sie wirkenden Geschichte(n) darzustellen; die Macht des Erzählens wird hieran veranschaulicht. Zur psychologischen Dimension dieser Passage cf. Schrijvers (1988).

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an frühere Kämpfe erinnernden, von nun an jedoch unnötigen Waffen ist selbst gewissermaßen verrostet. Insofern die Männer wünschen können, ihre Schwerter wären in besserem Zustand, endet nicht nur der Frieden, sondern auch ihre Friedlichkeit: Vielleicht waren sie bisher Bauern, nun müssen sie Soldaten werden, um sich gegen den Feind zu wehren, der sie angreift. Zum anderen liegt aber das von Lucan Erzählte zeitlich vor dem Moment, an dem die Georgica einsetzen. Der hoffnungsvolle Blick auf rostige Waffen ist für Ariminum gleichzeitig nicht mehr und noch nicht relevant. Mit dieser chronologischen Mehrdeutigkeit werden die Leser alleingelassen; sie wird ihnen aber noch häufiger begegnen. Zum Einsatz gelangen die rostigen Waffen letztlich nicht. Als man erkennt, wer da kommt, wagt niemand mehr Widerspruch, alle behalten ihren Unmut für sich (244 ff.): still wie im Winter, wenn alle Vögel schweigen und das Meer unbewegt liegt. Hat man zu schnell aufgegeben? Caesar bricht zwar den Frieden und stellt ihn auf seine Weise, indem er schließlich weitermarschiert, wieder her. Der Krieg aber hat begonnen.42

2.1.2 Das Versprechen des Laelius Curio eilt Caesar entgegen und teilt ihm mit, er brauche sich keine Hoffnungen auf einen Triumph zu machen, der Schwiegersohn habe Befehl, den Schwiegervater von der Königsherrschaft abzuhalten; teilen könne Caesar die Macht nicht, nur allein haben, wenn er sich Roms alsbald bemächtige (1, 286–291).43 Die vom Erzähler nicht im Einzelnen referierte Vorgeschichte ist die Forderung der Caesargegner im Senat, Caesar solle seine Truppen entlassen, woraufhin dieser erklären ließ, er werde sein Feldherrenamt niederlegen, wenn Pompeius seinerseits dasselbe tue.44 Es ist davon auszugehen, dass Caesar nicht die Absicht hatte, seinen Gegnern in irgendetwas nachzugeben.45 So wird es an dieser Stelle auch erzählt: Caesar, der ohnehin zum Krieg neigte (1, 290–295), findet in Curios Bericht einen willkommenen Grund zum Angriff auf die Stadt. Hier erscheint das bereits erwähnte Pferdegleichnis, das an die Georgica-Reminiszenz in 1, 144 f. anknüpft. Caesars Zorn wird entflammt: quantum clamore iuuatur | Eleus sonipes, quamuis iam carcere clauso | inmineat foribus pronusque repagula 42 Lebek (1976), 124–127 weist in seiner Analyse der Passage darauf hin, dass das Schweigen der Menschen dem der »Untertanengruppe in ihrem Verhältnis zu ihren Herren« gleiche, wobei nicht zunächst die Tatsache proble­matisiert werde, dass Caesar ein Herrscher ist, sondern dass er als Friedensstörer ein Gewaltherrscher ist. 43 Zu Gaius Scribonius Curio cf. Meier (31993), 408–419; zu Lucans Curio cf. Ahl (1976), 82–99; Roche (2009), 233–235. 44 Cf. Ps.-Caes. Gall. 8, 52; Caes. civ. 1,1 ff.; Vell. 2, 48 f.; App. civ. 2, 30 ff.; Cass. Dio 40, 60–66; 41, 1–5. 45 Cf. Meier (31993), 416.

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laxet (293 ff.). Wenn dieses Pferd nicht gezähmt ist, wird es auf den Lenker nicht hören. Die Situation, die hier beschrieben wird, entspricht dem Moment unmittelbar vor dem Losbrechen des nunmehr unbeherrschbaren Gespanns, das am Ende des ersten Georgica-Buches steht: et frustra retinacula tendens | fertur equis auriga neque audit currus habenas (georg. 1, 513 f.).46 Die Ereignisse nehmen unaufhaltsam ihren Lauf. Caesar hält sogleich eine große Ansprache an seine Truppen und fragt die Soldaten, ob sie sich, angesichts ihrer langjährigen Verdienste, von Pompeius, der ein Tyrann sei, ungerecht behandeln lassen wollten.47 Hier werden zwar die Georgica, im Gegensatz zur Aeneis,48 nicht direkt aufgerufen, aber sowohl die Rede Caesars als auch die darauffolgende des Laelius betreffen den größeren motivischen Zusammenhang, für den die Georgica generell als Referenztext wirken: die Wende vom Frieden zum Krieg und Caesars Umgang mit der Heimat und dem heimatlichen Ackerboden. Caesar fragt (1, 344–349): ›quae sedes erit emeritis? quae rura dabuntur quae noster ueteranus aret, quae moenia fessis? 345 an melius fient piratae, Magne, coloni? tollite iam pridem uictricia tollite signa: uiribus utendum est quas fecimus. arma tenenti omnia dat, qui iusta negat.‹

›Wo sollen die verdienten Soldaten wohnen? Welche Äcker, dass unsere Veteranen sie pflügen können, welche Mauern gibt man den Müden? Magnus, werden besser Piraten zu Siedlern? Auf, erhebt die so lang schon siegreichen Feldzeichen. Die Macht, die wir schufen, müssen wir nutzen. Wer einem, der Waffen trägt, seinen rechtmäßigen Anteil verweigert, gibt ihm alles.‹

Was Caesar seinen Soldaten mit seinen rhetorischen Fragen in Aussicht stellt, ist spätestens seit der Zeit Sullas das übliche Entgelt für ausgediente Legionäre.49 Wenn Caesar als blitzgleicher Feldherr das Land mit Freuden verheert, Pompeius gerade Ähnliches vorwirft (›quid iam rura querar totum suppressa per orbem  | ac iussa seruire famem?‹, 318 f.50) und hier nun mit höchstem Pathos einen als ländlich-genügsam bemäntelten Lohn einfordert, dürfte das dem 46 Cf. Roche (2009) ad loc. 47 Cf. auch unten, 62 ff. 48 Die drei Aeneis-Anspielungen 1, 345; 366 und 388 ff. sind schon in den Scholien gesehen worden und gehören zweifellos zu den bedeutenderen Vergil-Allusionen im Epos. 49 Cf. Schneider (2002): Caesar selbst hat im Jahr 59 ein entsprechendes Agrargesetz für die Veteranen des Pom­peius durchgesetzt. Insofern die Landzuweisungen mit Enteignungen verbunden sind, kann man hier an Vergils erste oder neunte Ekloge denken. Um sein Versprechen wahrzumachen, muss Caesar also in das Gefüge des itali­schen Landlebens eingreifen. – Zur Anspielung auf die von Pompeius mit Land versorgten kilikischen Piraten cf. Roche (2009) ad loc. sowie unten 209 mit No. 190. 50 Die Anschuldigung, Pompeius habe, als ihm die cura annonae oblag, Getreide unterschlagen, geht zurück auf Clodius, cf. Getty (1940) ad 1, 318 mit Cic. Q. fr. 2, 3, 2. Beweise scheint es dafür nicht zu geben, cf. Roche (2009) ad loc. (Milo ist irrtümlich als Urheber der Beschuldigung genannt).

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Geschäft des Krieges entsprechen und desavouiert Caesar nicht besonders. Aber die Wendung moenia fessis erinnert ausdrücklich daran, wie Aeneas zu Apollo betet: ›da proprium, Thymbraee, domum; da moenia fessis‹ (Aen. 3, 85).51 Es scheint, als wolle Caesar die Mission seines Ahnherrn für sich und sein Haus vereinnahmen. Aber er kennt die Aeneis nur metaleptisch; ›realistisch‹ gesehen ist es bloß Zufall, wenn er dieselbe Wendung benutzt wie später Vergils Aeneas. Caesar hat nicht die Autorität eines ›pro-caesarianischen‹ Interpreten. Die Leser müssen nicht akzeptieren, dass Caesar die Aeneis überhaupt auf sich zu münzen und insofern zu entwerten vermag. Für sie kann er, wenn er Rom angreifen will, das ganze Gegenteil des pius Aeneas sein, den Vergil besungen hat.52 Aus Sicht der Legionäre dürfte freilich etwas ganz anderes problematisch sein. Will Caesar überhaupt, dass die Forderung erfüllt wird, braucht er nicht eigentlich nur einen Vorwand, um Bürgerkrieg führen zu können? Ob und wann die Soldaten jemals in den Genuss eigenen Landbesitzes kommen werden, ist, wenigstens in diesem Moment, sehr unsicher.53 Um zu beteuern, dass er nichts Unrechtes tun wird, erklärt Caesar sogar, anscheinend nicht darauf achtend, dass er zu seinen Soldaten, nicht zum römischen Senat spricht: ›nec numina derunt; | nam neque praeda meis neque regnum quaeritur armis: | detrahimus dominos urbi seruire paratae‹ (349 ff.). Was heißt das? Die Männer, die so lange Kriegsdienst geleistet haben und nun ›schützender Mauern‹ bedürftig sind, sollen widerrechtlich nach Rom ziehen und die Stadt von der Herrschaft des Pompeius befreien, aber Beute, aus der sie entschädigt werden könnten, soll dabei nicht gemacht werden? Caesars Worte mögen für die Legionäre widersprüchlich und unglaubwürdig gewesen sein,54 man bricht jedenfalls nicht sofort in Jubel aus, um den von Caesar gewünschten Marsch auf Rom zu verlangen: dixerat; 51 Cf. ASL ad loc. 52 Cf. Roche (2009) ad 1, 345: »Caesar once again plays Aeneas to his troops (229n.) and is, once again, exposed by his invasion of Italy as the antithesis of his would-be paradigm.« Zu dem Phänomen, dass Lucans Caesar ge­w issermaßen die Aeneis noch nicht gelesen haben kann, während er gleichzeitig ohne sie nicht existieren könnte cf. z. B. Tesoriero (2005), 204 f. Man kann hier vielleicht den Begriff ›Interfiguralität‹ fruchtbar machen, cf. Ambühl (2015), 23 mit Müller (1991). 53 Die Rede, die in Caes. civ. 7 wiedergegeben ist, enthält lediglich die Forderung, Caesars dignitas zu verteidigen; von Landvergabe ist überhaupt nicht die Rede. Cf. 1, 264 f.: iustos Fortuna laborat | esse ducis motus et causas in­uenit armis. Tatsächlich werden die Soldaten Caesars sehr viel Geduld brauchen, cf. 4, 382 ff., und anlässlich der Meuterei werden sie sagen: ›tot mihi pro bellis bellum ciuile dedisti‹ (5, 269). 54 Sueton berichtet über die Rede, die Caesar nach der Ankunft der Volkstribune hielt, es sei dabei der falsche Eindruck entstanden, Caesar wolle seine Legionen mit der Ritterwürde belohnen, Iul. 33: atque ita traiecto exer­citu, adhibitis tribunis plebis, qui pulsi superuenerant, pro contione fidem militum flens ac ueste a pectore discissa inuocauit. existimatur etiam equestres census pollicitus singulis; quod accidit opinione falsa. nam cum in adlo­quen­do adhortandoque saepius digitum laeuae manus ostentans adfirmaret se ad satis faciendum omnibus, per quos dignitatem suam defensurus esset, anulum quoque aequo animo detracturum sibi, ex-

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at dubium non claro murmure uulgus | secum incerta fremit (352 f.). Vor allem schwanken die Männer zwischen Schamgefühl gegenüber der Heimat, solda­ tischer Leidenschaft und Angst: pietas patriique penates | quamquam caede feras mentes animosque tumentes | frangunt; sed diro ferri reuocantur amore | ductorisque metu (1, 353 ff.). Erst die Rede des Primipilus Laelius verschafft Caesar die nötige Zustimmung. Laelius sagt (1, 374–386): ›[…] per signa decem felicia castris perque tuos iuro quocumque ex hoste triumphos, 375 pectore si fratris gladium iuguloque parentis condere me iubeas plenaeque in uiscera partu coniugis, inuita peragam tamen omnia dextra; si spoliare deos ignemque inmittere templis, numina miscebit castrensis flamma monetae; 380 castra super Tusci si ponere Thybridis undas, Hesperios audax ueniam metator in agros. tu quoscumque uoles in planum effundere muros, his aries actus disperget saxa lacertis, 385 illa licet, penitus tolli quam iusseris urbem, Roma sit.‹

›Bei den glücklichen Feldzeichen deiner zehn Kriege, bei deinen Triumphen gleich gegen welchen Feind schwöre ich: Wenn du mir befiehlst, das Schwert in die Brust meines Bruders oder in den Hals meines Vaters zu stoßen oder in den schwangeren Leib meiner Frau – ungern zwar, aber dennoch wird meine Rechte all das ausführen; und sei es, die Götter zu berauben, Feuer auf Tempel zu werfen: die Flamme unserer Militärmünze wird Gottheiten schmelzen lassen; und sei es, an den Fluten des tuscischen Tiber ein Lager zu errichten: Unerschrocken werde ich die Äcker Hesperiens vermessen. Welche Mauern auch immer du dem Erdboden gleichmachen willst, meine Arme werden den Rammbock stoßen, der die Steine zermalmt, selbst wenn die Stadt, die du restlos zu vertilgen befiehlst, Rom ist.‹

Was Laelius hier schwört und anschaulich ausmalt, ist weitaus verbrecherischer als Caesars omnia dat, qui iusta negat.55 Aber auf ihn reagieren die Soldaten mit Zustimmung und geben zusammen mit ihm das Versprechen, alles, was in Rom heilig ist, niederzuwerfen: his cunctae simul adsensere cohortes | elatasque alte, quaecumque ad bella uocaret, | promisere manus (386 ff.). Wer dieser Laelius ist, bleibt unklar;56 ein Abenteurer vielleicht, der alles auf Caesars Erfolg setzt, ein Besessener, der geradezu verliebt an ihm hängt,57 oder ein wesensverwandter trema contio, cui facilius erat uidere contionantem quam audire, pro dicto accepit, quod uisu suspicabatur; promissumque ius anulorum cum milibus quadringenis fama distulit. Die falsch verstandene Geste dürfte zur Motivierung der Zuhörer aber nützlich gewesen sein. 55 Zur Motivik der Sieben gegen Theben, die hier, insbesondere hinsichtlich der angedrohten Verbrechen wie Tem­pelschändung und Verwandtenmord wirksam ist, cf. Ambühl (2015), 211–223. 56 Dafür, dass Laelius als frei erfundene Figur zu verstehen ist und als absolutes Gegenbild zu Ciceros philosophi­schem Laelius aus dem gleichnamigen Dialog gewissermaßen das Prinzip des Verbrechens gegen die pietas ver­körpert, cf. Leigh (2016); etwas anders Fantham (2010), 61. 57 Cf. Leigh (1997), 203–210; Roche (2009), 261 f.

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Helfershelfer, der sagt, was Caesar hier nicht sagen kann oder will.58 Seine Zuversicht scheint unbeirrbar, er ruft: ›usque adeo tam miserum est ciuili uincere bello?‹ (366). Das ist genauso überheblich wie Caesars Beschwörung schützender Mauern und genauso finden die Leser hierin eine ironische Spannung, wenn sie nämlich dabei an Turnus’ trotzig-heldenmütige Worte aus dem letzten AeneisBuch denken: ›usque adeone mori miserum est?‹ (Aen. 12, 646).59 Laelius, der Propagandist, hat keine echte Opferbereitschaft. Er verspricht den durch Verbrechen zu erringenden Sieg, ohne im Geringsten die Gefahr des Untergangs zu erwähnen. Beachtenswert ist zudem, dass Laelius’ Schwur zweigeteilt ist: Zunächst nennt er die Verbrechen gegen die eigene Familie, danach die Verbrechen gegen den Staat, das Gemeinwesen und die Staatsgötter. Besonders an die erstgenannten scheinen seine Kameraden gedacht zu haben, als sie Caesars Rede nur mit unbestimmtem Brummen beantworteten (353 ff.). Da die Legionäre Caesar ohnehin fürchten, müssen wohl nur die Bedenken hinsichtlich der familiären pietas zerstreut werden, um eine Entscheidung herbeizuführen. Das Gelöbnis, den Bruder, die Eltern, die schwangere Gattin zu ermorden, leistet Laelius aber mit einer wichtigen Einschränkung: ›inuita peragam tamen omnia dextra‹ (390), ungern wird er den Befehl ausführen. Desto mehr, kann das heißen, wird dieser auf Caesar zurückfallen. Das Versprechen hingegen, wenn gewünscht, die Tempel zu berauben und die Reichtümer der Militärmünze zuzuführen, am Tiberufer ein Lager zu errichten60 und schließlich Rom zu zerstören, kann Laelius viel leichter und viel suggestiver geben. Der Vers ›Hesperios audax ueniam metator in agros‹ (382) fasst all das zusammen: In Italien sollen die Grenzen neu gezogen werden. Gewiss nicht nur, um vorübergehend ein Feldlager zu errichten.61 Man hört förmlich einen aduena sagen: ›haec mea sunt; ueteres migrate coloni‹ (Verg. ecl. 9, 4). Caesar hatte ein Interesse an Beute und Königsherrschaft geleugnet, Laelius gelobt und fordert genau das: tyrannische Grausamkeit (wobei eben der Tyrann die dazugehörige Verantwortung trägt) und Neuverteilung des Besitzes (die den Feinden schadet und den Freunden, also den Soldaten, nützt). Das ist eine Garantie für beide Seiten; daraufhin versprechen die Soldaten ihre Gefolgschaft.62 Was in Caesars Bellum Ciuile schlicht als Zustimmung der Soldaten vermerkt ist 58 Zu Caesars teils paradoxen Erwerbsabsichten und finanziellen Erwägungen cf. Coffee (2009), 145–151. 59 Cf. ASL ad loc.; Roche (2009) ad loc. 60 Am Tiberufer ein Lager aufzuschlagen, um Rom zu bekämpfen (und einem Alleinherrscher an die Macht zu verhelfen), ist die exemplarische Tat des Königs Porsenna, cf. Liv. 2, 9 ff. 61 Cf. Roche (2009) ad 1, 382; metator hat hier die Konnotation des organisierten und erlaubten Plünderns; zur Absicht der Soldaten, Rom zu verwüsten und auszurauben cf. 7, 752 ff. 62 Cf. auch 5, 305 ff. zur Habgier der Soldaten und der daraus erwachsenden Möglichkeit, sie zu manipulieren.

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(conclamant legionis xiii, quae aderat, milites […] sese paratos esse imperatoris sui tribunorumque plebis iniurias defendere, civ. 1, 7, 8), wird hier als schimpflicher Entscheidungsprozess ausgedeutet. Im Proöm hat der Erzähler die Habgier des römischen Volkes als Kriegsursache benannt: quod suasisset egestas, | uile nefas (1, 173 f.); dies wird hier mit Laelius’ Schwur, der Caesar Gefolgschaft und den Legionären einen Anführer verspricht, in allen Einzelheiten vorgeführt.63 Die assensio der Soldaten klingt bei Lucan schließlich wie das Knacken eines Baumes, der dem Wind nachgeben muss: it tantus ad aethera clamor, | quantus […] curuato robore pressae | fit sonus aut rursus redeuntis in aethera siluae (388 ff.)  – ein weiteres Mal ist für die Leser eine bedeutende Aeneis-Stelle als scharfer Kontrast aufgerufen: Die Soldaten lassen sich umstimmen, wo sie, wie der eichenhafte Aeneas gegenüber Dido, besser standhaft geblieben wären: Alpini Boreae nunc hinc nunc flatibus illinc | eruere inter se certant; it stridor, et altae | consternunt terram concusso stipite frondes; | ipsa haeret scopulis (Aen. 4, 442 ff.).64

2.1.3 Die Vorzeichen Die Kunde von Caesars Vormarsch verbreitet Angst und Schrecken (1, 468 ff.). Dazu kommen noch ungünstige Vorzeichen; und zwar, wie der Erzähler sagt, damit niemand Hoffnungen auf einen guten Ausgang der Sache zu hegen brauche: tum, ne qua futuri | spes saltem trepidas mentes leuet, addita fati | peioris manifesta fides, superique minaces | prodigiis terras inplerunt, aethera, pontum (523 ff.). Unter anderem zucken Blitze am heiteren Himmel (1, 530), Unglücksvögel fliegen (558), wilde Tiere kommen des Nachts nach Rom (560), das Vieh beginnt mit menschlicher Stimme zu sprechen (561), Waffengeklirr ist zu hören (569), Geister erscheinen (570): Die Passage ist deutlich an das Finale des ersten Georgica-Buches angelehnt.65 Die Wunder erscheinen sozusagen insbesondere Lucans Lesern. Wer, nachdem die Stadt verlassen ist (510 ff.), die Zeichen überhaupt sieht und die Prophezeiungen von Arruns, Figulus und der Matrone hört,

63 Zur »Neigung der Caesarianer […], sich manipulieren zu lassen und sich der Macht des Anführers auszuliefern«, cf. Gall (2005), 100–102. 64 Cf. ASL ad loc.; Roche (2009) ad 1, 391; überdies auch Blaschka (2015), 309 mit Lucan. 2, 453 ff. 65 Gemäß der oben angegebenen Reihenfolge: georg. 1, 487; 470; 485 f.; 478 f.; 474; 477; cf. ASL ad 1, 547; 554; 557; 558; 560; 562; 569; 570; CB ad 1, 545; 561; Roche (2009) ad locc. Auf der strukturellen Ebene des Werkes ergibt sich hiermit für die Leser, dass, wie auch die Anfänge, die Enden der ersten Bücher der Georgica und des Bellum Ciuile aufeinander bezogen werden können. Um die Georgica als einen maßgebenden Referenztext des Epos zu kennzeichnen, ist das von entscheidender Bedeutung. Zu der Passage cf. Badalí (1977). Gemeint ist bei Vergil freilich der ›zweite‹ Bürgerkrieg, der schließlich das zweite Mal die emathischen Felder mit Blut tränken sollte, cf. georg. 1, 489 ff.

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ist schwer zu bestimmen.66 Die Frage, ob die Erscheinungen für die Römer lediglich eine Vorhersage göttlichen Verhängnisses darstellen oder aber eine Warnung und den Aufruf zur Verhinderung des Krieges, muss also ins Leere laufen.67 Sie ist, ex post, auch uninteressant. Die menschliche Schuld am Bürgerkrieg kann allerdings anderweitig festgestellt werden. Aus den hier zu bemerkenden intertextuellen Bezügen ist, was Caesar betrifft, vor allem ein Umstand interessant. In den Georgica heißt es, die Wunderzeichen seien nach Caesars Tod zu beobachten gewesen: [Sol] etiam exstincto miseratus Caesare Romam, | cum caput obscura nitidum ferrugine texit | impiaque aeternam timuerunt saecula noctem (georg. 1, 467 ff.). Bei Lucan erscheinen sie, als Caesar nach Rom kommt und Pompeius flieht (521 f.). Bemerkenswert sind die Himmelszeichen, die jeweils zusammen mit Blitzen auftreten: non alias caelo ceciderunt plura sereno fulgura nec diri totiens arsere cometae. (georg. 1, 487–488)

Zu keiner anderen Zeit fielen mehr Blitze aus heiterem Himmel, nie brannten so oft grauenvolle Kometen.

ignota obscurae uiderunt sidera noctes ardentemque polum flammis caeloque uolantes obliquas per inane faces crinemque timendi sideris et terris mutantem regna cometen. fulgura fallaci micuerunt crebra sereno,530 et uarias ignis denso dedit aere formas, nunc iaculum longo, nunc sparso lumine lampas. (Lucan. 1, 526–532)

Die dunkle Nacht sah unbekannte Sterne, sah das Firmament brennen von Feuer, Lichter im Bogen über den Himmel durch die Leere fliegen, den Schweif eines furchterregenden Sternes, einen Kometen, der die Herrschaft auf der Erde veränderte. Unentwegt zuckten Blitze aus trügerischer Heiterkeit, und in der dichten Luft nahm das Feuer zahlreiche Formen an, bald war das Licht länglich, glich einer Lanze, bald sprühte es Funken und war eine Fackel.

Zwar wird in den Georgica in der traditionellen, unheilverheißenden Weise von diri cometae gesprochen,68 dennoch fällt es nicht schwer, hierbei gerade auch an das berühmte sidus crinitum zu denken,69 den Kometen, der während der Leichenspiele für Caesar erschien und vom Volk angeblich als Zeichen dafür verstanden wurde, dass Caesars Seele in die Reihen der Götter aufgenommen wurde.70 Dass im Bellum Ciuile ebendieser Komet gemeint sein soll, legen zum 66 Zwar ist von einer pauida plebs die Rede (1, 673), cf. aber Roche (2009) ad 1, 584. 67 Der Erzähler scheint das zu bestätigen, wenn er zu Beginn des nächsten Buches das Problem des Zufälligen anspricht und somit die Ausdeutung der Zeichen bezweifelt (2, 7–12). Gleichzeitig bittet er aber: liceat sperare timenti (2, 15) und spricht damit die Perspektive wie auch die aus Hoffnung sich ergebende Verantwortung jedes Einzelnen an. 68 Hierzu cf. z. B. Cic. cons. suo fr. 2, 15. 69 Cf. Ramsey / Licht (1997), 63 No 7; 135 No. 2; Erren (2003) ad georg. 1, 488. – Ovid erzählt vom Aufstieg der See­le Caesars: met. 15, 843. 70 Cf. Plin. nat. 2, 93–94 [= Augustus de uita sua fr. 6 (Malcovati)]; Sen. nat. 7, 17, 2; Suet. Iul. 88.

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einen die im unmittelbaren Kontext genannten Worte sereno und fulgura nahe, die wie bei Vergil am Versende bzw. -anfang stehen; zum anderen kann die unbestimmte Andeutung über die regna so verstanden werden.71 Gleichzeitig ist aber aus dem historischen Zusammenhang unmittelbar evident, dass dieser Komet gerade nicht gemeint sein kann: Der besagte Komet erschien nicht im Jahr 49, sondern im Jahr 44.72 Der Schluss, der sich in beiden Fällen ergibt, ist trotzdem derselbe: Die Erscheinung beweist nicht Caesars Göttlichkeit. Nur ist dies entweder trivial, weil der Komet fünf Jahre zu früh ist, oder aber subversiv, weil hier Zweifel am Wesen des sidus Iulium und schließlich an der Göttlichkeit Caesars aufkommen konnten. Man hat darauf hingewiesen, dass die ominösen Blitze, die Caesars Vormarsch begleiten, auf das Gleichnis 1, 143 ff. zurückdeuten:73 Plötzlich wie ein Blitz wird Caesar in Rom erscheinen, um dort allgemeines Entsetzen zu verbreiten. Auffällig ist insbesondere, dass der Tempel des Iuppiter Latiaris getroffen wird.74 Während aber im Gleichnis der Blitz für Caesars eigenen Willen stand (impellens quidquid sibi summa petenti | obstaret, 149 f. ~ nullaque exire uetante materia […] dat stragem, 155 ff.), ist das hier nicht der Fall. Caesar löst die Blitze nicht aus, auch nützen sie ihm nicht. Vielmehr sollen sie vor ihm warnen: superique minaces | prodigiis terras implerunt aethera, pontum (1, 524 f.), iamque irae patuere deum manifestaque belli | signa dedit mundus (2, 1 f.). So werden die Zeichen durch den Sterndeuter Figulus zwar auch interpretiert, dennoch besteht für ihn zunächst ein Zweifel: ›aut hic errat‹ ait ›nulla cum lege per aeuum | mundus et incerto discurrunt sidera motu, | aut, si fata mouent, urbi generique paratur | humano matura lues‹ (642 ff.).75 Auch wenn Figulus schließlich die Schrecken des Bürgerkrieges und die kommende Monarchie prophezeit, bleibt doch, jedenfalls für die Leser, die Frage, was die göttlichen Zeichen genau bedeuten sollen oder ob sie überhaupt etwas bedeuten können. Die Blitze schlagen in Jupiters Kultstätten ein – der lukrezische Beweis gegen abergläubische Gottesvorstellungen war im Gleichnis bereits angeklungen. So scheint das Zucken der Blitze nicht nur vor Caesars energischem Streben nach Macht zu warnen, sondern auch vor einer ›Tatenlosigkeit‹ der Götter, 71 Zu dem Motiv, dass Kometen die Herrschaftsverhältnisse ändern, cf. Ramsey / Licht (1997), 135 No. 3; Roche (2009) ad loc.; Lucan scheint es begründet zu haben. 72 Plinius berichtet ohne nähere zeitliche Bestimmung von einem Kometen zur Zeit des Bürgerkrieges zwischen Pompeius und Caesar, Plin. nat. 2, 92; dazu cf. auch Gagliardi (1989) ad 1, 529. – Seneca erklärt, dass die Erschei­nungen, von denen zu verschiedenen Zeiten berichtet wurde, nicht dieselben sind, cf. Sen. nat. 7, 17, 2. Aus der Stelle geht auch hervor, dass Kometen naturwissenschaftlich erklärt worden sind. 73 Cf. Rosner-Siegel (1983), 170; Nix (2008), 289–292; Roche (2009) ad 1, 533–4. 74 Cf. Nix (2008), 288–291; Leigh (2010), 161–165. 75 Ähnlich zweifelnd äußert sich der Erzähler 2, 4 ff.; zur Verbindung von 1, 642 ff., 2, 4 ff. und 7, 445 ff. cf. Baier (2010), 117–119, sowie allgemein Fantham (1992), ad. 2, 7–12; Tommasi Moreschini (2005), 138 f. Roche (2009) ad 1, 642–3.

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die nicht so eingreifen, wie man es erwartet, sondern unverständliche Zeichen zu senden scheinen. Wie dem Bürgerkrieg und seinen Folgen zu entgehen wäre, ist nicht zu ahnen. Figulus’ Paradoxon ›in tempora multa | extrahe ciuili tantum libera bello‹ (671 f.) bringt dies pathetisch auf den Punkt. In der berühmten Stelle im siebten Buch, wo am eindrücklichsten nach dem Handeln der Götter gefragt wird, erklärt der Erzähler (7, 445–459):76 […]      sunt nobis nulla profecto445 numina: cum caeco rapiantur saecula casu, mentimur regnare Iouem. spectabit ab alto aethere Thessalicas, teneat cum fulmina, caedes? […]   mortalia nulli454 sunt curata deo […] bella pares superis facient ciuilia diuos, 457 fulminibus manes radiisque ornabit et astris inque deum templis iurabit Roma per umbras.

Wahrhaftig, für uns gibt es keine Götter: Wenn in blindem Zufall die Zeitalter fortgerissen werden, lügen wir uns vor, Jupiter herrsche. Wird er vom hohen Aether, wenn er denn Blitze hält, auf das Morden in Thessalien herabschauen? … Kein Gott kümmert sich um menschliche Sorgen … Die Bürgerkriege werden Götter erschaffen, die den Himmlischen gleich sind: Rom wird ihre Manen mit Blitzen, Strahlenkränzen und Sternen schmücken und in den Tempeln der Götter wird man bei ihren Schatten schwören.

Was durch die naturwissenschaftlichen Anklänge im Gleichnis 1, 151 ff. bereits angedeutet war, ist hier nun explizit: Die Götter sind, so sagt es der Erzähler, zurückgezogen und befassen sich nicht mit menschlichen Kämpfen (454 f.).77 Der Blitz scheint nur fälschlich, nur verlogenermaßen ein Symbol Jupiters (447), aber mit einem Blitz und einem Strahlenkranz werden die vergotteten Kaiser geschmückt. Aus dem Umstand kann zweierlei folgen: Entweder hat man daran zu denken, dass die Götter nun zugunsten der Kaiser weniger verehrt werden, weil diese sich im Gegensatz zu ihnen um menschliche Nöte sorgen, oder aber, dass in der Gleichmacherei von Göttern und Menschen das Problematische und durchaus Blasphemische des Kaiserkults offenbar wird. Indem unklar bleibt, wie der Erzähler das Verhältnis von Göttern und Kaisern genau verstanden wissen will, wird freilich erst recht betont, dass man an der Apotheose, die ja nicht nur Caesar betrifft, prinzipiell zweifeln kann. Der Blitz, in früheren Zeiten bzw. im traditionellen poetischen Kontext ein Attribut Jupiters, tatsächlich aber eine zerstörerische Naturgewalt, wird, so heißt es, wider besseres Wissen zum Attribut der ›neuen Götter‹ erhoben. Schaut man von hier zurück auf das einführende Gleichnis für Caesar, kann das Kritische, das in der Wahl des Motivs liegt, deutlicher wirken als bisher: Indem Caesar mit einem Blitz verglichen wird, zeigt sich sowohl, was Caesar ›ist‹, nämlich ein Zer 76 Die Verse 455 und 456 sollen hier vorerst unübersetzt bleiben, in Hinsicht auf Caesar sind sie nicht von entschei­dender Bedeutung, cf. hierzu unten 248ff. 77 Cf. Friedrich (1938/1970); Nickau (2003), 490 mit Cic. div. 2, 104 zu Epikur und Enn. trag. 134c J = 316 f. V.

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störer, als auch, wie das im Zusammenhang traditioneller, mythisch orientierter Symbolik aufgefasst werden könnte, nämlich als ›olympisch‹. Dies verdeutlicht die Differenz zwischen dem jovialen Caesar und dem entrückten Jupiter der Philosophie wie des lucanischen Epos.78 Damit Caesars Wüten göttlich erscheint, muss man sich auf die effekthaschende Wirkung des mythischen Donnerkeils einlassen. Was an Caesar und seinen Nachfolgern verehrt wird, ist somit nicht ihre Sorge um menschliche Nöte, nicht – wie etwa in der augusteischen Herrschaftsdarstellung – Friedlichkeit und Freigebigkeit, sondern, was paradox ist, die Wirkung der Destruktivkraft, wie sie der Stichsatz des Blitzgleichnisses beschreibt: gaudensque uiam fecisse ruina. Anstatt einer besonnenen Theologie pflegt man in Rom einen primitiven, angstgeleiteten Kult. Gestraft sind damit aber wohl weniger die Götter, die sich um Menschen nicht kümmern, als die Menschen selbst. Wenn es grotesk wirkt, dass Caesar, um als Neuerer zu erscheinen, der Rom gottgleich in Besitz nimmt, altmodisch blitzend auftreten muss, so ist hiermit die Frage aufgeworfen, wie Caesar von anderen wahrgenommen wird. Wenn Caesar die Götter von gleich zu gleich behandelt, wenn er sie Zorn, Gnade oder Desinteresse spüren lässt, so kann dies einerseits die ›anthropomorphen‹79 Götter eines von Caesar (möglicherweise auch vom historischen Caesar und vielleicht sogar vom Autor, der hinter dem Erzähler steht) so nicht mehr geteilten Glaubens betreffen und damit modern wirken. Andererseits steht im binnenfiktionalen Zusammenhang solches Verhalten, gleichgültig ob es absichtlich erfolgt oder nicht, in der Tradition hybrider Gottesverachtung. Dass diese unkonventionelle Haltung für eine epische Figur durchaus problematisch sein muss, wird sich vor Massilia zeigen.80 78 Zur Religion bei Lucan cf. Heitland (1887), xlix–li.; zu stoischer Theologie cf. Schotes (1969), 100–156; Le Bonniec (1970); zur eklektizistischen, vor allem neo-stoischen und pessimistischen Philosophie im Gedicht cf. Due (1970), 214: »Le masque que porte Lucain dans Pharsale est celui d’un stoïcien qui a perdu la foi […] pour un épicurien, l’indifférence des dieux est une chose dont on doit féliciter, mais pour Lucain, c’est une constatation amère et désespérante«; zu Lucans ›epikureischem Götterbild‹ cf. Baier (2010).  – Die verschiedenen Beobachtun­gen müssen, wie schon oft betont wurde, nicht zwangsläufig auf einen Widerspruch führen, philosophische Ortho­doxie ist angesichts der zahlreichen philosophischen und religiösen Motive, die in Lucans Epos fruchtbar gemacht werden, sicher nicht angestrebt, dazu schon Heitland (1887), xlviiif.; zu den unterschiedlichen Rollen des Erzählers in diesem Zusammenhang cf. Nickau (2003), 498. 79 Kritische Gedanken über menschenartige Götter äußerte schon Xenophanes (fr. 15 f. D / K.), der Terminus ›An­t hro­pomorphismus‹ ist allerdings neuzeitlich, bei Merriam / Webster ist hierfür das Jahr 1753 angegeben [112003, ed. F. Mish, p. 53]. Allgemein zum Problem des Anthropomorphismus in Rom cf. Feeney (1998), 92–104; Zu Lucans Caesar und den anthropomorphen Gottesvorstellungen cf. Walde (2009a), 460 f.; Baier (2010), 120. 80 Es ist daher nicht völlig überzeugend, Caesars explizites Gebet an die Götter (1, 195 ff.) auf Grund des impliziten, aus der Blitzmotivik abgeleiteten Angriffs auf die bisherige Kultpraxis als ›ironisch‹ zu bezeichnen, so Nix (2008), 288. Dass wegen der deutlichen intertextuellen Beziehung zur Aeneis eine gewisse Spannung aufgebaut wird – cf. Thompson / Bruère

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2.1.4 Caesar in Italien Noch eine weitere Stelle ist für Caesars Einführung als treibende Kraft des Bürgerkriegs relevant; über seinen Weg durch Italien heißt es (2, 439–446): Caesar in arma furens nullas nisi sanguine fuso439 gaudet habere uias, quod non terat hoste uacantis Hesperiae fines uacuosque inrumpat in agros atque ipsum non perdat iter consertaque bellis bella gerat. non tam portas intrare patentis quam fregisse iuuat, nec tam patiente colono arua premi quam si ferro populetur et igni.445 concessa pudet ire uia ciuemque uideri.

Rasend stürzt Caesar sich auf die Waffen, kein Weg gefällt ihm, der nicht von Blut überfließt, er freut sich, dass er Hesperiens Grenzen nicht zu verletzen braucht, ohne dass ihm ein Feind fehlt und er über leere Felder hereinbrechen müsste: Der Marsch ist nicht vergeblich, Krieg auf Krieg führt er. Nicht durch offene Tore will er ziehen, er will sie zerbrechen; nicht die Äcker heimsuchen unter Duldung der Bauern, mit Feuer und Schwert verwüsten will er sie. Er schämt sich, wenn man ihm Platz macht und er für einen Bürger gilt.

Die Beschreibung ist eigenartig statisch: Es wird nicht erzählt, wie Caesar tatsächlich durch Italien zieht, sondern nur, dass er es tut und was ihm dabei Freude macht. Wie im Blitzgleichnis wird Caesars Raserei betont (in arma furens, 2, 439 ~ in sua templa furit [sc. fulmen], 1, 155),81 ebenso seine Freude an der Zerstörung (sanguine fuso | gaudet habere uias, 2, 439 ~ gaudens uiam fecisse ruina, 1, 150).82 Die Motivik des Blitzgleichnisses wird aber nicht nur wiederholt, sondern um ein wichtiges Element erweitert: Die Zerstörung der Felder. Nachdem Laelius Plünderung und Verwüstung versprochen hat, gehört dies von nun an zum typischen Vorgehen Caesars; im weiteren Verlauf des Werkes wird immer wieder davon berichtet, dass Caesar die Äcker verheert oder für seine Zwecke missbraucht.83 Die Eiche, mit der Pompeius verglichen wurde, steht auf einem bebauten Feld, frugifero quercus sublimis in agro (1, 136). Im Nachhinein wirkt dieses Detail besonders reizvoll. Ähnlich verhält es sich mit dem Bild der Kriegsfolgen, das im Proöm ausgebreitet ist; hier erscheint das Motiv der verödeten Felder zum ersten Mal (1, 24–32):84 (1968), 7 f. –, die Caesars Absicht für die Leser aggressiv und beinahe blasphemisch erscheinen lässt, bleibt davon unberührt. 81 Cf. Fantham (1992) ad loc. 82 Die Wiederholung ist offensichtlich, cf. CB ad loc.; ASL ad loc.; zur leitmotivischen Wirkung cf. Schönberger (21968), 50. Man beachte auch 3, 82 f.: gaudet tamen esse timori | tam magno populis et se non mallet amari. 83 Cf. 2, 534 (Pompeius spricht); 3, 450; 4, 92; etwas weniger deutlich: 4, 140; zur Kontrolle über die Getreidelie­ferungen: 3, 56 ff., cf. Hunink (1992), 59–64. 84 Zur proleptischen Wirkung des Motivs für das Werkganze cf. z. B. Zientek (2014), 39.

Bäumefällen at nunc semirutis pendent quod moenia tectis urbibus Italiae lapsisque ingentia muris25 saxa iacent nulloque domus custode tenentur rarus et antiquis habitator in urbibus errat, horrida quod dumis multosque inarata per annos Hesperia est desuntque manus poscentibus aruis, non tu, Pyrrhe ferox, nec tantis cladibus auctor30 Poenus erit: nulli penitus descendere ferro contigit; alta sedent ciuilis uolnera dextrae.

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Aber dass nun in den Städten Italiens die Wände unter halb zusammengefallenen Dächern wanken und dass die gewaltigen Steine darnieder liegen, nachdem die Stadtmauern eingestürzt sind, dass die Häuser von keinem Wächter mehr geschützt werden und dass nur selten noch ein Einwohner in den altehrwürdigen Städten herumirrt, dass Hesperien von Gestrüpp starrt und viele Jahre lang ungepflügt liegt, dass die Hände fehlen, nach denen die Felder verlangen: An dieser Niederlage wirst nicht du, wilder Pyrrhus, schuld sein, auch nicht der Punier. Keinem eurer Schwerter gelang es, so weit einzudringen. So tief sitzen die Wunden, die Bürgerhände schlugen.

Erinnert man sich dieser Passage, nachdem deutlich geworden ist, dass im gesamten Bellum Ciuile keine einzige verheerende Kampfhandlung auf italischem Boden dargestellt wird, bekommt die Erwähnung, wie Caesar gewissermaßen nebenbei, bevor der Krieg richtig ausgebrochen ist, mit Vergnügen die Äcker heimsucht und sich über jeden Bauern freut, der ihm entgegensteht, ein besonderes Gewicht (2, 439 ff.). Dem Proöm wird damit eine etwas schärfere Akzentuierung verliehen: Zum einen ist Caesar für Rom schlimmer als Hannibal.85 Zum anderen wird der Betrübnis erregende Zustand der Stadt, der so deutlich im Gegensatz zu dem verheißungsvollen Ausblick der Aeneis steht, von Caesar, dem dominus, verschuldet.86

2.2 Bäumefällen Während der Kämpfe um Massilia lässt Lucans Caesar ein gallisches Waldheiligtum fällen. Er selbst führt den ersten Schlag gegen eine Eiche und nimmt die Verantwortung für eine Tat, deren Unrechtmäßigkeit ihn nicht zu bekümmern scheint, auf sich. Göttliche Strafe ereilt ihn nicht. Er geht auch hier, scheint es, siegreich hervor. Die Bedeutung der Episode besteht aber nicht nur darin, eine 85 Zu Caesar und Hannibal cf. Ahl (1976), 107–112, bes. 109 mit Cic. Att. 7, 11, 1; Narducci (2002), 207–217; Tzounakas (2013). 86 Aen. 8, 348: aurea nunc, olim siluestribus horrida dumis. Zu Caesars Schuld cf. Thompson / Bruère (1968), 2 f.; Roche (2009) ad 1, 28, wo die Worte tantis cladibus auctor (1, 30) bereits im Zusammenhang des Proöms als ein Hinweis auf Caesar verstanden sind. In ähnlicher Weise ist dann auch 7, 400 ff. zu deuten.

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spektakuläre Ausschmückung87 zur Illustration des für Caesar typischen unerschrockenen Handelns zu sein, sondern betrifft das Gedicht als Ganzes – sowohl in leitmotivischer als auch metapoetischer Hinsicht. Einerseits liegt es nahe, das Fällen der Bäume als symbolisch für Caesars Verhalten im Bürgerkrieg anzusehen, und andererseits handelt es sich beim Bäumefällen, wie besonders Anton Leeman gezeigt hat, um ein wichtiges Motiv innerhalb der epischen Tradition.88 Bei Lucan ist Caesars Gewalt gegen die heiligen Bäume überdies ein Teil einer sorgfältig ausgeführten Komposition; der Hain von Massilia ist nicht der erste und nicht der letzte, der dem Bürgerkrieg weichen muss. Es ist nötig, zunächst diesen Umstand etwas genauer zu betrachten, bevor die massiliotische Episode selbst interpretiert werden kann.89

2.2.1 Das Motiv cadit omne nemus In der Feldherrenrede, die Caesar nach Überschreiten des Rubicon hält, spricht er über die Handlungen seiner Gegner und erklärt (1, 303–307): ›[…] non secus ingenti bellorum Roma tumultu concutitur, quam si Poenus transcenderit Alpes Hannibal: inplentur ualidae tirone cohortes,305 in classem cadit omne nemus, terraque marique iussus Caesar agi.‹

›Nicht anders fühlt Rom sich von Kriegslärm erschüttert, als hätte der Punier die Alpen überschritten, Hannibal; schlagkräftige Kohorten verstärkt man noch mit Rekruten, jeden Hain fällt man für den Schiffbau, zu Land und zu Wasser soll Caesar gejagt werden.‹

Anscheinend um zu zeigen, wie sehr seine Gegner im Unrecht seien,90 beklagt Caesar, man behandle ihn wie einen äußeren Feind. Man könnte annehmen, dass er nicht nur die senatorische Propaganda kennt, sondern dass er auch die 87 Fantham (1996/2011), 148 hat mit Blick auf Hor. ars 14–21 und Pers. 1, 70 über Lucans Hain-Beschreibung gesagt: »that purpurus pannus […] will be largely familiar to students of Roman literature. It can be inferred that when Horace wrote off the lucus et ara Dianae as a poetic cliché in Ars Poetica 16, such ekphrases were already a commonplace in Virgil’s time.« Wenn aber das Hain-Motiv als Gemeinplatz etabliert war und kritisiert wurde, so ist auch denkbar, dass Lucan (der mit den Dichtern, die Horaz kritisiert, vermutlich nicht in Zusammenhang ge­bracht werden wollte) sich dessen nicht ohne Grund und ohne kreativen Anspruch bedient. 88 Cf. Leeman (1982/1985). Generell zum Problem des Bäumefällens in der Literatur cf. Nisbet (1987), 243: »Trees are like people« sowie Thomas (1988a), 263: »Every piece of relevant evidence from Greece and Rome, as from numerous other societies, conspires to demonstrate that the cutting of trees is a hazardous act, stigmatized by society and divinity alike« mit Frazer (31911), I, ii, 7–58; Lowe (2011), 101: »The sacred tree betokens the mos maiorum«. 89 Cf. hierzu auch Masters (1992), 27–34 besonders mit Blick auf das Gleichnis 1, 135 ff. und Radicke (2004), 115 f. 90 Cf. Getty (1940) ad loc., Roche (2009) ad loc.

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ihm vom Erzähler zugewiesene Verantwortung, non tu, Pyrrhe ferox, nec […] Poenus, 1, 30, bestreiten will. Unter Aufbietung aller Ressourcen werde, sagt Caesar, gegen ihn gerüstet. Auffällig ist der moralistische Ton, den er hierbei anschlägt: in classem cadit omne nemus (306) – das Bild des ambitionierten Schiffbaus, dem die Abholzung eines nemus vorangeht, erinnert an das bekannte Motiv von der Entstehung der Unglück stiftenden Argo:91 Die Bäume werden gefällt, eine Umkehr ist nicht mehr möglich, wären sie doch nur stehen geblieben. Der plötzliche Umschwung vom Frieden zum Krieg, soll das heißen, sei allein von Pompeius, dem gierigen Kriegstreiber, verschuldet. Aus Caesars Mund wirkt dies alles jedoch wenig überzeugend; für die Leser ist die Rede zudem doppelsinnig.92 Caesar stellt die drohende Frage, ob ›dies‹ der Lohn sei für das im Norden vergossene Blut, für die erlittenen Verletzungen und die Kälte: hoc cruor […] meruit? (1, 301). Dabei bleibt zunächst unklar, worauf das hoc zu beziehen ist, nämlich ob es zurückverweist auf die von Curio geschilderte Gemengelage im Senat (286–289),93 oder aber voraus auf das folgende Roma […] concutitur quam si Poenus transcenderet Alpes (303 f.).94 Dass Caesar selbst die Rede auf Hannibal bringt, wird dadurch besonders hervorgehoben: Verbittet er sich den Vergleich oder will er ihn womöglich gerade selbst instrumentalisieren, um seine Gegner zu erschrecken? Zur Herabsetzung des Senats kann die Bemerkung nicht dienen. Denn der Vorwurf ist nicht völlig abwegig, vor allem kann Caesar ihm kaum etwas entgegensetzen.95 Er hat soeben die Alpen überquert und an seinen feindlichen Absichten keinen Zweifel gelassen;96 überdies wissen wenigstens die Leser, dass er selbst, weil er auf Senatsbeschluss eine, durch einen taktischen Schritt des Pompeius de facto jedoch zwei Legionen abgeben musste, vor kurzem erst neue Soldaten ausgehoben hat.97 Und warum sollte Caesar, an 91 Etwa Eur. Med. 3 f.; Enn. trag. Med. 208 f. J = 246 f. V: utinam ne in nemore Pelio securibus | caesa accidissent abiegnae ad terram trabes; Lucr. 5, 1004 ff.; Catull. 64, 1 f.; Verg. ecl. 4, 31 ff.; Tibull. 1, 3, 37 f. Ov. am. 2, 11, 1 ff. und Lucan selbst: 3, 193 ff. 6, 395/400. Zum Topos des ersten Schiffes cf. z. B. Feeney (2007), 120–122, zum Schiff als Unheilsbringer: U. Gärtner (2009), 30–34. Statius greift das Motiv der Caesarrede für den Beginn des Troischen Krieges auf: iam natat omne nemus; caeduntur robora classi, | silua minor remis (Ach. 1, 428 f.). 92 Cf. auch Helzle (1996), 128–133. 93 Cf. Roche (2009) ad loc. 94 Cf. Getty (1940) ad loc. 95 Zu der ›Anklage‹, Caesar betrage sich wie Hannibal (und wie Eteokles) cf. auch Cic. Att. 11, 7. – Lucans Caesar kann diesen Brief nicht kennen. Aber könnte er nicht vielleicht die Anklage antizipieren? 96 Cf. 1, 183 ff./225 ff.: ›hic pacem temerataque iura relinquo. | te Fortuna sequor. procul hinc iam foedera sunto; | credidimus fatis, utendum est iudice bello‹. Die Bewohner von Ariminum denken u. a. direkt an Hannibal: 1, 254 ff. Zu superare (1, 183) cf. Roche (2009) ad loc.; zur Selbstentlarvung cf. Lebek (1976), 135 No. 46; Tzounakas (2013), 513. 97 Cf. Ps.-Caes. Gall. 8, 54 f., Caes. civ. 1, 2 f./11; App. civ. 2, 29; hierzu Groebe (1917), 219–221; Luck (1985), 40; Lu­can selbst deutet es auch an: 2, 472 ff., dazu cf. Fantham (1992) ad 2, 477; Coffee (2009), 158 f.

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gesichts der von ihm selbst beschriebenen Ausrüstung der Senatspartei, keine Pläne zum Ausbau seiner Flotte verfolgen? Wer die Flotte baut, bleibt zunächst übrigens unklar, denn der Satzteil iussus Caesar agi folgt erst ganz am Schluss der Explikation implentur ualidae tirone … (305 ff.). Außerhalb des binnenfiktionalen Zusammenhangs hat die Rede damit eine gänzlich andere Wirkung als auf die Soldaten, die ihrem vorgeblich friedliebenden und besorgten General zuhören: Caesar will den Krieg. Und er will ihn so sehr, dass er seinen Feinden genau das vorwirft, was er selbst auch tut oder zu tun bereit ist.98 Caesars Propaganda wird auch dadurch konterkariert, dass der Erzähler etwas später die Argomotivik für die pompeianische Flotte aufgreift. Als Pompeius auf der Flucht aus Brundisium seine letzten Schiffe einbüßt, vergleicht der Erzähler dies mit der Symplegadendurchfahrt: ut […] rapta puppe minor subducta est montibus Argo (2, 715 ff.). Anders als in Caesars impliziten Bemerkungen ist hier jedoch nicht der ›eisenzeitliche‹ Topos des ersten Schiffes angesprochen, das sich das Meer untertan macht und das Verbrechen in die Welt bringt.99 Im Gegensatz dazu, womit die Argo in Rom assoziiert war, aber im Einklang mit der Darstellung bei Homer100 und Apollonios, wird in dem Gleichnis der Erfolg der Argonauten und ihres zerbrechlichen Schiffes herausgestellt: Zwar hat das Schiff sein Hinterteil verloren, es hat aber die Passage überstanden, und die Felsen sind seither unbeweglich (718 f.).101 Der Erzähler setzt damit Caesars abwertender Anspielung auf die Argonautenfahrt eine andere, ältere und allgemeinere Version des Mythos entgegen (was ihn freilich nicht davon abhält, später auch seinerseits die Argo als erstes, unglückbringendes Schiff darzustellen102). Indem er das Gleichnis in dieser beziehungsreichen Weise darbietet,103 zeigt er, dass er Geschichten auch anders erzählen kann, namentlich anders als Caesar, der nur eine 98 Für ein weiteres Beispiel, Lucan. 1, 324 ff., cf. Blaschka (2015), 165. Diese, freilich allgemein verbreitete, rheto­rische Technik lässt sich auch in Caesars Bellum Ciuile gut beobachten: Dass er sich den Staatsschatz angeeignet hat, verschweigt Caesar, während er über Pompeius, der dies erfolglos versucht hat, berichtet, cf. Caes. civ. 1, 14; hierzu auch Canfora (1999/2001), 44/175, mit besonderem Verweis auf Lucan: 175 No. 17. 99 Cf. Murray (2011), 58. Murray verweist zudem mit Ov. am. 1, 15, 21 f. auf Varros caesarfreundliche Argonautica, wo der Topos des ersten Schiffes verwendet wird, und zeigt, dass Pompeius’ Erfolge und, in Konkurrenz dazu, auch diejenigen Caesars mit der Fahrt der Argonauten in der zeitgenössischen Propaganda je nach Parteizugehö­rigkeit positiv oder negativ verglichen wurden. 100 Hom. μ 67 ff. [freilich über die Plankten]: τῇ δ’ οὔ πώ τις νηῦς φύγεν ἀνδρῶν, ἥ τις ἵκηται, | ἀλλά θ’ ὁμοῦ πίνακάς τε νεῶν καὶ σώματα φωτῶν | κύμαθ’ ἁλὸς φορέουσι πυρός τ’ ὀλοοῖο θύελλαι. | οἴη δὴ κείνῃ γε παρέπλω ποντοπόρος νηῦς | Ἀργὼ πᾶσι μέλουσα, παρ’ Αἰήταο πλέουσα· | καί νύ κε τὴν ἔνθ’ ὦκα βάλεν μεγάλας ποτὶ πέτρας, | ἀλλ’ Ἥρη παρέπεμψεν, ἐπεὶ φίλος ἦεν Ἰήσων. 101 Cf. Murray (2011), 76–79 zum Zusammenhang der Gleichnisse 2, 601 ff. und 2, 715 ff. und ihrer jeweiligen Bezie­hung zu den Argonautika des Apollonios. 102 Cf. 3, 193 ff.; 6, 400 f. 103 Allgemein zur Gleichnistechnik Lucans cf. Blaschka (2015), 29–43, 397–425.

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Version des Mythos kennt oder kennen will. In einem ›Deutungswettstreit‹ über Kriegsschuld, Bäumefällen und Flottenbau muss Caesar unterliegen  – selbst wenn der auktoriale Argovergleich keine uneingeschränkte Sympathie mit den Pompeianern bedeutet.104 In ähnlicher Weise fällt auch das einprägsame Bild des Bäumefällens cadit omne nemus (306) auf seinen Urheber zurück. Auffällig ist Caesars Gebrauch des Wortes nemus, das (vor allem in dichterischen Kontexten) nicht die wirtschaftliche Nutzbarkeit, sondern eher das Idyllische, Göttliche105 und Poetische106 einer Landschaft bezeichnet. Rücksichtslos, soll man verstehen, holzt Pompeius jeden Hain ab; der empfindsame Sinn für einen locus amoenus fehlt ihm ebensosehr wie die Achtung vor der Religion. Die eifrige und aufwendige Holzbeschaffung, wie Caesar sie darstellt, ist unangemessen oder sogar verbrecherisch. Den Lesern muss es dann nur desto mehr auffallen, dass er später ganz ähnlich problematische Anstrengungen unternimmt, um Pompeius’ Flucht zu verhindern (2, 669–679): ergo, ubi nulla uado tenuit sua pondera moles, tunc placuit caesis innectere uincula siluis670 roboraque inmensis late religare catenis. […] sic ora profundi677

Als also kein Stein in den Untiefen sein Gewicht aufrecht hielt, da beschloss er, Fesseln aus geschlagenem Holz zu knüpfen und Stämme mit riesigen Ketten in der

104 Zur Diskussion um die anders gearteten Stellen 3, 193 ff. und 6, 395 ff. und ihr Verhältnis zum Gleichnis 2, 715 ff. cf. Murray (2011), 58. Zur Metalepse cf. Nauta (2013a) sowie oben 19 ff. 105 Cf. Schönbeck (1962), 52 No. 3; Hunink (1992) ad 3, 395; Leigh (1999/2010), 206 No. 15. Zur semantischen Beziehung von lucus, nemus, silua und saltus cf. Serv. Aen. 1, 310: interest autem inter nemus et siluam et lucum; lucus enim est arborum multitudo cum religione, nemus uero composita multitudo arborum, silua diffusa et inculta. Häufig zitiert wird auch der Satz lucus est silua incaedua et religiosa, nemus silua amoena cum campis et pascuis, cf. z. B. Döderlein (1826), I, 89–93; ähnlich Scheid (1993), 19 f.; Grimal (31984), bes. 68 No. 5: »[…] lucus désigne le bois sacré de tradition italique, nemus le bois sacré ›humanisé‹ de la tradition littéraire hellénique et hellé­nis­tique, dans lequel, au moins à l’époque impériale, l’élément sacré est en régression devant l’élément esthétique […] Nemus, à mi-chemin entre le sacré et l’esthétique, finit par désigner tous les bosquets des jardins, qui eux non plus, ne sont jamais purement profane«; Otto (2000), 3: »La répartition des emplois montre que ces deux termes chargés de la même valeur sémantique étaient considérés à l’époque classique comme des synonymes«, mit der These, dass nemus tendenziell eine »sacralité intrinsèque«, lucus hingegen eine »sacralité extrinsèque« bezeichne. Zu möglichen etymologischen Zusammenhängen von nemus – νέμος – νομός – νόμος cf. Deremetz (2013), 238. Zum Göttlichen cf. auch georg. 2, 19 f.: hos natura mo­dos primum dedit, his genus omne | siluarum fruticumque uiret nemorumque sacrorum. Überdies Malaspina (1995), bes. 76–78; Otto (2000), passim. 106 Cf. z. B. Hor. epist. 2, 2, 77: scriptorum chorus omnis amat nemus et fugit urbem. Columella gebraucht im poetischen Teil seiner res rustica das Wort nemus für heilige und schöne Landschaften, die von den Musen oder von Nymphen bewohnt werden: Colum. 10, 223/265, während es in den anderen Büchern als land- bzw. forstwirt­schaftlicher Terminus verwendet ist; zu Columellas Umgang mit den verschiedenen literarischen Gattungen cf. Reitz (2017a).

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artantur casu nemorum; tunc aggere multo surgit opus longaeque tremunt super aequora turres.

Breite zusammenzubinden  … So wird das Gestade des Meeres durch den Fall der Wälder verengt. Dann, auf einem großen Wall, erhebt sich ein Gerüst und hohe Türme schwanken über dem Wasser.

Der Versuch, Felsmassen im Hafenbecken zu versenken, um so die Ausfahrt der Schiffe zu verhindern, ist hier schon gescheitert. Aber Caesar, nil actum credens dum quid superesset agendum (2, 657), lässt nichts unversucht und veranlasst den Bau einer Mole. Anscheinend schnell und ohne dass es besondere Mühe kostete, wird die Arbeit getan. Die Konstruktion, die entsteht, ist gewaltig, doch sie nützt nichts: Pompeius entkommt, wenn auch, wie nach einer Symplegadendurchfahrt, nicht ganz ohne Verluste. Dieses Manöver ist bestimmt nicht schändlicher als jede andere Kriegstat. Aber zum einen gehören Molen zu den klassischen Beispielen für menschliche Gier und Hybris,107 und zum anderen ist es für den lucanischen Erzähler offensichtlich wichtig, dass hier nicht lediglich Holz gefällt wird, sondern – so wie es Caesar über Pompeius gesagt hatte – ein bedeutendes ›Gehölz.‹108 Ähnliches lässt sich für eine weitere militärische Operation Caesars beobachten. Im vierten Buch wird der Bau einer Brücke über den Sicoris geschildert; über die Arbeit heißt es: manus festinat utrimque | succisum curuare nemus fluuiique ferocis | incrementa timens non primis robora ripis | inposuit, medios pontem distendit in agros (4, 137 ff.). Zwar handelt es sich der Sache nach um eine routinemäßige militärische Holzbeschaffung.109 Aber dafür muss ein nemus fallen, und nicht das Holz wird gekrümmt, sondern der Hain selbst, der damit scheinbar als Ganzes in der Brücke erkennbar bleibt, in die er gewaltsam verarbeitet wird, um dem Fluss zu trotzen.110 Caesar siegt in diesem technisch bestrittenen Kampf mit dem Fluss. Je nach Perspektive kann man den Sieg über die Elemente für erhaben oder die Zerstörung der Natur für frevlerisch halten. Es geht um Selbstdarstellung und Deutung. Die tatsächliche technisch-strategische Leistung wird durch curuare nemus weder beschrieben, noch scheint sie wichtig zu sein. Hierin besteht ein Gegensatz dazu, wie in Caesars Commenta 107 Cf. z. B. Hor. carm. 3, 24, 2–4; Sen. Thy. 459. 108 Lucan scheint zwar wie andere Dichter auch das Wort nemus nicht mit einer ganz eindeutigen Tendenz zu ge­brauchen; man denke neben 1, 453 f. nur an die Erzählung der Hesperidensage im neunten Buch, wo hortus (9, 358), silua (360), lucus (362) und nemus (365) nebeneinander stehen. Wo aber Bäume gefällt oder beraubt werden, ist immer – wenn auch nicht immer ausschließlich – von einem nemus die Rede, während etwa für den Scheiter­haufen, den Erictho dem prophetischen Leichnam verspricht (6, 766), sowie für die bewundernswerten Holzarbei­ten der Ägypter (10, 144) schlicht das allgemeine silua verwendet ist. In einem nemus ereignen sich auch die un­heimlichen Vorzeichen des Krieges: tunc fragor armorum magnaeque per auia uoces | auditae nemorum et uenientes comminus umbrae (1, 569 f.). 109 Zur antiken Holzbeschaffung und -verarbeitung, namentlich zu militärischen Zwecken, cf. Meiggs (1982), 116–187; Nenninger (2001), 111–173; Thommen (2009/2012), 85–89. 110 Ähnlich verhält es sich mit der Beschreibung caeso iuuenco (4, 132).

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rii strategische Handlungen dargestellt sind. Vom Bau der Rheinbrücke wird dort zum Beispiel ausführlich und durchaus nicht leicht verständlich berichtet (Gall. 4, 17, 1 ff.); die Leser erfahren, wie schwierig und daher bewundernswert die damit verbundene technische Leistung des Feldherrn Caesar ist, der überdies anscheinend ganz allein für alles verantwortlich ist.111 Bei Lucan endet der Brückenbau damit, dass schließlich noch ein Teil des Flusswassers abgeleitet wird, der Fluss muss für die Überschwemmung büßen: spargitur in sulcos et scisso gurgite riuis | dat poenas maioris aquae (4, 142 f.). Auch die Drainage mag eine beeindruckende Ingenieurleistung sein. Vom Fluss aber Buße zu fordern, wie Kyros, der den Gyndes mit Gräben schwächte, oder Xerxes, der den Hellespont auspeitschen ließ, ist ebensolche Hybris wie das hierfür betriebene Abholzen der Bäume.112 Am Ende ist die Arbeit übrigens nutzlos. Als Caesar sieht, dass Petreius sein Lager verlässt, befiehlt er seinen Soldaten, nicht erst die Brücke zu benutzen, sondern zu schwimmen (148 f.).113 Zu Beginn des dritten Buches (also kurz vor der Massilia-Episode) kann der Gedanke, dass jeder Hain vom Krieg betroffen ist, überdies mit dem wohl bedeutendsten römischen nemus verbunden werden, dem Diana-Heiligtum von Aricia, woher der goldene Zweig stammen soll und wo der heute nicht vollständig rekonstruierbare Kult des rex nemorensis gepflegt wurde:114 Ein entlaufender Sklave hat als Priesterkönig die Aufgabe, den Hain zu beschützen; wenn es einem Herausforderer gelingt, ihn zum Zweikampf zu fordern und ihn zu töten, so kann dieser als neuer Hainkönig den Platz seines Vorgängers einnehmen.115 Caesars Weg nach Rom führt hier direkt vorbei (3, 84–89): […] gaudet tamen esse timori tam magno populis et se non mallet amari.85 iamque et praecipitis superauerat Anxuris arces, et qua Pomptinas uia diuidit uda paludes, qua sublime nemus, Scythicae qua regna Dianae, quaque iter est Latiis ad summam fascibus Albam

Er aber freut sich darüber, dass das Volk ihn so sehr fürchtet, er will gar nicht geliebt werden. Schon hatte er den vorspringenden Sitz des Jupiter Anxur überwunden und die Stelle, wo die nasse Straße die Pomptinischen Sümpfe teilt, wo der erhabene Hain ist, das Reich der skythischen Diana, und wo für latinische Fasces der Weg zur Höhe von Alba Longa führt.

111 Cf. Reitz-Joosse (2013), 48–51 zu Caes. Gall. 4, 17 f. 112 Cf. Saylor (1978), 247 mit Hdt. 7, 35; Esposito (2009) ad 4, 141–43 mit Hdt. 1, 189. 113 Zu dieser Paradoxie cf. Asso (2010) ad loc.; Fratantuono (2012), 138. 114 Cf. Ov. fast. 3, 271 f.: regna tenent fortes manibus pedibusque fugaces, | et perit exemplo postmodo quisque suo; Serv. Aen. 6, 136; weitere Stellen bei Frazer (31911), I, i, 11.  115 Zur möglichen Bedeutung dieses Kultes mit Blick auf den massiliotischen Hain und das Werkganze insgesamt cf. Frazer (31911), I, i, 1–24; Green (1994), 208–214. Lucan erwähnt, allerdings ohne direkten Bezug zu dem Kult, den Hain als lucus infamis noch in 7, 438, und zwar (wie auch Liv. 1, 8 und Verg. Aen. 8, 342) als zentralen Bestandteil altrömischer Identität. Allgemein zum Diana-Kult in Aricia cf. Green (2007), mit Blick auf Vergil und Lucan bes. 34–48, 147–184; zu den Schwierigkeiten der Rekonstruktion des Kultes v. a. in Hinsicht auf Frazers umstrittene Darstellungen cf. Beard (1992).

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Caesar muss nicht eigens Hand anlegen, es steht außer Zweifel, dass er die Stationen wie ein Eroberer nacheinander einnehmen könnte.116 Er tastet den Hain nicht an, aber er nutzt die religiöse Bedeutung dieser Orte für seine Ambitionen auf eine geradezu königliche Herrschaft. Als er endlich die Stadt von weitem erblickt, zeigt er, wie er seine Ansprüche als göttlichen Willen rechtfertigen kann: ›tene, deum sedes, non ullo Marte coacti  | deseruere uiri? di melius, quod non Latias Eous in oras | nunc furor incubuit […]. habenti | tam pauidum tibi, Roma, ducem fortuna pepercit, | quod bellum ciuile fuit‹ (91 ff.). Er kann sich ihrer bemächtigen, ohne den geringsten Widerstand zu erfahren. Bezeichnenderweise greift der Erzähler Caesars hohnvolles melius, quod auf: Ein Glück, dass Caesar sich schämte, so viel zu verlangen, wie Rom zu geben bereit war (111 f.). Über das Militärische hinaus erscheint das Hain-Motiv mit höchstem Pathos bei der Beschreibung der hungernden Soldaten: carpere dumos | et foliis spoliare nemus letumque minantis | uellere ab ignotis dubias radicibus herbas (6, 111 ff.) und bei der auktorialen Forderung, Caesar möge den bei Pharsalos Gefallenen ein Begräbnis bereiten: generi si poena iuuat, nemus extrue Pindi (7, 806); und während Lucan es zum ersten Mal in der von einiger Selbstoffenbarung geprägten Rede Caesars verwendet, gebraucht er es zuletzt für die korrumpierte Gegenwart des Erzählers: in nemus ignotum nostrae uenere secures | extremoque epulas mensasque petimus ab orbe (9, 429 f.).117 Nach der Analyse dieses motivischen Zusammenhangs kann nun das Bäumefällen bei Massilia betrachtet werden.

2.2.2 Der Hain von Massilia Die wichtigste Eigenschaft der Episode ist, wie gesagt, ihr Beziehungsreichtum.118 Dass es gerade eine heilige Eiche ist, an die Caesar Hand anlegt, erinnert an das Eichengleichnis für Pompeius (1, 135 ff.). Der gefällte Baum ist damit eine weitere Vorausdeutung auf seine Ermordung. Intertextuell wirksam sind zudem die Bezüge zu Ovids Erysichthonerzählung (met. 8, 728 ff.), zu Vergils sechstem Ae 116 Henderson (1987/2010), 470–473; Hunink (1992) ad loc. 117 Zum Zitrusholz als Luxusgut cf. Wick (2004b) ad loc. Als Topos der Luxuskritik cf. Kißel (1990) ad Pers. 1, 53. 118 Dazu cf. Jullian (1924); von Albrecht (1962), 135–138; Phillips (1968); Rowland (1969), 206‒207; Dyson (1970); Heyke (1970), 131–138; Ahl (1976), 156 No. 18, 199; Rosner-Siegel (1983), 175–176; Leeman (1982/1985); Nisbet (1987), 247–248; Thomas (1988a); Rutz (1950/1989), 162–165; Ozanam (1990); Degl’Innocenti Pierini (1990), 97–100; Hunink (1992), 167–187; Hunink (1992a); Masters (1992), 25–29; Green (1994); Fantham (1996/2011); Rudich (1997), 139–141; Santini (1999); Leigh (1999/2010); Nenninger (2001), 145–147; Panoussi (2003); Sklenář (2003), 129–132; Radicke (2004), 250–253; Tommasi Moreschini (2005), bes. 144–147; Augoustakis (2006b); McIntyre (2008), 49–58; Walde (2009a); Keith (2011), 124–127; Papaioannou (2012), bes. 87–88; Day (2013), 136–143; Zientek (2014), 88–103; Chaudhuri (2014), 159–165; Pypłacz (2015), 59–109; Tola (2016).

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neis-Buch (Aen. 6, 156 ff.) und zu den Ausführungen zur Ackergewinnung in den Georgica (2, 203 ff.). Darüber hinaus spielt die komplexe Motivik des locus horridus eine Rolle. Hier bestehen, wie Joanna Pypłacz gezeigt hat, wichtige Parallelen zum Hain der Tantaliden in Senecas Thyest.119 Die Passage scheint durch ihre verschiedenen Referenztexte derartig überdeterminiert zu sein, dass lange nicht deutlich wird, was von ihr zu halten ist;120 und diese Wirkung mag beabsichtigt sein.121 Unverständlich ist die Hainepisode darum aber nicht. Ein Zugang lässt sich erlangen, wenn die Anspielungen, die Lucan macht, erst im Einzelnen verfolgt und dann in einer Zusammenschau im Hinblick auf das Werkganze geordnet werden. Das Bäumefällen als eigenständiges Motiv in der epischen Tradition wie auch innerhalb des Bellum Ciuile selbst rechtfertigt es, dass ich mich bei den Referenztexten auf das tatsächliche Fällen von Bäumen beschränke.

a) Historisches und Sachliches Dass Caesar selbst den Hain fällen lässt, scheint Lucan erfunden zu haben. Er knüpft allenfalls lose daran an, dass Caesar in seinem Commentarius das von seinem Offizier Trebonius vor Massilia errichtete Belagerungswerk als ein technisches Meisterstück feiert.122 Was aber die Episode historisch interessant macht, ist ihr allgemeiner Bezug zur kriegsbedingten Schändung oder Zerstörung von Hainen und Heiligtümern – und zur propagandistischen Ausdeutung hiervon.123 Gemäß metapoetischem Realismus ergeben sich hier zwei interpre 119 Sen. Thy. 648 ff.; überdies Oed. 530 ff.; Ps.-Sen. Herc. O. 1618 ff. Hierzu cf. Pypłacz (2015), 75–109. Zur Topik des unheimlichen Ortes cf. Garrison (1992), 100 f.; Santini (1999), 207 f. Zu Thyest als mythischem Paradigma cf. auch unten 251 ff. 120 Cf. Masters (1992), 25–29; Green (1994); Panoussi (2003); Leigh (1999/2010). Allgemein zum programmatischen Phänomen der Kopräsenz verschiedener Referenztexte und Gattungen: Ambühl (2015), 402. 121 Cf. die Überlegungen zur ›Poetik der Unsicherheit‹ bei Allendorf (2013), bezüglich der Hainbeschreibung in Senecas Thyest. 122 Cf. Caes. civ. 2, 15, 1: […] omnibus arboribus longe lateque in finibus Massiliensium excisis et conuectis, agge­rem noui generis atque inauditum ex latericiis duobus muris senum pedum crassitudine atque eorum murorum contignatione facere instituerunt aequa fere altitudine, atque ille congesticius ex materia fuerat agger. Ob und inwieweit Lucan hierbei den Text Caesars vor Augen hatte oder aber sich auf weitere, heute nicht mehr greifbare Literatur bezieht, ist hier nicht unmittelbar von Bedeutung; zur notorischen Frage nach dem Verhältnis der Bella Ciuilia von Caesar und Lucan und den damit verbundenen Forschungstraditionen cf. z. B. Zissos (2013). Allgemein zum Verhältnis von Historizität und Fiktionalität der von Lucan erzählten Ereignisse cf. Opelt (1957); Meiggs (1982), 170 f.; Hunink (1992), 140–143; Radicke (2004), 252 f. 123 Dass heilige Haine in Kriegszeiten abgeholzt wurden, ist sicher anzunehmen, cf. Meiggs (1982), 171/378 mit Plut. Sulla 12 über die Holzbeschaffung im Krieg gegen Mithridates (zu Zahlangaben allerdings zweifelnd). Über Caesar als Tempelräuber berichtet später Sueton: Iul. 54, 2; Radicke (2004), 253 mit Curt. 7, 5, 34 verweist auf ähnliche Freveltaten Alexanders des Großen.

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tativ folgenreiche Überlegungen: erstens die Frage, was es bedeutet, wenn die Beteiligten angesichts der literarischen Tradition von heiligen Hainen hier Bäume fällen, und zweitens die Gewissheit, dass ein Caesarianer die Begebenheit rhetorisch leicht als erfolgreich und heldenhaft präsentieren könnte. Die Holzbeschaffung ist zunächst durch das Baumfällermotiv dargestellt: tunc omnia late | procumbunt nemora et spoliantur robore siluae (3, 394 f.). Anstatt aber dann mit der Errichtung des Walls fortzufahren, setzt der Erzähler nochmals an: lucus erat  – die Zäsur ist deutlich und lässt aufhorchen.124 Es folgt die Ekphrasis eines finsteren Hains, in dem sich der Sage nach (406) keine Vögel und wilden Tiere niederlassen, da hier die unbekannten, Menschenopfer fordernden Götter der Gallier wirken (wenn man 405 so verstehen will: humanis lustrata cruoribus arbor).125 Nach 27 Versen endet die Beschreibung, und mit Caesars knappem Befehl setzt die Handlung wieder ein: hanc iubet inmisso Zu dem militärischen Angriff eines gewissen Suetonius Paulinus in Britannien (Tac. ann. 14, 30) sowie dem Tem­pelraub des Q. Servilius Caepio in Gallien (Pomp. Trog. 32, 3, 9–11) cf. Dyson (1970) zum Fällen des Asklepios-Hains in Kos durch Turullius (Val. Max. 1, 1, 19 und Cass. Dio 51, 8, 2–3) sowie Caesars Ermordung vor dem Hintergrund seiner mangelnden religiösen Scheu cf. Augoustakis (2006b): Der Caesarmörder Turullius, der von Oktavian spä­ ter für seinen Frevel (gerade in dem Hain, den er verletzt hatte) zur Verantwortung gezogen wurde, stehe hinter Lucans Caesar-Gestalt. Cf. überdies Leigh (1999/2010), 217 zu Cic. Mil. 85 und den dort aufgeführten Sakrilegien des P. Clodius Pulcher. Im Vorfeld der Belagerung und des Bäumefällens wird Caesar – wie auch in 1, 303 f. – mit Hannibal verglichen, und zwar in der Rede der Massilioten: 3, 350. In 7, 799 ff. wird die Verbindung beider Motive dann noch einmal bekräftigt: Dadurch, dass nach der Entscheidungsschlacht das Bäumefällen zu Unrecht unterbleibt, jedoch vom Erzähler in der Apostrophe gewünscht wird, erscheint Hannibal gegenüber Caesar sogar noch wesentlich mensch­licher. Zu Hannibal als Götterverächter, der Heiligtümer entweiht, cf. Liv. 21, 4, 9; die Plünderung des lucus Fe­roniae: Liv. 26, 11, 8–10; die Verletzung des Tempels der Juno Lacinia: Liv. 30, 20, 6–8. 124 Cf. Thomas (1988a), 265 f.; Leigh (1999/2010), 219 f. Für den Versanfang mit starker Trithemimeres als Beginn eines entscheidenden Erzählabschnitts cf. z. B. Ov. fast. 6, 503; Prop. 4, 4, 3, zur ›locus est‹-Formel für Ekphraseis insbesondere eines locus amoenus cf. McIntyre (2008), 19. 125 Dass es sich um gallische Götter handelt, geht hervor aus 3, 446; dass es sich um die in 1, 1, 444 ff. genannten handelt, ist nicht gesagt. Zur Übersetzung von non uulgatis figuris | numina sic metuunt: tantum terroribus addit, | quos ti­meant non nosse deos (316 ff.) cf. Nutting (1934), 119 f.: quos entspreche quales, die Übersetzung ›die Götter, die man fürchten soll, nicht zu kennen‹ wird folglich zu Gunsten von ›nicht zu wissen, was für Götter man zu fürchten hat‹ abgelehnt. Shackleton Bailey (1987), 78 ändert den Text in 3, 417/418 durch Vertauschung von metu­unt und timeant, dagegen zu Recht Hunink (1992) ad loc. Die zweite (seltener präferierte) Übersetzung hat den Vorteil, dass sie weniger Anlass zum Zweifel an der Existenz der Götter bzw. an der Heiligkeit des Ortes lässt. So wenig es in der Episode um historische Richtigkeit geht, so wenig ist hier auch die richtige Darstellung der gallischen Religion von Belang. Der Gegensatz zu den eben genannten nemora soll auffallen (vielleicht auch zu den nemora alta remotis lucis, die die Druiden bewohnen, cf. 1, 453 f., während sie diesen lucus hier offensichtlich fürchten). Dass ein lucus – eigentlich »Lichtung«, cf. TLL 7, 2, 1750, 71 ff. s. v. lucus 1 [Plepelits 1977]; Otto (2000), 4 – zuweilen finster ist, bereitet etymologisch ein geradezu sprichwörtliches Problem (cf. Varro ling. lat. fr. 130 G / S [S. 240, 5]; Serv. Aen. 1, 441;

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siluam procumbere ferro (426).126 Das Sakrileg scheint angesichts der noch eben erwähnten Furcht der Priester (424 f.) nur desto unerhörter. Die Soldaten zögern daher auch, Hand an die Bäume zu legen. Sie haben Angst, sich dabei selbst zu verletzen; anscheinend erinnern sie sich an gewisse normative Mythen.127 Der Sinn von Caesars Befehl dürfte für sie überdies unverständlich sein. Die Leser können jedenfalls eine Begründung nur vage aus einer knappen Bemerkung vermuten: nam uicina operi belloque intacta priore | inter nudatos stabat densissima montis (427 f.). Reicht das bisher geschlagene Holz nicht aus? Ist der Hain dem Belagerungswerk im Weg, was ist mit bellum prius gemeint,128 will Caesar ein Exempel statuieren? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Dass Caesar also womöglich gar nicht so sehr aus militärischen Erwägungen, als vielmehr aus einer Laune heraus und im Vertrauen auf die eigene Kraft die Abholzung angeordnet hat, und dass er gleich danach, weil ihm die Dinge nicht schnell genug gehen (3, 453 ff.), den Schauplatz verlässt, wirkt gewalttätig.129

b) Erysichthon Caesars Tat scheint aber nicht nur eine überzeugende strategische Anwendung zu fehlen, sondern auch, und das ist für die Leser weit interessanter, der ›richtige‹, das heißt angesichts des Baumfällermotives eigentlich zu erwartende blasphemische Habitus. Zwar ist er nicht etwa so prosaisch, den Hain durch ein Sühneopfer formal entweihen zu lassen.130 Aber die Mühe, die Götter aufwendig zu Quint. inst. or. 1, 6, 34), und womöglich ruft Lucan gerade dieses Problem vermittels der Ekphrasis jener gleichsam barbarischen Kuriosität gezielt auf, cf. Santini (1999), 212. 126 Fasst man den Befehl als indirekte Wiedergabe der Worte Caesars auf, wie Heyke (1970), 135, so ergibt sich eine wichtige Spannung zwischen der Stimme des Erzählers, der unmittelbar zuvor noch lucus sagt und dem profanen, entmythisierenden Befehl Caesars, der einen gewöhnlichen Wald betrifft. Der von den Soldaten geschlagene Wald wird schließlich als nemus bezeichnet. 127 Vielleicht ist Erysichthon im Sinne ›innerer Intertextualität‹ präsent; vielleicht braucht man aber auch kein konkretes mythologisches Para­digma zu erwarten. CB und ASL verweisen auf Lykurg (bipennifer bei Ov. met. 4, 22), der – gemäß einer Sa­genversion von mehreren – einen Weinstock des Dionysos mit einer Axt schlug und dabei sich selbst verletzte; zu diesem Motiv und seiner poetischen wie rhetorischen Relevanz, namentlich für Aen. 3, 14 cf. Leigh (1999/2010), 213–215 mit Serv. ad loc. 128 Cf. Hunink (1992) ad loc., zurückhaltend gegenüber der Ansicht von Jullian (1924). 129 Dass Caesar den Hain aus strategischen Gründen fällt, wird zumeist angenommen. Die gestellten Fragen bleiben dabei jedoch unbeantwortet; cf. Leigh (1999/2010), 207: »it is not the pragmatic reality of warfare which gives the episode its fascination.« Hier ist auch an das Kriegsmotiv aus der Erzählung des alten Mannes denken: ›iam satis est iam posse mori‹ (2, 109). Bezeichnend ist auch Caesars Erklärung gegenüber den Massilioten: ›Massiliam delere uacat‹; dazu prägnant Hunink (1992), 169: »As a whole, the scene constitutes yet another illustration of Caesar’s demonic and tyrannical character.« 130 Die formale Entweihung eines heiligen Hains ist allerdings möglich, cf. Lowe (2011), 104 mit Cato agr. 139: lucum conlucare Romano more sic oportet: porco piaculo facito, sic

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beleidigen, macht er sich auch nicht. Er ist kein Erysichthon. Er will offenbar auf etwas anderes hinaus. Lucans Leser werden vor allem an Ovids Behandlung des Stoffes denken (met. 8, 738–884), aber auch für die Handlungsebene kann angenommen werden, dass die Sage vom gotteslästerlichen und waldfrevlerischen Thessalierkönig als Vergleichsmoment wirksam war.131 Wie dieser begründet auch Caesar seinen Plan vor seinen Gefolgsleuten nicht weiter und erfährt Widerstand von ihnen,132 im Gegensatz zu Erysichthon bestraft Caesar aber die Unbotmäßigkeit seiner Soldaten nicht, sondern fängt ungerührt mit der Arbeit an. Sein ›credite me fecisse nefas‹ (3, 437) klingt eher spöttisch als drohend.133 Er lässt seine ängstlichen Legionäre die Tat zwar nefas nennen, gibt aber vor, diese Annahme selbst nicht zu teilen, weil er eine andere Auffassung vom Göttlichen und von seiner eigenen Stärke hat. Man kann hierin eine ›Selbstinszenierung‹ Caesars sehen.134 Diese Ansicht ist charakteristisch für Caesar als Usurpator. Er bekundet, dass er den gesamten Bürgerkrieg nicht als Unrecht begreift. Vor Pharsalos ruft er seinen Soldaten etwas ganz Ähnliches zu und beschwört dafür sogar die Götter (7, 311–315):135 uerba concipito: ›Si deus, si dea es, quoiium illud sacrum est, uti tibi ius est porco piaculo facere illiusce sacri coercendi ergo harumque rerum ergo, siue ego siue quis iussu meo fecerit, uti id recte factum siet, eius rei ergo hoc porco piaculo immolando bonas preces precor, uti sies uolens propitius mihi domo familiaeque meae liberisque meis: harumce rerum ergo macte hoc porco piaculo immolando esto‹. 131 Ov. met. 8, 739 f.: qui numina diuum | sperneret et nullos aris adoleret odores; 782: [sc. Ceres] moliturque genus poenae miserabile, si non | ille suis esset nulli miserabilis actis. – Cf. Phillips (1968); zur Bedeutung von Call. hymn. 6 cf. ibid. 297 f., dazu auch Degl’Innocenti Pierini (1990), 97–102. Abgesehen von den Parallelen zum Wald­f revel des Erysichthon wird seit langem auch der Zusammenhang mit anderen Stellen der Metamorphosen disku­tiert, namentlich die thebanischen Erzählungen im dritten Buch, cf. Phillips (1968), 298. Das bekannteste Beispiel dürfte die Beschreibung des Hains sein, in welchem die Mars-Schlange lauert: silua uetus stabat nulla uiolata securi (Ov. met. 3, 28). Zur Motivik der Sparten cf. Keith (2011), 125–127. Auch wenn ein eindeutiger Bezug nicht unbedingt nachweisbar ist, so wird doch jedenfalls ein gewisses unheimliches Kolorit erzeugt. Und wenngleich von den Schlangen im massiliotischen Hain nicht einmal deutlich ist, ob es sie überhaupt gibt (iam fama ferebat, 3, 417), ist doch, wie in Cadmus’ Fall, anzunehmen, dass der Wald besser nicht zu betreten ist. Die dem Walder­lebnis folgende Zivilisationsleistung des Cadmus, die Gründung Thebens, ist in mancher Hinsicht problematisch, cf. Hardie (1990). 132 Ov. met. 8, 765 ff.: obstipuere omnes, aliquisque ex omnibus audet | deterrere nefas saeuamque inhibere bipen­nem: | aspicit hunc ›mentis‹que ›piae cape praemia!‹ dixit | Thessalus inque uirum conuertit ab arbore ferrum | detruncatque caput. 133 Cf. auch Walde (2009a), 456: »[Er verwendet] das Wort nefas mit einer gewissen Doppelbödigkeit, als ob er ei­nen Witz macht, den nur er verstehen kann.« 134 Zu Caesars Selbstinszenierungen, ihren Erfolgen und Misserfolgen cf. Kimmerle (2015), 218–263. 135 Hierzu cf. Pypłacz (2015), 73 f.: Pompeius’ Voraussage omne nefas uictoris erit (7, 123) kann ebenfalls zur Deu­tung herangezogen werden.

Bäumefällen ›di, quorum curas abduxit ab aethere tellus Romanusque labor, uincat quicumque necesse non putat in uictos saeuum destringere ferrum quique suos ciues, quod signa aduersa tulerunt, non credit fecisse nefas.‹

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›O Götter, deren Sorge durch die Erde und unsere römische Mühsal vom Himmel abgewendet wurde: Derjenige möge siegen, der es nicht für nötig hält, gegen die Besiegten das grausame Schwert zu erheben, und der nicht glaubt, dass seine Mitbürger, nur weil sie Waffen getragen haben, ein Unrecht begangen hätten.‹

In dem Hain scheint Caesar also zeigen zu wollen, dass er sich nicht gegen die Götter wendet, wenn er sich gegen ein Heiligtum wendet.136 Auch in Rom hat sich ja die Befürchtung, er wolle die Götter verletzen, nicht bestätigt.137 Er hat zwar den Saturntempel gewaltsam geöffnet, der wie der Hain seit langer Zeit unberührt war (multis non tactus ab annis, 3, 156), aber nur wegen des dort lagernden Geldes.138 Den Gott wollte er nicht verletzen. Ganz im Gegenteil: Wenn in Rom eigentlich bloß noch die opes angebetet werden,139 begeht er den ihnen zukommenden Kult. Erysichthon war ein vorsätzlicher Frevler, aber insofern er frevelte, musste er seine Tat für Unrecht halten. Lucans Caesar erscheint dagegen als eine atypische epische Figur: unpathetisch, rationell seine Ziele verfolgend, an mythischer Vergangenheit nicht interessiert.140 Er streitet nicht mit den Göttern, aber er streitet mit Menschen. Er erwartet, scheint es, vom Schlag seiner Axt nichts anderes, als dass die Bäume umfallen. Und doch fallen sie bedeutungsvoll um. So, wie es einem Epos angemessen ist. 136 Cf. Leigh (1999/2010), 202: »The hero who reveals the absence or impotence of the gods is one who is frustrated in his fundamental desire to perform the truly grand and charismatic deed of matching himself against those gods.« – Im Epos erscheint Caesar zwar in verschiedener Weise als ein Gegner der Götter, aber er kämpft nicht mit ihnen, er erlaubt sich nur, ihnen gnädig zu sein, cf. 4, 121 ff. 137 Cf. Fantham (1996/2011), 521 f. mit 3, 98 ff. Dass Caesar Jupiter direkt attackiert, ist nicht der Fall; die Art, wie er ihn anspricht (1, 195 ff.), lässt sich freilich durch die Betonung gewisser intertextueller Bezüge problematisieren, cf. Thompson / Bruère (1968), 7. Die Bemerkung bei Nix (2008), 287 f: »Caesar enters the action as a god-like figure, if not as Jupiter himself […] Ironically, before Caesar attacks the cults of Jupiter, he prays to them« geht also etwas zu weit. Coffee (2009), 142 nennt Caesars Verhältnis zu den Göttern zusammenfassend und treffend »insouciant«. 138 Freilich kann man eine solche Tat als Sakrileg darstellen (Matthew Leigh weist mich hierzu auf Cic. Pis. 85 hin), aber entscheidend ist, dass es Caesar nicht um den Gott geht; jeder Ikonoklast, fromm oder gierig, würde ähnlich argumentieren. 139 Cf. Fantham (1996/2011), 524 mit 3, 118 ff.: »Are opes, then, Rome’s new gods?« 140 Man könnte sogar sagen, dass Caesars Spott, insofern die furchtsamen Soldaten an mythische Gestal­ten wie Ly­kurg denken (430 ff.), gerade die erbitterten Gottesverächter trifft. Verglichen mit Caesars ›vernünftig-rationel­lem‹ Vorgehen kann der Wahn, wie ihn Ovid für Erysichthon darstellt (Ov. met. 8, 755 f.), beinahe nur noch wie alt­­mo­di­sche Theatralik erscheinen: ›non dilecta deae solum, sed et ipsa licebit | sit dea, iam tanget frondente ca­­cumine terram‹.

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c) Aeneas und die epische Tradition Dass Caesar seinen Befehl nur mangelhaft begründet, dass er Erysichthon ähnelt und doch nicht ähnelt, ist auch wichtig für die andere bedeutende Anspielung in der Passage, die Heldenbestattung.141 Das Bäumefällen, der motivische Kern der Episode, ist eine Referenz auf die Begräbnisse von Misenus und Pallas in der Aeneis (Aen. 6, 179 ff.; 11, 135 ff.).142 Es besteht aber gerade deswegen auch ein deutlicher Bezug zu Homer (Ψ 114 ff.: die Bestattung des Patroklos) und zu Ennius (ann. 187 ff. V = 175 ff. Sk: wohl die Bestattung der Toten von Herakleia). Bereits in Vergils Worten itur in antiquam siluam (Aen. 6, 179) wird diese motivische Tradition reflektiert.143 Anders als in den erwähnten Epen steht jedoch das Bäumefällen vor Massilia nicht im Zusammenhang mit einem feierlichen Akt, sondern mit einer profanen Kriegstat.144 Nicht nur das Paradigma des Waldfrevels, auch das Epos im Allgemeinen ist vermittels ›innerer Intertextualität‹ für die Passage bedeutend. Ein Vergleich ex negativo bietet sich an: Da den Soldaten ein erhabener Grund für ihre Tat offensichtlich fehlt, dürften sie sich kaum damit trösten können, heilige Bäume in episch-heroischer Manier zu fällen. Bezeichnend ist ihr Zögern, das Caesar überhaupt erst die Gelegenheit zu seiner Religionskritik gibt. Insofern muss auch er – aller rationalen Abgeklärtheit zum Trotz – das Bäumefällen als einen Verstoß gegen die eigene Kultur empfinden, mehr noch: Seine ›Selbstinszenierung‹ gegenüber den Soldaten, sein credite me fecisse nefas setzt gerade voraus, dass die Norm, die er bricht, nicht von jedem anderen auch gebrochen werden soll. Für die Leser verläuft schließlich der eigentliche Akt des Bäumefällens auf beinahe dieselbe Weise wie anlässlich der Bestattung des Misenus: procumbunt piceae, sonat icta securibus ilex fraxineaeque trabes cuneis et fissile robur scinditur, aduoluunt ingentis montibus ornos. (Aen. 6, 180–182)

Pechföhren fallen hin, von Axtschlägen tönt die Steineiche, Eschen werden mit Keilen zu Balken zerteilt, auch spaltbares Kernholz schlägt man und wälzt Bergeschen vom hohen Gebirge hinab.

procumbunt orni, nodosa inpellitur ilex, siluaque Dodones et fluctibus aptior alnus et non plebeios luctus testata cupressus. (Lucan. 3, 440–442)

Bergeschen fallen hin, die knotige Steineiche wird geschlagen, auch der Baum von Dodona und die Erle, die für Fluten besser geeignet ist, und sie, die nicht gewöhnliche Klagen bezeugt: die Zypresse.

141 Cf. Norden (31927), 187–193; Leeman (1982/1985), Hunink (1992) ad 3, 440: Neben Homer und Ennius cf. Ps.-Sen. Herc. O. 1483 ff., wo Hercules seine Selbstverbrennung anordnet: caedatur omnis silua et Oetaeum nemus | succumbat: ingens Herculem accipiat rogus, | sed ante mortem. 142 Cf. die ausführlichen Gegenüberstellungen bei Pypłacz (2015), 62–71. 143 Cf. Hinds (1998), 11–14. 144 Spätere Epiker greifen Lucans Verwendung des Motivs nicht auf, cf. Sil. 10, 527–534; Stat. Theb. 6, 90–107.

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Eichen, Bergeschen und Steineichen werden hier wie dort gefällt. Lucan nennt noch die Erle und fügt eigens hinzu, sie sei für den Schiffbau besser geeignet denn als Bauholz (fluctibus aptior, 3, 441).145 Mit dem Schiffbaumotiv wird das Frevelhafte der Tat bekräftigt (in den Georgica ist die Erle als Schiffsholz im Zusammenhang der problematischen Kulturentstehung genannt: tunc alnos primum fluuii sensere cauatas, georg. 1, 136).146 Überdies scheint das Vorgehen auch technisch falsch, wenn ungeeignetes Holz verwendet wird. So wird schließlich auch schon auf die Seeschlacht vorausgedeutet, die wegen der gescheiterten Belagerung notwendig wird. Hierfür wird Caesar dann noch einmal Bäume fällen (512). Zuletzt ist bei Lucan die ›wertvolle Zypresse‹ aufgeführt, die nur für bedeutende Begräbnisse verwendet wird. Gemeint ist gerade Misenus (cui frondibus atris | intexunt latera et feralis ante cupressos | constituunt, Aen. 6, 215 ff.); seine Bestattung war die Voraussetzung für das Auffinden des goldenen Zweiges.147 Richard Thomas hat auf die Ambivalenz hingewiesen, die bereits in der Aeneis darin besteht, dass dort Bäume gefällt werden.148 Lucan scheint gerade diesen Aspekt aufzugreifen. Indem im Bellum Ciuile die Bäume so umfallen wie die, an die Aeneas gewalttätig Hand anlegt, wird für die Leser der massiliotische Hain dem Wald von Cumae ähnlich. Gleichzeitig wird deutlich, dass Caesars Anliegen ein ganz anderes ist.149 Die Begründung des Römischen Volks lässt sich nicht als bedeutender und alles rechtfertigender Grund anführen. Es geht um etwas viel Umstritteneres: Das Rom Caesars soll hier erkämpft werden. Was mit dem Holz im Folgenden geschieht, ist nicht zu erfahren. Vielleicht wird es zusammen mit dem bereits geschlagenen verbaut (agger erigitur, 3, 455 ff.), vielleicht aber auch nicht; das Belagerungswerk jedenfalls verfehlt seinen Zweck und geht, von den Massilioten mit brennenden Geschossen angegriffen, binnen kurzem in Flammen auf. Erst auf dem Wasser siegt die Partei Caesars.

145 Cf. Hunink (1992) ad loc.; auch Seneca nennt die Erle als Teil eines Hains, cf. Oed. 539 f.: et Paphia myrtus et per immensum mare | motura remos alnus. 146 Cf. Thomas (1988) ad locc. 147 Cf. ASL ad loc. Der Kyparissos-Mythos (hierzu cf. PB s. v.), auf den CB hindeuten, dürfte hier weniger promi­nent sein. Auch die Eiben des Hains (419) sowie die modrige Dunkel­heit und die allgemeine Lebensfeindlichkeit sind chthonische Motive, wie sie bei der Katabasis des Aeneas vorliegen, cf. Walde (2009a), 455 f. Dass Caesar an traditioneller, würdiger Bestattung nicht das geringste Interesse zeigt, wird später mit Rekurs auf das Baumfäller­motiv bekräftigt, cf. 7, 799–808. 148 Cf. Thomas (1988a); dazu auch Lowe (2011); Pypłacz (2015), 66–71. 149 Auf einer höheren Ebene können die Leser, wie gesagt, einen weiteren Anklang an den bevorstehenden Tod und die unwürdige Bestattung des Pompeius sehen, cf. Masters (1992), 26: »ersatz funeral celebrations.« Das ist aber unabhängig von der hier erzählten Handlung Caesars.

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d) Der Landmann Die eher allgemeine, aber sehr aufschlussreiche Beziehung der Stelle zu den Georgica ist weniger offenkundig; sie zu sehen bleibt dem zweiten Blick vorbehalten. Dass im massiliotischen Hain, wie gleich zu Beginn gesagt wird, nicht die Götter des Landbaus wohnen, die gewöhnlich die nemora beherrschen, ist ein Hinweis dafür (3, 399–403): lucus erat longo numquam uiolatus ab aeuo obscurum cingens conexis aera ramis et gelidas alte summotis solibus umbras. hunc non ruricolae Panes nemorumque potentes Siluani Nymphaeque tenent.

Da war ein Hain, niemals verletzt seit langer Zeit, düsteren Hauch barg er unter seinen verflochtenen Zweigen und kühle Schatten, da alle Sonnenstrahlen abgehalten wurden. Nicht wohnen hier Götter wie der bäuerliche Pan und der mächtige Silvanus, der Bewohner der Gehölze, auch keine Nymphen.

Über diese Götter wird zwar an vielen Orten gesprochen,150 der Anfang der laus uitae rusticae dürfte jedoch einer der bedeutendsten sein. Diese Götter bestimmen das italische Landleben, sie walten dort, wo es keinen Krieg und keine Parteienkämpfe gibt: fortunatus et ille deos qui nouit agrestis | Pana Siluanumque Nymphasque sorores  | illum non populi fasces, non purpura regum  | flexit et infidos agitans dicordia fratres (georg. 2, 493 ff.). Ein Wald in einer solchen Gegend ist angenehm. So ähnlich mag man sich den Ort vorstellen, den Erysichthon aufgesucht hat,151 und wohl auch die keineswegs unheimlichen italischen nemora, wo Caesar bisher (2, 678; 3, 394) Holz für militärische Zwecke hat schlagen lassen. Lucans massiliotischer lucus scheint deutlich anders beschaffen zu sein als die Wälder, von denen in den Georgica die Rede ist und die sich die Leser, nicht nur aus poetischen Gründen,152 unter dem Schutz von Pan und Silvanus befindlich denken können. Das gallische Heiligtum wirkt schauerlich und keineswegs wie ein locus amoenus.153 Es heißt, dort sei es kalt, finster und unheimlich. Dennoch 150 Cf. Hunink (1992) ad loc. mit einer Stellensammlung. 151 Ov. met. 8, 742 ff.: dicitur et lucos ferro temerasse uetustos. | stabat in his ingens annoso robore quercus, | una nemus. – Der alte Wald, in den sich Aeneas begeben hat, mag zwar ein Urwald gewesen sein, der dann aufwendig zivilisiert werden musste, cf. Norden (31927) ad loc.; aber dass er in seiner Urtümlichkeit gruselig und gefährlich gewesen wäre, kann bezweifelt werden cf. Thomas (1988a). 152 Cf. Meiggs (1982), 378 und Thommen (2009/2012), 85 f. mit Plin. nat. 12, 2: haec [sc. arbores] fuere numinum templa, priscoque ritu simplicia rura etiam nunc deo praecellentem arborem dicant. nec magis auro fulgentia atque ebore simulacra quam lucos et in iis silentia ipsa adoramus. arborum genera numinibus suis dicata perpetuo seruantur, ut Ioui aesculus, Apollini laurus, Mineruae olea, Veneri myrtus, Herculi populus. quin et Siluanos Faunosque et dearum genera siluis ac sua numina tamquam e caelo attributa credimus. 153 Cf. Hunink (1992), 168 f.; Garrison (1992); McIntyre (2008), 49–58.

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ist der Ort nicht schlechthin abstoßend. Abgesehen von der ›Ästhetik des Grauens‹, die dem Hain vielleicht anhaftet, wird er für die Leser durch intertextuelle Vergleiche interessant. Der Hain ist, wenn auch furchteinflößend, dennoch unberührt, wie es auch für einen locus amoenus wünschenswert sein dürfte. Das Fehlen der ländlichen Götter, die solche Orte schützen, wird eigens benannt; überhaupt ist es auffällig, dass die Beschreibung aus zahlreichen, teils idyllischen Bildern besteht, die verneint werden.154 In dem Wald ist es nicht schlechthin stickig, sondern hier weht kein Wind. Vögel fehlen nicht nur, sie setzen sich, heißt es, hier nicht auf die Zweige (407). In der Negation ist einerseits das Bild singender und nistender Vögel enthalten, andererseits wird, vermittels der bekannten Etymologie Auernus dictus quasi ἄορνος (Serv. Aen. 3, 442; cf. Lucr. 6, 740) eine Unterweltsmotivik wirksam. Über den Bäumen, deren Laub die Luft nicht bewegt, liegt ein heiliger Schauer (suus horror, 411, oder haben sie selbst Angst vor der Außenwelt?). Die Götterbilder sind nicht nur schrecklich, sie entbehren – ein interessanter Gegensatz zur Ekphrasis, die sie beschreibt – einer kunstvollen Gestaltung (simulacraque maesta deorum | arte carent, 412 f.). In der Topik des Landlebens sind ursprüngliche, nicht überfeinerte Kultgegenstände aber durchaus positiv besetzt.155 Es scheint beinahe fraglich, ob der Erzähler den Ort überhaupt als schrecklich beschreiben will oder kann. Insofern intertextuell alles das präsent ist, was faktisch fehlt, zeichnet sich der lucus durch eine eher ›uneigentliche Andersartigkeit‹ aus.156 Die allgemeinen Anspielungen auf Landschaften, wie sie in den Georgica dargestellt sind, bewirken damit (wie das ›epische‹ Fallen der Bäume) nicht nur einen Kontrast, sondern auch eine Parallelisierung. Besonders zu beachten ist aber jener Abschnitt der Georgica, in dem berichtet wird, wie ein uralter Hain zu landwirtschaftlichen Zwecken gefällt wird. Die Stelle ist berühmt sowohl für ihre Schönheit als auch für das Verstörende, das ihr anhaftet.157 Für die Leser, die mit der literarischen Tradition des Bäumefällens vertraut sind, bedarf es keiner direkten Anspielung mehr, um nun

154 non ruricolae [sc. dei], 402; uolucres metuunt insistere, 407; nec uentus, 408; [sc. nec] fulgura, 409 f., non frondem, 410; arte carent, 413; non uulgatis figuris, 415; non nosse, 417; non frequentant, 422. In der Negationshäufung besteht auch ein Un­ter­schied zu dem locus horridus in Senecas Thyest. 155 Cf. Ps.-Verg. Culex 86 f.: illi falce deus colitur non arte politus, ille colit lucos; Tib. 1, 10, 8/15 ff.; 2, 1, 55. 156 Zur genauen Inversion der Motivik eines locus amoenus cf. McIntyre (2008), 50 f.; von Albrecht (1962), 135–138 betont die Unanschaulichkeit Lucans. Für ein weiteres Beispiel uneigentlicher Andersartigkeit cf. Ov. met. 11, 592 ff., das Haus des Schlafs, dazu Reitz (1999), 46. Was dort dezidiert abwesend ist, kann auch als traumhaft, als gleich­zeitig da und nicht da interpretiert werden. 157 Heyne bemerkte dazu: »Versuum pulcritudinem vel me non monente sentis«, cf. Heyne /  Wagner (41830) ad loc. Demgegenüber cf. Putnam (1979), 110 f., Miles (1980), 131–133.

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auch diese Passage mit dem massiliotischen Hain in Verbindung zu bringen (georg. 2, 203–211): nigra fere et presso pinguis sub uomere terra et cui putre solum (namque hoc imitamur arando), optima frumentis: non ullo ex aequore cernes205 plura domum tardis decedere plaustra iuuencis; aut unde iratus siluam deuexit arator et nemora euertit multos ignaua per annos, antiquasque domos auium cum stirpibus imis eruit; illae altum nidis petiere relictis,210 at rudis enituit impulso uomere campus.

Erde, die fast schwarz ist, und fett unterm Druck des Pfluges und die eine lockere Krume hat (denn das ahmen wir durchs Pflügen nach), die ist für Getreide am besten. Von keinem anderen Feld wirst du mehr Wagen nach Haus rollen sehen, von langsamen Stieren gezogen; oder aber von dort, wo ein wütender Pflüger Bäume rodete und Wälder umwarf, die viele Jahre lang untätig waren, alte Häuser der Vögel riss er aus samt den untersten Wurzeln. Die Vögel verließen die Nester, suchten das Weite, doch ein noch nie bebauter Acker war prächtig anzusehen, als der Pflug hineingestoßen wurde.

Weizen gedeiht auf solchem Boden, wo früher Bäume standen; deswegen muss zuweilen gerodet werden.158 Die Haine, die hier gefällt werden, sind alt und seit langem – domos re uera antiquas aut caras, sagt Servius – Heimstätte von Vögeln.159 Diese müssen nun ihre Nester verlassen, man kann Mitleid mit ihnen haben.160 Die Ursache hierfür, der Zorn des Pflügers, ist merkwürdig und, zumal nichts weiter darüber gesagt wird, durchaus befremdend. Ob den Bauern die Unfruchtbarkeit des Bodens stört, ob tiefer liegende Gründe ihn bewegen,161 bleibt für die Leser als Frage zurück. Aber was hier geschieht, ist zweifellos folgenreich und, insofern es das Wesen der Landwirtschaft betrifft, erhaben: non ullo ex aequore cernes | plura domum tardis decedere plaustra iuuencis. Mit dem zivilisierenden Eingriff des Menschen geht hier die Zerstörung untrennbar einher, aber die Zivilisation ist ein bleibender Erfolg: at rudis enituit impulso uomere campus. Die Ambivalenz dieses Bildes hat Richard Thomas in einflussreichen Arbeiten nachgezeichnet und in Beziehung zum Bäumefällen und der Suche nach dem goldenen Zweig in der Aeneis gesetzt:162 Das Umwerfen des Alten 158 Auch georg. 1, 73 ff. 159 Vergils domus auium spielen auf das liebliche Venus-Proöm des Lukrez (1, 18: frondiferasque domos auium) an, wie man schon zu Heynes Zeit seit langem weiß cf. Heyne / Wagner (41830) ad loc. Die Vögel und ihre Behau­sungen gehören, wie es an anderer Stelle heißt, zu einer intakten und durchaus nicht unnützen Idylle: georg. 2, 429 f.: nec minus interea fetu nemus omne grauescit, | sanguineisque inculta rubent auiaria bacis. 160 Cf. georg. 4, 511 ff., das Gleichnis für den trauernden Orpheus, wo von einem durus arator die Rede ist, dazu cf. Thomas (1988) ad loc. 161 Zu den kontroversen Diskussionen um diese Stelle cf. z. B. Heckel (1998), 90–95. 162 Cf. Thomas (1988a), 272 f.; zu der Ambivalenz in Buch 2, insbesondere mit Blick auf die Bäume cf. Thomas (1982), 49–51. Als ein Topos für die Gier erscheint das Bäumefällen

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mag unausweichlich sein, damit das Neue, Erhoffte errungen werden kann, schmerzlich ist es dennoch. Nicht von ungefähr erinnert in der Aeneis der Untergang Trojas, urbs antiqua ruit multos dominata per annos (Aen. 2, 363),163 an die Zerstörung der angestammten Sitze der Vögel, die nemora multos ignaua per annos. Hier war die Heimat des Aeneas (Aen. 2, 635: antiquas domos). Und nicht von ungefähr wird die Zerstörung der Stadt in seinem Bericht mit dem Bild des Baumfällens beschrieben: ac ueluti summis antiquam in montibus ornum | cum ferro accisam crebrisque bipennibus instant | eruere agricolae certatim (Aen. 2, 626 ff.).164 Indem Lucan ein derart prominentes Motiv verwendet, muss all dies anklingen.165 Maßgebend ist hierfür das uneigentliche Anderssein des Ortes. Alles, weswegen das Bäumefällen in den Georgica problematisch wirken konnte, scheint hier zu fehlen: Hier nisten keine Vögel (wie in den Hainen, die der Landmann rodet),166 hier leben keine wilden Tiere (wie im Wald, woher Aeneas das Holz bezieht, Aen. 6, 179): illis et uolucres metuunt insistere ramis  | et lustris recubare ferae (3, 407 f.).167 Der Hain ist kein Ort der Hoffnung, sondern der Barbarei.168 Da selbst die gallischen Priester den Hain und die unbekannten Götter fürchten (424 f.), dürfte kaum ein kultivierter Mensch den Kultort vermissen.169 auch bei Hor. epist. 1, 2, 45 f.: et incultae pacantur uomere siluae / quod satis est cui contingit, nil amplius optet. Zum Problem des Bäumefällens aus landwirtschaftlicher Sicht cf. Colum. 2, 1, 5 ff. 163 An dem ähnlichen Versende ignaua bzw. dominata per annos zeigt sich die Bedeutung, aber auch die Relativität der Perspektive, aus der man das betrachtet, was jeweils gefällt wird. 164 Cf. Briggs (1980), 32–41; Thomas (1988) ad loc.; Mynors (1990) ad loc.: Die Wendung antiquae domus wird nirgendwo sonst in der Aeneis gebraucht. 165 Auch Manilius ruft die Ackergewinnung in Verbindung mit dem Bäumefällen für Misenus auf, im zweiten Teil eines äußerst aufwendig gestalteten Doppelgleichnisses (Manil. 2, 272–287). Hier ist der Hauptgedanke der Geor­gica-Passage aufgegriffen, das zwar schmerzliche, aber für einen höheren Zweck überaus nützliche Arbeiten, und zwar an einem noch erhabeneren Gegenstand als der Ackergewinnung, nämlich am Städtebau: antiquasque domos et nota cubilia linquunt, | ast alii silicem in muros et marmora templis | rimantur (Manil. 2, 278 ff.). Cf. Schindler (2000), 262–267; Reitz-Joosse (2013), 114–118. 166 Cf. Bramble (1982), 545 zur Wirkung der »negation antithesis« in der Hainbeschreibung (mit Verweis auf Aen. 8, 597 ff., was aber verallgemeinert werden kann): »The reader’s response to the norm, exploited by the negatives, provides the basis for the paradox: order and disorder, comprehended in sequence, present a vision of a world that is awry.« Die Frage ist, ob Lucan eben nur das Gegenteil mit seinen Anspielungen darstellen wollte oder nicht. 167 Man hat mit Bezug auf Avernusmotivik im Vers 407 einen Anklang an Augustus’ folgenreiche Verwandlung des Avernus in einen locus amoenus gesehen, cf. Leigh (1999/2010), 219–228. Das Fehlen ›normaler‹ Lebewesen kann ein An­zeichen für einen schau­erlichen Ort sein, cf. Hunink (1992) ad loc. mit Verweis auf Schönbeck (1962), 36–38. 168 Das legt auch die Darstellung der Druiden in 1, 444 ff. nahe (barbarici ritus, mos sinister, 1, 450). 169 Hier ist die von Otto (2000) vorgeschlagene Unterscheidung zwischen nemus ~ »sacralité intrinsèque« und lucus ~ »sacralité extrinsèque« (cf. oben 65 No. 105) instruktiv: Der Hain ist vielmehr durch den Kult als durch irgendeine innere Heiligkeit bzw. eine auf den Betrachter angenehm wirkende Ästhetik geprägt.

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Und dennoch kann das eigenartige Aussehen des Hains nicht hinreichen, um die Leser vollends von der Rechtmäßigkeit des Bäumefällens zu überzeugen. Es bleiben zwei Perspektiven: Zustimmung und Zweifel.170 Zunächst zur Zustimmung. Einen schrecklichen Ort zu beseitigen, an dem Menschenblut verspritzt wurde (405), kann keine Verfehlung sein. Das Vorgehen ist modern und entspricht der selbstverständlich geübten Praxis zur Beschaffung von Bauholz wie auch der Errichtung einer besseren und überschaubaren Infrastruktur. Düsteren Wald zu lichten ist anerkanntermaßen eine Zivilisationsleistung.171 Angesichts der furchtbaren rituellen Bedeutung des Ortes kann die Abholzung des alten Hains zudem sogar nicht nur fortschrittlich, sondern im umfassenden Sinn erhellend wirken: tum primum […] admisere diem (444 f.). Es ist leicht, diese Worte metaphorisch zu deuten. Caesars Wagnis ist dann, beabsichtigt oder nicht, ein Akt der ›Aufklärung‹.172 In der Tat ist es nur eine zweifelhafte Sage (fama, 417), die den Ort zu dem macht, was er ist. Es heißt, umgefallene Bäume richteten sich wieder auf (3, 419),173 Caesar lässt das Gegenteil verifizieren. Indem er das tut, was bisher niemand getan hat und indem für ihn die göttliche Rache ausbleibt, ist buchstäblich die Voraussetzung für einen ›epikureischen‹ Beweis der Untätigkeit der Götter und des Unsinns des Aberglaubens geschaffen (3, 445–448):174 […] gemuere uidentes Gallorum populi, muris sed clausa iuuentus exultat; quis enim laesos inpune putaret esse deos? seruat multos fortuna nocentes.

Die gallischen Scharen klagten, als sie das sahen. Doch die Soldaten hinter den Mauern jubeln. Wer könnte denn glauben, die Götter ließen sich verletzen, ohne Rache zu üben? – Viele Schuldige bewahrt Fortuna.

Wenn Caesar die Axt schwingt, scheint es, hat er keine lebens- und wahrheitsferne Angst vor dem noch unbekannten Dunkel. So lässt sich hier ein weiteres 170 Cf. auch Panoussi (2003), 227 f. 171 Cf. Meiggs (1982) passim; Garrison (1992); Thommen (2009/2012), 2: »clearing the forests was seen first and fore­most as part of the progress of civilisation«, überdies ibid. 85–89. 172 Cf. Leigh (1999/2010). Walde (2009a), 452 f. zu Voltaires Interpretation der Episode (Essai sur la poésie épique, ch. 7: »cet endroit fait voir combien la vraie grandeur d’un héros réel est au-dessus de celle d’un héros imaginaire, et combien les pensées fortes et solides surpassent ces inventions qu’on appelle des beautés poétiques, et que les personnes de bon sens regardent comme des contes insipides propres à amuser les enfants.«). 173 Dieses Motiv bezieht sich keineswegs nur auf einen gallischen Aberglauben; auch für römische Leser kann es eine durchaus ominöse Bedeutung haben, cf. Hunink (1992) ad loc. u. a. mit Tac. hist. 2, 78; Suet. Vesp. 5. 174 Cf. Leigh (1999/2010), 209–211 mit Lucr. 1, 62–71 und anderen Stellen (ibid. 209 No. 31). Ob Caesar aber all dies beabsichtigt, ist – auch angesichts der unklaren Motivation für seinen Befehl – durchaus fraglich: »The villainous Caesar will therefore be considered in the para­ doxical guise of culture-hero. As surprising as this role may be, moreover, it is also one which Caesar attracts in spite of himself and almost in contradiction of his titanic ambi­tions« (ibid. 202).

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Mal an das zweite Georgica-Buch denken. Der Kontext unbeschwerten Landlebens war mit dem Bild der fehlenden Landgötter als Kontrast bereits aufgerufen, das Bäumefällen kann, wie gesagt, mit einer Maßnahme zur Ackergewinnung und Kultivierung verglichen werden. Nun wäre hier mit Caesars epikureisch anmutender Aufklärungsleistung gar das höchste Ziel menschlichen Daseins angesprochen: felix qui […] metus omnis et inexorabile fatum | subiecit pedibus strepitumque Acherontis auari (georg. 2, 490 ff.). Die Zerstörung des Hains als die zukunftsweisende Beseitigung bzw. Überwindung des Dunklen, Barbarischen und Unterweltlichen wäre damit eine schlechthin philosophische Tat.175 Nun zum Zweifel. Dies kann knapp ausgeführt werden, da sowohl das Phänomen der von Lucan durch die starke intertextuelle Determinierung der Stelle erreichten ›uneigentlichen Andersartigkeit‹ als auch die Scheu der Soldaten vor dem Sakrileg bereits diskutiert wurden. Das unberührte, faszinierende und für niemanden während der in Rede stehenden Zeit wirklich gefährliche Heiligtum entzieht sich einer eindeutigen Beurteilung. Die allgemeine Vorstellung von dem Ort beruht ausschließlich auf der Überlieferung, wofür mit mirata uetustas ein gut-römischer (wie auch metapoetisch bedeutender) Begriff gebraucht ist: siqua fidem meruit superos mirata uetustas, | illis et uolucres metuunt insistere ramis | et lustris recubare ferae; nec uentus […] (406 ff.). Das muss nun in verschiedener Hinsicht Unbehagen erwecken: Entweder hat man zu bezweifeln, dass die Autorität des Altertums wirklich in Frage gestellt werden sollte. Die Beseitigung eines Kult- und Erinnerungsortes, der durch die Wirkung von fama konstituiert wird, ist dann bedenklich (besonders, wenn man hier noch eine Ähnlichkeit mit römischen Erinnerungsorten wie dem Wald bei Misenum bemerkt). Oder man muss, überwiegt der Zweifel an der Überlieferung, gerade auch all den Unheimlichkeiten im Wald misstrauen: Vielleicht errichten ja doch Vögel ihre Nester in dem Hain. Das Bedauern über die von Vergils iratus arator gefällten Bäume lässt sich so nur desto leichter auf den massiliotischen Hain übertragen, wo sozusagen ein ›iratus imperator‹ (cf. 436–439) die Axt schwingt. Beide Perspektiven, affirmative wie aversive, hängen eng zusammen. Das ist bei Lucan nicht neu, sondern war, wie gesagt, bereits ein wesentliches Element bei Vergil. Und offensichtlich sind beide Perspektiven notwendig, um über einen solchen, nicht wieder umkehrbaren Vorgang nachzudenken. Wenn Vergil auf das augusteische Bau- und Gestaltungsprogramm anspielt, von dem ja u. a. der 175 Und die folgenreiche Beseitigung eines ›lucus non lucidus‹ wäre die Tat eines etwas zu selbstbewussten Sprach­puristen? Angesichts der spannungsreichen Beziehung zwischen dem Erzähler und der Caesar-Figur (cf. 9, 980 ff.) wäre dies durchaus vorstellbar. Das Wort lucus wird in Caesars Prosa nicht gebraucht; ob sein berühmter, echt lateinischer delectus uerborum (Cic. Brut. 253), der das Fundament seiner Beredsamkeit bildete, es erlaubt hätte, darüber lässt sich nur spekulieren.

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lacus Auernus betroffen war (cf. georg. 2, 164),176 dann besteht in der Ambiguität gerade ein ästhetischer Reiz. Dasselbe trifft zu, wenn man im Fällen des massiliotischen Hains eine Vorstufe dieses Gestaltungsprogramms oder gar ein Sinnbild für die langfristige Wirkung des Bürgerkriegs schlechthin sehen will.177 Ein allgemeiner, objektiver Blick auf das Geschehen ist in Lucans Erzählung kaum möglich (gerade weil unklar bleibt, was das Fällen des Hains tatsächlich bewirkt hat). Um ein abschließendes Urteil scheint es aber auch nicht zuvörderst zu gehen. Die Frage, was Caesar, den Handelnden, bewegt, tritt in den Vordergrund.

e) Caesar Eine groß inszenierte philosophische Tat, die, wenn auch kontrastreich, an den Frevel des Erysichthon erinnert und an das religiös hochbedeutende (und durchaus problematische) Bäumefällen des Aeneas? Das muss einigermaßen grotesk wirken.178 Sofern man nicht nur annehmen will, dass Caesar bei seinem Bäumefällen unbemerkt eine Aufklärungsleistung unterläuft, sondern wenn man sein credite me fecisse nefas (436) für eine dezidierte Bemerkung hält, ist nach der Philosophie Caesars zu fragen. Lucans Caesar mit dem anderen, ›historischen‹ in Beziehung zu setzen, ist hier besonders erhellend. Soweit wir wissen, scheint Caesar in der Tat epikureische Ansichten vertreten zu haben, seine Meinung über den Tod und seine ›aufgeklärte‹ Zurückhaltung gegenüber gewissen Kultpraktiken und Göttervorstellungen legen dies jedenfalls nahe.179 Dabei scheint für ihn, wie für einige andere Mitglieder der römischen Oberschicht auch, der ›Zeitgeist‹ eines unorthodoxen Epikureismus interessant gewesen zu sein.180 Ein römischer Politiker kann die Maxime λάθε βιώσας nicht konsequent befolgen.181 Allerdings kann man auf weit weniger of 176 Cf. Leigh (1999/2010), 219–228. Allgemein zu Augustus’ Gründungs- bzw. Bautätigkeit z. B. Dyson (1996); Tho­mas (2001), 1–7. 177 An anderer Stelle ist dieser Gedanke klar ausgeführt, und zwar mit Blick auf die Vergeblichkeit der Bemühungen Caesars: 6, 48 ff., cf. unten 91. 178 Zur aufklärenden Wirkung des Bäumefällens bei C. F. Meyer gegenüber der Darstellung bei Lucan cf. von Alb­recht (1962), 135–138. Zur mangelnden Aufklärung auch Ozanam (1990), 276 f.: »Le triomphe du jour ressemble plus à un viol du mystère qu’à une victoire de la raison. […] Son action, du reste, ne vient pas de son désir de vaincre la superstition, mais d’une passion qui anime le dux impatiens«; etwas anders Walde (2009a). 179 Castner (1988), 83–86 v. a. mit Sal. Cat. 51, 20; 52, 13; Cic. Cat. 4, 7. Neben den bereits genannten Stellen: Caesars eigene Darstellung der gallischen Religion in Gall. 6, 16 ff. und Suet. Iul. 81, 4 ff. 180 Cf. Fussl (1980); Feeney (1998), 19 f. 181 Cf. Canfora (1999/2001), 36–38; Fussl (1980), 79 f.; etwas anders bei Rambaud (1969), 415, der Caesars epikure­ische Haltung auf der Grundlage seiner Werke untersucht: »L’auteur des Commentaires dissimule sa vie person­nelle et pratique le précepte «  λάθε βιώσας  ».

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fensichtliche Weise nicht im Verborgenen leben als durch Ansprachen an Soldaten. Und gerade hier hätte lukrezische Kritik anzusetzen. Ein Caesar kann dem freilich entgegnen, dass reine Philosophie nicht die vordringlichste Sorge der meisten Römer ist.182 Gemäß metapoetischem Realismus ist es leicht denkbar, dass er sich hier gegen den – eventuell von Lukrez herzuleitenden – Vorwurf wehren will, unphilosophisch zu sein. Indem er einen ›epikureischen‹ Beweis für die Untätigkeit der Götter erbringt, zeigt er dann, dass er den Diskurs sehr wohl kennt und, was Religionskritik betrifft, durchaus unterstützt. Auch die Worte, mit denen Caesar seinen Angriff auf die vormals verbündete und jetzt neutrale183 Stadt Massilia einleitet, haben einen natur­ philosophischen Anschein (3, 362–366): ›uentus ut amittit uires, nisi robore densae occurrunt siluae, spatio diffusus inani, utque perit magnus nullis obstantibus ignis, sic hostes mihi desse nocet, damnumque putamus armorum, nisi qui uinci potuere rebellant.‹

›Wie der Wind seine Kräfte verliert, wenn nicht dichte Wälder mit ihrem Holz sich gegen ihn stemmen und er sich dann im freien Raum verteilt, und wie ein großes Feuer vergeht, wenn ihm nichts entgegensteht, so schadet es mir, wenn ich keine Feinde habe, und ich glaube, es schadet den Waffen, wenn niemand aufbegehrt, den sie besiegen könnten.‹

Caesar ist, wie er sagt, durch Überlegung zu dieser Auffassung gelangt: putamus (365).184 Das Bild der Bäume, die für den Wind als Widerstand nötig sind, um nicht an Kraft zu verlieren, ist aber eine unsinnige Folgerung aus der Tatsache,185 dass das, was Widerstand leistet, die Gewalt des Windes besonders zu spüren bekommt. Mit orthodoxer Philosophie hat das nichts zu tun, weder mit epiku­ reischer noch einer anderen. Aber sei es, dass Caesar sich vor allem als Philosoph eigener Art darstellen oder über andere Philosophen spotten möchte: Wenn er seinen Kampfeswillen mit einem derart simplen Gleichnis darstellt, geht es nicht L’épicuréisme même refusait de se laisser voir […] Principe de discrétion avec lequel concordent maintes dissimulations et, plus profondément, cette sorte d’objectivation par laquelle Caesar narrator se dissocie de Caesar imperator.« 182 Eine Grenze sind politische Opportunitäten, cf. DeWitt (1932), 91 mit Suet. Iul. 43 und Castner (1988), xiv: »Caesar’s laws against riotous living and new collegia may have dealt a blow to the popularity of Epicureanism.« 183 Cf. 3, 305: pacificus sermo. Dass sich L. Domitius Ahenobarbus, der Caesar-Gegner (Lucan. 2, 478 ff.), in der Stadt befand, wird von Lucan – im Gegensatz zu Caeser (civ. 1, 34) – nicht erwähnt. 184 Lukrez gebraucht das Verb putare mehr als fünfzigmal. 185 Im Aetna-Gedicht wird zur Erklärung für das Wirken von Winden eine ähnliche ›verlebendigende‹ Darstellung gegeben: namque illis, quaecumque uacant, hiat impetus omnis, et | sese introitu soluunt adituque patenti | con­ceptae languent uires animosque remittunt 162 ff., für den Text cf. Richter (1963). Was dort aber als ›Gleichnis‹ für die Winde genutzt ist (ibid. 165 ff.), stellt Lucans Caesar als eine Eigenschaft dar.

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darum, sein Vorgehen überzeugend zu rechtfertigen.186 Im Gegenteil, Caesar erinnert daran, dass er, einfach weil er in der Lage dazu war, bereits einige wahrscheinlich wenig erhellungsbedürftige nemora gefällt hat.187 So wird schon auf den Umstand vorausgewiesen, dass er die Abholzung des massiliotischen Hains zwar befiehlt, nicht aber weiter sinnvoll begründet. Form und Gehalt klaffen bei Caesars Handeln auffällig auseinander. Er ist kein Philosoph im eigentlichen Sinn; das kann (und will) er wohl auch nicht sein.188 Dass er später in Alexandrien, als er nach den Nilquellen fragt, wieder gerade auf seine Weise philosophisch auftritt, unterstreicht diese Differenz nur.189 186 Hunink (1992) ad loc.: »wind certainly does not become weak when there are no objects it can meet with. Lucan may have thought of current explanations of whirlwinds, as Sen. nat. 5, 13, 1–2 […] but we find the very opposite notion in BC too: in 9,449–54 the wind is said to rage freely in the Libyan desert, due to the lack of obstacles which would have tired it out (lassatur). The poet chooses the idea which fits best his immediate rhetorical aim, without aiming at consistency.« Dem ist allerdings hinzuzufügen, dass es sich beim vorliegenden Gleichnis um Figurenrede handelt, während die von Hunink genannte Stelle vom Erzähler gesprochen wird. Die Ungenauigkeit fällt somit direkt auf Caesar zurück; der Schluss, den Hunink zieht, wird dadurch nur bekräftigt: »Lucan seems to have in­verted the normal idea on virtue; cf. especially the idiom in Sen. dial. 1, 2, 4: marcet sine aduersario uirtus …; 1, 2, 9. Caesar is evil incarnate, the best exponent of what civil war amounts to: a world turned upside down.« 187 Cf. Sen. nat. 5, 1 ff., bes. 5, 12, 2: et in nos cadit uehemens et acer, quia non fusus nec per apertum uenit sed laborat et iter sibi ui ac pugna parat. Dass Lucans Caesars diesen Selbst­ vergleich mit den Winden vorbringt, entbehrt allerdings für die informierten Leser nicht einer gewissen Ironie. Seneca hat Caesars Persönlichkeit zur Beurteilung der Winde herangezogen (jedenfalls sofern man, was keineswegs notwendig ist, den überlieferten Text derart verstehen will): nunc quod de Caesare maiore uulgo dictatum est et a Tito Liuio positum, in incerto esse utrum illum magis nasci an non nasci reipublicae profuerit, dici etiam de uentis potest; adeo quicquid ex illis utile et necessarium est non potest his repensari quae in perniciem suam generis humani dementia excogitat. sed non ideo non sunt ista natura bona, si uitio male utentium nocent (Sen. nat. 5, 18, 4). Hierzu cf. Donié (1996), 54 f./112. Zur Skepsis demgegenüber, auch mit Blick darauf, ob die vermeintlich livianische Bezeichnung Caesar maior überhaupt zu Julius Caesar passen könnte, cf. z. B. Fantham (2010/2011), 565 No. 13. Freilich bleibt der all­gemeine Gehalt der Sentenz über die Winde und einen bestimmten Politikertypus unberührt und kann hier wirksam werden. Zur Destruktivkraft der Winde in Hinsicht auf die Bürgerkriegsthematik cf. Fantham (2010/2011), 565–570, bes. zu dem landwirtschaftlichen Schaden, den die Winde anrichten: 566 mit georg. 1, 318. 188 Cf. George (1988); ibid. (1992): Caesar kann als Gegenteil des stoischen Weisen betrachtet werden (daraus muss nicht folgen, dass Gedicht insgesamt ›stoisch‹ ist. Ein stoischer Tor wird kaum je bewundernswert erscheinen). 189 Cf. Caesars Worte zu Acoreus 10, 176 ff., bes. 189: tantus amor ueri. Zu dem Gegensatz zwischen Caesar und dem wahren Philosophen Acoreus cf. Tracy (2014), bes. 108–117 mit Blick auf Massilia. Zu der Passage in ihrem hellenistischen Kontext cf. Ambühl (2015), 387–395, bes. 390 No. 74 mit einem kurzen Forschungsüberblick. Schwierig, weil nicht zuletzt mit der Diskussion um das Ende des Werkes verbunden, ist freilich Frage, ob Caesar in dem von ihm bekundeten Wahrheitssuchen den alexandrinischen Dichtern und Gelehrten tatsächlich ähnlich ist, oder ob die Parallelisierung, vor allem mit Blick auf das tatsächliche Ende der unkriegerischen mora, letztlich nicht doch absurd ist. Die Leser könnten wahr-

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Besonders eklatant ist es jedoch, wenn Caesar der weltanschaulichen Dimension der hier aufgerufenen vergilischen Motive gegenübersteht. So notwendig und reizvoll ein Raisonnement über Licht und Schatten sein mag (etwa über die aufklärende Kraft menschlichen Verstandes) oder über Ethos, Pflicht, Gewinn und Gewalt (etwa die Gewalt des Pflügers oder des Aeneas gegen Bäume190) – mit Caesars ›Philosophie‹ kann man diesem Anspruch nicht genügen. Hier fällt wiederum ins Gewicht, dass Lucans Caesar Vergil nur metaleptisch kennt. Zwar kann es so scheinen, als ob er mit dem Bäumefällen vorgeblich deren Lehren zur Neulandgewinnung befolgen und in ähnlicher Weise ad absurdum führen will wie die Naturphilosophie, die ethische Forderungen an ihn stellt.191 Aber realistischerweise handelt es sich bei Caesars Bäumefällen nicht um eine ›procaesarianische‹ Vereinnahmung oder sogar Antiphrasis, sondern schlicht um Unkenntnis.192 Lucans Leser können hingegen daran denken, dass das paradiesische Bild ländlichen Lebens in den Georgica vor allem ein Ausdruck des verborgenen Daseins ist.193 Das ist gerade jener Teil epikureischen Denkens, der Caesars blitzartiger, rastloser Persönlichkeit (1, 143 ff.) am fernsten ist.194 Insbesondere ist es kaum möglich, aus Caesars Handeln auf ein antiphrastisches Interesse des Dichters zu schließen. Unmittelbar anschaulich wird Caesars Unkenntnis daran, dass er den Anforderungen an einen besonnenen römischen Bauern, wie mit Blick auf den weiteren Kontext der evozierten Passage georg. 2, 203 ff. deutlich wird, in keiner Weise scheinlich auch daran denken, dass im Alexandrinischen Krieg die Wahrheits­liebe Caesars nicht vermocht hat, die Bibliothek zu schützen, die im Feuer Schaden nahm (cf. Sen. dial. 9, 9, 5; Plut. Caes. 49), und dass Caesar nicht mehr in die Lage kommen sollte, ein der Wissenschaft geweihtes Leben ohne Bürgerkrieg zu führen. – Caesars Neugier, noscendi cupido (10, 268) ist, wie Ozanam (1990), 282–286 gezeigt hat, insofern sie eine Leidenschaft ist, im Sinne stoischer Philosophie jedenfalls problematisch, eine »mau­vaise curiosité«. Überdies handelt sich bei der Ergründung der Weltgeheimnisse um Herrschertopik, auch Alexan­der hat die Grenzen der Welt gesehen, cf. Kießling / Heinze (71930) ad Hor. carm. 3, 3, 53. 190 Cf. Thomas (1988a), 266 f. zu Aen. 6, 146 f.; 210 f. – Dass Lucan sich hier auf ein bestimmtes Verständnis der Aussage Vergils festlegt und einen interpretierenden Kommentar liefert, lässt sich vielleicht nicht beweisen. Die Ambiguität bei Vergil ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung von Caesars Tat, sie ist viel­mehr eine bemerkenswerte Parallele: Entweder steht Caesar, insofern er frevelt, in deutlichem Kontrast zum pius Aeneas oder er stellt seine degenerierte Konsequenz dar, das Maß ›klassischer‹ epischer Transgression ist deutlich überschritten. Lucan scheint in der Dichtung Vergils gewisse Ambiguitäten wahrgenommen zu haben, und er knüpft daran an, indem er von einem ähnlich ambiguen, aber in der Differenz zwischen ›fortschrittlich‹ und ›ver­brecherisch‹ weit schärfer konturierten Caesar erzählt. 191 Cf. Lucan. 3, 437. 192 Hierzu cf. oben 26 ff.  193 Cf. Klingner (1931); Klingner (1963), 119–135. 194 Die widersprüchliche Wirkung, dass mit dem Blitz für Caesars extrovertiertes und aggressives Streben gerade ein Symbol epikureischer Kulturentstehungslehre (cf. Lucr. 5, 1092/ 1100 ff.) gewählt wurde, ist hier wiederum besonders deutlich.

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nachkommt. Indem das Barbarische des massiliotischen Hains verschwindet, scheint es, als solle der Ort durch Caesar romanisiert, modernisiert und nutzbar gemacht werden. Mit dem Fällen der alten Bäume könnte hier neuer Ackerboden gewonnen werden.195 Aber dass dies auch nur im Entferntesten geschehen sollte, davon ist keine Rede; vielmehr schädigt Caesar die Landwirtschaft der von ihm okkupierten Gegend,196 indem er Wagen und Stiere von der Feldarbeit wegholt, um das geschlagene Holz fortzuschaffen. Die bereits von Vincent Hunink ge­ sehene Anspielung auf das Lob des Landlebens unterstreicht dies vielsagend:197 agricola incuruo terram dimouit aratro: hinc anni labor, hinc patriam paruosque nepotes sustinet, hinc armenta boum meritosque iuuencos. (georg. 2, 513–515)

Der Bauer hat mit dem gekrümmten Pflug die Erde bewegt: Hier ist die Arbeit des Jahres, hier erhält er die Heimat und seinen kleinen Enkel, auch die Rinderherden und die verdienten Jungstiere.

utque satis caesi nemoris, quaesita per agros plaustra ferunt, curuoque soli cessantis aratro agricolae raptis annum fleuere iuuencis. (Lucan. 3, 450–452)

Als genug vom Gehölz umgehauen war, holte man Erntewagen von den Feldern und schaffte es damit weg; und die Bauern, deren Boden vom gekrümmten Pflug nun unberührt blieb, beweinten das Jahr; geraubt waren ihre Jungstiere.

Das Motiv – der gekrümmte Pflug, die Stiere, die Arbeit des Jahres, der Lebensunterhalt der Bauern – hat Lucan auch formal aufgegriffen, aratro, agricolae und iuuencis stehen bei ihm an denselben Stellen des Hexameters. Nichts erinnert hingegen an die Lebendigkeit und Einfachheit der vergilischen Verse; Lucans hypotaktische, gesperrte Sätze sind sozusagen ebenso schwer verständlich wie der Umstand, dass die Bauern nicht ackern.198 Caesar schafft vor Massilia exakt solche Verhältnisse, wie sie die Bauern erdulden, die später in den Georgica apostrophiert werden. Das Widersinnige der symbolisch aufgeladenen und doch nicht konsequent zu Ende geführten Zivilisationsleistung wird noch dadurch gesteigert, dass die von Caesar bekämpften Massilioten in Worten und Taten beinahe wie Menschen

195 Cf. auch Walde (2009a), 458 f. 196 3, 383 ff.: sed prius, ut totam, qua terra cingitur, urbem | clauderet, a summis perduxit ad aequora castris | longum Caesar opus, fontesque et pabula campi | amplexus fossa densas tollentia pinnas | caespitibus crudaque extruxit bracchia terra. 197 Cf. Hunink (1992a). 198 Cf. Walde (2009a), 457 zu dem plötzlichen Perspektivwechsel vom Bäumefällen zur Beschlagnahmung der Wagen: »Die Trauer über den ökonomischen Verlust überwiegt vor der Empörung über den geschändeten Hain. Gerade diese nicht einfach zu erklärende Blick­ felderweiterung ist vielleicht ein Schlüssel zum Verständnis dieser Episode.« – Es ist allerdings meines Erachtens nicht ganz deutlich, ob nicht die Bauern auch Massilioten sind und insofern dem Hain gegenüber von vornherein nüchterner eingestellt waren (auch wenn sie eine göttliche Strafe für Caesar erhofft haben, cf. 3, 446 ff.).

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aus der Frühzeit Roms erscheinen:199 Sie sind Exulanten fernab der ursprünglichen Heimat, von bescheidenen Mauern umgeben und nur durch ihre Treue stark (3, 337 ff.). Sie sind noch nicht durch discordia korrumpiert und sie sterben bei der Seeschlacht, wie etwa Argus und sein Vater (3, 723 ff.), auf nachgerade altrömisch-exemplarische Weise.200 Abschließend ist auch zu bedenken, dass es Caesar nicht gelingt, den Aberglauben zu überwinden. Zwar geschieht nicht das, was die einen befürchtet und die anderen erhofft haben, die Götter greifen nicht ein, die Bäume richten sich nicht sofort wieder auf. Dennoch, unmittelbar nachdem das Tageslicht in den Hain gedrungen ist, geschieht hier zum ersten Mal tatsächlich etwas Unheimliches: propulsaque robore denso  | sustinuit se silua cadens (3, 444 f.). Obwohl schon einige Bäume niedergefallen (440 ff.) sind, obwohl nun so viel von dem dichten Holz geschlagen wurde, hält sich der Wald dennoch aufrecht, scheint sich zu wehren. Wenn man bei Caesars Schlag gegen die Eiche schon an das Pompeius-Gleichnis 1, 135 ff. gedacht hat,201 so wird dies jetzt noch einmal bekräftigt, indem der Hain, wie es seiner ›Würde‹ entspricht, versucht stehen zu bleiben, wenngleich der Angriff längst seinen Lauf genommen hat: nec iam ualidis radicibus haerens | pondere fixa suo est […] et quamuis primo nutet casura sub Euro, | tot circum siluae firmo se robore tollant, | sola tamen colitur (1, 138 ff.). Das Letzte, was sich in diesem Hain ereignet, ist also nicht etwa die unspektakuläre Wirkung der ›Entzauberung‹ eines Mythos, sondern gerade im Gegenteil ein kaum vorstellbarer und für diejenigen, die ihn bemerken können, durchaus erschreckender Vorgang, der das Mythische des Ortes eher bestätigt als widerlegt.202 Interessant ist die Art, wie hier fokalisiert wird: Für die Leser ist nicht zu

199 Cf. Rowland (1969), passim, bes. 205/208; zur Ausdruckskraft der Todesdarstellungen cf. Opelt (1957). 200 Cf. auch Pypłacz (2014), 100–102 mit dem, allerdings etwas kühnen Vorschlag, im Waldheiligtum auch eine Analogie zu Rom zu sehen: Wie das Heiligtum sei Rom seit Remus, besonders aber durch die inneren Kriege zwischen Marius und Sulla, blutbefleckt. Und dennoch sei es ehrwürdig. 201 Cf. Rosner-Siegel (1983), 175 f. 202 Die Scholiasten sehen Erklärungsbedarf für den Ausdruck, cf. CB ad loc.: κακοζήλως dictum esse quidam existimant. Gerade in der auffälligen und undeutlichen Beschreibung scheint aber ein Hinweis zur weiteren Aus­einandersetzung mit der Stelle zu liegen. Cf. Wick (2010) zum Phänomen der »suggestiven Nichtbeschrei­bungen« zur Steigerung der Bedeutung, zur »Pathetisierung« des Erzählten gegenüber den Rezipienten.  – Chaudhuri (2014), 156 charakterisiert Lucans Dichten als »disenchantment and remystification«. Hunink (1992) ad loc: »The image recalls a gruesome motif in Lucan’s battle scenes, where the same thing happens to corpses« mit 4, 787: compressum turba stetit omne cadauer; es ist aber gerade die Sache eines cadauer zu fallen, cadere. Ähnlich Pypłacz (2015) mit Sen. Thy. 723 f. In 6, 822 f. verwendet Lucan diese Etymologie direkt: carmi­nibus magicis opus est herbisque, cadauer | ut cadat.

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erfahren, ob die Römer dies überhaupt wahrnehmen bzw. wie es gegebenenfalls auf sie wirkt; in Sonderheit bleibt unbekannt, was Caesar nach seinem Axtschlag tut, sagt oder denkt. Angesichts des fallenden Haines ist er auf einmal unwichtig; erst wieder sein plötzliches Verschwinden vom Schauplatz wird vom Erzähler mit dem Hinweis auf die Ungeduld des Feldherrn berichtet. Einen grausamen Kult als falsch abzulehnen, ist das eine, ihm etwas Besseres, Humanes entgegenzusetzen, ist das andere. Caesar betätigt sich aber nur destruktiv (und selbst wenn man hinter dem ›credite me fecisse nefas‹ eine weiter reichende philosophische oder polemische Absicht vermutet, wird sie doch nur durch Gewalt exemplifiziert). Was die Gallier hier verehren und fürchten, beruht, wie gesagt, auf einer Überlieferung, die man bezweifeln kann.203 Es mag verzeihlich sein und sogar fortschrittlich wirken, dies als barbarisch zu verspotten. Dass Caesar aber in Kauf nimmt, bei dem wie auch immer nützlichen Bäumefällen gleichzeitig alles schlechthin Römische zu profanieren, das ist ein Sakrileg. Den Lesern wird dieser Gedanke durch die Anspielungen auf Vergil nahegelegt (der iratus arator und der pius Aeneas,204 der den goldenen Zweig sucht und Misenus bestattet). Aber auch auf binnenfiktionaler Ebene wird das deutlich: durch die kulturelle Ächtung des Waldfrevels und die epikureisch nicht zu begründende gewalttätige Überwindung des Aberglaubens, wenn sie darauf beruht, Gottesfurcht durch Caesarfurcht zu ersetzen. Jamie Masters hat auf die metapoetische Dimension des Bäumefällens hingewiesen:205 Topos – locus – lucus is one avenue; but, more importantly, silva, like Greek ὕλη, is often used as a metaphor with the sense ›material, subject-matter‹. Thus deforestation becomes a metaphor for the plundering of poetic material from another source, and inasmuch as this example of deforestation is itself continually a topos that comes from another source, we see that it enacts on the plane of epic action what it represents on the plane of literary activity. Of the grove episode as a whole, then, we see that this act of desecration, this hewing and carting of wood as material for a huge structure, is an analogue for Lucan’s treatment of his predecessor’s material in his own poem.

203 Cf. Hunink (1992) ad 3, 406; ob für den Erzähler freilich ein »general lack of respect for the Gods« anzunehmen ist, kann in Zweifel gezogen werden – cf. Feeney (21993), 250–312, bes. 285/301. 204 Cf. Aen. 6, 175 f./231 ff.; demgegenüber Caesars Selbstdarstellung bei Lucan. 9, 990 ff., bes. 996: ›dat pia tura nepos.‹ Zu Caesar als Gegenstück zur pietas der Massilioten cf. Heyke (1970), 136–138, allerdings ohne Bezug zu Aeneas. 205 Masters (1992), 27. – Cf. demgegenüber Statius’ Ausruf in silv. 2, 7, 13: et plus Aoniae uirete siluae | et, si qua patet aut diem recepit, | sertis mollibus expleatur umbra. Zur Verehrung des Dichters wird ein dunkler Hain ge­fordert, jedes »literary plundering« wird (jedenfalls vordergründig) abgelehnt bzw. rückgängig gemacht, indem mit Geburtstagskränzen wieder aufgeforstet wird; cf. auch van Dam (1984) ad loc.; Malamud (1995).

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Man muss aber fragen, wer plündert. Ein Erzähler, der anspielungsreich vom Umfallen der Bäume und den entwendeten Stieren spricht, handelt weder ungewöhnlich noch gewalttätig.206 Instruktiv ist der Blick auf die reziproke Beziehung zwischen Entstehungszeit des Werkes und der Zeit, von der erzählt wird. Indem das erzählte Bäumefällen zeitlich vor, die Erzählung selbst aber zeitlich nach der Entstehung der Dichtung Vergils liegt, auf die hier angespielt ist, wird eine reizvolle Spannung zwischen dem Erzähler und den handelnden Figuren einerseits und dem Autor andererseits offenbar – und dies wirkt hier vor allem auf die Charakterisierung Caesars. Caesar kann den heiligen Hain nicht abholzen, ohne gerade das »literary plundering« ganz bewusst in Kauf zu nehmen: als Aufgabe religiöser Werte, als Bruch mit der eigenen Erinnerungskultur, als Profanierung des Erhabenen.207 Wenn diese Tat zukunftweisend ist, so in eine Zukunft, die äußerst fragwürdig ist. Caesar rast nicht vor hybridem Zerstörungswahn wie Erysichthon, sondern tut, wozu er Lust hat und was für ihn gerade vorteilhaft sein könnte. Das ist viel verworfener; vor allem, wenn man die Tat an ihrem rationalen, ›aufklärerischen‹ Anschein misst. Thomas Baier hat erklärt: »Man kann in ihm freilich auch den Aufklärer sehen, der beweist, daß es keine Mächte gibt, die Hybris und Maßlosigkeit strafen.«208 Das führt auf den skeptischen Gedanken, dass ›Aufklärung‹ auch einen mefitischen Keim in sich tragen kann. Wenn Caesar als ›Lichtbringer‹ irrationale Ängste überwindet und Götter als Anthropomorphismen entlarvt,209 dabei aber gleichzeitig den ›Mythos‹ der eigenen Unüberwindlichkeit erschafft, dann müsste schließlich auch eine ›Dialektik der Aufklärung‹ in den Blick genommen werden. Aber vielleicht bedarf es neuzeitlicher Philosophie hier gar nicht: Es wird auch so deutlich, dass die Unmäßigkeit und Selbstvergessenheit seines Tuns Caesar schuldig und strafwürdig machen. Wenn dieser Caesar sich wirklich gegen alten Aberglauben wenden will, so verkennt er doch die Grenze zwischen superstitio und religio, indem er nicht falsche Vorstellungen beseitigt, sondern nur einen Ort kultischer Verehrung, der in seiner Eigenschaft als Kultstätte trotz aller Verschiedenheit römischen Heiligtümern gar nicht so unähnlich ist.210 Was Caesar bevorsteht, ist dann gleichsam eine 206 Das tut bereits Vergils Erzähler, wenn man itur in antiquam siluam (Aen. 6, 179) als ›reflexive Annotation‹ begreift, cf. Hinds (1998), 12–16 u. a. mit Verw. auf Quint. inst. or. 10, 1, 88: Ennium sicut sacros uetustate lucos adoremus. 207 Ob der Autor, der den Bericht von einem Erzähler vortragen lässt, der sich mehrfach als traditionell römisch darstellt, eine ähnliche Absicht verfolgt – cf. Masters (1992), 29: »all poetic writing, in Lucan’s vision, is an impious act« –, ist meines Erachtens fraglich. Ob gar eine Sympathie des Autors für seine Caesar-Figur gefolgert werden kann, ebenso. 208 Baier (2010), 122. 209 Cf. oben 59. 210 Cf. hierzu etwa Cic. div. 2, 148 f.: nec uero (id enim diligenter intellegi uolo) superstitione tollenda religio tollitur. nam et maiorum instituta tueri sacris caerimoniisque retinendis sapientis est, et esse praestantem aliquam aeternamque naturam, et eam suspiciendam admi­

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›Tatstrafe‹. Das (von den Lesern ohnehin nicht zu erwartende211) Eingreifen der Götter ist hierzu nicht erforderlich.212 Im dritten Buch von De natura deorum, wo ein ganz ähnliches Problem behandelt wird, nämlich der Umstand, dass schon so viele Verbrecher – insbesondere Tempelschänder213 – nicht sofort von den Göttern bestraft wurden, lässt Cicero seinen Schlussredner, den Oberpriester Cotta, erklären (nat. 3, 85): inuita in hoc loco uersatur oratio; uidetur enim auctoritatem adferre peccandi; recte uideretur, nisi et uirtutis et uitiorum sine ulla diuina ratione graue ipsius conscientiae pondus esset; qua sublata iacent omnia. ut enim nec domus nec res publica ratione quadam et disciplina dissignata uideatur, si in ea nec recte factis praemia extent ulla nec supplicia peccatis, sic mundi diuina in homines moderatio profecto nulla est, si in ea discrimen nullum est bonorum et malorum.

Ungern befasst sich mein Vortrag mit dieser Sache; hier scheint nämlich das Unrechttun verteidigt zu werden. Es würde auch zu Recht so scheinen, wenn nicht – auch ohne irgendeinen göttlichen Ratschluss  – die Erkenntnis von Tugend und Verbrechen selbst einiges Gewicht hätte. Wenn sie aufgehoben ist, liegt alles in Trümmern. So wie nämlich offensichtlich kein Haus und kein Gemeinwesen ohne Vernunft und Ordnung eingerichtet ist, wenn da nicht gute Taten belohnt, nicht schlechte Taten bestraft werden, so vermag auch tatsächlich die göttliche Lenkung der Welt nichts über den Menschen, wenn in ihr nicht der Unterschied zwischen Gut und Böse begründet ist.

Folgt man Cottas ausgewogener Argumentation, dann hat es nicht viel zu bedeuten, wenn Caesar von Fortuna geschützt wird und die Götter ihm nicht zürnen (3, 448–451):214 randamque hominum generi pulchritudo mundi ordoque rerum caelestium cogit confiteri. quam ob rem, ut religio propaganda etiam est quae est iuncta cum cognitione naturae, sic superstitionis stirpes omnes eligendae. Zur Anwendung der Metapher ›mit Stumpf und Stiel beseitigen‹ für militärische Kontexte cf. Caes. Gall. 6, 34, 5/8. 211 Cf. oben 45 ff./57 f. zur Blitzmotivik und zur Prophezeiung des Figulus. 212 Zur Typologie des (epikureischen) Gottesverächters cf. Reitz (2018), dort auch umfassende Literaturangaben. 213 Cf. Cic. nat. 3, 83 f. 214 Prägnant Degl’Innocenti Pierini (1990), 100: »Lucano è particolarmente efficace stigmatizzando con una sen­tentia l’epilogo della vicenda, vv. 447–8.« Seneca illustriert in seinem 41. Brief die Ausstrahlung eines verehrungswürdigen und von den Göttern begnadeten Menschen mit dem Bild eines heiligen Hains, wobei er mit dem Vers Aen. 8, 352 einen Satz benutzt, der in ganz ähnlichem Kontext verwendet ist: bonus uero uir sine deo nemo est: an potest aliquis supra fortunam nisi ab illo adiutus exsurgere? ille dat consilia magnifica et erecta. in unoquoque uirorum bonorum qvis devs incertvm est, habitat devs. si tibi occurrerit uetustis arboribus et solitam altitudinem egressis frequens lucus et conspec­ tum caeli ramorum aliorum alios protegentium 〈prouentu〉 summouens, illa proceritas siluae et secretum loci et admiratio umbrae in aperto tam densae atque continuae fidem tibi numinis faciet (Sen. epist. 41, 2). Lucans Caesar ist demgemäß kein uir bonus. Cf. hierzu auch Ozanam (1990), 286–288; Fantham (1996/2011), 531–534.

Bäumefällen […] quis enim laesos inpune putaret esse deos? seruat multos fortuna nocentis et tantum miseris irasci numina possunt. utque satis caesi nemoris, quaesita per agros450 plaustra ferunt.

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Wer könnte denn glauben, die Götter ließen sich verletzen, ohne Rache zu üben? – Viele Schuldige bewahrt Fortuna und nur den Elenden können die Gottheiten zürnen. Als man genug vom dem Gehölz umgehauen hatte, holte man Erntewagen von den Feldern und schaffte es damit weg.

Zunächst heißt das zwar, dass Caesar davonkommt und dass nur die anderen, die sich nicht auf Fortuna berufen können, den Zorn der Götter spüren, die gegen Caesar nichts tun. Aber das bedeutet nicht, dass Caesar selbst gottgleich und allmächtig wäre. Auch von einer Legitimierung Caesars wird nicht gesprochen. Schwach sind die Götter auch im Bellum Ciuile nicht,215 nur ihr (außerhalb der Erzählung liegendes) Handeln ist schwer zu ergründen. Der Schluss des Buches lautet: at Brutus in aequore uictor | primus Caesareis pelagi decus addidit armis (761 f.). Gemeint ist der Admiral und spätere Caesarmörder Decimus Iunius Brutus. Indem jedoch nur das cognomen genannt wird, erscheint das Geschlecht vom ersten Konsul bis zum Anführer der Verschwörung als Ganzes, Man hat hierin ein foreshadowing von Caesars Untergang gesehen und darauf hingewiesen, dass dies als ›späte Rache der Götter‹ verstanden werden könne.216 Auch ließe sich hinzufügen, dass Caesar selbst, anders als sein schließlich untreuer Admiral Brutus, keinen militärischen Erfolg vor Massilia hat. Seine Fortuna, die ihn den Hain ungestraft abholzen ließ, konnte ihm nicht zu einem schnellen Sieg verhelfen.217 Aber dies alles ist kein Beweis für einen bestimmten Willen der Götter. Matthew Leigh hat treffend festgestellt: »The dictator’s final assassination features occasionally as a form of consolation in the Pharsalia but it is never represented as proof that the gods are ready to bestir themselves in the interests of Rome.«218 Die Götter befassen sich nicht mit Caesar. Warum, wird nicht erzählt. Indem die Frage, ob er der Liebling oder der Feind Götter ist, ohne verlässliche Antwort bleibt, wird aber das Phänomen ›Caesar‹ ganz wesentlich konstituiert. Wenn der Erzähler, wie gesagt, nichts weiter tut, als Götter und Glück gegenüberzustellen (seruat multos fortuna nocentis | et tantum miseris irasci numina

215 Cf. auch die Sentenz 4, 807 f.: felix Roma quidem ciuisque habitura beatos,| si libertatis superis tam cura pla­ceret | quam uindicta placet. 216 Cf. Rowland (1969), 208; Hunink (1992) ad 3, 761 f.; Green (1994), 226; ebenfalls zur späteren Bestrafung, aber aus anderen Gründen: Häußler (1978), 51 f.; Augoustakis (2006b), mit abschließendem Verweis auf Solon fr. 13, 75–76 W: »Retribution may miss for the moment but will sooner or later catch up with her target: ἥν ὅποταν | Ζεύς πέμψῃ τεισομένην, ἄλλοτε ἄλλος ἔχει.« 217 Cf. 3, 394; 448; 510; den Ruhm erntet Brutus (761 f.). 218 Cf. Leigh (1999/2010), 213 mit 7, 592 ff.; 7, 610 ff.; 10, 341 ff.

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possunt, 448 f.),219 so liegt vielleicht ein Schlüssel zum Verständnis der Stelle in Caesars eigenem ›Glauben‹. Nicht nur das Glück ist immoralisch, sondern auch derjenige, der sich ausschließlich darauf verlässt. Wenn Caesar beständig auf Fortuna vertraut (›te, Fortuna, sequor‹, 1, 226), kann er nicht gleichzeitig die Gesetze der Götter befolgen. Das ist Verblendung, und das ›Darniederliegen aller Dinge‹, wie Ciceros Cotta sagt, ist die am Ende zu erwartende Folge.220 Später, bei Dyrrachium, wird sich Caesar ganz ähnlich verhalten. Er wird mit unermesslichen, anderwärts besser aufzuwendenden Anstrengungen ein Belagerungswerk errichten, das nichts nützt: tanti periere labores. | tot potuere manus aut iungere Seston Abydo […] aut aliquem mundi, quamuis natura negasset, | in melius mutare locum (6, 54 f./59 f.). Nach dem Sieg des Pompeius stellt der Erzähler fest: deserit auerso possessam numine sedem | Caesar et Emathias lacero petit agmine terras (6, 314 f.). Ob Caesar die Niederlage den Göttern zuschreibt, womöglich sogar Strafe für Hybris darin erkennt, wird nicht gesagt.221 Es ist zu bezweifeln. Aber wie wichtig ist es überhaupt für die Bedeutung des Epos, ob Caesar erkennt, dass er ›bestraft‹ wird? Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Fernbezug, der sich anlässlich einer ganz anderen Freveltat ergibt: Als Caesar nach der Schlacht von Pharsalos den Gefallenen die Bestattung verweigert, heißt es (7, 834–840):222 […] numquam tanto se uolture caelum induit aut plures presserunt aera pinnae.835 omne nemus misit uolucres omnisque cruenta alite sanguineis stillauit roribus arbor. saepe super uoltus uictoris et inpia signa

Nie hat sich der Himmel mit so vielen Geiern bedeckt, nie hatten mehr Federn die Lüfte bewegt. Jeder Hain entsandte Vögel, und ihre besudelten Flügel ließen von jedem Baum blutigen Tau tropfen. Oft fiel vom Himmel auf das Gesicht des Siegers und

219 Das Wirken der Götter hängt fraglos in irgendeiner Weise mit der Handlung des Epos zusammen, man denke an 2, 1 ff. Der Dichter kann oder will dies aber nicht weiter erklären, cf. Feeney (21993), 269–283. 220 Es mag Zufall sein oder nicht, dass es ein Cotta ist, der Caesar im Bellum Ciuile zum ersten Mal offen als dominus bezeichnet und die Unmöglichkeit republikanischer Praktiken darlegt, und zwar angesichts des von Cae­sar verübten Tempelraubs. Als er Metellus von seinem Widerstand gegen Caesars Beschlagnahmung des Staats­schatzes abbringt, sagt er (zu ihm oder mehr zu Caesar?): ›non sibi sed domino grauis est quae seruit egestas‹ (3, 152). Hunink (1992) ad 3, 143/145 hat, vor allem wegen der Bemerkung ›libertas […] populi quem regna coercent | libertate perit‹ (145 f.), in der Figur eine Karikatur eines mit stoischen Philosophemen seine Feigheit bemäntelnden Senators gesehen; ähnlich Kimmerle (2015), 190 f. Ein derart negatives Urteil über eine Figur, die für die Handlung fast nichts bedeutet, sondern lediglich eine Sentenz vorträgt, ist allerdings nicht notwendig, cf. Lebek (1976), 200–202; Seewald (2008) ad 9. 195–196. Cottas Worte treffen sowohl die bigotte Senatspartei, die ihren Besitz bewahren will, als auch Caesars widerrechtliche Geldbeschaffung. Die offensichtliche Unterordnung unter Caesar bedeutet, Caesars Macht öffentlich zu bezeugen und ihn dafür verantwortlich zu machen, wie er diese Macht gebraucht. Das lässt sich auch subversiv verstehen. 221 Cf. Saylor (1978), 246 f. zu Caesars Gewalt gegen die Natur bei Dyrrachium. 222 Cf. Hunink (1992) ad 3, 405.

Bäumefällen aut cruor aut alto defluxit ab aethere tabes membraque deiecit iam lassis unguibus ales.840

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die schändlichen Feldzeichen Blut oder Verwesung herab; und ein Vogel warf aus ermüdeten Klauen Körperteile hinunter.

Dass dies geschieht, wird von Caesar, wie Annemarie Ambühl überzeugend herausgearbeitet hat,223 keinesfalls als Zornesäußerung der Götter angesehen. Im Gegenteil, Caesars Tat kann vielmehr ihrerseits als eine Bestrafung der Götter wirken: inuidet igne rogi miseris, caeloque nocenti | ingerit Emathiam (798 f.).224 Und dennoch ist das Bild, das hier schließlich entsteht, unmissverständlich. Die von Ambühl nachgezeichnete motivische Parallele zu der Rede, mit der Teiresias das Bestattungsverbot als Gewalt gegen die Götter verurteilt (Soph. Ant. 1015 ff.),225 lässt das unheimliche Vorkommnis erst recht wie eine Strafe wirken. Hierbei kommt es nicht nur darauf an, ob Caesar und die Caesarianer die auf sie herabfallenden Leichenteile als eine nicht explizit sich manifestierende, sondern »naturgesetzlich rationalisierte Form von Strafe« begreifen oder nicht,226 sondern auch darauf, wie die Leser die intertextuelle Bestimmtheit der Passage deuten. Die Erklärung, dass die Vögel aus den Hainen kommen, um die Toten aufzufressen, spielt nicht nur auf die Problematik der Antigone und die düstere Seite jedes militärischen Erfolges an (ἑλώρια τεῦχε κύνεσσιν | οἰωνοῖσί τε πᾶσι, Hom. A 4 f.), sondern verweist zurück auf das Bäumefällen bei Massilia.227 Nach 223 Cf. Ambühl (2015), 259–276 zur ›theomachos‹-Motivik und zum Zusammenhang von Caesars Bäumefällen, Bootsfahrt und Begräbnisverbot; cf. überdies aber auch Chaudhuri (2014), bes. 181–192: Caesar ist bei weitem nicht der einzige, der mit den Göttern streitet. 224 Cf. auch Chaudhuri (2014), 179–181 u. a. mit Sen. Thy. 893 ff. – Die Vorstellung vom ›schuldigen Himmel‹ enthält allerdings, abhängig vor allem davon, welche Erzählperspektive man hier annimmt, eine gewisse Schwierigkeit. Ob Caesar die Götter, deren Beistand er für sich reklamiert, auch für schuldig hält und ob sich der Erzähler ange­sichts der Ereignisse der caesarischen Umwertungstendenz anschließt und dessen Überlegenheit anerkennt oder sogar für gerecht hält, wie Ambühl meint, muss vielleicht fraglich bleiben. Zu bedenken wäre auch, ob Caesar nicht mit seiner Tat eine schädliche Reaktion des Himmels provoziert. Jedenfalls ist die Position des Erzäh­lers / Fokalisators nicht ganz eindeutig zu bestimmen, cf. Ludwig (2014), 132. Die Schwierigkeit eines solchen Ur­teils über die Götter mag der Grund sein, warum François Guyet (in diesem ohnehin nicht sehr eindeutig überlie­fertem Textabschnitt und vielleicht mit Blick auf 7, 869) caeloque nocentem | ingerit Emathiam konjiziert hat: »foetorem ex Emathia in coelum infert i. e. pestilentia aerem inficit, malim caelo nocentem«, cf. dazu Burman (1740) ad loc: »nec male«; ähnlich Francken (1897), ad loc. Wenngleich in den neueren Ausgaben niemand diese Konjektur bisher in den Haupttext übernommen hat, findet sie sich – allerdings ohne weiteren Hinweis und mit unpassender Übersetzung – bei Luck (2009). Zu der Verbindung caelum nocens cf. überdies Sen. Oed. 35 f.: spe­rare poteras sceleribus tantis dari | regnum salubre? fecimus caelum nocens. 225 Neben Ambühls Ausführungen cf. hierzu auch Graziano (2015). 226 Cf. Ambühl (2015), 275. 227 Zur Bedeutung des Vogelmotivs für den Hain cf. oben 92 ff.; cf. auch McIntyre (2008), 73 f. Dafür, dass über Geier- und Hainmotivik auch ein Bezug zur Sage von Romulus und Remus besteht, cf. Pypłacz (2015), 81–83. Das Bäumefällen wird auch in dieser Hinsicht zum Symbol für den Bürgerkrieg schlechthin.

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dem Caesar, der Herausforderer der Götter, der sich gegen barbarischen Aberglauben zu wenden schien, nun selbst noch barbarischer als die Barbaren gehandelt und ein Bestattungsverbot verhängt hat, triefen die Bäume von Blut. Und wieder wird ringsum jeder Hain ›geschändet‹: Die Wälder, die Häuser der Vögel, sind nun – und diesmal ist es tatsächlich unzweifelhaft – schreckliche, blutbespritzte, Menschenopfer fordernde Orte. Diese Schuld fällt auf Caesar zurück. Abschließend lohnt es auch, der Überlegung nachzugehen, wer die miseri sind, die der Götterzorn treffen kann. Elend dürften wohl die geschlagenen Massilioten bzw. die ihres Heiligtums beraubten Gallier sein; und womöglich fühlen sie sich gestraft. Man müsste aber fragen, wofür, wenn man den Göttern kein Übelwollen unterstellen will. Es heißt nicht: ›Die Götter bestrafen nur die Unschuldigen.‹228 Aber auf die Stadtbewohner kommt es hier auch gar nicht an. Sondern auf die Allgemeingültigkeit der Sentenz. Caesar ›weiß‹ sich unter dem Schutz der Fortuna. Andere, weniger selbstsichere Schuldige nicht; sie müssen büßen. Es ist bemerkenswert, dass im Fortgang der Erzählung mehrfach von Caesars ›elenden Soldaten‹ die Rede ist.229 Ihre Schuld unterscheidet sich von der Caesars kaum. Aber vielleicht ihr Schuldbewusstsein. Im massiliotischen Hain schrecken sie zwar zuerst vor der Umsetzung des Befehls zurück, aber dann fällen sie die Bäume schließlich doch, und dies nicht, weil sie von der Richtigkeit der Tat überzeugt wären, sondern weil sie eben Soldaten sind: expensa superorum et Caesaris ira (3, 439).230 Sie zerstören den Hain wie jeden anderen Ort, den sie auf Anweisung ihres Feldherrn beseitigt haben. Unmittelbar nach der Bemerkung über den göttlichen Zorn wird gesagt, dass die Soldaten das Holz des gefällten nemus fortschaffen (3, 447–451). Der massiliotische lucus, scheint es, ist nun ein Hain wie jeder andere; sei es, dass Caesars Befehl, sei es, dass ihre Arbeit ihn dazu gemacht hat. Die Soldaten haben von den Massilioten gehört: sit mens ista quidem cunctis ut uestra recusent | fata, nec haec alius committat proelia miles (3, 324 f.) und hätten dies auf sich und ihre Haltung zu Caesar beziehen können.231 Sie hatten Angst vor der Rache der Götter, aber keine Scheu vor dem Unrecht. Wie Erysichthon wussten sie, dass sie einen Frevel begehen. Der Kult mag für sie barbarisch sein, doch die Götter, ob sie hier nun tatsäch-

228 So zum Beispiel McIntyre (2008), 58/70, demgegenüber cf. Hunink (1992) ad loc. 229 Mit Blick auf ihre Beziehung zu Fortuna cf. 5, 504 ff.: soluerat armorum fessas nox languida curas, | parua quies miseris, in quorum pectora somno | dat uires fortuna minor. 230 Zur Furcht vor dem Feldherrn als Gegenstück zu moralischen Bedenken cf. 1, 353 ff. 231 Die Rede der Massilioten enthält zwar zunächst die Forderung nach der eigenen Neutralität, dennoch kann die Passage (3, 324 ff.) isoliert als Sentenz über den Bürgerkrieg betrachtet werden; zur tragischen Wirkung der Stelle cf. Schmitt (1995), 93. Zur Verantwortung der Menge cf. 1, 84 ff.; 158 ff; 4, 182 ff.; 5, 297 ff. und diesbezüglich zur Wirkung der Apostrophen cf. Asso (2009).

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lich walten oder aber in anderer, ›entrückter‹ Weise wirken, sind es nach interpretatio Romana wohl kaum; ebenso wenig wie die altrömischen Werte, gegen die Caesar hier verstößt.232 Ob ihre Angst vor den Göttern überwunden ist, ob sie ›aufgeklärt‹ sind, bleibt zu bezweifeln. Wenn Caesar keine göttliche Strafe erwartet und sich daher glücklich wähnen kann, so lässt es sich für die Soldaten gerade umgekehrt sehen. Nicht nur können ihnen die Götter zürnen, weil sie die Schwächeren sind. Sondern weil sie schwach sind und wider besseres Wissen gehorchen, erwarten sie im Bewusstsein ihrer Schuld den Götterzorn.233 In diesem Zusammenhang kann man es sehen, dass sie später durchaus (wenngleich vor allem intertextuell) gestraft sind. Wie Erysichthon leiden die Caesarianer auf wahrhaft epische Weise. Sie hungern:234 während der Kämpfe um Ilerda nach den ungewöhnlich starken Regenfällen (4, 94),235 auf der Insel Curicta (4, 410), während der Überquerung der Adria (5, 450) und bei der Umzingelung des Pompeius während der Schlacht von Dyrrachium (6, 109). Die letzte Stelle ist besonders wichtig. Wie vor Massilia sind Caesars Soldaten die Belagernden. Dass sie, die den Gegner schwächen wollen, nichts zu essen haben, ist also besonders unverständlich.236 Ein Grund für die Hungersnot wird nicht genannt, sie wirkt wie ein plötzliches Verhängnis, und es scheint kaum echte Tapferkeit zu sein, dass die Legionäre trotzdem nicht aufgeben. Es ist vielmehr

232 Cf. die Darstellung der  – von keinem der uns erhaltenen Autoren außer Lucan mit diesen Namen benannten – gallischen Götter Teutates, Esus und Taranis in 1, 444 ff. Über das Wesen der Götter wird auch hier nicht gespro­chen, lediglich vage über den Kult; der Vergleich mit der skythischen Diana (1, 446) legt nahe, dass die Götter gemäß der üblicherweise angewendeten interpretatio Romana mit denen der Griechen und Römer assoziiert wer­den können, auch wenn sie in anderen Heiligtümern verehrt werden. Ein Beispiel für die verschiedenen Gleich­setzungen während der antiken Kommentierungsprozesse liefern CB ad 1, 445: Esus wird mit Mars, Teutates mit Merkur (oder gerade andersherum) und Taranis mit Dis bzw. Jupiter gleichgesetzt, verschiedene, aus Lucans Text nicht hervorgehende Opferrituale werden benannt; cf. dazu die Analysen von Graf (1991); Tommasi Moreschini (2005), 144–147. Zur römischen religio cf. Fantham (1996/2011). 233 Cf. hierzu z. B. Lucr. 3, 48 ff.; 5, 86 ff. über die Zuflucht zu Opfern und Kulthandlungen von moralisch verkom­menen Menschen. 234 Man denkt hierbei vielleicht auch an Hom. Ω 531 f.: ᾧ δέ κε τῶν λυγρῶν δώῃ, λωβητὸν ἔθηκε, | καί ἑ κακὴ βούβρωστις ἐπὶ χθόνα δῖαν ἐλαύνει. In ähnlicher Weise deutet McIntyre (2008), 55 die Hainepisode mit Blick auf das Hunger-Motiv als Symbol für den verbrecherischen Hunger nach Macht, bezweifelt aber die Existenz eines ethischen Bezugssystems, das zur Bewertung dieser Tat sinnvoll herangezogen werden könnte, weil er von Lucans Antinomie gegenüber der Dichtung Vergils ausgeht. Chaudhuri (2014), 163–165 erkennt sehr wohl einen satirisch-moralisierenden Ton. 235 Dass etwas später wohl auch die bei Ilerda belagerten Pompeianer Hunger gelitten haben, wird nur nebenbei erwähnt und nicht auf einen Mangel an Nahrung zurückgeführt (Lucan. 4, 306–308). Der Durst der Legionäre wird weit ausführlicher behandelt (4, 292 ff.) – cf. demgegenüber Caes. civ. 1, 78. 236 So auch schon in 4, 94 f.

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derselbe ängstliche Gehorsam gegenüber Caesar, den sie schon im Hain von Massilia bewiesen haben: Womöglich ist der Hunger, wie er für die Leser ein Motiv ist, für sie ein Zeichen, das sie in ihrer literarisch begründeten Furcht jetzt bestätigt. Aber darüber wird nichts gesagt. Die Wahl für Caesar und gegen ›die Götter‹ ist getroffen (6, 106–117): at liber terrae spatiosis collibus hostis aere non pigro nec inertibus angitur undis, sed patitur saeuam, ueluti circumdatus arta obsidione, famem. nondum turgentibus altam in segetem culmis cernit miserabile uolgus110 in pecudum cecidisse cibos et carpere dumos et foliis spoliare nemus letumque minantis uellere ab ignotis dubias radicibus herbas. quae mollire queunt flamma, quae frangere morsu, quaeque per abrasas utero demittere fauces,115 plurimaque humanis ante hoc incognita mensis diripiens miles saturum tamen obsidet hostem.

Doch der Feind, frei in der ausgedehnten hügelreichen Gegend, wird nicht bedrängt von verpesteter Luft und Wassermangel; nein: er leidet schrecklichen Hunger, als sei er selbst durch dichte Belagerung eingeschlossen. Caesar sieht, wie das elende Volk sich auf Getreide stürzt, noch nicht groß, ohne strotzende Ähren, auf das Futter der Tiere. Auch Gestrüpp reißt man aus und raubt den Hainen ihre Blätter; zweifelhafte Pflanzen, die tödlich sein mochten, rupft man von ihren unbekannten Wurzeln ab. Was sie mit Feuer erweichen, mit den Zähnen zerbrechen können und durch ihren rauen Schlund irgend in den Bauch bringen – vieles, was menschlichen Tischen bisher unbekannt war, ergreifen die Soldaten und belagern dennoch einen wohlgesättigten Feind.

Die Soldaten erleiden das, wozu die Massilioten in ihrer Standhaftigkeit bereit waren:237 ›horrida cerni | foedaque contingi maculato frangere morsu‹ (3, 348).238 Die charakteristische Wendung am Hexameterschluss lenkt die Aufmerksamkeit auf das Elend des Hungers. Den Elenden zürnen die Götter: Die Caesarianer, die jetzt Pompeius bei Dyrrachium belagern, sind miserabiles (6, 110) wie Ovids Erysichthon: molitur genus poenae miserabile, si non | ille suis esset nulli miserabilis actis (met. 8, 782 f.). Ihr Hunger kennt wie der seine kein Maß. Sie verzehren sich am Ende wohl nicht selbst, doch die Andeutung quae mollire 237 Allerdings wird nicht berichtet, dass die Massilioten tatsächlich gehungert haben, das bleibt den Caesarianern vorbehalten. – Groß (2013), 125 f. bezieht die Erwartungen der Massiloten auf die dürstenden Soldaten des Pom­peius (4, 292 ff.). Durch den Durst hat die Stelle zwar eine etwas andere Wirkung, sie erscheint jedoch eher als 6, 106 ff.; generell lassen sich in den Passagen 3, 342 ff., 4, 90 ff., 4, 292 ff. und 6, 106 ff. jeweils übereinstimmende Ver­satz­ stücke einer Topik der Entbehrung finden. 238 Die Konjektur frangere für attingere bzw. carpere, die Kortte erwogen, aber schließlich doch nicht gesetzt hat, wurde ebenfalls (wohl unabhängig) von Luck vorgeschlagen und von Shackleton Bailey gegen Housman ver­tei­digt. In jedem Fall wird sie aber erst dadurch plausibel oder gerade implausibel – cf. Hunink (1992) ad loc. –, dass die beiden Stellen 3, 348 und 6, 114 in Verbindung gebracht werden können, je nachdem für wie wahr­schein­lich man die Wiederholung hält.

Ilerda

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queunt flamma, quae frangere morsu (6, 114) bleibt undeutlich und lässt Raum zur Assoziation.239 Bezeichnenderweise suchen die Soldaten wiederum ein nemus heim (112).240 Mit Blick auf die Georgica, deren Forderungen in so krassem Gegensatz zu den Taten der Caesarianer stehen, fällt dann auch der Umstand ins Gewicht, dass Hunger doch die Folge von schlechtem Wirtschaften ist (und dass man, um ihn zu stillen, besser nicht alle Bäume gefällt haben sollte): heu magnum alterius frustra spectabis aceruum | concussaque famem in siluis solabere quercu.

2.3 Ilerda Lucan schließt seine Darstellung der Kämpfe um die spanische Stadt Ilerda an die Schlacht von Massilia an.241 Verglichen mit Caesars Bellum Ciuile ist hier also nicht nur die Reihenfolge der Behandlung im Wesentlichen umgekehrt; da Lucan seinen Caesar an beiden Orten auftreten lässt, ist auch das innere Verhältnis ein anderes. Ilerda folgt auf Massilia und überbietet es.242 Beiden Episoden gemeinsam ist die für den gesamten Bürgerkrieg typische Situation: Caesar, der Usurpator, trifft Maßnahmen zur Unterwerfung seiner Gegner. Eine weitere Gemeinsamkeit ist, was man das Motiv der ›verpassten Chance‹ nennen 239 Dass, wie Radicke (2004), 357 vermutet, die epische »Stilhöhe es Lucan nicht gestattet«, das aus Wurzeln ge­backene Brot zu erwähnen, das die Caesarianer bei Dyrrachium essen mussten, wäre eine Erklärung. Ein andere wäre, dass der Dichter bewusst undeutlich bleibt und so hier nur implizit wirksamen Äußerung des Pom­peius, er habe es mit wilden Tieren zu tun (cf. Suet. Iul. 68, 2; App. civ. 2, 61), gewissermaßen zu einem an­deren Kontext verhilft. Hier wäre dann nicht so sehr Entschlossenheit als die Verkommenheit der Soldaten be­tont. 240 Die Darstellung widerspricht auffällig dem Bericht in Caes. civ. 3, 49, 1; besonders schlimm scheinen die Ent­behrungen nicht gewesen zu sein, desto vollmundiger aber die Treueversprechen: iamque frumenta maturescere incipie­bant, atque ipsa spes inopiam sustentabat, quod celeriter se habituros copiam confidebant; crebraeque uoces militum in uigiliis colloquiisque audiebantur, prius se cortice ex arboribus uicturos, quam Pompeium e mani­bus dimissuros. Lucan nimmt die Soldaten sozusagen beim Wort. 241 Zu dieser Passage cf. Syndikus (1958), 63–66; Thompson / Bruère (1970); Heyke (1970), 60–76; Linn (1971), 12–59; Ahl (1976), 192–197; Lapidge (1979), 364–367; Saylor (1986); Masters (1992), 43–90; Schlonski (1995); Roller (1996), 327–328; Leigh (1997), 41–76; Casali (1999); Cozzolino (1999); Radicke (2004), 264–289; Earnshaw (2009); Esposito (2009), 67–206; Fantham (2010), 62–65; Asso (2010), 100–187; Groß (2013), 116–136. 242 Radicke (2004), 264: »[Lucan] weicht damit anscheinend von seiner Vorlage Livius ab, der wohl ebenso wie Caesar beide Handlungsstränge verzahnte. Ein mehrfacher Schauplatzwechsel wäre schwer zu gestalten gewesen und hätte die dramatische Einheit der Handlung beeinträchtigt.« – Ob Lucan es sich vor allem leicht machen oder aber einen bestimmten Effekt erzielen wollte, wird sich vermutlich nie mit Sicherheit feststellen lassen. Der Unter­schied zu den anderen Darstellungen deutet aber darauf hin, dass Lucan seine Komposition offenbar ganz bewusst gestaltet hat.

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könnte.243 Die Massilioten wollten den Kampf verhindern, hielten einen Ölzweig empor, verurteilten den Unsinn des Bürgerkrieges und fragten: cui non conspecto languebit dextra parente | telaque diuersi prohibebunt spargere fratres? (3, 326 f.) – vergeblich. Was vor Ilerda verpasst wird, ist noch gewichtiger: Hier begegnen sich nun, erstmals, seitdem Pompeius Italien verlassen hat, Caesarianer und Republikaner, und erstmalig steht ihnen nicht mehr nur ein kleines Gefecht, sondern eine Schlacht bevor. Hier ereignet sich der ganze Bürgerkrieg in nuce.244 Es findet sich bereits alles, was auch in Pharsalos bedeutend sein wird, insbesondere die Motivik von Goldenem und Eisernem Zeitalter. Eine Zeit lang macht zwar eine ungewöhnlich starke Flut den Fortgang der Ereignisse unsicher, hat aber weiter keine schwerwiegenden Folgen. Caesar lässt schließlich seine Soldaten bis auf Sichtweite des Gegners vorrücken. Aus der kurzen Entfernung erkennen nun hier wie dort die Legionäre ihre Verwandten und Freunde auf der jeweils anderen Seite:245 nec Romanus erat, qui non agnouerat hostem (4, 179).246 Man legt daraufhin spontan die Waffen nieder, fällt sich in die Arme, weint.247 Der Bürgerkrieg könnte vorbei sein, der Erzähler wendet sich an seine Figuren und ruft gleichsam jedem Einzelnen aus der Menge der hier versammelten Soldaten zu: iam iam ciuilis Erinys | concidet et Caesar generum priuatus amabit (4, 187 f.). Ein weiteres Mal wird damit der wichtige Gedanke zum Ausdruck gebracht, dass Caesar gerade deswegen mächtig ist, weil verängstigte Menschen ihn mächtig sein lassen, indem sie, wider besseres Wissen oder Fühlen, seinen Befehlen folgen. Die publica semina des Bürgerkrieges (et concussa fides et multis utile bellum, 1, 158/182) werden den Lesern in Erinnerung gerufen.248 Zu einem Friedensschluss vor Ilerda kommt es jedoch nicht. Der republikanische Befehlshaber Petreius schickt die Soldaten im Namen der Freiheit in den 243 Cf. Nesselrath (1992), 95–97. Zu den Beziehungen zwischen den Episoden cf. auch Masters (1992), 77 f., 85–87; Schmitt (1995), 94 f.; Groß (2013), 125 f. 244 Cf. Groß (2013), 121. 245 Der Vers 171 hic fratres natosque suos uidere patresque wird im Allgemeinen nach wie vor athetiert, cf. Housman (21927); Luck (1985); Shackleton Bailey (1988); Asso (2010) – vielleicht nicht zu Recht, cf. Earnshaw (2009), 163 mit Werner (1997). 246 Earnshaw (2009), 146 verweist auf Aristot. poet. 1459b2 und betrachtet die Stelle als epische ἀναγνώρισις ver­gleichbar mit der Begegnung von Glaukos und Diomedes in Hom. Ζ 120 ff. 247 Lucan scheint auf die Fraternisierung besonderen Wert zu legen, in anderen Darstellungen des Bürgerkrieges erscheint sie nicht, cf. Masters (1992), 84 f.; Earnshaw (2009), 17–24. 248 Cf. die Reaktion auf Caesars erste Rede, (1, 352 ff.), das Zögern beim Fällen des massiliotischen Hains (3, 429 ff.), der gescheiterten Meuterei des Caesarianer (5, 297 ff.)  – Für eine Analyse der Erzählerstimme und der komplexen Apostrophentechnik in dieser Passage cf. Masters (1992), 87–90; Leigh (1997), 41–50 bzw. 307–310; D’Alessandro Behr (2007), 58 f. Zur Rolle der Massen im Allgemeinen cf. Gall (2005).

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Kampf. Wenn jemand die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt gehegt hat, so wird diese enttäuscht. Die nichts ahnenden Caesarianer werden plötzlich angegriffen und niedergemetzelt. Entsetzt und, wie es scheint, ganz gegen seine sonstige Haltung erklärt der Erzähler: tu, Caesar, quamuis spoliatus milite multo, agnoscis superos […] hoc siquidem solo ciuilis crimine belli | dux causae melioris eris (4, 254 ff.). Am Ende geht Caesar aus den Kämpfen als Sieger hervor. Die Römer, die seine Feinde waren, bitten um Gnade. Er gewährt sie und lässt die Männer nach Hause zu ihren Frauen und Kindern zurückkehren. Lucans Ilerda ist vor allem eine Erzählung vom Kriegsende, das beinahe mit den Händen zu greifen war und dennoch ausblieb. Caesar ist seinem Ziel danach näher als zuvor. Hätte es anders kommen können (oder sollen), wer ist schuld und warum, was sind die Folgen? Man hat hierfür im Einzelnen verschiedene literarische Beziehungen innerhalb der Passage diskutiert und ist zu durchaus unterschiedlichen Urteilen gelangt,249 insbesondere in Hinsicht auf die Weltanschauung des Dichters und deren Bedeutung für das Werk. Was aber bei der Untersuchung der Stelle bisher noch zu wenig berücksichtigt wurde, ist der Umstand, dass Lucan in der gesamten ersten Hälfte des vierten Buches immer wieder zentrale Kultur- und Friedensmotive aufruft:250 bei den Regenfällen und der gewaltigen Überschwemmung (4, 48–120) die deukalionische Flut bzw. den Weltaltermythos (u. a. Ov. met. 1, 89 ff.; 240 ff.); bei der Verbrüderung der Soldaten und Rede des Petreius über den Wert der Freiheit (4, 212–235) den Weltaltermythos bzw. die Frage der Kulturentstehung (u. a. georg. 1, 121 ff. und 2, 458 ff.) und, wenn Caesar die Pompeianer bezwingt und begnadigt (4, 319–401), die Schönheit ländlich-ruhigen Daseins (u. a. georg. 2, 458 ff.).251 Die Reihe dieser Anspielungen liefert einen beachtenswerten Zugang zur Deutung der Ilerda-

249 Cf. Ahl (1976), 194–197 und Masters (1992), 78–87 zur Beurteilung des Petreius oder Earnshaw (2009), 145–152 zum amor. 250 Allgemein zum Weltaltermythos als Motiv cf. Gatz (1967); Schwabl (1984); Kubusch (1986); Feeney (2007), 108–137; Evans (2008); speziell zu Vergil: Johnston (1980). 251 Überdies hat man im Verlauf des Buches verschiedenste Anklänge an die Georgica wahrgenommen, cf. Heitland (1887), cxiv–cxviii; Housman (21927) ad 4, 48/106/118/389 oder Thompson / Bruère (1970). Wenn diese Reminis­zen­zen im Einzelnen auch nicht immer entscheidend zur Interpretation der betreffenden Stellen beitragen, so ergibt sich damit doch insgesamt ein Ton, der auf das ländliche Leben bzw. den Landbau und seine Bedingungen hin­weist.  – Besonders bedeutsam ist die Einleitung des Buches: at procul extremis terrarum Caesar in oris  | Martem saeuus agit in seiner Beziehung zu georg. 2, 170 ff.: Caesar  | qui nunc extremis Asiae iam uictor in oris | imbellem auertis Romanis arcibus Indum. Zwar kämpft Caesar außerhalb Roms, aber er kämpft dort gegen Römer, anders als Augustus, zudem erinnert saeuus Mars an das Bürgerkriegsmotiv vom Ende des ersten Georgica-Buches (bes. 1, 511). cf. Thompson / Bruère (1970), 152 und ibid. No. 3. Auch der Vers, der die Flut einleitet, hactenus armorum … (4, 48), verdient Beachtung. Der Anklang an den Anfang des zweiten Georgica-Buches hat zuweilen gar zur Lesart hactenus aruorum discrimina geführt, cf. Housman (21927) ad loc.

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Episode. Hierbei ist die Aufmerksamkeit weniger auf die einzelnen Werke als auf die Gesamtheit der Motivik zu richten. Gewisse Differenzen zwischen den verschiedenen Referenztexten treten zugunsten einer sowohl idealistischen als durchaus skeptischen Geschichtsbetrachtung zurück.252

2.3.1 Die Große Flut Dass Lucans Beschreibung der Regenfälle und Überschwemmungen auf Ovids deukalionische Flut anspielt, ist seit langem beobachtet worden.253 Stoische Gedanken wie die Vorstellung von der ἐκπύρωσις, mit denen die Darstellung ebenfalls bereichert ist,254 sind weniger als eine philosophisch-naturwissenschaftliche Meditation über das Weltenende zu verstehen, sondern vielmehr, wie Jamie Masters gesagt hat, als Illustration: »a wider artistic purpose, which can be examined outside of a Stoic framework.«255 Ovid erzählt, wie auf Jupiters Befehl Aquilo und Notus sich erheben und Regen bringen, Neptun lässt die Flüsse über ihre Ufer treten. Alles wird überschwemmt, Wälder, Dörfer, sogar Berge und Türme. Wer der Flut widerstehen kann, verhungert, weil nichts Essbares mehr zu finden ist. Lucans Unwetter verläuft ähnlich, bei Ilerda wüten allerdings nicht nur Aquilo und Notus, sondern auch Eurus, Corus und Zephyr: Die Flut ist gewaltig. Hügel und Berge sind von Wasser bedeckt (4, 98 ff. ~ met. 1, 285 ff./309 ff.), auch die Behausungen der Tiere, es kann nichts mehr gejagt werden (4, 93 f. ~ met. 1, 304 ff.). Lucans Bild vom Ausmaß der Katastrophe rerum discrimina miscet  | deformis caeli facies iunctaeque tenebrae (4, 104 f.) erinnert deutlich an dasjenige Ovids: iamque mare et tellus nullum discrimen habebant: | omnia pontus erant, derant quoque litora ponto (met. 1, 291 f.). Die deukalionische Flut folgt bei Ovid auf den Weltaltermythos; ihr Zweck ist die Beseitigung der Eisernen Menschen (met. 1, 188/242 f.). Die ungewöhnliche Verbindung der verschiedenen, an sich unvereinbaren Sagen ist auffäl-

252 Zu Lucans Umgang mit der Motivik des Goldenen Zeitalters cf. auch unten 264 ff. 253 Cf. Morford (1967), 44–47; Thompson / Bruère (1970), 153: »amplificatio ad absurdum«; Masters (1992), 58–65; Earnshaw (2009), 76–78; allgemein zur Rezeption ovidischer Chaosund Katastrophenmotive cf. Tarrant (2002); Wheeler (2002). 254 Cf. Morford (1967), 46 f. mit Lucan. 4, 76 ff. und Sen. nat. 3, 27; Lapidge (1979), 365 f. mit Lucan. 4, 98 ff. und Sen. benef. 6, 22, 1. 255 Masters (1992), 63, ganz ähnlich Lapidge (1979), 370. Ähnlich verhält es sich z. B. mit der Stelle 4, 106 ff., wo offensichtlich auf die geographisch bedeutsame Passage georg. 1, 240 ff. angespielt wird. Der Verweis dient wohl vor allem dichterischer aemulatio, cf. Thompson / Bruère (1970), 154: »Lucan wished his audience to recognize his model, and he was confident he would not suffer by comparison.«

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lig.256 Wenn Lucans Leser bereits die Metamorphosen im Sinn haben, dürften sie hier nicht nur an die ›Sensation‹ der großen Flut denken, sondern auch an ihre Ursache, die Verworfenheit des Eisernen Geschlechts und deren Erscheinungsformen. Lucan nutzt dieses Potential bewusst aus: Bei der Flutbeschreibung entsteht der Eindruck, als seien allein die Soldaten Caesars vom Hochwasser betroffen (4, 87 ff.), und indem sie gerade angesichts der Gefahr ihre Unredlichkeit und Treulosigkeit zeigen, scheint es beinahe, als seien sie auch allein daran schuld (4, 90–97):257 non pecorum raptus faciles, non pabula mersi90 ulla ferunt sulci; tectarum errore uiarum fallitur occultis sparsus populator in agris. iamque comes semper magnorum prima malorum saeua fames aderat, nulloque obsessus ab hoste miles eget: toto censu non prodigus emit95 exiguam Cererem. pro lucri pallida tabes! non dest prolato ieiunus uenditor auro.

Es war nicht leicht, Tiere zu rauben, und die überschwemmten Furchen gaben keine Nahrung her, der Plünderer irrt auf den überdeckten Wegen und geht fehl beim Versuch, sich über die verborgenen Äcker herzumachen. Und schon war er da, der stets der erste Gefährte großer Übel ist, der grausame Hunger. Obwohl von keinem Feind belagert, darben die Soldaten und sie sind nicht verschwenderisch, wenn sie mit ihrem ganzen Lohn eine winzige Ceres kaufen. Pah, widerliche Seuche des Wuchers: Nicht fehlt ein Verkäufer, der für Gold hungert.

Wie vor Massilia wollen die Caesarianer die Bauern berauben, diesmal misslingt es.258 Ebenfalls vor dem Hintergrund der Ereignisse in Massilia wird mit dem Hunger, der die Caesarianer trifft, an ihren strafwürdigen Waldfrevel erinnert.259 Aber damit nicht genug; schamlos treiben die Legionäre Handel mit Brot und offenbaren so, wie sehr ihnen kameradschaftliche Eintracht und alt 256 Cf. Hes. op. 106 [nach der Erzählung von Prometheus]: εἰ δ’ ἐθέλεις, ἕτερόν τοι ἐγὼ λόγον ἐκκορυφώσω …; in den erhaltenen Werken Hesiods ist die Erzählung von Deukalion und Pyrrha nicht ausgeführt, cf. aber fr. 2/4 M / W. Deukalion ist ein Sohn des Prometheus. Ob bzw. wie die beiden Mythen schon vor Ovid verknüpft worden sind, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Zur Schwierigkeit der Chronologie in Verg. ecl. 6, 41 f. äußert sich schon Servius, cf. auch Clausen (1994) ad loc. In der Bibliothek des Ps.-Apollodor (bibl. 1, 7, 2) wird gesagt – allerdings ohne dass der Weltaltermythos ausge­f ührt wird –, Zeus habe das χαλκοῦν γένος mit der Flut vernichten wollen, cf. Haupt (91966), 39; Bömer (1969), 100 f. 257 Cf. Linn (1971), 41: »Hunger inmitten einer Wasserwüste, eine Situation, die das Mitleid des Lesers geradezu provozieren muss. Lucan jedoch will dieses Mitleid unter allen Umständen vermeiden.« 258 Radicke (2004), 275 bemerkt allerdings zu Recht: »Die Naturgewalten verhindern das Ausplündern des Landes, doch bleibt das Resultat für den Bauern in jedem Fall gleich: Die Grundlage seiner Existenz wird zerstört.« 259 Der Hunger als Bestrafung des Waldfrevlers Erysichthon, cf. oben 95 f.; zudem Earnshaw (2009), 25: vielleicht ist das Erysichthon-Motiv auch mit 4, 1 vorbereitet, wenn man bei extremis oris an den Wohnort der Fames denkt: ›est locus extremis Scythiae glacialis in oris‹ (Ov. met. 8, 788).

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römisches Ehrgefühl fehlen.260 Während sich die Caesarianer vor Massilia als blinde Befehlsempfänger erwiesen, erscheinen sie hier als eigensüchtige Söldner. Die Gier nach Gold ist bei Ovid gerade eine charakteristische Eigenschaft des Eisernen Geschlechts: iamque nocens ferrum ferroque nocentius aurum | prodierat: prodit bellum, quod pugnat utroque (met. 1, 141 f.),261 desgleichen der Bürgerkrieg: uiuitur ex rapto; non hospes ab hospite tutus, | non socer a genero, fratrum quoque gratia rara est (met. 1, 144 f.).262 Die Caesarianer erinnern an diese verdammungswürdigen Menschen des vierten Zeitalters. Mit Schuld und Bestrafung haben auch die innerhalb der Flutbeschreibungen geäußerten Befehle zu tun. Während bei Ovid Neptun ruft: sic opus est! aperite domos ac mole remota | fluminibus uestris totas inmittite habenas! (met. 1, 279 f.), ist es vor Ilerda der Erzähler selbst (4, 110–113): sic, o summe parens mundi, sic, sorte secunda aequorei rector, facias, Neptune tridentis, et tu perpetuis intendas aera nimbis, tu remeare uetes quoscumque emiseris aestus.

So, mächtigster Vater der Welt, und Neptun, dem das zweite Los den Dreizack der Meere zu halten gab, so sollt ihr’s tun: Du, erfülle mit ewigem Regen den Himmel, und du, lass die Fluten, die du aussendest, nie mehr zurückgehen!

Der Affekt ist der gleiche: sic opus est, sic facias. Wie die Welt ist, soll sie nicht bleiben. Selbst den Rhein und die Rhône soll Neptun nach Spanien schicken, um die Flut zu verstärken: et miseras bellis ciuilibus eripe terras (4, 120). Ob der Erzähler von den Göttern eine Strafe fordert oder sie in ihrer bereits vorhandenen Strafabsicht bestätigen will, ist allerdings nicht ganz deutlich.263 Ebenfalls unklar bleibt, ob bzw. wie die Götter über menschliche Angelegenheiten entscheiden; und zwar gleichermaßen für die Personen innerhalb wie außerhalb 260 Cf. Earnshaw (2009), 114–117 zum Topos der Kritik an Habgier und moralischem Verfall (u. a. mit Sall. Iug. 32, 4; 35, 10); uenditor ist ein ganz prosaischer Ausdruck (116), dazu auch Asso (2010) ad 4, 4. Die moralische Ver­kommenheit äußert sich für den Erzähler geradezu als physische Krankheit: tabes, cf. Asso (2010) ad loc. Ganz anders akzentuiert ist demgegenüber die Darstellung in Caes. civ. 1, 52, 4, wo zwar der Anstieg des Getrei­depreises, nicht aber ein Handel zwischen den Soldaten erwähnt ist, zudem heißt es dort: […] Caesar eis ciuita­ti­bus, quae ad eius amicitiam accesserant, quod minor erat frumenti copia, pecus imperabat; calones ad longin­qui­o­res ciuitates dimittebat; ipse praesentem inopiam quibus poterat subsidiis tutabatur. Man denkt hierbei neben den von ­Earnshaw und Asso genannten Stellen vielleicht auch an die Rede Junos in Hor. carm. 3, 3, 49 ff.; zur Ein­ord­nung in die Tradition der Goldverächtungstopik cf. Kießling-Heinze (71930) ad loc. 261 Ähnlich auch Verg. Aen. 8, 327: et belli rabies et amor successit habendi. 262 Cf. z. B. Hes. op. 182 ff.: οὐδὲ πατὴρ παίδεσσιν ὁμοίιος οὐδέ τι παῖδες  | οὐδὲ ξεῖνος ξεινοδόκῳ καὶ ἑταῖρος ἑταίρῳ | οὐδὲ κασίγνητος φίλος ἔσσεται, ὡς τὸ πάρος περ und Arat. 124 ff. 263 Cf. Earnshaw (2009), 128 zur uneindeutigen Form emiseris in 4, 113: mit Blick auf den Fortgang der Ereignisse: »Each alternative is critical: either the god’s power is destabilized, or he is proven as absent.« Anders Linn (1971), 17 f.: die Götterhandlung sei durch eine naturwissenschaftliche Erklärung ersetzt.

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der Erzählung. Die Spannung zwischen der Stimme des nachgeborenen Autors und der direkten Präsenz des Erzählers vor Ilerda ermöglicht es, gleichzeitig zu zeigen, dass solche Gebete für die Beteiligten als einzige Hoffnung naheliegend und dennoch vergeblich oder ungenügend sein können. Bereits im homerischen Epos erhören die Götter nicht jedes Gebet.264 Auch hier erfüllt sich die Hoffnung nicht. Unmittelbar nach der Apostrophe wird vom Ende der Flut erzählt, und zwar wiederum ganz ähnlich wie bei Ovid: Das Wasser fließt ab, die Berge werden nach und nach wieder sichtbar, die Bäume scheinen ihr Laub aus dem Wasser zu strecken (4, 123 ff. ~ met. 1, 343 ff.). Der Krieg ist unausweichlich, zum Bösen wie zum Guten.265 Während aber bei Ovid die Welt nun eine andere ist – nur Deukalion und Pyrrha haben überlebt und werden ein neues, besseres Menschengeschlecht begründen266 – bleibt bei Lucan alles unverändert. Fortuna hat Caesar lediglich erschreckt; und was immer die Götter auch vorhatten, er verzeiht ihnen.267 Caesar kann fortfahren; alsbald lässt er Stiere schlachten, um Boote herzustellen. Die folgende ethnologische Erklärung (4, 134 ff.) legt zwar nahe, dass es sich dabei um ein gängiges Verfahren handelt, aber anstatt für die Häute, mit denen die Boote ausgekleidet werden, den üblichen Fachbegriff corium zu verwenden,268 sagt der Erzähler caesoque iuuenco (4, 132) und ruft damit wiederum ein bekanntes Verbrechen des letzten Geschlechtes auf:269 impia […] caesis gens est epulata

264 Vergleichbar ist bereits Hom. Ζ 264 ff., bes. 311: ὣς ἔφατ’ εὐχομένη, ἀνένευε δὲ Παλλὰς Ἀθήνη, ähnlich ι 553: Zeus nimmt das Opfer des Odysseus nicht an. 265 Cf. Leigh (1997), 42–45; 73–76. 266 Ov. met. 1, 251: rex superum trepidare uetat subolemque priori | dissimilem populo promittit origine mira. Zum Unterschied zur hesiodeischen Tradition, nach der das Eiserne Geschlecht fortdauert, und zur Bedeutung dieses Unterschiedes für das Werkganze der Metamorphosen cf. Kubusch (1986), 236–246; Evans (2008), 39–48. Ov. met. 1, 414: inde genus durum sumus experiensque laborum; cf. auch Verg. georg. 1, 60 ff.: continuo has leges ae­ter­naque foedera certis | imposuit natura locis, quo tempore primum | Deucalion uacuum lapides iactauit in or­­bem, | unde homines nati durum genus. Dieses Geschlecht ist belehrbar und kann also ein besseres Da­sein erreichen; ein ›neues Goldenes Zeitalter‹ ist hier nicht möglich.  – Bei Vergil ist aber Deucalion nicht mit dem Weltalter­ mythos verbunden. Zur Schwierigkeit von georg. 2, 338 ff. cf. Johnston (1980), 10–14; Thomas (1988) ad loc. 267 Die Scholiasten fühlen sich hierbei an die letzten Worte des Mezentius erinnert: nec mortem horremus nec diuum parcimus ulli (Verg. Aen. 10, 880; cf. CB und ASL ad loc.). Caesar ist zwar nicht der aggressive contemptor diuum vom Schlag eines Erysichthon oder Mezentius, aber wenn er sich den Göttern gegenüber milde verhält, so behan­delt er sie doch ebenso, wie er auch seine Gegner behandelt. 268 Cf. Caes. civ. 1, 54; Lukrez gebraucht das Wort in der Dichtung, Vergil ebenfalls: georg. 3, 559. 269 Die Schlachtung der Pflugstiere findet sich nicht in den Metamorphosen, aber das damit häufig verbundene Entschwinden der Sternenjungfrau, der Gerechtigkeit (Δίκη, Iustitia), das an Hesiods Prophezeiung von Αἰδώς und Νέμεσις angelehnt ist (Ov. met. 1, 149 f.). Bei

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iuuencis (georg. 2, 537).270 Es wird nicht erklärt, woher die Stiere kommen, man kann sich aber leicht an die Ausplünderung der massiliotischen Bauern erinnern (3, 450 ff.). Umso mehr als auf den Bootsbau das Baumfällermotiv folgt: Caesar lässt einen Hain schlagen, um eine Brücke zu errichten (4, 137 ff.).271 Der Wunsch, dem hier vom Erzähler Ausdruck verliehen wurde, hat sich nicht erfüllt; man könnte sagen: bedauerlicherweise. Aber hätte die Flut tatsächlich ein Heilmittel gegen den ›eisenzeitlichen‹ Bürgerkrieg sein können? Die Sage von den Weltaltern lautet anders, skeptischer.272 Indem hier die gewaltige Flut folgenlos bleibt und nicht etwa die wundersame Zeugung eines besseren Geschlechts ermöglicht, indem Lucan – ausgehend von Ovids Version vom Ursprung der Welt, aber mit deutlicher Distanz dazu – den Blick der Leser auf die hesiodeische, deszendente Form des Weltaltermythos richtet, tritt am Ende der alte und universale Gedanke in den Vordergrund, dass nämlich das letzt­verbliebene, von Übeln geplagte Menschengeschlecht mit den Bedingungen seines Daseins nur auf eine Weise umgehen kann:273 σὺ δ’ ἄκουε δίκης μηδ’ ὕβριν ὄφελλε. Das tragische Ausmaß des menschengemachten Verhängnisses erhält damit desto mehr Gewicht.

2.3.2 Die Verbrüderung und die Rede des Petreius Das Abfließen des Wassers ermöglicht die Fortsetzung des Manövers und die Annäherung beider Armeen. Mit niedrigen Schanzwällen werden die Lager errichtet, man steht sich unmittelbar gegenüber (4, 168). Wie auch die BeschreiArat. 132 ist es das eherne Geschlecht, das die Stiere schlachtet; Cicero nennt es in seiner Übersetzung hingegen eisern, ferrea proles (Cic. Arat. 134 ff.), was Hesiods γένος σιδήρεον nä­her­kommt, cf. Radke (1959), 242. 270 Für einen Bezug zur Bugonie (georg. 4, 284), allerdings ohne die vermeintliche Parallele zu interpretieren: Earn­shaw (2009) ad loc. Cf. hingegen Dyson (1996) zum Motiv der geschlachteten Stiere: In der Tat ist die Wen­dung caesi iuuenci nicht selten (cf. georg. 3, 23; Aen. 5, 529; 8, 719) und in ihrer Bedeutung keineswegs immer gleich konnotiert. Zunächst entscheidend ist, ob es sich um ein traditionelles Opfer handelt oder nicht: Den Pflugstier nur aus Appetit zu schlachten, wie es bei Arat und seinen Nachfolgern heißt, ist problematisch (und die eigenartige, exotische Bugonie ist es vielleicht auch). Vor diesem Hintergrund verdient jedes Schlachten von Stieren eine be­sondere Aufmerksamkeit; und so hat man auch die mit Augustus im Zusammenhang stehenden Stieropfer mit Blick auf den Bürgerkrieg als ambivalent gedeutet, cf. Dyson (1996), 284 mit Putnam (1979), 169. Aber insofern Caesar die Stiere nicht opfert, sondern schlicht benutzt, braucht man die Opferpassagen bei Vergil gar nicht unbe­dingt in den Blick zu nehmen, georg. 2, 537 reicht allein völlig aus. 271 Cf. oben 66 f. 272 Cf. West (1978) ad Hes. op. 179 ff. 273 Cf. Hes. op. 213 ff. Zu dem zitierten Vers und dem ihm vorausgehen Ainon vom Habicht und der Nachtigall cf. Erbse (1993), bes. 12–20; allgemein zur paränetischen Funktion des Weltaltermythos bei Hesiod und deren Nach­w irkung cf. Schwabl (1984).

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bung der Flut ist die nun folgende Darstellung der Verbrüderung literarisch aufwendig gestaltet und historisch, worauf bei der Deutung der Passage bisweilen zu viel Wert gelegt wird, wahrscheinlich nicht völlig korrekt.274 So nah wie jetzt, scheint es, sind sich die Soldaten der feindlichen Parteien bisher nicht gekommen; der Blickkontakt, der jetzt besteht, lässt sie überhaupt erst begreifen, dass sie einen Bürgerkrieg führen: deprensum est ciuile nefas (4, 172). Sie sehen ihre Lieben, und die Liebe besiegt alsbald jedes Pflichtgefühl; auf ein zögerliches gegenseitiges Kopfnicken folgen plötzlich leidenschaftliche Umarmungen: stimulis maioribus ardens | rupit amor leges, audet transcendere uallum | miles, in amplexus effusas tendere palmas (174 ff.).275 Ob Caesarianer oder Pompeianer, es bleibt unklar, wer zuerst den Wall zu überschreiten wagt; alle Männer durchlaufen denselben unmittelbaren Erkenntnisprozess: deprehendere (4, 172), agnoscere (179), miles | quae potuit fecisse timet (180 f.). Dieses Erkennen vollzieht sich emotional, nicht rational.276 Für einen Moment mag man glauben, die Soldaten wären wirklich in der Lage, den Krieg zu beenden. Leicht lässt sich an die gänzlich unepischen Worte aus Tibulls zehnter Elegie denken: alius sit fortis in armis (Tib. 1, 10, 29).277 Daniel Groß hat zu Recht an den so sympathischen wie leicht zu belächelnden Wunsch »Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin« erinnert.278 Die Küsse und Tränen der Soldaten wie auch die gefühlsbetonte Vision Caesar generum priuatus amabit (188), die der Erzähler daraufhin zum Ausdruck bringt, wirken rührend naiv und lassen gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass der Bürgerkrieg damit nicht zu beenden ist. Es geht aber nicht darum, ob Lucan glaubt oder glauben möchte, alle politischen Schwierigkeiten seien ganz leicht lösbar. Zwar scheint der Erzähler die Soldaten mit der Apostrophe bestärken zu wollen: [sc. dux] classica det bello, ­saeuos tu neglege cantus  […] nunc ades,  […] Concordia (4, 186 ff.), doch seine Worte greifen weit weniger in die Handlung ein,279 als dass sie sie kommentieren. Zu 274 Cf. Ahl (1976), 192–197; Radicke (2004), 280–289. 275 Indem hier das Motiv ›Liebe und Tod‹ erscheint, ist für die Leser eine Vielzahl an Assoziationen denkbar, etwa ›Aeneas und Dido‹; dazu cf. Casali (1999) mit Blick auf Lucan. 4 und Aen. 4. 276 Cf. hierzu Heyke (1970), 63. 277 Cf. Earnshaw (2009), 147–152 zur Liebesmotivik und, damit verbunden, dem elegischen Ton dieser Passage. Es ist aber zu bezweifeln, dass man im Ganzen so weit gehen kann, die elegischen Momente mit ihrem an sich eroti­schen Potential in Hinsicht auf die Degenerierung der Soldaten zu deuten, um dann zu schlussfolgern (151 f.): »But one cannot forget that these men are related and what L. implies amounts to incest: it is entirely perverse. Yet, this perversity is itself part of the character of the Pharsalia; at Ilerda, L. depicts a world upside down […] where man violates natural law and kills his own relatives, and where a familial relationship becoming a sexual one is only one more step along that nihilistic road into chaos.« 278 Groß (2013), 122. 279 So Groß (2013), 122 No. 399, cf. demgegenüber die differenziertere Analyse bei Schlonski (1995), 27–48 und Leigh (1997), 50 zu 4, 205 ff. mit Heyke (1970), 65: »From this it is apparent that something is going to go wrong […] The exhilaration of immediacy has drained away […]

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sich selbst oder den Lesern gewandt fährt er fort: periere latebrae | tot scelerum, populo uenia est erepta nocenti: | agnouere suos. pro numine fata sinistro | exigua requie tantas augentia clades! (192 ff.). Hier geht es um ein ethisches Urteil. Die verbrüderten Soldaten werden den Bürgerkrieg, wie er jetzt ist, nicht beenden. Historisch gesehen, hat daran auch nie ernsthaft ein Zweifel bestehen können.280 Moralisch gesehen, war der Krieg insgesamt allerdings sehr wohl zu vermeiden, jedenfalls insofern er ›gesellschaftliche Ursachen‹ gehabt hat, publica semina (zu denen auch die Degenerierung der Landwirtschaft gehört, 1, 165–170). Und so muss das Scheitern der Verbrüderung von Ilerda als ein übergreifendes Symbol für die durchaus tragischen Fehler verstanden werden, deren Ergebnis der Krieg in der Familie ist. Unmittelbar auf die Apostrophe folgt die Beschreibung des kurz währenden Friedens (4, 196–205):281 pax erat, et castris miles permixtus utrisque errabat; duro concordes caespite mensas instituunt et permixto libamina Baccho; graminei luxere foci, iunctoque cubili extrahit insomnis bellorum fabula noctes,200 quo primum steterint campo, qua lancea dextra exierit. dum quae gesserunt fortia iactant et dum multa negant, quod solum fata petebant, est miseris renouata fides atque omne futurum creuit amore nefas205

Es war Frieden; und die Soldaten vermischten sich und streiften frei durch beide Lager; auf dem harten Grund errichteten sie Gemeinschaftstische, mischten Wein und brachten Spenden dar; Lagerfeuer leuchteten, und auf dem gemeinsamen Ruheplatz brachten sie schlaflos die Nacht mit Kriegsgeschichten hin: Auf welchem Feld hatte man zuerst gestanden, wo war eine Lanze der Rechten entwichen? Und während sie tapferer Taten sich rühmten und viele andere bestritten, und dies allein wollte das Schicksal, haben die Elenden ihr Vertrauen wieder erneuert, und alles spätere Verbrechen wuchs nur durch die Liebe.281

The ground has been laid for the desaster to come.« Zur – freilich nicht eindimensionalen, abschließenden – Wertung durch den Erzähler cf. Gall (2005), 106 f. und neben D’Alessandro Behr (2007), 5–15, 58–60; Asso (2009) cf. auch Bartsch (2012), bes. 92 ad loc. zur Verbindung von Apostrophentechnik und eher historiographischer Kommentierung und Beurteilung. 280 Cf. Heyke (1970), 65 zur Doppelperspektive innerhalb der Apostrophe, womit es gelingt, »die Friedensstimmung für den Leser zu zersetzen.« 281 Ähnlich übersetzt Braund (1992). Über die Verse 203 ff. besteht allerdings größte Uneinigkeit. Hinsichtlich der Textkonstitution von dum multa negant hat Shackleton Bailey erklärt: »ineptum; novant (= fingunt) ante renovata scribere nolui«, Luck (2009) konjiziert ro­gant. Dass die Männer gegenüber ihren Angehörigen und gewesenen Gegnern aber gewisse Taten bestreiten, führt nicht zu einem Verständnisproblem; cf. CB ad loc. Diskutiert wurde auch Bedeutung der Parenthese quod solum fata petebant. Luck (2009) bezieht den Willen des Schicksals auf die Verbrüderung, Asso (2010) ad loc. hält hingegen die aus Zwang kämpfenden Soldaten für das Subjekt; dies müsste aber zu der etwas eigenartigen Vorstellung führen, die Soldaten würden einige ihrer Taten dadurch bestreiten, dass sie erklären, sie nur aus Schicksalszwang begangen zu haben.

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Ein ruhiger Abend unter freiem Himmel, ein rustikales Mahl, Wein, Feuerschein und Frieden. Das ist das ideale, oft ausgeführte Sujet glücklichen Lebens.282 So ähnlich wird auch in den Georgica das italische Landleben besungen, als Bild eines neuen Goldenen Zeitalters (georg. 2, 523–530):283 interea dulces pendent circum oscula nati, casta pudicitiam seruat domus, ubera uaccae lactea demittunt, pinguesque in gramine laeto525 inter se aduersis luctantur cornibus haedi. ipse dies agitat festos fususque per herbam, ignis ubi in medio et socii cratera coronant, te libans, Lenaee, uocat530

Unterdessen verteilen ringsum die süßen Kinder ihre Küsse, ein züchtiges Haus bewahrt den Anstand. Voll von Milch hängt das Euter der Kuh, auf fruchtbarem Feld ringen, die Hörner gegeneinander gewandt, fette Ziegenböcke. Der Bauer verbringt Festtage; hingestreckt im Gras, wo ein Feuer in der Mitte ist und die Gefährten den Mischkrug bekränzen, ruft er dich, Lenaios, und gießt dir ein Opfer aus.

Das Leben dieser italischen Bauern unterscheidet sich zwar vom wahren Goldenen Zeitalter,284 aber es ist in seiner Frömmigkeit und Unverdorbenheit ein Abglanz davon: extrema per illos | Iustitia excedens terris uestigia fecit (2, 474 f.).285 Eine solche Frömmigkeit scheint nun auch die Männer vor Ilerda zu bewegen, wenn sie fühlen, dass der Bürgerkrieg falsch ist und sie sich daraufhin wieder vereinen. Nun sitzen sie und reden; quo primum steterint campo, qua lancea dextra | exierit – das Wort campus ist mehrdeutig, wahrscheinlich waren sie noch vor kurzem, bevor sie die Lanzen zur Hand nahmen, Bauern. Hier ist es interessant, sich einer Bemerkung aus dem Katalog der pompeianischen Truppen zu erinnern: [sc. ueniunt] Penei qui rura colunt, quorumque labore | Thessalus Haemoniam uomer proscindit Iolcon (3, 191 f.).286 Dass der Erzähler gerade von

282 Ähnlich georg. 3, 377 ff., hierzu cf. Thomas (1982), 53; überdies cf. Tib. 2, 5, 95 ff.  – Thompson / Bruère (1970), 156 denken hierbei an Verg. Aen. 9, 164 ff. und 12, 117 ff., man spürt jeweils die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. 283 Cf. Earnshaw (2009), 179. 284 Damals brachte die Erde alles von selbst, man brauchte bloß zu ernten, Plagen waren unbekannt, cf. georg. 1, 118. Während die vierte Ekloge als die Verheißung einer Wiederkehr des mythischen Goldenen Zeitalters gedeutet werden kann  – und dieser Gedanke ist, wie man oft angenommen hat, neu bei Vergil, cf. Gatz (1967), 90, Kubusch (1986), 93; zur Entwicklung der dahinterliegenden Motivik cf. jedoch auch Johnston (1980), 42 f.; Effe (2000) zu Theokr. eid. 24, 82 ff.; Marinčič (2001), 495 f. –, ist davon in den Georgica nicht die Rede. Das Landleben beruht auf dem labor, cf. Johnston (1980), 47–61 und im Anschluss daran Smolenaars (1987). Zur Unterscheidung von »agri­cultural« und »metallic Golden age« cf. ibid. 392 No. 1; 401. 285 Bei Arat erfolgen, anders als bei Ovid, Ackerbau und Viehzucht bereits im Goldenen Zeitalter, Krieg und Handel sind unbekannt (Arat. 108 ff.). Zum Gedanken, dass das Landleben noch einige Eigenschaften des saturnischen Zeitalters bewahrt, cf. Lyne (1974/1999), 180 No. 5 zu Varro rust. 3, 1, 4.  286 Cf. überdies Lucan. 4, 397: et non deductos recipit sua terra colonos.

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den thessalischen Bauern berichtet, wie sie zu Soldaten werden (und sozusagen nur noch das Schlechte ihres Heimatlandes verkörpern287), ist sicher kein Zufall. Die Georgica geben kein vereinfachendes, romantisches Bild einer wieder heilen Welt, dafür sind die Gefahren des Landlebens, darunter der Krieg, zu gegenwärtig.288 Ein gutes Leben kann nur führen, wer sich der ständigen Mühe der Zucht, der Verbesserung etc. unterzieht. Die idealen Landleute sind gebildet; ihr Leben ist zwar ursprünglich, aber es ist hochgradig kultiviert, und diese Kultur ist es, die den Schein des Goldenen Zeitalters bewirkt.289 Demgegenüber ist derjenige, der nur habgierig den eigenen Luxus vermehrt und deswegen Krieg führt – in den Worten des Weltaltermythos: der Eiserne Mensch –, kulturlos, gleichviel ob er in einer hochentwickelten Stadt oder als einfacher Bauer auf dem Land lebt. Wie die Soldaten hierzu stehen, die einstweilen von ihrem Gefühl überwältigt sind und nun am Lagerfeuer sitzen, was sie über das ›gute Leben‹ und den Bürgerkrieg denken, ist nicht genau zu erfahren. Abrupt endet die Feier und Petreius setzt den Krieg fort. Zwar bewirkt er den Umschwung der Lage durch eine Rede, aber er wendet auch Zwang an: iunctosque amplexibus ense | separat et multo disturbat sanguine pacem (4, 209 f.). Vor allem deswegen hat seine Rhetorik Erfolg, Petreius spricht buchstäblich die Sprache der Gewalt (212–235): ›immemor o patriae, signorum oblite tuorum, non potes hoc causae, miles, praestare, senatus adsertor uicto redeas ut Caesare? certe, ut uincare, potes. dum ferrum, incertaque fata,215 quique fluat multo non derit uulnere sanguis, ibitis ad dominum damnataque signa feretis, utque habeat famulos nullo discrimine Caesar exorandus erit? ducibus quoque uita petita est? numquam nostra salus pretium mercesque nefandae proditionis erit: non hoc ciuilia bella,221 ut uiuamus, agunt. trahimur sub nomine pacis. non chalybem gentes penitus fugiente metallo eruerent, nulli uallarent oppida muri, non sonipes in bella ferox, non iret in aequor225 turrigeras classis pelago sparsura carinas,

›Vaterlandslose, pflichtvergessene Soldaten, könnt ihr euch nicht dermaßen als Beschützer der Senatspartei erweisen, dass ihr erst heimkehrt, wenn Caesar besiegt ist? Nun, dass ihr besiegt werdet, das könnt ihr sicher! Solange es noch Eisen gibt und das Schicksal ungewiss ist, solange noch Blut da ist, das aus tiefen Wunden fließen kann, da wollt ihr schon gehen, eure Feldzeichen aufgeben und dem Tyrannen hintragen? Um Caesar darum anzuflehen, dass er nur noch Knechte hat? Wirklich, auch um das Leben eurer Feld­ herren habt ihr gebeten? Niemals wird

287 Im Anschluss folgt als fünfzeilige Parenthese die Geschichte der Argo. 288 Cf. etwa georg. 1, 118 ff. 289 Smolenaars (1987), 402 f. erklärt mit Blick auf die Stelle georg. 1, 131 ff.: »Further technological advances of mankind include agriculture, shipbuilding, navigation, hunting and fishing, and metal working. It is striking that nothing negative is said about these typical achievements of the Iron Age.« Das heißt: weil es eigentlich zu erwar­ten ist; implizit klingt diese Erwartung durch die kontrapunktische Wirkung des labor improbus ja auch an. Dass der Missbrauch der artes möglich ist (man denke an das Ende des ersten Buches), aber zuweilen auch unterbleibt, soll bei der Kulturentstehung mitgedacht werden. Cf. auch Thomas (1982), 38–69 zu den laudes Italiae und den in ihnen enthaltenen Dissonanzen zum Goldenen Zeitalter.

Ilerda si bene libertas umquam pro pace daretur. hostes nempe meos sceleri iurata nefando sacramenta tenent; at uobis uilior hoc est uestra fides, quod pro causa pugnantibus aequa230 et ueniam sperare licet. pro dira pudoris †foedera!†290 nunc toto fatorum ignarus in orbe, Magne, paras acies mundique extrema tenentis sollicitas reges, cum forsan foedere nostro iam tibi sit promissa salus.‹ 235

109 unser Heil der Lohn für verbrecherischen Verrat sein. Man führt nicht darum den Bürgerkrieg, dass wir leben. Im Namen des Friedens werden wir betrogen. Nicht würden die Völker tief aus der Erde, wo das Metall sich versteckt, den Stahl hervorwühlen, nicht würden Mauern die Städte beschirmen, Pferde würden nicht kühn in die Schlacht ziehen, Schiffe nicht turmhohe Kiele übers Meer tragen, wenn jemals Freiheit für Frieden hingegeben würde. Ja, meine Feinde halten sich an ihren unrechtmäßigen, verbrecherischen Diensteid, euch aber ist die Treue wohlfeil. Deshalb, weil ihr auf Nachsicht dafür hoffen dürft, dass ihr für die gerechte Sache kämpft. †Pah, welches Schamgefühl!† Ohne dein Schicksal zu kennen, Magnus, stellst du jetzt überall auf der Welt Schlachtreihen auf, setzt Könige in Bewegung, die über die äußersten Enden der Welt herrschen, während durch unsere Verbindung hier dein Heil wohl schon versprochen ist.‹

290 Petreius glaubt, dass seine Soldaten sich Caesar unterwerfen wollen: seque et sua tradita uenum | castra uidet (206 f.). Für diese Annahme gibt es jedoch nach dem, was bisher erzählt wurde, keinen Anlass.291 Darauf kommt es an: Kein lucanischer Soldat hatte die Absicht, zu Caesar überzulaufen und um Gnade zu bitten, man wollte nur den Bürgerkrieg beenden (freilich bleibt unklar, wie dies genau hätte geschehen sollen). Petreius beendet den Frieden, indem er die unbewaffneten Caesarianer angreift und aus dem Lager vertreibt (210). Das ist weder berechtigt noch heroisch. Der Erzähler bestreitet nicht etwa, dass Widerstand gegen Caesar notwendig ist, sondern er zeigt, dass die andere Seite nicht allein wegen der ›guten Sache‹, für die sie kämpft, notwendig in allem gerecht 290 Ob pudoris funera (Ω) oder das inhaltlich möglicherweise ziemlich entgegengesetzte foedera (G) zu lesen ist, wird sich kaum zweifelsfrei entscheiden lassen; zur Bewertung der Textzeugen cf. Housman (21927), vii–x. Da die Stelle nicht mit Bestimmtheit zu verstehen ist, schlage ich Cruces vor. Die neueren Ausgaben haben alle funera, während einige frühere Herausgeber noch foedera präferiert haben. Omnibonus kommentiert zu foedera: »non advertitis quantum dedecus admittatis qui parati estis contra maiestatem vestri imperatoris Pom. fidem iungere cum Caesare«, ähnlich Sulpitius, cf. auch Weise (1835); Haskins (1887); darüber hinaus die Darstellung bei Kort­te / Weber (1828) ad loc. 291 Man hat Ahls Verteidigung des Petreius zu Recht kritisiert, cf. Schlonski (1995), 39–48; Leigh (1997), 50–53.

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fertigt ist. Das ist der Sinn der bereits zitierten Anklage populo uenia est erepta nocenti | agnouere suos (193 f.), sie stimmt zum Thema des Gedichts: iusque datum scerleri canimus populumque potentem | in sua uictrici conuersum uiscera dextra (1, 2 f.). Die Pompeianer laden vergleichbare Schuld auf sich wie die Caesa­ rianer, die, entflammt durch den Eid des Laelius, den Bürgerkrieg überhaupt beginnen. Lucans Petreius symbolisiert den Zivilisationsbruch des Bürgerkrieges. Dass, vor allem aber wie er sich gegen die Verbrüderung durchsetzen kann, gereicht den Römern zur Schande. Wenn römische Tugend einerseits den Bürgerkrieg zu verurteilen hat, andererseits aber gegen Caesars offenbar königliche Ambitionen entschieden vorgehen muss, ergibt sich ein Dilemma. Während die Stimme des Autors dies ständig erfahrbar macht,292 wird es von Petreius, dem Legaten und gewesenen römischen Prätor, nicht nur ignoriert, sondern mit seiner kulturhistorischen Rede zu überdecken versucht. Das ist nicht nur ein moralischer, sondern, wie zuweilen übersehen wird, auch ein rhetorischer Fehler. Der gewalttätige Appell wird nicht dadurch, dass er kurzfristig seinen Zweck erfüllt, zu einem rednerischen Meisterstück; mentes concutere heißt nicht ›überzeugen‹.293 Petreius, der die Absicht hat, die friedlichen Soldaten wieder zum Kämpfen zu bringen, spricht hier von der Erfindung des Eisens, von befestigten Städten und der Schifffahrt. Wiederum sind hier Weltaltermotive verwendet, und zwar diesmal Symbole der Eisernen Zeit, die dem unwiederbringlichen Goldenen Zeitalter bzw. der römischen Frühzeit mit ihrer noch ungeminderten Tugend gegenübersteht.294 »The myth of a fall from a Golden Age to an Iron Age comes 292 Cf. Masters (1992), 87–90 zur »fractured voice«; Roller (1996); Leigh (1997), 67 f.; Kimmerle (2015), 153–167. 293 Cf. auch Rudich (1997), 137 zur Stärke der auktorialen »rhetoric of pacifism« (4, ­165–205) als Kontrast zu Pe­t­reius’ Darstellung. Anders Masters (1992), 82: »[Petreius’] speech, a faultless classic of republican rhetoric which should align him with the great heroes of early republican Rome, does no more than inspire a love of crime.« Ähnlich auch D’Alessandro Behr (2007), 55: »Petreius’ speech to his men, though formulated on the wrong prem­ise of his army’s treason, is powerful and persuasive.« Das folgende Gleichnis über den ›Kulturverlust‹ (4, 235–242) verdeutlicht die verderbliche Wirkung der Rede; cf. Blaschka (2013), 311–314. 294 Asso (2010) ad 4, 223–7 verweist auf die Beschreibung der Kulturentstehung in Lucr. 5 und führt entsprechende Parallelstellen an. Auch wenn aber am Ende des Buches die Rede ist von einer Entwicklung ad summum cacumen, (Lucr. 5, 1457), ist doch zu bedenken, dass bei den meisten der von Lucan aufgerufenen Motive auch Wertungen über bedauerliche Entwicklungen vorgenommen werden, die mit dem Weltaltermythos korrespon­dieren, etwa Lucr. 5, 1123 ff.; 1289 ff.; 1305 ff. Zum Wechselverhältnis zwischen Fortschrittsgedanken und Skepsis bei Lukrez cf. Taylor (1947); Glei (1991), 265 f. Zur Bewertung des Krieges, namentlich mit Blick auf die Georgica cf. Gale (1998). Einen Abriss der Nachwirkung lukrezischer Gedanken und Motive (die heute moderner wirken als der Weltaltermythos) bietet Otten (1984); interessant als Rezeptionsphänomen ist die 54 f. diskutierte Idee der »self-love« bei Alexander Pope, An Essay on Man III, 18, zu welcher der von Asso (2010) ad 4, 231–2 ange­spro­chene »self-respect« eine gewisse Nähe hat.

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to be the great Roman myth.«295 – Die Geschehnisse bei Ilerda illustrieren diesen Prozess der Mythosaneignung auf metapoetische Weise. Während Lucans Leser hier insbesondere an die prominenten Darstellungen in den Georgica und den Metamorphosen erinnert werden, ist auch für die Handlungsebene anzunehmen, dass der Mythos wirksam ist, erstens, weil der Senator Petreius und seine Soldaten (wenigstens einige von ihnen) Hesiods Erga und Arats Phainomena kennen dürften, und zweitens, weil gerade in der Zeit der Handlung, also dem Jahr 49, die Auseinandersetzung mit diesem Mythos in Rom durch Ciceros Aratübersetzung sowie durch Catull und Lukrez einen ersten Höhepunkt erreicht hat.296 Wenn Petreius sein Lob des ›eisenzeitlichen‹ Krieges dem romantischen Lagerfeuer der Soldaten entgegensetzt, muss das nicht nur für Lucans Leser, sondern auch für die feiernden Legionäre als Widerspruch zur eigenen Kultur erscheinen (dafür brauchen die Römer keine Pazifisten zu sein). Mit seinen Argumenten kann Petreius kaum Erfolg haben, nur mit seiner Gewalt. Diese Erfahrung machen Leser und Figuren gewissermaßen gemeinsam. Die Leser haben allerdings auch noch weiter reichende Erfahrungen: Das ländlich-idyllische Leben, zu dem die Soldaten während der Verbrüderungsfeier zurückkehren wollen, ist ein konstitutives Versprechen des augusteischen wie des neronischen Prinzipats. Bei jedem der von Petreius verwendeten Motive lässt sich eine bestimmte, sowohl kulturellen Fortschritt als moralischen Verfall betreffende Tradition verfolgen:297 chalybs – man denkt hier zunächst an die barbarischen Chalyber, wie sie sich wohl auch der Erzähler der Georgica vorstellt und wie sie bereits Apollonios beschrieben hat (Ap. Rh. 2, 1002–1008): τοῖσι μὲν οὔτε βοῶν ἄροτος μέλει οὔτε τις ἄλλη φυταλιὴ καρποῖο μελίφρονος, οὐδὲ μὲν οἵγε ποίμνας ἑρσήεντι νομῷ ἔνι ποιμαίνουσιν· ἀλλὰ σιδηροφόρον στυφελὴν χθόνα γατομέοντες1005 ὦνον ἀμείβονται βιοτήσιον· οὐδέ ποτέ σφιν ἠὼς ἀντέλλει καμάτων ἄτερ, ἀλλὰ κελαινῇ λιγνύι καὶ καπνῷ κάματον βαρὺν ὀτλεύουσιν.

Denen liegt nichts am Acker der Rinder noch sonst am Anbau süßer Früchte noch weiden sie Herden auf tauigem Feld, sondern indem sie die eisentragende, harte Erde aufreißen, erwerben sie ihren Lebensunterhalt. Nie geht ihnen ein Morgen ohne Mühen auf; in schwarzem Rauch und Qualm leiden sie stets schwere Mühsal.

Der Stoff, den das griechische Fremdwort bezeichnet,298 gehört für den GeorgicaDichter nicht nach Italien, er muss von weither kommen: [sc. mittunt] Chalybes 295 Feeney (2007), 112 [Feeneys Kursive]. 296 Zur Wirkung des Weltaltermythos bei Lukrez, besonders in Buch 5 cf. Johnston (1980), 28–33; Campbell (2003), 12–15; Gale (2009), 176 ad 925–1457, 202 ad 1241–1349. 297 Neben den bereits besprochenen Stellen cf. Catull. 64, 394 ff.; Verg. ecl. 4, 31 ff.; Hor. epod. 16, 41 ff.; carm. 2, 16; sat. 2, 6, 79 ff.; Tib. 1, 1, 1 ff.; 1, 3, 35 ff.; 1, 10, 1 ff.; 2, 3, 35 ff. auch Liv. praef. 4/11 f. 298 Als Substantiv steht chalybs im Lateinischen wohl zuerst bei Verg. Aen. 8, 446 (abusiue, wie Serv. georg. 1, 58 sagt): uulnificusque chalybs; mit ähnlicher Konnotation dann Prop. 1, 16, 30; Ps.-Sen. Herc. O. 1273; cf. TLL O, 2, 369, 58 ff. s. v. Chalybes [Reisch 1910]; Thomas (2014).

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nudi ferrum (georg. 1, 58). Sie sind die πρώτοι εὑρεταί, denen zumeist Verwünschungen gelten,299 sie symbolisieren weit weniger den Nutzen als den Schaden des Eisens. non iret sonipes in bella atrox (225)  – auch das an sich unauffällige Motiv kann hier sehr folgenreich assoziiert werden: Im Goldenen Zeitalter, wie es Vergil darstellt, sind die Tiere friedlich, sowohl untereinander als auch gegenüber den Menschen.300 Das Pferd, von dem Petreius spricht und das er atrox nennt, rennt offenbar selbstständig in die Schlacht, es scheint zügellos zu sein und unkontrollierbar. In den Georgica ist es hingegen die Bestimmung des Pferdes, gezüchtet und erzogen zu werden, um dem Menschen zu dienen, quis Olympiacae miratus praemia palmae | pascit equos, heißt es in 3, 49 f. Zwar dient es auch im Krieg (von der Störung der Harmonie ist ja in den Georgica immer wieder die Rede),301 ein wichtiges, höheres Ziel ist aber doch die friedliche Quadriga, so wie es auch in der Prophezeiung des Anchises gesagt ist: bellum, o terra hospita, portas: | bello armantur equi, bellum haec armenta minantur. | sed tamen idem olim curru succedere sueti | quadripedes et frena iugo concordia ferre: | spes et pacis (Aen. 3, 539 ff.).302 Die uallata oppida303 und turrigerae classes bedürfen schließlich kaum einer Erläuterung. Sie deuten auf Rom, die Stadtmauern und den Brudermord304 bzw. auf die unglückbringende Erfindung der Schifffahrt.305 Ein wesentlicher Aspekt 299 Cf. Thomas (1988) ad 1, 58: Call. fr. 110, 48 Pfr / H; Catull. 66, 48. 300 Cf. etwa Verg. ecl. 4, 21 ff.; georg. 1, 129 f. Zum Motiv des Tierfriedens cf. Buchheit (1986); von Pferden wird in diesem Zusammenhang freilich selten gesprochen. 301 Cf. Verg. georg. 3, 83 ff.; ähnlich georg. 2, 145, cf. Thomas (1988) ad loc. zum Verhältnis der Stelle zu Aen. 3, 539 ff. – Überdies cf. Esposito (2009) ad 4, 225 mit Verg. Aen. 11, 599 ff.; dass Kriegspferde temperamentvoll und dennoch gezähmt sein müssen, ist auch hier deutlich. 302 Cf. Thomas (1988) ad 2, 145. – Das archaische sonipes steht für ›Kriegspferd‹ (dagegen cf. Catull. 63, 41; Verg. Aen. 4, 135) nur zweimal in der Aeneis: 11, 600 und 638 (dort im Kampf sterbend). Die Darstellung des kaum be­herrschbaren Pferdes in 11, 599 f.: fremit aequore toto | insultans sonipes et pressis pugnat habenis, wobei gerade das Wort sonipes klingend aus dem auffallend spondeischen Vers 11, 600 herausfällt, kann man für kakophon hal­ten, cf. Heyworth / Morwood (2011) ad Prop. 3, 3, 40. Properz reagiert auf die vermutlich allzu häufige Verwen­dung des Pferdes als Symbol des Kriegerischen und Heroischen: In. 3, 3, 40 und 4, 1, 59 ist das Pferd Symbol für das Kriegerische und die dazugehörige (affirmative) Dichtung, die zurückgewiesen wird; in 4, 4, 14 ist das Kriegs­pferd z. B. eines der Symbole für die noch wenig entwickelte Frühzeit, allgemein dazu cf. Newman (1998), 240/244. Dafür, dass das Pferd prinzipiell sowohl zur Landwirtschaft wie zum Kampf taugt, wenn nur der Feldherr gut genug ist, cf. Prop. 4, 10, 19 mit der Konjektur idem equus, dazu Bettenworth (2002). 303 Cf. Verg. ecl. 4, 32 f.; georg. 1, 126 ff.; Ov. met. 1. 97; ecl. Eins. 2, 27 f. 304 Cf. georg. 2, 533 f. (zur Schwierigkeit der Verse georg. 2, 532 ff., die durchaus auf 2, 496: infidos agitans discordia fratres und 510: gaudent perfusi sanguinis fratrum bezogen werden können cf. Thomas (1988) ad loc.); Hor. epod. 7, 17 ff.; Tib. 2, 5, 23 f.; Lucan. 1, 95 ff.; 7, 437 ff.; Lucans Romulus ist eine düstere Gestalt, dazu cf. Groß (2013), 193–196 sowie Ambühl (2015), 70 f. zum übergreifenden Motiv des Brudermordes bzw. -krieges. 305 Cf. oben 63 mit No. 91.

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der Kulturentstehung fehlt allerdings in der Aufzählung des Petreius, und zwar der, bei dem sich am besten und differenziertesten über das schwierige Verhältnis von Kultur und Gewalt nachdenken lässt: die Landwirtschaft.306 Dieses Fehlen fällt umso mehr auf, als es gerade das Landleben ist, was sich die Soldaten erhoffen. Später, im Exkurs über das Unglücksland Thessalien, werden dieselben Beispiele (bis auf die Stadtmauern) noch einmal aufgeführt. Diesmal verwendet sie jedoch der Erzähler in der traditionellen Weise für Aitiologie des Krieges. Petreius’ fehlgeleiteter Kulturbegriff wird damit noch einmal deutlich kontextualisiert (6, 395–407):307 hac tellure feri micuerunt semina Martis.395 primus ab aequorea percussis cuspide saxis Thessalicus sonipes, bellis feralibus omen, exiluit, primus chalybem frenosque momordit spumauitque nouis Lapithae domitoris habenis. prima fretum scindens Pagasaeo litore pinus400 terrenum ignotas hominem proiecit in undas. primus Thessalicae rector telluris Ionos in formam calidae percussit pondera massae fudit et argentum flammis aurumque moneta fregit et inmensis coxit fornacibus aera.405 illic, quod populos scelerata inpegit in arma, diuitias numerare datum est.

In diesem Land blitzte die Saat des wilden Mars auf, hier sprang, nachdem der wasserbeherrschende Dreizack die Felsen gespalten hatte, das erste Pferd hervor: Vorzeichen für tödliche Kriege. Als erstes biss es auf Eisen und Zaumzeug, schnaufte unter den noch ungewohnten Zügeln des Lapithen, seines Bezähmers. Die erste Fichte zerteilte am Ufer von Pagasai die Fluten, warf erdgeborene Menschen in die unbekannten Wellen. Als erster schmiedete Ionos, der Herrscher Thessaliens, heiße Metallklumpen in eine Form, er schmolz Silber im Feuer, zerbrach Gold in Münzen und kochte Bronze auf riesigen Öfen. Hier ward, was die Völker zu den verbrecherischen Waffen hintrieb, erfunden: Reichtum zu zählen.

Petreius scheint nun in der Kulturentwicklung, wie er sie beschreibt, nicht nur nichts Fragwürdiges zu sehen; er verbindet sie sogar mit einem Kerngedanken römischen Selbstverständnisses: libertas.308 Um der Freiheit willen, sagt er, seien Eisen, Mauern und Schiffe erfunden worden; Freiheit werde nie freiwillig gegen Frieden getauscht.309 Die Auffassung, dass es sich selbst unter ungünstigen Bedingungen für Freiheit zu kämpfen lohnt, ist alt und ehrwürdig: ›Nicht kümmert mich so sehr das Leid, das den Troern bevorsteht […] wie deines, wenn ein erzgepanzerter Achaier dich fortführt; du weinst und er raubt dir die Freiheit‹, sagt 306 Cf. georg. 1, 121 ff.: pater ipse colendi | haud facilem esse uiam uoluit, dazu cf. Thomas (1988) ad loc.; Glei (1991), 256–261. 307 Hierzu cf. auch Nicolai (1989). 308 Cf. Wirszubski (1950), 1–5 und passim. 309 Petreius bringt höchstwahrscheinlich nicht die persönliche Meinung des Autors zum Ausdruck. Dem Ansatz, Lucan biographistisch als ›Dichter der Freiheit‹ zu bezeichnen, cf. Schönberger (1964/1970), und von dieser Prä­misse ausgehend das Werk zu deuten, ist teils vehement widersprochen worden; cf. z. B. Groß (2013), 48–60.

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Hektor zu Andromache (Ζ 450 ff.). Fraglos hat besonders die römische Elite (die Petreius ja vertritt und deren Weltsicht im Bellum Ciuile oft behandelt wird) viel zu verlieren, wenn, wie Figulus prophezeit hat, der Frieden kommt und mit ihm der Tyrann. Es ist kaum vorstellbar, dass von diesen pompeianischen Soldaten jemals einer der Sklave eines Autokraten sein will. Zu Recht hat Matthew Leigh gegenüber Jamie Masters, dessen auf der Parallelisierung von Dichter und Diktator beruhendes Bild des lucanischen Caesar nicht recht überzeugend ist, die Notwendigkeit des Widerstands verteidigt:310 In the short term any act of clemency may seem preferable to a massacre, but in the longer term it will be realized that the man who arrogates to himself the right to spare or to forgive those who were once his fellow citizens has successfully subverted a crucial constitutional principle.

Aber die notwendige Kritik an Caesar ist nur ein Gesichtspunkt. Der andere, der hiervon zwar nicht sachlich unabhängig ist, aber im Epos doch unabhängig betrachtet werden kann, ist das individuelle Handeln der Soldaten und Generäle; und auch dies ist, wie gesagt, kritikwürdig. Es ist sehr einfach und vielleicht nicht ganz redlich, jeder Betrachtung, die nach Folgen auf lange Sicht fragt, ­Keynes’ berühmten Aphorismus »in the long run we are all dead« entgegenzuhalten. Lucan scheint dies aber gerade auf seine Weise zu tun: felix qui potuit mundi nutante ruina | quo iaceat iam scire loco (4, 397 f.). Doch dazu später. Angesichts der Lage der Soldaten lässt sich leicht an den berühmten Eid denken, den Brutus dem römischen Volk abgenommen hat: neminem regnare passuros, nec esse Romae unde periculum libertati foret (Liv. 2, 1, 9 bzw. 2, 2, 5). Und doch kann man gerade hierbei die Konsequenz für unmäßig halten, dass Brutus seine eigenen Kinder im Namen der Freiheit töten lässt.311 Angesichts des Umstands, dass sich hier soeben Väter und Söhne getroffen haben, ist auch dieser Diskurs von Bedeutung. Der Punkt ist nicht, dass Petreius, wenn er es mit der Freiheit ernst meinte, mit seiner Ermahnung zur Tapferkeit durchaus recht hätte, sondern dass er hier Frieden und Freiheit so ausschließlich gegenüberstellt. Das muss Unbehagen erregen.312 Indem der Frieden, und das heißt im poetischen Kontext der Goldzeitvorstellung: umfassender Frieden, εἰρήνη,313 einem 310 Leigh (2009), 248; cf. auch Leigh (1997), 53–67. 311 Cf. Liv. 2, 5, 6 ff.; Verg. Aen. 6, 817 ff., dazu z. B. Galinsky (2006), 9–12; Leigh (2012). 312 Während der Erzähler über die publica semina belli spricht (1, 158 ff.), erklärt er: non erat is populus, quem pax tranquilla iuuaret, | quem sua libertas immotis pasceret armis (171 f.). 313 Man denke etwa an Verg. ecl. 4; Hor. epod. 16, 41 ff. Zu εἰρήνη vs. pax cf. Klingner (1961/1965), 614–617. Zu allgemein-menschlichen Wunschvorstellungen vor dem Hintergrund des Weltaltermythos wie auch unabhängig davon cf. Gatz (1967), 201–203. Zu Frieden und Krieg in Rom aus historischer bzw. literarischer Perspektive, namentlich mit Blick auf den Wendepunkt, den die Bürgerkriege und der Prinzipat darstellen, cf. Rosenstein (2007); Barton (2007); DeBrohun (2007).

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ständigen eisenzeitlich-schmerzvollen Freiheitskampf untergeordnet ist, wird der durch den Weltaltermythos so gut zu illustrierende Wunsch nach einem ruhigen und rechtschaffenen, zivilen bzw. zivilisierten Leben entwertet. Ausschlaggebend ist hierfür, wie gesagt, das rhetorische Register:314 Zwar spricht Petreius zunächst vom Vaterland (212) und der Sache des Senats (213), aber anstatt dann etwa Exempla spezifisch römischer Disziplin anzuführen, schweift er ins Allgemeine und Popularphilosophische ab, wobei der von ihm verwendete rednerische bzw. poetische Schmuck genau in die Gegenrichtung des Gesagten weist.315 Gemäß metapoetischem Realismus sagt Lucans Petreius damit mehr über sich selbst und seine fragwürdige Autorität als Vertreter der vermeintlich besseren Sache als darüber, was in diesem oder irgendeinem Bürgerkrieg zur Verhinderung der Gewaltherrschaft geschehen sollte. Es sind im Übrigen nicht nur die poetischen Reminiszenzen, die in der Rede als Kontrapunkt wirken; auch staats- und rechtstheoretisch ist sie problematisch. Das an sich naheliegende und für viele sicher wünschenswerte Vorgehen, wahren Frieden und wahre Freiheit gleichzeitig wiederzugewinnen, indem man Caesar unterwirft und bestraft, wird eigenartigerweise gar nicht ernstlich erwogen (212 f.). Für Petreius existiert pax nur als nomen pacis (4, 222), als Schlagwort der politischen Gegner bzw. als Euphemismus für Sklaverei. Diese Verachtung der pax, die Tendenz, die römische Ordnung als Unterjochung zu verurteilen, gehört in das rhetorische Repertoire der Kritiker und Feinde Roms von Karneades bis Calgacus.316 Man fragt sich auch hier, auf welche Werte Petreius sich bezieht. 314 Zum Vergleich können Ciceros philippische Reden herangezogen werden: Zum nomen pacis: Phil. 2, 113, hierzu cf. auch Häußler (1976), 205. Zum Wert der Freiheit: Phil. 3, 36; 6, 19; zum Verhältnis von Frieden und Freiheit cf. 4, 11 ff. zu historischen Exempla: 4, 15. Cf. auch Ps.-Sall. epist. 1, 6 R: sapientes pacis causa bellum gerunt, laborem spe otii sustentant: nisi illam firmam efficis, uinci, an uicisse, quid retulit? Dies ist zwar im Zusam­men­hang mit einem Lob der (bzw. der Forderung von) clementia gesagt, gleich­zeitig aber auch mit Blick auf die römische Vergangenheit und den Kulturverfall durch Geld und Luxus. 315 Cf. George (1988), 338 f. zu Petreius’ Rede als Gegenteil der stoischen οἰκείωσις-Lehre: Der Impuls, gemäß ei­nem natürlichen Empfinden moralisch zu handeln, wird von Petreius mit Verweis auf die Forderungen ›mora­li­scher‹ Standhaftigkeit abgelehnt. 316 Cf. Klingner (1961/1965), 618–623 u. a. mit Tac. Agr. 30, 5: auferre trucidare rapere falsis nominibus imperium, atque ubi solitudinem faciunt, pacem appellant. Tzounakas (2005) vergleicht die cohortationes Lucan. 7, 342–382 und Tac. Agr. 30–32 miteinander und folgert aus den Ähnlichkeiten, ibid. 412 f.: »Consequently Calgacus, when more strongly associated with the image and values of the Roman Respublica, becomes a figure of a past from which he cannot break free. Thus, in Tacitus’s broader literary scheme, Calgacus’s failure becomes predetermined, the defeat of an obsolete ideology at the hands of the new forces arising from the evolution of Roman society, forces that embody the principle of obsequium ac modestia.« Dies kann hier nicht im Einzelnen diskutiert werden; doch der Hinweis scheint angebracht, dass – im Vergleich zu Calgacus und Petreius – Pompeius von jeder Gegen­überstellung von Freiheit und Frieden absieht und stattdessen zur Verteidigung des traditionell Römi­sch-Ländlichen aufruft, cf. quisquis patriam carosque penates, | qui subolem ac thalamos desertaque pignora

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Während Petreius den einen Begriff zu entlarven sucht, erfährt der andere eine pathetische Beschwörung. Die libertas, die er der pax feierlich entgegenhält, ist aber selbstverständlich ebenso als Kampfbegriff verwendet worden. ›Freiheit‹ hat am Ende der Republik eine andere Bedeutung als zu ihrer Blütezeit; und wieder einen anderen Klang bekommt das Wort im Prinzipat.317 Lucans Figulus hat resigniert prophezeit: Roma […] ciuili tantum iam libera bello (1, 670 ff.). Petreius spricht nun so, als wolle er darauf Bezug nehmen. Aber wenn Freiheit nur darin besteht, zu sterben, bevor man von einem dominus vergewaltigt wird, welchen Ausweg gibt es dann? Petreius scheint keine Antwort hierauf zu haben. So gesehen ist es erst recht bezeichnend, dass einige seiner Aussagen so schwer verständlich scheinen.318 Sie markieren die Rhetorik der Hilflosigkeit. hostes nempe meos sceleri iurata nefando | sacramenta tenent (4, 228 f.): Warum spricht Petreius von ›meinen‹ statt ›unseren‹ Feinden?319 Will er nur seine Position als leidenschaftlicher, Caesar ebenbürtiger Anhänger der Senatspartei herausstellen, oder sieht er selbst, dass es eigentlich gar keine Feindschaft zwischen den Römern mehr gibt und dass sein seque et sua castra uenum uidere ein Irrtum war? Ähnlich verhält es sich mit der uilior fides (229 f.): Der Vorwurf kann darin bestehen, dass den Soldaten die Treue gegenüber Pompeius (sc. das rechtmäßige sacramentum) nichts mehr gilt, oder aber darin,320 dass sie ihre Freunde und Verwandten nicht töten wollen und sich auf ihre Treue zu ihnen berufen: ›Eure Treuherzigkeit passt euch besser.‹321 Wenn foedera nicht nur der schwierigere, sondern auch der bessere Text wäre, so würde, je nachdem wie man den ent-

quaerit | ense petat (7, 346 ff.). Pompeius erscheint hierbei weitaus weniger unrömisch und problematisch als Calgacus. Zu den Problemen in Pompeius’ rhetorischer Strategie cf. allerdings unten 244. 317 Cf. Wirszubski (1950), 100–106; Galinski (2006); Kimmerle (2015), 167–2011. Lucans Cato sagt das prägnant: tu­umque | nomen, Libertas, persequar et inanem umbram (2, 302 f.), auch er scheitert allerdings daran, hierauf sinnvoll und konstruktiv zu reagieren, cf. unten 193/203 f. Caesar benutzt die übliche Phrase libertatis uin­dex, um über Metellus zu spotten (3, 137) und kann sich seinen Soldaten gegenüber durchaus zum Kampf für die Freiheit bekennen (7, 264), auch hat er Pompeius die Versklavung Roms vorgeworfen (1, 314 ff.); sein Offizier Vul­teius fürchtet entsprechend den Frieden des Pompeius (4, 507 ff.). 318 Die Scholiasten sehen z. B. erheblichen Erklärungsbedarf in der Rede, cf. CB ad 221; 222; 223; 227; 228; ASL ad 227; 231; 229; 234. 319 Bei ASL ad 4, 22 wird das Problem übergangen, indem man hostes nostri paraphrasiert. 320 Zur Unklarheit des Ausdrucks cf. auch Earnshaw (2009) ad loc. 321 Cf. 4, 204 renouata fides, womit eindeutig die Familien- und Freundschaftsbande bezeichnet sind; Schlonski (1995), 41 sieht einen Unterschied zwischen der fides, die der Erzähler, und der fides, die Petreius meint. Die Pointe liegt aber gerade darin, dass Lucan seinen Petreius dasselbe Wort verwenden lässt, das bereits der Erzähler ge­bracht hatte. – uilis kann sowohl die Konnotation haben, etwas für geringen Preis anzunehmen bzw. nicht anzunehmen, als auch die, etwas billig zu verkaufen cf. OLD s. v. uilis. Zur Mehrdeutigkeit der Handelsmetapher aus dem Mund des Petreius cf. Coffee (2009), 130 f.

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rüsteten Ausruf pro dira pudoris foedera (231 f.)322 versteht, der eine oder andere Sinn bekräftigt. Ob bewusst oder nicht, Petreius riefe dann auch: ›widerliche Bande des Schamgefühls‹ und würde so zu einem Offizier, der zum Bürgerkrieg aufruft, seine Rede mit dem Schwert beginnt und den Soldaten, da die Aussichten schlecht sind, zu sterben befiehlt, ohne dass damit für das Gemeinwesen etwas Nützliches erreicht wäre. Friedlichen, an Krieg und Habgier nicht weiter interessierten ›Landleuten‹ würde Petreius vorwerfen, dass sie sich an die Gebote von Pudor / Αἰδώς bzw. Iustitia / Δίκη halten.323 Wenn Petreius hier sagt: ›wir wählen die Freiheit‹, macht ihn dies also kaum zum heroischen Widerstandskämpfer.324 Vielmehr fällt die Kritik, die er an einem caesarianischen Frieden üben will, auf ihn, den Anhänger des Pompeius, zurück, wenn durch seine Rede der Eindruck entsteht, republikanische Tüchtigkeit und die Verdorbenheit fehlgeleiteter, ›Eiserner‹ Kulturentwicklung würden zusammen gehören. Man hat die Intervention des Petreius mit der Merkurs im vierten AeneisBuch verglichen.325 Während Merkur aber auf die unzweifelhafte künftige Größe Roms verweist (tantarum gloria rerum, Aen. 4, 272), hat Petreius keine Aussichten zu bieten als das Verbrechen und den Tod: non hoc ciuilia bella | ut uiuamus agunt (4, 221 f.). Er besitzt nicht die Autorität eines Gottes; und wenn ein Urteil im Fall des Aeneas schwerfällt, so fällt es leicht im Fall der Soldaten, wie Sergio Casali gesagt hat: »L’obbedienza non è una virtù. Non si deve obbedire a ordini ingiusti.«326 322 Petreius’ Tat und ihre Folgen werden vom Erzähler mehrfach als verbrecherisch bezeichnet (205; 207; 236; 243). Was hier geschieht, ist geradezu ›diabolisch‹. Wenn man dira pudoris foedera liest und den Genetiv nicht expli­kativ (›schändliche Verbindung‹), sondern eher auktorial (›durch Schamgefühl veranlasst‹, wie in 1, 263) versteht, so ist die Rede, wegen der aus ihr sprechenden Verachtung traditioneller Werte, noch weitaus verbrecherischer. In ihrer Ambiguität erscheint mir die Lesart foedera reizvoller und insofern hier besser passend. Hoffmann / Schliebitz / Stocker (2011) versuchen zwar eine ähnliche Wirkung auch mit funera zu erreichen (»Zur Hölle mit dem Schamgefühl«), allerdings nicht vollständig überzeugend. 323 Asso (2010) ad 4, 231 f. liest funera und kommt zu dem Schluss: »With Petreius’ words, the author offers the Petreians a desperate opportunity to earn the selfrespect they would have surrendered to Caesar’s clementia.« Insofern immer der Autor die Worte gesetzt hat, bietet er fraglos verschiedene Meinungen dar. Diese Meinungen sind aber nicht alle gleichberechtigt, und im Fall des Petreius ist die geäußerte Meinung nicht nur falsch, weil dies die Erzählerkommentare besagen, sondern deswegen, weil ihre Argumentation über Freiheit, Frieden und Scham­gefühl unverständlich bleibt. 324 Es ist etwas anderes, wenn der Erzähler am Ende über das Ergebnis der gesamten Verwerfungen sagt: fugiens ciuile nefas redituraque numquam | Libertas ultra Tirgrim Rhenumque recessit | […] uellem populis incognita nost­ris (7, 432 ff.) – ein Bild, das nicht zufällig an das Entschwinden der Sternenjungfrau erinnert und damit den Beginn eines schlimmen Zeitalters andeutet, cf. Lebek (1976), 269; Groß (2013), 48. – Zur libertas als be­sonderem Gegenstand inkonsistenten Erzählens cf. Kimmerle (2015), 167–211, bes. 182 f. zu Petreius. 325 Cf. Casali (1999); D’Alessandro Behr (2007), 57–60. 326 Casali (1999), 235.

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Die Legionäre sind nach der Rede ihres Feldherrn gänzlich umgewandelt; sie haben buchstäblich alle Kultur verloren. Das folgende Gleichnis (4, 237 ff.) zeigt sie als wilde Tiere, die zwar in Gefangenschaft scheinbar zahm geworden sind, sobald sie aber Blut wittern, dennoch wieder aggressiv werden und schließlich sogar für ihren Hüter gefährlich sind.327 Die Soldaten sind gewohnt, auf Befehle zu hören. Sie sind keine Landleute (oder sind es nicht mehr), ihre concordes mensae (197) waren nicht mehr als ein naives, romantisches Intermezzo. Diese Naivität ist jedoch ungenügend; auch das verurteilt der Erzähler, wenn er sagt: populo uenia est erepta nocenti (193). Zwar sind auch Vergils italische Bauern in gewisser Weise naiv: o fortunatos nimium sua si bona norint (georg. 2, 458). Der auffällig betonte Bedingungssatz328 drückt aber gerade den Anspruch des Lehrgedichts aus, dass das nicht so bleiben sollte.329 Die mühevoll arbeitenden Bauern wissen (noch) nicht, dass ihr Landleben beinahe paradiesisch ist. Die Pompeianer dagegen wünschen sich ein paradiesisches Kriegsende und bedenken nicht, dass das ohne Mühe, worin sie auch bestehen mag, nicht möglich sein kann. Petreius ist dieser allzu schlichten Friedlichkeit mit Gewalt entgegengetreten und hat damit seine Legionäre gewissermaßen wieder zu Eisernen Menschen gemacht. Die fides (245), was immer sie für die Männer auch bedeutet haben mag,330 ist pervertiert und nun zu schlimmsten Verbrechen bereit. Zwar wissen die Pompeianer, dass sie zwischen den Kissen, wo sie eben noch lagen, ein Unrecht begehen: primo ferrum strinxere gementes (247), dennoch töten sie, wie sie es gelernt haben. Sie hassen ihre Angehörigen, denn sie sind ihre Gegner: dum feriunt, odere suos, animosque labantes | confirmant ictu (249 f.). Abschließend führt dies auf die Frage nach der Intention: Warum ruft Lucan gerade die Weltaltermotivik auf, wo sie doch so vielfältig nicht nur in der Lite-

327 Zu dem Gleichnis cf. Blaschka (2015), 311–314. Die Beziehung zu Aesch. Agam. 717 ff. ist schon bei Haskins (1887) ad loc. gesehen. Das ›Tragische‹ der Epi­sode wird durch den Anklang des Chorliedes unterstützt; überdies cf. Aymard (1951), 65–67 zu zeitgenössischen Berichte über die Reaktionen gezähmter Wildtiere auf die Unge­rechtigkeit ihrer magistri (Plut. soll. an. 968e); ähnlich auch Lucr. 5, 1310 ff. – Petreius mit seinen falschen Vorstel­lungen über menschliche Kultur wird sich nicht als erfolgreicher magister erweisen. 328 Cf. Das einsilbige Wort in der Hebung des fünften Fußes ist eine Ausnahme, cf. Crusius / Rubenbauer (81967), 54 zu georg. 2, 458. Die Konjunktion wird betont und das Bedingungsgefüge erhält dadurch besonderen Nach­druck; zur Mehrdeutigkeit der Form nouerint cf. Thomas (1988) ad loc. 329 Cf. Nappa (2005), 110 zum Zusammenhang von o fortunatos nimium sua si bona norint und fortunatus et ille deos qui nouit agrestis (493): »we must remember that what makes the rustic life resemble the better features of the Golden Age is not the countryside itself but knowledge and perspective.« 330 Cf. CB ad loc.: scientes admiserunt nefas; ASL ad loc: ›fidem‹ dixit repetitam ab exercitu caritatem; Heyke (1970), 70 No. 2 betont beide Dimensionen des Ausdrucks: »fides (245) vereint die fides gegenüber Pompeius (230), an die Petreius in seiner Rede appelliert; und die fides, die bei der Versöhnung der Heere wirksam war.«

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ratur, sondern auch in den bildenden Künsten verwendet ist?331 Namentlich der Gegensatz zwischen ›Gold‹ und ›Eisen‹ muss doch beinahe zwangsläufig mit der Herrschaftsrepräsentation der Prinzipatszeit verbunden werden, der Zeit, die in Lucans Epos so oft als unfrei gilt. Augustus wurde als Begründer einer Goldenen Zeit gefeiert: Augustus Caesar, diui genus, aurea condet saecula (Aen. 6, 792 f.).332 Nero auch: mutatur uilis pretioso lana metallo | aurea formoso descendunt saecula filo (Sen. apocol. 4, 1, 8 f.).333 Die Feststellung, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, folgt darauf wie ein natürlicher Reflex.334 Provoziert das nicht (sozusagen: nach allem, was geschehen ist) notwendig eine Distanz zu der Goldzeitidee als Gegenfolie zu einer beschwerlichen Gegenwart; spricht nicht auch die Naivität der Soldaten dafür, dass derartige Hoffnungen als unsinnig und sogar schädlich angesehen werden sollten? Und hat dann nicht schließlich Petreius’ Wunsch, Caesar um jeden Preis zu bekämpfen, doch auch manche Berechtigung? Vielleicht. Es ist in der Tat kaum vorstellbar, dass Lucan das Potential dieser Motivik nicht bewusst gewesen wäre  – gerade auch wegen des Proöms.335 Aber das ist hier nicht unmittelbar von Bedeutung. Gutes Leben und allwaltende Gerechtigkeit kann niemand nicht wollen.336 An den Pompeianern, die schließlich dem Durst entkommen und in ein besseres Leben zurückkehren, ist das deutlich zu sehen. In der allgemeinen Attraktivität des guten Lebens liegt, was man als ›idealischen Kern‹ des Bildes vom Goldenen Zeitalter mit seiner Eintracht, seinem Überfluss etc. bezeichnen könnte:337 Der Wunsch nach der Wiederkehr einer solchen Zeit ist begründbar. Wie immer über das Goldene Zeitalter auch gesprochen wird, diesen Kern wird das Motiv nie ganz verlieren; und gerade deswegen kann es überhaupt erst irgendeine ambivalente Wirkung annehmen. Vor dem Hintergrund dieser Motivik ist Lucans Petreius eben nicht

331 Man denke nur an die Ara Pacis. Zur Beziehung zwischen dem Italia-Relief an der Ostfries des Altars und den Georgica cf. van Buren (1913); zur Motivik des Goldenen Zeitalters allgemein cf. Simon (1986), 36–46; Zanker (52009), 171–196. Zu Vergil und zur Ara Pacis cf. Sauron (2013). Zur Ambivalenz der Darstellungen auf der Ara Pacis cf. Elsner (1991). Es ist eine instruktive Frage, für welche Leser / Betrachter jeweils das potentielle ›Anders­sehen‹ verschiedener Kunstwerke möglich, akzeptabel oder notwendig gewesen ist. 332 Thomas (2001), 3–7 hat auf die schwierige Mehrdeutigkeit der Wendung saecula condere hingewiesen und die Prophetie dadurch hinterfragt. 333 Zu Neros Regentschaft als Goldener Zeit cf. Gatz (1967), 136 f.; Feeney (2007), 131–137. 334 Cf. die häufig zitierten spöttischen Verse Ov. ars. 2, 277 f.: aurea sunt nunc uere saecula, plurimus auro | uenit honos, auro conciliatur amor; cf. Eigler (2002), 295. Ähnlich auch die Spottverse Suet. Tib. 59: aurea mutasti Saturni saecula, Caesar | incolumi nam te ferrea semper erunt. 335 Hierzu cf. unten 264 ff. 336 Cf. die Bewertung des Afranius bei Fucecchi (2011), 252 f. 337 Cf. etwa Heynes Bemerkung zum Lob des Landlebens bei Vergil: »locus nobilissimus, cuius pulcritudinem non sentiat, is nec dignus sit, cui enarretur«, Heyne / Wagner (41830) ad georg. 2, 458.

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nur ein disziplinierter und ehrbewusster General, er ist, insofern ihm jedes Verständnis für den Wunsch nach Frieden mit den eigenen Mitbürgern fehlt, ein Kriegstreiber.338 Welche Gründe es auch im Nachhinein geben möchte – beispielsweise für Lucan oder seine Leser –, Caesars Frieden und clementia sowie auch manche später folgenden Goldzeitverheißungen des Prinzipats als propagandistisch abzulehnen, die Tat des Petreius ist, wie der Erzähler sagt, falsch. Er kann nicht als Feind des Feindes gelobt werden. Das Ergebnis seiner Intervention, seiner Doktrin, keine Versöhnung zuzulassen, ist nicht nur das Unrecht der pompeianischen Soldaten und der Umstand, dass man Caesar (bzw. dessen Soldaten) als Opfer bemitleiden kann. Das Ergebnis, jedenfalls in der Darstellung Lucans, ist auch der Sieg Caesars in Spanien (4, 255–263): […] neque enim tibi maior in aruis255 Emathiis fortuna fuit nec Phocidos undis Massiliae, Phario nec tantum est aequore gestum, hoc siquidem solo ciuilis crimine belli dux causae melioris eris. polluta nefanda agmina caede duces iunctis committere castris260 non audent, altaeque ad moenia rursus Ilerdae intendere fugam. campos eques obuius omnis abstulit et siccis inclusit collibus hostem.

Größeres Glück hattest du nicht auf den emathischen Feldern noch in den Fluten des phocischen Massilia, noch hast du so viel auf dem Meer von Pharos vollbracht, wenn du doch wegen dieses Bürgerkriegsverbrechens allein der Führer der besseren Sache sein wirst. Die Führer der mordbefleckten Truppen wagen nicht, sich in die gemeinsamen Lager zurückzubegeben, und wandten sich fliehend wieder zu den Mauern des hochgelegenen Ilerda.  – Die Reiterei schnitt sie von allen Flächen ab und umschloss sie auf den trockenen Hügeln.

Der unrechtmäßige Angriff hat unmittelbar eine schnelle Folge bedeutender Ereignisse ausgelöst. In vier Versen ist die Tötung der Caesarianer geschildert, Caesars mutmaßliche Reaktion, die Flucht nach Ilerda, dann die Umzingelung. Diese führt, wie man hier bereits vermuten kann und wie es sich dann im Fortgang der Erzählung auch zeigt, zur Kapitulation der Pompeianer. Alles scheint entschieden: Caesar hat gewonnen, Caesar ist plötzlich, wegen des moralischen Versagens seiner Gegner und seiner Möglichkeit, ihnen schließlich Gnade zu gewähren,339 der Führer der besseren Sache – oder richtiger, er wird es sein: dux causae melioris eris (259).340 Der Erzähler nennt zuvor die anderen, zum Zeit 338 Zu »Petreius’ alienating viewpoint« cf. Roller (1996), 327–332; Petreius ist damit eine Ausnahme unter den Pompeianern und zeigt eine ganz ähnliche Haltung wie Caesar (1, 195 ff.) und viele seiner Offiziere, etwa Laelius (1, 359 ff.). 339 Cf. Asso (2010) ad loc. 340 Radicke (2004), 281 erklärt: »Erst am Ende des Abschnitts greift Lucan wieder auf seine historische Vorlage zurück«, und verweist auf Cass. Dio 41, 23, 2: καὶ οὐκ ἐλάχιστά γε ἐκ τούτων οὔτε ἐς τὴν δόξαν οὔτε ἐς τὰ πράγματα ἀπώνητο. Die Wirkung von Lucans abweichendem Tempusgebrauch (eris) wird bei diesem Vergleich besonders deutlich. Allgemein zur Seltenheit und interpretativen Bedeutung des Futurs im Epos cf. Leigh (1997), 325–329.

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punkt der Ereignisse vor Ilerda noch ausstehenden Erfolge Caesars: Pharsalos und Alexandria. Das heißt, erst wenn Caesar endgültig gesiegt haben wird, wird man sich der Ereignisse vor Ilerda erinnern und sie abschließend beurteilen. Es bleibt den Leser überlassen, bei dem ungewöhnlichen, anscheinend lobenden Ausruf daran zu denken, dass dann Caesar und seine Nachfolger eine beträchtliche Deutungsmacht darüber haben werden,341 was die gute und was schlechte Sache war.342 Die gute Sache, der Frieden: Was Petreius unbedingt verhindern wollte, die Alleinherrschaft, das nomen pacis, hat er selbst gerade befördert.343 Er mit seinen Eisenmotiven liefert den Stoff, um bald den Anbruch einer Goldenen Zeit zu wünschen oder zu verkünden. Wie solche Verkündigungen dann im Einzelnen erfolgen und wie Lucan und seine Leser sie womöglich beurteilen, bleibt hiervon unberührt. Aber Petreius, zumal wenn er es nur ›gut meint‹, trifft eine gewisse Ironie.

2.3.3 Das Leid der Pompeianer und Caesars Gnade Die Umzingelung der Pompeianer besiegelt deren Schicksal: tunc inopes undae (4, 264). Zwar wehren sie sich und wagen einen aussichtslosen Angriff, aber Caesar lässt es nicht zum Kampf kommen; er will keine heldischen Opfer, sondern totale, willenlose Unterwerfung:344 perdant uelle mori (280). Das nun folgende Gleichnis für den verweigerten Kampf antizipiert thematisch die Qualen, die den Soldaten angesichts ihrer verzweifelten Lage nun bevorstehen: alligat atque animum subducto robore torpor | postquam sicca rigens astrinxit uulnera sanguis (290 f.).345 Unmittelbar setzt die Handlung wieder ein: iamque inopes undae (292). Es war alles vergeblich, die Soldaten sind nun vollends dem Durst ausgeliefert und müssen erleben, was es bedeutet, besiegt zu werden (4, 291–318):346

341 Zu Ironie in der Apostrophe cf. Heyke (1970), 73. Darüber hinaus cf. 1, 41 f: ›dum uicerit alter | gaudendum est‹; 7, 260: ›haec acies uictum factura nocentem est‹. 342 Cf. Caesars Worte in 7, 259 ff.; zur Persistenz dieses Gedankens auf caesarianischer Seite cf. Roller (1996), 332 No. 30. 343 Cf. Nesselrath (1992), 97: »Damit wird Petreius noch im Nachhinein zum Agenten dieser Fortuna, man möchte beinahe sagen, abgewertet.« 344 Der verächtliche Satz en, sibi uilis adest inuisa luce iuuentus (276) erinnert die Leser an die Scheltrede des Petreius (at uobis uilior hoc est | uestra fides, 229 f.). Den Soldaten schlägt, was sie auch tun, von überall Gering­schätzung entgegen. 345 Zu dem aufwendigen Vergleich cf. Blaschka (2015), 276 f.; Lucks Konjektur sic für si in Vers 288 ist irreführend. 346 Obwohl Shackleton Bailey (1988) und Luck (2009) in 294 Heinsius’ Emendation rutris übernehmen, ist doch wohl der überlieferte Text beizubehalten, cf. Asso (2010) ad loc. Dasselbe gilt für tunc (ΩC) gegenüber sic (Z2ς) in Vers 303.

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iamque inopes undae primum tellure refossa occultos latices abstrusaque flumina quaerunt; nec solum rastris durisque ligonibus arua sed gladiis fodere suis, puteusque cauati montis ad inrigui premitur fastigia campi.295 non se tam penitus, tam longe luce relicta merserit Astyrici scrutator pallidus auri. non tamen aut tectis sonuerunt cursibus amnes aut micuere noui percusso pumice fontes,300 antra nec exiguo stillant sudantia rore aut inpulsa leui turbatur glarea uena. tunc exhausta super multo sudore iuuentus extrahitur duris silicum lassata metallis; quoque minus possent siccos tolerare uapores305 quaesitae fecistis aquae. nec languida fessi corpora sustentant epulis, mensasque perosi auxilium fecere famem. si mollius aruum prodidit umorem, pinguis manus utraque glaebas exprimit ora super; nigro si turbida limo310 conluuies inmota iacet, cadit omnis in haustus certatim obscaenos miles moriensque recepit quas nollet uicturus aquas; rituque ferarum distentas siccant pecudes, et lacte negato sordidus exhausto sorbetur ab ubere sanguis.315 tunc herbas frondesque terunt, et rore madentis destringunt ramos et siquos palmite crudo arboris aut tenera sucos pressere medulla.

Und nun fehlte ihnen vollends das Wasser. Zuerst rissen sie die Erde auf und suchten nach verborgenen Flüssigkeiten und versteckten Bächen; nicht allein mit Karsten oder harten Hacken, auch mit ihren Schwertern gruben sie die Felder auf. Mit einem Graben höhlen sie den Hügel aus, bis hinab auf die Ebene des wasserreichen Feldes, der bleiche Sucher asturischen Goldes steigt nicht so tief, so weit vom Licht weg – und doch rauschten keine Flüsse mit verdecktem Lauf, nicht blitzten aus zerborstenem Bimsstein neue Quellen hervor, nicht fielen in feuchten Grotten winzige Tropfen; kein Kies, der von einer kleinen Wasserader aufgewirbelt wird. Man holt die schwitzenden Männer, erschöpft von der harten Bergwerksarbeit, wieder herauf. Die Wassersuche hat nur dazu geführt, dass sie die trockene Luft noch weniger aushalten können. Die Ermatteten stärken die müden Körper nicht mit Essen; indem sie die Speise verachten, holen sie sich den Hunger zu Hilfe. Wenn lockere Erdkrumen Feuchtigkeit verrieten, so presste man sie mit beiden Händen überm Mund aus. Wenn unbewegt und getrübt von dunklem Schlamm ein Pfuhl liegt, fallen alle Soldaten im Wettstreit darüber her, um im Tode das ekelhafte Wasser zu trinken, das sie im Leben verschmäht hätten. Nach der Art wilder Tiere saugen sie pralle Schafe aus; als die keine Milch mehr geben, schlürfen sie aus den leeren Eutern noch blässliches Blut. Dann zerstoßen sie Blätter und Kräuter, schütteln den Tau von den Zweigen ab; einen jungen Weinstock pressen sie aus oder das zarte Mark eines Baumes, um darin ein wenig Saft zu finden.

Die Pompeianer, die auf Befehl des Petreius den Krieg weiterführen, bekommen den Durst auf erbärmliche Weise zu spüren. Eben tranken sie noch Wein; die Anstrengungen, die sie jetzt unternehmen, um an Wasser zu gelangen, lassen die Erinnerung an die so abrupt beendete Verbrüderungsfeier desto stärker nachwirken. Das idealische Bild des Landlebens, das dort aufschien, hat hier seinen völligen Gegensatz. Dass die Soldaten sich auch jetzt in gewisser Weise wie Bauern verhalten, betont dies noch zusätzlich: Sie reißen mit landwirtschaftlichem Gerät (ligo, rastrum, 294) die Erde auf. Aber das genügt nicht, sie nehmen zusätzlich noch das Schwert. Das Motiv ist wirkungsvoll: Die Legionäre stoßen

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ihre Waffen in die Erde. Hier wird ausgeführt, was sonst nur auf der metapho­ rischen Ebene geschieht. Oft behandeln Bauern das Feld wie Soldaten, um Ertrag zu erzielen,347 hier bearbeiten die Männer das Feld als Soldaten. Sie haben nicht die Verbesserung des Bodens oder die Veredelung der Früchte zum Ziel, sondern tatsächlich einen Kampf auf Leben und Tod. Weil ihnen auf dem Hügel das Wasser fehlt, versuchen sie einen Brunnen zu graben, um auf die Ebene des wasserreichen, vielleicht eigens bewässerten Feldes (campus irriguus, 295),348 vorzudringen. Dieses Vorhaben führt nicht zum Erfolg. Im äußersten Überlebenskampf vernichten sie schließlich, was zu anderen Zeiten ihre Lebensgrundlage wäre: Tiere, Weinstöcke, Bäume.349 Zwei Stellen der Georgica sind hier von Bedeutung, beide stehen in enger Verbindung mit der Militärmetapher, mit welcher der Dichter die schlichte Arbeit der Landleute als denkwürdig und gleichsam heroisch würdigen kann. Nach der berühmten Passage über die Weinpflanzungen (georg. 2, 274 ff.), die wie kampfbereite Legionen anzuordnen sind, wird über die Pflanzgruben gesprochen. Auch dort erscheint fastigium in der ungewöhnlichen Bedeutung ›Tiefe‹ wie hier bei Lucan; diese Parallele hat man schon in der Antike gesehen.350 Die andere Georgica-Reminiszenz ist etwas weniger offensichtlich. Über die Feldbewässerung heißt es im ersten Buch: [quid dicam … qui …] et, cum exustus ager morientibus aestuat herbis, | ecce supercilio cliuosi tramitis undam | elicit? illa cadens raucum per leuia murmur | saxa cient, scatebrisque arentia temperat arua (georg. 1, 107 ff.). Hinter dieser Stelle liegt das bekannte Gleichnis für Achills Bedrängnis in den Fluten des Skamander (Φ 257–264):351 ὡς δ’ ὅτ’ ἀνὴρ ὀχετηγὸς ἀπὸ κρήνης μελανύδρου ἂμ φυτὰ καὶ κήπους ὕδατι ῥόον ἡγεμονεύῃ χερσὶ μάκελλαν ἔχων, ἀμάρης ἐξ ἔχματα βάλλων· τοῦ μέν τε προρέοντος ὑπὸ ψηφῖδες ἅπασαι260 ὀχλεῦνται· τὸ δέ τ’ ὦκα κατειβόμενον κελαρύζει χώρῳ ἔνι προαλεῖ, φθάνει δέ τε καὶ τὸν ἄγοντα·

Wie wenn ein Mann einen Graben von einer schwarzfließenden Quelle zieht, auf die Pflanzen und den Garten die Wasserflut lenkt, in der Hand hat er die Hacke, wirft die Hindernisse aus dem Graben und alle Steinchen werden vom vorwärtsströmenden Wasser fortgerollt.

347 Cf. georg. 1, 99 ff.; 1, 160 ff.; dazu z. B. Thomas (1988) ad locc. 348 Haskins (1887) ad loc. hat hier an Hor. sat. 2, 4, 16 gedacht; cf. aber auch Varro rust. 1, 7, 9; 1, 31, 5; 1, 37, 5.  349 Solche Zerstörung der Natur ist als typisches Verbrechen Caesars ungewöhnlich für die Pompeianer, cf. Saylor (1986), 152. 350 georg. 2, 288; cf. CB und ASL ad 4, 296; Heitland (1887), cxv; Thomas (1988) ad loc. 351 Cf. Thomas (1988) ad 104–10 zur Rekontextualisierung des Motivs: »for the reader who recalls the Homeric narrative context (which is not mentioned: The Alexandrian poet at work again?) the impression of this act as one of virtual warfare will even be stronger, moreover the Virgilian battle is to be fought against nature, just as Achilles struggled against a natural force, the river.« – Zur Bedeutung des homerischen Flusskampfes für Lucan im All­ge­meinen cf. Lausberg (1985), 1605–1611.

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ὣς αἰεὶ Ἀχιλῆα κιχήσατο κῦμα ῥόοιο καὶ λαιψηρὸν ἐόντα θεοὶ δέ τε φέρτεροι ἀνδρῶν.

Das fließt schnell hinab, rauscht über das abfallende Land, überholt seinen Antreiber. So trafen die Fluten des Stroms den Achilleus, wenn er auch schnell war. Götter sind stärker als Menschen.

Die Hoffnung der grabenden Pompeianer ruft gerade das Bild der vom Wasser bewegten ψηφῖδες auf und wird, je vergeblicher die Suche sich gestaltet, immer bescheidener: Erst erwartet man noch hervorbrechende Wasserströme, am Ende würde man sich über ein Rinnsal freuen, das ein wenig Kies bewegt (4, 298 ff.).352 Das homerische Gleichnis zeigt unmittelbar die Schwäche des Menschen angesichts der Kräfte der Natur bzw. der Götter, und zweifellos wirkt das in Vergils Reminiszenz auch nach; auf den ersten Blick bedeutender ist dort aber, dass Achill dem Skamander letztlich nicht unterlegen ist, weil er von den Göttern beschützt wurde.353 In den Georgica wird der Bauer nicht vom Wasser überholt; zwar ist der Bewässerungsvorgang immer noch heftig, das Wasser kommt plötzlich heran (ecce, 1, 108),354 aber der Landmann verliert hier nicht die Kontrolle. Die Arbeit ist leicht und wirkt anmutig, das Wasser wird der stolzen Höhe des Berges kunstreich entlockt, undam elicit (108 f.). Während der Landmann der Georgica im alexandrinisch reflektierten Glanz homerischen Heldentums erstrahlt, erscheint Lucans Referenz in einem Kontext, der das unmittelbar Erschreckende des homerischen Bildes weitaus deutlicher aufgreift. Das zum Scheitern verurteilte Tun der Pompeianer wirkt damit zwar heldenhaft-duldsam,355 aber keineswegs erhaben.356 Wenn die Soldaten dann Erde auszupressen versuchen und fauliges Wasser aus Pfützen trinken, führt dies den Lesern die Schwäche der Menschen gegenüber den Naturgewalten schließlich vielsagend vor. Wie der Bezug zu den Georgica zeigt, ist hier eine vollkommen widernatürliche Situation entstanden: Menschen und Umwelt stehen

352 Cf. Richter (1968), H 105: »Der rasche, den Kies mit sich reißende Fluß des Wassers ist für das Gleichnis wesentlich«; ψηφίς ist eines der sechs hapax legomena in dem Gleichnis. Vergils leuia saxa (georg. 1, 109 f.) dürfen wohl damit in Verbindung gebracht werden. 353 Φ 291: ὡς οὔ τοι ποταμῷ γε δαμήμεναι αἴσιμόν ἐστιν. 354 Cf. Thomas (1988) ad loc. 355 Das Gleichnis, dass sie begieriger graben als Goldsucher (4, 297 ff.), scheint das anzudeuten. Zwar wird hier die Goldgier als allgegenwärtige Eigenschaft des Eisernen Zeitalters aufgerufen (cf. oben 102 zu Ov. met. 1, 141 ff.), die viel arbeitsreichere Wassersuche steht dazu aber im Gegensatz, und der später folgende auktoriale Kommentar discite quam paruo liceat producere uitam (4, 377) legt nahe, dass die Entbehrung bei den Soldaten zu einer ge­w is­ sen Erkenntnis geführt haben könnte. Aussagekräftig ist die Goldmotivik auch im Vergleich zu den Caesa­rianern. Anders als diese (4, 95 f.) treiben die Pompeianer untereinander keinen Handel mit ihren letzten Vorräten. 356 Das bleibt Caesar vorbehalten, wenn sein Handeln den Flusskampf des Achill evoziert, cf. Walde (2007), 73.

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sich dermaßen feindlich gegenüber, dass Klugheit und Frömmigkeit nichts mehr auszurichten vermögen. Die Katastrophe kommt immer näher heran. Daniel Groß hat vorgeschlagen, bei dieser Passage auch an die zweite horazische Epode zu denken, und zwar wegen der Wendung distenta ubera siccare.357 Mit Blick auf die Pointe in den Schlusszeilen dieses Gedichts erklärt er:358 Der Kontrast könnte stärker nicht sein; vor dem Hintergrund der Idylle der zweiten Epode erscheint die ausweglose Situation der Pompeianer nur noch schrecklicher: Aus der beschaulichen Ruhe des augusteischen Landlebens ist ein erzwungenes und zugleich erfolgloses Bauerndasein geworden  – das bedeutet eine Pervertierung des augusteischen Ideals. […] Es scheint also klar: Für Lucan liegt die Verwirklichung des Modells »Landleben als Ausweg aus der Krise« in noch weiterer Ferne als für Horaz: Dort verhinderte mangelnde Überwindungskraft und vielleicht in einem zweiten Schritt auch zu naive Vorstellungen vom Landleben die Umsetzung in die Tat, hier jedoch scheitert die Verwirklichung an der Öde des Landes und darüber hinaus an der seelischen und physischen Verkommenheit der Menschen, die es zu bearbeiten gezwungen sind. Alfius konnte nicht, weil er letztlich nicht wollte, die pompeianischen Soldaten können nicht, weil es unmöglich ist. Lucan verweigert sich also dem Modell »Landleben als Ausweg aus der Krise«, allerdings nicht (wie Ovid), weil man schon in einer idealen Welt lebte, sondern weil es keinen Ausweg zu geben scheint, wohin man sich auch wendet: Rom ist verlassen und zerstört, in fast ganz Europa tobt der Krieg, und auch das von den Augusteern als Ausweg propagierte Landleben, also die Rückkehr zum mos maiorum, funktioniert nicht oder zumindest nicht mehr, sondern bietet nur Qual und Arbeit ohne Lohn.

Das Leid der Pompeianer als das Gegenteil des guten Lebens und namentlich als das Gegenteil der Verbrüderungsfeier zu verstehen, und das Versagen dort, die »seelische Verkommenheit« der Soldaten, als die Ursache ihrer Qualen hier zu sehen, ist naheliegend und wichtig für den Fortgang der Erzählung. Ob aber die Beschreibung der dürstenden und über ihrem Durst beinahe wahnsinnig werdenden Menschen von Lucan als politische oder ästhetische »Verweigerung« konzipiert wurde, ist nicht leicht zu entscheiden. Wen sollte diese Polemik treffen? Für das Verständnis der Episode ist diese Frage allerdings gar nicht unmittelbar wichtig. Beachtenswert scheint mir hingegen, dass hier verschiedene Reflexions­ ebenen deutlich getrennt werden können. Auf der Ebene der Handlung ist die 357 Groß (2013), 123–125; cf. Hor. epod. 2, 45 f. Groß selbst führt allerdings die Häufigkeit und den Varianten­reich­tum des Motivs distenta ubera an; hier sind verschiedene Assoziationen möglich. Wenn man die von Groß als kor­res­pondierend aufgefassten Motive Schlachten, Wasserrauschen, Melken, Ernte (ibid. 124) für zu allgemein hält, kann immerhin von einer Referenz auf die Motivik des Landlebens insgesamt gesprochen werden. Da­f ür, dass die Georgica früher sind als die zweite Epode, cf. Watson (2003), 77. 358 Groß (2013), 123/126. Zu dem »Modell ›Landleben als Ausweg aus der Krise‹« cf. ibid. 115–119, bes. 118: »Die poetische Flucht aufs Land wird zum imaginären Ausweg aus der Krise und damit zum Ausdruck für die Sehnsucht nach einer besseren Welt.«

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Lage der Soldaten kein erzwungenes Bauerndasein.359 Man befindet sich hier in einer geradezu klassischen Situation, wie sie Vegetius später beschreiben wird.360 Sofern die Bauern sich ein ruhiges Landleben wünschen und vorstellen können, ist ihr Durst kein »pervertiertes«, sondern ein unerfülltes Ideal.361 Groß betont zu Recht die metapoetische Dimension der Intertextualität: Lucan zeigt etwas ganz anderes, als es in der augusteischen Zeit versprochen wurde. Es ist allerdings nützlich, diese Beobachtung gemäß metapoetischem Realismus etwas zu differenzieren. Sofern man die Soldaten nicht metaleptisch sieht, wissen sie nicht, dass sie keinen Ausweg aus der Krise gefunden haben oder finden werden. Im Gegenteil, für sie liegt nahe, in der Rückwendung zum mos maiorum eine Hoffnung zu sehen; auch ein ländliches Leben können sie sich sicher als ein Ideal vorstellen. Das Nichterreichen des Ideals ist gemäß der internen Chronologie des Gedichts ein Nochnichterreichen, das solche Hoffnungen, wie sie die Georgica später bekunden, überhaupt begründen kann. Durch den starken Gegensatz zwischen Leid und Idyll wird für Lucans Leser (und auf binnenfiktionaler Ebene etwas anders auch für die Soldaten) besonders offenbar, wie wünschenswert das ländlich-ruhige Leben ist. Die Frage, wie es gewonnen werden kann, ist dabei unausweichlich und richtet sich auf je andere Weise an beide Gruppen, an die handelnden Personen des Bellum Ciuile und die Rezipienten.362 Hier hat die Sorge ihren Platz, ob es nach den Bürgerkriegsschäden jemals wieder gut wird und ob der Prinzipat dies bewirken kann. Diese Sorge ist aber allen Vergillesern vertraut. Vergils Lobgesänge auf Italien und das Landleben sind zwar ›fiktiv‹, insofern sie etwas Idealisiertes darstellen.363 Aber innerhalb des Werkganzen der Georgica kann diese Fiktion doch kaum darüber hinwegtäuschen, dass dieses Ideal weder wirklich ohne Zutun erreicht, noch allein durch Musenkunst herbeigesungen werden kann. Ein »imaginärer Ausweg aus der Krise« im Sinne weltabgewandter 359 ›Erzwungen‹ wäre eher das Bauerndasein, das sie nach der Begnadigung wieder aufnehmen. 360 Veg. mil. 4, 7: aduersarius oportunis locis praesidiis ordinatis uel aqua prohibet inclusos uel deditionem sperat a fame, cf. auch Panegyricus Messallae (Ps.-Tib. 3, 7), 85. 361 Bei dem Begriff »augusteisches Ideal« handelt es sich zudem um eine starke Verallgemeinerung, die die Ein­zig­artigkeit und Schwierigkeit der verschiedenen Gedichte überdeckt. Die mehrere Dichtergenerationen umfas­sende ›augusteische‹ Literatur kann, wie z. B. Lefèvre (1988) vorgeführt hat, je nach Blickwinkel auch ›unau­g uste­isch‹ sein; zum Problem des ›Augusteischen‹ vs. ›Anti-Augusteischen‹ als Funktion veränderlicher Gesichtspunk­te cf. auch Kennedy (1992). 362 Cf. McCutcheon (2013), 274 mit Blick auf die Spannungen innerhalb der Dichtung Vergils: »Lucan looks through Vergil’s poetry as a lens to an idealized past, but with no nostalgia: there is no return to normalcy in the rest of the epic.« Die Beobachtung, dass es sozusagen nicht ›wieder gut‹ wird, rechtfertigt nicht die Annahme, dass an sich das Ideal im Bellum Ciuile nicht affirmativ gesehen werde. Insofern muss allerdings ›naive‹ Nostalgie ge­­gen­über ›unkritischer‹ als Verklärung der ›guten alten Zeit‹ unterschieden werden. 363 Cf. Glei (1991), 76–82, bes. 79: »er vermeidet doch beim Lob des Landlebens peinlich jeden Schweißgeruch.«

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Realitätsvergessenheit oder unkritischer Propaganda sind die Georgica jedenfalls nicht.364 Vielmehr kann erst, wenn ein politischer Ausweg aus der Krise gefunden ist, überhaupt wieder ein glückliches Landleben stattfinden. Der Bürgerkrieg muss beendet sein, bevor die Felder wieder erfolgreich bestellt werden können: scilicet et tempus ueniet … Ob eine solche neue Zeit ganz einfach durch das Wirken eines Einzeln anbrechen kann, scheint für den Dichter der Georgica ebenfalls nicht sicher zu sein. Das Bild des Wagenlenkers aus dem Finale des ersten Buches schwankt zwischen Hoffen und Zweifeln,365 und die Verwobenheit dieser beiden Gedanken hat ihre direkte Entsprechung in dem Grundmotiv des Gedichts, dass das Landleben nie ohne Mühen und Rückschläge verläuft.366 Wenn Alfius, der faenerator, sich so etwas (sozusagen: obwohl er vielleicht die Georgica gelesen hat) dennoch vorstellt, dann verdient diese Naivität Spott.367 Wenn er sich hingegen so etwas zwar vorstellt, dabei aber sehr wohl weiß, dass es so nie sein wird, und alsbald an seine Arbeit zurückkehrt,368 dann wird der Spott sehr viel subtiler und trifft bei weitem nicht nur ihn.369 Ob Alfius das Landleben will oder nicht, muss offen bleiben. Dass es die dürstenden Pompeianer wollen bzw. nach der verhinderten Verbrüderung wieder wollen, und zwar nun auch dann, wenn es nicht so bequem wäre wie im Tagtraum des Alfius, lässt sich indessen leicht denken. Offensichtlich sind sie dafür sogar gut geeignet: Gemäß 364 Cf. Klingner (1963), 58–69 zum Finale des ersten Buches; Lyne (1974/1999), 163 f.; Smolenaars (1987), 404: »In­terpretations which, in these poems too, make Vergil a romantic escapist longing for the return of paradise, deny his overt admiration for human technological achievements […]. It is in the real world that this ideal of aurea saecula could be realized, an age of peace, justice and labour, if only mankind recognized its blessings: sua si bona norint«; Thomas (1988), I, 16–24 zum Realismus des Gedichts. 365 Über »Optimismus« und »Pessimismus« in den Georgica ist viel geschrieben worden, cf. Cramer (1998); Mor­gan (1999), bes. 1; Thomas (2001a); von Albrecht (2006), 95 No. 361; Zanker (2011). Schwierigkeiten und Am­biva­lenzen in dem Gedicht dürften bereits in der Antike diskutiert worden sein cf. Serv. auct. georg. 1, 152; 3, 13; 4, 564; Serv. georg. 2, 498; allgemein Thomas (2000); Thomas (2001), 112–116. 366 Cf. etwa georg. 1, 199 ff.: sic omina fatis | in peius ruere. 367 Cf. Kießling / Heinze (71930), 490–492; Watson (2003), 80–86; ähnlich Groß (2013), 119 mit Verweis auf einen oberflächlichen Habitus. 368 Cf. Johnson (2012), 87 f.: »The comic amusement of the bait-and-switch in narrators (not Horace but a money-lender praises the simple life) has a serious side, when his protest that he is not actually interested in all this important business of money and rewards is shown to be, as is typical of his sort, only a pretense. […] Just how different is Maecenas from Horace and Horace from Alfius? […] Truth is – Horace’s and any dependent’s amicitia may involve hard business (war, politics, money, changing hands), but dependency does have its rewards (political power, the quietude of a bucolic estate, cash). Finding Horace’s »professed« simple lifestyle in a loan-sharks wishful daydreams implicates the iambist in his own mockery. Epode 2 places the iambist on the receiving end of the criticism.« – Zu Arten und Wirkungen der Ironie in diesem Gedicht cf. auch Fowler (1994), 240–243. 369 Nicht nur Maecenas und Horaz, auch Albius (›Alfius‹) Tibullus könnte dann für einen geistreichen Leser in Frage kommen, cf. Koster (2000), 160.

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ihren Möglichkeiten versuchen sie zunächst, durch sinnvolle und harte Arbeit an Wasser zu gelangen.370 Erst die steigende Not macht sie unvernünftig und schließlich barbarisch. Sie wollen, scheint es, auf keinen Fall in der Umzingelung verdursten. Welche Wahl haben sie? Caesar lässt einen Kampf, in dem sie als republikanische Helden fallen dürften, nicht zu. Wie später der Caesarianer Vulteius und seine Gefährten (4, 540 ff.) könnten sie sich gegenseitig umbringen, sich sogar Qualen ersparen.371 Aber das tun sie nicht.372 Hoffen sie noch auf irgendetwas? Angesichts des Wassermangels müssen sie doch jede Aussicht darauf, einmal wieder glücklich leben und, wie noch eben gerade, mit ihren Familien gemeinsam Wein trinken zu können, verloren haben. Der Erzähler kommentiert das und gibt dabei mit dem Anklang an den Ausruf o fortunatos nimium (georg. 2, 458) einen direkten Hinweis auf das Lehrgedicht (4, 319–324): o fortunati, fugiens quos barbarus hostis fontibus inmixto strauit per rura ueneno.320 hos licet in fluuios saniem tabemque ferarum, pallida Dictaeis, Caesar, nascentia saxis infundas aconita palam, Romana iuuentus non decepta bibet.

O die glücklichen, denen ein barbarischer Feind auf der Flucht Gift in die Quellen warf und sie so auf dem Land niederstreckte. Du kannst, Caesar, in diese Flüsse geradewegs Jauche und Tierkadaver schütten und bleich machendes Akonitum, das auf den Steinen des Berges Dikte wächst. Die jungen Römer werden alles ganz bewusst trinken.

Die Beziehung zum Beginn der laudes uitae rusticae ist nicht zu übersehen und wird noch durch die etwas eigenartige Bemerkung strauit per rura bekräftigt,373 wie auch durch den Hinweis auf das aconitum, das in Italien, wo man die Erinnerung an die Zeit vor der Herrschaft des Königs vom Berg Dikte bewahrt,374 nicht wächst (georg. 2, 152/536). Indem die Aufmerksamkeit einerseits noch auf die unmittelbaren Qualen der Pompeianer gerichtet wird, Caesar jedoch andererseits schon angesprochen ist, ergeben sich hier für die Leser, die gewohnt sind, die Stimme des Erzählers als hochgradig ambivalent zu erleben, zwei Perspektiven für die Deutung der Ereignisse. Beide sind auf ihre Weise berechtigt; es scheint weniger darum zu gehen, wie man das Handeln der Soldaten beurteilen soll, als vielmehr darum, wie man die Georgica hiermit verbinden kann. 370 Thompson / Bruère (1970), 159 verweisen auf die Anstrengungen der Bauern nach dem Tod der Pflugstiere, georg. 3, 534 f.: ergo aegre rastris terram rimantur, et ipsis | unguibus infodiunt fruges. 371 Das soll man bemerken, cf. 4, 344 f. Afranius’ Verhalten kann falsch sein, aber das des Vulteius ist in keiner Weise besser; ein ›Vorbild‹ ist er nicht, sein Ehrgefühl ist pervertiert, cf. Heyke (1970), 147–154; Fantham (2010), 66–68; Day (2013), 195 f.; Ambühl (2015), 103 f. 372 Die Massilioten haben, es entgegen ihrem Bekunden (3, 351 ff.), auch nicht getan. 373 Cf. Paratore (1943), 60; Thompson / Bruère (1970), 160. 374 Housman (21927) ad loc. zitiert Theophr. hist. plant. 9, 16, 4: τὸ δὲ ἀκόνιτον γίνεται μὲν καὶ ἐν Κρήτῃ καὶ ἐν Ζακύνθῳ, πλεῖστον δὲ καὶ ἄριστον ἐν Ἡρακλείᾳ τῇ ἐν Πόντῳ.

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Die erste Perspektive ist die eines caesarianischen Lesers: Caesar hat die Kämpfe in Spanien endgültig entschieden, für seine Gegner gibt es keinen Ausweg mehr. Über alles, was er ihnen zuteilt, sei es Gift oder Gnade, müssen sie glücklich sein: fortunati. Caesar wird zum Spender eines ländlichen Idylls. Angesichts des Versagens der Pompeianer bei der Verbrüderung und ihres tiefen Falls vom Weingenuss zum quälenden Durst muss der Anklang der Georgica nun beinahe höhnisch klingen.375 Schadenfroh ist aber allenfalls Caesar, nicht der Erzähler, der hier erklärt, Caesar könne nun Tierkadaver in die Flüsse werfen. barbarus hostis – damit werden nicht die Pompeianer herabgesetzt.376 In der Tat wirkt der Erzählerkommentar aus pompeianischer Perspektive überraschend anders: Während die Soldaten nach der Verbrüderungsfeier der Rede des Petreius nichts entgegenzusetzen hatten, wissen sie nun sehr wohl, was Glück und Unglück heißt und was sie wollen. Sie haben ihre erbärmliche Lage erkannt und erdulden sie; naive Hoffnungen auf ein Wunder hegen sie nicht mehr. Es ist Zeit vergangen, vielleicht haben die Legionäre in ihrem Leid eine Entwicklung durchlaufen.377 Für diejenigen Leser, die daran denken, dass im Lob des Landlebens auch von römischer Tapferkeit die Rede ist (et patiens operum exiguoque adsueta iuuentus, georg. 2, 472), kann der Anklang der Georgica durchaus pathetisch wirken. Die Soldaten werden, sagt der Erzähler, glücklich aus den Brunnen trinken, die Caesar vergiftet hat; und zwar mit Absicht: non decepta iuuentus bibet. Deswegen, scheint es, haben sie so verzweifelt versucht, nicht zu verdursten, und das ekelhafte Wasser aus den Pfützen getrunken, obwohl es vielleicht tödlich war: damit sie jetzt Wasser trinken können, das bestimmt tödlich ist. Ein krasses Paradoxon: Die Pompeianer wollen am Leben bleiben, um sich von Caesar umbringen zu lassen. Seinem Wunsch perdant uelle mori (4, 280) beugen sie sich nicht. Sie sind so tapfer, wie es in ihrer Lage noch möglich ist. Dass die Pompeianer sich nun unterwerfen, bewertet Daniel Groß als das Ergebnis einer »utilitaristischen Entscheidung für die Unterordnung unter den 375 Cf. Groß (2013), 126 zum Zynismus des Erzählers. 376 In SASL wird auf das Vorgehen Iubas verwiesen, und die Perser unter Kyros sind als Opfer solcher Brun­nen­vergifter benannt. Cf. auch Nutting (1932), 48: Die Römer haben solche Praktiken im Allgemeinen abgelehnt. 377 Saylor (1986) sieht eine Entwicklung der Pompeianer und versucht nachzuweisen, dass diese gleichsam als eine Reflexion über fides und Bindung durchgeführt ist, wobei die immer wieder erwähnten Flüssigkeiten Wein, Blut und Wasser leitmotivisch den Gang der Erfahrungen und Erkenntnisse bis hin zu ›reinen‹ Unabhängigkeit illust­ri­eren, cf. ibid. 150: »Lucan creates an allegory whose essential idea ist that […] one should choose detach­ment which is pure and natural«, wobei aber der Umstand zu wenig Beachtung findet, dass der Rückzug der Pompeianer von diesen nicht selbst erreicht werden konnte. Es handelt sich dabei nicht um eine Möglichkeit, die im Bürgerkrieg tatsächlich allgemein bestünde, cf. ibid. 156: »at the end detachment stands out as a better answer to civil violence than personal or partisan fides, indeed as the only answer.« Diese Erkenntnis ist so nur den betroffenen Pompeianern zugänglich.

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Mächtigsten«, wobei es aber eigentlich nichts zu entscheiden gebe: »Was bleibt, wenn man nicht mehr entscheidungsfähig ist und wenn die Werte, an die man geglaubt hat, sich als nicht mehr gültig erweisen? Man kapituliert.« – Das trifft zweifellos zu; Petreius war nicht ›besser‹ als Caesar, und angesichts der obwaltenden Umstände bleibt den Pompeianern praktisch nichts, als die Ausweglosigkeit ihrer Lage einzusehen. Auch hier lässt aber die literarische Gestaltung eine etwas differenziertere Sicht zu. Lucan erzählt in den folgenden zwölfeinhalb Versen ausführlich und so, dass die Leser Mitleid haben müssen, von den Qualen der wartenden Legionäre: Die Eingeweide brennen, Mund und Zunge sind rau, das Blut fließt nicht mehr recht, das Atemholen bereitet Schmerzen, sie recken die Köpfe zum Himmel, warten auf Regen und schauen auf die beiden Flüsse, die ganz in der Nähe sind (324 ff.). Man möchte ergänzen: die Flüsse, die Caesar jetzt vergiften könnte … Da entschließen sie sich zur Aufgabe (337 ff.). Indem sich die beiden Kriegsparteien begegnen, treffen sich auch die Perspektiven, von denen aus die Ereignisse betrachtet werden können, und wirken schließlich gleichzeitig; die Worte des Afranius sind einerseits unterwürfig gegenüber dem Sieger Caesar, andererseits tritt er noch immer respektabel auf (4, 341–362):378 maiestas non fracta malis, interque priorem fortunam casusque nouos gerit omnia uicti,342 sed ducis, et ueniam securo pectore poscit. ›[…] at nunc causa mihi est orandae sola salutis346 dignum donanda, Caesar, te credere uita. […] nec cruor effusus campis tibi bella peregit354 nec ferrum lassaeque manus: hoc hostibus unum, quod uincas, ignosce tuis. nec magna petuntur: otia des fessis, uitam patiaris inermis degere quam tribuis. campis prostrata iacere agmina nostra putes; nec enim felicibus armis misceri damnata decet, partemque triumphi360 captos ferre tui: turba haec sua fata peregit. hoc petimus, uictos ne tecum uincere cogas.‹

Seine Würde ist durch die Widrigkeiten nicht gebrochen; angesichts seines früheren Geschicks und der jüngsten Niederlage tritt er auf als ein Geschlagener, aber dennoch als General und bittet ruhigen Herzens um Gnade: ›… doch nun habe ich als einzigen Grund, dich um unser Heil zu bitten, dass wir dich für würdig halten, uns das Leben zu schenken … Nicht das Blut, das auf den Feldern vergossen wurde, nicht das Eisen hat dir den Krieg gewonnen, auch keine erschöpften Hände. Nur dies eine verzeih deinen Feinden: dass du siegst. Nichts Großes fordern wir: Gib Ruhe den Müden, gestatte, dass sie waffenlos das Leben führen, das du ihnen zuteilst. Es ziemt sich nicht, erfolgreiche und unglückliche Waffen zu mischen, auch nicht, dass wir als Gefangene an deinem Triumph teilnehmen. Diese Menge hat ihr Schicksal vollendet. Wir fordern: zwing nicht die Besiegten, an deiner Seite zu siegen.‹

378 Ahl (1976), 195 f. betont die maiestas und den fordernden Habitus des lucanischen Afranius im Gegensatz zur Darstellung bei Caesar; dagegen Leigh (1997), 56 mit 4, 346 f.: »Here, perhaps, we can see one reason for Caesar to smile: his Republican opponent concedes his right to punish or spare. Such rhetoric surely cannot help but re­­mind one that under the ius gentium anyone captured in war came under the absolute power over life and death of the captor.«

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Bis jetzt brauchte Caesar bloß zu warten, nun muss er hingegen irgendwie reagieren. Alles liegt bei ihm. Er lächelt (363) und gewährt gnädig die Bitten, lässt die Männer trinken und stellt sie vom weiteren Kriegsdienst frei. Caesar hat die Soldaten, wie er es wollte, zur Unterwerfung gezwungen. Aber sie unterwerfen sich, nachdem sie im Durst ihre gewaltige Leidensfähigkeit gezeigt haben. Dabei treten sie auf wie Sieger, die Forderungen stellen können (petere, 356/362). Insofern zur römischen Identität noch immer eine Haltung gehört wie das altrepublikanische et facere et pati fortia Romanum est (Liv. 2, 12, 10), bekommt dieses Leid eine nachgerade exemplarische Dimension, und die Pompeianer können auf die Deutungsmacht späterer Zeiten vertrauen.379 Caesar, der seinen Mitbürgern den offenen Kampf verweigert hat, ist Urheber dieses Leids und hat sich in die Lage gebracht, dass er gleichsam, wenn er die Flüsse nicht vergiftet, schlimmer handelt als ein barbarischer Feind. Die Niederlage der Republikaner ist unabwendbar, die Allmacht Caesars aber auch.380 Indem Afranius unterwürfig um Gnade bittet, erkennt er zwar Caesars Überlegenheit an und tut, was Petreius verhindern wollte. Dabei kann er aber gleichzeitig verlangen, dass Caesar sich nun offen als das zu erkennen gibt, was er bald sein wird: ein dominus.381 Und so ist schließlich der Bezwinger gezwungen, dem letzten Wunsch der Pompeianer doch zu entsprechen und sie zu töten: entweder mit dem Wasser der vergifteten Flüsse – oder mit dem Wasser seines vergifteten Friedens, der ihnen das Leben als freie römische Bürger nimmt. Letzteres geschieht; deswegen kann das bescheidene Bauernleben,382 das den Soldaten nun bevorsteht, auf den ersten Blick wohl nicht als die Erfüllung sämtlicher menschlicher Hoffnungen erscheinen, sondern als das fragwürdige Geschenk eines Alleinherrschers.383 Andererseits, und das ist bedeutsam, ist das neu gewonnene Dasein an sich keine Strafe, es wird den Männern offensichtlich besser gehen als im Krieg, namentlich besser als noch eben während der 379 Mit Blick auf das Werkganze ist zudem eine strukturelle Dimension bedeutend: Während der Hunger der Cae­sarianer leitmotivisch als Strafe für das Sakrileg bei Massilia aufgefasst werden kann, steht der Durst der Pompei­a ner für das zwar vergebliche, aber tapfere und Mitgefühl erregende Leiden; so auch im Wüstenmarsch Catos (9, 498 ff.). 380 Cf. Leigh (1997), 59–67 zur Sprache der Herrscherpanegyrik: Caesar beansprucht absolute und quasi göttliche Macht, und die Unterlegenen erkennen dies an, gleichzeitig wird das philosophische Konzept von clementia, wie es etwa Seneca entwickelt hat, willkürlich überdehnt. 381 Die Konstellationen Petreius / Afranius und Metellus / Cotta (3, 112 ff.) entsprechen also einander. 382 Auch die »Luxuskritik«, die der Erzähler hier formuliert (4, 373–381) und die in 10, 107–171 ganz ähnlich wie­derholt wird (cf. insbesondere Lucan. 4, 380 ~ 10, 160 ~ georg. 2, 506), braucht nicht zwangsläufig als Verhöh­nung der Pompeianer verstanden zu werden, wie Groß (2013), 127–134 meint; cf. auch Thompson / Bruère (1970), 161 f. An der beispielhaften Leidensfähigkeit der Soldaten wird lediglich illustriert, wie wenig Materielles genügt, um zu leben. Zur Stelle im Zusammenhang traditioneller römischer Wirtschaftsethik cf. Coffee (2009), 131–134. 383 Neben Leigh (1997), 59–67 cf. auch Radicke (2004), 288 f.; Groß (2013), 131–134.

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Belagerung. Nicht nur ist für diese Männer der Bürgerkrieg vorbei, sie haben ihn auch überwunden; turba haec sua fata peregit, sagt Afranius (361). Vielleicht denkt man hierbei, abgesehen von Dido, an den Parzenanruf in Horaz’ carmen saeculare (25–28):384   uosque, ueraces cecinisse Parcae,    quod semel dictum est stabilisque rerum    terminus seruet, bona iam peractis     iungite fata.

Und ihr, Parzen, die ihr wahrheitsgemäß singt, was einmal gesagt ward und fest­ stehen mag bis zum Ende der Dinge, fügt nun wieder gute Zeiten an die schon durchmessenen an.

Der Gedanke, dass die Pompeianer sich infolge ihres Leids auf irgendeine Weise weiterentwickelt haben, wird hiermit bekräftigt. Sie haben sich nun einem neuen Herrscher zugewandt. Noch wichtiger ist aber ihre Hoffnung auf eine gute oder gar bessere Zukunft, so als hätten sie den Krieg nicht verloren, sondern gewonnen. Was nun kommt, ist jedenfalls anders: Diese Pompeianer lassen den Bürgerkrieg hinter sich und bereuen, überhaupt daran teilgenommen zu haben. Und indem sie jetzt, um einige Erfahrungen reicher, wieder ein normales Leben aufnehmen, können sie versuchen, erneut römische Bauern zu sein. Ob wegen oder trotz der kommenden Monarchie, scheint nachrangig, es zählt vor allem ihre neue Lebensführung (4, 382–401): heu miseri qui bella gerunt! tunc arma relinquens uictori miles spoliato pectore tutus innocuusque suas curarum liber in urbes 385 spargitur. o quantum donata pace potitos excussis umquam ferrum uibrasse lacertis paenituit, tolerasse sitim frustraque rogasse prospera bella deos! nempe usis Marte secundo tot dubiae restant acies, tot in orbe labores; ut numquam fortuna labet successibus anceps, 390 uincendum totiens; terras fundendus in omnis est cruor et Caesar per tot sua fata sequendus. felix qui potuit mundi nutante ruina quo iaceat iam scire loco. non proelia fessos ulla uocant, certos non rumpunt classica somnos.395 iam coniunx natique rudes et sordida tecta et non deductos recipit sua terra colonos. hoc quoque securis oneris fortuna remisit, sollicitus menti quod abest fauor: ille salutis

Ach die elenden, die weiter Krieg führen! Da werden die Soldaten, die ihre Waffen niedergelegt haben und ihres Panzers beraubt sind, sicher und unversehrt, ihrer Sorgen ledig über die Städte verteilt: O wie sehr bedauerten sie, da ihnen nun Frieden gewährt war, jemals mit gespannten Muskeln das Eisen geschwungen, Durst gelitten und vergeblich die Götter um Sieg angefleht zu haben. Ja, für die, denen Mars günstig war, bleiben so viele unsichere Schlachten, so viele Mühen auf dem ganzen Erdkreis. Damit nach den Erfolgen das Glück nicht ungewiss schwankt, müssen sie so oft siegen. Über alle Länder müssen sie ihr Blut hingießen und Caesar durch so viele Verhängnisse folgen. Glücklich, dem es gelang, im

384 Zu fata peragere cf. TLL 10, 1, 1179, 18 ff. s. v. perago [Peri 1994]; Das carmen saeculare gehört auch in den poetischen Zusammenhang der Goldzeit-Verheißungen, cf. carm. saec. 57 ff.; überdies liegt der Gedanke daran nahe, insofern es sich mit der sechzehnten Epode berührt, die Groß (2013), bes. 119 als einen beachtenswerten Re­fe­renztext für das Bellum Ciuile herausgearbeitet hat. Zur Beziehung zwischen carm. saec. und epod. 16 cf. Ableitinger (1972). – Zur Anspielung auf Aen. 4, 653 cf. Heitland (1887), cxv und Esposito (2009) ad loc.

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est auctor, dux ille fuit. sic proelia soli400 felices nullo spectant ciuilia uoto.

schwankenden Fallen der Welt den Ort schon zu wissen, wo er liegen kann. Nicht rufen Kämpfe nach den Müden, nicht zerreißen die Kriegstrompeten ihren sicheren Schlaf. Schon erhalten die Frauen und die kleinen Kinder, die schäbigen Hütten und das Land ihre Bauern zurück. Sie werden nicht irgendwohin fortgeführt. Auch diese Last hat Fortuna den Sorglosen abgenommen, kein furchtsa­mes Wohlwollen bedrängt ihr Gemüt: Der eine ist der Urheber ihres Heils, der andere war ihr Anführer. So schauen einzig sie glücklich und ohne Wünsche dem Bürgerkrieg zu.

Die Männer können sich nun ihren eigenen ländlichen Angelegenheiten widmen.385 Sie mögen unfrei sein, aber sie sind auch sorgenfrei, curarum liber (384); keine Parteilichkeit, keine Furcht bewegt sie, sie sind glücklich, felices (393/401). Die Entwicklung von der naiven Verbrüderung über den ohnmächtigen Gehorsam gegenüber Petreius, das darauffolgende Leid und die selbstbewusste Kapitulation findet hier, in der Begnadigung durch den Tyrannen, einen bedeutsamen Abschluss. Diese Männer nehmen (jedenfalls im Bellum Ciuile, wie es uns vorliegt) am Fortgang der Ereignisse nicht mehr teil, und so scheint trotz allem ihre Lage auch verlockend. Die Leser erinnern sich hierbei vielleicht an Aeneas’ Abschied von Andromache: uiuite felices, quibus est fortuna peracta | iam sua: nos alia ex aliis in fata uocamur (Aen. 3, 493 f.).386 Könnte das nicht genau ein Caesarianer sagen, der gemeinsam mit den jetzt Begnadigten Wein getrunken hatte, Opfer ihres Angriffs wurde, sie daraufhin belagert hat und jetzt weiter­ ziehen muss, Caesar in tot sua fata sequendus?387 385 Offensichtlich warten zu Hause die Familien; der Erzähler sagt nicht, in welchem Zustand diese sich befinden, aber er stellt die Rückkehr als erfreulich dar. Eine Verbindung mit dem Verbrechen gegenüber caesarianischen Verwandten und Freunden (4, [171]; 177 ff.; 245 ff.) soll hier wahrscheinlich nicht unmittelbar gesehen werden. Je­denfalls erhoffen die Soldaten anscheinend ein intaktes Zuhause mit Frau, Kindern, bestellbaren Äckern. Nicht ganz zu Recht Saylor (1986), 154 zu 4, 394: »[the wine of fraternization] is outmoded, exotic because of a time past and inaccessible, much as the idea of harmony has proved to be for the Pompeians.« Nicht Verbrüderung schlecht­hin ist unerreichbar und ein altmodischer Wunsch, sondern diese bestimmte, allzu naiv erwünschte Verbrüderung vor Ilerda war unmöglich. 386 Cf. 4, 361 und 390 ff., cf. dazu Heitland (1887), cxv; Narducci (1979), 145–148. 387 Den Gedanken ut numquam fortuna labet (4, 390) final zu fassen, so z. B. bei Asso (2009), passt besser zu Caesars Fortuna-Propaganda: Er muss siegen, damit es aussieht, als sei das Glück immer auf seiner Seite; für die Konstruktion cf. Ov. Pont. 1, 2, 37 sowie allgemein KSt II § 184, 2, b). Housman (21927) ad 4, 389 vergleicht in orbe labores mit georg. 2, 401: redit agricolis labor actus in orbem sowie Manil. 2, 251; Aetna 241; Ilias Latina 869, wo orbis nicht den Erdkreis, sondern eher die Reihenfolge bezeichnet, cf. auch Asso (2010) ad loc. Dagegen könnte 391: terras in omnis und die Aussicht auf die Kriege in Alexandria und Afrika sprechen. Sofern

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Das Glück in all dem Unglück ist dem Erzähler wichtig: felix qui potuit (4, 393) ist Lucans deutlichste Anspielung auf die Georgica.388 Der Unterschied fällt sofort auf und wirkt zunächst durchaus provozierend.389 Hier ist nicht die Rede vom Glück der Welterkenntnis und vom Überwinden der Todesfurcht und gewissermaßen des Todes selbst wie in Vergils Passage (georg. 2, 490–492): felix qui potuit rerum cognoscere causas atque metus omnis et inexorabile fatum subiecit pedibus strepitumque Acherontis auari.

Glücklich, wer auf den Grund der Dinge sehen kann und alle Furcht hinter sich gelassen hat, auch das unerbittliche Fatum und das Brausen des gierigen Acheron.

Bei Lucan geht es im Gegenteil um die Allgegenwärtigkeit des Untergangs. Die Begnadigten sind dem mit Mühe und Not entgangen. Das Dasein, das sie erwartet, wird von Lucan mit unübersehbaren Anklängen an das ›Lob des Landlebens‹ dargestellt: non auro murraque bibunt (4, 380) erinnert an das abgelehnte ut gemma bibat (georg. 2, 506) der Städter; arma relinquens (4, 382) an procul discordibus armis (georg. 2, 459), non rumpunt classica somnos (4, 395) erinnert an mollesque sub arbore somni (georg. 2, 470), iam coniunx natique rudes et sordida tecta | et non deductos recipit sua terra colonos (4, 396 f.) an interea dulces pendent circum oscula nati, | casta pudicitiam seruat domus (georg. 2, 523 f.) und proelia soli | felices nullo spectant ciuilia uoto (4, 400 f.) an illum non populi fasces, non purpura regum | flexit et infidos agitans discordia fratres (georg. 2, 495 f.).390 Inmitten des unausweichlichen Elends scheint hiermit plötzlich das Bild idyllischbescheidenen Lebens auf, das wie eine Spur des Goldenen Zeitalters wirkt. Für einen kleinen Teil der Soldaten rückt es in greifbare Nähe.391 Angesichts der Tatsache, dass im Krieg wenig Hoffnung auf eine würdige Bestattung besteht und dass gerade im Krieg gegen die eigenen Familie oft ein Schicksal wie das des Polyneikes droht,392 ist es tatsächlich ein Trost, zu wissen, wo man einmal liegen wird.393 man aber eine Parallele annimmt, würde der Georgica-Vers die Gegenüberstellung der beiden Soldatengruppen noch ein weiteres Mal akzentuieren. 388 Cf. Heyne / Wagner (41830) ad. georg. 2, 490; Heitland (1887), cxv; Paratore (1943), 59 f.; Thompson / Bruère (1970), 162 f., Narducci (1979), 145–148; Asso (2010) ad loc. – Die Bedeutung dieser Anspielung wird oft unter­schätzt, der ›georgische‹ μακαρισμός felix qui ist keinesfalls, wie Narducci zu meinen scheint, weniger bedeu­tend als der σχετλιασμός heu miseri. 389 Cf. Asso (2010) ad loc.: »far less ambitious«, demgegenüber Cozzolino (1999), 270. 390 CB verweisen bei sordida tecta (4, 396) auf Verg. ecl. 2, 28, womit, wenn man dem folgen möchte, das neue Leben der Bauern in einer weiteren Hinsicht etwas Idyllisches erhält. 391 Cf. auch Syndikus (1958), 85 f: »nur selten erscheint statt der Gebärde des Abscheus das positive Bild einer friedlichen Welt, die dem Dichter sinnvoll erscheint […]. Das einfache, tüchtige Leben ist selbst schon ein Wert und gehört zum Gegenbild, wie auch Verschwendung und Ausschweifung allein schon zu Untergang und Krieg führen.« 392 Cf. 1, 685 f.; 7, 797 ff.; 8, 314 ff. 393 Cf. ASL ad loc.; CB ad loc.; Cozzolino (1999), 270: »A fronte di una vana gloria bellica (il canto di Virgilio eneadico), Lucano preferisce le ›certezze‹ del Virgilio georgico, dei suoi tranquilli agricoltori …«

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Die Gewissheit des eigenen Grabes mag zwar in solchen Zeiten vergleichbar selten sein wie das rerum cognoscere causas, das in den Georgica zwar als wünschenswert, aber schwer erreichbar dargestellt ist. Insofern kann die Bana­lität des idyllischen Sterbens als ein Sarkasmus gegenüber der Erhabenheit der Philosophie erscheinen. Dieser Gedanke ist allerdings nicht neu im Bellum Ciuile. Bei Vergil deutet sich dieselbe Provokation an, nur etwas dezenter. Der GeorgicaDichter benennt für sich einen zweiten Weg neben dem der umfassenden Welterkenntnis, die Lukrez fordert (und die in weiten Teilen darin besteht, die Vergänglichkeit der Dinge zu begreifen): sin has ne possim naturae accedere partis […] flumina amem siluasque inglorius (georg. 2, 483 ff.).394 inglorius: Die Gegenüberstellung von kontemplativer Ruhe und tiefgreifender Erkenntnis, wie sie bei Lukrez am Anfang des zweiten Buches erscheint (Lucr. 2, 1–13), wird durch die Benennung dieser Alternative zwar bekräftigt, ihre Bewertung aber wird infrage gestellt, indem das Landleben schließlich den Vorzug erhält: fortunatus et ille deos qui nouit agrestes. Der Bericht über die norische Viehseuche, die alle menschliche Arbeit zunichtemacht, bestärkt am Ende des nächsten Buches schließlich die Zweifel daran, die Todesfurcht wirklich überwinden zu können.395 Bei Lucan, scheint es, ist Vergils poetisches Zweifeln ganz wörtlich genommen und auf die unmittelbare Realität übertragen: ›Glück‹ kann es für die Soldaten nicht in der naturphilosophischen Erkenntnis geben, sondern allein im bewussten Genuss der Abgeschiedenheit des Landlebens, sozusagen: tua sine parte pericli (Lucr. 2, 5). Es muss auffallen, dass hier kein fortunatus et ille folgt. Afranius’ Soldaten kehren auf ihre Felder zurück. Für diejenigen aber, die nicht wissen, wo sie einmal ruhen können, gibt es keinen alternativen Weg zum Glück.396 Das betrifft die Männer, gleichviel ob Caesarianer oder Pompeianer, die immerfort weiterkämpfen müssen (oder, man denke an Petreius, wollen):397 heu miseri qui bella gerunt. Diese Legionäre sind dazu verdammt, im Chaos unterzu­gehen.398 Man 394 Cf. Klingner (1963), 126–128, etwas anders Thomas (1988), I, 249–254. In welchem Ausmaß Vergils Umgang mit lukrezischer Philosophie an dieser Stelle tatsächlich polemisch ist, wurde unterschiedlich diskutiert, cf. Schäfer (1996), 90 f. 395 Cf. Thomas (1988) ad 3, 552. Lucans Soldaten, die, als Caesar sie trinken lässt, keinen Wein brauchen (non erigit aegros | nobilis ignoto diffusus consule Bacchus, 4, 378 f.), ähneln den von der Pest geprüften Bauern: atqui non Massica Bacchi | munera, non illis epulae nocuere repostae: | frondibus et uictu pascuntur simplicis herbae, | pocula sunt fontes liquidi atque exercita cursu | flumina (georg. 3, 526 ff.). Für weitere Bezüge zur Pest cf. unten 165 ff. 396 Lucan scheint sich damit wieder der älteren antithetischen Form der Seligpreisung bedient zu haben, die Vergil umgeformt hatte, cf. hierzu Schäfer (1996), 89 f. mit Emp. fr. 132 D-K. 397 Für die Apostrophierung miseri für diejenigen, die nicht mehr zu Hause bei Frau und Kind sein können, cf. Lucr. 3, 894 ff. Während dort aber ausgeführt wird, dass dies kein wahres Elend sei, wenn man nicht mehr lebt, ist hier auf das elende Leben im Krieg gedeutet. 398 Cf. Salemme (1999) zum wiederkehrenden Motivik von ruina und funus und der Dimension dieser Zerstörung.

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hat darauf hingewiesen, dass im zweiten Teil des Verses 4, 393, mundi nutante ruina, die vierte Ekloge anklingt.399 Da heißt es (Verg. ecl. 4, 48–52):400 adgredere o magnos (aderit iam tempus) honores, cara deum suboles, magnum Iouis incrementum. aspice conuexo nutantem pondere mundum,50 terrasque tractusque maris caelumque profundum; aspice, uenturo laetantur ut omnia saeclo.

O, große Ehren wirst du empfangen, schon bald wird es soweit sein, du, Sohn der Götter, Abkömmling des Jupiter. Schau, wie sich das ganze Gewölbe der Welt zu dir hinneigt, die Länder, die Fläche des Meeres, der unermessliche Himmel; schau, wie alles sich freut auf die kommenden Zeiten.

Während in der Ekloge die Welt vor Freude über den kommenden Herrscher schwankt, ist es bei Lucan der baldige Zusammenbruch, der sie schwanken lässt. Das Motiv, das panegyrisch wirkungsvoll die Weltbeherrschung verheißen kann401 – und das Lucan auch selbst verwendet (1, 45 ff.) –, erscheint hier, geringfügig abgewandelt, für die unausweichliche Katastrophe, in der einzig die Gewissheit des Grabes Trost zu spenden vermag. Ist es dasselbe, wenn die Welt sich vor einem Herrscher verneigt und wenn sie zusammenstürzt? Wenn es der falsche Herrscher ist, sicher.402 Caesar hat den spanischen Pompeianern ein ruhiges Landleben ermöglicht und sie, selbst wenn er sie damit demütigen wollte, einstweilen dadurch glücklich gemacht, dass er ihnen den weiteren Kriegsdienst erlassen hat. Ob dieses Glück dauerhaft ist und wie die Kriegsheimkehrer nun ihr Landleben führen werden, ist nicht zu erfahren. Dem schwankenden Fallen der Welt, wann und wie immer es sich vollzieht, werden wohl auch sie nicht entgehen.403 Der Erzähler verschweigt hier aber, dass sich die Begnadigten später noch einmal gegen Caesar wenden werden. Ein Bericht über etwaige erneut aufflammende Opferbereitschaft für die Sache des Senats wird nicht gegeben.404 So ist das Ende (wie auch das Ende des Bellum Ciuile insgesamt) offen: Afranius, Petreius und ihre 399 Cf. Thompson / Bruère (1970), 163. 400 Über den Modus von laetari besteht keine Einigkeit in der Überlieferung; während Mynors P folgte, ist Ottavi­a no (2013) nun mit Recht zu laetantur (R) zurückgekehrt (cf. ecl. 5, 6 f.; Aen. 6, 855 f.; 8, 190). 401 Cf. insbesondere georg. 4, 221 f.; Marinčič (2001), 493 f. 402 Es ist bemerkenswert, dass die mundi ruina vom Erzähler später, cf. 10, 150, als konkrete Absicht Caesars bezeichnet wird. Die Konjektur von Gauthier Liberman für 7, 244, die Luck (2009) aufnimmt, cf. ibid. 601/605, ist insbesondere mit Blick auf 4, 393 sehr reizvoll: [sc. Caesar] discrimina postquam | aduentare ducum supremaque proelia uidit | casuram 〈et mundi〉 sensit nutare ruinam | illa quoque in ferrum rabies promptissima | languit (7, 242 ff.). 403 Cf. Ps.-Caes. bell. Afr. 64; 69; 91; 94; 95. 404 Angesichts der verschiedenen Vermutungen, wie das Epos habe ursprünglich fortgesetzt werden sollen, ist es zweifellos eine reizvolle Frage, ob Lucan womöglich auf die Begnadigung der spanischen Legionen noch einmal zurückkommen wollte; aber für die Interpretation des Textes, der uns einmal vorliegt, bringt sie nichts.

Der Sturm

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Soldaten verschwinden, vielleicht betrübt, vielleicht froh, aus der Handlung. Ob sie auf ihren Bauernhöfen wirklich ›glücklich‹ werden, bleibt im Dunkeln. Aber für Lucans Leser wird durch die intertextuelle Bestimmtheit der Passage eine reizvolle Deutung möglich: Der Moment, da der gesamte Bürgerkrieg durch den Willen des neuen Herrschers beendet wird, steht noch bevor. Die Legionäre, die sich im Jahr 49 vor Ilerda ergeben, sind die ersten, die vom Schlachtfeld zurück auf das Saatfeld gehen und sich an ihre neue Lage zu gewöhnen haben. Zwar nehmen sie am Krieg nicht mehr teil, doch sind sie nicht teilnahmslos. Sie sind zu außenstehenden Zuschauern geworden: proelia spectant ciuilia (4, 400 f.). Als solchen könnte es den wieder zu Bauern gewordenen Soldaten möglicherweise noch einmal zukommen, über das, was sie gesehen haben, zu sprechen. Die Georgica müssen noch geschrieben werden. Die Männer, von denen Lucan hier erzählt, dürften, wenn sie das Lehrgedicht lesen könnten, sicher nicht nur Dankbarkeit, Zuversicht und gefällige Verklärung einer heilen Welt darin finden.

2.4 Der Sturm Auch Seestürme gehören zum Bestand typischer epischer Strukturelemente. Dass Caesar trotz ungünstigem Wetter von Griechenland allein zurück nach Italien segeln wollte, um den säumigen Antonius zur Überfahrt zu bewegen, ist aber keine Erfindung Lucans; auch die Unerschrockenheit nicht, mit der er dies unternahm.405 Vielleicht hat Caesar tatsächlich einem Bedenken tragenden Schiffsführer so etwas zugerufen wie die Worte, die durch Plutarchs Biographie berühmt geworden sind: ἴθι γενναῖε, τόλμα καὶ δέδιθι μηδέν· Καίσαρα φέρεις καὶ τὴν Καίσαρος Τύχην συμπλέουσαν (Plut. Caes. 38, 3).406 Der Versuch, gegen alle Vorsicht die Adria zu überqueren, muss außerordentlich vermessen erscheinen, und insofern er letztlich scheitert, ist er ein aussagekräftiges Beispiel für C ­ aesars Selbstüberschätzung. So wird wohl auch Livius die Begebenheit bewertet haben.407 Bei Plutarch heißt es weiter (Caes. 38, 4): 405 Cf. Caes. civ. 3, 2–26; Val. Max. 9, 8, 2. Für eine Gegenüberstellung der verschiedenen Berichte cf. Matthews (2008), 307–314 sowie Pitcher (2008), 244 f. zu Caesars Worten auf See. Zu der Episode 5, 504–677 bzw. einzelnen Abschnitten daraus cf. Eckardt (1936), 63–65; Paratore (1943), 43 f.; Rutz (1950/1989), 141–149; Morford (1967), 20–44; Thompson / Bruère (1968), 10–16; Ahl (1976), 205–209; Barratt (1979), 164–226; Borzsák (1983); Narducci (1983); ­Gagliardi (1990); Paratore (1990); Hershkowitz (1998), 223–230; Narducci (2002), 247–258; Radicke (2004), 337–347; Helzle (1996), 83–104; Jahn (2005); Esposito (2007); Pitcher (2008); Matthews (2008), 74–254; Groß (2013), 234–244; Day (2013), 143–156; Kimmerle (2015), 255–262. 406 Hierzu cf. Rutz (1950/1989), 145, bes. No. 150/151. 407 Zur Darstellung, wie sie vermutlich bei Livius vorlag, cf. Radicke (2004), 341 mit Val. Max. 9, 8, 2 und Plut. Caes. 38, 1.

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ὡς δὲ ἦν ἄπορα, δεξάμενος πολλὴν θάλατταν ἐν τῷ στόματι καὶ κινδυνεύσας, συνεχώρησε μάλ’ ἄκων τῷ κυβερνήτῃ μεταβαλεῖν.

Die Lage war aber aussichtslos, er schluckte viel Wasser und fand sich in Gefahr. So gab er, wenn auch sehr unwillig, dem Steuermann nach, wieder umzukehren.

Es für einen besonderen Gnadenerweis des Glücks zu halten, dass Caesar nach der unfreiwilligen Entscheidung noch lebendig ans Ufer gelangen konnte, ist kaum möglich. Dafür ist der Kontrast zwischen anfänglicher Erfolgsgewissheit und erzwungener Aufgabe zu stark. Die wenig heldenhafte Wirkung des historischen Hintergrunds ist für das Verständnis von Lucans Erzählung wesentlich: Die Seestürme im ε der Odyssee sowie im ersten und fünften Aeneis-Buch, auf die hier deutlich angespielt ist, zeigen ja gerade einen Helden in einer vollkommen hoffnungslosen Situation, die nur durch göttliches Eingreifen einen guten Ausgang nimmt. Die mannigfachen poetischen Reminiszenzen innerhalb der Sturmepisode (neben den genannten vor allem die Wetterzeichen aus dem ersten Buch der Georgica, Vergils Aeneas bei Euander sowie Ovids Philemon und Baucis) sind zuletzt von Monica Matthews dargelegt und interpretiert worden, sie brauchen hier nicht im Einzelnen diskutiert zu werden.408 Wie aber schon beim Blitzgleichnis und bei der Hainepisode können hier Lucans Georgica-Anspielungen, nämlich die Beschreibung der Wetterzeichen, zur Deutung von ­Caesars Verhältnis zur Natur herangezogen werden. Die folgenden Untersuchungen betreffen Amyclas, den armen Schiffer, der die Zeichen kennt, die Bedeutung der Zeichen selbst und ihre Missachtung durch Caesar, der auf seine Fortuna vertraut.

a) Amyclas und die Armut Der junge, jedenfalls von Caesar so angeredete Schiffer (iuuenis, 5, 533) ist ein unabhängiger Mensch.409 Er ist zwar arm, dennoch scheint er mit seinem Boot und seinem schäbigen Unterschlupf alles zu besitzen, was er braucht, um sein Leben zu führen. Vielleicht führt er es in Ataraxie; das Bild eines von einem umgekippten Kahn geschützten und ruhig auf Algen gebettet schlafenden Mannes, der keine Leidenschaften zu spüren scheint, könnte das eines Philosophen sein.410 Amyclas liegt unter seinem Kahn wie Diogenes in seinem Fass und steht 408 Cf. Matthews (2008) passim, bes. 13–25; dazu auch Thompson / Bruère (1968), 10–16; Linn (1971), 60–132; Hübner (1987); Jahn (2005), 58 auch zu Sen. Agam. 466–515. 409 Der Schiffer Amyclas ist höchstwahrscheinlich eine Erfindung Lucans, zur Bedeutung der (tatsächlichen?) Ju­gend cf. Matthews (2008) ad 5, 533. Der Name Amyclas hat Anlass zu verschiedenen Vermutungen gegeben, plau­sibel ist der Anklang an spartanische Einfachheit, cf. ibid. 89. 410 Cf. Matthews (2008) ad 5, 526 zu securitas / ἀταραξία. Zum Lob der Armut in der Philosophie cf. Cic. Tusc. 5, 89 ff.; Sen. epist. 17; die Idee geht bis auf Sokrates und letztlich, wenigstens in anekdotischer Form (Aristot. pol. 1259a9 f. = D / K 11 A 10), sogar Thales zurück.

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damit in deutlichem Gegensatz zu dem scheinbar aufklärerischen und, was angesichts des Sturms bedeutender ist, allzu furchtlosen Philosophenhabitus Caesars.411 Amyclas ist Caesar überlegen, auch wenn dieser das nicht bemerkt oder nicht bemerken will. Er gebietet zwar nur über ein Boot, aber das macht ihn zum ›Herrn‹ und Caesar zum Bittsteller:412 rectorem dominumque ratis secura tenebat | haud procul inde domus (5, 515 f.).413 Amyclas’ Frage, welchen Schiffbrüchigen Fortuna zwinge,414 an seiner Tür um Hilfe zu bitten, unterstreicht dies. Die dahinterliegende Vermutung ist zwar objektiv falsch. Dass ihm Caesar aber nicht als Günstling des Glücks, sondern als ein Verdammter erscheint, ist allerdings bezeichnend, gerade mit Blick auf das Motiv Καίσαρος Τύχη. Wenn Caesar schließlich aus der gesamten Angelegenheit als felix naufragus (699) mit sehr fragwürdiger und kaum ruhmvoller felicitas hervorgeht, erscheint die Frage im Nachhinein prophetisch.415 Amyclas ist glücklich: o uitae tuta facultas | pauperis angustique lares! o munera nondum | intellecta deum (527 ff.) sagt der Erzähler über ihn. Ein Scholiast fühlt sich hier an das Lob des Landlebens erinnert und zitiert georg. 2, 458: o fortunatos nimium;416 man hat den Schiffer daher als »Vertreter des ›Idylls‹« bezeichnet.417 Von Martha Malamud wurde überdies darauf hingewiesen, dass der umgestürzte Kahn des Schiffers an die Behausungen afrikanischer Nomaden, mapalia, erinnert, über die Sallust berichtet: adhuc aedificia Numidarum agrestium, quae mapalia illi uocant, oblonga, incuruis lateribus, tecta quasi nauium carinae sunt (Sall. Iug. 18). Vergil hat ein ähnliches Bild; bei ihm führen die libyschen Hirten in ihren mapalia ein einfaches, ursprüngliches Leben (georg. 3, 339–348).418 411 Cf. oben 80 ff. – Zum Gegensatz zwischen Caesar und Amyclas cf. Syndikus (1958), 86; Borzsák (1983); Narducci (1983). 412 Der Plebejermantel macht dieses Verhältnis unmittelbar deutlich. Caesar hätte sich als einfacher Offizier fortbe­wegen können, seine Verkleidung rückt ihn für die Leser in die Nähe von unterwürfigen Bittstellern wie Deiotarus cf. 8, 238 ff.; hierzu auch Ps.-Caes. bell. Alex. 67 f.; Tracy (2016). 413 Cf. Matthews (2008) ad loc. mit 5, 698 f. 414 Als Göttin bei Haskins (1887) und Shackleton Bailey (1988); anders bei Housman (21927), cf. dazu Matthews (2008) ad loc.: »here, the abstract divinity«, ohne Begründung, aber mit Verweis auf 5, 510. 415 Entlarvend prophetisch wirkt die Frage, wenn man überdies an die Staatsschiff-Metapher denkt: Caesar ist in Wahrheit nichts als ein Schiffbrüchiger, cf. Matthews (2008) ad 5, 521. 416 Cf. ASL ad loc.; dazu auch Linn (1971), 81; Paratore (1943), 43 zum »intimo spirito delle Georgiche«. 417 Cf. Rutz (1950/1989), 146, bes. No. 153 zu Sen. Thy. 369–403. Auch Theokr. eid. 21 ist hier zu beachten. 418 Cf. Malamud (2009), 295–298. Die Überlegung, dass Amyclas seinen Namen von dem Amyclaeus canis (georg. 3, 345) der Hirten habe, scheint mir allerdings etwas zu weit zu gehen. Lucan erwähnt die mapalia auch (2, 89; 4, 684; 9, 945). Sofern Amyclas’ Behausung hiermit in Verbindung stehen sollte, ist es interessant zu bemerken, wie die Soldaten Catos am Ende ihres Wüstenmarsches völlig demoralisiert und entkräftet zu den mapalia der Stadt Leptis gelangen.

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Zwar scheint Amyclas in der Tat ruhig, sicher und fern vom Krieg zu leben, und er weiß, dass ihm der Krieg nichts anhaben kann: securus belli: praedam ciuilibus armis | scit non esse casas (526 f.).419 Auch das kleine Feuer, das er schürt (524 f.), steht für das ländlich-einfache Dasein.420 Allerdings ist der Schiffer literarisch viel zu wenig ausgestaltet, um eine Person eigenen Rechts zu sein. Es scheint nicht darum zu gehen, ob Amyclas ein Vorbild für die rechte Lebensführung sein könnte; problematisch ist immerhin, dass er sich Caesar nicht zu entziehen vermag. Aber auch das Scheitern des zurückgezogenen Lebens symbolisiert er nicht, denn anscheinend kehrt er, nachdem geschehen ist, was er vorausgesagt hatte, an seinen Platz in der Welt zurück. Es kommt vielmehr darauf an, Caesars Umgang mit Amyclas zu betrachten. Hier zeigt sich vor allem, was Caesar nicht ist, was er weder verstehen noch benutzen kann. Caesar stellt dem Schiffer, um ihn zur Überfahrt zu bewegen, reichen Besitz in Aussicht (5, 532–539): […] ›expecta uotis maiora modestis532 spesque tuas laxa, iuuenis: si iussa secutus me uehis Hesperiam, non ultra cuncta carinae debebis manibusque 〈tuis saeuamque quereris535 pauperiem deflens〉 inopem duxisse senectam. ne cessa praebere deo tua fata uolenti536 angustos opibus subitis inplere penates.‹ sic fatur, quamquam plebeio tectus amictu, indocilis priuata loqui.

›Du kannst mehr erwarten, als was du bescheiden erbitten würdest. Lass deiner Hoffnung freien Lauf, Junge: Folgst du meinem Befehl und fährst mich nach Hesperien, wirst du nicht weiter auf deinen Kiel und deine Hände angewiesen sein 〈und, jammernd über unbequeme Armut darüber klagen〉, ein entbehrungsreiches Alter zu durchleben. Zögere nicht, dein Schicksal einem Gott anzuvertrauen, der dein enges Haus mit unvermuteten Reichtümern füllen will.‹ So sprach er, unfähig, obschon im Plebejermantel, vertraulich zu reden.

Caesar vertraut auf die Habgier des Schiffers. Die Wendung senecta inops, womit er ein Schreckensbild der drohenden Zukunft malen will, erinnert die Leser an die Beschreibung der Getreideschädlinge aus dem ersten Georgica-Buch: tum uariae inludunt421 pestes: […] populatque ingentem farris aceruum | curculio atque inopi metuens formica senectae (georg. 1, 181; 185 f.).422 Raffgierig ist Amyclas aber nicht; weder freut er sich über den in Aussicht gestellten Lohn, 419 Zur Verbindung von securitas und paupertas cf. Matthews (2008) ad loc. sowie ad 528 zu dem Adjektiv angustus, wobei man an die Lebensweise der Bienen denken kann. 420 Zu ignem pascere cf. Barratt (1979) ad loc., bes. mit georg. 2, 432; auch Baucis schürt das Feuer, als die Gäste kommen, cf. Ov. met. 8, 641 ff. 421 Zu inludunt (M²P²c, Serv.) gegenüber inludant (M1P1Rω) cf. Thomas (1988) ad loc.; Conte (2013b), 22. 422 Hier ist die Wendung zum ersten Mal greifbar (Ovid hat sie später auch, cf. am. 1, 8, 113; met. 7, 2). Die Ameise gilt im Gegensatz dazu sonst zumeist für fleißig und bescheiden, cf. Thomas (1988) ad loc. Zur Praxis missbräuch­licher Interpretation dieses Symbols cf. Hor. sat.

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noch ist er sonst von einem Gefühl bewegt.423 Dass er Caesar schließlich gehorcht, muss andere Gründe haben. Es ist darauf hingewiesen worden, dass das Gespräch vor dem Hintergrund kaiserzeitlicher Herrschaftsausübung gesehen werden kann.424 Durch diesen Anachronismus wirkt Caesars Auftreten erst recht befremdlich: Er, der nicht als Privatmann sprechen kann,425 steht da wie ein römischer princeps, der seiner postumen Vergöttlichung und der Furcht, die er zu verbreiten vermag, sicher sein darf. Er will, während er wie ein Bettler aussieht, Amyclas mit unermesslichen Reichtümern beeindrucken; und ahnt nicht, dass dies nicht angehen kann. Er selbst freilich würde sich hiervon beeindrucken lassen. Bevor er mit Acoreus philosophische Konversation über die Nilquellen betreibt, bestaunt und begehrt er den Reichtum Alexandriens (10, 107–171).426 In Wahrheit besitzt Caesar nichts, womit er Amyclas belohnen könnte. Dieser Effekt wird durch die verschiedenen Anspielungen in der Passage noch potenziert: Caesar erscheint den Lesern wie Alexander vor Diogenes, wie Aeneas vor Euander, wie Jupiter vor Philemon und Baucis427 – und keiner dieser Rollen könnte er gerecht werden.

b) Die Wetterzeichen Anstatt auf Caesars Versprechungen zu reagieren, sagt Amyclas: multa quidem prohibent nocturno credere ponto (540), und erklärt dann anhand der Zeichen, die er unter anderem an Sonne und Mond und am Verhalten der Tiere abliest, warum es nicht ratsam sei zu fahren. Dass diese Zeichen auf das erste GeorgicaBuch, vor allem auf das Ende, aber auch auf andere Stellen hindeuten, haben bereits die Scholiasten notiert.428 Indem Amyclas den Himmel beobachten und 1, 1, 33 ff. Innerhalb des überlieferten Verses 535 muss eine Lücke sein, cf. Housman (21927) ad loc. Eine Konjektur von sechs Versfüßen kann hier nur exemplarisch wirken. Es ist al­lerdings nützlich, darauf hinzuweisen, dass ein Verbum sentiendi ausgefallen zu sein scheint, wodurch der Aus­druck der Georgica-Stelle noch näher käme. 423 Anders Helzle (1996), 83, der mit Verweis auf die Belohnung erklärt, Amyclas handele nicht aus Selbstlosigkeit und werde so zum Handlanger von Caesars Arroganz. 424 Cf. Radicke (2004), 342 zu Caesarea manu (531); Matthews (2008), 109 f. zu praebere deo (537); ähnlich Groß (2013), 237. 425 Zur Tyrannentopik in diesem Ausdruck cf. Narducci (1983), 188 mit Liv. 2,3 und Aristot. pol. 1277a25. Zur Be­ziehung der Stelle zu Hor. carm. 1, 1, 18: [sc. mercator] indocilis pauperiem pati cf. die über­zeugenden Bemer­kungen bei Borzsák (1983), 27; daneben auch Groß (2013), 238–244. Allerdings kann ich der Argu­mentation nicht folgen, dass Caesar durch seine mercator-Ähnlichkeit nicht negativ, sondern vor allem als furcht­lo­­ser und (mit Blick auf das Transgressorische der Schifffahrtstopik) beeindruckender, über Genügsamkeits­diskurse erhabener Normbrecher dargestellt werde. 426 Der Erzähler steigert hier das negative Bild, das am Ende des zweiten Georgica-Buches vom Stadtleben geboten wird; cf. 10, 119 ff. ~ georg. 2, 463 ff., dazu auch Sen. epist. 90, 9.  427 Hierzu cf. Narducci (1983), 188 sowie Matthews (2008), 87–89. 428 Cf. ASL und CB ad 5, 542; 544; 549; 551; 553; 556.

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daraus entsprechende Schlüsse ziehen kann, verfügt er über eine Bildung, wie sie in den Georgica vermittelt werden soll. Woher Amyclas seine Kenntnisse hat, ist zwar nicht genau zu erfahren (und für die Handlung auch nicht unmittelbar wichtig). Aber gemäß metapoetischem Realismus ist es bedeutend, dass die Details seiner Ausführungen gerade dem entsprechen, was in Arats Diosemiai gelehrt wird,429 einem Text, der nicht nur ein grundlegender Referenztext für die Georgica ist, sondern der auch in der Übersetzung Ciceros in Rom verbreitet war und also auch Caesar selbst bekannt gewesen sein könnte.430 Amyclas scheint jedenfalls sowohl Arats Vorschriften gut zu kennen431 als auch einmal mit dem Hexameterschluss litora cornix (556) direkt auf ihre Übersetzung durch Cicero anzuspielen.432 Amyclas stellt zunächst fest, dass die Sonne sich mit ausgehöhlter Scheibe vom Himmel zurückgezogen habe, dass ihre Strahlen nicht zusammenhingen und dass sie nur schwach geleuchtet habe (541 ff.). Er nennt die Sonne zuerst; in seinem Referat ist damit die im Lehrgedicht übliche Reihenfolge, zuerst die Zeichen des Mondes zu behandeln, auffällig umgekehrt. Für eine praktische Anwendung des astronomischen Wissens, wie sie Amyclas zu betreiben scheint, ist es allerdings gerade naheliegend, den von Arat und Vergil formulierten Grundsatz zu befolgen, dass die Sonne die sichersten Zeichen gibt (georg. 1, 438 f.; Arat. 820).433 Amyclas kennt sein Metier genau, er verkörpert gewissermaßen die naturwissenschaftliche Autorität des Lehrgedichts, nämlich nützlich zu sein: εὖ δὲ καὶ ἄλλον | παρειπὼν ὤνησεν, ὅτ᾽ ἐγγύθεν ὤρορε χειμών (Arat. 763 f.). Caesar fällt dies aber entweder nicht auf, oder es ist für ihn nicht von Belang.434

429 Cf. Esposito (2007), 95–107; Matthews (2008) ad locc. Zur Gestalt des Mondes: Arat. 783 ff. (die berühmte λεπτή-Stelle), zur roten Farbe: 803, zur Farbe der Sonne: 858, zum schwachen Licht: 862, zur Landschaft: 910 ff., zum Verhalten der Vögel: 919 ff., zur Krähe: 949 ff. Es fällt schwer, angesichts dieser Anspielungen bei Lucan das Te­lestichon VSVS (5, 546 ff.) zu ignorieren. 430 Zur Popularität Arats in Rom cf. Volk (2015). Auch Vergils Menalcas hat Arat gelesen, cf. ecl. 3, 40 ff. 431 Cf. Esposito (2007), 95 mit Lucan. 5, 541 ~ Arat. 858–861; 829–831. 432 Cf. Cic. progn. fr. 4, 8/9 = div. 1, 8, 14, 8/9. Hier handelt es sich tatsächlich um innere ›Intertextualität‹. Allerdings scheint Amyclas die Übersetzung sogar noch zu verbessern; caput spargens undis uelut occupet imbrem | instabili gressu metitur litora cornix (Lucan. 5, 555 f.) kommt ἤ που καὶ λακέρυζα παρ᾽ ἠϊόνι προὐχούσῃ | κύματος ἐρχομένου χέρσῳ ὑπέτυψε κορώνη (Arat. 949 f.) ­etwas näher als Ciceros cursans per litora cornix  | demersit caput et fluctum ceruice recepit. Auffällig ist auch die Abweichung von Verg. georg. 1, 388 f., auch dort macht die Krähe keine un­sicheren Schritte, vielmehr schreitet sie (spatiatur); wahrscheinlich, weil Vergil ein anderer Arattext (χείματος statt κύματος) vorgelegen hat, cf. Erren (2003) ad 1, 388. Lucan hat mit metitur aber interessanterweise ebenfalls ein Deponens. 433 Hierzu cf. Erren (2003) ad loc. 434 Dass Caesar Amyclas für ahnungslos hält und deswegen besonders belehrend auftritt, cf. Tasler (1972), 84–86, steht hierzu in bezeichnendem Gegensatz.

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Für die Leser muss der pathetische Schluss von Vergils Wetterzeichenkatalog nicht noch eigens aufgerufen werden, um hier ebenfalls wirksam zu sein:435 Auch wenn Caesar letztlich noch einmal davonkommt, werden die Leser doch daran erinnert, dass auch sein Ende bevorsteht.436 Gleichzeitig kann die Geringachtung der Wetterzeichen in einem größeren Kontext gesehen werden (georg. 1, 463–468): […] solem quis dicere falsum audeat? ille etiam caecos instare tumultus saepe monet fraudemque et operta tumescere bella; ille etiam exstincto miseratus Caesare Romam,466 cum caput obscura nitidum ferrugine texit impiaque aeternam timuerunt saecula noctem.

Wer würde zu behaupten wagen, die Sonne lüge? Sie mahnt auch stets, wenn blinder Aufruhr droht, warnt vor Betrug und vor Kriegen, die im Verborgenen heraufziehen. Auch hat sie, nachdem Caesar ausgelöscht worden war, Roms sich erbarmt, indem sie ihr Haupt mit trübem Dunkel verdeckte, und diese ruchlose Zeit befürchtete dann eine immerwährende Nacht.

Dass Amyclas seinen Bericht unvermittelt mit den Worten beschließt: sed si magnarum poscunt discrimina rerum, | haud dubitem praebere manus: uel litora tangam | iussa, uel hoc potius pelagus flatusque negabunt (557 ff.), wirkt zunächst überraschend. Monica Matthews gibt folgende Erklärung: Amyclas’ willingness to obey Caesar despite the bad-weather signs shows his humility. His words indicate that his obedience will be motivated not by Caesar’s earlier rash promises of wealth (536–7) but by the necessity of circumstance […], an indication of how untouched he is by material concerns […]. magnarum … rerum is appropriately vague, reflecting Amyclas’ naïveté and his ignorance of the civil war (Caesar’s concerns are not his).

Amyclas verkörpert den Gegensatz zu Caesar. Aber indem so vieles über ihn im Unklaren bleibt, wirkt er beinahe mysteriös. Ihn für naiv zu halten, wird ihm kaum gerecht; für echte Unbedarftheit gibt es keine Anzeichen. Amyclas befasst sich mit dem Bürgerkrieg nicht, weil er weiß, dass dieser ihm wegen seiner Armut nichts anhaben kann (526). Vor dem Hintergrund des vergilischen Wetterzeichenkataloges lässt sich vermuten, dass der Schiffer vom Himmel auch die Unausweichlichkeit des Krieges abliest und in diesen kosmischen Prozess nicht eingreifen will. Was Amyclas bewegt, bleibt den Lesern völlig unzugänglich, er zeigt keine Angst vor Caesar oder vor dem Wetter.437 Seine Zweifel, ob er Caesar bis an sein Ziel bringen kann, bestehen fort, ein bestimmtes Interesse 435 Cf. auch Ov. met. 15, 785 f. und den Anklang dieser Stelle in Lucan. 5, 549 f. 436 Malamud (2009), 294. 437 Gagliardi (1990), 172 deutet die Rede des Amyclas als Äußerung der Furcht. Ebenso kann man sie aber auch als begründete Besorgnis verstehen.

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ist nicht auszumachen; und ob es sich wirklich um Gehorsam handelt, wenn er tut, was Caesar will, ist sehr fraglich. haud dubitem praebere manus – ist es Zufall, dass hier Caesars überhebliche Rede anklingt: non debebis manibus […] ne cessa praebere fata deo (535 ff.), oder ist es die ironische Distanz von jemandem, der mehr weiß? Ähnliches gilt für die magnarum discrimina rerum, von denen Amyclas spricht, obwohl Caesar ihm seine Absichten nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat. Indem die Leser Aeneas’ Fahrten per tot discrimina rerum (Aen. 1, 204) mit Caesars ungeduldiger und unvernünftiger Bootsfahrt parallelisiert finden, ergibt sich eine ironische Spannung.438 Das einzige, was Amyclas auf dem Boot zu Caesar sagt, ist, dass man nicht nach Italien kommen werde (568 ff.), also nicht erreichen werde, was Caesar versprochen hat: Italiam si caelo auctore recusas, | me pete (579 f.). Er rät Caesar umzukehren; offensichtlich überlässt er ihm aber die Wahl. Danach tritt er nicht mehr wesentlich in Erscheinung.

c) Fortuna Indem Caesar auf die begründeten Warnungen nicht hört, zeigt sich ein weiteres Mal seine impietas,439 das heißt seine Gleichgültigkeit gegenüber göttlich inspirierter Autorität sowie seine Zuversicht, nach Belieben natürliche Hindernisse überwinden zu können. Indem ihm hier wiederum Wasser im Weg ist, wird an die Überquerung des Rubicon (1, 183 ff.) und die Überschwemmungen in Spanien (4, 48 ff.) erinnert; beide Male musste Caesar nicht zurückweichen. Die Rede, die er nun mitten im Seesturm hält, bezieht sich offensichtlich auf die überlieferte Erfolgsgewissheit der Art Καίσαρα φέρεις. Was die historiographische Tradition als einen charismatisch kurzen Ausdruck kennt, dauert bei Lucan jedoch sechzehn auffällig schwülstige Hexameter (5, 578–593):440 ›sperne minas‹ inquit ›pelagi uentoque furenti trade sinum. Italiam si caelo auctore recusas me pete. sola tibi causa est haec iusta timoris,580 uectorem non nosse tuum, quem numina numquam destituunt, de quo male tunc Fortuna meretur cum post uota uenit. medias perrumpe procellas tutela secure mea. caeli iste fretique, non puppis nostrae labor est: hanc Caesare pressam a fluctu defendet onus. nec longa furori586 uentorum saeuo dabitur mora: proderit undis ista ratis. ne flecte manum, fuge proxima uelis litora; tum Calabro portu te crede potitum

›Gib nichts‹, sprach er, ›auf die Drohungen des Meeres. Überlass nur dein Segel dem wütenden Sturm. Wenn du meinst, du habest nicht den Segen des Himmels, um nach Italien zu fahren, so fahre mit meinem. Allein dies rechtfertigt deine Furcht: dass du deinen Passagier nicht kennst. Nie verlässt ihn die Gunst der Götter, und Fortuna behandelt ihn schlecht, wenn sie erst nach seinem Gebet eintrifft: Nur mitten hinein ins Gebraus, unter meinem Schutz bist du

438 Cf. Borzsák (1983), 27. 439 Cf. Thompson / Bruère (1968), 14; Matthews (2008), 142–144 mit Blick auf das Gespräch zwischen Aeneas und Palinurus (Verg. Aen. 5, 13 ff.). 440 Für eine stilistische Analyse und eine überzeugende Argumentation für eine ironische Gestaltung cf. Helzle (1996), 96–104.

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cum iam non poterit puppi nostraeque saluti590 altera terra dari. quid tanta strage paretur ignoras: quaerit pelagi caelique tumultu quod praestet Fortuna mihi.‹

sicher. Himmel und Flut haben sich anzustrengen, nicht unser Boot; dies wird von Caesar beschwert, und diese Last wird es vor der Flut verteidigen. Keine Zeit wird dem Wüten der Stürme gelassen, das Boot wird den Fluten helfen. Halte deine Hand zurück, fliehe mit deinen Segeln die nahen Ufer und dann vertraue darauf, du habest den kalabrischen Hafen erreicht, wenn unserm Boot und unserm Heil kein anderes Land mehr gegeben werden kann. Du weißt nicht, was in solch großem Verderben bereitet wird: Im Aufruhr von Meer und Himmel fragt Fortuna, was sie mir gewähren kann.‹

Die Formel non plura locut[us] im Anschluss hieran klingt geradezu komisch.441 Der Erzähler berichtet im Folgenden, wie der Sturm immer weiter zunimmt und wie Caesar schließlich unvermutet gerettet wird (672 ff.). Sein arrogantes Vertrauen auf Fortuna scheint tatsächlich gerechtfertigt.442 Er ist also doch kein gewöhnlicher Mensch, selbst die Natur muss sich ihm geschlagen geben, die Götter begünstigen ihn.443 – Diese Interpretation ist möglich; Lucans Caesar selbst würde sie wahrscheinlich favorisieren, und seine Anhänger würden sich anschließen.444 Es wird erzählt, wie ihn seine Soldaten hernach für sein Wagnis tadeln;

441 Zwar benutzt der Erzähler die Formel auch anderswo im ganz konventionellen Sinne (cf. z. B. 2, 490; 8, 453), aber anscheinend nur einmal für Caesar; 7, 746 ist nicht eindeutig überliefert (sic milite iusso ΩC: nec plura lo­cutus Z2UV) und von Housman athetiert. Sofern die Leser bei 5, 593 auch an Caesars vielgerühmte breuitas denken können, ergibt sich eine besondere Wirkung. Zu der Formel in der epischen Tradition cf. Dingel (2005), 47 mit Verg. Aen. 7, 599; 11, 461. 442 Cf. Hershkowitz (1998), 218–230; bes. 226; Walde (2007), 76. 443 Wie auch bei der Hain-Episode (cf. oben 90 No. 214) lässt sich hier an Senecas 41. Brief denken, cf. Matthews (2008) ad 5, 577–93: Insofern Caesar sich unerschrocken zeigt, versucht er wiederum, einen philosophischen Ha­bitus anzunehmen (in epist. 4, 41, 4 heißt es: si hominem uideris interritum periculis, intactum cupiditatibus, inter aduersa felicem, in mediis tempestatibus placidum, ex superiore loco homines uidentem, ex aequo deos, non sub­ ibit te ueneratio eius?). Wiederum zeigt sich aber mit Blick auf diesen Brief, dass sein Habitus nicht überzeugend ist, sondern oberflächlich; Caesar sieht die Götter eben nicht ex aequo loco, auch wenn er das vielleicht glaubt. Er wäre sonst kaum so gierig nach Erfolg. Problematisch ist zudem sein Verständnis von Fortuna. Er vertraut sich ihr an, während Seneca gerade das für falsch hält: sacer intra nos spiritus sedet, malorum bonorumque nostrorum obseruator et custos: hic prout a nobis tractatus est, ita nos ipse tractat. bonus uero uir sine deo nemo est: an potest aliquis supra fortunam nisi ab illo adiutus exsurgere? (41, 2). 444 Ahl (1976), 208 hat es prägnant formuliert: »there is nothing Caesar cannot somehow construe to his own ad­vantage.«

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dabei erkennen sie jedoch eine besondere Gnade der Götter an: ›hine usus placuere deum, non rector ut orbis | nec dominus rerum, sed felix naufragus esses?‹ (698 f.). Die Leser müssen diese Sicht allerdings nicht teilen.445 Im Gegensatz zu Caesars Gefolge wissen sie, was auf dem Boot geschah; auch können sie berechtigte Zweifel daran haben, wie Fortuna wirkt. Die in Rom populäre Idee einer Fortuna Caesaris dürfte durchaus nicht für jeden überzeugend gewesen sein.446 Vom Feldherrenglück wird spätestens seit der Zeit des Sulla Felix immer wieder gesprochen. Auch Pompeius, ›der Große‹, hat es für sich instrumentalisiert. Das propagandistische Potential dieser Vorstellung ist dabei ebenso offensichtlich wie seine philosophische Fragwürdigkeit:447 Nicht alles, was so genannt wird, muss tatsächlich die Wirkung eines absichtsvollen und wohlmeinenden Schicksals sein. Insbesondere gibt es keine Gewähr, dass die Menschen gewisse außergewöhnliche Ereignisse und ihre Ursachen richtig verstehen,448 wie sich unmittelbar daran zeigt, was jeweils zu verschiedenen Zeiten als Gnadenerweis des Schicksals anerkannt wird. Mit Blick auf das Bellum Ciuile ist überdies zu beachten, dass einerseits Lucans fortuna und fatum, sogar superi etc. im Ganzen nicht immer sinnvoll zu unterscheiden sind und dass es andererseits für den Erzähler auffällig unklar bleibt, ob die Geschichte vorherbestimmt ist oder zufällig und planlos verläuft.449 Eine in dieser Hinsicht umfassende und orthodoxe Weltdeutung wird im Epos nicht unternommen;450 und Zweifel müssen daran bestehen, ob jedes Geschehen schon allein deswegen, weil es von den Göttern oder dem Schicksal ›verhängt‹ scheint, als gerecht empfunden und sogar affirmativ betrachtet werden soll.451 Das Problem einer solchen teleologischen Geschichtsbetrachtung ist in Lucans Proöm programmatisch offen gelegt und muss also im Zusammenhang damit betrachtet werden.452 Es genügt daher, hier nur exemplarisch einige Stellen aus den Büchern drei, vier und fünf in Erinnerung zu rufen, um die Schwierigkeit der lucanischen Fortuna zu umreißen. Die Belege illus 445 Cf. Rudich (1997), 143. 446 Cf. hierzu schon Fowler (1903). Zur lucanischen Fortuna mit Blick auf Varros theologia tripartita und der potentiell starken Vermischung der einer literarischen Darstellung zugrunde liegenden theologischen Konzepte cf. Walde (2012). 447 Cf. Matthews (2008), 81–83. 448 Curio vertraut vergeblich auf Fortuna; 4, 661 ff., dazu oben 21 f. 449 Cf. Friedrich (1938/1970); Schotes (1969), 155 f.; aus methodischen Gründen demgegenüber zurückhaltend Walde (2012). Der Forschungsüberblick bei Barratt (1979) ad 5, 291–292 ist immer noch nützlich; für eine etwas jüngere Darstellung zum Problem fehlender philosophischer Orthodoxie bei Lucans Fatum cf. Sklenář (2003), 1–12. 450 Cf. 2, 7–15; 5, 65–236; Feeney (21993), 277–279; Walde (2012), 61: der Dichter ist eine kohärente Weltdeutung auch nicht a priori schuldig. Er kann es auch nicht sein: Zur theologischen Inkonsistenz im Hinblick auf die  – nicht musisch inspirierte  – Erzählerinstanz cf. Erler (2012). Zur übergreifenden Bedeutung eines inkonsistenten Er­zäh­lers cf. Kimmerle (2015). 451 Cf. Fantham (2003/2011). 452 Cf. unten 279 ff.

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trieren gleichermaßen die Unmöglichkeit, das Schicksal wirklich zu begreifen, wie Caesars anmaßendes, eigensinniges und suggestives Reden über Fortuna.453 (1) seruat multos Fortuna nocentis | et tantum miseris irasci numina possunt (3, 448 f.).454 Caesar konnte den heiligen Hain ungestraft beseitigen. Folgt aber aus der Immoralität des Zufalls oder Schicksals die Legitimität des Verbrechens, die Liebe der Götter?455 Angesichts der Erysichthon-Motivik der Episode besteht Anlass zur Annahme, dass der stets wiederkehrende Hunger der Caesarianer sehr wohl als eine Art altepische Strafe verstanden werden könnte. Auch war der Ausgang der militärischen Operation für Caesar weit weniger günstig als zunächst erwartet, das geschlagene Holz war am Ende schlicht nutzlos. (2) sed paruo Fortuna uiri contenta pauore | plena redit, solitoque magis fauere secundi  | et ueniam meruere dei (4, 121 ff.). In Spanien führen die Regenfälle dazu, dass einstweilen keine Kampfhandlungen unternommen werden, beinahe kann man auf das Ende des Krieges hoffen, doch Fortuna begnügt sich, Caesar erschreckt zu haben.456 Aber warum will sie ihn erschrecken, und was wird dadurch bewirkt? Ist es angemessen, dass Caesar den Göttern verzeiht (man möchte hinzufügen: wie er es mit seinen Feinden tut)? (3) regna ad ultores iterum redeuntia Brutos  | ut peragat Fortuna taces? (5, 207 f.) Der Erzähler, der hier offensichtlich auf einer anderen Zeitebene steht, fragt, warum der Gott in Delphi nicht den weiteren Verlauf des Bürgerkriegs verkündet; der Verweis auf Brutus führt hierbei die Idee einer immer schützenden Fortuna Caesaris durchaus ad absurdum. (4) ›quidquid gerimus Fortuna uocatur.  | nos fatum sciat esse suum. licet omne deorum | obsequium speres, irato milite, Caesar, | pax erit‹ (5, 292 ff.). Die meuternden Soldaten beklagen sich, dass Caesar ihre Leistung als seine Fortuna ausgibt; mit ihrem Anspruch, durch ihr Handeln für ihn schicksalhaft zu sein, bringen sie ihren Befehlshaber für einen Moment in Bedrängnis. Caesar antwortet: ›uadite meque meis ad bella relinquite fatis.  | inuenient haec arma manus, uobisque repulsis | tot reddet Fortuna uiros quot tela uacabunt‹ (5, 325 ff.). Tatsächlich schickt Caesar die Soldaten aber nicht einfach fort, er beendet die Meuterei durch Härte und Grausamkeit (›disce mori‹, 364). Mit dieser Reaktion bestätigt Caesar die Auffassung der Soldaten mehr, als dass er sie widerlegt: 453 Zu weiteren Stellen cf. Rutz (1950/1989), 149–152. Rutz weist auf den Fortuna-Glauben des lucanischen Caesar hin, erwägt aber in seiner Zusammenfassung keinen qualitativen Unterschied zwischen den Äußerungen Caesars und des Erzählers. 454 Als Göttin z. B. bei Haskins (1887); Fantham (2003/2011); Luck (2009); als fortuna bei Housman (21927) und Shackleton Bailey (1988). 455 Cf. auch 1, 265 f.: iustos Fortuna laborat | esse ducis motus et causas inuenit armis; das Wort laborare ist ein­deutig wertend gebraucht. 456 Für einen ähnlichen Gedanken cf. 4, 402 f. Haskins (1887) liest hier Fortuna; spätere Herausgeber haben for­tuna. Asso (2010) scheint unentschieden und hat sowohl bei 121 als auch bei 402 im Kommentar jeweils eine andere Schreibung als in seinem Text.

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Fortuna erscheint hier als bloßer Propagandabegriff, der kaum eine eigentliche Bedeutung besitzt. Was Fortuna bewirkt und was nicht, darf anscheinend derjenige entscheiden, der das letzte Wort hat. Die Art, wie Caesar das Wirken der Schicksalsgöttin für sich in Anspruch nimmt, erscheint willkürlich und vor allem rhetorisch motiviert.457 (5) cunctisque relictis | sola placet Fortuna comes (5, 509 f.). Caesar verlässt das nächtliche Lager allein. Folgt er Fortuna, wie er am Rubicon pathetisch erklärt hat (1, 226). Oder verlangt er, dass sie ihm folgen soll? Ist Fortuna wirklich gnädig, ermutigt sie ihn, oder hofft er nur auf sie? Ist sie dieselbe Fortuna, über die er Amyclas gegenüber behauptet, sie behandle ihn schlecht, wenn sie sich bitten lassen müsse (582 f.)?458 Caesars Rede auf dem Boot muss vor dem schillernden Hintergrund dieser verschiedenen Stellen gesehen werden: Es ist durchaus nicht nur das schwer verständ­liche Walten der in Rom populären Göttin Fortuna, von dem im Epos berichtet wird, sondern oft auch die Meinung und das instrumentalisierte Reden über sie. Caesar behauptet hier zwar gegenüber Amyclas: quaerit […] Fortuna, quod praestet mihi (592 f.), aber ob das Schicksal wirklich auf seiner Seite steht, muss ungewiss bleiben. Caesars zweifellos mutige und nicht gewöhnliche Tat erscheint bei Lucan letztlich weniger als die eines großen Mannes denn als die eines Großsprechers.459 Der Sturmbeschreibung (597 ff.) kommt hierfür besonderes Gewicht zu. Da diese Passage in der Forschung allerdings unterschiedlich interpretiert wird, ist es notwendig, sie etwas eingehender zu betrachten. Sowie Caesar mit seinen Worten zu Ende ist, bricht der Sturm los: inde ruunt toto concita pericula mundo (597). Das Gleichnis 5, 620 ff. beschreibt, wie die Lage immer gefährlicher wird, indem es die Sintflutmotivik aufgreift, die bereits im vierten Buch zur Beschreibung des Hochwassers diente (und wo Fortuna sich, wie gesagt, durchaus unverständlich verhielt460). Bemerkenswert ist das plötzliche, allerdings nicht weiter erläuterte Eingreifen Jupiters: tum quoque tanta maris moles creuisset in astra, | ni superum rector pressisset nubibus undas (625 f.). Auch jetzt hätte es sein können wie damals, aber dazu kommt es nicht. Ob Jupiter zum Schutz des 457 Für eine überzeugende Interpretation der Rede der Meuternden cf. Schmitt (1995), 107– 129. Zum Zusammenhang zwischen dem Sturm und der Meuterei cf. Fantham (1985/2011); Pitcher (2008). Auffällig ist gerade die relative Schwachheit Cae­sars angesichts des Meeres und der sich ihrer Kraft schließlich nicht mehr bewussten Soldaten. 458 Zu den komplexen intertextuellen Beziehungen innerhalb dieser Passage, namentlich zu Nisus und Euryalus (Verg Aen. 9, 314 ff.) und zur römischen Liebeselegie cf. Matthews (2008) ad locc. 459 Caesar ist nicht schlechthin ein Dämon, wie z. B. Glaesser (1984), 53–69 meint; jedenfalls kein Dämon, dem nicht auch etwas Komisches anhaften würde. 460 Hierzu cf. oben Punkt (2).

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Himmels oder schlicht zur Minderung der Flut handelt, ist nicht zu erfahren. Caesar hat davon nicht unmittelbar einen Nutzen, die Katastrophe ist lediglich nicht so groß wie die deukalionische Flut. Ob wegen dieser knappen Bemerkung von einer bewussten Marginalisierung Jupiters bzw. der Götter (und folglich einer Glorifizierung Caesars) gesprochen werden kann,461 ist zu bezweifeln. Der superum rector handelt definitiv, schnell und für die Menschen nicht weiter durchschaubar; so legt es der irreale Bedingungssatz nahe. Jupiters Tat ist durchaus unheimlich: latet obsitus aer | infernae pallore domus nimbisque grauatus | deprimitur, fluctusque in nubibus accipit imbrem (627 ff.). Aber ihre Wirkung ist nachhaltig; dass die Wolken die Flut niederdrücken, wird eigens wiederholt. Die Gewalt des Sturms ist nun offensichtlich verringert, auch wenn sie immer noch groß ist. Namentlich den Menschen muss sie furchtbar erscheinen. Aus dieser Perspektive ist die folgende hyperbolische Beschreibung zu sehen (632–637): tum superum conuexa tremunt atque arduus axis intonuit motaque poli conpage laborant. extimuit natura chaos; rupisse uidentur concordes elementa moras rursusque redire635 nox manes mixtura deis. spes una salutis, quod tanta mundi nondum periere ruina.

Dann erzittern die Gewölbe der Götter, und es dröhnt die erhabene Achse; das Gefüge des Himmels ist erschüttert und wankt. Die Natur fürchtet das Chaos. Die Elemente scheinen ihre einträchtige Ruhe gebrochen zu haben; die Nacht, bereit, Manen und Götter zu mischen, scheint wiederzukehren. Ihre einzige Hoffnung ist, dass sie in diesem großen Zusammenstürzen der Welt bisher noch nicht untergegangen sind.

Der problematische Satz ist 636 f.: spes una salutis | quod tanta mundi nondum periere ruina. Über wen ist das gesagt? Entgegen den Erklärungen der Scholiasten, aber nach einer Vermutung von Richard Bentley wird von einigen Herausgebern die verzweifelte Hoffnung wegen der ›Furcht der Natur vor dem Chaos‹ auf die Götter bezogen.462 Die Folgerung ist allerdings nicht zwingend. Auch hat man wohl nicht zwangsläufig an die ἐκπύρωσις zu denken,463 auf die der Erzähler im Gleichnis 1, 74 ff. hindeutet. Dort ist die Rede davon, wie Himmel und Erde zusammenstoßen. Gerade das wurde aber von Jupiter soeben verhindert. Mit der Annahme, die Götter fürchteten sich, vom Himmel zu fallen, wird eine 461 So Matthews (2008) ad loc.; anders bereits Nesselrath (1992), 100 f. 462 Cf. Housman (21927) ad loc. mit Sen. Ag. 485 ff.: mundum reuelli sedibus totum suis | ipsosque rupto crederes caelo deos | decidere et atrum rebus induci chaos; Barratt (1979) ad loc.; Matthews (2008) ad loc.; cf. auch die Übersetzung von Hoffmann / Schliebitz / Stocker (2011). 463 Cf. übrigens Luck (2009), 275: »Nur eine Hoffnung auf Rettung bleibt: Die Welt geht unter, aber sie leben noch« gegenüber Luck (1985), 265: »Nur eine Hoffnung auf Rettung bleibt ihnen: daß sie diese gewaltige kosmische Katastrophe überlebten.«

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eigenartige und unnötige Spannung zum Eingreifen Jupiters erzeugt: Warum sollten sich die Götter fürchten, nachdem Jupiter das Wasser nicht bis zu den Sternen hat ansteigen lassen? Erklärungen wie die, dass bei Lucan auch die Unsterblichen sterblich seien,464 sind nicht überzeugend. Angesichts der Gefahr, in der Caesar und Amyclas schweben, liegt es doch vielmehr nahe, an die beiden Männer zu denken.465 Dies gilt erst recht angesichts der deutlichen Referenz auf Verg. Aen. 2, 354: una salus uictis nullam sperare salutem.466 Das Hauptargument für die menschliche Perspektive ist aber, dass diese Bemerkung als Stichsatz für das folgende Gleichnis dient: quantum Leucadio placidus de uertice pontus | despicitur, tantum nautae uidere trementes | fluctibus e summis praeceps mare (637 ff.). Caesar beherrscht die Lage in keiner Weise; nicht die Position der Götter ist marginal, sondern seine. Dass sie sich nicht um ihn kümmern (sozusagen: wie er, der Zweifler, es erwartet), dass sein Überleben zwar ein glücklicher Zufall, aber keineswegs Gnade ist, unterstreicht nur seine menschlich-ephemere Stellung. Wenn er diese selbst nicht anerkennt,467 ist dies geradezu komisch;468 umso mehr wenn man bedenkt, dass sicher von einem Berg aufs Meer herabzuschauen gerade die Sache eines Menschen sein kann, der seine Stellung im Kosmos begriffen hat: suaue, mari magno turbantibus aequora uentis | e terra magnum alterius spectare laborem (Lucr. 2, 1 f.). Wie es passend scheint für einen General im Bürgerkrieg, nützt Caesar die Uneinigkeit der Elemente, discordia ponti (646). Aber sie verhindert nur für den Moment den Untergang. Die Gefahr des Schiffbruchs ist damit längst nicht gebannt. In dieser Situation hält Caesar eine zweite, noch hochmütigere Rede (5, 653–671):469

464 Cf. Sklenář (2003), 134: »the immortals are mortal.« 465 Cf. Weise (1835) ad loc.; Haskins (1887) ad loc.; Helzle (1996), 98 No. 2 u. a. mit Ov. trist. 1, 2, 33. 466 Cf. Barratt (1979) ad loc. 467 Vielleicht kann man sich wegen der charakteristischen Wendung mundi ruina auch an 4, 393 f. erinnert fühlen. Caesar ist in der ganz und gar unglücklichen Lage, in diesem Un­ wetter keiner Zuflucht, geschweige denn eines würdigen Grabes sicher zu sein. 468 Die sublime Wirkung der Meeresmotivik reicht kaum dazu hin, Caesar, vermöge seiner vielleicht ›sublimen Erfahrung‹, cf. Day (2013), 153–156, auch selbst erhaben wirken zu lassen, vor allem auch mit Blick auf Lukrez. Im Proöm zum zweiten Buch heißt es ja gerade: suaue etiam belli certamina magna tueri | per campos instructa tua sine parte pericli (Lucr. 2, 6/5). Hinzu kommt die suggestive Erwähnung von Leucas, cf. Barratt (1979) ad loc.; Matthews (2008) ad loc. Der erst ungeduldige und dann bedrängte Caesar kann hier kaum in einer Siegerpose erscheinen. Augustus’ späterer Erfolg bei Actium nützt ihm nichts. 469 Anders als Odysseus (ε 297–312) und Aeneas (Aen. 1, 92–101) beklagt Caesar nicht sein Los, sondern spottet über die Anstrengungen der Götter und tut so, als würde er gern auf dem Meer sterben wollen, cf. hierzu Matthews (2008) ad 5, 653–71. Es entsteht der Eindruck, er verwende damit einen rhetorischen Trick, um in jedem Fall als erfolgreich dazustehen: weil er entweder am Leben bleibt oder weil die Götter seinem Wunsch nachkommen.

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[…] credit iam digna pericula Caesar fatis esse suis. ›quantusne euertere‹ dixit ›me superis labor est, parua quem puppe sedentem tam magno petiere mari! si gloria leti656 est pelago donata mei bellisque negamur, intrepidus quamcumque datis mihi, numina, mortem accipiam. licet ingentis abruperit actus festinata dies fatis, sat magna peregi.660 Arctoas domui gentes, inimica subegi arma metu, uidit Magnum mihi Roma secundum, iussa plebe tuli fasces per bella negatos; nulla meis aberit titulis Romana potestas,664 nec sciet hoc quisquam nisi tu, quae sola meorum conscia uotorum es, me, quamuis plenus honorum et dictator eam Stygias et consul ad umbras, priuatum, Fortuna, mori. mihi funere nullo est opus, o superi: lacerum retinete cadauer fluctibus in mediis, desint mihi busta rogusque,670 dum metuar semper terraque expecter ab omni.‹

Jetzt glaubt Caesar die Gefahr seines Schicksals würdig: ›Wie sehr sich‹, sprach er, ›die Götter doch mühen, mich niederzuwerfen, und mich in meinem kleinen Boot mit so großer Meeresgewalt bedrängen! Wenn mir die Ehre des Todes auf dem Meer zuteilwird und ich dem Krieg nicht gegönnt werde, dann, Götter, will ich jeden Tod annehmen, den ihr mir gebt: Wenn auch dieser schicksalsgesandte Tag meine gewaltigen Taten unterbricht – ich habe genug vollendet: Die Völker des Nordens habe ich gezähmt, feindliche Waffen unterwarf ich durch Furcht, Rom sah Magnus als den zweiten nach mir. Die Fasces, die man im Krieg mir missgönnte, trug ich auf Befehl des Volkes. Kein römisches Amt fehlt in meiner Titulatur. Und niemand als du, die allein meine Gebete kennt, Fortuna, wird wissen, dass  – obwohl ich, Diktator und Konsul, im Besitz großer Ehren zu den Schatten gehe – ich als Privatmann sterbe. Ich brauche kein Begräbnis, Götter, haltet den verletzten Leichnam im Wasser zurück. Ich will weder Scheiterhaufen noch Grab, solang ich noch stets von aller Welt gefürchtet und erwartet werde.‹

Daraufhin trägt ihn die zehnte Welle zurück an Land: pariter tot regna, tot urbes | fortunamque suam tacta tellure recepit (676 f.).470 Indem er wieder in seine alte Machtposition zurückkommt, kann er die vollständig misslungene Unternehmung seinen Soldaten und sich selbst gegenüber als Glücksfall werten.471 Die trotzige Forderung hingegen, die er angesichts der großen Gefahr an die Götter gerichtet hat, bleibt ebenso unerfüllt wie seine Hoffnung, nach Italien zu kommen. Er stirbt nicht großartig und heroisch auf dem Meer, ihn erwartet nicht das Schicksal des Pompeius,472 und es wird ihm nicht zuteil, sein Leben auf dem

470 Als Göttin entgegen der üblichen Auffassung bei Matthews (2008); nicht vollständig überzeugend angesichts des Verbs recipere (das als sylleptisch aufgefasst wird) ist der Kommentar ad loc.: »Caesar’s safe landing proved that he still had Fortuna on his side.« Gleichzeitig ist die Diskrepanz zwischen Caesars Rede und der darauf­fol­genden ›Rettung‹ als ironisch anerkannt (ad 672–7). 471 Bzw. von seinen ›unmündigen‹ Soldaten entsprechend werten lassen: cf. Pitcher (2008). 472 Cf. Feeney (1986/2010), 351 f.

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Höhepunkt tyrannischer Allmacht, oderint dum metuant,473 zu beenden. Das Verhältnis zwischen dem Universum und ihm, dem Herausforderer, spiegelt sich darin, wie er an Land geworfen wird: Er ist wieder da, wo er bereits am Anfang war. Als wäre nichts gewesen.474

2.5 Zusammenfassung Das Verhältnis, das Caesar in Lucans Bellum Ciuile zur Natur und zur Umwelt hat, ist nicht in der Weise destruktiv, wie ein gewöhnlicher Feldherr zu militärischen Zwecken eben Äcker verwüstet und Wälder abholzt; es ist vor allem nicht primitiv. Zwar zerstört Caesar, der Blitzartige, mit Lust. Aber nicht, jedenfalls nicht nur, wegen der Freude an der Zerstörung, sondern weil er glaubt oder wenigstens vorgibt, dadurch etwas Neues, Nützliches, Besseres zu schaffen. Der Stichsatz des einleitenden Gleichnisses 1, 143 ff. ist hier maßgebend: gaudens uiam fecisse ruina – das Resultat von Caesars Gewalt ist, wie auch immer, ein neuer Weg. Für die Betroffenen bedeutet dies im Einzelnen jedoch Leid. Das ist ebenso unübersehbar wie der allgemeine Zustand, dass die verkommene Republik nicht fortdauern kann. Verbrechen und Verdienst stehen bei Caesar somit eng beieinander. Er hat heroische, transgressorische Züge, diese werden aber beständig problematisiert und oft entwertet. Einen Ausschlag gibt hier seine Unkenntnis landwirtschaftlichen Arbeitens und Lebens, die sich auf der intertextuellen Ebene im Anklang an Vergils Georgica zeigt, und zwar in jeweils besonders herausstechenden Episoden. Dass Caesar in Massilia Bäume fällen ließ, hätte ein Paradigma fortschrittlicher römischer Weltsicht sein können, wenn nicht das Sakrileg gerade darin bestanden hätte, unrömisch zu sein: ohne Ehrgefühl gegenüber einer religiös und kulturell hochbedeutenden Tradition und ohne Nutzen, weder für die Landwirtschaft noch den Krieg. Dass Caesar Selbstvertrauen hat und sich von den ›Stürmen des Schicksals‹ nicht erschrecken lässt und allein die Adria überqueren will, hätte ihn als vorbildlichen und tapferen Mann erscheinen lassen können, wenn er nicht ausdrücklich die überlegene Gelehrsamkeit des vorbildlichen und tapferen Amyclas im Wortsinne in den Wind geschlagen hätte.

473 Cf. Tasler (1972), 25; Jahn (2005), 72 f.; Matthews (2008) ad 5, 671. Dass Caesar Accius gekannt hat, wäre eine Interpretations­­vor­aussetzung gemäß metapoetischem Realismus. 474 Kimmerle (2015), 261 stellt Caesars unmittelbarem Misserfolg die im Anschluss geschilderte Überfahrt des An­tonius als mittelbaren Erfolg Caesars entgegen: »weil sich das Unwetter, das nur um Caesars willen entstanden war, genügend an ihm ausgetobt hat, wurde die Überquerung möglich; erst Caesars Misslingen ermöglicht das Gelingen.« – Zur Charakterisierung Caesars trägt die reizvolle kausale Verknüpfung aber nicht viel bei. Der Feld­herr war zu ungeduldig.

Zusammenfassung

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Caesar ist andererseits mit solcher Unkenntnis kein Einzelfall. Die Geringschätzung des ländlichen Lebens findet sich ebenso auf der Seite der Gegner bei dem Legaten Petreius, der die Verbrüderung vor Ilerda verhindert, als ob er gegen die gesamte kulturelle Tradition den Beweis erbringen müsste, dass die ›Erinnerung‹ an ein Goldenes Zeitalter und die Hoffnung auf ein besseres Dasein sinnlos wären. Wenn Caesar dann nach dem Sieg die Pompeianer begnadigt, indem er für sie den Krieg beendet und sie zu Bauern macht, übernimmt er eine Aufgabe, die nur ein ordnender Alleinherrscher zu lösen vermag. Es drängt sich aber der Zweifel auf, ob er, der seine Gegner bis zur völligen Unterwerfung dürsten ließ, ein guter Alleinherrscher sein könnte. Es war eingangs die Frage nach den Voraussetzungen, der Wirkung und den Folgen seiner Destruktivität gestellt worden. Mit Blick auf das hier untersuchte Verhältnis zwischen Caesar und der Umwelt, soweit es durch Anspielungen auf die Georgica illustriert wurde, ergibt sich folgendes Bild: Caesar zeichnet ein unbedingter Wille zur Macht aus; die Caesarianer, die sich von Laelius zum Krieg überreden lassen, unterliegen maßloser Gier. Dies sind gerade Voraussetzungen, unter denen das Landleben nicht gelingen kann: Weder ist die Natur grenzenlos beherrschbar noch könnte ein idealer römischer Bauer verschwenderisch leben. Die Wirkung beschreibt Lucan unmittelbar: das Fallen der geschlagenen Bäume, verlorene Ernten, die Schrecken des Krieges. Was aber die Folgen betrifft, hat sich die Erzählung mehrfach als äußerst mehrdeutig erwiesen: Einerseits scheint es, als würde Caesar, der dem Blitz Jupiters gleicht, seine Taten unter dem Schutz der Götter vollbringen, andererseits kann aus Schweigen nicht immer Zustimmung geschlossen werden. Einerseits scheint es, dass Caesar und seine Soldaten für ihre erysichthonische Tat bei Massilia keine Strafe leiden müssen, andererseits trifft die Caesarianer immer wieder entsetzlicher Hunger. Der Sieg bei Ilerda, die Bootsfahrt auf der Adria können auch ganz anders interpretiert werden denn als Erfolg. Diese Ambiguität trägt viel zum künstlerischen Reiz der Erzählung bei. Besonders wirksam ist sie schließlich dann, wenn Caesar nach der Schlacht von Pharsalos eine Mahlzeit zu sich nimmt und sein Schicksal in all dem Blut sieht: iuuat Emathiam non cernere terram | et lustrare oculis campos sub caede latentes. | fortunam superosque suos in sanguine cernit (7, 794 ff.). Darüber hinaus bildet die Ambiguität des Caesarbildes die Macht derjenigen ab, die Geschichte(n) erzählen und hören: uenturi me teque legent. Diese Deutungsmacht kann Caesar, der zu Lucans Zeit hundert Jahre tot ist, ebenso treffen wie jeden anderen auch. Insofern das Ende des Bürgerkriegs nicht erzählt wird, kann man über seine kurz- oder langfristigen Folgen nichts sagen. Die Reichweite des berühmten Erzählerkommentars 7, 640 ff. nach dem Entscheidungskampf muss in der Schwebe bleiben: in totum mundi prosternimur aeuum. | uincitur his gladiis omnis quae seruiet aetas. | proxima quid suboles aut quid meruere nepotes | in regnum nasci? Der Weg, den Caesar bereiten hilft, ist der des Prinzipats. Vergils Georgica können so verstanden werden, dass dieser Weg nur gut sein und bleiben kann,

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wenn er zum guten Leben führt, ignarosque uiae mecum miseratus agrestis  | ingredere et uotis iam nunc adsuesce uocari, heißt es am Ende des Proöms (georg. 1, 41 f.). ›Zusammen mit mir‹: Der gelehrte Dichter positioniert sich, er hat andere Möglichkeiten als der angesprochene Herrscher. Dass seine Lehren sich alle und ausschließlich an die Bauern richten, ist von vornherein kaum glaublich; in der Sphragis, in der Gegenüberstellung von Dichter und Herrscher, kommt dies schließlich klar zum Ausdruck. Was man hiervon ausgehend ›Unterweisungsbedarf‹ nennen könnte, ist an Lucans Caesar, der das Landleben nicht kennt, ex negativo verdeutlicht: Es ist (jedenfalls damals) noch nicht gut. Über die Gegenwart der Nero-Zeit braucht gar nicht gesprochen zu werden. Der metapoetische Realismus des Bellum Ciuile markiert, wie gesagt, die imaginäre Grenze für Feststellungen über ein ›noch nicht‹ oder ein ›nicht mehr‹ – und überlässt den Lesern die Wahl des Standpunktes. Für die Deutung des lucanischen Proöms wird dieser Gedanke ebenfalls wichtig sein.

3. Pompeius, Cato und der Tod

Pompeius und Cato sind im Bellum Ciuile keine Visionäre. Dies haben sie, die von der Not gezwungenen Verbündeten, bei aller Verschiedenheit gemeinsam. Sie müssen auf Caesars Entschlossenheit reagieren und müssen sich bzw. das, woran ihnen liegt, verteidigen. Dabei steht ihre Niederlage von vornherein fest. Sei dies nun erhaben oder lächerlich, der Erzähler erklärt gleich zu Beginn des Gedichtes: uictrix causa deis placuit sed uicta Catoni (1, 128).1 Während C ­ aesar fast ausschließlich in seinem Erfolg gezeigt wird und seine Ermordung in weiter Zukunft nach dem Ende der Republik liegt, nach seinem nicht abwendbaren Sieg, sind Pompeius und Cato unübersehbar dem Untergang geweiht.2 Vom Tod des Pompeius wird zuletzt ausführlich bericht et, und die populärste ›Rekonstruktion‹ des Gedichts sieht am Schluss eines hypothetischen zwölften Buches Catos Selbstmord.3 Es ist verlockend (auch ohne Spekulationen über das ›Ende‹ des Bellum Ciuile) den Wüstenmarsch als eine Präfiguration davon zu deuten. Als die beiden anderen zentralen Figuren sind Cato und Pompeius genauso sehr (oder genauso wenig) ›Helden‹ wie Caesar. Wie an ihn richtet der Erzähler auch an sie bedeutende metapoetische Bemerkungen. Während aber das Urteil über Caesar sehr zwiespältig ausfällt, ist es in ihrem Fall eindeutig wohlwollend: attonitique omnes ueluti uenientia fata, | non transmissa, legent et adhuc tibi, Magne, fauebunt (7, 212 f.); ecce parens uerus patriae, dignissimus aris,  | 1 Lucans wahrscheinlich bekanntester Vers ist kaum vorurteilsfrei verstehbar. Er kann mit guten Argumenten für ironisch ebenso wie für bewundernd-ernsthaft gehalten werden. Welche Bedeutung intendiert wurde, ist nicht leicht zugänglich. Es scheint daher weniger sinnvoll, den Satz als Interpretationsprämisse zu begreifen, als vielmehr im Verlauf der Lektüre immer wieder seine Mehrdeutigkeit zu entdecken; cf. auch unten 288. 2 Zu den Vorausdeutungen auf den Tod der drei Hauptpersonen und die dadurch jeweils erreichte Wirkung für die Erzählung cf. Schrempp (1964), 9–13, 35–48. 3 Cf. Genthe (1859), 70; Friedrich (1938/1970), 100–102; Rutz (1950/1989), 49/59–61; Schönberger (1957/1970), 282; Vögler (1968); Ahl (1976), 321–326; Radicke (2004), 56–65; Stover (2008). Hierbei ist oft ein affirmatives Cato-Bild vorausgesetzt. Der These vom unvollendeten Epos ist freilich auch mit wichtigen Argumenten widersprochen worden, cf. Haffter (1957); Masters (1992), 216–259; Tracy (2011).  – Die Frage nach der ursprünglichen Konzeption wird sich nicht beantwor­ten lassen; insofern ist sie kaum nützlich. Indem aber für die verschiedenen Antworten Argumente angeführt wor­den sind, die aus dem Werk, wie es vorliegt, abgeleitet wurden, ist immerhin widergespiegelt, welche Erwartungen sich aus der bisherigen Lektüre ergeben können. Für einen Überblick hierzu, insbesondere zu den methodischen Schwächen der Rekonstruktionsversuche cf. Walde (2017).

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Pompeius, Cato und der Tod

Roma, tuis (9, 601 f.).4 Statius hat diesen Umstand in seinem Geburtstagsgedicht aufgegriffen: et te nobile carmen insonantem  | Pompei comitantur et Catones (silv. 2, 7, 114 f.). Dennoch gibt es Ambiguität auch hier. Cato und Pompeius erscheinen, jedenfalls solange sie leben, keineswegs nur lobenswert. Pompeius, der gealterte Herrscher, ist auch eitel und ängstlich. Cato, der in den Krieg ziehende ›Heilige‹, ist auch anmaßend und aggressiv. Der Gedanke, dass die Feinde des zukünftigen Diktators, für die der Erzähler oft Partei ergreift, unbedingt ›die Guten‹ sind, die ohne Einschränkung bewundert werden, erweist sich schnell als falsch. Genauso wie Caesar haben zwar auch Pompeius und Cato in der Forschung die verschiedensten Bewertungen erfahren; das Problematische, kaum Affirmative an der Darstellung dieser beiden Personen wird jedoch seit längerem betont und – auch wenn hinsichtlich Catos etwas weniger Einigkeit besteht – zunehmend akzeptiert.5 Beide taugen nicht, um das Bild einer ernsthaft zurückzuwünschenden Zeit zu entwerfen. Ralph Johnson hat hierfür den zugespitzten Ausdruck vom »hard-won refusal to scatter rotten flowers on empty graves«6 gebraucht. Für Caesar ist die Zerstörung charakteristisch, für Pompeius und Cato ist es das schuldhafte Scheitern. Ich werde den Zugang, den ich im vorigen Kapitel zur Untersuchung der Caesarfigur gewählt habe, auch für Cato und Pompeius verfolgen. Wiederum möchte ich Lucans Georgica-Anspielungen im Zusammenhang mit wiederkehrenden Strukturelementen des Werkes untersuchen. Die Anspielungen, die den beiden Figuren gewidmet sind, kommen im Wesentlichen in Gleichnissen bzw.

4 Hier ist zwar nicht Cato selbst apostrophiert, sondern Rom; allerdings ist diese Prophezeiung des Erzählers ein­zigartig und geht über das Versprechen bloßen literarischen Ruhms hinaus. Insofern kann die Stelle mit der Caesar-Apostrophe im selben Buch zusammengebracht werden, cf. hierzu, wenngleich im Ganzen sicher auch andere In­terpretationen als die uneingeschränkte Verherrlichung Catos denkbar sind, D’Alessandro Behr (2007), 128–131. 5 Für ein v. a. skeptisches (oder tragisches) Pompeiusbild: cf. Ahl (1976), 150–189; ­Glaesser (1984), 118–147; John­son (1987), 67–100; Masters (1994); Leigh (1997), 110–157; Rossi (2000); Vester (2008); Easton (2012); Bexley (2014), 384–389; Pypłacz (2014). Zu Cato als positiver Figur bzw. Held cf. Friedrich (1938/1970); Marti (1945/1970); Ahl (1976), 231–279; Narducci (1979), 130–144; Newmyer (1983); George (1991); Narducci (2002), ­368–429; Wick (2004a), 27–32; Radicke (2004), 140–151; D’Alessandro Behr (2007), passim; Wiener (2010); Thorne (2010); Galtier (2016); Ripoll (2016) – einflussreich war lange die Meinung, die Heitland (1887), lx prägnant zum Ausdruck gebracht hat: »coloured by a loving hand«. Für ein skeptisches Catobild: cf. Henderson (1987/2010); Johnson (1987), 35–66; Bartsch (1997), 101–130; Leigh (1997), 265–282; Hershkowitz (1998), 231–246; Malamud (2003); Sklenář (2003), 59–100; Wildberger (2005); Maes (2009); Bexley (2010); Rolim de Moura (2010a); Tipping (2011); Seo (2011); Hömke (2015); Pypłacz (2015), 150–204; Kimmerle (2015), passim; Walde (2017). 6 Johnson (1987), 69, v. a. mit Blick auf Pompeius.

Der morsche Baum

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bildsprachlichen Passagen vor und sind, der Eigenart solcher Bauformen entsprechend, teilweise äußerst subtil gesetzt. Caesar befindet sich, wie im vorigen Kapitel gezeigt wurde, im Gegensatz zu dem, was in den Georgica als erstrebens- bzw. bewahrenswertes Idyll erscheint. Für ihn haben Landschaften, Felder, Menschen nur dann Bedeutung, wenn er sie für seine Zwecke benutzen kann. Pompeius und Cato lassen sich hingegen, wenn auch auf verschiedene Weise, besonders mit denjenigen Passagen der Georgica in Verbindung bringen, in denen gerade nicht das erhoffte Ideal, sondern die Schwierigkeit der Tierhaltung und die betrübliche Realität von Kampf und Verlust behandelt wird. Es ist also im Folgenden weniger die Stellung der Figuren zur Umwelt, sondern ihre Stellung in der Umwelt interessant. Hier entsteht der Eindruck, dass beide Männer sich in der Welt, in der sie leben, nicht mehr zurechtfinden und deshalb Fehler machen.

3.1 Der morsche Baum Über Pompeius’ Einführung (1, 129 ff.) habe ich bereits mit Blick auf seine Gegensätzlichkeit zu Caesar gesprochen:7 Magnus, der eichenartige, erscheint als das bemitleidenswerte Opfer des wie ein Blitz zuschlagenden, beständig Bäume fällenden und Äcker verwüstenden Caesar. Die Analyse des unmittelbaren Kontexts des Gleichnisses erlaubt jedoch noch eine weitere Perspektive, nämlich den Blick auf Pompeius’ Fehler. Der Erzähler nennt es aemula uirtus (1, 120):8 Pompeius will keinen Zweiten neben sich dulden, während Caesar keinen anderen über sich will, so dass sich die Frage verbietet (scire nefas, 127), wer mit größerem Unrecht zu den Waffen gegriffen hat. Pompeius’ Schuld scheint aber nicht nur in seiner Selbstsicherheit zu bestehen oder darin, dass er im Frieden verlernt hat, ein Feldherr zu sein (131), sondern auch darin, welches Verhalten er stattdessen angenommen hat. William Heitland fühlt sich zu Recht bei der auf Pompeius bezogenen Charakterisierung totus popularibus auris  | impelli plausuque sui gaudere theatri (132 f.) an die Georgica erinnert, und zwar an diejenige Stelle im Lob des Landlebens, wo der stärkste Gegensatz zwischen Stadt und Land bezeichnet ist (georg. 2, 505–512):9 hic petit excidiis urbem miserosque penatis, 505 ut gemma bibat et Sarrano dormiat ostro; condit opes alius defossoque incubat auro; hic stupet attonitus rostris, hunc plausus hiantem per cuneos geminatus enim plebisque patrumque

Der überzieht mit Verwüstung die Stadt und die armen Penaten, damit er aus Edelstein trinken kann und auf phönizischem Purpur schlafen. Ein anderer versteckt Schätze und ruht auf dem vergrabenen

7 Cf. oben 43. 8 Zur Beziehung zu Hor. epod. 16, 5 cf. Groß (2013), 81. 9 Cf. Heitland (1887), cxi, ähnlich Mynors (1990) ad georg. 2, 509.

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Pompeius, Cato und der Tod

corripuit; gaudent perfusi sanguine fratrum,510 exsilioque domos et dulcia limina mutant atque alio patriam quaerunt sub sole iacentem.

Gold. Der staunt gebannt die Rostra an, den verdirbt der gierig gesuchte Applaus des Volks und der Väter, welcher, noch verdoppelt, durch die Theaterränge hallt. Und sie freuen sich am vergossenen Blut ihrer Brüder, und in der Verbannung wechseln sie das Haus, ihr geliebtes Heim, suchen, unter anderer Sonne, ein neues Vaterland.

Darüber, ob hiermit bestimmte Personen gemeint sind, kann man nur Vermutungen anstellen. Allerdings ist es zweifellos möglich, auch an Pompeius zu denken,10 und darauf scheint Lucan, der Georgica-Leser, hinzuweisen. Die Verbindung wird in Pompeius’ Trugtraum zu Beginn des siebten Buches sogar noch einmal bekräftigt: uisus sibi sede theatri | innumeram effigiem Romanae cernere plebis | attollique suum laetis ad sidera nomen | uocibus et plausu cuneos certare sonantes (7, 9–12). Hier ist das wohl von Vergil in die Dichtung eingeführte Bild der cunei,11 in denen der Beifall der Menge ertönt, direkt aufgegriffen. Durch die Referenz auf das vergilische Motiv werden die Kriegsursachen besonders akzentuiert: Pompeius ist von vornherein nicht nur der angegriffene monarchische Machtpolitiker,12 der sich etwas zu unnachgiebig verteidigt, sondern ein mittlerweile verdorbener Mensch, der ebenso wie Caesar den Bürgerkrieg freudig in Kauf nimmt. Das Bild des eigentlichen Vergleichs, die Eiche, gehört zwar zum klassischen Bestand epischer Gleichnisse;13 dennoch lohnt es, auch hier eine spezielle Verbindung zum Lehrgedicht herzustellen. Der Baum, dem Pompeius gleicht, ist schwach, auch wenn er sich noch irgendwie halten kann. Seine Wurzeln sind nicht mehr stark genug. Wurzeln von Eichen reichen für gewöhnlich allerdings weit in die Tiefe – bis in den Tartarus, wie es bei Vergil wiederholt heißt (georg. 2, 292; Aen. 4, 446).14 Die Pflanzgruben, so erfahren die Adressaten der Georgica, müssen daher tief sein, sonst kann solch ein Baum keine Kraft mehr aus den Wurzeln ziehen und wird nicht lange leben. Die Leser des Bellum Ciuile könnten daher bei der weitergehenden Betrachtung des Gleichnisses, abgesehen von der Ursache dieser Schwäche, also auch danach fragen, warum der Baum dennoch 10 Cf. Heyne / Wagner (41830) ad loc.: neben Pompeius ist allerdings auch exemplarisch an Cicero und Maecenas (wahrscheinlich wegen Hor. carm. 1, 20, 3 und 2, 17, 25) zu denken. 11 Cf. TLL 4, 0, 1406, 26 ff. s. v. cuneus [Schwering 1909]. 12 Ein Scholiast denkt zudem an den König Ancus, über den Vergils Anchises sagt: iam nimium gaudens populari­bus auris (Aen. 6, 816), cf. ASL ad loc. 13 Freilich wird es hier gerade anders verwendet als üblich. Eichen versinnbildlichen seit Homer eher Stärke und Unnachgie­bigkeit (cf. etwa Μ 132 ff.), hierzu cf. auch Roche (2009) ad 1, 136–143, mit Verweis auf Aen. 4, 441 ff. 14 Für den Zusammenhang dieser beiden Stellen cf. Putnam (1979), 119 f.; Mynors (1990) ad loc.

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(sola tamen, 143) verehrt wird, ohne dass irgendwelche Vorkehrungen für die Zukunft getroffen werden. Das, was die Bäume für die Menschen erst bedeutsam macht, ist ja, dass sie beständig sind und auch den künftigen Generationen Nutzen bringen: non flabra neque imbres | conuellunt: immota manet multosque nepotes, | multa uirum uoluens durando saecula uincit (georg. 2, 293 ff.).15 Das Eichengleichnis zeigt nun Pompeius nicht nur in seiner Schwäche, es lässt auch vermuten, dass er, wenn er dann gefallen sein wird, für die Enkelgeneration nichts mehr wirklich wird bedeuten können. Es ist bezeichnend, wie das Motiv der unbeteiligten Nachgeborenen im Bellum Ciuile erscheint; während bei Vergil derjenige, der die Bäume pflanzt, nicht mehr erleben wird, wie die Enkel von ihnen Nutzen haben, so werden bei Lucan die Enkel, die kraft der Wirkung des Epos immer noch zu Pompeius halten sollen (7, 207 ff.), dafür bedauert, nicht selbst dabei gewesen zu sein: quid meruere nepotes | in regnum nasci? […] post proelia natis | si dominum, Fortuna, dabas, et bella dedisses (7, 642 ff.). Pompeius’ Schwäche wird im Verlauf des Werkes immer wieder aufgegriffen. Dabei wendet der Dichter, der sich gewiss gibt, dass seine Erzählung Pompeius immerwährende Sympathie eintragen wird, allerdings große Sorgfalt darauf, den Verteidiger der Tradition zu tadeln und zu verspotten.16 Von zentraler Bedeutung ist das Bild eines unterliegenden Kämpfers, der seine Lage nicht einsehen will oder kann. Lucan bezieht sich hierbei auf das Bild eines geschlagenen Stiers aus der Beschreibung der Brunftkämpfe in den Georgica. Dieses Motiv legt er zwei bedeutenden Gleichnissen zugrunde: dem für den Rückzug der Pompeianer nach Brundisium (2, 601 ff.) und dem für die Schlacht bei Dyrrachium (6, 263 ff.); auch bei der Flucht des Pompeius aus Pharsalos wird es noch einmal aufgegriffen. Mit dem Tod des Feldherrn hat dieser Gedanke jedoch seinen Abschluss, eine andere Anspielung auf das dritte Georgica-Buch tritt an seine Stelle: das Motiv vom Dichter als Erbauer des Ruhms. Diese Anspielungen sollen nun der Reihe nach untersucht werden.

3.1.1 Das Stiergleichnis Das Gleichnis, das Pompeius nach seiner vergeblichen Feldherrenrede als einen geschlagenen, in der Gewissheit des baldigen Sieges auf Revanche sinnenden Stier darstellt, scheint im Gegensatz zu dem Eichengleichnis zunächst schwer verständlich (2, 596–609):17 15 Ähnlich auch 2, 58. Das Motiv der Enkel, die später einmal profitieren werden, kann leicht politisch gedeutet werden, cf. Verg. ecl. 9, 46 ff. 16 Cf. hierzu auch Masters (1994); die dort vertretenen Schlüsse sind allerdings etwas zu radikal. 17 Zu diesem Gleichnis, vor allem der Vielfalt seiner Beziehungen zu anderen Texten, cf. insbesondere Hundt (1886), 31; Newmyer (1983), 241 f.; van Campen (1991) ad loc.; Fantham

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Pompeius, Cato und der Tod

uerba ducis nullo partes clamore secuntur nec matura petunt promissae classica pugnae. sensit et ipse metum Magnus, placuitque referri signa nec in tantae discrimina mittere pugnae I am uictum fama non uisi Caesaris agmen. 600 P ulsus ut armentis primo certamine taurus S iluarum secreta petit uacuosque per agros E xul in aduersis explorat cornua truncis N ec redit in pastus, nisi cum ceruice recepta E xcussi placuere tori, mox reddita uictor605 Qu oslibet in saltus comitantibus agmina tauris I nuito pastore trahit, sic uiribus inpar T radidit Hesperiam profugusque per Apula rura Brundisii tutas concessit Magnus in arces

Die Abteilungen folgen den Worten des Feldherrn ohne Zustimmung. Nicht fordern sie das schnelle Signal für den versprochenen Kampf. Und Magnus selbst spürt die Furcht. Er beschließt, die Zeichen zurückzunehmen und nicht in die Entscheidung einer so großen Schlacht zu schicken. Schon ist das Heer besiegt; durch den Ruhm Caesars, den man noch gar nicht sieht. Wie wenn ein Stier nach dem ersten Kampf aus der Herde ausgestoßen wurde, nun die Einsamkeit der Wälder aufsucht und als Vertriebener auf öden Feldern an vorstehenden Baumstümpfen seine Hörner erprobt und nicht eher auf die Weide zurückkehrt, bis sein Nacken erstarkt ist und ihm seine Muskeln gefallen (bald wird er als Sieger die wiedererlangte Herde unter Begleitung der Stiere in jedes beliebige Tal führen, obwohl der Hirt es nicht will), so, ungleich an Kräften, gibt Magnus Hesperien auf und zieht, ein Flüchtling, durch Apulien in die sichere Festung von Brundisium.

Dies wirkt eigenartig unangemessen und provozierend: Die Leser wissen doch, Pompeius wird nie über Caesar siegen. Aber Pompeius weiß es nicht, und darum geht es. Jackie Murray hat diesbezüglich überzeugend von der ›Lucanization‹ von Pompeius’ seinerzeitiger Propaganda gesprochen: »the poet has appropriated the historical Pompey’s construction and focalization of his achievements.«18 Insofern es hierbei auch um rhetorische und literarische Konstruktionen geht, haben es die Leser wiederum mit metapoetischem Realismus zu tun. Genauso wie das Bild von der Eiche, wo reizvoll mit dem Ausdruck gespielt wird stat magni nominis umbra, ›er steht da als der Schatten (s)eines großen Namens‹,19 ist das Stiergleichnis außerordentlich raffiniert gestaltet.20 Die Wirkung des ersten Gleichnispaares ›Eiche–Blitz‹, nämlich die Überlegenheit Caesars auch auf der Symbolebene darzustellen, wird hier fortgeführt: Caesar ist im zweiten ihm gewidmeten Gleichnis mit einem unbezwingbaren Löwen verglichen (1, 205 ff.), und Stiere gehören gerade zur traditionellen Beute epischer Löwen.21 (1992) ad loc., daneben Ormand (1994), 44–46; Leigh (1997), 148 f.; Schindler (2000a); Thomas (2009); Easton (2012); Papaioannou (2012), 97–105; Blaschka (2015), 146–155. 18 Murray (2011), 70: Lucans Pompeius nimmt, ähnlich wie der historische, bei seiner Selbstdarstellung auf die Argonautensage Bezug (cf. Diod. Sic. 40, 4; App. Mithr. 103). 19 Hierzu cf. Narducci (1979), 110; Feeney (1986/2010), 347. 20 Cf. Kersten (2013). 21 Cf. Hom. Π 487 ff.; Ilias Latina 500; zum Verhältnis der Gleichnisse cf. auch Lebek (1976), 190 No. 36.

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Die leitmotivische Wirkung der einführenden Gleichnisse, auf die schon hinsichtlich der Caesar-Figur hingewiesen wurde,22 erfährt hiermit noch einmal eine Bestätigung. Darüber hinaus zeigt sich, dass verschiedene Gleichnisse nicht nur einzeln, sondern insbesondere auch in Beziehung zueinander zu verstehen sind. Dies wird im Folgenden noch deutlicher werden. Für das Verständnis des Stierbildes unmittelbar maßgebend sind aber die Anspielungen auf die Kämpfe der brünstigen Stiere in den Georgica (georg. 3, 209–231): pascitur in magna Sila formosa iuuenca: 210 illi alternantes multa ui proelia miscent uulneribus crebris; lauit ater corpora sanguis, uersaque in obnixos urgentur cornua uasto cum gemitu; reboant siluaeque et longus Olympus. nec mos bellantis una stabulare, sed alter 215 uictus abit longeque ignotis exsulat oris, multa gemens ignominiam plagasque superbi uictoris, tum quos amisit inultus amores, et stabula aspectans regnis excessit auitis. ergo omni cura uiris exercet et inter 220 dura iacet pernox instrato saxa cubili frondibus hirsutis et carice pastus acuta, et temptat sese atque irasci in cornua discit arboris obnixus trunco, uentosque lacessit ictibus, et sparsa ad pugnam proludit harena. 225 post ubi collectum robur uiresque refectae, signa mouet praecepsque oblitum fertur in hostem: fluctus uti medio coepit cum albescere ponto, longius ex altoque sinum trahit, utque uolutus ad terras immane sonat per saxa neque ipso monte minor procumbit, at ima exaestuat unda 230 uerticibus nigramque alte subiectat harenam.

Da weidet im großen Wald von Sila eine schöne Kuh. Die Stiere mischen, im Wechsel, gewalttätige Kämpfe, mit tiefen Wunden. Schwarzes Blut fließt über die Körper; unter lautem Gebrüll werden die Hörner gegen den Widerstand leistenden Feind gewandt. Die Wälder und der hohe Olymp hallen von ihrem Rufen nach. Nicht ist es Sitte, dass die Kämpfer zusammen bei der Herde bleiben. Einer geht, der Besiegte. Weit an entfernten Ufern führt er ein Verbanntenleben, beklagt die Schande und die Schläge des hochfahrenden Siegers und die Liebe, die er verlor, ohne sich rächen zu können. Aus dem angestammten Reich musste er fort, nach der Herde zurückblickend. Also stärkt er mit ganzer Sorge seine Kräfte, liegt des Nachts zwischen rauen Steinen, auf struppig mit Laub bestreutem Lager; von scharfem Riedgras nährt er sich; er übt sich, stemmt sich gegen einen Baumstumpf und lernt gegen Hörner zu wüten. Er reizt die Winde mit Schlägen und mit verspritztem Sand spielt er den Kampf durch. Wenn er dann Kraft gesammelt hat und seine Stärke wiederhergestellt ist, führt er die Feldzeichen geradewegs gegen den Feind, der ihn bereits vergessen hat. Wie wenn die Flut mitten auf dem Meer weiß zu schäumen beginnt und schon fern auf offener See sich aufbäumt und dann gewaltig hinweg ans Land über die Felsen dröhnt; nicht kleiner ist sie als ein Berg, nein, von tief unten wallt die Woge strudelnd hervor und schleudert schwarzen Sand weit in die Höhe.

Hiermit bietet sich eine zusätzliche Perspektive auf das Gleichnis. Das Stiergefecht der Georgica, das Vergil in der Aeneis für den unterliegenden Turnus 22 Cf. oben 43.

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Pompeius, Cato und der Tod

wieder aufgreift,23 und die darauf folgenden Vorbereitungen für eine Revanche bilden einerseits einen guten Vergleichspunkt für Pompeius’ eigene Lage und scheinen andererseits die im Gleichnis zum Ausdruck gebrachte Siegesgewissheit zu konterkarieren. Eine differenzierte Sicht auf die Passage wird zudem durch das Akrostichon IPSE NEQuIT unterstützt: Das Gleichnis erklärt also gleichzeitig, wie Pompeius sich selbst sieht, nämlich geschlagen, empört, ehrgeizig und siegesgewiss,24 und wie er tatsächlich ist, nämlich nicht stark genug, um das Erhoffte zu erlangen.25 Mit dem Akrostichon wird eine weitere Erläuterung neben die Worte des Erzählers bzw. Fokalisators gesetzt wird, und zwar auf eine Weise, wie Autoren sonst oft ihre Identität besiegeln.26 Dadurch bekommt die Diskrepanz zwischen der Art, wie Pompeius sich selbst und wie er von anderen (insbesondere den Lesern) gesehen wird, eine außerordentlich prominente Bedeutung, die auch auf das Werkganze wirkt. Zwar besteht eine solche Diskrepanz auch bei anderen Figuren des Bellum Ciuile.27 Bei denjenigen, von denen

23 Cf. Aen. 12, 101 ff./716 ff. Hierzu Briggs (1980), 47–52; Rieks (1981), 1058–1062. 24 Cf. Ormand (1994), 46 zur »deviant focalization«; Schindler (2000a), 148; Ludwig (2014), 96 f. – Hierzu ist auch Hom B 480 ff. von Bedeutung, cf. Kersten (2013), 166 f., und der Bericht darüber, dass der historische Pompeius sich gern mit Agamemnon verglichen hat, cf. oben 14. 25 Zu den zwei möglichen Perspektiven cf. Kersten (2013), 166–168. Bei der Charakterfokalisation handelt es sich also um eine gewissermaßen temporäre Eigenschaft des Gleichnisses, cf. auch Easton (2012) zur narrativen Be­deutung des Gleichnisses in Hinsicht auf das Werkganze, namentlich Pompeius’ ›geistiges‹ Fortwirken in den Gedanken des Brutus. 26 Cf. Nik. Ther. 345–353; Ilias Latina 1–7 sowie, sofern Brown (1963), 102 f.; Feeney / Nelis (2005) und Casteletti (2012) recht haben, die in anspielungsreichem Kontext stehenden Silben Ma[ro], Ve[rgilius], Pu[blius] in georg. 1, 429; 431 und 433 sowie das Boustrophedon-Akrostichon in Verg. Aen. 1, 1–4. Zum Stand der Akrostichonforschung und zu Vergils Autorkryptogrammen, darunter jetzt Me VERo Primum dulces (georg. 2, 475) cf. Katz (2016). Für inhaltsbezogene Akro­sticha können die folgenden gehalten werden: Arat. 1, 783–787; Verg. ecl. 9, 34–38, cf. Grishin (2008); Verg. Aen. 7, 601–604, cf. Fowler (1983); Ov. fast. 2, 1–4, cf. La Barbera (2006). Ein reizvolles Telestichon ist Ov. ars 3, 507–510, cf. Han­ses (2016). Lossau (1987) mit Lucan. 3, 1–8/12 (PIOS MANImutS) ist nicht gänzlich überzeugend. Giusti (2015) hat in Betracht gezogen, ob Lucan das Akrostichon tepet (1, 217–222) auch absichtlich komponiert haben könnte. Trotz den Zweifeln, die hieran vermutlich bestehen müssen, werden Giustis Vermutungen dadurch gestützt, dass sich die Bemerkung ›er erkaltet‹ in der Nähe des Löwengleichnisses für Caesar (1, 205 ff.), also dem Pendant zum Stiergleichnis, befindet. Indem das Gleichnis die Schilderung der Flussüberquerung ge­w is­sermaßen unterbricht, schafft es einen eigenartigen, erklärungsbedürftigen Kontext, nämlich das scheinbar zwei­malige Über­schreiten des Rubicon (204 f./220 ff.). Das Wort tepet, das man aus zwei Richtungen lesen kann, wäre dann, wenn man daran glauben will, nicht nur mit Blick auf den (trotz Zufluss nach der Schneeschmelze Caesar unterliegen­den) Fluss zu deuten, sondern auch mit Blick auf den Löwen bzw. Caesar, der, wenn auch noch nicht sogleich, an den Folgen der Angriffe der Jäger bzw. der Flussüberquerung sterben / erkalten wird. 27 Für Caesar wurde dies z. B. von Eigler (2005) vorgeführt; zur Rivalität zwischen Erzählerfigur und Caesar cf. z. B. oben 65.

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die Diktatur Caesars zu verhindern wäre, ist sie allerdings besonders tragisch. Und es scheint im Interesse des Autors zu liegen, darauf hinzuweisen. Infolge dieser Beobachtung lässt sich auch eine interessante Spannung zwischen der Rede des Pompeius und dem Motiv des Gleichnisses wahrnehmen. Pompeius spricht zu den Soldaten von seinen früheren Erfolgen und der Ausdehnung seines Herrschaftsbereiches, um zu zeigen, dass der Sieg für ihn bereits ausgemacht ist. Die letzten Worte seiner Rede lauten: Armenios Cilicasque feros Taurumque subegi: | quod socero bellum praeter ciuile reliqui? (2, 594 f.). Dann folgt das ambivalente Gleichnis, dessen Stierbild zum klassischen Repertoire heroischer Motivik gehört.28 Lucans Pompeius meint mit Taurus zwar das kleinasiatische Taurusgebirge.29 Aber selbstverständlich ist ihm die epische Dimension des Ausdrucks bekannt, mehr noch: Er scheint sie absichtlich aufzurufen.30 Wenn Pompeius triumphierend erklärt, den ›Stier‹ überwunden zu haben, daraufhin jedoch, weil die Soldaten nicht überzeugt sind, selbst wie ein geschlagener Stier dasteht, dessen Siegeshoffnung in Wahrheit unbegründet ist, so offenbart sich den Lesern ein zusätzliches Indiz für das problematische Selbstbewusstsein dieser Figur.31 Und wenn wegen des ausbleibenden Schlachtrufs der Eindruck entsteht, Pompeius selbst müsse doch eigentlich bemerken, dass er nichts auszurichten vermag, so wirkt die Stelle nicht nur wohlmeinend spöttisch. Sie enthält dann vielmehr eine tiefgreifende Kritik. Hierhin gehört die Überlegung, ob in dem Stiermotiv auch die uralte Darstellung von Italia, ›Fιταλία‹, als Stier-Land zu sehen ist. Damit ergäbe sich als zusätzliche ambivalente Dimension des Vergleichs, dass Pompeius, der Verteidiger Roms, der die Stadt der kapitolinischen Wölfin ungeschützt zurücklässt, als Stier beschrieben wird: Es war gerade

28 Z. B. Hom. Β 480 ff.; zur motivischen Tradition cf. Aymard (1951), 50; Fantham (1992) ad loc. Die Adaptionen von Statius (Theb. 2, 323 ff.), und Silius Italicus (16, 4 ff.) betreffen ebenfalls Unternehmungen, die letztlich nicht so günstig ausgehen wie erhofft; Val. Fl. 2, 546 ff. hingegen zeigt einen Stier, der tatsächlich siegreich wiederkehrt. 29 Cf. Ov. met. 2, 217; ASL ad loc.: Taurus mons in Cilicia; pro hominibus autem posuit montis nomen. Housman (21927) hat darauf aufmerksam gemacht, dass Pompeius nicht die Taurier unterworfen hat. (Zwar hat Pompeius auch die Armenier nicht wirklich unterworfen, aber immerhin hat er sie zu Klienten gemacht. Die Erwähnung der Krim wäre zwischen den kleinasiatischen Siegen des Pompeius auch nicht recht passend; Pharnakes, der König des Bosporanischen Reiches, ist allerdings genannt in 2, 637.) Die meisten Heraus­ geber haben sich seither für die Lesart Taurum gegenüber Tauros (Ω) entschieden. Die interpretative Relevanz des doppeldeutigen Taurus ist möglicherweise ein weiteres Indiz für ihre Richtigkeit. 30 Cf. Murray (2011), 76 f. Allgemein zum mythologischen Schmuck in Pompeius’ Rede cf. Tasler (1972), 101. 31 Auch an anderer Stelle wird mit der Doppeldeutigkeit des Namens gespielt, cf. 3, 220 ff., wo nach der Parenthese über die Entwicklung der Schrift der Truppenkatalog mit dem besonders bildlichen deseritur Taurique nemus (225) wieder aufgegriffen wird, hierzu Bexley (2014), 396.

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ein Stier, den die Gegner Roms im Bundesgenossenkrieg als ihr Symbol gewählt hatten.32 Es lohnt, noch zwei weitere Details zu betrachten. In seiner Rede erklärt Pompeius: ›feruidus haec iterum circa praecordia sanguis | incaluit; disces non esse ad bella fugaces | qui pacem potuere pati‹ (2, 557 ff.). Für die Leser klingen bereits hier die Georgica an, und zwar die selbstreferentielle Passage aus dem zweiten Buch: sin has ne possim naturae accedere partes | frigidus obstiterit circum praecordia sanguis, | rura mihi […] placeant (2, 483 ff.).33 Wenn Pompeius die Georgica gelesen hätte, würde man glauben können, der Politiker verhöhne hier den in sich gekehrten Dichter mit dessen eigenen Worten. Aber wie Caesar hat Pompeius, ›realistisch‹ gesehen, nicht die Autorität für solch ein Urteil. Während es Pompeius nicht an Selbstvertrauen zum Kampf gebricht, sind es für den Georgica-Dichter die Zweifel an den eigenen intellektuellen Fähigkeiten – das kalte Blut scheint allerdings hilfreich dabei, diese zuzugeben34 –, die ihn zu einem zurückgezogenen Leben und zur poetischen Darstellung der Welt bewegen.35 Pompeius hätte, wie die Leser wissen, seine Situation anders einschätzen sollen. Dass er keineswegs in der Lage ist, seine Gegner über irgendetwas zu belehren (disces, 558), und dass man schließlich das Oxymoron pacem pati nicht um geringen Preis verwendet, wird durch das Gleichnis bestätigt. Das zweite Detail: Im Stiergleichnis erscheint Pompeius zum ersten Mal als Geschlagener und als exul. Immer wieder wird er im Verlauf des Werkes in dieser Lage zu sehen sein.36 In den Georgica kann das Schicksal des ›exilierten Stiers‹ unmittelbar mit den Verwerfungen des Bürgerkrieges verglichen werden; wesentlich dafür ist das Ende des zweiten Buches: gaudent perfusi sanguine fratrum, | exsilioque domos et dulcia limina mutant | atque alio patriam quaerunt sub sole iacentem (georg. 2, 510 ff.).37 Das ist gerade die Stelle, die vom ›gierig 32 Cf. Varro, rust. 2, 5, 3 und Dion. Hal. ant. 1, 35. Zur Bedeutung des Stiers in Bezug auf Italien cf. auch Klingner (1941/1965), 14 f. über die Etymologie von Italia in Verbindung mit uitulus / ἰταλός aus grch. Fιταλία; in den Bun­desgenossenkriegen haben die italischen Verbündeten Münzen geprägt, auf denen neben der oskischen Wortform Víteliú ein Stier zu sehen war, der der römischen Wölfin gegenübersteht; ähnlich Thomas (2009), 160. 33 Cf. van Campen (1991) ad loc.; Fantham (1992) ad loc.; ASL verweisen auf Verg. Aen. 5, 395 f. 34 Zur möglichen Ironie hinter Vergils Vers cf. Thomas (1988) ad loc. mit Emped. fr. 105 D / K αἷμα γὰρ ἀνθρώποις περικάρδιόν ἐστι νόημα, Cic. Tusc. 1, 19: Empedocles animum censet esse cordi suffusum sanguinem und Hor. ars 464 ff.: deus inmortalis haberi | dum cupit Empedocles, ardentem frigidus Aetnam | insiluit. sit ius liceatque perire poetis. 35 In ähnlicher Weise wird Pompeius’ problematische Selbsteinschätzung durch das Motiv der pars ultima uitae (Verg. ecl. 4, 53 = Lucan. 7, 7) illustriert. 36 Cf. 2, 728 ff.; 3, 48; 7, 379/698 ff.; 8, 208 f., 503 ff., 835 ff. 37 Cf. Thomas (1988) ad 2, 511–512; exsilium bzw. exsulare stehen in den Georgica nur an diesen beiden Stellen; allgemein zur politischen Dimension des Stierkampfes cf. Glei (1991), 247 f.

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gesuchten Applaus‹ handelt; sie schien auch im Kontext des lucanischen Eichengleichnisses anzuklingen.38 Der Brunftkampf, dessen notwendige Fortsetzung nur unbestimmt gleichnishaft umrissen ist,39 erhält dadurch einen sehr erschreckenden Zug: Die kämpfenden Stiere stehen nicht, oder wenigstens nicht nur, für ein althergebrachtes, ehrenhaftes Austragen eines persönlichen Konfliktes, sondern auch für einen schlimmen, aus Begierde geführten Krieg. Die Passage ist nicht deswegen bedeutsam, weil Tiere wie Menschen dargestellt sind und als Karikatur des Heroischen wirken,40 sondern, im Gegenteil, weil das, was den Stieren geschieht, tatsächlich todernst ist und nicht anders auch Menschen geschehen kann. Dass es sich um liebende, nicht schlechthin wahnsinnige Kämpfer handelt, mindert nicht ihre Schuld, sondern erschwert, indem die Leser hierbei in besonderer Weise Mitgefühl und Betroffenheit empfinden können, nur die Erklärbarkeit des ganzen Vorgangs.41 Der Kampf der Stiere in den Georgica gibt ein weitaus erschreckenderes Kriegsbild als der von Vergil später mit derselben Motivik ausgestaltete Kampf von Aeneas und Turnus. Zum einen, weil in der betreffenden Aeneis-Stelle die politische Dimension zugunsten der individuellen etwas zurücktritt, und zum anderen, weil es insgesamt eine Lösung gibt: Der Verlierer ist tatsächlich im Unrecht, zu einer gewalttätigen Wiederaufnahme des Kampfes wird es nicht kommen. Lucan hat gerade den beunruhigenden Bürgerkriegszusammenhang der beiden Georgica-Stellen aufgegriffen und damit seinerseits die beiden ersten Pompeius-Gleichnisse verbunden. Dies ist von Bedeutung für den Fortgang der Erzählung: Die Vorstellung von Pompeius als geschlagenem, aber eitlen und nicht einsichtigen Stier, der nur ›Schatten seiner selbst‹ ist, kommt besonders an zwei weiteren Stellen des Bellum Ciuile wieder zur Wirkung, beim Wellengleichnis im sechsten Buch und beim Bericht über die Fahrt nach Kilikien im achten.

3.1.2 Belagerung, Pest und Wellengleichnis Nach der Flucht des Pompeius begegnen er und Caesar einander erst wieder bei Dyrrachium; hier ist die Gelegenheit zur Vergeltung, und damit beginnt das sechste Buch. Die informierten Leser wissen, dass Caesar eine Niederlage erlei 38 Cf. oben 157 f. 39 Zu dem Gleichnis, namentlich zu seiner Beziehung zu Hom. Δ 422 ff. cf. Thomas (1990) ad loc. Die Passage ist unterschiedlich gewertet worden; für einen wahrscheinlichen Sieg des Rückkehrers: Briggs (1980), 50; ähnlich Erren (2003), 662 mit Aristot. hist. anim. 575a19 ff.: ἐπιτίθεται ὁ ἡττώμενος, καὶ κρατεῖ πολλάκις. Schindler (2000), 171–176 betont das enorme Zerstörungspotential, das im Gleichnis dargestellt ist; für Unbestimmtheit bzw. Zweifel am zukünftigen Sieg: Putnam (1979), 194–196; Thomas (1988) ad loc. 40 So Erren (2003), 662–665. 41 Hierzu cf. vor allem Klingner (1963), 148 f.

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den wird. Lucan erzählt nun, wie Pompeius, der sich der Stadt bemächtigt hat, von Caesar, der zu allem entschlossen ist, mit einem riesigen Belagerungswerk umzingelt wird. Für beide Seiten ist die Lage alsbald furchtbar: Die Caesarianer hungern, die Pompeianer erkranken. Auch wenn Letzteres objektiv wohl noch das geringere Übel ist (tamen hos minuere labores  |  a tergo pelagus pulsusque Aquilonibus aer | litoraque et plenae peregrina messe carinae, 6, 103 ff.),42 können die Leser doch die Anklänge an die berühmten Pestbeschreibungen bei Thukydides, Lukrez und Vergil (namentlich wegen des Verfalls der Bestattungsriten) als ein unheilvolles Omen deuten.43 So erhält Lucans komplexe Wendung ignea pestis sacro morbo (96) erst von den Georgica her ihre volle Bedeutung, und zwar durch die Junktur sacer ignis aus dem Schlussvers des dritten Buches: contactos artus sacer ignis edebat (georg. 3, 566). Dieser allgemeine, über irgendeine exakte pathologische Bestimmung hinausgehende Ausdruck unausweichlicher Vernichtung ist für Lucans Darstellung wichtig. Die Pompeianer sind, allen strategischen Vorteilen zum Trotz, am Ende doch dem Untergang geweiht.44 Lucan verwendet nicht die möglicherweise als Fachbegriff45 zu verstehende Bezeichnung sacer ignis; die Wirkung des Adjektivs ›heilig‹ kommt so nur desto stärker zur Geltung (6, 96–103):46 igneaque in uoltus et sacro feruida morbo pestis abit, fessumque caput se ferre recusat. iam magis atque magis praeceps agit omnia fatum, nec medii dirimunt morbi uitamque necemque, 99 sed languor cum morte uenit; turbaque cadentum aucta lues, dum mixta iacent incondita uiuis

Feurig geht die Seuche auf das Gesicht über, glühend in heiligem Fieber; und der geschwächte Kopf vermag sich nicht mehr aufrecht zu halten.  – Schon stürzt das Schicksal alles tiefer und tiefer hinab; nicht liegt mehr eine Krankheitsphase

42 Cf. Radicke (2004), 356 zu dem eigenartigen Bruch in 6, 103: »angesichts der eben noch beschriebenen Leichen­berge überraschend und unangemessen«. Entscheidend ist, dass die Lage der Pompeianer, die ja schließlich am Ende irgendwie siegen konnten, so völlig hoffnungslos dargestellt wird, als ob sie unmittelbar vor der Niederlage stünden. 43 Cf. Thuk. 2, 47 ff.; Lucr. 6, 1138 ff.; Verg. georg. 3, 478 ff.; Ov. met. 7, 517 ff.; Sen. Oed. 1, 201. Hierzu sowie zur Pest (und der damit verbundenen kulturellen Degeneration) als Paradigma in der literarischen Verarbeitung des Krieges cf. Ambühl (2015), 43–45; zur Deutung als Omen cf. Saylor (1978), 247–250. 44 Die Beziehung sehen bereits ASL ad loc. – Mit ignis sacer ist im engeren Sinn wohl ein ἐρυσίπελας (Gürtelrose?) oder Anthrax gemeint, cf. Erren (2003) ad loc.; das ist aber nicht unmittelbar relevant, cf. Thomas (1988) ad loc. Auch bei Lukrez (6, 660/1167) und Seneca (Oed. 187b, 188a) ist von einem solchen Symptom die Rede, aller­dings nicht in derartig prominenter Weise. – Ein ähnliches Krankheits- oder Erschöpfungsmotiv erscheint auch, um die plötzliche unausweichliche Vernichtung Curios einzuleiten, cf. Esposito (2009), 327. Es betrifft die Pferde in 4, 750–764 und erinnert, wenn auch eher allgemein, sowohl an die Beschreibung der gesunden wie der kranken Pferde im dritten Georgica-Buch (4, 753 ~ georg. 3, 84; 4, 754–756 ~ georg. 3, 500–508); cf. Haskins (1887) ad 4, 753; Bramble (1982), 550. 45 Cf. Plin. nat. 26, 121. 46 Eine engere Parallele zwischen Vergils und Lucans Pestbeschreibung, nämlich georg. 3, 551 f. und Lucan. 6, 90 f., sieht Sklenář (2003), 47 No. 56.

Der morsche Baum corpora; nam miseros ultra tentoria ciues spargere funus erat.

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zwischen Leben und Sterben. Mit der Schwäche kommt der Tod, und die Menge der Fallenden verstärkt nur die Seuche, solange tote Körper unbedeckt zwischen lebenden liegen. Denn Bestattung das war: die armen Mitbürger vors Zelt zu werfen.

Wenn schließlich erzählt wird, wie Pompeius die Umzingelung durchbrechen und den Gegner empfindlich schlagen kann, denken die Leser vielleicht bereits daran, dass er sich dieses Sieges im Nachhinein allzu sehr gerühmt haben soll.47 Plutarch wird später als Ausspruch Caesars die Sentenz überliefern, die Feinde hätten Sieger sein können, wenn unter ihnen nur jemand zu siegen verstanden hätte.48 Bei Lucan, der eine sehr ungenaue Schilderung der Ereignisse gibt,49 ist es zunächst Scaeva, der von fehlgeleitetem Heldenmut getriebene Caesarianer, der den zum Greifen nahen Sieg der unter strategisch weitaus besseren Bedingungen kämpfenden republikanischen Partei vereitelt (6, 138 ff.), indem er die Pompeianer tapfer und listenreich am Vorrücken hindert.50 Wiederum erscheint die Lage des Pompeius als die eigentlich ungünstigere. Nach der Apostrophe, womit diese ›Aristie‹ Scaevas beschlossen wird (infelix, quanta dominum uirtute parasti, 262), wendet sich der Erzähler wieder Pompeius zu und gibt abermals ein etwas rätselhaftes Gleichnis (6, 263–267):51 nec magis hac Magnus castrorum parte repulsus intra claustra piger dilato Marte quieuit, quam mare lassatur, cum se tollentibus Euris 265 frangentem fluctus scopulum ferit aut latus alti montis adest seramque sibi parat unda ruinam.

Obwohl Magnus aus diesem Teil des Lagers vertrieben war, da sich nun der Krieg verlagert hatte, hielt er sich doch nicht ruhig und träg in der Umzingelung. Nicht weniger ermattet die See, wenn unter sich erhebenden Ostwinden die Wellen gegen die flutenbrechenden Klippen wüten, oder wenn sie an der Seite eines hohen Berges nagen und sich einen späten Absturz verschaffen.

Pompeius gibt nicht auf, so soll man verstehen. Das Bild des nie ermüdenden Wassers, das endlich sein Ziel erreicht, das Zusammenbrechen des Berges, spiegelt gleichermaßen Geduld und Zähigkeit wider. Die Motivik des Gleichnisses wirkt durchaus nicht beliebig; das unablässige Arbeiten an Bergen, Felsen, Befestigungsanlagen und Belagerungswerken ist in der Dyrrachium-Episode be 47 Cf. z. B. Caes. civ. 3, 71 f. 48 Cf. z. B. Plut. Pomp. 65, 5: […] ὥστε εἰπεῖν Καίσαρα πρὸς τοὺς φίλους ὅτι σήμερον ἂν ἡ νίκη παρὰ τοῖς πολεμίοις ἦν, εἰ τὸν νικῶντα εἶχον; ähnlich App. civ. 2, 62. 49 Im Einzelnen cf. hierzu Radicke (2004), 357–371. 50 Zu Scaeva cf. Leigh (1997), 158–190; Hömke (2010). 51 Zur motivischen Gestaltung der Dyrrachium-Episode cf. Schönberger (1960/1970), 506 f.; speziell zum Gleichnis Kersten (2014), 41–43.

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stimmend.52 Der dargestellte Felssturz scheint allerdings bedenklich. Pompeius selbst hat durch taktisches Geschick den am Meer gelegenen und den Wellen trotzenden Berg Petra besetzen können (23 ff.). Mit Blick darauf hat der Vergleich schon von vornherein eine ungünstige Konnotation. Sicher doppeldeutig ist aber die Wendung seramque sibi parat unda ruinam (267). Ein Scholiast verweist auf Pompeius’ Tod: ita Pompeius infatigabilis fuit, quamquam sero moriturus.53 Diese Interpretation ist allerdings etwas zu grob, denn es lässt sich einwenden, dass der Felssturz dem Meer nichts anhaben kann. Es wird danach immer noch da sein, während der ihm entgegenstehende Berg vernichtet ist. Pompeius siegt unzweifelhaft, die Sache ist subtiler. Flut als Bild für den Zorn ist hier ein wichtiger Ausgangspunkt:54 Pompeius, so suggeriert es das Gleichnis, wird so lange zürnend gegen den Feind kämpfen, bis dieser endlich vernichtet ist und stürzt. So wie dann die Wellen sich wieder beruhigen, wird endlich auch der Zorn nachlassen. Das scheint plausibel, immerhin wird Pompeius in Dyrrachium siegen. Freilich ist Zorn oft verderblich. Das wenige Verse später folgende Dammbruchgleichnis führt die Motivik etwas variiert weiter und betont noch einmal die gewaltige Schlagkraft der Pompeianer (6, 272–278): sic pleno Padus ore tumens super aggere tutas excurrit ripas et totos concutit agros; succubuit si qua tellus cumuloque furentem undarum non passa ruit, tum flumine toto275 transit et ignotos operit sibi gurgite campos: illos terra fugit dominos, his rura colonis accedunt donante Pado.

So verlässt der Po die sicheren Ufer und erschüttert die Äcker, wenn er sich an seiner Mündung staut und den Damm überströmt. Wenn irgendwo die Erde in großer Masse niederstürzt, weil sie die wütenden Wassermengen nicht mehr erträgt, dann fließt er mit all seinen Fluten darüber hinweg und bedeckt unbekannte Felder mit seinem Wasser: Hier flieht die Erde vor ihren Herren, dort kommt neues Land zu den Siedlern, weil es der Po ihnen gibt.

Auch hier gibt schließlich das Land nach, das Wasser siegt. Das Bild des Landes, das durch die Wirkung der Überschwemmung die domini verlässt und anderswo gewissen coloni zugutekommt (278), erlaubt überdies, wie bei dem Stiergleichnis, nach den Gedanken bzw. dem Selbstbild der vom Gleichnis Betroffenen zu fragen. Es ist leicht anzunehmen, dass die Pompeianer sich selbst so mächtig wie ein reißender Strom vorkommen und dass sie von ihrem Angriff die Schä 52 Cf. 6, 11 ff., 29 ff., 48 ff., 118 ff. Hierzu cf. Saylor (1978). 53 CB ad loc.; etwas anders SASL ad 6, 264: ut postea noua fluctuatio fiat, sic paulatim nimia belli ruina parabatur. 54 Cf. SASL ad 6, 264: Pompeius, quia liceret corpore quiesceret, animo fluctuabat. Für das Flutmotiv für den Zorn cf. Lucr. 3, 294; 6, 74; Verg. Aen. 12, 831; Ov. trist. 1, 11, 10; Manil. 5, 221; Sen. de ira 1, 10, 2; 2, 35, 3; 3, 14, 4; 3, 25, 2; Lucan. 5, 118.

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digung der domini bzw. die Wiederherstellung ›republikanischer‹ Besitzverhältnisse erwarten. Die Leser erinnert dieses Gleichnis allerdings auch an die Beschreibung des Po aus dem Finale des ersten Georgica-Buches: proluit insano contorquens ­uertice siluas  | fluuiorum rex Eridanus camposque per omnis  | cum stabulis armenta tulit. (georg. 1, 481 ff.).55 Hier gehört die Überschwemmung zu den Wunderzeichen, die nach dem Tod Caesars auftreten. Zwei interpretative Folgerungen sind möglich: Erstens lässt sich an den Untergang Caesars denken, der, auch wenn Dyrrachium noch nicht das Ende ist, unabwendbar bevorsteht. Der zweite Gedanke ist etwas düsterer. In den Georgica ist der insanus uertex Ausdruck einer gestörten, nicht einer kraftvoll wiederhergestellten Ordnung. Der Po ist ein Symbol für das Chaos der Bürgerkriege, das die Arbeit der Bauern zunichtemacht.56 Wie nützlich könnte die Überschwemmung für die coloni wirklich sein? Die Leser können in der Anspielung also wiederum, wie beim Stiergleichnis, die Korrektur der pompeianischen Erwartungen finden.57 Der Fortgang der Erzählung begünstigt dies. Als Caesar die Wirkung des Angriffs erkennt, heißt es: inuenit impulsos presso iam puluere muros | frigidaque, ut ueteris, deprendit signa ruinae (6, 280 f.). Hier ist zwar das Motiv der sera ruina wieder aufgegriffen: Was zunächst als Vorausahnung angekündigt wurde, ist nun im Rückblick zu sehen, der Berg liegt darnieder.58 Aber da die Leser wissen, dass Caesar nicht bezwungen ist, erscheint, wie auch bei der Pest, der Erfolg der Senatspartei nur gering. Hierin liegt der Schlüssel zu dem Wellengleichnis. Je länger man es betrachtet, desto unheimlicher wirkt es und desto mehr wird es zur Fortsetzung des Stierbildes. Pompeius befindet sich bei Dyrrachium wegen der tollkühnen Intervention Scaevas wieder in Bedrängnis: hac parte castrorum repulsus. Wie im Fall des unterlegenen Stiers (pulsus armentis) muss nun eine Reaktion folgen. P ­ ompeius zieht sich nicht etwa ermüdet zurück. Sein Angriff ›entspricht‹ dem Angriff des Stiers, wie er in den Georgica gleichnishaft beschrieben ist. Das wird nicht nur motivisch nahegelegt, sondern zeigt sich auch in der rhythmischen Gestaltung:59 55 Cf. Fantham (1992) ad 2, 408 ff.; Radicke (2004), 365 zur »zivilisatorischen Wirkung« des Flusses Po. 56 Cf. Thomas (1988) ad loc. mit Ap. Rh. 4, 1282 f.; georg. 3, 471 ff. 57 Luck (2009) übernimmt Bentleys Konjektur fultas für tutas (272). Der Zweifel, für wen die Ufer tutae sind, gehört zu dem Gleichnis. Auch den flussgleichen Pom­peianern tut der überströ­mende Angriff letztlich nicht gut. 58 Andererseits ist ein ähnlicher Effekt auch beschrieben, als von der Entstehung des Landes um Pharsalos berichtet wird: postquam discessit Olympo | Herculea grauis Ossa manu subitaeque ruinam | sensit aquae Nereus (6, 347 ff.). Hier hat zwar das Wasser den Felssturz nicht verursacht, aber es spürt die Folge. 59 Längen und Kürzen sind jeweils gleich verteilt nach der Penthemimeres im ersten Vers, nach der bukolischen Diärese im zweiten (wobei sich der vordere Teil nur im ersten Fuß unterscheidet) und zwischen Trithemimeres und Hephthemimeres im dritten. Heitland (1887),

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fluctus uti medio ǁ coepit cum albescere ponto, longius ex altoque sinum trahit ǁ utque uolutus ad terras ǁ immane sonat ǁ per saxa neque ipso monte minor […] (georg. 3, 237–240)

quam mare lassatur ǁ cum se tollentibus Euris  frangentem fluctus scopulum ferit ǁ aut latus alti montis adest ǁ seramque sibi ǁ parat unda ruinam.  (Lucan. 6, 265–267)

Lucan gebraucht hier aber nicht nur eine ähnliche Verstechnik wie Vergil, sondern er weist auch zurück auf die literarischen Vorbilder der Georgica-Passage, indem er, wie Homer und Sophokles, die wirkenden Winde namentlich benennt.60 Gehalt und Kontext der jeweiligen Stellen sind dabei durchaus von Bedeutung. Im Δ der Ilias steht das Wellengleichnis für einen Angriff der Griechen (Δ 422–426):61 ὡς δ᾽ ὅτ᾽ ἐν αἰγιαλῷ πολυηχέϊ κῦμα θαλάσσης ὄρνυτ᾽ ἐπασσύτερον Ζεφύρου ὕπο κινήσαντος· πόντῳ μέν τε πρῶτα κορύσσεται, αὐτὰρ ἔπειτα χέρσῳ ῥηγνύμενον μεγάλα βρέμει, ἀμφὶ δέ τ᾽ ἄκρας κυρτὸν ἐὸν κορυφοῦται, ἀποπτύει δ᾽ ἁλὸς ἄχνην.

Wie wenn am vieltönenden Gestade die Flut des Meeres herandrängt, wieder und wieder unter dem Wehen des Zephyr: Zuerst behelmt sie sich auf dem Meer, dann aber, zerbrechend am Festland, steigt sie hoch bis an die Gipfel heran, speit aus den Schaum der Salzflut.

Dieser Angriff bringt keineswegs den erhofften Durchbruch, fordert aber viele Opfer, wie es am Schluss des Buches heißt.62 Während bei Homer die Westwinde wehen, sind es im zweiten, von der ἄτη handelnden Stasimon der Antigone, wie xcv bemerkt ganz knapp zu 6, 265 ff.: »That Lucan could have given more rhythmic variety than he has done may I think be proved by lines of Vergilian ring that lie here and there embedded in his work.« Vergil verwendet die gleiche Struktur mit nur leicht anderer rhythmischer Gestaltung auch in Aen. 7, 528–530 (hier im dritten Vers mit Diärese nach dem ersten Fuß und Penthemimeres). Dieses Gleichnis bezeichnet den Beginn des von Allecto angeregten Kampfes. Hier besteht, wie bei Lucan, das Wie-Stück des Gleichnisses nur aus drei Zeilen. – Zur Stellung des lucanischen Hexameters in der epischen Tradition cf. Ceccarelli (2015). 60 Vermutlich ist es kein Zufall, dass es Ostwinde sind. In dem Gleichnis 2, 454 ff., das den Einfluss der Parteien in Italien betrifft, wird Pompeius mit dem Wehen des Auster verglichen, Caesar hingegen mit dem des neu aufziehen­den, herausfordernden Eurus. Fantham (1992) bemerkt ad loc: »The storm simile 454–60 borrows its terms from the storm of Aeneid 1, and L. may intend a correspondence between the disruptive east wind stirred up by Aeolus and the sedition of Virgil’s Aeolus in raising a storm contrary to the will of Jupiter. The south wind (Auster 454 and Notus 460) is the spirit of loyality to the republic, the sea itself corresponds to the Italian towns.« Die Eiche des leitmotivischen Gleichnisses 1, 135 ff. wird zudem vom Eurus bedrängt. – Seneca verweist in seinen Ausführungen zur Anzahl der Winde darauf, dass der Eurus (u. a. von Livius, 22, 43, 10) auch Volturnus genannt werde. Einzig über diesen Wind fügt er eine historische Bemerkung hinzu: Hannibal habe bei Cannae den Beistand dieses Windes genossen (uenti adiutoriuo uicit, Sen. nat. 5, 16, 4). 61 Motivisch ähnlich ist Catull. 64, 269 ff., der Vergleichspunkt ist jedoch ein ganz anderer, nicht (angreifendes) Herankommen, sondern der Rückzug der Hochzeitsgäste. 62 Δ 543 f.: πολλοὶ γὰρ Τρώων καὶ Ἀχαιῶν ἤματι κείνῳ | πρηνέες ἐν κονίῃσι παρ’ ἀλλήλοισι τέταντο.

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bei Lucan, die Ostwinde. Auch der Schlag gegen das Gestade, auf den bei Lucan viel Wert gelegt ist (scopulum ferit), findet sich bei Sophokles, hier ist sogar von Seufzen die Rede: στόνῳ βρέμουσι δ᾽ ἀντιπλῆγες ἀκταί. Das so beschworene Bild ist erschreckend. In den Georgica trägt es nicht wenig zur Verdüsterung des Wellengleichnisses bei:63 Was für ein Sieg sollte das sein, der in einem solchen Kampf errungen wird? Möglicherweise ist es gerade beabsichtigt, dass auch Lucans Leser die Georgica-Stelle solchermaßen deuten (Ant. 583–592): εὐδαίμονες οἷσι κακῶν ἄγευστος αἰών. οἷς γὰρ ἂν σεισθῇ θεόθεν δόμος, ἄτας οὐδὲν ἐλλείπει γενεᾶς ἐπὶ πλῆθος ἕρπον585 ὅμοιον ὥστε ποντίον οἶδμα δυσπνόοις ὅταν Θρῄσσαισιν ἔρεβος ὕφαλον ἐπιδράμῃ πνοαῖς, κυλίνδει βυσσόθεν κελαινὰν θῖνα καὶ δυσάνεμοι,590 στόνῳ βρέμουσι δ᾽ ἀντιπλῆγες ἀκταί.

Glücklich, die in ihrem Leben vom Übel nie kosteten. Denen nämlich das Haus von den Göttern erschüttert wird, denen bleibt keine Qual aus, zahlreich kriechen sie über das ganze Geschlecht. Gleich wie wenn die Flut des Meeres unter ungünstigen Thrakischen Winden übers Dunkel der See hinwegzieht, vom Boden wälzt sie schwarzen Sand, mit Seufzen dröhnt das geschlagene Gestade.

In allen angeführten Stellen ist von der Wucht des anprallenden, sich an den Klippen brechenden Wassers die Rede, nie jedoch davon, dass das Festland nachgibt. Tatsächlich ist ja die Beständigkeit des Festlandes, ›der Fels in der Brandung‹, seinerseits ein aussagekräftiges Gleichnismotiv, eine »imago rei ad sensum obvia et a multis frequentata, ut exempla coacervare pigeat«, wie Christian Gottlob Heyne zu Aen. 7, 586 ff. lapidar bemerkt hat.64 Auch von Lucan ist dieses Bild bereits verwendet worden. Als Pompeius sich nach Brundisium zurückzieht, heißt es über den dortigen Hafen: [sc. non] portus erat, si non uiolentos insula Coros | exciperet saxis lassasque refunderet undas (2, 617 f.). Das Wellengleichnis für Pompeius ist somit zwar eine beeindruckende Übersteigerung, aber es ist nicht besonders glaubwürdig.65 Und das soll auch auffallen. Zum heftig 63 Cf. Thomas (1988) ad 3, 241 zur »conflation«; entscheidend ist der ›schwarze Sand‹, ähnlich auch Hom. μ 242 f.: ὑπένερθε δὲ γαῖα φάνεσκε | ψάμμῳ κυανέη· τοὺς δὲ χλωρὸν δέος ᾕρει; cf. Mynors (1990) ad loc.; zur Bedeutung der Farben und dazu, dass Vergil den Kampf »negativ einschätzt« cf. Schindler (2000), 175 f. 64 Heyne / Wagner (41833), 84 f. mit Verweis auf Hom. Ο 618 ff.; cf. auch die angesichts des Gleichnisinhalts durchaus unpassende, auf die Wortfolge bezogene Bemerkung bei CB ad 6, 265: quis enim credat saxa fluctibus fatigari? Für weitere Beispiele cf. Blaschka (2015), 176 f. 65 Allerdings berichtet der Erzähler von einer ähnlichen Flutwirkung, und zwar in der Sturmbeschreibung: a quoti­ens frustra pulsatos aequore montis | obruit ille dies! quam celsa cacumina pessum | tellus uicta dedit! (5, 615 ff.), zu den gewaltigen Dimensionen dieses Bildes cf. Matthews (2008) ad 5, 615–17. Hierbei ist aber von Überschwem­mung die Rede, nicht von Aushöhlen. Die Widerstandskraft der Berge nimmt keineswegs ab (frustra pulsati), nur das Wasser nimmt während des Sturms zu. Es kommt sozusagen zu einer ›zeitweiligen Vernichtung‹. Denn der Adria-Sturm wird nicht ewig dauern, irgendwann werden die Berge wieder auftauchen; es ist also fraglich, wie sehr diese Stelle im Wellengleichnis nachwirkt.

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ersehnten Sturz des Berges muss es zwar unweigerlich später einmal kommen, aber wird es dann nicht schon zu spät sein? Wenn hiermit an Vergils Wellengleichnis erinnert wird, so auch an den Kampf der Stiere; und dann sowohl an denjenigen der Georgica als auch den des Bellum Ciuile. Während in den Georgica das Gleichnis nur eine Andeutung für den Ausgang der Revanche ist, wird hier ein ›Sieg‹ der Welle klar vorhergesagt. Kann jedoch die sera ruina (6, 267) wirklich etwas anderes sein als das mox uictor trahit (2, 605), nämlich bloßes Wunschdenken? – ipse nequit. Im Anschluss wird erzählt, wie Pompeius angreift. Durch einen Standortwechsel des Erzählers, der plötzlich davon spricht, wie Caesar die Folgen des Angriffs sieht (inuenit impulsos presso iam puluere muros, 6, 280), scheint es, als sei alles sehr kraftvoll und schnell vor sich gegangen. Caesar lässt sich vom Zorn leiten, ire uel in clades properat dum gaudia turbet (284), greift eine Abteilung unter Führung des Pompeianers Torquatus an, dieser zieht sich auf engeres, von Mauern geschütztes Gelände zurück, Caesar setzt ihm nach. Nun stürzen sich von allen Anhöhen die übrigen Pompeianer auf ihn. Die Caesarianer sind alsbald von blinder Furcht ergriffen, kopflos laufen sie den Feinden noch entgegen, die Schlacht ist verloren. Da heißt es plötzlich (6, 299–306; 310–313):66 […] totus mitti ciuilibus armis usque uel in pacem potuit cruor: ipse furentis300 dux tenuit gladios. felix ac libera regum, Roma, fores iurisque tui, uicisset in illo si tibi Sulla loco. dolet, heu, semperque dolebit quod scelerum, Caesar, prodest tibi summa tuorum, cum genero pugnasse pio. pro tristia fata! 305 non […] Poenorumque umbras placasset sanguine fuso310 Scipio, nec sancto caruisset uita Catone. ultimus esse dies potuit tibi Roma malorum, exire e mediis potuit Pharsalia fatis.

Da hätten nun die Bürgerwaffen alles Blut vergießen und den Frieden erlangen können. Aber der Feldherr selbst hält die rasenden Schwerter zurück. Glücklich und frei von Königen wärst du, Rom, im Besitz deiner Rechte, wenn an dieser Stelle ein Sulla für dich gesiegt hätte. Ach, es schmerzt, wird immer schmerzen, Caesar, dass dir der Gipfel deiner Verbrechen so nützt: Mit einem frommen Schwiegersohn gekämpft zu haben. O, trauriges Schicksal. Nicht … hätte Scipio mit seinem vergossenen Blut die punischen Schatten erfreut, nicht hätte das Leben einen heiligen Cato verloren. Das hätte für dich, Rom, der letzte Tag des Übels sein können, und Pharsalus hätte geradewegs seinem Geschick entgehen können.

Pompeius versteht nicht zu siegen. Dass er die Schwerter zurückhält, scheint desto unverständlicher, als er sich, wie es in der Erzählung weiter heißt, sofort an die Verfolgung des fliehenden Caesar machen will und erklärt, er werde nicht

66 Zu dieser Stelle, vor allem mit Blick auf den Charakter des Pompeius cf. Glaesser (1984), 118–120.

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nach Rom zurückkehren, wenn er nicht zuvor alle Soldaten habe entlassen können (314 ff.). Was im Stiergleichnis angekündigt wurde, ist hier, bei der ersten Begegnung beider Feldherren, sogleich bestätigt worden: Pompeius rächt sich nicht. Der gewaltige Angriff, von dem das Wellengleichnis vorhergesagt hat, er werde den Umsturz ermöglichen, verfehlt seine Wirkung. Sei es nun, weil derartige Hoffnungen einfach überzogen waren oder weil Pompeius am Ende doch nicht die zerstörerische Besessenheit wie die eines vom Liebeswahn geleiteten Stiers hat und vielleicht sogar ahnt, dass er nichts mehr tun kann. genero pugnasse pio: Der Erzählerkommentar ist jedenfalls mehrdeutig. Da ist einerseits die Trauer über das Fortdauern der Bürgerkriege und die vielen vermeidbaren Opfer und andererseits die Ahnung, dass ein finaler Sieg bei Dyrrachium nicht im Einklang mit pietas möglich gewesen, sondern nach der Art Caesars blutig erkauft worden wäre, und, wie schon in Spanien, erdrückende Schuld auf die vermeintlichen Sachwalter der römischen Republik geladen hätte. So liegen hier Lob und Verurteilung nah beieinander.

3.1.3 Abermals den Taurus … Am Ende, auf der Flucht nach der Schlacht von Pharsalos, als kaum geleugnet werden kann, dass alles verloren ist, schickt Pompeius den König Deiotarus zu den Parthern, um von ihnen Unterstützung zu erbitten. Es ist recht gut möglich, diese Stelle als Erwiderung auf die falsche Zuversicht des Stiergleichnisses zu sehen (8, 237–258): ›[…] Pompeio uincite, Parthi, uinci Roma uolet.‹ regem parere iubenti ardua non piguit, positisque insignibus aulae egreditur famulo raptos indutus amictus.240 in dubiis tutum est inopem simulare tyranno; Q uanto igitur mundi dominis securius aeuum V erus pauper agit! dimisso in litore rege I pse per Icariae scopulos, Ephesonque relinquens E t placidi Colophona maris, spumantia paruae245 R adit saxa Sami; spirat de litore Coo A ura fluens; Cnidon inde fugit claramque relinquit S ole Rhodon magnosque sinus Telmessidos undae conpensat medio pelagi. Pamphylia puppi occurrit tellus, nec se committere muris250 ausus adhuc ullis te primum, parua Phaseli, Magnus adit; nam te metui uetat incola rarus exhaustaeque domus populis, maiorque carinae quam tua turba fuit. tendens hinc carbasa rursus iam Taurum Tauroque uidet Dipsunta cadentem. 255 crederet hoc Magnus, pacem cum praestitit undis,

›Parther, siegt für Pompeius! Rom will besiegt werden.‹ – Den König störte es nicht, dem harten Befehl zu folgen. Er legt die Insignien seiner Macht ab und bricht auf, gehüllt in einen Umhang, den er einem Bettler abgenommen hat. In unbestimmter Lage ist es für einen Herrscher besser, den Mittellosen vorzutäuschen. Um wie viel glücklicher als die Herren der Welt führt doch der Arme sein Leben! Nachdem der König am Ufer abgesetzt ist, fährt er selbst durch die ikarischen Klippen hindurch, lässt Ephesos hinter sich und Kolophon, wo das Meer so freundlich ist, er fährt hart an den umschäumten Felsen der kleinen Insel Samos vorbei, von der Küste von Cos kommt ein frischer Wind. Vor Knidos flieht er sodann, lässt auch Rhodos hinter sich, das berühmt ist für seinen

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et sibi consultum? Cilicum per litora tutus parua puppe fugit.

Sol, und das heftige Wallen der Fluten von Telmessos umgeht er mitten auf dem Meer. Das pamphylische Festland erscheint vor dem Schiff. Und obwohl er bis jetzt nicht gewagt hat, sich irgendwelchen Mauern anzuvertrauen, nähert Magnus sich dir, kleines Phaselis, denn dich zu fürchten verbieten die geringe Zahl der Einwohner und die entvölkerten Häuser; größer war die Zahl der Schiffe als die deiner Menschen. Von hier wandte er das Boot, wiederum, sah jetzt das Stiergebirge und vom Stier herabfallen den Durstfluss. Hätte Magnus das gedacht, als er diesen Wellen den Frieden brachte, dass er für sich selbst vorsorge: Auf einem kleinen Boot flieht er, sicher, entlang der kilikischen Küste.

Das etymologische Spiel mit dem Namen des Taurusgebirges wird hier wieder aufgegriffen: Pompeius sieht den ›Stier‹, den bezwungen zu haben er sich rühmen konnte. Sieht er auch sich, den nun endgültig geschlagenen Stiergleichen? Ein Einblick in Pompeius’ Gedankenwelt ist immerhin mit der Frage crederet hoc gegeben. Wenn man zudem das Akrostichon QVI ERAS in den Versen über die Verkleidung des Deiotarus (238–242) für eine absichtlich komponierte Apostrophe des Dichters halten will,67 besteht erst recht Anlass, wie im Fall des subjektiv fokalisierenden und akrostichisch objektiv kommentierten Stiergleichnisses, nach den Gedanken des Pompeius zu fragen:68 Als bei Pharsalos alles entschieden war, hat der Erzähler kommentiert: quid fueris nunc scire licet (7, 689), und in einer langen Apostrophe ausgebreitet, dass er sich mit dem Sterben abfinden solle: aspice securus uultu non supplice reges, | aspice possessas urbes donataque regna, | Aegypton Libyamque, et terras elige morti (7, 709 ff.). Dazu, scheint es, ist Pompeius aber noch nicht bereit, sondern wendet sich – und sollte doch wissen, dass es nicht nur aussichtlos, sondern auch würdelos ist – an die Parther. Wenn er hierbei seinen Günstling Deiotarus um Hilfe bittet (superest, fidissime regum, | Eoam temptare fidem, 8, 212 f.), so klingt das für die Leser, die wissen, wie wankelmütig der König ist, als erinnere ihn Pompeius nur noch

67 Hierzu cf. Kersten (2017). 68 Der Text der betreffenden Verse ist jedenfalls nicht zweifelhaft, und die Frage qui eras?, ›Wer warst du?‹ (zum Stil cf. Cic. div. in Caec. 20/37; Liv, 1, 41, 3 sowie KSt II § 120, Anm. 1), ergäbe, an Pompeius gerichtet, durchaus Sinn, zumal vor dem Hintergrund des Akrostichons in 2, 601 ff. Das Augenmerk der Leser würde darauf gelenkt, dass Pompeius einmal in der Lage war, die Welt zu beherrschen, und sich nun (wie Deiotarus) besser als Bettler durch die Lande schlagen müsste.

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vergeblich an die Treue, die er bald brechen wird.69 Qui eras: Begreift Pompeius immer noch nicht, dass er zwar einmal der Beherrscher der Welt war, aber nun nicht mehr in die Lage kommen wird, es je wieder zu sein, und dass schon seine Selbsteinschätzung in Italien, wie ein siegesgewisser Stier Kampfesvorbereitungen zu treffen, falsch gewesen ist?70 Die Leser jedenfalls können sich durch das eigenartige, an sich kaum aussagekräftige Polyptoton Taurum Tauroque leicht aufgefordert fühlen, wieder an das Stiergleichnis zu denken. Und vielleicht verbinden sie angesichts des kuriosen Namens Dipsus, ›Dürster‹, den Lucan wohl anstelle des bekannteren Kataraktes verwendet,71 hiermit noch den eindrucksvollen Bericht über den ersten großen Kampf zwischen beiden Kriegsparteien und die unabwendbare Niederlage der Pompeianer: Ilerda, wo die dürstenden Legionäre letztlich doch von ihrem Feldherrn ›abfielen‹ und sich von Caesar begnadigen ließen. Hinter Lucans Durstfluss scheint ein sehr erschreckendes Motiv aus den Theriaka des Nikander zu stehen. Zur Beschreibung dafür, wie das Gift der Dipsas wirkt, dient dort ein saufender Stier (Ther. 334–342): Ναὶ μὴν διψάδος εἶδος ὁμώσεται αἰὲν ἐχίδνῃ παυροτέρης, θανάτου δὲ θοώτερος ἵξεται αἶσα,335 οἷσιν ἐνισκίμψῃ βλοσυρὸν δάκος· ἤτοι ἀραιή αἰὲν ὑποζοφόεσσα μελαίνεται ἄκροθεν οὐρή· δάχματι δ’ ἐμφλέγεται κραδίη πρόπαν, ἀμφὶ δὲ καύσῳ χείλε’ ὑπ’ ἀζαλέης αὐαίνεται ἄβροχα δίψης·

Ja, die Gestalt der Dipsas ist stets der Viper ähnlich, sie ist zwar kleiner, das Todeslos kommt aber schneller für die­jenigen, die sie mit ihrem schrecklichen Biss trifft. Fürwahr, der schmale Schwanz ist von der Spitze her mit

69 Zur Untreue gegenüber Pompeius cf. Cic. Deiot.; Postgate (1917), xxxiv. – Pikant an Lucans Darstellung ist, dass sich Pompeius’ bzw. Caesars Macht gerade an Deiotarus Philorhomaios zeigt. Pompeius hat ihn zum König gemacht, Deiotarus ist sein Verbündeter. Als solcher legt er hier nun für Pompeius seine Insignien ab. Die Leser wissen, dass Deiotarus sich nach Pompeius’ Niederlage nicht halten kann, aber schließlich von Caesar milde be­handelt und wieder in seine alten Rechte eingesetzt wird. Im Corpus Caesarianum wird ausführlich und mit Hinweis auf die Machtverhältnisse beschrieben, wie er seine königlichen Insignien zurückerhält (cf. Ps.-Caes. bell. Alex. 67/68). Zu Deiotarus’ Opportunismus und Pompeius’ Naivität umfassend Tracy (2016). 70 Eine andere Verzierung mit ähnlicher Wirkung ist der Reim anlässlich der Flucht, 7, 677 ff.: tum Magnum concitus aufert | a bello sonipes non tergo tela pauentem | ingentisque animos extrema in fata ferentem. Zur Junktur ingentis animos cf. georg. 4, 81 f., die Beschreibung des Bienenkrieges: ipsi per medias acies insignibus alis | ingentis animos angusto in pectore uersant. 71 Cf. ASL ad loc.: nomen est fluuii ueluti ab undis sitientibus appellatum; hic autem de Tauro monte profluit aut in fluuium Taurum decurrit; Burman (1740) ad loc. verweist auf Strab. geogr. 14, 4, 1 und den Fluss Kataraktes (heute wohl Düden), der bei Attaleia als großer Wasserfall ins Mittelmeer mündet. Die Namen Dipsus oder Dipsas lassen sich aber, soweit ich sehe, weder für den Kataraktes noch sonst für Flüsse in Kleinasien nachweisen. Neben Dipsunta finden sich, vor allem in älteren Ausgaben u. a. auch die Formen Dipsanta sowie Dipsonta cf. Oudendorp (1728), ad loc.; Burman (1740), ad loc.; umfassend hierzu Postgate (1917), lxxxii–lxxxvii.

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αὐτὰρ ὅγ’, ἠΰτε ταῦρος ὑπὲρ ποταμοῖο νενευκώς,340 χανδὸν ἀμέτρητον δέχεται ποτὸν εἰσόκε νηδύς ὀμφαλὸν ἐκρήξειε χέῃ δ’ ὑπεράχθεα φόρτον.

schwärzlichem Dunkel überzogen. Nach dem Biss entbrennt das ganze Herz, in dem Fieber dörren die Lippen gänzlich aus vom trockenen Durst. Und dann: Wie ein Stier, der sich über den Fluss beugt, nimmt man mit weit geöffnetem Mund einen unermessli­chen Trank auf, bis der Bauch den Nabel aufsprengt und die übergroße Menge herausschüttet.

Zwar kommt wohl die berüchtigte Dipsasschlange, die man mit der persischen Trughornviper identifiziert hat,72 in Kleinasien nicht vor. Es geht aber in Lucans Passage nicht darum, Geographie und Tierwelt dieser Gegend zu beschreiben, sondern darum, von der Flucht des geschlagenen Pompeius zu erzählen. Die Motive, die hier gebraucht sind, ›Fehler‹, ›Stier‹, ›Durst‹,73 finden sich ähnlich auch in den Theriaka, und zwar in einem didaktisch bedeutenden Zusammenhang.74 Hierauf weist nicht nur Lucans eigenartiger Dipsus hin, sondern auch der Umstand, dass in Vers 245, der Mittelzeile des Akrostichons QVI ERAS , die Stadt Kolophon, Nikanders Heimatort, genannt wird. Das berühmte Namensakrostichon des Dichters (das mutmaßlich ein Vorbild für Lucans kryptographische Ambitionen gewesen sein dürfte) befindet sich gerade an jener Stelle, wo das pathetische Aition vom Altern und Sterben der Menschen erzählt wird – als Fabel von der Dipsasschlange (Ther. 343–358):75 ὠγύγιος δ’ ἄρα μῦθος ἐν αἰζηοῖσι φορεῖται, ὡς, ὁπότ’ οὐρανὸν ἔσχε Κρόνου πρεσβίστατον αἷμα, Ν ειμάμενος κασίεσσιν ἑκὰς περικυδέας ἀρχὰς345 Ι δμοσύνῃ, νεότητα γέρας πόρεν ἡμερίοισι Κ υδαίνων· δὴ γάρ ῥα πυρὸς ληΐστορ’ ἔνιπτον. Α φρονες· οὐ γὰρ τῆς γε κακοφραδίης ἀπόνηντο. Ν ωθεῖ γὰρ κάμνοντες ἀμορβεύοντο λεπάργῳ Δ ῶρα· πολύσκαρθμος δὲ κεκαύμενος αὐχένα δίψῃ 350 Ρ ώετο· γωλειοῖσι δ’ ἰδὼν ὁλκήρεα θῆρα Ο ὐλοὸν ἐλλιτάνευε κακῇ ἐπαλαλκέμεν ἄτῃ Σ αίνων. αὐτὰρ ὁ βρῖθος, ὃ δή ῥ’ ἀνεδέξατο νώτοις,

Eine alte Erzählung wird unter den Menschen verbreitet, wie, als des Kronos ältestes Blut den Himmel hielt, nachdem er in seiner Weisheit den Brüdern die weitberühmten Herrschaftsbereiche zugeteilt hatte, wie er da den Sterblichen die Jugend gab, um sie zu ehren, denn sie hatten den Feuerdieb verraten. – Die Toren, in ihrem Unverstand zogen sie daraus keinen Gewinn. Einem weißgrauen Esel vertrauten die

72 Cf. Wick (2004b) ad Lucan. 9, 718; Overduin (2010/2015) ad Nik. Ther. 334–58. 73 Der Durst als Motiv für die Unausweichlichkeit des Untergangs der Pompeianer erscheint nicht nur in der Ilerda-Episode, sondern auch im Bericht über den Fall des unglücklichen Aulus, der in Libyen von einer Dipsasschlange gebissen wird, cf. 9, 737 ff., dazu Leigh (1997), 265–273; Wick (2004b), 311–314; Zientek (2014), 139. Zur Bedeutung von Nik. Ther. 334–342 für Lucan. 9, 736 ff. cf. Raschle (2001), 62 f. 74 Zur Wirkung des in dem Zusammenhang völlig unerwarteten idyllischen Stierbildes als einem Moment von »diversion in suspense« cf. Overduin (2010/2015) ad loc. 75 Zur Wirkung des Akrostichons an dieser bedeutungsschweren (und intertextuell besonders determinierten) Pas­sage cf. Sullivan (2013); Overduin (2010/2015) ad loc.

Der morsche Baum ᾔτεεν ἄφρονα δῶρον, ὁ δ’ οὐκ ἀπανήνατο χρειώ. ἐξότε γηραλέον μὲν ἀεὶ φλόον ἑρπετὰ βάλλει355 ὁλκήρη, θνητοὺς δὲ κακὸν περὶ γῆρας ὀπάζει· νοῦσον δ’ ἀζαλέην βρωμήτορος οὐλομένη θήρ δέξατο, καί τε τυπῇσιν ἀμυδροτέρῃσιν ἰάπτει.

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Mühevollen das Geschenk an. Der Springer, der Hals brannte ihm vom Durst, stürzte davon. Da sah er, wie das Schlangenbiest aus seinem Schlupfwinkel hervorkroch, das verderbliche. Und unterwürfig bat er, ihn von seinem schlimmen Elend zu befreien. Doch die Last, die er auf seinen Rücken genommen hatte, verlangte die Schlange von dem Toren als Geschenk, und der Esel wies den Wunsch nicht zurück. Seitdem werfen die kriechenden Schlangen stets ihre alte Haut ab. Doch die sterblichen Menschen ereilt das elende Alter. Aber auch die trockene Plage des Esels nahm das verderbliche Tier mit fort, und mit nur schwachen Bissen überträgt sie sie.

In ihrer Dummheit haben die Menschen das Geschenk der Götter nicht zu nutzen vermocht; der Durst eines Esels ist ihnen zum Verhängnis geworden. Alles verspielt zu haben  – das ist die Erkenntnis, die sich Pompeius angesichts der vom Taurus herabstürzenden Kaskaden eigentlich darbieten sollte, die er aber, in seiner Hoffnung auf die Parther, anscheinend noch nicht wahrhaben will. Pompeius sieht das Taurusgebirge und einen Fluss bzw. Wasserfall, dessen sprechender Name den Lesern bisher unbekannt sein dürfte (und der wahrscheinlich die übliche geographische Bezeichnung überdeckt). Diese ›Verrätselung‹ fordert zu weiteren Assoziationen auf; und die Uneindeutigkeit der Formulierung tendens hinc carbasa rursus | iam Taurum Tauroque uidet Dipsunta cadentem begünstigt dies: Bedeutet das prominent am Versende stehende rursus nun ausschließlich rurus tendit oder auch rursus uidet? Der zweite Fall ist nicht nur ebenfalls plausibel,76 er ist auch der interessantere. Die Bemerkung, Pompeius sehe wiederum den Taurus, wirkt ähnlich wie eine ›alexandrinische Fußnote‹.77 So mag sich nicht nur Pompeius auf der Handlungsebene daran erinnern, dass er den Taurus zwar schon einmal gesehen hat (nämlich während seines Triumphes über die Piraten) und dass er, nachdem er sich mit seinem Taurumque subegi gebrüstet hatte (2, 594), wegen der Angst seiner zögernden Truppen wie ein geschlagener Stier nach Brundisium fliehen musste, sondern auch Lucans Leser haben sich zu fragen, was man über den Taurus und den 76 So verstehen beispielsweise mit Blick auf die Piratenkriege Sulpitius und Filippo Beroaldo die Stelle. 77 Hierzu siehe Hinds (1998), 1–5, bes. No. 2 mit Ross (1975), 78. Für ein sehr schönes Beispiel derartigen literari­schen ›Spiels‹, cf. z. B. Ambühl (2015), 352–355 zu Caesars Überquerung des Hellesponts auf seinem Weg nach Troia.

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­Dipsus wissen kann.78 Hierzu gehört, dass Caesar bezüglich Pompeius’ Schwäche selbst gleichnishaft von verhängnisvollem Durst gesprochen hat (›sic et Sullanum solito tibi lambere ferrum | durat, magne, sitis‹, 1, 330 f.).79 Und ebenfalls dazu gehört, wie in Catulls Peleus-Epos die Erlegung des Minotaurus beschrieben wird (Catull. 64, 105–111): nam uelut in summo quatientem brachia Tauro105 Denn wie eine Eiche auf dem Gipfel des quercum aut conigeram sudanti cortice pinum Taurus, die ihre Zweige schüttelt, oder indomitus turbo contorquens flamine robur, eine zapfentragende Pinie mit Harz auseruit (illa procul radicitus exturbata schwitzender Rinde – so wie die ein unbeprona cadit, late quaeuis cumque obuia frangens), zwingbarer Sturm herauswühlt, wenn er sic domito saeuum prostrauit corpore Theseus110 unablässig wehend seine Kraft einsetzt (und sie, mit allen Wurzeln ausgerissen, nequiquam uanis iactantem cornua uentis. fällt der Länge nach hin und zerbricht weithin alles, was ihr entgegensteht), so bezwang Theseus seinen Körper und streckte ihn nieder; vergeblich stieß der mit den Hörnern in die leeren Lüfte.

In dem fein komponierten Gleichnis wird nicht nur ebenfalls mit dem Namen des Taurusgebirges gespielt,80 es finden sich überdies die beiden zentralen Gleichnismotive, die Pompeius gewidmet sind – Eiche und Stier –, wiederum im Augenblick ihres Unterliegens, während gleichzeitig Theseus, der sturmartige Herausforderer, durchaus nicht in ungebrochenem Heroismus erscheint.81

3.1.4 Augustius aris uictoris Zum Abschluss der Betrachtungen zu Pompeius möchte ich einen Passus besprechen, der bisher in der Forschung nicht genügend gewürdigt wurde: das Ende des achten Buches. Zwar hat man Pompeius’ armselige Bestattung dis 78 Dass es jedenfalls im Zusammenhang mit Lucans Flüssen oft etwas zu wissen oder erschließen gibt, ist hoch­wahrscheinlich, wie Christine Walde mit ihren Forschungen zur poetischen Bedeutung der Hydrologie im Bellum Ciuile gezeigt hat: Nicht nur die leitmotivische Wirkung des Wassers im Allgemeinen wird im Epos von Anfang an etabliert, sondern auch die Bedeutung von Flüssen als Erinnerungsträgern, cf. Walde (2007); ähnlich Bexley (2014). 79 Hierzu cf. Blaschka (2015), 161–168. Die ›Vergiftung‹ durch unheilbares Begehren wird im neunten Buch durch die Dipsasschlange, die wie Tantalus inmitten eines Sees liegt, symbolisiert, cf. Leigh (1997), 270 f.; Leigh (2000a), 100–103. 80 Zu diesem Gleichnis, insbesondere zur Assoziation des Minotaurus mit dem Taurusgebirge cf. Konstan (1977), 93 f.; Clausen (1988), 15–17; Trimble (2010) ad loc. 81 Insofern Theseus einerseits mit dem Wind verglichen wird, das Gleichnis andererseits aber mit dem Bild der leeren Lüfte ausklingt, besteht eine gewisse Spannung. Die Selbstdarstellung des lucanischen Caesar als Sturm (uen­tus ut admittet uires, 3, 362 ff.), die eine viel deutlichere Spannung enthält, scheint ihrerseits eine vergleichbare Vorstellung von eitlem Heroismus vorauszusetzen.

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kutiert, die der Erzähler so umständlich, als sei er selbst tief bewegt von den Ereignissen, erzählt und kaum zu bewerten vermag; und auch auf die viel dauerhaftere Totenehrung, die Pompeius an Stelle einer marmoreo pondere moles (8, 866) durch das Gedicht letztlich erhält, hat man hingewiesen.82 Es lohnt aber, den metapoetischen Gehalt dieser Stelle noch etwas weiter zu verfolgen. Ein Anstoß hierzu findet sich schon im Genethliacon Lucani. Statius kommentiert hier das dichterische Schaffen Lucans mit einer Prophezeiung ex eventu, die er Calliope in den Mund legt.83 Über das Bellum Ciuile heißt es da (Stat. silv. 2, 7, 70–80, der zweite Teil von Vers 71 ist schwer zu verstehen, er muss zunächst unübersetzt bleiben):    ›tu Pelusiaci scelus Canopi70    deflebis pius et Pharo cruenta    Pompeio dabis altius sepulcrum.    haec primo iuuenis canes sub aeuo    ante annos Culicis Maroniani.    cedet Musa rudis ferocis Enni     […] ipsa te Latinis79    Aeneis uenerabitur canentem‹

›Fromm wirst du das Verbrechen des pelusischen Canopus beweinen und Pompeius ein erhabeneres Grab geben [Pharo cruenta]. Und dies wirst du singen, jung noch, im ersten Alter, früher als Maro seinen Culex schrieb. Die ungebildete Muse des wilden Ennius weicht dir …, selbst die Aeneis wird bewundern, wie du den Latinern singst.‹

Pompeius nicht schlechthin ein ewiges Gedenken, sondern ein besseres, erhabeneres Grab verliehen zu haben, werde Lucan, so sagt die Muse, schon in jungen Jahren alle anderen römischen Dichter übertreffen lassen. Für Statius’ Calliope liegt in dem poetischen Begräbnis offensichtlich der bedeutendste Gehalt des Epos. Einerseits ist damit auf den bereits erwähnten Zusammenhang zwischen armseliger Bestattung und dauerndem Ruhm im Gedicht angespielt. Aber kann das allein der Höhepunkt des Bellum Ciuile sein? Man muss die Worte, die Statius’ Calliope verwendet, etwas genauer betrachten: Pharo cruenta dabis altius sepulcrum. Heißt das: ›erhabener als Pharos [sc. es vermochte]‹84 oder ›in Pharos ein erhabeneres Grab‹?85 Sei es bewusst oder nicht, die Muse lenkt die Aufmerk 82 Vor allem im Zusammenhang mit legent et adhuc tibi, Magne, fauebunt (7, 213). – Cf. Postgate (1917) ad 8, 866 mit Sen. dial. 11, 18, 2: hoc enim unum est 〈in〉 rebus humanis opus, cui nulla tempestas noceat, quod nulla con­sumat uetustas. Cetera, quae per constructionem lapidum et marmoreas moles aut terrenos tumulos in magnam eductos altitudinem constant, non propagant longam diem, quippe et ipsa intereunt: immortalis est ingeni memo­ria. Darüber hinaus cf. Erasmo (2005); Spencer (2005), 60–65; Galtier (2010); im Hinblick auf die Erhöhung, das ›Sublime‹ des Pompeius cf. Day (2013), 219–233; Chaudhuri (2014), 181–188. Allgemein zum funus-Motiv: Blasch­ka (2014). 83 Zu Stat. Silv. 2, 7 als Literaturkritik cf. Lovatt (1999), 126–128; Malamud (1995); Newlands (2011). 84 Auf dem Berg Kasion (θινώδης τις λόφος ἀκρωτηριάζων, Strab. geogr. 16, 2, 33 f.) hat sich ein Grabmal des Pompeius befunden. Lucan erwähnt es nur indirekt (8, 858), Statius gar nicht, aber für den Vers ist dies sehr wohl von Relevanz. 85 van Dam (1984) ad loc. hält Pharos für den Leuchtturm; das ist aber nicht zwingend notwendig. – Die Leser können überdies bedenken, dass auch Alexander, dessen Epitheton

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samkeit der Leser darauf, dass Lucan selbst kurzzeitig erwägt, an der Errichtung eines Pompeiusgrabes in Rom teilzunehmen, den Gedanken dann aber anscheinend verwirft. Damit hat es mehr auf sich, als es zunächst scheint (8, 835–850):86 tu quoque, cum saeuo dederis iam templa tyranno, nondum Pompei cineres, o Roma, petisti; exul adhuc iacet umbra ducis. si saecula prima uictoris timuere minas, nunc excipe saltem ossa tui Magni, si nondum subruta fluctu inuisa tellure sedent. quis busta timebit? 840 quis sacris dignam mouisse uerebitur umbram? imperet hoc nobis utinam scelus et uelit uti nostro Roma sinu: satis o nimiumque beatus, si mihi contingat manes transferre reuolsos Ausoniam, si tale ducis uiolare sepulchrum.845 forsitan, aut sulco sterili cum poscere finem a superis aut Roma uolet feralibus Austris ignibus aut nimiis aut terrae tecta mouenti, consilio iussuque deum transibis in urbem, Magne, tuam, summusque feret tua busta sacerdos.

Auch du, Rom – einem grausamen Tyrannen hast du zwar schon Tempel errichtet, aber Pompeius’ Asche hast du noch nicht verlangt. Bis jetzt liegt der Schatten des Feldherrn als ein Verbannter am Strand. Wenn frühere Zeiten auch die Drohungen des Siegers gefürch­ tet haben, so nimm doch wenigstens jetzt die Gebeine deines Magnus auf, sofern sie noch nicht, von der Flut überspült, tief in der verhassten Erde liegen. Wer wird dies Grab fürchten; wer sich scheuen, den Schatten zu bewegen, der doch kultischer Verehrung würdig ist? Wollte Rom mir doch dies Verbrechen befehlen und meines Busens sich bedienen. Genug und übergenug des Glücks wäre es, wenn es mir gelänge, diese Manen hervorzuholen und nach Ausonien zu bringen. Wenn Rom das Ende unfruchtbarer Furchen von den Göttern fordern will oder das des tödlichen Auster, das Ende von Feuersbrünsten und Erdbeben  – nach göttlichem Befehl und Ratschluss wirst du dann wohl die Stadt durchqueren, deine Stadt, und der Oberpriester trägt deine Urne.

Der Dichter tritt aus der Erzählung heraus und verspricht Ruhm; das ist ein traditionelles metapoetisches Motiv.87 Eine interessante Variation ist hier aber, dass nicht Dichtung, sondern etwas ganz Pragmatisches versprochen wird: Bestattung.88 Noch interessanter ist, wogegen dieses Versprechen offensichtlich abgegrenzt wird, nämlich gegen den Tempel des Tyrannen. Der Gedanke ist Pompeius angenommen hatte, in Alexandria begraben war. Lucan weist hierauf ausdrücklich hin: 8, 692 ff.; 9, 153 ff.; 10, 20 ff., hierzu cf. Kimmerle (2015), 71–73. 86 van Dam (1984) ad loc. deutet nur auf den übertragenen Gedanken, dass Poesie dauerhafter als Monumente ist; auch Malamud (1995) kommt auf diesen Zusammenhang nicht direkt zu sprechen. 87 Cf. Ap. Rh. 4, 1773 ff.; Enn. ann. 3 f. V = 12 f. Sk; Verg. Aen. 9, 446; Ov. 15, 878 f.; dazu z. B. Zwierlein (1982), zum potentiellen Zusammenhang von poetischem Ruhm und politischem Programm cf. White (1993), bes. 156–205. Speziell zum Anspruch der Dichtung, dauerhafter als Grabmäler zu sein, cf. z. B. Hor. carm. 4, 8, 13 ff.; 3, 2, 17 ff.; ähnlich 3, 30.  88 Was heißt sinus: Leidenschaft, körperliches Vermögen, Geld? Zum Spektrum cf. OLD s. v. sinus, II, A, 1, b, α.

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nicht neu; bereits in der berühmten Klage über die Untätigkeit der Götter wird er geäußert: inque deum templis iurabit Roma per umbras (7, 459).89 Aber in dem poetologischen Zusammenhang hier hat die Erwähnung der Tempel, die man dem Herrscher errichtet, noch eine etwas andere Folge. Hier liegt es nahe, auch an Vergils programmatisches templum de marmore (georg. 3, 13) zu denken, wobei es sich immerhin auch um ein ›pragmatisches‹ Versprechen handelt. David Meban hat darauf hingewiesen, dass Vergils Tempelmetapher im Zusammenhang mit der geäußerten Ambition auf poetische Originalität (primus ego […] deducam uertice Musas, georg. 3, 10 f.) gleichzeitig sowohl die Selbstdarstellung der Mächtigen aufgreift und unterstützt, als auch über alles Materiale und Vergängliche hinausreicht;90 und ausgehend von dieser Beobachtung hat Bettina Reitz-Joosse gezeigt, dass die Rede über das ›Gründen‹ und ›Bauen‹ insbesondere von Städten zu einem wirksamen Motiv in der römischen Dichtung geworden ist, womit sowohl das Entstehen, die Produktion eines vielschichtigen Textes veranschaulicht als auch der Anspruch des Dichters auf Prestige und Autorität artikuliert werden kann.91 In Lucans auktorialer Meditation über das Grab des Pompeius wird nun, wie es scheint, nicht nur der Bau poetischer oder realer Tempel für die Kaiser verurteilt. Auch die versprochene und kurz beschriebene Handlung ist dekonstruktiv.92 Das unwürdige Grab des Pompeius muss verletzt werden, um seine Asche nach Rom zu bringen; scelus sagt der Dichter sarkastisch (842), um Rom vorzuwerfen, dass dieser Vorschlag aus fal 89 Auch in der Prophezeiung des von Erictho beschworenen Toten wird etwas Ähnliches angedeutet: [sc. Pom­peiani] properate mori, magnoque superbi | quamuis e paruis animo descendite bustis | et Romanorum manes calcate deorum (6, 807 ff.). Die Episode muss, wie seit langem bekannt ist, ebenfalls mit Blick auf einen (wie auch immer gearteten) metapoetischen Anspruch gelesen werden, cf. z. B. Ahl (1976), 137–149; O’Higgins (1988); Mas­ters (1992), 180–196; Korenjak (1996), 37–43. Insofern das Chaos der Unterwelt beschrieben wird, ist der panegy­rischen Heldenschau des sechsten Aeneis-Buches eine skeptische Vision der (wenigstens unmittelbaren) Zukunft entgegengehalten: constrictae plausere manus, camposque piorum | poscit turba nocens. regni possessor inertis | pallentis aperit sedes (6, 797 ff.). 90 Cf. Meban (2008); zum Zusammenhang zwischen der Aeneis und der Tempelmetapher bzw. zur Bedeutung ekphrastischer Darstellung für den poetischen Gehalt des Epos cf. Kirichenko (2013), bes. 87: »Finally by invoking images of Augustan monuments, the narrative makes those very images appear like embodiments of a similarly complex universe of memory. The effect of this double projection can perhaps still be called propaganda. But the goal of propaganda is not to force the readers into accepting an ideologically simplified view of reality, but rather to glorify the familiar world by uncovering in it the meaningful complexity of an epic poem.« 91 Reitz-Joosse (2013), 103–136 v. a. mit Manil. 2, 755–787; Prop. 4, 1; Vergleichbares lässt sich auch bei kleineren Gedichten beobachten, cf. z. B. Ambühl (2015), 365 f. zu Anth. Pal. 9, 387 ~ Anth. Lat. 708 R, darüber hinaus ibid. 360 No. 1. 92 In Hinsicht auf die Metaphorik der Errichtung eines Textes ließe sich vielleicht auch sagen, dass das metapoe­tische Bild der Verletzung insbesondere zu dem eigenartigen Charakter der vorliegenden Passage passt, die eben nicht sinnvoll und schön konstruiert ist, sondern vor allem als Ausdruck eines Affekts.

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scher Scheu bisher unterblieben ist. Dies scheint erst recht den Gegensatz zu der Tradition literarischen Bauens zu betonen, in dem Lucan sein Dichten hier offensichtlich sieht. Das eigene poetische Schaffen wird an dieser Stelle, wenigstens scheinbar, überhaupt nicht thematisiert.93 Und dennoch verwendet kurz darauf auch Lucan ein Gründungsmotiv, und zwar die Gewissheit der Wiedergründung der Stadt: Wenn man in Rom Missernten, Feuer oder Erdbeben bezwingen wolle, dann werde die Asche des Pompeius hilfreich sein. Die Schilderung cum finem sulco sterili poscere uolet … wirkt so, als bestünde diese traurige Situation unmittelbar zur der Zeit, als das Epos verfasst wird. Bemerkenswerterweise wird das Elend in Rom hier ganz ähnlich dargestellt wie im Proöm des Gedichts (1, 24–32): at nunc semirutis pendent quod moenia tectis urbibus Italiae lapsisque ingentia muris25 saxa iacent nulloque domus custode tenentur rarus et antiquis habitator in urbibus errat, horrida quod dumis multosque inarata per annos Hesperia est desuntque manus poscentibus aruis non tu, Pyrrhe ferox, nec tantis cladibus auctor30 Poenus erit: nulli penitus descendere ferro contigit; alta sedent ciuilis uolnera dextrae.

Aber dass in den Städten Italiens die Wände halbzerstörter Gebäude schwanken, gewaltige Steine zerbrochener Mauern verstreut liegen, dass kein Haus mehr beschützt ist, selten ein Einwohner durch die alten Städte irrt, dass Hesperien struppig von Unkraut ist, seit Jahren nicht beackert und dass die Hände fehlen, nach denen die Felder rufen, an diesem Verderben wirst nicht du schuld sein, wilder Pyrrhus, noch ein Punier. Keinem Schwert gelang es, derart weit einzudringen – so tief sitzen die Wunden, die Bürgerhände schlugen.

Die vom Dichter erhoffte und durch ihn zu ermöglichende Bestattung des Pompeius soll dereinst gerade das heilen können, was wohl durch die Bürgerkriege angerichtet wurde und – hier ist die Gegenwart des Erzählers von Bedeutung – was die vergöttlichten Kaiser offensichtlich bisher nicht zu heilen vermochten. Das proömiale Zerstörungsbild greift ja gerade das düstere Panorama vom Ende des ersten Georgica-Buches auf (tam multae scelerum facies, non ullus aratro | dignus honos, squalent abductis arua colonis, georg. 1, 504 f.),94 das mit Anbruch der neuen Zeit der Vergangenheit angehören sollte. Wenn die Folgen des Krieges 93 Das geschieht erst wieder, wenn Caesar zwischen Ruinen herumtappt, die er nicht versteht; und deren Vergäng­lichkeit durch nichts zu verhindern ist: etiam periere ruinae (man beachte die Parallele zum Pompeiusgrab: mor­tisque peribunt | argumenta tuae, 868 f.). Der Dichter sagt: inuidia sacrae, Caesar, ne tangere famae […] uenturi me teque legent, woraufhin Caesar erklärt, Troia wiederaufbauen zu wollen, als wolle er mit dem Dichter wettei­fern, welcher Ruhm größer sein könne; cf. Ambühl (2015), 337–345 zur poetologischen Dimension von Troias Zerstörung und Wiederaufbau. Dazu auch oben 24 ff. 94 Insbesondere 1, 28; überdies ist hier die ›Entziviliserung‹ Roms (cf. Aen. 9, 381 f.; 8, 348) bedeutsam, cf. Getty (1940) ad loc.; Wuillemier / Le Bonniec (1962) ad loc.; Roche (2009) ad loc.; oben 60 f.

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endlich beseitigt sind, wird dies sowohl Pompeius als auch dem Dichter, der das Überfällige bewerkstelligt, dauernden Ruhm verleihen. Mit diesem Bezug auf das noch immer nicht überwundene Übel weist ­Lucan allerdings nicht nur kaiserliche Selbstdarstellung deutlich zurück (etwa die Abundanz zukünftiger Ernten, die ein zentraler Bestandteil kaiserlicher Goldzeitpropaganda war), sondern auch und gerade Vergils Dichtung. Jedenfalls ihre ›Augustuspanegyrik‹, die diese Erwartungen bekräftigt.95 Augustus ist zwar nicht Caesar, aber eben doch der Erbe und der Erbauer des Caesartempels auf dem Forum. Der Dichter gibt dann plötzlich, als wolle er die Zurückweisung eines auf materialem Pomp beruhenden Kaiserkults noch bekräftigen, seine ursprüngliche Absicht wieder auf. Wer werde denn, fragt er unvermittelt sich selbst verbessernd, nicht schon bald an dem Grab vorbeigehen, ohne Pompeius’ Manen Ehrfurcht zu erweisen und sie höher zu achten als Jupiter Casius: nam quis ad exustam Cancro torrente Syenen ibit […] et Casio praeferre Ioui? (8, 851–858).96 Man soll verstehen: Es wird nicht nötig sein, dass die Gebeine des Pompeius, um Ruhm zu erlangen, das bewirken, was Augustus versprochen und nicht eingehalten hat. Nein, heißt es weiter, das bescheidene Grab werde Pompeius’ Ruhm nicht schaden. In goldenen Tempeln würde er schlechter liegen: proderit hoc olim, quod non mansura futuris | ardua marmoreo surrexit pondere moles (8, 865 f.). Als Begründung folgt ein Vergleich zwischen Jupiter und Pompeius, und damit endet das Buch (8, 867–872):97 95 Ob dies ebenfalls das ›Panegyrische‹ überhaupt betrifft, dessen Lucan sich ja in enger Anlehnung an Vergil auch in seinem Proöm bedient hat, wird damit an der vorliegenden Stelle (wiederum) zu einer wichtigen Frage. 96 Die Bedeutung von nam quis … (851) ist nicht leicht verständlich; 5, 12 und 9, 232 sind anders geartet. Kortte hat seinerzeit nunc konjiziert und angemerkt: »vulgo Nam; sed non continuat hic orationem, neque causam subdit ista particula Nam«, cf. Kortte / Weber (1829) ad loc., was z. B. von Weise (1835) und Haskins (1887); übernommen wurde. Abwegig scheint die Erläuterung von Postgate (1917) ad loc.: »Sooner or later you [sc. Pompey, der Verf.] must be brought back, since your memory will be kept alive by pilgrimages to your grave« – es ist ja gerade fraglich, ob es Sinn hat, die wenigen Überreste noch zurückzuholen, zumal diese bereits verehrt werden, dazu schon Francken (1887), der zu Recht auf 858 hinweist, aber unbegründet iam konjiziert. Mayer (1981) ad loc. erklärt, nam quis könne logisch nichts anderes heißen als quisnam. Dafür spräche Verg. georg. 4, 445 f.: nam quis te, iuuenum confidentissime, nostras | iussit adire domos?, dazu cf. Mynors (1990) ad loc. mit Hom. δ 462. Quint. inst. or. 9, 3, 15 betont allerdings die Besonderheit dieses Verses und klassifiziert das nam quis als altmodisch. Man kann auch fragen, warum Lucan nicht quisnam geschrieben haben soll, wenn er das gemeint hat, cf. 5, 521. Wichtig ist jeden­falls, dass von 851 an ein anderer Gesichtspunkt betrachtet wird, der zu der Schlussfolgerung nil nocebunt (858) führt. Eine kausale Verknüpfung liegt nicht vor, vielmehr ist die Frage als neuer Gedanke wie eine Gegenfrage aufzufassen. Vielleicht muss man den Text zu num quis emendieren, cf. 5, 486. 97 Über die Gestalt der Verse 860–862 konnte bislang keine Einigung erreicht werden: nunc est pro numine summo | hoc tumulo Fortuna iacens; augustius aris | uictoris Libyco pulsatur in aequore saxum [es Z²U: est Ω (in ras. M); numine Z²PUV: nomine ZMG].

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pulueris exigui sparget non longa uetustas congeriem, bustumque cadet, mortisque peribunt argumenta tuae. ueniet felicior aetas qua sit nulla fides saxum monstrantibus illud; 870 atque erit Aegyptus populis fortasse nepotum tam mendax Magni tumulo quam Creta Tonantis.

Den Zusammenhalt des bisschen Sandes zu lösen wird es keine lange Zeit brauchen, das Grab wird verfallen und der Beweis deines Todes wird verschwinden. Und es wird eine glücklichere Epoche kommen, da man denjenigen, die auf diesen Stein zeigen, nicht mehr glauben wird. Und den Generationen der Enkel wird Ägypten mit seinem Pompeiusgrab vielleicht ebenso verlogen gelten wie Kreta mit dem des Donnerers.

Im kallimacheischen Zeushymnos heißt es: ›Κρῆτες ἀεὶ ψεῦσται‹ καὶ γὰρ τάφον, ὦ ἄνα, σεῖο | Κρῆτες ἐτεκτήναντο· σὺ δ᾽ οὐ θάνες, ἐσσὶ γὰρ αἰεί (Call. hymn. 1, 8 f.). Verfolgt man diese Spur ein wenig weiter und bedenkt den selbstreferentiellen Kontext bei Kallimachos, so wird der metapoetische und durchaus aemulative Gehalt von Lucans Stelle noch deutlicher.98 Kallimachos bemerkt polemisch, die alten Dichter hätten offensichtlich gelogen,99 es komme aber darauf an, überzeugend zu sein: δηναιοὶ δ᾽ οὐ πάμπαν ἀληθέες ἦσαν ἀοιδοί […] ψευδοίμην ἀίοντος ἅ κεν πεπίθοιεν ἀκουήν (60/65). Was wäre mit diesem Bezug im Bellum Ciuile ASL ad loc. geben eine naheliegende Erklärung, aber ignorieren Fortuna: nunc autem deus haberis in hoc tumulo positus, a quo amplius merebaris, et quo es ipse pretiosior. Auch wenn Housman den überlieferten Text mit den Worten verteidigt: »Pompeium ipsum pro summo numine esse, quod quidam dici uolunt, nimis apertum mendacium esset«, so ist doch damit nichts für die Interpretation der gesamten Stelle 851–872 gewonnen, die ja gerade Pompeius mit Jupiter – und sei es nur scheinbar – gleichsetzt, cf. z. B. Mayer (1981) ad 8, 872; Narducci (2002), 336 f. Die grundsätzlichen Einwände gegen Housman, die schon Makowski (1975) vorgetragen hat, sind also gerechtfertigt. Ob Shackleton Baileys Übernahme der von Makowski wieder in die Diskussion eingebrachten Konjektur iaces (und zwar nun überdies als Frage hoc tumulo, Fortuna, iaces?) gerechtfertigt ist, darf man jedoch anzweifeln. Der überlieferte Text lässt sich immerhin halten, wenn man eine aufwendige Parenthese annimmt: templis auroque sepultus | uilior umbra fores (nunc est pro numine summo, | hoc tumulo, Fortuna). iacens augustius aris | uictoris Libyco pulsatur in aequore saxum (zu dem Motiv saxum iacens cf. 1, 24; 9, 997 f.) Es wäre dann ausgedrückt, dass Pompeius nicht wirklich Jupiter gleichen kann, weil diese Stelle schon Fortuna einnimmt, jene Gottheit, die sich von Pompeius abgewendet und Caesar zugewendet hat und die dieses Grab nicht nur von Cordus hat bauen, son­dern von Septimius und Achillas überhaupt hat ermöglichen lassen; hoc tumulo müsste also kausal und nicht (was man zu Recht bezweifelt hat) lokal aufgefasst werden. Damit wäre gleichzeitig der Fortuna-Kult, den Caesar be­treibt, kritisiert und eine Verehrung Pompeius’ ähnlich derjenigen Jupiters (die ja auch die Principes genießen) als wenig wünschenswert und dennoch eigentlich angemessen dargestellt. Ähnlich argumentiert auch T. Gärtner (2009) für die Beibehaltung des überlieferten Textes. 98 Cf. Ambühl (2015), 61–64 hiervon ausgehend zur Dimension der poetischen Lüge bei Lucan. 99 Hinsichtlich der Zulosung der Herrschaftsbereiche der drei Kronos-Söhne (Call. hymn. 1, 60 f.); aber wer könne denn glauben, dass die Unterwelt und der Olymp gleichwertig seien?

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gemeint? Wird Pompeius, dem nun eine virtuose Leichenrede gehalten wird, die wahre Unsterblichkeit erlangen und mit Jupiter gleichgesetzt sein? Soll an die Stelle der zurückgewiesenen augusteischen ›Tyrannenpanegyrik‹ die Apotheose des Verteidigers der Republik treten? So könnte es anmuten. Aber ein bloßer Austausch, sozusagen, von Köpfen auf den Rümpfen der Kultstatuen wäre doch kaum glaubhaft; und außerdem will ja der Dichter, wie es scheint, nun im Gegensatz zu vorher die Asche des Pompeius nicht mehr ehrenvoll nach Rom bringen. (Im neunten Buch werden die Leser dafür erfahren, wie Caesar den Befehl gibt, Pompeius’ Haupt zusammen mit den anderen sterblichen Überresten in einem angemessenen Grab zu bestatten, 9, 1089 ff.). Es bleibt also dabei, Tod und Bestattung des Pompeius stehen ganz im Gegensatz zu dem, was Caesar zuteilwerden wird.100 Pompeius’ Grab, das bald verfallen wird, ist, so stellt der Dichter schließlich nur fest, ›erhabener‹ als jedes Monument: augustius aris | uictoris Libyco pulsatur in aequore saxum (8, 861 f.).101 Die Steigerung des Kaisertitels im unmittelbaren Vergleich mit staatlichen Memorialbauten ist sicher nicht zufällig, zumal das Adjektiv augustus nirgendwo sonst im Gedicht verwendet ist. Pompeius wird erhöht, aber vor allem werden die Caesares herabgesetzt. Statius’ Calliope scheint genau darauf zu verweisen, wenn sie altius sepulcrum sagt (ob sie dabei nun auch ein wenig spottet, bleibe dahingestellt), der Gedanke ist also vielleicht am besten wiederzugeben, wenn man übersetzt: ›in Pharos, am Ufer, ein er­ habeneres Grab …‹. Beachtung verdient schließlich noch die Ankündigung ueniet felicior aetas (869). Klingt hier nicht wieder Vergils scilicet et tempus ueniet an, das Bild des glücklichen Vergessens? Die Anspielung ist im Gegensatz zu dem Verweis auf 100 Dieser Gedanke wird bereits bei Caesars Adriaüberfahrt vorbereitet, cf. oben 151 f. 101 Die Bedeutung, die in der Bemerkung pulueris exigui sparget non longa uetustas | congeriem (867 f.) liegt, scheint nicht weiter beachtet worden zu sein, obwohl jeweils Nisbet / Hubbard (1970) ad carm. 1, 28, 3 und Mynors (1990) ad georg. 4, 87 kurz auf den Zusammenhang hingewiesen haben. Das bisschen Staub, das von einem Men­schen bleibt bzw. das die Bestattung eines Menschen erfordert (cf. auch Soph. Ant. 431: χοαῖσι τρισπόνδοισι τὸν νέκυν στέφει), ist das Motiv, das Horazens Ode Te maris et terrae (1, 28) zusammenhält: te […] cohibent, Archyta, | pulueris exigui […] parua munera (1–4) und [nun an einen vorüberfahrenden Händler gewandt] quam­quam festinas, non est mora longa; licebit | iniecto ter puluere curras (35/36). Ein wenig Staub genügt auch, damit ein Imker den Bienenbürgerkrieg beenden kann (georg. 4, 86 f.). Hier wie dort sind vermeintliche Großtaten  – Weltvermessung, Kriegsschlachten, Handel – am Ende gegenüber der Sterblichkeit der Menschen und der Zerbrechlichkeit der Zi­ vilisation unbedeutend. Dieser Gedanke wird durch Lucans Anspielung einerseits be­k räftigt, andererseits wird das Motiv auch umgestaltet und erweitert: Der Staub, heißt es, ist nicht das Ende, auch er löst sich auf, die Niedrigkeit wird nicht lange dauern. So ist hier, anders als in der Ode, nicht vor allem die Bedeutungslosigkeit des Ephemeren betont (cf. 1, 28, 4 f.: nec quicquam tibi prodest | aerias temptasse domos), sondern auch das Potential, das darin liegt, dass sich spätere Generationen verklärend erinnern, um ihrerseits die überkommenen Wertvorstellungen auf­rechtzuerhalten.

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den Tempel nicht polemisch. Das Bild von den Bauern, die den Krieg nicht mehr erleben mussten und nun beim Pflügen auf alte Waffen stoßen, steht zwar an einer Stelle, die panegyrisch gedeutet werden kann (hunc saltem euerso iuuenem succurrere saeclo | ne prohibete, georg. 1, 500 f.), aber dieser Zuversicht steht großer Zweifel entgegen. Die Zeit, da wieder friedlich geackert wird, dürfte noch sehr weit entfernt sein. Mit Blick auf Lucans Prophezeiung ist von Bedeutung, dass die Bauern auch auf vergessene Gräber stoßen werden: grandiaque effossis mirabitur ossa sepulcris (georg. 1, 497). Es gehört zu der besonderen Wirkung dieser Stelle, dass in der Schwebe bleibt, was genau die Bauern sehen und ob sie wissen, worum es sich handelt.102 ›Erstaunlich‹ wird der Anblick erst in der Zeit zu sein, wenn die Schlachtfelder wieder zu Saatfeldern geworden sind, wenn alles wieder heil ist. Solch eine Zeit, so hat man zu verstehen, wird es wohl sein, wenn man von Pompeius’ Grab nichts mehr findet und nichts mehr weiß. – Dauern wird dann nur noch, was erzählt wird. Es kommt also am Ende nicht darauf an, Pompeius prunkvoll zu ehren (nicht einmal, um damit ein Gegengewicht zum Kaiserkult zu etablieren). Die glücklichere Zeit wird sein, wenn man zweifelt und, wie es die Anspielung auf Kallimachos andeutet, den Dichtern nur glaubt, wenn sie sagen, was überzeugend ist, ἅ κεν πεπίθοιεν. In Anbetracht dessen werden die zukünftigen Leser auch zu bedenken haben, dass Lucan gerade die Schwächen und die Fehler des Pompeius ausführlich behandelt hat. Aber dass die Schwächen des Pompeius die Legitimität Caesars beweisen, kann nicht mehr gelten. Auch so lässt sich der Satz mortisque peribunt | argumenta tuae verstehen. Je ungerechter die Herrschaft Caesars erscheint, desto strahlender muss die Erinnerung an Pompeius werden. Das Vertrauen auf die besseren Zeiten wird im Bellum Ciuile genauso nachdrücklich bekundet wie in den Georgica, dies wird hier wieder einmal bekräftigt. Wer aber diese Zeiten anbrechen lässt, bleibt, je länger das Bellum Ciuile dauert, immer zweifelhafter. Lucan lehnt einerseits Vergils zuversichtliche Augustuspanegyrik ab, indem er sie als ungerechtfertigt erscheinen lässt. Aber wenn er zugleich zentrale Elemente der vergilischen Zuversicht aufgreift, so weist er andererseits darauf hin, dass Hoffnung und Herrscherlob nicht notwendig zusammen gehören.

3.2 Der schlechte Hirte Cato ist der exemplarische Widersacher Caesars. Für die Interpretation des Bellum Ciuile wurde dies oft fruchtbar gemacht, etwa indem man Cato als stoischen Weisen bzw. den moralisch Anständigen und Caesar als den Toren bzw. den ver-

102 Cf. oben 48.

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brecherischen Angreifer hat sehen wollen.103 Dass diese Gegenüberstellung zu kurz greift, bedarf heute keiner Erklärung mehr. Zweifelsohne sind die Figuren zwar dazu angelegt, verglichen zu werden, hierbei können jedoch nicht nur die Unterschiede zwischen ›Freiheitsliebe‹ und ›Despotie‹ gesehen werden, sondern auch aufschlussreiche Gemeinsamkeiten, etwa die Rigidität, mit der beide Feldherren ihre Ziele verfolgen, sowie die exzeptionelle gesellschaftliche Position, die sie dabei beanspruchen.104 Die berühmte Charakterisierung Catos nec sibi sed toti genitum se credere mundo (2, 383) unterscheidet sich in mancher Hinsicht wenig von der Gewissheit, die Lucans Caesar zum Ausdruck bringt: humanum paucis uiuit genus (5, 343). Beide verlangen Gefolgschaft von denen, die sie für geringer als sich selbst halten; und wenn dabei Zweck und Mittel in fragwürdigem Verhältnis stehen, wird dieser Führungsanspruch bedenklich. Für den Verteidiger der Freiheit gilt das notwendigerweise noch weit mehr als für ihren Feind.105 Die Anspielungen, die Caesar gewidmet sind, entstammen vor allem dem ersten und zweiten Georgica-Buch; diejenigen für Pompeius dem dritten. Cato aber wird besonders mit dem vierten Buch in Verbindung gebracht, und zwar wenn er, anlässlich der Disziplinierung seiner Soldaten in Libyen, mit einem Imker verglichen wird (9, 283 ff.). Um sein Handeln dort etwas besser einordnen zu können, ist es nützlich, zuvor zu betrachten, wie er sich in Rom gegenüber Brutus und Marcia (2, 286 ff.) verhält. Auch hier können GeorgicaAnspielungen bemerkt werden. Zwar stechen sie, für sich genommen, nicht unmittelbar heraus, im Zusammenhang jedoch fallen sie auf. Und es ist bemerkenswert, dass es Passagen aus dem ersten und zweiten Georgica-Buch sind, die hier kontrastiv aufgerufen werden; Catos partielle Ähnlichkeit mit Caesar spiegelt sich auch darin.

3.2.1 Das Ende der Welt Brutus, der angesichts der beginnenden Feindseligkeiten bei Cato Rat sucht, erhält, als er die Ansicht vertritt, man solle sich besser aus dem Bürgerkrieg heraushalten, um dem Verbrechen keine Legitimität zu verleihen, eine Antwort, die ihn völlig umstimmen wird (2, 286–292): ›summum, Brute, nefas ciuilia bella fatemur, sed quo fata trahunt uirtus secura sequetur. crimen erit superis et me fecisse nocentem.

›Der Bürgerkrieg, Brutus, ist, das bekenne ich, das schlimmste Übel, doch wohin das Schicksal sie zieht, wird

103 Cf. Marti (1945/1970); George (1992). 104 Hierzu auch Syndikus (1958), 100; Ahl (1976), 254–262; Hershkowitz (1998), 238–246; Wick (2004a), 30–32; Caterine (2015). 105 Für eine differenzierte Betrachtung von Catos Führungsanspruch gegenüber demjenigen Caesars cf. Rolim de Moura (2010a), 74–76.

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sidera quis mundumque uelit spectare cadentem expers ipse metus? quis, cum ruat arduus aether, terra labet mixto coeuntis pondere mundi, compressas tenuisse manus? …‹

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die Tugend sicher folgen. Den Himmlischen wird es zur Anklage kommen, auch mich schuldig gemacht zu haben. Wer wollte die Sterne betrachten und das Zugrundegehen der Welt und dabei selbst ohne Furcht sein? Wer wollte, wenn der hohe Himmel niederstürzt und die Erde schwankt unter dem vermehrten Gewicht der ganzen zusammenfallenden Welt, die Hände gefaltet halten?‹

Was Lucans Cato hier erklärt, bezieht sich nicht nur auf das allgemeine Problem, ob der Weise sich mit Tagespolitik befassen soll, sondern auf extrafiktionaler Ebene wohl auch auf die spezielle Kritik, die gerade an Catos Entscheidung geübt wurde, insbesondere von Seneca.106 Die Unterredung zwischen Brutus und Cato ist oft besprochen worden;107 die Diskussion um den philosophischen und politischen Gehalt der Aussagen, die in den beiden ›Suasorien‹ vorgetragen werden, soll hier nicht wieder aufgerollt werden. Sofern es ausschließlich um die Frage ethisch vertretbaren Handelns geht, ist die Entscheidung, zu der Cato gelangt, wohl ebenso akzeptabel wie auch die gegenteilige Ansicht, die Brutus zunächst vertritt: ›melius tranquilla sine armis | otia solus ages‹ (267 f.).108 Andererseits lässt die rhetorische Frage, wer ruhig bleiben und dem otium frönen könne, wenn doch der Staat Hilfe brauche, kaum Widerspruch zu. Dieser Gedanke ist topisch;109 Cicero formuliert ihn zum Beispiel so (off. 1, 154): quis enim est tam cupidus in perspicienda cognoscendaque rerum natura, ut, si ei […] sit allatum periculum discrimenque patriae, cui subuenire opitularique possit, non illa om­‑

Wer ist nämlich so begierig darauf, die Natur der Dinge zu betrachten und zu ergründen, dass er, wenn er von Gefahren und Entscheidungen für das Vaterland erfährt, dem

106 Cf. Sen. epist. 14, 13; für eine umfassende Darstellung cf. van Campen (1991), 190–193, Narducci (2002), 375–383 dazu, dass Cato, um das zu sein, was er im Bellum Ciuile sein soll, nämlich der überragende Gegner Caesars, sich im Widerspruch zu traditionellen stoischen Positionen befinden muss. Ähnlich Seo (2011). 107 Cf. z. B. Heyke (1970), 120– 130; Tasler (1972), 161–170; Lebek (1976), 178–189; Ahl (1976), 232–247; van Campen (1991), 187–233; Fantham (1992), 122–139; Bartsch (1997), ­117–123; Narducci (2002), 370–404; Sklenář (2003), 60–72; Wildberger (2005), 61–76; D’Alessandro Behr (2007), 138–161; Franchet d’Espèrey (2009); Thorne (2010), 115–186; Seo (2011), 201–204; Blaschka (2015), 235–245. 108 Man kann das für stoisch halten; Newmyer (1983), 232 fühlt sich bei Brutus’ Schwärmerei (sicut caelestia sem­per  …, 267 ff.) allerdings auch zu Recht an das Proöm von Lucr. 2 erinnert: sed nihil dulcius est, bene quam munita tenere | edita doctrina sapientum templa serena, | despicere unde queas alios passimque uidere | errare atque uiam palantis quaerere uitae (Lucr. 2, 7–10). 109 Cf. van Campen (1991), 189 für einen Überblick.

Der schlechte Hirte nia relinquat atque abiciat, etiamsi dinumerare se stellas aut metiri mundi magnitudinem posse arbitretur?

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er helfen und beistehen könnte, nicht sofort all das zurücklässt und von sich wirft – auch wenn er glaubt, die Sterne zählen und die Größe des Alls ermessen zu können?

Dem würde sich Lucans Cato wahrscheinlich anschließen können. Es ist allerdings interessant, was für ein Bild Cato für sein Argument heranzieht. Er stellt den Zustand des Staates nicht nur als schlechthin hilfebedürftig, sondern als ein für alle zu fürchtendes kosmisches Verhängnis dar. Damit scheint er zwar den Bürgerkrieg ganz ähnlich zu bewerten wie der Erzähler, der sich im Proöm ebenfalls einer ἐκπύρωσις-Motivik bedient (sic, cum compage soluta …, 1, 72). Diese Motivik macht jedoch das Catobild gerade besonders kompliziert.110 Man hat mit Blick auf Horazens dritte Römerode darauf hingewiesen, dass Cato in seiner Haltung nicht heroisch erscheint.111 Diese Beobachtung ist interessant und kann noch weiter verfolgt werden: Die Wendung ruat arduus aether klingt an den Frühlingssturm des ersten Georgica-Buches an.112 Dort ist von verlorener Ernte die Rede, und es wird gelehrt, gleichermaßen die Natur zu studieren wie die Götter zu verehren (georg. 1, 322–338): saepe etiam immensum caelo uenit agmen aquarum et foedam glomerant tempestatem imbribus atris collectae ex alto nubes; ruit arduus aether et pluuia ingenti sata laeta boumque labores325 diluit; implentur fossae et caua flumina crescunt cum sonitu feruetque fretis spirantibus aequor. ipse pater media nimborum in nocte corusca fulmina molitur dextra, quo maxima motu terra tremit, fugere ferae et mortalia corda330

Oft auch kommt vom Himmel ein unermesslicher Heerzug von Wassermassen, und vom Meer heraufsteigende Wolken brauen schreckliches Unwetter zusammen, schwarze Gewittergüsse: Der hohe Himmel stürzt nieder und mit gewaltigem Regen zerstört er fruchtbare Saaten und die Arbeit der Stiere. Furchen werden gefüllt und leere

110 Fantham (1992), 123 hat auf die argumentative Inkonsistenz der Passage hingewiesen und vermutet, Lucan habe die Passage »early in the fervour of reaction against his uncle’s increasing quietism« geschrieben, wobei aber letztlich das Dramatisch-Emotionale die logischen Schwächen gewissermaßen ausgleiche. – Warum sollte man aber im Gegenteil nicht von bewusst arrangierter Überladenheit ausgehen? Eine Debatte über Verantwortung und Moralität muss, wenn sie so geführt wird, wie Cato es tut, notwendig defizient bleiben. 111 Hor. carm. 3, 3, 1–8: iustum et tenacem propositi uirum | non ciuium ardor praua iubentium | […] mente quatit […] si fractus inlabatur orbis, | inpauidum ferient ruinae, cf. Housman (21927) ad 289 und mit Blick auf die text­k ritische Frage, ob uelit oder ualet zu lesen sei »non possitne hoc capere consilium Cato, potest enim utrumque, sed debeatne quaerit. et ualere quidem mundum cadentem expers metus spectare putabatur uir quiuis iustus et propositi tenax«; hierzu außerdem van Campen (1991) ad loc. 112 Cf. Heitland (1887), cxii; van Campen (1991) ad loc. Klingner (1963), 51 zur sprachlichen Gestalt der Sturmbe­schreibung in georg. 1, 322 ff.: »Hochepische Sprache macht das erschütterte Gemüt unmittelbar gegenwärtig. Was nur immer der Hexameter herzugeben vermag, ist ihm abgewonnen.«  – Der Versschluss arduus aether ist auch in den anderen Adaptionen dieser Stelle eng mit der Motivik göttlicher Macht verbunden, cf. Aen. 10, 102; Ov. met. 1, 151.

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per gentis humilis strauit pauor […] hoc metuens caeli mensis et sidera serua,335 frigida Saturni sese quo stella receptet, quos ignis caelo Cyllenius erret in orbis. in primis uenerare deos …

Flüsse schwellen wieder und mit lautem Getöse wallt das Meer, schäumt das Gestade. Der Vater selbst wirft mitten im Dunkel des Sturms zuckende Blitze mit seiner Rechten; gewaltig schwankt bei ihrem Aufprall die Erde, wilde Tiere fliehen und in allen Ländern überzieht die Herzen der Menschen ein tiefer Schrecken  … Dies fürchte und beachte daher den Lauf der Monate und Gestirne am Himmel, wo sich der kalte Stern des Saturn aufhält, über welche Himmelsbahnen des Feuer Merkurs irrt. Vor allem verehre die Götter …

Das Erleben des Verderbens und religiöse Zuversicht stehen einander gegenüber. Es gibt keinen anderen Weg als fromme Gelehrsamkeit. Bei diesem ­sidera serua handelt es sich um eine der zentralen Aussagen der Georgica;113 und in Anbetracht dessen ist es bezeichnend, wenn Cato in seiner Situation nicht die Sterne beobachten will und die Götter nicht verehrt, sondern unmissverständlich schilt, in einer Attitüde, die auch Caesar beherrscht:114 crimen erit superis et me fecisse nocentem (288). Die Unabwendbarkeit und das Ausmaß der Katastrophe werden durch diese Erklärung freilich nicht gemildert. Weise wirkt das nicht, nützlich auch nicht.115 Der Kontext des ruat arduus aether ist hier entscheidend; umso mehr als mit dem nächsten Vers aus Catos Rede, terra labet mixto coeuntis pondere mundi (291), eine ganz ähnliche Stelle (allerdings umgedeutet) anzuklingen scheint, nämlich das Bild für das erhabene Gewicht göttlicher Majestät aus der vierten Ekloge, aspice conuexo nutantem pondere mundum (ecl. 4, 50). Angesichts der beeindruckenden Anteilnahme Catos am Schicksal des in den Bürgerkrieg taumelnden Staates muss es keine kritische Bedeutung haben, wenn die Reminiszenz hier Catos Widersetzlichkeit gegen altbezeugte göttliche Autorität insinuiert. Die Entscheidung, in den kaum aussichtsreichen Kampf einzutreten, ist weniger hybrides Wagnis als verzweifeltes Bekenntnis zu römischem Ehrgefühl. Wie ein Decier will er sich den Feinden entgegenwerfen; hic redimat sanguis populos, hac caede luatur, | quidquid Romani meruerunt pendere mores (312 f.), sagt er. Und dennoch ist Zweifel berechtigt, wenn vielleicht auch noch nicht unmittelbar hier. Die in Catos bescheidenem Haus im Bewusstsein der sicheren Tugend vorgetragene Äußerung kann ganz anders erscheinen, wenn der Erzähler 113 Cf. oben 46. 114 1, 203: ›ille erit ille nocens, qui me tibi fecerit hostem.‹ 115 Zur umstrittenen Frage, ob Cato in Lucans Konzeption ein stoischer Weiser sein soll oder nicht, cf. z. B. den Überblick bei Blaschka (2015), 241 f.

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später im vierten Buch mit Blick auf die Schrecken des Krieges und im Rückgriff sowohl auf ebenjene Motivik vom Weltende als auch auf das Ideal vom gelingenden Landleben sagt: felix qui potuit mundi nutante ruina | quo iaceat iam scire loco.116 Zu diesem Zeitpunkt hat sich die Vergeblichkeit der Freiheitsrhetorik eines Petreius erwiesen.117 Lucans Cato kann und will nicht ›glücklich‹ werden oder ernsthaft nach Apathie streben. Dafür ist der Untergang der Freiheit für ihn zu furchtbar. Ob diese Haltung und die Kompromisslosigkeit, mit der er sie vertritt, sein ›Hyperstoizisimus‹, allerdings für andere ebenso richtig ist wie für ihn, den gewissermaßen Mensch gewordenen Imperativ, dürfen die Leser bezweifeln. Mit der Angst vor einem unsicheren Grab wird Cato jedenfalls auch selbst konfrontiert; sie scheint der Beweggrund zu sein, dass Marcia ihn aufsucht. Diese Passage rückt ihrerseits Catos Rede in ein etwas anderes Licht.

3.2.2 Marcia Noch während Cato mit seiner Rede Brutus für den Bürgerkrieg gewinnt, kommt, noch von Resten der Asche des soeben bestatteten Hortensius bedeckt, Marcia zu ihm.118 Ein eigenartiger (und unhistorischer) Zufall: Die Frau, die er an einen seiner Bewunderer übergeben hat,119 kehrt in dem Moment zurück, als er bei dem Jüngling, der aus Bewunderung zu ihm gekommen war, ein glühendes, aber dessen ursprünglichen Neigungen völlig widersprechendes und durchaus schädliches Verlangen entfacht: iuuenisque calorem | excitat in nimios belli ciuilis amores (2, 324 f.).120 Im Gegensatz zu dem solchermaßen geradezu ›Verführten‹, scheint es, empfindet Marcia bei der Begegnung mit Cato nicht calor und amor. Das Treffen zwischen ihr und Cato ist betont unerotisch. Was sie zur Begrüßung sagt, führt allerdings unmittelbar zu der von ihr gewünschten 116 Lucan. 4, 393 f., dazu cf. oben 134 f. 117 Cf. überdies z. B. auch Hömke (2015), 246 zur Beziehung zwischen 2, 297 und 9, 601 ff./763: Das makabere Einlösen des Versprechens, Leichenbestatter sein zu wollen. 118 Zu der Passage und den Kontroversen um ihre Deutung cf. Bruère (1951), 221 f.; Zwierlein (1974); Ahl (1976), 247–252; George (1988), 340–341; Harich (1990); van Campen (1991), 234–271; Fantham (1992), 139–152; Sklenář (2003), 72–79; Armisen-Marchetti (2003), ­252–253; Finiello (2005), 165–169; D’Alessandro Behr (2007), 148–161, bes. 150; Sannicandro (2010), 83–100; Coffee (2011), 426–428; Graver (2011). 119 Cf. Plut. Cato min. 25, 2: ἐν πολλοῖς ἐρασταῖς καὶ θαυμασταῖς τοῦ Κάτωνος ἦσαν ἑτέρων ἕτεροι μᾶλλον ἔκδηλοι καὶ διαφανεῖς, ὧν καὶ Κόϊντος Ὁρτήσιος … 120 Zum Gehalt der Wendung excitat nimios amores und ihrer Ähnlichkeit zu Aen. 7, 461: saeuit amor ferri et scelerata insania belli | ira super cf. van Campen (1991) ad loc.; Fantham (1992) ad loc.; Hershkowitz (1998), 236 f.; für eine sehr kritische Deutung z. B. Sklenář (2003), 60–78, zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn auch me­thodisch anders, kommt Wildberger (2005), 67–69.

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Pompeius, Cato und der Tod

erneuten Hochzeit; freilich einer ungewöhnlichen, die allen römischen Traditionen deutlich widerspricht (2, 338–369): ›dum sanguis inerat, dum uis materna, peregi iussa, Cato, et geminos excepi feta maritos: uisceribus lassis partuque exhausta reuertor340 iam nulli tradenda uiro. da foedera prisci illibata tori, da tantum nomen inane conubii; liceat tumulo scripsisse catonis marcia, nec dubium longo quaeratur in aeuo mutarim primas expulsa an tradita taedas.345 non me laetorum sociam rebusque secundis accipis: in curas uenio partemque laborum. da mihi castra sequi: cur tuta in pace relinquar et sit ciuili propior Cornelia bello?‹ hae flexere uirum uoces350 […] sicut erat, maesti seruat lugubria cultus365 quoque modo natos hoc est amplexa maritum. obsita funerea celatur purpura lana, non soliti lusere sales, nec more Sabino excepit tristis conuicia festa maritus.

›Solange noch Blut in mir war und mütterliche Kraft, habe ich, Cato, deine Befehle ausgeführt und von zwei Gatten Kinder empfangen. Nun, mit erschlafftem Leib, vom Gebären erschöpft, kehre ich zurück, keinem Mann mehr zu überlassen. Gib den Bund des früheren Bettes unvermindert zurück, gib nur die leere Bezeichnung Ehe. Es soll auf meinem Grab stehen können catos marcia und nicht soll man in späteren Zeiten Zweifel daran haben, ob ich verstoßen oder verliehen die früheren Hochzeitsfackeln eintauschte. Nicht empfängst du mich als Gefährtin für glückliche Tage: Zu den Sorgen komm ich, zum Anteil an den Mühen. Gib, dass ich den Truppen folge. Warum soll ich sicher im Frieden zurückbleiben und Cornelia näher am Bürgerkrieg sein?‹ Diese Worte bewegten den Mann  … Sie blieb, wie sie war, behielt die Trauerkleider und ihre kummervolle Haltung; und wie ihre Söhne, derart umarmte sie ihren Gatten. Von aschener Wolle wird der Purpur überdeckt; nicht spielte man, wie gewöhnlich, Spottlieder, nicht empfing der traurige Gatte nach sabinischem Brauch die festlichen Schimpfworte.

Warum erzählt Lucan von dieser Begebenheit, die wahrscheinlich bereits von den Zeitgenossen unterschiedlich diskutiert wurde und die Caesar in seinem Anti-Cato wohl immerhin ziemlich höhnisch als ein Manöver zur persönlichen Bereicherung gedeutet hat?121 Die Forschung hat auf diese Frage bisher keine befriedigende Antwort gefunden. Für eine Richtigstellung der Angelegenheit und ein Lob wegen moralisch einwandfreien Verhaltens reicht der Bericht, wie er im 121 Cf. Quint. inst. or. 3, 5, 11; 10, 5, 13: nam quid interest […] ›Cato Marciam honestene tradiderit Hortensio‹ [sc. ueniat in iudicium] an ›conueniatne res talis bono uiro‹? de personis iudicatur, sed de rebus contenditur. Neben App. civ. 2, 99 cf. Plut. Cato min. 52, 4: εἰς ὃ δὴ μάλιστα λοιδορούμενος ὁ Καῖσαρ τῷ Κάτωνι φιλοπλουτίαν προφέρει καὶ μισθαρνίαν ἐπὶ τῷ γάμῳ. τί γὰρ ἔδει παραχωρεῖν δεόμενον γυναικός ἢ τί μὴ δεόμενον αὖθις ἀναλαμβάνειν, εἰ μὴ δέλεαρ ἐξ ἀρχῆς ὑφείθη τὸ γύναιον Ὁρτησίῳ καὶ νέαν ἔχρησεν, ἵνα πλουσίαν ἀπολάβῃ; – Plutarch hingegen nimmt Cato gegen diesen Vorwurf in Schutz, indem er ihn als ebenso absurd zurückweist wie die Anschuldigung, Herakles sei feige.

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Bellum Ciuile gegeben wird, kaum hin. Zu viel ist im Unklaren gelassen; weder ist von einer eindeutigen, namentlich sittlich angemessenen Scheidung die Rede, noch wird auf den von Caesar geäußerten Vorwurf eingegangen. Marcia selbst benennt (freilich nur, um sie zu vermeiden) die für die römische Bevölkerung offensichtlich nicht abwegige Frage,122 ob sie verstoßen oder an Hortensius ab­ getreten wurde.123 Man hat darauf hingewiesen, dass die Trauerzeit, die nach dem Tod des Hortensius einzuhalten war, eine feierliche Hochzeit unmöglich gemacht hätte.124 Aber hierzu äußert sich weder der Erzähler noch eine der handelnden Figuren. Das, was Marcia zuerst fordert, die foedera prisci illibata tori (341 f.),125 erhält sie, wie die Leser später erfahren, ausdrücklich nicht: nec foedera prisci | sunt temptata tori: iusto quoque robur amori | restitit (378 ff.). Ihre zweite Bitte ist bescheidener: ›da tantum nomen inane‹ (342). Vielleicht ahnt Marcia, was Cato nur zu geben bereit ist und lässt ihm daher die Wahl. Aber die eigentliche Bedeutung der Formulierung liegt nicht auf der Handlungsebene; entscheidend sind die intertextuellen Bezüge. Zum einen erinnern Marcias Worte daran, was Cato soeben zu Brutus gesagt hat: dass er der libertas auch dann folgen werde, wenn ihr Name nur noch ein leerer Schatten sei (non ante reuellar | exanimem quam te conplectar, Roma; tuumque | nomen, Libertas, et inanem persequar umbram, 302 ff. – könnte Marcia diese Bemerkung womöglich sogar gehört haben?). Zum anderen ähnelt sie, wie ein Scholiast bemerkt, der verzweifelten Dido (›tempus inane peto‹, Aen. 4, 433).126 Ein weiterer Bezug besteht zu Ariadne, die Ovid 122 Wenn man in der Unterredung zwischen Cato und Brutus Beziehungen zum Ζ der Ilias sehen kann, cf. Lausberg (1985), 1597–1605 (wo freilich ein anderes Cato-Bild vertreten wird), so lässt sich bei Marcias Bemerkung vielleicht auch an Helenas Prophezeiung denken: ὡς καὶ ὀπίσσω | ἀνθρώποισι πελώμεθ’ ἀοίδιμοι ἐσσομένοισι (357 f.); über­dies fällt auf: Andromache und Hektor gleichen Marcia und Cato nicht. 123 Womöglich aus sehr konservativem Pflichtgefühl, cf. CB ad 2, 330: aput ueteres mos fuerat ut quisque susceptis quod libitum fuerat liberis propter utilitatem ciuitatis alii uxorem suam traderet, ut illi filios procrearet; ähnlich Strab. geogr. 11, 9, 515. Zu ähnlich gelagerten stoischen Überzeugungen, cf. Fehrle (1983), 202 No. 39 mit Diog. Laert. 7, 131. 124 Cf. Grimal (1970), 95 f. 125 Freilich ist umstritten, was illibata foedera sein sollen, cf. CB ad loc: non polluta; van Campen (1991) ad loc.; Fantham (1992) ad loc.  gegen Lucks Übersetzung, allerdings nicht überzeugend. Dass Marcia eine asexuelle Be­ziehung fordere, wenn sie die ›unberührte /  unverminderte‹ Fortführung der alten Ehebeziehung verlangt, ist nicht unmittelbar einzusehen; das Partizip scheint vielmehr auf Kontinuität (›als ob die erste Ehe nie unterbrochen wor­den sei‹) hinzudeuten als auf Innovation (›von jetzt an unkeusch‹), cf. auch TLL 7, 1, 368, 52 ff. s. v. illibatus [Prinz 1935]. Silius’ Marcia scheint gerade im Gegensatz zur lucanischen keusch sein zu wollen: ›non ego complexus et sanctae foedera taedae  | coniugiumue peto‹ (Sil. 6, 447 f.), hierzu Augoustakis (2006a), 151: »as though Silius’ Marcia did not want to make the same mistake as her predecessor.« 126 Aen. 4, 431: ›non iam coniugium antiquum, quod prodidit, oro, […] | tempus inane peto, requiem spatiumque furori, | dum mea me uictam doceat fortuna dolere‹, hierzu ASL ad loc.; Fantham (1992) und van Campen (1991) äußern sich nicht zu der Anspielung, sondern er-

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sagen lässt: dextera crudelis, quae me fratremque necauit,  | et data poscenti, nomen inane, fides (epist. 10, 116).127 So gelesen und verknüpft, geht von Marcias Bitte ein wichtiges gleichnishaftes Signal aus: Während Marcia, anders als viele andere Frauen, einen leeren Namen akzeptieren könnte, bleibt fraglich, ob Cato dazu ebenfalls in der Lage wäre. Wie eine betrogene Geliebte sich an ihre erhoffte Ehe klammert, so hängt er an der Freiheit, und wird wohl noch an ihr hängen, selbst wenn ihr Name keine Bedeutung mehr hat. Die folgenden Betrachtungen sollen nicht die Marcia-Episode als Ganzes deuten (hierzu wäre ein umfassender Blick auf die Stellung von Liebe und Ehe in der epischen Tradition einerseits und in den Diskursen der Zeit andererseits nötig).128 Sie sollen vielmehr auf ein Problem hinweisen, das sich für die Leser ergeben kann, wenn sie Lucans Darstellung der zweiten Hochzeit vor dem Hintergrund des gepriesenen Landlebens der Georgica betrachten. Es handelt sich hier zwar nicht um eine direkte Anspielung; wegen der übergreifenden Bedeutung der Georgica bietet sich ein Vergleich aber trotzdem an. Im Anschluss an den Bericht über die karge Hochzeit spricht der Erzähler allgemein von den Prinzipien Catos.129 Dies gipfelt in der Bemerkung: in commune bonus; nullosque Catonis in actus | subrepsit partemque tulit sibi nata uoluptas (390 f.), womit Cato dem ganzen Bürgerkriegsgeschehen (in commune nefas, 1, 6) gegenübergestellt wird. Als Cato seine Auffassungen vor Brutus darlegt, verkündet er, wie gesagt, er verfolge nicht die Absicht, ungerührt dem unausweichlichen Untergang zuzuschauen. Er will kämpfen und er will auch siegen: ›[sc. Pompeius] ideo me milite uincat | ne sibi se uicisse putet‹ (322 f.). Er sorgt sich, wie er in dem bereits zitierten Gleichnis 2, 297 ff. sagt, wie ein Vater um Rom; und selbst wenn er seinem toten Kind nur noch Bestattungsehren zuteilwerden lassen kann, so wird er das tun.130 Dieses pathetische Motiv greift der Erzähler wähnen v. a. die Parallele zu Catos ›exanimem quam te conplectar, Roma; tuumque | nomen, Libertas, et inanem persequar umbram‹ (302 f.). Auch in der erwünschten Grabinschrift findet sich ein (in seiner Bedeutung vielleicht über einen elegischen Gemeinplatz hinausgehender) Hinweis auf Dido, diesmal allerdings auf diejenige Gestalt, die Ovid zeichnet (epist. 7, 195), cf. Fantham (1992) ad loc. Anders als Dido wird es Marcia genügen, als Ehefrau ihres ersten Gatten identifiziert zu werden, einen beschuldigenden Grabspruch braucht sie nicht zu verlangen; dennoch ist die Beziehung kaum der glückliche oder erfolgreiche Gegensatz zu der zwischen Aeneas und Dido. Bemerkenswert ist ferner der metrisch identische Bau von Aen. 4, 653 und Lucan. 2, 338 mit peregi an derselben Position. 127 Cf. auch Ov. ars 1, 740. 128 Sannicandro (2010), 83–100 hat hierzu wichtige Vorarbeit geleistet. 129 Cf. die ungewöhnlich lange Erklärung in CB, wo die Verse 380 ff. als Darstellung der stoischen Philosophie Catos gedeutet werden. 130 2, 297 ff., zu dem Gleichnis umfassend Thorne (2010), 154–167; Blaschka (2015), 239–245. Zur pietas-Motivik und der Beziehung zu der Klage um Euryalus cf. z. B. Hardie (1993), 49–53. Zu der Vater- und Bestattungsmotivik mit Blick auf das Werkganze cf. Blaschka (2014), bes. 188–194.

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nach der Hochzeit noch einmal auf; indem Cato sich nicht mehr seiner Ehefrau zuwendet, um Kinder mit ihr zu haben, ist er Gatte und Vater für ganz Rom: urbi pater est urbique maritus (388). Darüber wird noch zu sprechen sein. Das Erscheinen Marcias, ihre kurze Rede und die sich anschließenden bescheidenen Feierlichkeiten stehen damit gleichsam als ein intimes Interieurbild zwischen den großen philosophisch-exemplarischen Bekundungen von bzw. über Cato. Und hier ergibt sich ein sehr eigenartiger Kontrast. Während Cato Rom im Krieg nach Römerart beistehen will und eine angemessene Position im Dilemma der Parteinahme zu finden versucht, handelt er in seiner Ehe anscheinend bedenkenlos den überkommenen Wertvorstellungen zuwider: sowohl dadurch, dass er die Gebärfähigkeit seiner jungen Frau offensichtlich so verschwenderisch ausgelaugt hat (›uisceribus lassis partuque exhausta reuertor | iam nulli tradenda uiro‹, 340), dass sie schon nach vier Kindern unfruchtbar ist, als auch durch die asketische Weigerung, bei der Zeremonie die Kontinuität römischer Tradition zu bekräftigen und hernach eine wahre, nicht nur auf das Grab hin orientierte Ehe zu führen.131 Will man, ausgehend von Frederick Ahls einflussreicher Interpretation,132 Marcia auch als Allegorie für die erschöpfte Republik oder als Entsprechung der Patria auf anderer Ebene halten,133 so kommt dem Anteil, den der erste Ehemann an dieser Erschöpfung hat, sicher auch allegorische Bedeutung zu.134 Es liegt nahe, bei solcher metaphorischen Betrachtung insbesondere den unbesonnenen Umgang mit der fecunditas der heimatlichen ›Mutter Erde‹135 wahrzunehmen: Der Frau fehlt nun jede uis materna. 131 Harich (1990), 216 f. weist im Zusammenhang der Diskussion stoischer Prinzipien auf den Akt der Verbrüderung hin, den Marcia dadurch bewirkt habe, dass sie einem weiteren Mann Kinder zeugt. Aber dies wird im Text weder gelobt (das der historiographischen Tradition unbekannte Kind, das sie Hortensius geboren hat, wird überhaupt nicht beschrieben), noch ist für die Leser unzweifelhaft, ob Marcia selbst die Auffassungen ihres Gatten begeistert teilt. Die Beweggründe, warum sie als Catos Frau sterben will, bleiben unklar; denkbar ist ebenso, dass sie ihn in der Verantwortung für ihr Schicksal sieht; cf. Finiello (2005), 169. 132 Ahl (1976), 249: »The republic, worn out and no longer productive, will be reunited with the man who is the embodiment of the ideals upon which it was founded.« 133 So versteht Blaschka (2014), 194 das Verhältnis: »Dass Cato durch die Erneuerung der Ehe mit Marcia eigentlich als maritus an sie gebunden ist, hier aber als Ehemann Roms in Szene gesetzt ist, widerspricht nicht der engen Verbundenheit zwischen ihm und seiner Frau. Vielmehr verstärkt sich gerade dadurch, dass ihre Zuneigung betont wird, nochmals die tiefe Bindung Catos an Rom.« 134 Eigenartigerweise erklärt der Erzähler ausdrücklich, ohne jedoch damit etwas zum Verständnis beizutragen, der Mann, dem sie als uirgo einstmals verheiratet wurde, sei der bessere gewesen (329). 135 Cf. z. B. georg. 2, 173 ff.: salue, magna parens frugum, Saturnia tellus, | magna uirum, ähnlich 2, 460, das idea­lische Bild der gesegneten Erde Roms, das offensichtlich im Kontrast zur Sorge um den Erhalt der Fruchtbarkeit der Böden steht (etwa 1, 77 ff.); darüber hinaus Lucr. 2, 1150 ff., 5, 821 ff.; Ov. met. 2, 272 ff.; Plin. nat. 2, 156 ff.; 23, 2 f. – Zur Bedeutung der ›Mutter-Erde‹-Motivik in der antiken Literatur cf. Keith (2000), 36–64.

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Hier lohnt nun wieder ein Blick darauf, welches Leben in den Georgica als sittlich hochstehend und erstrebenswert gepriesen wird (georg. 2, 523–532): interea dulces pendent circum oscula nati, casta pudicitiam seruat domus, ubera uaccae lactea demittunt, pinguesque in gramine laeto525 inter se aduersis luctantur cornibus haedi. ipse dies agitat festos fususque per herbam, ignis ubi in medio et socii cratera coronant, te libans, Lenaee, uocat pecorisque magistris uelocis iaculi certamina ponit in ulmo, 530 corporaque agresti nudant praedura palaestra. hanc olim ueteres uitam coluere Sabini …

Unterdessen verteilen ringsum die süßen Kinder ihre Küsse, ein züchtiges Haus bewahrt den Anstand. Voll von Milch hängt das Euter der Kuh, auf fruchtbarem Feld ringen, die Hörner gegeneinander gewandt, fette Ziegenböcke. Der Bauer verbringt Festtage; hingestreckt im Gras, wo ein Feuer in der Mitte ist und die Gefährten den Mischkrug bekränzen, ruft er dich, Lenaios, und gießt dir ein Opfer aus; und für die Schafhirten hängt er Zielscheiben für die schnellen Wurfspieße an die Ulmen, die abgehärteten Körper entblößt man auf einer bäuerlichen Palaistra. Solch ein Leben führten einst die alten Sabiner …

Interessant ist die symbolische Bedeutung, die den Sabinern hier für das Idealbild einer Familie zukommt.136 Die Ehe, die Cato und Marcia führen wollen (und, auch das ist wichtig: geführt haben), ist nicht nur von der Vision der laus uitae rusticae weit entfernt. Vor allem bedeutet die Art der Eheschließung einen Bruch mit der römischen Tradition. Lucan erwähnt zwar nur die Spottverse, die anlässlich einer Hochzeitsfeier üblich waren, aber er überblendet dies mit dem Bild der sabinischen Ehe (2, 368–370):137 non soliti lusere sales, nec more Sabino excepit tristis conuicia festa maritus. pignora nulla domus, nulli coiere propinqui

Nicht scherzte man mit den üblichen Spottversen, nicht empfing der strenge Ehemann das heitere Gezänk des sabinischen Brauchs. Keine Kinder des Hauses, keine Verwandten kamen zusammen.

Keine Ausgelassenheit, keine traditionellen Riten, keine süßen Kinder, pignora domus.138 Dabei wären letztere besonders leicht zu erwähnen gewesen; zwei Töchter dürften noch in Catos Haus gewohnt haben.139 Zwar will Cato wegen der politischen Lage keine üppige Hochzeit (uanaque carentia pompa | iura placent, 352 f.). Aber muss daher jede Tradition aufgegeben werden? Wie stimmt es zusammen, dass Cato, der Verteidiger des Überkommenen, sich Brutus gegenüber 136 Cf. auch Hor. epod. 2, 39 ff.: quod si pudica mulier in partem iuuet | domum atque dulcis liberos, | Sabina qualis. 137 Das Lucan von den Sabinern nur spreche, um nicht das metrisch unmögliche Fescenninus mos zu verwenden, cf. Fantham (1992) ad loc., ist nicht überzeugend; es ließe sich auch an den ungeklärten Ursprung des Talassio-Rufes denken, cf. Liv. 1, 9, 12.  138 Shackleton Baileys domum hat sich nicht durchgesetzt. 139 Cf. Fantham (1992) ad loc.

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noch eben als neuen Decius dargestellt hat (306 ff.) und jetzt von altrömischsabinischen Bräuchen nichts wissen will? Das ist gerade deswegen auffällig, weil mit dem Sabinus mos symbolisch an die Einheit Roms und die Überwindung des Bürgerkrieges erinnert wird.140 Der lucanische Erzähler hat hierauf eigens hingewiesen, und zwar in seiner Apostrophe an die tote Julia: tu sola furentem | inde uirum poteras atque hinc retinere parentem  | armatasque manus excusso iungere ferro, | ut generos soceris mediae iunxere Sabinae (1, 115 ff.).141 Nicht nur die Zeremonie ist problematisch, auf die ›Anti-Hochzeit‹142 folgt auch eine ›Anti-Ehe‹. Es existieren keine wahren foedera tori; Cato gewährt nur Marcias zweite Bitte, das nomen inane: Jede Art von Gemeinschaft zwischen ihm und Marcia unterbleibt. Das scheint auch die von Marcia erbetene Teilnahme am Bürgerkrieg (da mihi castra sequi, 348) zu betreffen. Cato kümmert sich nicht um seine Frau. Auch dies muss bedenklich scheinen, wenn man die sancta Marcia als Allegorie begreift. Überdies scheinen sämtliche familiären Beziehungen durcheinander gekommen. Marcia umarmt Cato, wie sie ihre Söhne umarmt; und wenn er selbst für die Stadt gleichzeitig Vater und Ehemann ist, so bedeutet das nach dem, was die Leser über sein Eheleben erfahren, durchaus nicht nur umfassende Fürsorge und rechtmäßige Autorität,143 sondern auch undeutliche (und vielleicht nur wegen Catos Enthaltsamkeit nicht unmittelbar obszön wirkende) Rollenverteilung.144 Als Exemplum für Tugendhaftigkeit kann die Beziehung, so wie Lucan von ihr erzählt, kaum gelten. Was würde aus dieser Ehe im Falle eines Sieges der Senatspartei? Dass Cato und Marcia in Rom eine Zukunft haben, ist, wie die Le 140 Hinzu kommt die Bedeutung der Sabiner für das Selbstbild des älteren Cato (cf. Cato or. frg. 128 Malcovati; Serv. Aen. 8, 638). Lucans nec more Sabino markiert hier einen auffälligen Bruch in der ›Familientradition‹. 141 Hierzu cf. Sannicandro (2010a) mit Liv. 1, 13, 1 ff.; Ov. fast. 3, 203 ff. In Verg. Aen. 7, 635 heißt es: raptas sine more Sabinas; während hiermit die Tat der Römer gemeint ist, war es gerade die ehrenvolle Tat der treuen Sabi­nerinnen, Römer und Sabiner zu versöhnen. 142 Für den Begriff cf. Fantham (1992) ad 2, 354–71. 143 Paratore (1978) hat die metaphorischen Bezeichnungen urbi pater, pater patriae und princeps in Beziehung gesetzt und davon ausgehend in Catos väterlichem Anspruch ein republikanisches Gegenstück zu jenem der prin­cipes gesehen; Paratore weist hierfür ausdrücklich auf georg. 2, 170 ff. und Hor. epod. 9 hin. Der Kontext der Georgica-Stelle ist gerade die Kontinuität altrömischer Tugend unter Augustus: haec genus acre uirum […] (georg. 2, 169 ff.). Diese Gegenüberstellung wird allerdings problematisch, wenn man bedenkt, dass Cato einerseits dem Vorbild der Alten selbst auch nur halbherzig folgt, andererseits aber den späteren Ehegesetzen des Augustus kei­neswegs eklatant zuwiderhandelt, cf. z. B. Fantham (1992) ad 2, 329. Es ergibt sich die Frage, was Cato dem Prin­zipat ideologisch entgegenzusetzen hätte. 144 Auch hier ist ein Vergleich mit dem Ζ der Ilias aufschlussreich; Andromache sagt: ›Ἕκτορ ἀτὰρ σύ μοί ἐσσι πατὴρ καὶ πότνια μήτηρ | ἠδὲ κασίγνητος, σὺ δέ μοι θαλερὸς παρακοίτης· | ἀλλ’ ἄγε νῦν ἐλέαιρε καὶ αὐτοῦ μίμν’ ἐπὶ πύργῳ‹ (429 f.). Hektor wird von Andromache als einziger Beschützer bezeichnet, allerdings bezüglich aller we­sentlichen Verwandtschaftsbeziehungen. Bei Lucan werden aber nur die genannt, die sich gerade nicht vollständig ausschließen; so wird hier prinzipiell die Assoziation des Inzestuösen ermöglicht.

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ser wissen, ausgeschlossen. Dass aber Cato wohl auch keine Zukunft will, muss verwundern.145

3.2.3 Die Bienen Das zweite Auftreten Catos hat der Lucan-Forschung noch größere Probleme bereitet als das erste. Zwar wird ein Urteil dadurch erschwert, dass dem Epos möglicherweise eine bis zum Ende durchgeführte ›Catohandlung‹ fehlt. Allerdings ist das, was uns vorliegt, auch unabhängig von irgendeinem hypothetischen Ende aussagekräftig; vor allem ist es interpretationsbedürftig. Die eigenartige Wandlung Catos zum Pompeianer ›aus ganzem Herzen‹ (9, 23 f.) und der katastrophale Wüstenmarsch, den er, lediglich als Übung zu absolvieren scheint, damit die ihm unterstellten Soldaten in ihrer Tugendfestigkeit davon profitieren (9, 294 ff./402 ff.), haben die einen davon überzeugt, dass Cato heroisch und vorbildlich handle und als einziger dem von Caesar ausgehenden Verderben, wenn es nicht durch den Willen des Schicksals unentrinnbar wäre, echten Widerstand leisten könne.146 Die anderen sehen das Gegenteil, die Unerträglichkeit eines Tugendanspruches, der sich selbst untergräbt.147 – Dem Widerstreit dieser beiden gleichermaßen aus dem Text zu rechtfertigenden Positionen wird die folgende Analyse nicht endgültig abhelfen können.148 Sie kann lediglich noch einmal bestätigen, was im zweiten Buch zu beobachten war: Cato mag recht haben, und doch wird er schuldig. Nichts zu tun, und Caesar (zu dessen Aggressionen es freilich nie hätte kommen dürfen) defätistisch das Feld zu überlassen, ist kein

145 Ein wichtiges Rezeptionsphänomen ist die Marcia des Silius Italicus (Sil. 6, 403 ff.). Dass sich die beiden Frauen trotz einigen Unterschieden im Detail ähneln (namentlich beide auch an Dido erinnern) und dass insbesondere durch die Gestaltung der Marcia bei Silius der Heroismus des Regulus deutlich problematisiert wird, hat man seit langem gesehen. Dies spricht dafür, dass Silius Lucans Darstellung wahrscheinlich nicht als Lobpreis einer stoischen Fa­milie gelesen hat, und man kann sogar vermuten, der Name Marcia sei von Silius in Anlehnung an Lucans Dar­stellung frei gewählt worden, cf. Augoustakis (2006a), bes. 147. Was hierbei bisher wenig beachtet wurde, ist, dass auch die Darstellung, die Silius von der Beziehung zwischen dem unnachgiebigen Mann und der schwachen Frau gibt, auf das Familienbild vom Ende des zweiten Georgica-Buches deutet – sei es beabsichtigt (und sogar als Reaktion auf Lucan) oder nicht. Die silianische Marcia sagt: uestigia nostri | casta tori domus et patrium sine crimine seruat | inuiolata larem. semel hic iterumque (quid, oro, | pollutum est nobis?) prolem, gratante senatu | et patria, sum enixa tibi […] patrios damnare penatis | absiste ac natis fas duc concedere noctem (Sil. 6, 438 ff.); das Haus erscheint als ein Ort des Friedens, als möglicher Schutz vor Krieg und Gewalt. Hierzu cf. auch Syré (2017), 217–225. Zu casta domus für das Familienleben cf. neben georg. 2, 523 auch Hor. carm. 4, 5, 21. 146 Cf. Narducci (2002), 405–422; D’Alessandro Behr (2007), passim. 147 Cf. Leigh (1997), 265–282; Hershkowitz (1998), 242–246; Hömke (2015). 148 Zu einer ähnlichen Feststellung gelangt Caterine (2015).

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guter Weg. Und zweifellos ist Catos Mut beeindruckend, Ehrfurcht gebietend.149 Dieser Mut ist die Essenz des exemplum, der wirksamen und wichtigen Legende, die sich bald nach seinem Tod um Cato Uticensis gebildet hat.150 Doch was Lucan seinen Cato tun und raten lässt, führt nicht aus der Katastrophe, sondern zum Tod. Im Allgemeinen kann dem ein Sinn abgewonnen werden; doch im Besonderen gibt es auch Gründe, die Rechtmäßigkeit von Catos Standpunkt zu bezweifeln. Einen Zugang zu Cato bietet die Überlegung, dass keine einzelne Gestalt, selbst wenn sie prinzipiell moralisch ist, sich dem gesamten Bürgerkrieg entgegenstellen kann. Es lohnt, die Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass Catos Einfluss auf seine Mitmenschen nicht nur wegen der allgemeinen Umstände des Bürgerkriegs und der dekadenten Sitten eine so ambivalente Wirkung entfaltet,151 sondern auch, weil Cato, wenigstens in gewisser Hinsicht, tatsächlich falsch zu handeln scheint. Dies habe ich kürzlich für das Bienengleichnis zu zeigen versucht,152 das an jenem wichtigen Punkt der Erzählung steht,153 als Cato die Meuterei seiner Soldaten durch eine flammende Scheltrede beendet hat und die gesamte leidvolle Unternehmung des Wüstenmarsches ihren eigentlichen Anfang nimmt (9, 283 ff.): Die im Wie-Stück des höchst anspruchsvoll mit 149 Hierzu cf. die kompakten Bemerkungen bei Leigh (1997), 26–30. 150 Hierzu cf. Thorne (2010), 6–11; ähnlich Galtier (2016). 151 Cf. Lucan. 2, 303; 9, 190 ff. 152 Cf. Kersten (2014). 153 Elena Giusti, viva voce, weist mich darauf hin, dass die Gleichnisse 9, 182 ff. und 9, 283 ff. gewissermaßen einen georgischen Rahmen für Catos Rede darstellen. Das erste Gleichnis behandelt die für die Pompeianer an der liby­schen Küste errichteten Scheiterhaufen, die stellvertretend allen, die bei Pharsalos umkamen, eine würdige Bestat­tung bieten: sic, ubi depastis summittere gramina campis | et renouare parans hibernas Apulus herbas | igne fouet terras, simul et Garganus et arua | Volturis et calidi lucent buceta Matini (9, 182 ff.). Eine Beziehung zu den Georgica besteht in der beschrieben Praxis, ein Feld abzubrennen, um es wieder fruchtbar zu machen, cf. georg. 1, 84 ff. Die Motivik des lucanischen Gleichnisses greift aber vor allem den apulischen Bauern auf, der in 5, 403 in offensichtlichem Gegensatz zu Hor. carm. 3, 16, 26 als piger bezeichnet ist, cf. dazu die Überlegungen bei Groß (2013), 96–98. Thorne (2010), 204 No. 25 bemerkt, dass bei dem lucanischen Bestattungsgleichnis wegen der Er­wähnung des apulischen Matinum auch an die ebenfalls mit Bestattung befasste Ode Te maris et terrae zu denken ist, cf. carm. 1, 28, 3. – Wenn Lucan ›den Apulier‹ der Ode Inclusam Danaen beim Vorbeimarsch Caesars untätig sein lässt, jetzt aber anlässlich der Bestattung in dem Gleichnis (dessen Motivik offensichtlich aus dem ›normalen‹, eben nicht bürgerkriegsartigen Leben stammt) wieder erwähnt, liegt ein Gedanke an die Georgica vielleicht nicht unbedingt nahe. Aber den Blick auf die bäuerliche Tätigkeit des Apuliers und den epikureischen Hintergrund des horazischen Gedichtes zu richten, ist nützlich. Der bescheidene Besitz, den Horaz in 3, 16 erwähnt, purae riuus aquae siluaque iugerum | paucorum et segetis certa fides meae | fulgentem imperio fertilis Africae | fallit sorte beatior (29–32), lässt sich überdies mit dem Bericht über den korykischen Imker vergleichen, cf. Nisbet / Rudd (2004) ad 29–30. Insofern wird die Beziehung zwischen beiden Gleichnissen bekräftigt; zum korykischen Greis cf. unten 207 f.

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verschiedenen Georgica-Anspielungen ausgearbeiteten Gleichnisses dargestellte Bienendisziplinierung wird, wie den Lesern auffallen muss, nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zum erwarteten Erfolg führen. Das provoziert aber zwangsläufig die Frage, worin die erklärende Wirkung des Vergleichs besteht. Das vierte Georgica-Buch wird nicht nur im Gleichnis selbst aufgerufen, sondern in der gesamten Episode; es kann eine interpretative Richtschnur sein.

a) Die Rede der Soldaten und Catos Antwort Catos Truppen meutern, weil sie nach der Niederlage der Senatspartei keinen Sinn mehr im Bürgerkrieg sehen.154 Der Kilikierkönig Tarcondimotus gibt den Soldaten, die unter seiner Führung für Pompeius gekämpft haben und sich, da dieser tot ist, von der Pflicht zur Gefolgschaft entbunden sehen, das Zeichen zum Aufbruch. Cato ruft ihnen darauf höhnisch zu: o numquam pacate Cilix, iterumne rapinas | uadis in aequoreas? (9, 222 f.) und schaut drohend in die Runde. Da sagt jemand (9, 227–239): ›nos, Cato, da ueniam, Pompei duxit in arma, non belli ciuilis amor, partesque fauore fecimus. ille iacet quem paci praetulit orbis, causaque nostra perit: patrios permitte penates230 desertamque domum dulcesque reuisere natos. nam quis erit finis si nec Pharsalia pugnae nec Pompeius erit? perierunt tempora uitae, mors eat in tutum; iustas sibi nostra senectus prospiciat flammas: bellum ciuile sepulchra235 uix ducibus praestare potest. non barbara uictos regna manent, non Armenium mihi saeua minatur aut Scythicum fortuna iugum: sub iura togati ciuis eo […]‹

›Verzeih uns, Cato! Die Liebe zu Pompeius rief uns zu den Waffen, nicht die Liebe zum Bürgerkrieg. Aus Wohlwollen haben wir Partei ergriffen. Jetzt liegt er da, den die Welt dem Frieden vorgezogen hat und unsere Sache scheitert. Erlaube uns, die Penaten der Väter, unsere verlassenen Häuser und die süßen Kinder wiederzusehen. Denn welches Ende sollen die Kämpfe haben, wenn nicht Pharsalia, wenn nicht Pompeius es ist? Unsere Lebenszeit ist dahin, wir wollen in Ruhe sterben. Unser Alter erhofft sich anständige Flammen, und der Bürgerkrieg kann doch kaum den Feldherren ein Grab bieten. Nicht barbarische Königsherrschaft erwartet die Besiegten, nicht droht uns die grausame Fortuna der Armenier oder der Skythen mit dem Joch. Unter die rechtmäßige Regierung eines römischen Bürgers begebe ich mich …‹

Die Parallele zum Bild der glücklichen Heimkehr der begnadigten spanischen Pompeianer und zu dem Gedanken felix qui potuit mundi nutante ruina | quo iaceat iam scire loco ist unübersehbar;155 wiederum können die Leser an das Lob 154 Zur Meuterei cf. Schmitt (1995), 157–172. 155 Cf. Wick (2004b), 84. Es besteht ein feiner Unterschied zwischen den Forderungen der spanischen Pompeianer und des unbe­kannten Soldaten einerseits und denen der meuternden

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des Landlebens denken.156 In der Wendung desertamque domum dulcesque reuisere natos (231) klingt zudem Vergils Beschreibung der Raben an (georg. 1, 411–414):157 […] et saepe cubilibus altis nescio qua praeter solitum dulcedine laeti inter se in foliis strepitant; iuuat imbribus actis progeniem paruam dulcisque reuisere nidos

Und oft, ich weiß nicht, irgendwo in ihren hochgelegen Verstecken, toben sie, ungewöhnlich heiter vor Lust, zwischen den Blättern herum; und freuen sich, wenn der Regen vorbei ist, die kleinen Nachkommen und die lieblichen Nester wieder aufzu­suchen.

Mit Blick auf das folgende Gleichnis – das ja beschreibt, wie die Soldaten, die frühlingshaften Bienen gleichen, von ihrem Heimkehrwunsch wieder abgebracht werden – ist es interessant zu sehen, dass in Vergils Versen eine motivische Verbindung zu den Bienen des vierten Georgica-Buches besteht. Wie die Raben widmen auch sie sich mit Freuden ihren Nachkommen: hinc nescio qua dulcedine laetae | progeniem nidosque fouent (4, 55 f.).158 Wer immer diese Worte zu Cato sagt, ob ein Kilikier oder ein Römer, ist aus dem Kontext der Erzählung nicht zweifelsfrei festzustellen,159 und dieser Umstand ist wichtig. Die Lage erscheint weder gut zu überschauen, noch leicht zu beherrschen. Der Sprecher bringt jedenfalls die gesamte Truppe in Aufruhr: sic ille profatus  | insiluit puppi iuuenum comitante tumultu.  | actum Romanis fuerat de rebus … (9, 251 ff.). Das Argument ist stark, insbesondere wenn man Caesarianer (5, 261 ff.) andererseits: Afranius fordert, ähnlich wie der Anonymus, den Soldaten uita und otium (357) zu lassen (und folglich sagt der Erzähler: iam coniunx natique rudes et sordida tecta …, 395 ff.). Demgegenüber be­mängeln Caesars Legionäre ihre geringe Entlohnung, sind offensichtlich mit ihren Kräften am Ende und wollen nur noch in Ruhe sterben. Das wünschen die Pompeianer zwar auch; sie erhoffen sich aber noch ein gutes Leben vor einem guten Tod. Die Caesarianer hingegen beschreiben ausschließlich die Bestattung, die sie sich wünschen. Deutlich wird der Unterschied zudem in der Erwähnung der Kinder, der zu­künftigen Generation, die weiterleben soll (9, 231); zu diesem Motiv cf. z. B. Hom. Ζ 476 ff.: ›Ζεῦ ἄλλοι τε θεοὶ δότε δὴ καὶ τόνδε γενέσθαι | παῖδ᾽ ἐμὸν ὡς καὶ ἐγώ περ […] καί ποτέ τις εἴποι πατρός γ᾽ ὅδε πολλὸν ἀμείνων | ἐκ πολέμου ἀνιόντα.‹ 156 Die Rede von den süßen Kindern ist stets ein Bild von größter Zärtlichkeit und unmittelbar mit der Vorstellung vom glücklichen Leben verbunden: Lucr. 3, 895; 4, 1234; Verg. georg. 2, 253; 3, 178; Aen. 2, 137; 4, 33. 157 Pypłacz (2015), 186 f. denkt hier an die Worte Sinons: ›nec mihi […] spes ulla | uidendi dulcis natos exoptatumque parentem‹ (Aen. 2, 137 f.). Gemäß Pypłaczs These, dass das Bellum Ciuile die Exemplarität mythischer Paradigmata für die ›reale Welt‹ ad absurdum führt, kann Cato als Laocoon gesehen werden, der mit schlechten Argumenten den Meuterern gegenübersteht; es wäre vielleicht hinzuzufügen: und in seinem Zorn die Rede der Kilikier als ver­logen und be­trügerisch abtut, wofür es keinen Anlass gibt. 158 Cf. Heyner / Wagner (41830) ad loc.; Thomas (1988) ad loc. Die Passage zeichnet sich allgemein auch durch ihren arateischen Hintergrund (Arat. 1003 ff.) und ihre zoologische Relevanz aus (Serv. georg. 1, 414 verweist auf Plinius). 159 Zu der Frage, wer meutert und Lucans Umgang mit den historischen Fakten cf. den Überblick bei Wick (2004a), 3–5; Wick (2004b), 80–86, bes. § 2 zur schwer bestimmbaren Identität des anonymen Soldaten.

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sich der Ereignisse vor Ilerda erinnert. Umso verstörender ist es, wenn Lucans Cato, der sich gemäß metapoetischem Realismus wie ein Odysseus gegenüber Thersites fühlen bzw. darstellen kann,160 auf die Forderungen nichts erwidert als Beleidigungen:161 ›nunc causa pericli | digna uiris‹ (262). Zwar spricht er von Freiheit und Vaterland (264). Aber das ist unsinnig, gleichviel ob er sich damit an die Kilikier wendet oder an die Römer, die sich ihnen vielleicht anschließen wollen: Die Kilikier dürften an römischer Freiheit kein besonderes Interesse haben. Und für Römer, die womöglich in Caesar einen ciuis togatus (238)162 sehen und zu ihren Familien zurückkehren wollen, weil dieser Krieg für sie keinen Sinn mehr hat, können Catos Worte kaum überzeugend sein.163 Wenn ein Fehler des Pompeius gerade darin bestand, nicht einzusehen, dass er der Schwächere war und nichts ausrichten konnte, dann sind seine ehemaligen Soldaten nun einen Schritt weiter. Es bedürfte eines sinnvollen Grundes, warum sie sich gegen Caesar weiter zur Wehr setzen sollten. So ein Grund wäre, gerade gegenüber der Argumentation des Anonymus, leicht zu finden. Cato brauchte bloß darzulegen, dass ein gutes Leben mit fruchtbringender Feldarbeit und gedeihenden Kindern unter Caesar nicht möglich ist, weil dieser alles Ländliche gering achtet, Bäume fällt, Äcker verwüstet und allenfalls seine eigenen Veteranen plündern lassen wird. Das Argument müsste gleichermaßen bei Römern wie bei Nichtrömern verfangen, man hätte nur auf Ariminum und Massilia zu verweisen. Was Cato aber sagt, führt nicht einmal einen irgendwie ergänzenden Gesichtspunkt zur Gefährlichkeit Caesars an. Vielmehr entsteht das absurde Bild, dass Cato – wie Caesar – eine Meuterei niederschlägt, aber in der eigenartigen Attitüde, als General kraft persönlicher Autorität von seinen Untergebenen, die gegen ihn meutern, Gehorsam und Leidensbereitschaft zu fordern, indem er ihnen vorwirft, aus lauter Gehorsam leiden zu wollen: ›nescis sine rege pati‹ 160 Cf. von Albrecht (1970), 275, dazu auch Pypłacz (2015), 189. In Catos ›ite, degeneres‹ lässt sich eine Parallele sehen zu Odysseus’ ›ἴσχεο […] οὐ γὰρ ἐγὼ σέο φημὶ χερειότερον βροτὸν ἄλλον | ἔμμεναι‹ (B 247 ff.). 161 Cf. Tasler (1972), 183: Es gehört zu Catos »Konzept, alle ihre Absichten ins Negative zu verkehren, ihnen damit den Boden für eine Rechtfertigung zu entziehen und Besorgnis über das zu erwartende Urteil der Geschichte über sie zu erwecken; ja ihnen ihre eigenen Motive verdächtig zu machen.« – Sofern aber die Motive gerechtfertgt sind, kann das nicht gelingen, im Gegenteil, dann wird Cato selbst verdächtig. 162 Man hat wegen der Ähnlichkeit zwischen sub iura / sub iugum ire hier eine Entlarvung von bedeutungslosen Phrasen in der Argumentation der Soldaten sehen wollen (u. a. mit 5, 382, wo die propagandistische Vereinnah­mung der Togasymbolik offengelegt wird); cf. Schmitt (1995), 165; Seewald (2008) ad loc.; Wick (2004b) ad loc. Aber folgt daraus, dass der Standpunkt der Meuterer keine Berechtigung hat? ›Freiheit‹ und ›Tugend‹ können genauso als Worthülsen verstanden werden; man denke an die Rede des Petreius. 163 Seewald (2008) ad 9, 228: non belli ciuilis amor … verweist auf die οἰκείωσις-Lehre, derzufolge die Liebe zum Bürgerkrieg eine Verrohung darstellt. Hierbei ist zu beachten, dass es gerade die Liebe zum Krieg ist, die Cato bei Brutus auslöst (2, 325), und dass die Argumentation des Anonymus dagegen die Sehnsucht nach dem eigenen Haus und die Liebe zur Familie berührt.

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(262).164 Hier steht Begriff gegen Begriff. Für die Soldaten ist Caesar rechtmäßiger Konsul, für Cato ist er ein Tyrann. Aber anstatt begreiflich zu machen, was das bedeutet, belässt es Cato beim bloßen Schimpfwort und beschwört den bevorstehenden Sieg: ›quod iam tibi uincere tutum est, | bella fugis‹ (260 f.).165 Das soll höhnisch klingen. Aber der Hohn muss doch unmittelbar auf ihn zurückfallen, wenn er sich zu solcher Rhetorik versteigt: ›nunc patriae iugulos ensesque negatis, | cum prope libertas?‹ (264 f.). Diese Überlegung hat nichts damit zu tun, Cato ungerechtfertigt mit heutigen Maßstäben zu messen, wie den Anhängern einer kritischen Interpretation des lucanischen Cato zuweilen entgegengehalten wird.166 Catos eigene Maßstäbe genügen vollkommen. Wie die Leser wissen, kann es Cato kaum wirklich darum gehen, die Freiheit zurückzuerlangen; er selbst hat bisher keinen Zweifel daran gelassen, dass sogar scheinbare Freiheit nicht mehr existiert.167 Es geht vielmehr darum, dass die Soldaten für die ›Freiheit‹ sterben sollen. Die Forderung ist nicht neu und sie ist, wenn Cato sie erhebt, nicht weniger fragwürdig, als wenn Petreius dies tut.168 Vielleicht kann Cato, der später zur Ikone des Widerstands werden soll, und dessen empörte Erwiderung der Erzähler schon jetzt aus seinem ›heiligen‹ Herzen hervorbrechen lässt (erupere ducis sacro de pectore uoces, 255), sich bei seinen Absichten auf eine höhere philosophische Position berufen.169 Aber das tut er hier offensichtlich nicht. Das ist umso verblüffender, wenn die Leser (und im binnenfiktionalen Zusammenhang womöglich auch einige Soldaten) dies eigentlich erwartet haben.170 Immerhin scheint der Anonymus ja mit jenem stoischen Philosophem zu provozieren, mit dem Cato in die Handlung eingetreten war: post te [sc. Magne] fata sequar (9, 243, cf. 2, 287). – Während die Soldaten eine Vision davon haben, welche Zukunft sie sich wünschen, vermag Cato, wiederum, darüber nichts zu sagen. Der Wille, sich um Frau und Kind zu sorgen, bedeutet ihm, dem urbi pater urbique maritus, nichts. 164 Gegenüber Brutus hat er eine ähnliche, aber etwas sachlichere Formulierung gebraucht, cf. 2, 314 f.: ›cur saeua uolentes | regna pati pereunt?‹ 165 Man hat darüber diskutiert, ob Cato meint: ›da es für dich sicher ist zu siegen‹, cf. Housman (21927) oder ›da es sicher ist, dass du für dich siegst‹, cf. Francken (1897) ad loc.; Wick (2004b) ad loc. Davon unberührt bleibt aber, dass Cato überhaupt einen Sieg für möglich hält und glaubt, die Republik könne nun leicht wiedergewonnen werden. 166 Cf. Wick (2004a), 32. 167 Cf. 2, 302 ff.; 9, 204 ff.; sowie die Worte des Erzählers zur numquam reditura Libertas (7, 432 f.). Zu dieser In­konsistenz in der Rede Catos cf. auch Wick (2004b)  ad loc. Aber muss nicht die Figurenrede ernst genommen werden, vor allem angesichts der auch sonst so schlechten Argumentation Catos? 168 Cf. 4, 221 f.: ›non hoc ciuilia bella, | ut uiuamus, agunt.‹ Zum Vergleich der Reden von Petreius und Cato cf. Wick (2004b), 85. Zur fatalen Exemplarität von Catos Selbstmord, der damit entwertet wird, cf. Seo (2011). 169 Zu dieser Auffassung cf. Schmitt (1995): »Man kann den politisch-sozialen Aspekt der Soldaten und den philo­sophischen Catos nicht über einen Leisten schlagen.« 170 Zu Catos im Allgemeinen philosophischer Rhetorik cf. Helzle (1996), 138–143.

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b) Das Gleichnis Cato befindet sich mit seiner Rede, wie gesagt, in einer Kommunikationssituation, die für einen Krieg typisch ist und die im Bellum Ciuile schon mehrfach dargestellt wurde. Durch die von Robert Tucker beschriebene Formel ›speechaction-simile‹ wird das besonders markiert.171 Damit ist Cato den anderen Kriegsteilnehmern direkt vergleichbar. Gerade vor diesem Hintergrund verhindert die Diskrepanz zwischen der tatsächlichen und der erwarteten (oder erhofften) Antwort Catos, dass sein Standpunkt wirklich überzeugend begründet wird; und zwar sowohl für die internen Adressaten Catos als auch für Lucans Leser. Für letztere, die womöglich immer noch über das apodiktische sed uicta Catoni (1, 128) nachdenken, ist das entscheidend. Allein aus der Niederlage gegen Caesar folgt nicht moralische Überlegenheit. Die Analyse des Gleichnisses braucht hier nicht ausführlich wiederholt zu werden,172 die Besprechung kann sich auf einige Hinweise beschränken (9, 283–302): […] dixit, et omnes haud aliter medio reuocauit ab aequore puppes quam, simul effetas linquunt examina ceras285 atque oblita faui non miscent nexibus alas sed sibi quaeque uolat nec iam degustat amarum desidiosa thymum, Phrygii sonus increpat aeris, attonitae posuere fugam studiumque laboris floriferi repetunt et sparsi mellis amorem: 290 gaudet in Hyblaeo securus gramine pastor diuitias seruasse casae. sic uoce Catonis inculcata uiris iusti patientia Martis. iamque actu belli non doctas ferre quietem constituit mentes serieque agitare laborum.295 primum litoreis miles lassatur harenis. […] inde peti placuit Libyci contermina Mauris300 regna Iubae, sed iter mediis natura uetabat Syrtibus: hanc audax sperat sibi cedere uirtus.

So sprach er und nicht anders rief er alle Schiffe vom offenen Meer zurück, als wenn Bienenschwärme den Stock, in dem gerade eine neue Generation zur Welt gekommen ist, verlassen und, ohne weiter an ihre Honigwaben zu denken, nicht mehr in dichter Verbindung ihre Flügel mischen: Jede Biene fliegt stattdessen für sich und kostet, träg, nicht mehr vom bitteren Thymian – dann ertönt der kreischende Klang phrygischen Erzes und wie vom Donner gerührt lassen sie alle von der Flucht ab, verspüren wieder Eifer für die Arbeit an den Blüten und wieder Liebe zum verstreuten Honig, und sicher auf der hyblaeischen Flur freut sich der Imker, den Reichtum des Hauses bewahrt zu haben: So wurde durch Catos Stimme den Männern die Geduld für einen gerechten Krieg eingeschärft. Und die Soldaten, die durch ihren Kriegsdienst nicht mehr gewohnt waren, die Ruhe zu ertragen, beschloss er, mit Mühen zu beschäftigen. Zuerst sollten sie sich am Ufer mit dem Sand abarbeiten … Dann entschied er, das Reich des Libyerkönigs Juba, das an Mauretanien grenzt, aufzusuchen. Den Weg mitten durch die Syrten verbot die Natur. Doch dass sie gerade ihm nachgebe, erhoffte sein tollkühner Mut.

171 Cf. Tucker (1969). 172 Intertextuelle Bezüge in dieser Passage bestehen, abgesehen vom vierten GeorgicaBuch, insbesondere zu Hom. Β 87 ff.; Ap. Rh. 1, 879 ff.; 2, 130 ff.; Verg. Aen. 1, 421 ff.; 12, 587 f.

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Cato ruft die Soldaten zu Disziplin auf wie ein Imker seine Bienen zur Arbeit ruft; und wie ein Imker die Bienen, denen er überlegen ist, erschreckt und täuscht, so macht sich Cato anscheinend die Soldaten gefügig. Wie genau, bleibt undeutlich. Die Motivik unterstreicht dies; Bienen haftet oft etwas Wunderbares, Unerklärliches an.173 Jedenfalls hat Cato Erfolg. Bienen gehören allerdings auch zum allgemeinen Bestand epischer Gleichnismotive. Cato selbst könnte, sofern er binnenfiktional das Gleichnis auch ›empfindet‹, an das Β der Ilias denken, wo Agamemnon bienengleiche Soldaten befehligt.174 Für die Leser dürften aber vor allem die Anspielungen auf die Georgia wirksam sein. Mit den Bienen dort verhält es sich jedoch etwas anders. Tatsächlich heißt es über ihre Arbeit im Bienenstaat: ultroque animam sub fasce dedere: | tantus amor florum et generandi gloria mellis (georg. 4, 204 f.). Diese Metapher ist, wie die gesamte Erzählung über die Bienen, durchaus schwierig. Angekündigt ist das vierte Georgica-Buch als ein wunderbarer Bericht über etwas Kleines, das dennoch großen Ruhm beanspruchen darf. Auch bei den Bienen gibt es Sitten und Eifer und Völker und Krieg (3–5): Die Bienen werden mit Menschen verglichen. Dabei scheint jedoch bis zuletzt nie vollends deutlich zu werden, ob hierdurch mehr Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu Tage treten. Und es soll wohl auch zweifelhaft bleiben, ob der Vergleich überhaupt gerechtfertigt ist; si parua licet componere magnis (176), unterbricht sich der vergilische Erzähler an einer Stelle. Es besteht kein Anlass, dies für eine Phrase zu halten. Lucans Leser dürfen sich mit Blick auf den Referenztext insbesondere fragen, ob dieser Vergleich auch wieder umgekehrt werden kann und, ausgehend von Erfahrungen eines ›Landmannes‹, Großes mit Kleinem verglichen werden darf, so, wie es offensichtlich für Cato getan ist.175 Vergils Bienen scheinen jedenfalls trotz allen Ähnlichkeiten von den Menschen dennoch sehr verschieden zu sein, etwa in ihrem natürlichen, wohl nicht durch Degeneration entstandenen amor habendi, in ihrer Asexualität, in dem Wunderbaren, Naiven, das ihnen anhaftet.176 In der nie ganz auflösbaren Spannung zwischen dem Leben, das beschrieben wird, und der Zivilisationsmetaphorik, die hierfür Anwendung findet, liegt gerade ein besonderer Reiz des vergilischen Bienenstaates.177 Abgesehen davon, betrifft die 173 Cf. Tasler (1972), 184. 174 Cf. Hom. Β 87 ff. Freilich haben diese Soldaten die Aussicht, nach Hause zu fahren. Zwar lässt sich annehmen, dass Cato in Bezug zu Odysseus zu sehen ist, der die Griechen wieder zur Ordnung ruft, aber die ›Verdrehung‹ des Anlasses für das Gleichnis fällt auf. Man kann also auch hier gemäß metapoetischem Realismus fragen, ob Cato sich womöglich falsch an die Ilias erinnert. 175 Wenn Vergils Tityrus das tut (ecl. 1, 19 ff.), geht es jedenfalls nicht auf; cf. Clausen (1994) ad loc.; und der Vergleich der karthagischen Bauleute mit den Bienen, Aen. 1, 430 ff., deutet in gewisser Weise auch auf ein trüge­risches Idyll. Hierzu cf. Giusti (2014). 176 Cf. 4, 22; 177; 198; 220. 177 Es ist bezeichnend, dass die Interpretationen des Bienenstaates, namentlich des Vergleichs der Bienen mit den Menschen, so weit auseinandergehen; um nur ganz wenige, will-

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Bemerkung über den Diensteifer der Bienen und ihren amor florum gerade einen intakten ›Staat‹, keine Bürgerkriegsgesellschaft, die es ja bei Vergils Bienen auch zu geben scheint. Leben und Sterben haben hier einen natürlichen und sinnvollen Ablauf: ergo ipsas quamuis angusti terminus aeui | excipiat (neque enim plus septima ducitur aestas), | at genus immortale manet multosque per annos | stat fortuna domus et aui numerantur auorum (georg. 4, 206 ff.). Nun zur eigentlichen Aussage des lucanischen Gleichnisses. Bei näherem Hinsehen ist das, was die Georgica-Anspielungen hier bewirken, der verstörende Eindruck, dass der Imker, dem an erfolgreichem Tagwerk in bukolischer Landschaft gelegen sein sollte,178 in Wahrheit auch nur ein Agitator des Bienenbürgerkrieges ist, der seine Ziele mit Gewalt durchsetzt. Warum (und für wen?) ist es so wichtig, dass der Thymian bitter ist?179 Phrygii sonus increpat aeris (288): Das erinnert weniger an das zarte Geklingel, mit dem man Bienen zu einem bestimmt Ort lockt (georg. 4, 64), als vielmehr an den Schlachtruf des Krieges, Martius ille aeris rauci canor increpat (georg. 4, 71). Was würde zudem – gesetzt, man verfolgt das Vergleichsmoment etwas länger  – aus einem Imker, der seine aufgeregten Bienen lautstark provoziert: ›quin agite et magna meritum cum caede parate‹ (282)? Auch deswegen muss das Gleichnismotiv schwer verständlich erscheinen. In Vergils Bienenkrieg ist der pastor kein Beteiligter, sondern derjenige, der über allem steht, mit einer Handvoll Staub dem lästigen, aber völlig unbedeutenden Treiben ein Ende bereitet und schließlich den unterlegenen König beseitigt, um den Frieden wiederherzustellen (4, 86 ff.). Wie kann aber Cato einem Imker gleichen, der Honig gewinnen will, wenn er doch seine Soldaten in den Kampf hinausschickt und selbst im Wie-Stück des Gleichnisses so erscheint, als stachele er die Bienen zum Krieg auf? Dass die patienta iusti Martis sich vorerst weniger gegen Caesar richten soll als gegen die Natur, ist an dieser Stelle der Erzählung ja noch nicht bekannt (aber auch das ist eigenartig genug, wenn man bedenkt, dass der Imker die Bienen zu ihrer naturgemäßen Tätigkeit zurückbringen möchte).180 kürlich ausgewählte Beispiele zu nennen, cf. Thomas (1982), 75–78 zum amor habendi und demgegenüber Mynors (1990) ad loc. oder Klingner (1963), 176–182 zur Bedeutung der Gabe Jupiters (149 ff.) und zur Unsterblichkeit der Bienen im Zusammenhang mit dem OrpheusEpyllion und demgegenüber die Deutung der Jupitergabe bei Putnam (1979), 253–255, die der Unsterblichkeit und der Bugonie bei Miles (1980), 251–257 und die des Orpheus bei Thomas (1982), 70–92. 178 Zum Hyblaeum gramen (9, 291) als bukolischem Ort gegenüber Libyen cf. Kersten (2014), 52 mit ecl. 1, 54; auch casa gehört in diesen Zusammenhang, cf. z. B. Clausen (1994) ad Verg. ecl. 2, 29. 179 Das Wort amarus ist suggestiv und erklärungsbedürftig. Zum Problem der Perspektive cf. Verg. ecl. 1, 78; Serv. Aen. 4, 486; Kersten (2014), 48. 180 Für eine andere, vor allem vom Erfolg der Rede ausgehende Deutung des Gleichnisses cf. Blaschka (2015), 299: »Cato hat [seine Soldaten] davon überzeugt, dass sie den Krieg als Mars iustus für die eigene Sache erkennen, für die Freiheit des römischen Volkes. Darin

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Eine Erklärung kann darin liegen, dass Cato seine Lage und seine Möglichkeiten nicht richtig einschätzt, und das Gleichnis folglich diese Unstimmigkeit zwischen subjektiver und objektiver Betrachtung abbildet. Auf diese Art hat man, wie oben vorgeschlagen wurde, die Gleichnisse für Pompeius zu verstehen. Da Cato nun aus ganzem Herzen Pompeianer ist, mehr noch: als Anführer der republikanischen Truppen sich gewissermaßen in derselben Lage wie Pompeius befindet, liegt es nahe, eine ähnliche literarische Gestaltung nun auch bei diesem Gleichnis zu vermuten, das zudem, wie das Stiergleichnis, unübersehbar auf die Georgica anspielt.181 Abgesehen von den sachlichen Problemen des Gleichnisses, die Catos Handeln verkehrt erscheinen lassen, kommt es hierbei auf den Kontext der Bienenmotivik in den Georgica an und darauf, wie man diesen zur Interpretation von Catos libyschen Abenteuern heranzieht.

c) Das Motiv und sein Kontext Lucans Leser können hier tatsächlich leicht an einen Imker aus den Georgica denken, nämlich an den korykischen Alten, der in bescheidensten, aber glücklichen Verhältnissen lebt und rastlos tätig ist.182 Es ist aufschlussreich, hier einen Vergleich zu ziehen (georg. 4, 130–138): Hic rarum tamen in dumis olus albaque circum130 lilia uerbenasque premens uescumque papauer regum aequabat opes animis seraque reuertens nocte domum dapibus mensas onerabat inemptis. Primus uere rosam atque autumno carpere poma, et cum tristis hiems etiamnum frigore saxa135 rumperet et glacie cursus frenaret aquarum, ille comam mollis iam tondebat hyacinthi aestatem increpitans seram Zephyrosque morantis.

Dennoch zog er zwischen dem Gestrüpp ein wenig Kohl und weiße Lilien ringsum und Kräuter und mageren Mohn – und hielt dies für königlichen Reichtum. Spät abends kehrte er heim und beschwerte den Tisch mit Speisen, die er nicht zu kaufen brauchte. Er konnte im Frühling als erster die Rose, im Herbst als erster den Apfel pflücken und wenn der traurige Winter noch immer mit Kälte Felsen zerbrach und mit Eis den Seeweg festhielt, da beschnitt er schon das Haar der zarten Hyazinthe, und schimpfte auf den spät kommenden Sommer und den säumigen Zephyr.

besteht der große Unterschied zwischen dem Verhältnis Catos zu seinen Truppen und dem anderer Feldherrn wie Caesar, Petreius, aber auch Pompeius. Es ist aufschlussreich, dass Cato mit denselben Argumenten seine Soldaten vom Meutern hin zur eigenen Überzeugung von der Weiterführung des Krieges gebracht hat, mit denen Caesar seine aufbegehrenden Soldaten zur Raison brachte, wobei es bei ihm mehr oder minder einer Einschüchterung gleichkam. Cato überließ die endgültige Entscheidung den Soldaten, während er sie durch seine Worte in die richtige Richtung lenkte.« 181 Hierzu cf. Wick (2004b) ad loc. 182 Cf. Thomas (1982), 119; D’Alessandro Behr (2007), 147, allerdings ohne den Vergleich weiter auszuführen. Zu Vergils Passage cf. Burck (1956); Klingner (1963), 174–176; La Penna (1977); Perkell (1981); Ross (1987), 200–206; Johnson (2004); Harrison (2004).

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Der Alte ringt mit der Natur, er trotzt dem schlechten Boden ab, was er braucht, und wird dadurch nicht nur satt, sondern reich. Und wenn er den Sommer anknurrt (aestatem increpitans, 138) ist beinahe zu erwarten, dass er sich auch hiermit durchsetzen und den trüben Winter, der schlimmer dargestellt ist als er in Tarent sein dürfte, bezwingen wird. Der Gedanke wird bestätigt; dem Alten schlüpfen tatsächlich als erstem neue Bienen (georg. 4, 139–141): ergo apibus fetis idem atque examine multo primus abundare et spumantia cogere pressis mella fauis

Also war er auch der erste, der an neuen Bienen übergenug hatte und an großen Schwärmen, und der schäumenden Honig aus den Waben drücken konnte.

Wovon berichtet wird, ist das auf zwei wesentliche Momente reduzierte Bienenjahr, apes fetae und mella. Das sind dieselben Momente, zwischen denen auch Lucans Gleichnis aufgespannt ist, es beginnt mit den ›geschlüpften Bienen‹ und endet mit der ›Liebe zum Honig‹. Doch in dem Bild, das Lucan gibt, muss der Imker eingreifen, weil der gewöhnliche Ablauf gestört ist. Der Grund hierfür wird nicht genannt. Aber man muss das dem Bienenvater vielleicht negativ auslegen. Der korykische Alte ist das Musterbeispiel eines Imkers, lässt er sich doch durch nichts von seiner Arbeit abbringen. Er ist keinesfalls leidenschaftslos, im Gegenteil: Wenn nötig, schimpft er auch mit einem scheinbar übermächtigen Gegner. Erfolg hat er immer. Für die Leser ist mit dem Vergleich viel gewonnen. Erich Burck hat gezeigt, dass Vergils Greis unter anderem im Zusammenhang mit Ciceros Cato Maior zu sehen ist, der ausdrücklich die Freuden des Gartenbaus rühmt: Nec uero segetibus solum et pratis et uineis et arbustis res rusticae laetae sunt, sed hortis etiam et pomariis, tum pecudum pastu, apium examinibus, florum omnium uarietate (Cic. Cato 54). Wenn auch der Korykier kein römischer Senator ist, so steht es doch einem Senator gut an, die Lebensführung des Alten zu bewundern.183 Er könnte auch Lucans Cato zum Vorbild taugen, und dies desto leichter, wenn bereits sein Urgroßvater ein solches Leben hochgeschätzt hat.184 Auch für dieses Gleichnis ist die Annahme nützlich, dass sein Fokalisator der eigentlich zu Vergleichende ist; es entspricht völlig dem Selbstbild, das Cato vermutlich hat: Ein würdevoller Römer, den luxuria und licentia noch nicht verdorben haben, der mit wenigem zufrieden ist und hart arbeitet.185 Auf binnenfiktionaler Ebene kann Cato sich darin, wie er mit den unbotmäßigen Soldaten schimpft, mit einem idealen Imker vergleichen, der sich um seines Honigs willen mit Sommer und Zephyr streitet: Er äußert kurz und energisch seinen Unmut, aber nicht zornig, sondern in der Absicht, nur noch hingebungs 183 Cf. Burck (1956), 165 f. 184 Das ›Hausvater‹-Motiv des Bienengleichnisses (diuitias seruasse casae, 9, 292) bekräftigt diesen Bezug, cf. Cato agr. 5, 1: alieno manum abstineat, sua servet diligenter. 185 Cf. 2, 384 ff.: huic epulae uicisse famem

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voller seinen Pflichten nachzugehen.186 Aber so wirkt das Gleichnis nicht, das Catos Rede reflektiert.187 So kann es auch nicht wirken. Das Dasein im Garten (der keineswegs nur epikureisch zu denken ist188) kann dieser Cato nicht verstehen.189 Lucans Gleichnis zeigt vielmehr das Verhalten eines Imkers, der nicht weniger desorientiert ist als seine Bienen, wenn er auf bukolischen Gefilden Kriegslärm macht, um den Schwarm zum Arbeiten anzuregen. Dass man eventuell schon zu Lucans Zeiten vermutet hat, Vergils Greis könne ein Kilikier sein, womöglich sogar einer der ehemaligen Klienten des Pompeius,190 und dass er ein Leben führt, wie Catos Soldaten es sich nach all dem Krieg nun wünschen, sind schließlich weitere reizvolle Details, die für die Interpretation der Stelle fruchtbar gemacht werden können. Und noch etwas dürfte bei einem Vergleich Catos mit dem korykischen Alten von Interesse sein: Die Gurke, die in einem Garten wächst, wie ihn der 186 Während Vergils Intensivum increpitare in seiner Übertreibung sympathisch-spöttisch wirkt, vielleicht gar, wenn man entsprechende Fokalisation annimmt, selbstironisch, ist bei Catos Ordnungsruf (increpere) keine Hei­terkeit auszumachen. 187 Catos Exemplarität scheint in das Gleichnis hineinzuwirken; zwar klingt es lieblich, wenn die Bienen ihre Liebe zum Honig wiederentdecken, es ist aber zu fragen, welche Konnotation die Leser bei dem studium laboris floriferi feststellen sollen. Angesichts des Hintergrundes, den das Gleichnis hat, scheint es naheliegend, hierbei an Disziplin bei unbequemer, aber notwendiger Arbeit zudenken. So zeigt sich Catos Problem ein weiteres Mal. Ein Imker muss hart arbeiten wie der korykische Greis, aber auf die Bienen selbst trifft das nicht zu, wenn sie erfolg­reich sein sollen. Zwar sind auch sie am Abend müde, aber ihre Arbeit ist dennoch heiter, cf. La Penna (1977), 52: »la visione del lavoro nel mondo delle api riesce ben diversa da quella del I libro: il quadro quasi non conosce il labor improbus.« Cato kann versuchen, von seinen Soldaten dasselbe zu fordern, was er sich selbst auch abver­langt. Aber ein Imker kann das kaum. 188 So Johnson (2004), cf. aber Burck (1956), 170–172 zu den verschiedenen Philosophen bzw. Schulen (darunter auch die Stoa) die man in dem Bild hat identifizieren wollen; überdies La Penna (1977), 60–63, zum hesiodeischen Hintergrund im Exkurs über den Alten. Die Bemerkung regum aequabat opes animis kann an sich aber leicht für einen Ausdruck stoischer Lebensauffassung genommen werden, cf. della Corte (1960) ad loc.; Thomas (1982), 119 insbeondere zum stoischen Gehalt von Hor. epist. 1, 16, bes. 11: dicas adductum proprius frondere Tarentum. Zur platonischen Motivik der Platane (4, 146) cf. Harrison (2004), 117. 189 Columella hat, was das Geräusch zur Beeinflussung der Bienen betrifft, eine etwas andere Auffassung als Vergil, dem er sonst oft folgt. In agr. 9, 8, 10 und 9, 12, spricht er, ohne genaue Quellen zu nennen, davon, den Bienen­schwarm gegebenenfalls mit Lärm von ehernen oder tönernen Klappern (crepitacula)  zu erschrecken (terreatur fugiens iuuentus). Zu den unterschiedlichen Auffassungen hierzu cf. z. B. Kersten (2014), 50 mit Wick (2004b), 106. Columella betont jedoch auch die pflegende Zuwendung, die notwendig ist: 9, 9, 1 und er spricht über den Bienenkrieg, wobei er georg. 4, 70–72 zitiert, also die Stelle, wo vom ehern klingenden Schlachtenlärm gesprochen wird. Bei Columella besteht zwischen beiden Stellen kein Zusammenhang, während Lucan ihn eben herstellt. 190 Κώρυκος ist eine kilikische Stadt, zu Pompeius cf. Serv. georg. 4, 127 mit Lucan. 1, 346, hierzu auch Leigh (1994). Zur Frage der Vergangenheit des Greises cf. La Penna (1977), 64; Ross (1987), 204.

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Alte bestellt, erinnert, wie Rebecca Armstrong gezeigt hat, an eine Schlange: tortusque per herbam | cresceret in uentrem cucumis (georg. 4, 121 f.). Für die Leser mag dies gleichermaßen darauf hindeuten, welche Gefahren dem Landleben im Allgemeinen entgegenstehen können und wie sicher, sei es bewusst oder unbewusst, der Alte in seinem Idyll lebt.191 Die schlangenartige Gurke scheint überdies Stephen Harrisons These zu bestärken, dass Vergils Greis eine Referenz auf Nikander darstellt.192 Insofern vergrößert sich noch der Kontrast zwischen dem Corycius senex und Lucans Cato, der Nikander – um auf die oben vorgetragenen Überlegungen zu Catos Fachwissen zurückzukommen – nicht kennt oder nicht beachtet.193 Vielleicht darf man sogar noch einen Schritt weiter gehen. Wohl weil Catos Vorgehen, die bienengleichen Soldaten zu disziplinieren, unmittelbar erfolgreich ist, wurde verschiedentlich vorgeschlagen, auch an Vergils Aristaeus, den erlösenden Kulturbringer, zu denken.194 Freilich gibt es hier keine direkten Anspielungen, die das unmittelbar nahelegen. Das wäre aber nach dem, was bisher beobachtet wurde, kein Grund, diesen Interpretationsansatz sogleich zu verwerfen. Zweifel müssen hingegen daran bestehen, ob ein Vergleich mit Vergils Aristaeus zu Gunsten von Lucans Cato ausfallen könnte. Aristaeus, der eigentlich als Held verehrt wird (bekannt ist auch ein Ζεύς Ἀρισταῖος195), entzieht sich in den Georgica einer rein bewundernden, lobenden Wertung.196 Der heroischen Wiederbeschaffung des Bienenvolkes geht immerhin sein Verlust voraus. Es ist seine Schuld, dass Eurydike ein Opfer der Schlange wird, dafür büßt er mit dem Tod seiner Bienen und kann erst durch göttliche Gnade von Zorn, Klage und Verlust erlöst werden. Auch dass die Bienen nur mit Gewalt, nämlich durch die Bugonie, wiederzubringen sind, kann für erschreckend gehalten werden. Dieser Gedanke lässt sich für die objektive Sicht auf das lucanische Gleichnis heranziehen; im 191 Cf. Armstrong (2008); Columella (10, 378–92) scheint dies verstanden und darauf reagiert zu haben, cf. Cowan (2009). Auch das Safrangleichnis (Corycii pressura croci, 9, 809) scheint den Bezug zu bekräftigen, cf. Heitland (1887), cxxv. 192 Cf. Harrison (2004). 193 Cf. oben 23. 194 Cf. D’Alessandro Behr (2007), 147; Adorjáni (2007), 200 f. überdies mit georg. 4, 212 ff. in Bezug auf Cato: »Cato erscheint demgemäß zur gleichen Zeit als äußerer und innerer Spender von Wohlsein und Frieden«; Papaioannou (2012), 95 f.; Fratantuono (2015), 68. 195 Cf. Mynors (1990) ad georg. 4, 315–16. 196 Cf. Klingner (1963), 227–239; zur Ambivalenz des vergilischen Aristaeus cf. z. B. Griffin (1979/2008); Thomas (1988) ad 4, 511–517. Farell (1991), 253–272 und Morgan (1999) deuten die Passage, insbesondere die Bugonie, mit Blick auf philosophische und allegoretische Diskurse. Ob jedoch mit dem Nachweis, dass die Stelle unproblema­tisch bzw. affirmativ zur augusteischen Neuerrichtung Roms lesbar ist, gleichzeitig jede ambivalente Grundstim­mung aufgehoben ist, erscheint mir zweifelhaft. Anlass der Allegorese ist ja immerhin die unmittelbare Schwierigkeit mit dem Literalsinn eines Textes. Dass diese im Fall des vierten GeorgicaBuches vorliegt und von einem Leser wie Lucan aufgegriffen werden konnte, dürfte aber außer Frage stehen.

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Verlauf des Wüstenmarsches wird deutlich, wie: Cato führt die Männer mit den oft zitierten Worten ›serpens, sitis, ardor, harenae | dulcia uirtuti; gaudet patientia duris‹ (402 f.). Alles Schreckliche wertet er um zu einer ehrenvollen Probe des Durchhaltevermögens. Erst wenn man dies Wagnis eingegangen sei, dann sei Flucht keine Schande mehr: ›ut deceat fugisse uiros‹ (406). Auch Cato wendet Gewalt an, auch er verlangt ein ›Opfer‹. Aber unmittelbar nachdem der Erzähler erklärt hat, damit habe Cato die Männer zur Tugendhaftigkeit entflammt und zur Liebe der Mühsal (amor laborum, 407), fügt er hinzu: irreducemque uiam deserto limite carpit (408). Hier gibt es kein Zurück. uiam carpere: In den Georgica ist für das einfache, harte Leben der libyschen Hirten ein eigentümliches Gleichnis gewählt, das beschreibt, was es bedeutet, seine Habe ständig mit sich herumzutragen. Hierauf scheint sich Lucan an dieser Stelle zu beziehen (georg. 3, 346–348): non secus ac patriis acer Romanus in armis iniusto sub fasce uiam cum carpit, et hosti ante exspectatum positis stat in agmine castris.

Nicht anders der harte Römer in den Waffen der Väter: Gedrückt vom ungerechten Fascis nimmt er seinen Weg, und ehe es der Feind erwartet, hat er sein Lager errichtet und steht in der Schlachtreihe.

Die Tüchtigkeit der Römer, des genus acre uirum (2, 168), wird in den Georgica immer wieder betont und ist insbesondere für die Mühen der Landwirtschaft von Bedeutung. Es kommt auch in diesem Gleichnis darauf an, dass die Arbeit oft schwer und unerfreulich ist.197 Die libyschen Hirten leben ein primitives, diszipliniertes Leben, fern von dekadentem Wohlstand. Dies allein besitzt aber keine eindeutige Qualität, so scheint es das Motiv des Vergleichs nahezulegen. Wenn ein römischer Legionär  – von dem nicht gesagt ist, wo man ihn sich vorstellen soll, vielleicht auch in Libyen? – sein Bündel nicht nur als ›schwer‹, sondern als iniustus begreift, so ist das erklärungsbedürftig.198 Interessant ist der Numerus. Das Bündel der Befehlshaber ist hier nicht gemeint, man möchte beinahe sagen: auffälligerweise.199 Niederdrückend können die fasces nämlich ebenfalls sein, wie es am Ende des zweiten Buches heißt: illum non populi fasces […] flexit (2, 495 f.) und im Bürgerkrieg ist dieser Druck durchaus ungerecht, wie der unmittelbar folgende Vers nahelegt: et infidos agitans discordia fratres. 197 Cf. Heyner / Wagner (41830) ad loc. mit Verweis auf den labor improbus; ähnlich Thomas (1988); Gale (2000), 145 No. 4 198 Vergil verwendet das Wort sonst nur noch einmal, in der dritten Ekloge, für die ungerechte Stiefmutter (3, 33). Man kann iniusto synonym mit iniquo verstehen, cf. Erren (2003) ad loc. mit Cic. orat. 35 iniusti oneris. – Putnam (1979), 209 sieht eine ironische Dimension des Gleichnisses; cf. überdies Perkell (1989), 119; Nappa (2005), 142 f. zum Problem der militärischen Führung. 199 Serv. georg. 3, 347 erklärt eigens: sub magno onere, ut ›ego hoc te fasce leuabo‹. magnum autem onus dicit prop­ter arma, alimenta, uestitum.

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Tapferkeit kann auch falsch sein; jedenfalls ist sie auf dem Acker unproblematischer als im Felde. Lucan führt gewissermaßen Vergils Gleichnismotiv weiter aus: Der Kontext ist bei ihm ebenfalls die libysche Wüste, im Zentrum steht der leidende, aber gehorsame Soldat, und eine sprachliche Verbindung besteht in der Wendung uiam carpere, für welche die Georgica-Stelle der erste Beleg zu sein scheint.200 Ein wichtiger Bezug ergibt sich zudem durch Vergils Bienen; über die heißt es: ultroque animam sub fasce dedere: tantus amor florum (georg. 4, 204 f.).201 Ihr Bündel ist nicht ›ungerecht‹, sie tragen es auch nicht gegen einen Feind.202 Der Effekt von Lucans Bemerkung uiam deserto limite carpit wirkt wie ein Kommentar zu dem schwierigen vergilischen Gleichnis. Wenn man sich für eine problematisierende Interpretation des Bildes entscheidet, ist hiermit vor falscher Bewunderung des kargen ›exemplarischen‹ Lebens gewarnt. Vor diesem Hintergrund muss ein Vergleich zwischen Cato und Aristaeus gesehen werden. Der Weg, auf den sich Cato und die Seinen hier begeben, ist ein Weg in die Unterwelt.203 Lucans Junktur uiam irreducem carpere ist neuartig,204 aber in ihr klingt das Motiv der unmöglichen Umkehr an, das mit dem Weg in das Totenreich verbunden ist: sed reuocare gradum superasque euadere ad auras, | hoc opus, hic labor est (Aen. 6, 128 f.). Als Aeneas, dem eine Ausnahme gewährt ist, von Weitem den Tartarus gesehen hat, sagt die Sybille zu ihm den erlösenden Satz: sed iam age, carpe uiam et susceptum perfice munus (Aen. 6, 629), um ihn dann ins Elysium zu geleiten und von dort zurück ins Leben. Aus der libyschen Wüste aber wird es keinen Rückweg geben. Die Bemerkung des Erzählers soll sicher in diesem Zusammenhang der iter / labor-Motivik der Katabasis gesehen werden.205 Als Vergils Orpheus sich umwendet, erscheint der dunkelste Gedanke der Georgica in aller Unerbittlichkeit: ibi omnis | effusus labor (georg. 200 Zu der Junktur uiam carpere cf. Wick (2004b) ad loc. Erren (2003) nennt die Verwendung mit Bezug auf die Soldaten des vergilischen Gleichnisses euphemistisch. 201 Vom mellis amor war am Ende des Bienengleichnisses die Rede (Lucan. 9, 290) und amor laborum steht un­mittelbar vor unserer Stelle (9, 407). 202 Zur Beziehung zwischen georg. 3, 346 ff. und 4, 203 ff. und dem Gegensatz militä­ rischen Strebens zu friedlicher Honigproduktion cf. Heckel (1998). 203 Cf. Wick (2004b) ad loc. mit Hor. carm. 2, 17, 10 ff.: ibimus, ibimus, | utcumque praece­ des, supremum | carpere iter comites parati; ähnlich auch Hor. carm. 1, 28, 16: et calcanda semel uia leti. 204 Cf. TLL, 7, 2, 394, 1 ff. s. v. irredux [Hiltbrunner 1962]: Das Wort ist nur hier belegt. 205 Vielleicht hat das Bienenmotiv auch noch hierbei eine gewisse Bedeutung; Bienen symbolisieren zuweilen die Seelen der Menschen, cf. Aen. 6, 706 ff., dazu Norden (31927) ad loc. insbesondere mit Porph. de antr. nymph. 18 f. Man hat diesen Gedanken auch für die Bugonie fruchtbar gemacht, cf. z. B. Farrell (1991), 262–272; Morgan (1999), 143 f. Was müsste diese Motivik für Lucans Cato bedeuten, wenn er die Soldaten auf den Wüs­tenmarsch vorbereitet und diese nun vor ihrem Tod (anstatt vor ihrer Wiedergeburt) mit Bienen verglichen sind? Eine weitere Beziehung zur Unterweltsmotivik besteht auch darin, dass Lucan in Libyen den Fluss Lethon fließen lässt (9, 355 f.), cf. Zientek (2014), 222 f.

Der schlechte Hirte

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4, 491 f.). So ist es auch hier. Die eben geweckte Begeisterung der Soldaten für den gleichnishaften labor florifer ist vergeblich.206 Libyen wird das Grab all dieser Männer werden, die so viel auf sich nehmen: et sacrum paruo nomen clausura sepulchro | inuasit Libye securi fata Catonis (9, 409 f.). Hoffnung, dass die Geduld für den gerechten Krieg belohnt wird, gibt es nicht.207 – Wenn also bei Lucans Cato auf Vergils Aristaeuserzählung gedeutet ist, so keinesfalls nur auf das Großartige und immer Bewunderte, das dieser pastor erlangt (und wofür er seit je bekannt ist), sondern auch auf das Leid, das er anderen zufügt und das auf ihn zurückfällt, so dass er aus eigener Kraft keine Erlösung finden kann.208 Dass Cato mit seiner Rhetorik wenigstens kurzfristig Erfolg hat, dass er einen gerechten Krieg führen will und dass eine gute und wohlbedachte Rede seit je als honigsüß bezeichnet werden kann,209 widerspricht all den problematischen Assoziationen nicht, sondern unterstreicht, wie schwer es ist, über Cato, der das Richtige will, ein Urteil zu fällen. Gegen diese sehr kritische Deutung können Einwände erhoben werden, etwa auf der Grundlage der Überlegungen von Jennifer Thomas, die vorgeschlagen hat, die Darstellung Catos als pastor mit dem Hirten des Stiergleichnisses zusammenzubringen:210 Da der geschlagene Bulle gegen dessen Willen (inuito pastore, 2, 607) wieder auf seine angestammte Weide zurückkehre, werde der als Hirt zu identifizierende Cato moralisch aufgewertet. Davon ausgehend ließe sich sogar fragen, ob bei Catos Übernahme der Pompeianer und deren Begeisterung für einen neuen, besseren Kampf nicht auch an die für die gesamten Georgica bedeutende Bugonie zu denken ist, dergestalt, dass die bienengleichen Soldaten durch Catos Maßnahmen gewissermaßen aus den Überresten des toten Stieres hervorkommen und nun ihrer wahren Bestimmung zugeführt werden, dem Kampf für die Freiheit. Hier ist jedoch, wie ich glaube, Zurückhaltung geboten. Das Opfern eines Stieres wird im Kontext des Gleichnisses nicht angedeutet; und 206 Wie im Fall von Brutus’ nimii amores (2, 325) liegt große Tragik in dem Begehren, das Cato erregt. 207 Die philosophische Frage, die man hierbei stellen könnte, nämlich, ob es nur um die Gesinnung geht oder auch um die Wahrscheinlichkeit des Erfolges, wird von Cato als Beispiel für eine Frage an das Ammon-Orakel genannt: an laudandaque uelle | sit satis et numquam successu crescat honestum? (9, 570 f.). Er antwortet selbstbewusst mit ›scimus‹ und ›sed mors certa facit‹ (572/583). Sofern die Kürze dieser Antwort einem arkanen Orakelspruch gleicht, mag Cato mit seiner Ablehnung recht haben. Ob er einen Fragenden aber mit solcher Popularphilosophie zufriedenstellt, muss angesichts der existenziellen Lage, die den Lesern immer wieder vor Augen geführt wird, fraglich bleiben. 208 Gegen den Vergleich eines heroischen Cato mit einem unproblematischen Aristaeus spricht auch das Affirma­tive, ›Monarchistische‹, das Letzterem dann ja durchaus anhaftet. Die differenziertere Betrachtung der individuellen Fehler führt jedenfalls nicht auf derartige Probleme. 209 Hes. theog. 97: γλυκερή οἱ ἀπὸ στόματος ῥέει αὐδή. Ähnlich Hom. Α 248 f. Hierzu cf. auch Harrison (2004), 116; Papaioannou (2012), 97. 210 Cf. Thomas (2009) im Anschluss an George (1992), 371.

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Pompeius, Cato und der Tod

die Verbindung zwischen Stier- und Bienengleichnis kann nicht zu einer eindeutig positiven Bewertung Catos führen. Das möchte ich abschließend zeigen. Für Thomas ist die Darstellung Catos im zweiten Buch ausschlaggebend: Er als einziger Mensch ist dem Bürgerkriegsgeschehen enthoben und muss notgedrungen und mit größten Vorbehalten Partei ergreifen. Dass es nicht in Catos Sinn sein kann, wenn Pompeius den Krieg führt, den Caesar provoziert, und dass dies den Lesern auch wegen ihres Hintergrundwissens klar gewesen sein dürfte, zeigt sie zudem mit Hinweis auf Caes. civ. 1, 30, 5: Als Curio nach Sizilien kommt, um die Insel im Auftrag Caesars unter seine Gewalt zu bringen, heißt es über Cato, der zu dieser Zeit dort das Kommando innehat: queritur in contione sese proiectum ac proditum a Cn. Pompeio, qui omnibus rebus imparatissimis non necessarium bellum suscepisset et ab se reliquisque in senatu interrogatus omnia sibi esse ad bellum apta ac parata confirmauisset. haec in contione questus ex prouincia fugit. Obwohl, so Thomas, Cato gegen den Befehlshaber Pompeius offensichtlich nichts habe ausrichten können, sei seine überlegene moralische Position dadurch gespiegelt, dass er im Gleichnis als pastor erscheine, also außerhalb der Sphäre der tierischen Kämpfe stehend. Gegen einen von Rachedurst getriebenen Stier könne aber auch ein besonnener pastor nichts ausrichten.211 Dieser Ansatz weist also auf die Vorgeschichte des Bürgerkriegs und versucht, das, was Cato im Epos tut, als die kaum anders denkbare Reaktion auf vollendete Tatsachen aufzufassen. Das schließen aber beide Gleichnisse aus, indem sie mit Hilfe der Georgica als Referenztext die Handlungen der Hirten falsch erscheinen lassen. Für den pastor des Bienengleichnisses wurde dies eben gezeigt, doch auch der Hirt im Stiergleichnis ist nicht nur in dem Moment schwach, da er den Stier nicht mehr in die Schranken weisen kann, sondern offensichtlich von vornherein, weil er den Brunftkampf – anders als in den Georgica geraten – nicht verhindert hat.212 Zugespitzt ließe sich formulieren, dass Cato im Bellum Ciuile zwar als exemplum moriendi erscheint, das von vielen auf teils höchst fragwürdige Weise nachgeahmt (oder antizipiert) wird,213 jedoch vor Ausbruch des Krieges offensichtlich nicht als exemplum uirtutis zu wirken vermocht hat. Hiermit soll nicht generell die Existenz affirmativer Züge im Catobild des Bellum Ciuile bestritten werden. Es geht darum, zu sehen, dass gerade jene Frage offenbleibt, die Cato für sich so gewiss beantwortet hat, dass er das Hammonorakel darüber nicht befragen zu müssen glaubt: laudandaque uelle | sit satis et numquam successu crescat honestum? (9, 570 f.). 211 Ebenso wenig wie der Hirte bei Apollonios, dessen Stier von einer Bremse gestochen wurde, cf. Ap. Rh. 1, 1265 ff.: ὡς δ᾽ ὅτε τίς τε μύωπι τετυμμένος ἔσσυτο ταῦρος  | πίσεά τε προλιπὼν καὶ ἑλεσπίδας, οὐδὲ νομήων | οὐδ᾽ ἀγέλης ὄθεται, πρήσσει δ᾽ ὁδόν, ἄλλοτ᾽ ἄπαυστος, | ἄλλοτε δ᾽ ἱστάμενος …, cf. Thomas (2009), 157 f. 212 Cf. auch Papaioannou (2012), 94. 213 Cf. Seo (2011).

Zusammenfassung

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Standhaftigkeit im Kampf gegen Usurpation ist selbstverständlich lobenswert. Aber sie allein genügt nicht, zumal dann, wenn es sich dabei nur um das Symbol eines aussichtslosen Widerstands handelt. Daher kann das Affirmative an Lucans Cato nicht durch die Georgica-Anspielungen gestützt werden. Das Lehrgedicht behandelt das, was richtig ist und Erfolg haben wird, aber es deutet auch auf die Grenzen menschlichen Vermögens. Wenn man Cato hinter dem pastor in 2, 607 sehen will, dann kommt es weniger darauf an, dass Cato über Pompeius steht und den Bürgerkrieg nicht will, sondern darauf, dass dieser pastor, wie auch der Imker, in seiner Welt Fehler macht. Der Hirt kennt die Lehren der Georgica nicht,214 und die Folgen, die daraus erwachsen, sind verheerend. Anders gesagt: Lucans Leser können sehen, wie wünschenswert es wäre, diese Lehren zu kennen und zu befolgen.

3.3 Zusammenfassung Bei der Untersuchung der Georgica-Anspielungen, die Lucans Cato und Pompeius gewidmet sind, hat es sich wiederum als nützlich erwiesen, insbesondere epische Strukturelemente zu betrachten. Vor allem das Stiergleichnis konnte so als grundlegendes Paradigma für die Erzählung vom Bürgerkrieg interpretiert werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Charakterisierung der Person und der Leserlenkung, als auch hinsichtlich der künstlerischen Ausgestaltung des Werks. Pompeius und Cato, für die der Dichter verherrlichende Worte findet, dienen einerseits dem erzählerischen Anspruch, zu einer Bewertung von Vergangenheit und Gegenwart zu gelangen. Andererseits macht der Dichter sich und seinen Lesern diese Bewertung nicht gerade leicht; er verfeinert und kompliziert seinen Text nicht nur mit verschiedenen Anspielungen, sondern darüber hinaus noch mit Fernbezügen, Akrosticha und ›Verrätselungen‹. So wird ein mehrfaches Lesen erzwungen, und den aufmerksamen Lesern wird deutlich, dass es hier nicht auf schnell zu fassende und parteiische Urteile ankommt, die im Einzelnen zwar als Widersprüche, Lob, Beschuldigungen etc. formuliert sind, aber im Ganzen Gefahr laufen, inkonsistent zu sein, sondern dass ein Thema wie der Bürgerkrieg und ebenso eine Erzählung darüber besondere Aufmerksamkeit verlangen, um gedeutet werden zu können. Am Ende – unabhängig, ob es um Ruhm für Cato oder Pompeius (oder gar Caesar) geht – muss ein wichtiger Teil dieses Ruhms unmittelbar auf den Dichter zurückfallen, der das Unbegreifliche verstehbar und bewertbar zu machen vermag: Das Gute ist gut, das Schlechte schlecht und beides darf nicht verwechselt werden.

214 Das ist auch der Grund, warum die Bugonie, die bei Lucan nicht erwähnt ist, hier außer Betracht bleiben kann.

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Pompeius, Cato und der Tod

Was also das Urteil über Pompeius und Cato betrifft, so hat mit den hier besprochenen Passagen wenigstens der Zweifel am Wert ihrer Handlungen bekräftigt werden können. Sie haben trotz allem zu vieles getan, was sie nicht hätten tun sollen; und ihr Scheitern ist eine Folge dieser Fehler – bei Pompeius ist es die Eitelkeit, nicht erkennen zu wollen, dass er der Schwächere ist, bei Cato ist es die Weigerung, seine Prinzipien zu überdenken und auf die Realität des Bürgerkrieges Rücksicht zu nehmen. Dennoch: tibi, Magne, fauebunt (7, 213), [Cato] parens uerus patriae (9, 601). Wenn der Erzähler diesen Figuren angesichts ihres Untergangs so unzweifelhaft Verehrung zuteilwerden lässt, dann deswegen, weil ihr Ziel, die Tyrannei Caesars zu verhindern, richtig war und weil sie als Opfer Mitleid verdienen. Das kann auch darin bestehen, sie im Rückblick zuweilen besser zu machen, als sie waren. Auch dieser Übergang vom Elend des Krieges zum vielleicht notwendigen, aber darum nicht unkritisch zu sehenden Glanz der Legende wird im Bellum Ciuile erzählt.

4. Pharsalische Felder und Goldene Zeit

Nachdem die Schlacht von Pharsalos geschlagen ist und der Erzähler festgestellt hat, dass die Freiheit Italien für immer verlassen hat, und dass alle Römer von nun an zu ihrer immerwährenden Schande Sklaven sein werden, folgt am Schluss des siebten Buches eine große Apostrophe an das Kriegsland Thessalien (7, 847–872). Jeder Pflug, heißt es da, der in Zukunft die Erde aufbreche, müsse römische Knochen verletzen; und dies sei umso schrecklicher, als bald die nächsten Schlachtreihen hier aufziehen würden, damit noch mehr Asche in die Furchen dieses Landes gestreut werden könne. Es liegt nahe, hierbei einerseits an das Ende des ersten Georgica-Buches mit der poetischen Gleichsetzung von Pharsalos und Philippi zu denken, wie auch andererseits an das erste Buch des Bellum Ciuile selbst,1 und zwar, abgesehen von dessen Ende, vor allem an das Proöm. Das dort angekündigte Thema der cognatae acies hat im siebten Buch seinen Höhepunkt. Als wesentliche Aussage steht hier am Ende die Entgrenzung und Endlosigkeit des Bürgerkrieges, dessen Symbol die von Blut schwimmenden Felder sind, um die sich kein Gott zu kümmern scheint. Der Schluss des siebten Buches muss stärker als jede andere Stelle im Werk mit dem zentralen Gedanken des Proöms dissonieren: iam nihil, o superi, querimur (1, 37). Der Feststellung, dass doch alles gut ausgegangen ist, und dem Vertrauen auf den ewigen, goldzeitlichen Frieden, der als Ergebnis der Herrschaft Neros nach dessen Aufstieg zu den Göttern allenthalben walten werde (1, 59 ff.), scheint das o superi, liceat terras odisse nocentis (7, 869) vollständig zu widersprechen. Bedenkt man überdies die möglicherweise intendierte Struktur des Bellum Ciuile, kommt dem siebten Buch eine interessante Mittelstellung zu; und insofern sich zeigen lässt, dass auch hier Anfang, Mitte und Ende aufeinander zu beziehen sind, wird das Geflecht von Anspielungen und Bezügen immer aussagekräftiger für die Interpretation des gesamten Gedichts. Lucan bereitet die eigentliche Schilderung der Schlacht von Pharsalos mit einer Beschreibung des Landes Thessalien und seiner unheimlichen Bewohnerin Erictho vor. Die geographischen Erklärungen, die er hierfür im sechsten Buch einschaltet, sind lang und enthalten offensichtliche Fehler: Sowohl Agamemnons Argos und Ödipus’ Theben sind hierhin verlegt (6, 356). Seitdem Jamie Masters nachgewiesen hat, dass es sich bei der Digression jedoch nicht um eine unachtsam gestaltete und mehr oder weniger zufällig an diesen Platz geratene, sondern um eine im Ganzen fein komponierte, provozie

1 Cf. ASL ad 7, 853; Heitland (1887), cxxii; Paratore (1943), 58–60.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit

rende Passage handelt,2 ist sie besser verständlich geworden.3 So hat zuletzt Annemarie Ambühl Lucans Thessalien als eine literarische »Bürgerkriegslandschaft« interpretiert; bedeutende Referenztexte sind insbesondere die attischen Theben-Tragödien:4 Die geographische Koinzidenz, dass sich die Entscheidungsschlacht des Bürgerkrieges im thessalischen Pharsalos und damit in suggestiver Nähe zu der mit Mythen von Verwandtenmord und Bruderkrieg assoziierten boiotischen Stadt Theben abspielte, bietet Lucan […] den Anlass, das siebte Buch gewissermaßen selbst zu einer Tragödie zu gestalten. Hier ist neben den thematischen Bezügen auch eine formale Annäherung an dramatische Darstellungsprinzipien zu beobachten, etwa wenn der Eingang des Buches mit dem unheilverkündenden Sonnenaufgang an den Prolog einer thebanischen Tragödie anklingt. Dies wirkt sich insbesondere auf die Charakteristik von Lucans Erzähler aus, der als emotional direkt involvierter Augenzeuge der Schlacht in seiner letztlich vergeblichen Weigerung, davon zu berichten, die Rolle eines tragischen Boten annimmt.

Die Intertextualität der Landschaft Pharsalia ist kompliziert; es scheint kaum sinnvoll, einzelnen Anspielungen isoliert nachzugehen. Eine einfache Charakterisierung des siebten Buches als Tragödie wäre daher verfehlt, wie Ambühl zu Recht betont hat. Dafür sind die Erzählweise und das Verhältnis von Ort und Zeit zu komplex. Es ist aber sinnvoll, bei der von Matthew Leigh nachgewiesenen theatralischen und durchaus politisch provozierenden Darstellung des Bürgerkriegs anzusetzen und hiervon ausgehend die verschiedenen Prätexte im Zusammenhang und mit Blick auf das Werkganze zu deuten. Dass sich Lucans Soldaten im Zentrum (und, geht man von zwölf geplanten Büchern aus, auch der tatsächlich intendierten Mitte) des Gedichts an einem kulturell hochgradig determinierten Ort versammeln, um einen historischen Wendepunkt herbeizuführen, von dem die Leser noch betroffen sind oder sich betroffen fühlen können, ist hier im Sinne des metapoetischen Realismus bedeutend. Die literarische Tradition des Kriegslandes Thessalien einerseits sowie andererseits das vor allem der Tragödie zu entnehmende Ideal von der Überwindung des Krieges in der Familie werden zu einem wichtigen Deutungsschlüssel. Ambühl hat mit Blick auf die Beziehungen zwischen hellenistischer und augusteischer Literatur überdies auf die kaum überschätzbare Bedeutung von Catulls Peleus-Epos für das Bellum Ciuile hingewiesen:5 Das Carmen 64 ist für

2 Cf. Masters (1992), 150–178, bes. 160: »Lucan wants to establish Thessaly as the place where everything of sig­nificance has happened« [Masters’ Kursive]. 3 Cf. z. B. Korenjak (1996), 9–13; mit Blick auf die Erictho-Episode: Hömke (2006); Arweiler (2006), 16–29. 4 Cf. Ambühl (2015), 179–288, zum Zitat: 287. 5 Cf. Ambühl (2015), 145–177, zu Catull, ausgehend vom kallimacheischen Deloshymnos: 165 ff., dort auch mit ausführlichen Literaturangaben zum Carmen 64.

Die Tradition eines Schreckensortes

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eine Lucan-Lektüre nicht nur hinsichtlich gewisser Motive und poetischer Techniken interessant, sondern unmittelbar dafür, wie der Verlauf der Geschichte im Bellum Ciuile dargestellt wird. Ich werde daher zunächst allgemein und als Voraussetzung für das Folgende auf das Peleus-Epos und seine Geschichtsdeutung eingehen (4.1), danach werde ich mit Blick auf die Georgica-Anspielungen im sechsten und siebten Buch Lucans eigentlichen Bericht über die Schlacht von Pharsalos untersuchen; hierbei kommt es mir insbesondere auf die intertextuelle Präsenz vor allem epischer und tragischer Stoffe an (4.2). Abschließend und im Rückblick werde ich Lucans Proöm und seine Stellung im Werk behandeln (4.3).

4.1 Die Tradition eines Schreckensortes Lucan bezieht sich an einigen Stellen auf das Carmen 64, insbesondere leitet er seine Thessalien-Erzählung mit einer Anspielung darauf ein. Über die Wirkung, die der von Herkules wieder vom Olymp herabgeworfene Berg Ossa verursacht hat, heißt es: melius mansura sub undis  | Emathis aequorei regnum Pharsalos Achillis  | eminet et, prima Rhoeteia litora pinu  | quae tetigit, Phylace (349 ff.). Später, im Aition des Krieges (395–407), ist auch von der verderbenbringenden Fahrt der Argo die Rede: prima fretum scindens Pagasaeo litore pinus | terrenum ignotas hominem proiecit in undas (400 f.). Catulls Wendung rostro uentosum proscidit aequor (64, 12) klingt hier nach, und wie in den Eingangsversen des Carmen positioniert Lucan pinus und undas am Versende. Lucans Caesar steht wie Catulls Achill inmitten von Flüssen aus Blut und Bergen aus Leichen.6 Der Gedanke, dass Achills Heimat Pharsalos besser unter Wasser geblieben wäre, mag zunächst lediglich wie ein trojanisch-römischer Gedanke erscheinen, den auch ein Aeneas äußern könnte. Aber so, wie die Bemerkung hier gemacht ist, zumal in einer Digression, wo der Stimme des Dichters besonderes Gewicht zukommt, ist dies nicht nur schlechthin der Wunsch, die Geschichte möge irgendwie anders verlaufen sein, sondern die artikulierte Ablehnung dieses einen Helden und seines fortwirkenden Ruhmes. Das hat selbstverständlich auch eine metapoetische Bedeutung; und zwar nicht nur bezüglich früherer Epen. Der Dichter des Bellum Ciuile scheint ja zuweilen ebenfalls von der cum grano salis zu nehmenden Voraussetzung auszugehen, dass sein Epos besser nicht geschrieben worden wäre. Achill, den nicht mehr änderbaren Lauf der Geschichte und die vermeintlich feststehende Bewertung des Ruhmes literarisch zu problematisieren, verweist insbesondere auf den schwierigen Schluss 6 Catull. 64, 359 f.: [sc. Scamandri] iter caesis angustans corporum aceruis | alta tepefaciet permixta flumina caede. Lucan. 7, [sc. Caesar] cernit propulsa cruore | flumina et excelsos cumulis aequantia colles | corpora, sidentis in tabem spectat aceruos. Hierzu cf. Ambühl (2016), 308.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit

des Peleus-Epos. Aber mehr noch als das Carmen 64 an sich ist dessen Rezeption bei Vergil, vor allem in der vierten Ekloge,7 für das Bellum Ciuile wichtig. Man hat gefragt, wie wohl der Vers Pharsaliam coeunt, Pharsalia tecta frequentant (64, 37)8 nach allem, was geschehen war, von Vergil gelesen werden musste bzw. wie Vergil seinerseits das Carmen von seinen eigenen Lesern verstanden wissen wollte.9 Entsprechend den verschiedenen Ansätzen in der Vergil-Forschung wurden hierauf unterschiedliche Antworten gefunden. Im Fall des Lesers Lucan, dessen Verwendung der gener / socer-Motivik sich nicht nur bis zur Heldenschau in der Aeneis zurückverfolgen lässt (6, 830 f.), sondern auch zu einer der Invektiven Catulls, die Caesar besonders verärgert haben soll,10 ist die Frage nach der Rezeption bzw. der Rezeption der Rezeption des Carmen 64 notwendig noch etwas komplexer. Ambühl hat hier zu Recht darauf hingewiesen, dass für solche Überlegungen das schwer zu bestimmende Datum der Veröffentlichung von Catulls Gedichten nicht relevant ist; relevant ist vielmehr das literarische Potential, das in ihnen steckt und das gestattet, die Gedichte 29 und 64 als Bürgerkriegsgedichte zu lesen. Unter dieser Voraussetzung, durchaus nicht mit Blick auf eine Gesamtinterpretation, möchte ich betrachten, wie das Peleus-Epos und dessen Rezeption bei Vergil von Lesern verstanden werden kann, die sich für eine ethische Deutung interessieren.11 Die Überlegungen zu Catull und Vergil, die hierfür im Folgenden vorgetragen werden, sind keineswegs neu; und wenn sie auch nicht alle gleichermaßen communis opinio sind, wurden sie in der Forschung doch mehrfach ausführlich begründet. Ich kann mich daher kurz fassen.

7 Hierzu cf. Klingner (1967), 72–82; Fantazzi (1974); Crabbe (1977); Thomas (1982/1999); Newman (1990), 393–420; Hubbard (1998), 76–86; Lefèvre (2000a); Marinčič (2001); Nappa (2007); Hardie (2012); Trimble (2013). 8 Die alte Frage nach der Textgestaltung des Verses braucht hier nicht diskutiert zu werden; sowohl dafür, die überlieferte Variante Pharsăliam beizubehalten als auch für Pontanos Konjektur Pharsalum sind Gründe angeführt worden, cf. Trimble (2010) ad loc. 9 Cf. Newman (1990), 407. 10 Cf. Catull. 29, 24: socer generque, perdidistis omnia; dazu Suet. Iul. 73: […] Valerium ­Catullum,  a quo sibi uersiculis de Mamurra perpetua stigmata imposita non dissimulauerat, satis facientem eadem die adhibuit cenae hospitioque patris eius, sicut consuerat, uti perseuerauit. 11 Zur Annahme solcher politischer Leser für die Georgica cf. Nappa (2005). – Zur Schwierigkeit, das Carmen zu fassen, wie auch zum subtilen Raffinement einzelner Passagen wie der Rede der Ariadne in der Ekphrasis, cf. Reitz (2002). Der je anzunehmende Leserkreis ist für die Interpretation entscheidend; beispielsweise deutet Holzberg (2002), 132–150 das Carmen unter der Voraussetzung, dass der Dichter zunächst ein ›Spieler‹ ist und die Leser sein heiteres, vor allem erotisch konnotiertes Spiel mitverfolgen; so kann Holzberg zwar Widersprüche und Dunkelheit im Gedicht akzeptieren, deutet deren Wirkung jedoch als ›komisch‹.

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4.1.1 Krieg und Feldbau und das Peleus-Epos Die Erwähnung von Pharsalos im Carmen 64 ist nicht nur deswegen reizvoll, weil spätere Leser finden können, dass hier eines der großen Schlachtfelder des Jahres 48 in einer recht suggestiven Weise beschrieben wird (coire kann ja in anderem Zusammenhang auch heißen: feindlich zusammenstoßen). Beachtung verdient auch der unmittelbare Kontext der Stelle, und dies ganz unabhängig davon, ob die seinerzeit intendierten Leser den Bürgerkrieg erlebt haben oder nicht. In der Tat ergäbe aber die Frühdatierung, wie sie in der Forschung häufiger angenommen wird, hinsichtlich des metapoetischen Realismus des Bellum Ciuile die interessantere Voraussetzung. Wenn Lucans Römer das Peleus-Epos gelesen haben, dann sollten sie es nicht als Bürgerkriegsreflex begreifen, sondern – spätestens dann, wenn sie in Thessalien ankommen – als eine ›Prophezeiung‹ (Catull. 64, 37–46): Pharsaliam coeunt, Pharsalia tecta frequentant. rura colit nemo, mollescunt colla iuuencis, non humilis curvis purgatur uinea rastris, non glebam prono conuellit uomere taurus,40 non falx attenuat frondatorum arboris umbram, squalida desertis rubigo infertur aratris. ipsius at sedes, quacumque opulenta recessit regia, fulgenti splendent auro atque argento. candet ebur soliis, collucent pocula mensae,45 tota domus gaudet regali splendida gaza.

In Pharsalia kommen sie zusammen, in die pharsalischen Stätten strömen sie zuhauf. Niemand bebaut das Feld, den Stieren wird der Hals weich, nicht werden die niedrig wachsenden Weinreben mit gekrümmtem Messer geputzt, nicht wendet der Bulle mit tiefgreifender Pflugschar die Schollen um. Nicht lichtet die Sichel im Baum den Schatten der Blätter; auf den verlassenen Pflügen bildet sich schuppiger Rost. Seine Wohnung aber, wohin die prunkenden Säle sich auch erstrecken, glänzt von Gold und Silber, auf den Thronen strahlt Elfenbein, Becher funkeln auf dem Tisch, der gesamte Palast freut sich an den prächtigen Schätzen des Königs.

Die erste, mittlere und letzte Zeile der Feldbeschreibung fallen auf; alle drei Verse besagen exakt dasselbe: Es wird nicht geackert. Das scheint so unerhört zu sein, dass es immer wieder betont werden muss. Das Unerhörte liegt aber nicht darin, dass – wie man zunächst angesichts des rura colit nemo vielleicht glauben könnte – der Landbau damals im Gegensatz zu jetzt nicht notwendig war, sondern dass er, anscheinend gegen alle Gewohnheit und weil jeder nach Pharsalos geht, unterbrochen wird, und zwar dauerhaft. Hierin liegt eine Verfehlung: Die Ackergeräte rosten, die Felder verwildern, die Ernte ist offenbar gefährdet. Man kann den Rost für eine simple Übertreibung halten,12 aber das würde nicht die 12 Cf. Lefèvre (2000b), 183 mit Blick auf die bisherige Forschung zur Stelle, die sich lange mit den Quellen Catulls beschäftigt hat und hier sozusagen eine Nahtstelle auszumachen meinte; für eine skeptische Deutung der Passage cf. Bramble (1970), 38–41; Johnston (1980), 37 f.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit

Frage beantworten, warum dann gerade dieses so deutlich deszendent wirkende Motiv gewählt ist.13 Wenn Lucan bei seiner Anspielung auf das Carmen sagt, Pharsalos wäre besser unter Wasser geblieben, weist er insbesondere darauf hin, dass anhand der Lebensgeschichte Achills ein absteigender Geschichtsverlauf erkennbar ist. Innerhalb der Struktur des Bellum Ciuile ist das umso auffälliger, als der Blick auf den Weltaltermythos bereits im vierten Buch, in der IlerdaEpisode, instruktiv gewesen war. Es ist an dieser Stelle nicht wichtig zu untersuchen, wie Catull die Sage von den Weltaltern verarbeitet hat, die zuvor von Arat etwas anders erzählt wurde als von Hesiod.14 Wichtig ist aber die Beobachtung, dass bei Catulls Bericht über die Niederlegung der Arbeit in der Schwebe bleibt, ob das nun gut ist (die Stiere dürften sich immerhin erleichtert fühlen) oder schlecht (woher soll in Zukunft die Nahrung kommen? Diese Frage ergibt sich insbesondere aus der kontrastiven Schilderung des luxuriösen Palastes, 43 ff.). Wichtig ist auch, dass sich hierbei an die hypothetische Vorstellung denken lässt, die Hesiod einleitend zur Beschreibung des gegenwärtigen, nachpromethischen Lebens heranzieht und die das Verhältnis von Landwirtschaft und Seefahrt betrifft (Hes. op. 42–46): κρύψαντες γὰρ ἔχουσι θεοὶ βίον ἀνθρώποισιν· ῥῃδίως γάρ κεν καὶ ἐπ᾽ ἤματι ἐργάσσαιο, ὥστε σε κεἰς ἐνιαυτὸν ἔχειν καὶ ἀεργὸν ἐόντα· αἶψά κε πηδάλιον μὲν ὑπὲρ καπνοῦ καταθεῖο,45 ἔργα βοῶν δ᾽ ἀπόλοιτο καὶ ἡμιόνων ταλαεργῶν

Die Götter halten nämlich den Lebensunterhalt vor den Menschen verborgen. Leicht könntest du sonst an einem Tag arbeiten und wärst dann fürs ganze Jahr aller Arbeit ledig. Sogleich würdest du das Ruder überm Rauch aufhängen, und die Arbeit der Rinder und der Mühe duldenden Maultiere wäre zu Ende.

13 Cf. z. B. die völlig entgegengesetzte Darstellung bei Tib. 1, 10, 49 ff.: pace bidens uomerque nitent (at tristia duri | Militis in tenebris occupat arma situs) | rusticus e lucoque uehit, male sobrius ipse, | uxorem plaustro proge­niemque domum. Zur Rostmotivik cf. auch oben, 48 ff. Columella verwendet das Liegenlassen der Acker­werkzeuge das Symbol für Sitten­ verfall: omnes enim, sicut M. Varro iam temporibus auorum conquestus est, pa­tres familiae falce et aratro relictis intra murum correpsimus, et in circis potius ac theatris, quam in se­getibus et uinetis manus mouemus (Colum. praef. 15). 14 Hierzu ist viel geschrieben worden, cf. etwa Putnam (1961), 196 f.; Bramble (1970), passim; Konstan (1977), 32–36; Syndikus (1990), passim; Lefèvre (2000a); Trimble (2010) ad loc. – Es ist nützlich zu bemerken, dass unter den Hochzeitsgästen auch Prometheus ist und dass der Erzähler dessen Bestrafung ausführlich behandelt (Catull. 64, 294–297.). Der PrometheusMythos, die erste Erzählung Hesiods, ist deutlicher aufgerufen als der Weltalter-My­t hos. So gesehen, ist im Gedicht gar nicht von verschiedenen Zeiten die Rede; vielmehr sind die Folgen von Pro­metheus’ Tat bereits in der Welt und Vergangenheit und Zukunft sind nicht distinkt (wie beim Weltaltermythos), sondern die letztere hängt von der ersteren ab. Der Blick wird damit auf die Ursachen historischer Entwicklung gelenkt. Vielleicht kann man die Gleichzeitigkeit der in der Ekphrasis zwar nacheinander erzählten, aber als zur selben Zeit sichtbar zu denkenden Vorgänge, cf. hierzu Reitz (2002), als programmatisch für die Bedeutung der zeitlichen Dimension des Gedichts auffassen.

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In den Erga ist davon die Rede, dass es wünschenswert wäre, sowohl mit dem Pflügen aufzuhören als auch mit der Seefahrt; die Ruder hingen dann im Rauch (wo sie übrigens im Gegensatz zu Catulls liegen gelassenen Werkzeugen nicht unbrauchbar würden). Im Peleus-Epos unterbleibt nur der Feldbau; die Erfindung der Seefahrt ist gerade die Voraussetzung des Hochzeitsfests und wird, ohne dass dies gesagt zu werden brauchte, in Zukunft noch weitere bedeutende Ereignisse ermöglichen, wenn nämlich Achill und die anderen Griechen nach Troja segeln werden. Achills Zorn ist zwar bekanntermaßen verderblich, trägt aber wesentlich zum Gelingen und zum Nachruhm des Unternehmens bei. Wenn die Parzen dies mittels eines landwirtschaftlichen Gleichnisses ex eventu prophezeien, dabei jedoch gerade das Schreckliche betonen, das er, noch über den Tod hinaus, vollbringt, so kann das sehr unbehaglich wirken (Catull. 64, 353–371): ›namque uelut densas praecerpens messor aristas sole sub ardenti flauentia demetit arua, Troiugenum infesto prosternet corpora ferro.355 currite ducentes subtegmina, currite, fusi. […] denique testis erit morti quoque reddita praeda, cum teres excelso coaceruatum aggere bustum excipiet niueos perculsae uirginis artus. currite ducentes subtegmina, currite, fusi.365 nam simul ac fessis dederit fors copiam Achiuis urbis Dardaniae Neptunia soluere uincla, alta Polyxenia madefient caede sepulcra; quae, uelut ancipiti succumbens uictima ferro, proiciet truncum summisso poplite corpus.370 currite ducentes subtegmina, currite, fusi.‹

›Denn wie ein Schnitter, der, die dichten Ähren oben abschlagend, unter glühender Sonne die gelben Felder abmäht, so wird er die Körper der Trojaner mit feindlichem Schwert niederstrecken. Lauft Spindeln, lauft und führt den Faden … Sie endlich wird Zeuge sein, die dem Tod noch zur Beute gegeben wird, wenn der runde, auf hohem Wall errichtete Grabhügel die zartweißen Glieder der erschlagenen Jungfrau empfängt. Lauft Spindeln, lauft und führt den Faden. Denn sobald das Schicksal den ermüdeten Achivern die Möglichkeit gegeben hat, die von Neptun errichteten Fesseln der Dardanus-Stadt zu lösen, da wird das erhabene Grab vom Blut Poly­ xenas schwimmen; sie wird, wie ein Opfer, das sich unters zweischneidige Schwert legt, das Knie beugen, und ihr verstümmelter Körper wird vornüber fallen. Lauft, Spindeln, lauft und führt den Faden.‹

Es ist nicht notwendig, eine Verbindung zwischen dem Schnittergleichnis im Parzenlied und der aufgegebenen Landwirtschaft der Rahmenhandlung zu sehen.15 15 Das literarische Vorbild ist Hom. Λ 67 ff.: οἳ δ᾽, ὥς τ᾽ ἀμητῆρες ἐναντίοι ἀλλήλοισιν | ὄγμον ἐλαύνωσιν ἀνδρὸς μάκαρος κατ᾽ ἄρουραν | πυρῶν ἢ κριθῶν· τὰ δὲ δράγματα ταρφέα πίπτει·  | ὣς Τρῶες καὶ Ἀχαιοὶ ἐπ᾽ ἀλλήλοισι θορόντες  | δῄουν, οὐδ᾽ ἕτεροι μνώοντ᾽ ὀλοοῖο φόβοιο; cf. Kroll (31959) ad loc. Catull hat die Motivik des homeri­schen Gleichnisses, das für zwei ganze Armeen gedacht ist, auf Achill als einzigen Kämpfer bezogen; der furcht­lose Widerstand der Feinde schwindet somit völlig aus dem Blickfeld, sie sind lediglich Opfer. Die Ernte findet zu einer heißen Zeit statt, sole sub ardenti (die Wendung ist vor Catull nicht belegt

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Es ist aber möglich. Wenn Achill wie ein Schnitter kämpft, so lenkt das auch den Blick darauf, dass er gerade kein Schnitter ist, weil im Krieg die Saatfelder eben Schlachtfelder sind. Oder anders gesagt: Das Gewalttätige, das nun einmal in jeder landwirtschaftlichen Tätigkeit liegt und das den Vergleich so angemessen macht, lässt es wünschenswert erscheinen, dass der Feldbau tatsächlich nicht mehr nötig wäre und alles von allein gediehe.16 So wie Catull von der Unterbrechung des Feldbaus und seiner ›Perversion‹ im Krieg erzählt, könnte es also scheinen als habe man das alles sehr skeptisch zu beurteilen (wäre da nicht der Eindruck, dass hier von einer besseren Zeit, von der Tischgemeinschaft von Göttern und Menschen die Rede ist): Der Krieg, sei er noch so heroisch, wird alle Kultur zunichtemachen. Wenn es für diesen Gedanken im Zusammenhang des Gedichtes auch nicht unmittelbar einen Anlass gibt, so ist dies doch gerade die Stimmung, mit der das Carmen endet, wenn der Erzähler unvermittelt einen Ausblick in eine spätere, verdorbene Zeit gibt: iustitiamque omnes cupida de mente fugarunt | perfudere manus fraterno sanguine fratres (398 f.). Dieser Bruch scheint abschließend noch einmal den gleichermaßen überraschenden wie vielsagenden Umstand zu reflektieren, dass auf dem Brautbett eine Decke mit einer ausführlichen Darstellung von Untreue liegt. Es geht bei solchen Erwägungen nicht darum, ob das Parzenlied versteckt ›pessimistisch‹ ist,17 sondern darum, dass für die Leser, namentlich Lucans Leser, die wie auch immer zu verstehende ›Einheit‹ des Gedichtes im Nebeneinander von Andersheiten besteht und dass überdies am Ende des Gedichtes die und wird von Vergil in ecl. 2, 13 aufgegriffen); vielleicht zu den Hundstagen, den heißesten Tagen des Sommers? In der antiken Diskussion um den Text des bei Homer unmittelbar vorangehenden Vergleichs Hektors mit einem Stern (Λ 62) wird der Hunds­stern bzw. der Abendstern erwogen: οὔλιος bzw. αὔλιος ἀστήρ, cf. das A-Scholion zur Stelle, wo οὔλιος der Vorzug gegeben ist. Kallimachos und Apollonios spielen darauf an, indem sie über einen αὔλιος ἀστήρ schreiben, cf. Call. fr. 177 Pfr = 54c H; Ap. Rh. 4, 1629, wo jeweils auf das Ende der mühevollen Feldarbeit gedeutet ist; dazu Harder (2012) ad loc. Vielleicht hat man auch hier mit einem Kommentar seitens Catulls zu rechnen, der seinerseits an­zeigt, dass für Λ 62, wie schon der Scholiast meint, der Hundsstern in Betracht kommen muss. Die Sternmotivik ist in der antiken Epik außerordentlich präsent, vor allem weil der Stern in Λ 62 ff. (und später in dem Achill gewidmeten Gleichnis Χ 25 ff.) eben unheilbringend ist; cf. Reitz (1996), 15–19. – Der hochdramatische Zusam­menhang, der in der Ilias gegeben ist, fehlt im Parzenlied, dem Lob des noch ungeborenen Helden, alles scheint viel einfacher. Intertextuell ist die komplexe Unsternmotivik jedoch wirksam und kann zur Verdüsterung des pros­pektiv und scheinbar naiv formulierten Gleichnisses beitragen. 16 Zu dem Gleichnis, seiner Stellung im Parzenlied und seiner Bedeutung für das Werkganze cf. Konstan (1977), 47–49, auch mit Verweis auf Catull. 11, 21 ff., wo die Perspektive des abgemähten bzw. umgepflügten ›Opfers‹ landwirtschaftlicher Gewalt dargestellt ist. Zur umstrittenen Beurteilung Achills cf. z. B. die gegensätzlichen Ar­beiten von Putnam (1961) und Lefèvre (2000b). 17 Das könnte hier gar nicht untersucht werden, cf. aber hierzu die zwar ebenfalls kurzen, jedoch dezi­dierten Bemerkungen von U. Gärtner (2009), 32 f.

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Zukunft, die von den Parzen prophezeit wurde, offensichtlich auch bereits vergangen ist. Wenn man also nach der Bedeutung des Kleinepos fragt und wissen will, was es über die Zukunft sagt, die nun ihrerseits auf die Gegenwart des Dichters folgt, so heißt das auch gemäß der Motivik des Gedichts zu fragen, ob es wirklich gut und richtig war, dass damals die Argo gefahren ist. Es geht also um die Beurteilung des Vergangenen. Der Gegenstand des Gedichtes ist dafür besonders geeignet. Der Beginn, Peliaco quondam prognatae uertice pinus | dicuntur (1 f.), lässt mittels ›alexandrinischer Fußnote‹ unter anderem den Wunsch anklingen, der am Anfang der euripideischen und ennianischen Medea-Tragödie steht: ›Wäre doch die Pinie auf dem Pelion nie geschlagen worden  …‹18 Der topische Gedanke ist: Die Argo war das erste Schiff und hat nichts Gutes gebracht.19 Zwar scheint der zweite Teil bei Catull zu fehlen; Medea und ihre Verbrechen finden keine Erwähnung, der Ruhm der Argonauten bleibt ungetrübt. Allerdings wird später in der zur Haupthandlung so gegensätzlich gestimmten Ekphrasis ebenfalls die Schifffahrt behandelt; nämlich angesichts der Reisen des Theseus, von denen bekannt wird, dass sie nicht nur angenehme Folgen haben. Die Spannung, die diese chronologische Inkonsistenz bewirkt, ist allein für die Leser erkennbar.20 Ihnen kann die Argofahrt im übergeordneten Zusammenhang ebenso problematisch scheinen wie der scheinbar beiläufige Bericht über die niedergelegte Arbeit (37 ff.); und insofern die beiden so oft zusammengehörenden Motive auf der Ebene der intertextuellen Beziehungen des Gedichtes aufeinander treffen, unterstützen sie zusammen desto nachdrücklicher die zweifelnde Frage, über welche Zeit im Carmen 64 eigentlich gesprochen wird. Vor dem Hintergrund der Bürgerkriege gelesen kann das Spielerisch-Heitere des kleinen Epos gegenüber dem Verwirrenden leicht zurücktreten.

4.1.2 Die Wiederkehr einer besseren Zeit bei Vergil Wie immer die vierte Ekloge genau zu verstehen ist, unzweifelhaft ist ihr Verkündigungscharakter: iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna (ecl. 4, 6). Zu der Zeit, da der hier adressierte puer endlich zum Mann gereift sein wird, heißt es, werden Landwirtschaft und Seefahrt nicht mehr nötig sein (ecl. 4, 37–47): 18 Zur Komposition des Gedichtanfangs cf. Klingner (1956), 6–12; Thomas (1982/1999). 19 Hierzu cf. auch oben 63 f. 20 Jedenfalls scheint sie im Gedicht niemand wahrzunehmen. Zu diesem Fehler in der Chronologie des Gedichts, sofern hier von der allgemeinen Vorstellung von der Argo als dem ersten Schiff ausgegangen wird, cf. den Über­blick bei Lefèvre (2000b), 185 f.; überdies Feeney (2007), 123–127.

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hinc, ubi iam firmata uirum te fecerit aetas, cedet et ipse mari uector nec nautica pinus mutabit merces; omnis feret omnia tellus. non rastros patietur humus, non uinea falcem,40 robustus quoque iam tauris iuga soluet arator; nec uarios discet mentiri lana colores, ipse sed in pratis aries iam suaue rubenti murice, iam croceo mutabit uellera luto, sponte sua sandyx pascentis uestiet agnos.45 ›talia saecla‹ suis dixerunt ›currite‹ fusis concordes stabili fatorum numine Parcae.

Dann, sobald eine gefestigte Zeit dich zum Mann gemacht hat, wird selbst der Fahrer vom Meer weichen und nicht mehr wird eine schwimmende Pinie Waren austauschen. Alle Länder werden alles hervorbringen. Und nicht wird der Boden den Karst erdulden, nicht der Wein die Sichel; auch wird der kräftige Pflüger die Joche von den Stieren abnehmen: Die Wolle wird nicht mehr lernen, verschiedene Farben vorzulügen; nein, auf der Weide wird der liebliche Bock sein Fell in rötlichen Purpur, in safranfarbenes Gelb verwandeln; von ganz allein werden die weidenden Lämmer sandyxrot bekleidet sein. ›Zu solchen Zeiten lauft‹, sprachen die Parzen zu ihren Spindeln; einträchtig ob der sicheren Gewalt des Schicksals.

Die Vision ist vielversprechend und gibt doch innerhalb des Gefüges der Ekloge selbst einige Rätsel auf – warum muss etwa, wenn die Sternenjungfrau schon wiederkehrt und lauter Wunder zu erwarten sind (18–30), dennoch das Schreckliche noch fortdauern (31–36) und was hat es mit der als Gipfel der neuen Goldenen Zeit über vier Zeilen behandelten luxuriösen Verfärbung der Schafe auf sich?21 Wenn also das Gedicht im Ganzen die Leser nicht leicht loslässt, so ist das Bild des beendeten Ackerbaus an sich doch gut verständlich. Hier kommt es auf 21 Die seit Jahrzehnten für unübersehbar geltende Forschungsliteratur gibt davon Zeugnis. Trotz allen minutiösen, historisierenden Erklärungsversuchen, cf. Lefèvre (2000a), 71 zum ›Sitz im Leben‹ unter Ablehnung ambivalenter Deutung, ist das Gedicht schwer fassbar. Davon unbeschadet lässt es sich jedoch mit großer Plausibilität erklären bzw. nacherzählen, cf. Binder (1983). Freilich bleibt die konkrete Form, die für die Botschaft, das vertrauensvolle Hoffen auf die Herrschaft Oktavians, gewählt ist, durchaus anspruchsvoll. Entscheidend ist, nachdem schon die paradiesischen Adynata als neue Realität angekündigt sind, das einschneidende pauca tamen suberunt priscae ues­tigia fraudis (31); wobei bemerkenswert ist, dass einerseits in pauca uestigia die Bürgerkriegserinnerung aus Vers 13 anklingt: si manent sceleris uestigia nostri, und dass andererseits die vermeintlich wenigen Spuren gerade die zentralen Kennzeichen der Eisernen Zeit umfassen: Schifffahrt (und Handel), Städtebau (und Krieg), Land­w irt­schaft (und Habgier / Gewalt). Man kann das kaum wegerklären, auch wenn die noch zu führenden Kriege von Heroen geführt werden. Vor allem Jachmann (1952), 20–22 hat darauf hingewiesen; und wenn er für seine Folge­rungen auch scharf kritisiert worden ist, muss man die Beobachtung des »Rückfalls« in die Eiserne Zeit doch ernstnehmen (auch wenn es sich wohl eher um ein Fortdauern handelt): cf. z. B. Fantazzi (1974), 301–305; Nisbet (1978/2008), 179 f.; Kraus (1980), 620–624. Warum ist bei aller Heilsgewissheit auf den zeitlichen ›Übergang‹ sol­cher Wert gelegt, und warum wurde dies literarisch gerade so gestaltet? – Diese Frage bleibt letztlich unbeant­wortbar und betrifft unmittelbar den Gehalt des Gedichtes. Was Klingner (1967), 82 abschließend über die Ekloge gesagt hat, kann verallgemeinert werden: »Von Anfang an schwebt das Gedicht zwischen Weltaltermythus und geschichtlicher Aktualität. Bald läßt es mehr die eine, bald mehr die andere Seite durchscheinen.

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den Gegensatz zu Catulls Schilderung an: Der arator nimmt, wenn es soweit sein wird, den Stieren das Joch ab, und dann steht außer Zweifel, dass er es ihnen nie wieder anzulegen braucht. In solcher Zeit wird der puer zu großen, göttlichen Ehren kommen. Das Prophetische und das unmittelbar Panegyrische, auch das ist ein Unterschied zu Catull, sind hier nicht voneinander zu trennen (so schwierig es sein mag, ihr Verhältnis genau zu bestimmen).22 ›talia saecla‹ dixerunt, das klingt insistierend, als hätte man Catulls Schaltvers, auf den hier offensichtlich angespielt ist, falsch verstehen können. Jedenfalls fordert das ›Zitat‹ auf, beide Stellen noch einmal zu überdenken. Hierin muss, unvermeidlich, gerade eine besondere Schwierigkeit der Ekloge liegen.23 Davon jedoch abgesehen besagt das Gedicht: Wenn alles so kommt, wie im Bild der unnötig gewordenen Landwirtschaft angekündigt, dann wird das Leben leicht und sorglos sein. In der vierten Ekloge ist ausdrücklich davon die Rede, dass das Goldene Zeitalter wiederkehrt: tu modo nascenti puero, quo ferrea primum | desinet ac toto surget gens aurea mundo, | casta faue Lucina (8 ff.). Ob Vergil den Gedanken der Wiederkehr wirklich selbst in die Dichtung eingeführt hat, wird sich nicht feststellen lassen; er dürfte aber in jedem Fall noch neuartig und bedeutungsvoll sein.24 In der Heldenschau der Aeneis wird die Ankündigung eines neuen Goldenen Zeitalters wiederholt, in der Prophezeiung des Anchises (Aen. 6, 791–795): ›hic uir, hic est, tibi quem promitti saepius audis, Augustus Caesar, diui genus, aurea condet saecula qui rursus Latio regnata per arua Saturno quondam, super et Garamantas et Indos proferet imperium […]‹

›Hier, hier ist der Mann, der dir so oft versprochen wurde: Augustus Caesar, Sohn des Göttlichen, Goldene Zeiten wird er niederlegen, er, der in Latium, über die Gefilde, wo einst Saturnus regierte, aber auch über die Garamanten und Inder seine Herrschaft ausdehnen wird …‹

Auch diese Stelle ist, was ihre ganze Bedeutung betrifft, bekanntlich sehr umstritten.25 Für das grundsätzliche Verständnis des Gedankens ist das jedoch nicht entscheidend; es genügt zunächst zu sehen, dass Augustus derjenige sein wird, der ein neues Goldenes Zeitalter begründen wird.26 Und wenn das ZeitVersucht man es auf der einen festzuhalten, so gleitet es einem aus der Hand.« Alles Fragwürdige, gar Ironische, das man in dem Gedicht ebenfalls entdecken kann, vielleicht muss, hat in der Allgemeinheit, in der Überzeitlichkeit, um die es eben auch geht, seinen Platz. 22 Hierzu cf. Nauta (2006). 23 Dass die Bucolica insgesamt Schwierigkeiten oder gar Unausdeutbarkeiten enthalten sollen, kann vielleicht mit Blick auf die schwierigen Rätsel der dritten Ekloge oder den Gesang des Silen in der sechsten verallgemeinernd gesagt werden: ecl. 3, 104 ff., dazu cf. Clausen (1994) ad loc.; ecl. 6, 27 ff., dazu Klingner (1967), 106–111. 24 Hierzu cf. oben 107 No. 284. 25 Cf. z. B. Thomas (2001), 1–7. Zur Wendung aurea saecula condere, die eigentlich an ›zu Grabe tragen‹ erinnert, cf. insbesondere Norden (31927) ad loc. Anders als Thomas sieht Norden hier kein Problem. 26 Zu der Beziehung zu Saturnus cf. auch Aen. 8, 319 ff.

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alter so ist, wie es in der vierten Ekloge beschrieben ist, steht – wie immer – außer Frage, dass es gut und wünschenswert ist. Den Lesern ist ein Rückblick auf das Gedicht auch intertextuell nahegelegt; quem promitti saepius audis kann leicht als eine Referenz gedeutet werden;27 hier ist insbesondere an die Wiederaufnahme des catullischen Parzenliedes zu denken. Auch das Heroische, wodurch sich, wie es im Fortgang der Prophezeiung heißt, die Herrschaft des Kaisers auszeichnen werde (Aen. 6, 795–807), der Ruhm des durch Sieg beendeten Krieges, wirkt wie eine erneute Verheißung einer tatsächlich noch bevorstehenden Zukunft  – anders als die im Carmen 64 angekündigten Heldentaten des Achill, aber wie die Ankündigung des alter Achilles der Ekloge, der kämpfen und siegen wird, solange noch die wenigen Spuren des früheren Verbrechens dauern (ecl. 4, 34–36). Vielleicht ist diese mehrfache Referenz der Grund, warum hier die Fülle der einmal erreichten Goldenen Zeiten nicht noch einmal erwähnt wird, sondern der Krieg, sozusagen als Weg zur erwünschten friedlichen Zukunft. Hier beginnt die Interpretation der Prophezeiung schwierig zu werden; und der Blick auf die ebenfalls schwierige Ekloge hilft nicht viel weiter. Das Unbehagen am ›Messianismus‹, um das unpassende, aber populäre Wort zu gebrauchen, könnte noch stärker werden, wenn man bedenkt, dass mitten in dem Spannungsbogen von den Bucolica zur Aeneis die Georgica eine ganz andere Stimmung erregen, wenigstens mit Blick auf das Goldene Zeitalter.28 Von dessen Wiederkehr ist hier nirgends die Rede, und was aus Catulls Peleus-Epos entnommen wurde, ist – von den etwas anders gearteten Beziehungen im vierten Buch einmal abgesehen – vor allem das Bild vom unbebauten Acker und der düstere Schluss des Carmen,29 der insbesondere am Ende des zweiten GeorgicaBuches als beklagenswerte und nur im Idyll des Landlebens überwindbare Realität erscheint. Folgende Bezüge lassen sich herstellen:30 rura colit nemo, mollescunt colla iuuencis, nec fuit indignum superis bis sanguine nostro non humilis curuis purgatur uinea rastris, Emathiam et latos Haemi pinguescere campos. (georg. 1, 491–492) non glebam prono conuellit uomere taurus, non falx attenuat frondatorum arboris umbram, squalida desertis rubigo infertur aratris. (Catull. 64, 38–42)

27 Austin (1977) ad loc. bemerkt: »Curiosly circumstantial, as if Anchises had had many conversations with his son on the subject.« 28 Cf. z. B. Nappa (2005), 68–114. 29 Zum vierten Georgica-Buch cf. Crabbe (1977).  – Die zumal durch ihre Stellung im Proöm auffällige Ähnlichkeit zwischen Catull 64, 29: tene suam Tethys concessit ducere neptem, georg. 1, 31: teque sibi generum Tethys emat omnibus undis soll aber vielleicht nur auf die Gemeinschaft mit den Göttern hinweisen. 30 Zu den genannten Bezügen cf. Buchheit (1972), 39–41.

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o decus eximium magnis uirtutibus augens, Emathiae tutamen, Opis carissime nato […] (Catull. 64, 323–324)

quippe ubi fas uersum atque nefas: tot bella per orbem, tam multae scelerum facies, non ullus aratro dignus honos, squalent abductis arua colonis, et curuae rigidum falces conflantur in ensem. sed postquam tellus scelere est imbuta nefando (georg. 1, 505–508) iustitiamque omnes cupida de mente fugarunt, perfudere manus fraterno sanguine fratres, et patiens operum exiguoque adsueta iuuentus, (Catull. 64, 397–399) sacra deum sanctique patres; extrema per illos Iustitia excedens terris uestigia fecit. (georg. 2, 472–474) omnia fanda nefanda malo permixta furore iustificam nobis mentem auertere deorum. (Catull. 64, 405–407) […] gaudent perfusi sanguine fratrum, exsilioque domos et dulcia limina mutant atque alio patriam quaerunt sub sole iacentem. (georg. 2, 510–512)

Besondere Aufmerksamkeit verdient, dass bereits Catull die Stadt Pharsalos poetisch nach Emathien, also Makedonien verlegt, was nur für Leser Sinn hat, denen die Dimensionen der seit 146 v. Chr. bestehenden römischen Provinz Macedonia geläufig sind. Diese umfasst neben Makedonien weite Teile Griechenlands und namentlich Thessalien. Vergil nennt nach iterum uidere Philippi (490) neben Emathien als zweite Ortsangabe den Haemus, das Balkangebirge. Dies weist – eine definitiv zeitbedingte Neuerung gegenüber Catull – eher (aber nicht notwendig) auf das tatsächlich makedonische Philippi.31 Vielleicht wird zudem, wie Ruurd Nauta vermutet hat, durch den ähnlichen Klang von ›Ημαθία – Αἷμος – αἷμα, ein etymologisches Spiel gespielt. Das bis sanguine (griechisch: δὶς αἵματι) fände sich dann unmittelbar im Text und würde so die verwirrende ›Geographie des Schreckens‹ illustrieren.32 Anders als in der vierten Ekloge besteht in den Georgica keine Heilsgewissheit als Gegenstück zum schwermütigen und, wenn man so sagen will, illu­ sionslosen Ende des Peleus-Epos. Das Lehrgedicht betrifft dieselbe Realität, die im Carmen 64 beschrieben ist: Recht und Unrecht sind vermischt, und Brüder ermorden sich gegenseitig. Wie in Hesiods Erga gibt es keinen Weg, den Lauf der Zeit zu verändern.33 Für den Georgica-Dichter liegt jedoch ein Sinn in dem 31 Cf. Heyne / Wagner (41830) ad loc.; Mynors (1990) ad loc. Servius erklärt ad loc.: Haemus autem mons est Thes­saliae. Erren (2003) ad loc. führt dementsprechend aus, dass es sich dabei um eine Abusio für den Pindus handeln müsse. Warum sollte man nicht aber auch eine Abusio für das Rhodope-Gebirge annehmen? Beides ist möglich und kann entsprechend ausgenutzt werden. Lucan jedenfalls verbindet den Haemus zuerst charakteristisch mit Philippi, freilich um damit auf besonders verwirrende Weise die Gleichsetzung von Pharsalos und Philippi zu bekräftigen: latosque Haemi sub rupe Philippos […] iam uidi Philippos (1, 680/694); danach wird dann der Haemus stets in Thessalien verortet. – Zum Verhältnis von Pharsalos und Philippi cf. auch unten, 237 No. 60. 32 Ruurd Nauta, viva voce. Hinzu kommt, dass Αἱμονία ein alter Name für Thessalien ist. 33 Hes. op. 174 f.: μηκέτ᾽ ἔπειτ᾽ ὤφελλον ἐγὼ πέμπτοισι μετεῖναι | ἀνδράσιν, ἀλλ᾽ ἢ πρόσθε θανεῖν ἢ ἔπειτα γενέσθαι.

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durch Jupiters Willen angebrochenen defizienten Zeitalter (1, 121 ff.): Naturerkenntnis und Kunst entstehen und können zur Verbesserung des Daseins beitragen. Trotz (oder wegen) der Allgegenwärtigkeit des Scheiterns und den nicht endenden Mühen kann ein ›Goldenes Zeitalter der Landwirtschaft‹ beginnen, in dem es Fortschritt gibt und dauernden Frieden, der auf dem stets wiederholbaren ›Sieg‹ über die Natur und über äußere Feinde, vor allem jedoch auf Arbeit beruht.34 Die Bedeutung der Arbeit zu verkennen, muss allerdings nicht nur unmittelbar ins Verderben führen, sondern insbesondere zu einer bitteren Karikatur goldzeitlicher Existenz. Die Eicheln werden sozusagen nicht wie früher schmecken: heu magnum alterius frustra spectabis aceruum | concussaque famem in siluis solabere quercu (1, 158 f.).35 Das durch Tätigkeit zu erstrebende Ideal des guten Lebens wird in unterschiedlicher Weise sowohl im Lob Italiens und im Lob des Landlebens formuliert. Aber auch wenn es scheint, dass hier ewiger Frühling herrscht und alle Gefahren fern sind, so hat die Jungfrau die Welt dennoch endgültig verlassen. Auf ihre Wiederkehr und den Neubeginn des alten Goldenen Zeitalters zu hoffen, gemäß dem iam redit et Virgo der Ekloge, muss angesichts des im Lehrgedicht entwickelten didaktischen Anspruchs ein schwerer Fehler sein. So gesehen, stellen die Georgica ein Gegenstück zur vierten Ekloge dar. Oder differenzierter gesagt: Der unabweisbare Interpretationsbedarf des früheren Gedichtes wird in den Georgica nun auch historisch begründet, indem darauf gedeutet ist, dass Zeit vergeht, Hoffnungen unerfüllt bleiben können, und dass die Fragen der Herrschaft und des guten Lebens sowohl künstlerisch-technisch als auch weltanschaulich ganz anders behandelt werden können.36 Das Versprechen tua dicere facta (ecl. 4, 54), sofern es überhaupt auf Oktavian gemünzt ist, wird in den Georgica nicht eingelöst, nur wiederholt (3, 46 ff.).37 Ebenso wie der Lehrdichter seinen Lesern, wenn er sie zum Carmen 64 zurückschickt, eine heroisch-feierliche Deutung des unbebauten Ackers erschwert, scheint er auch verhindern zu wollen, dass man retrospektiv in der vierten Ekloge ein rein positiv besetztes alt-achilleisches Heldentum findet, das genügt, um in Rom weitreichende Erlösung zu bewirken. Die römische Gegenwart erscheint in den Georgica sehr viel deutlicher als im bukolischen Arkadien oder in der mythischen Vorzeit der Aeneis. Zudem steht im Lehrgedicht die friedliche 34 Cf. Johnston (1980); Smolenaars (1987); ähnlich Gale (2000), bes. 158–162. 35 Eicheln waren auch eine Speise im Goldenen Zeitalter, georg. 1, 147 ff.: prima Ceres ferro mortalis uertere terram | instituit, cum iam glandes atque arbuta sacrae | deficerent siluae et uictum Dodona negaret; cf. auch Mynors (1990) ad loc. 36 Hierzu cf. Seng (2009), auch mit Blick auf die anderen Entgegnungen, die die vierte Ekloge erfahren hat, sowohl von Vergil selbst, mit den Eklogen 6 bis 9, als auch von Horaz, mit epod. 16, die Seng nach der vierten Ekloge datiert. 37 Cf. aber auch Morgan (1999), 50–55 zu einer alternativen Deutung, freilich ausgehend von einer Sichtweise, die Aristaeus-Erzählung als unproblematisch zu deuten.

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und nur im Frieden mögliche Unterweisung des Dichters geradezu provozierend gleichberechtigt neben den Kriegstaten des Herrschers. Das kallimacheische βροντᾶν οὐκ ἐμόν, ἀλλὰ Διός (aet. fr. 1, 20 Pfr / H), worauf Vergils Sphragis anspielt,38 wirkt hier in mehrdeutiger Weise nach. Der Gedanke, dass kriegerisches Heldentum nicht zur oft zurückgewünschten Goldenen Zeit gehört und wohl nicht ausreicht, um ein neues, landwirtschaftliches Goldenes Zeitalter zu ermöglichen, ist in den Georgica zentral.39 Und er ist so universal, so ›realistisch‹, dass er kaum zurückgenommen werden kann. In der emphatischen Prophezeiung des sechsten Aeneis-Buches qui aurea saecula rursus condet (cf. 6, 792 f.) muss er fortdauern. Ein Unterschied besteht dabei nicht zunächst darin, wie Oktavian in den verschiedenen Gedichten Vergils jeweils als politisch Verantwortlicher verehrt wird (auch das Georgica-Proöm stellt ja die Vergöttlichung in Aussicht).40 Aber die eindeutig skeptische, bescheidene Haltung zu Lauf und Entwicklung der Dinge, die hier zwischen den teleologischen Ideen der vierten Ekloge und der Aeneis steht und intertextuell so eng damit verbunden ist, muss selbstverständlich Auswirkungen auf die Deutung des vergilischen Œuvres in seiner Gesamtheit haben: Wie ›golden‹ können die Zeiten sein, die Augustus anbrechen lassen wird? Und hat womöglich außer ihm noch jemand Anteil daran? Die Bauern zum Beispiel, die die Lehren befolgen müssen? Was ist mit labor und Erkenntnis für jeden einzelnen Römer? Diese Fragen scheinen den Erzähler des Bellum Ciuile zu bewegen.

4.2 Pharsalia tanta causa mali Jenes Thessalien, das Lucan erfindet, die literarische und, wie durch Annemarie Ambühls Untersuchungen deutlich geworden ist, insbesondere tragische »Bürgerkriegslandschaft«, ist längst durch eine Vorgeschichte geprägt, als die feindlichen Heere dort eintreffen: Achill, Medea, Agaue, die thebanischen Brüder und all die anderen haben dieses Land zu einem Ort des Verbrechens gemacht; hier brach zuerst das Eiserne Zeitalter an (6, 395 ff.). Durch die intertextuellen Bezüge entsteht aber nicht nur die angemessene mythologische Ausschmückung für das schreckliche Ereignis, von dem nun erzählt werden soll. Diese ›Szenerie‹ hat vielmehr einen tatsächlich dramatischen Effekt, indem die Leser, die hier zum Nachdenken angehalten sind, von vornherein in eine Stimmung des Entsetzens 38 Cf. Thomas (1988) ad loc. 39 Neben dem Bild des überforderten Wagenlenkers (1, 511 ff.) ist hier vor allem an den Kontrast zwischen römischer Frühzeit und echter Goldzeit (2, 532 ff.) zu denken. 40 Hierzu cf. z. B. Nelis (2013), u. a. 261 mit dem kühnen, aber reizvollen Vorschlag, georg. 1, 26 wie folgt zu lesen: et te maximus orbis | AVctorem fruGVm tempeSTatVMque potentem | accipiat cingens materna tempora myrto. Zur Mittelstellung der Georgica, insbesondere ihrer eigenen Mitte (2, 458–3, 48) zwischen den Bucolica und der Aeneis cf. Nelis (2004).

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gebracht werden. Dass dies durch Anspielungen geschieht, also durch die Wiederholung von etwas Bekanntem, ist dabei entscheidend. Denn so ergibt sich die Frage, warum sich das, was offensichtlich schon oft geschehen ist, der Krieg innerhalb der Familie, überhaupt wiederholen muss (und noch weiter wiederholen wird).41 Lucan hat das Land Pharsalia zu dem Ort gemacht, Erklärungen hierfür zu suchen,42 und dem metapoetischen Realismus des Bellum Ciuile kommt hierfür eine besondere Bedeutung zu. Für die Untersuchung der Georgica-Anspielungen in Lucans Thessalienerzählung sind zwei Dinge entscheidend: erstens der offenkundig didaktische Anspruch des nur von den Lesern wiedererkennbaren Lehrgedichts und zweitens dessen intertextuelle Kopräsenz mit älteren, auch bei den Figuren als bekannt vorauszusetzenden und ebenfalls didaktisch bedeutsamen Texten, darunter die attischen Theben-Tragödien, aber auch die Odyssee oder das Lehrgedicht des Lukrez. Dass diese Texte ihrerseits oft maßgebende Referenzen der Georgica sind, ist hierbei eine wichtige Verbindung. Von dieser Beobachtung nehmen die folgenden Analysen ihren Ausgang. Indem Lucan Argos und Theben nach Pharsalia ›verlegt‹,43 lässt er an diesem Ort das geschehen sein, was für Tantaliden oder Kadmeer bereits ein ImmerWieder-Geschehen ist: die Vernichtung der eigenen Familie. Sowohl bei Lucans Lesern als auch bei seinen Figuren ist nun nicht bloß eine allgemeine Kenntnis darüber vorauszusetzen, sondern die Kenntnis der betreffenden Tragödien. Sie sollten sozusagen einige Male ›Furcht und Mitleid‹ erfahren haben und daraus ›Lehren‹ gezogen haben.44 Als Hinweis auf die metapoetische Bedeutung der Thessalienerzählung darf der Umstand genommen werden, dass der Erzähler nicht schlechthin allwissend die Ereignisse erwähnt, die sich in Theben zugetragen haben, sondern mit fabula ein Wort verwendet, das die bereits erfolgte 41 Dazu, dass sich für die Leser im Verschwimmen von Gewesenem und Bevorstehendem ein besonders wirk­samer, zur Interpretation drängendem Eindruck ergibt, cf. z. B. Walde (2011) und – freilich mit ganz verschiedenem Ansatz – Arweiler (2006). 42 Hierzu und zur Beziehung des Landes Thessalien zum Proöm des Buches cf. auch die Analysen von Nicolai (1989), die freilich unter der Prämisse der Antinomie zu Vergil stehen. 43 Im binnenfiktionalen Zusammenhang bereitet diese Lokalisierung kein Problem. Die Illusion wird durch die fehlerhafte Geographie nicht gebrochen, der Erzähler ist ›mimetisch zuverlässig‹, hierzu cf. Kimmerle (2015), 125 f. 44 Zur politischen wie allgemein moralischen Bedeutung des Theben-Stoffes für das zeitgenössische Theater in Athen cf. Zeitlin (1986/1990), allgemein zum belehrenden Anspruch der attischen Tragödie cf. z. B. Gregory (1991), 1–17. Dass dieser auch noch in römischer Zeit zu erkennen war, liegt nahe, cf. Hardie (1990); Pollmann (2008), 361. Zum spezifisch moralischen Anliegen der Tragödien Senecas cf. Staley (2010), passim. Cicero Att. 7, 11 nutzt gerade den moralischen Gehalt der euripideischen Phönissen, um Caesar zu kritisieren. Indem er fragt ubi est autem dignitas nisi ubi honestas? und Phoen. 504 ff. zitiert, kann er Caesars Verhalten, wie Behrendt (2013), 99–105 gezeigt hat, nicht nur allgemein moralisch, sondern, rhetorisch wirkungsvoll, auch kultu­rell verurteilen.

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literarische Darstellung betont: ueteres ubi fabula | Thebas monstrat Echionas (6, 356 f.).45 Wenn Lucans Soldaten nun in Pharsalia unweit des ›alten Echionischen Theben‹ Aufstellung nehmen, muss ihnen dann nicht klar sein, dass sie am Ort eines Bruderkriegs sind, muss ihnen nicht vor Augen stehen, wie das alles nur ausgehen kann? Und sollten sie nicht gerade deswegen – wenn man dies für die ›Lehre‹ aus den thebanischen Tragödien nehmen will – sich im letzten Moment ihrer Frömmigkeit besinnen und eine Einigung suchen? Offensichtlich tun sie das nicht. Lucan erklärt nicht warum, aber er weist darauf hin, und das ist für das Programm des Bellum Ciuile zentral. Als die Armeen in Thessalien ihre Lager aufschlagen, ahnen die meisten Soldaten, dass ihnen an diesem Ort etwas Gewaltiges bevorsteht. Aber nur die wenigsten können ihre Lage angemessen beurteilen (6, 417–419): degeneres trepidant animi peioraque uersant; ad dubios pauci praesumpto robore casus spemque metumque ferunt.

Die Verkommenen zittern und denken an das Schlimme. Wenige, die ihre Kräfte schon gesammelt haben, sehen dem ungewissen Ausgang mit Hoffnung und Furcht entgegen.

Die Wendung spesque metusque, die später in der Apostrophe an Pompeius die literarische Teilnahme der zukünftigen Leser beschreibt (7, 211),46 ist hier für die Reaktion derjenigen Römer verwendet, die sich der Bedeutung des Bevorstehenden bewusst sind. Sie empfinden sozusagen die Tragödie, ohne ihr noch entgehen zu können. Aber wie der Erzähler eigens betont, sind sie in der Minderheit. Die anderen stellen sich, wohl weniger nachdenklich als neugierig, auf die Verbrechen ein, die sich bald ereignen werden. Zu ihnen gehört Sextus Pompeius. Über Erictho, die schlimmste der Hexen, die diese literarische Landschaft bewohnen, heißt es, als Sextus sie aufsucht, um sie über den Ausgang des Krieges zu befragen: carmenque nouos fingebat in usus (578). Für die Leser ist es leicht, dies metapoetisch zu deuten.47 Ist aber Erictho, der die Aufgabe zufällt, als uates die Zukunft zu offenbaren, und die danach so plötzlich wieder aus der Eposhandlung verschwindet, wie sie gekommen ist, für Lucans Leser deswegen das Symbol des neuen literarischen Anspruchs des Dichters? Oder zeigt sie, eine

45 Cf. auch Ambühl (2015), 110 f. 46 Cf. oben 33. Mit moralischem Gehalt die Selbsteinschätzung betreffend erscheint die Wendung auch bei Ov. fast. 1, 485 f.: conscia mens ut cuique sua est, ita concipit intra | pectora pro facto spemque metumque suo. 47 Cf. hierzu Masters (1992), 205 f. sowie 180–196. Ähnlich Arweiler (2006), 29–37 zur poetologischen Dimension der Hexencharakterisierung quarum quidquid non creditur ars est (6, 436). Die poetische Zauberei der thes­sali­schen Hexen zeigt sich auch in dem ›pervertierten‹ Vers: tantae molis onus percussum uoce recessit (6, 483), der Versuchung opus statt onus zu lesen ist zuweilen nachgegeben worden, cf. Burman (1740) ad loc.

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eigenartig provinzielle, fast lächerliche Figur,48 die das Schicksal nur im Kleinen verändern kann (6, 605–615), nicht vor allem, dass die Menschen wie Sextus, die sich im Krieg gegenseitig töten wollen, unbelehrbar sind, gleich welcher Schrecken auch aufgeboten wird?49 Vielleicht hängt beides zusammen, aber vor allem zu Letzterem passt, dass es nach all der Zauberei eine erstaunlich ernüchternde Trivialität ist, was Erictho dem weissagenden Toten abringen kann.50 Es ist das, was jeder Leser der homerischen Nekyia oder der thebanischen Tragödien längst weiß: ›ueniet quae misceat omnis | hora duces‹ (806).51 Für Lucans Leser kommt hingegen noch etwas hinzu. Der Tote kennt nicht nur die politische, sondern anscheinend auch die literarische Zukunft. Im Anfang seiner Rede heißt es: ›effera Romanos agitat discordia manes‹ (780). Hiermit ist unverkennbar auf das Bürgerkriegsmotiv vom Schluss des zweiten Georgica-Buches angespielt: infidos agitans discordia fratres (georg. 2, 496). In der Vision der Georgica steht dem bereits wieder ein glückliches Leben auf dem Land entgegen, das Gefahr läuft, in seiner Schönheit und Friedlichkeit von den Bauern gar nicht recht verstanden und geschätzt zu werden. Für diejenigen, die die Vergangenheit Thessaliens kennen, macht Lucans Erictho auf makabere Weise die Endlosigkeit und Sinnlosigkeit des Bürgerkrieges deutlich, ohne dies aber zu erklären oder zu werten. Sextus, der missratene Sohn (magno proles indigna parente, 420), der kommt, um sie zu befragen, steht gewissermaßen für alle die Römer, die unbelehrt und unverbesserlich in den Bürgerkrieg stürzen.52 Er will wissen, wie der Krieg ausgeht. Es läge nahe, vom Blick in die Zukunft eine Handlungsanweisung für die Gegenwart zu erwarten;53 was Sextus mit dem Wissen anfangen will, bleibt den Lesern jedoch 48 Heitland (1887), cxx verweist zu Recht auf die Parallelen zu den Zaubereien in Verg. ecl. 8, insbesondere Lucan. 6, 460 ~ ecl. 8, 74 ff.; 490 ff. ~ 71; 499 ~ 69; 619 ff. ~ 98. Erictho ähnelt trotz allen Übersteigerungen auch der Frau, die ihren Gatten Daphnis aus der Stadt wieder heimbringen möchte. Zum Vergleich des heiteren, alltäglichen Alphesiboeus-Liedes, wo von dem Liebeszauber erzählt wird, gegenüber dem tieftraurigen Gesang Damons, der (nicht ohne politische Relevanz) an der Welt irre zu werden scheint, cf. Klingner (1967), 134 f. Ähnliche Zaubereien gibt es bei Tib. 1, 2, 45 ff. Für einen umfassenden Überblick cf. Reif (2016), bes. 415–477. 49 So erscheint Erichtho in Goethes Faust: Wie oft schon wiederholt sich’s! Wird sich immerfort | In’s Ewige wie­derholen … Keiner gönnt das Reich | Dem Andern […] Hier aber ward ein großes Beispiel durchgekämpft: | Wie sich Gewalt Gewaltigerm entgegenstellt (7012 ff.; 7018 f.). 50 Hierzu cf. auch Arweiler (2006), 32. 51 Im Zusammenhang mit Herrschaft als Gegenstand des Streits denkt man vielleicht insbesondere an Achill: ›μὴ δή μοι θάνατόν γε παραύδα, φαίδιμ’ Ὀδυσσεῦ.  | βουλοίμην κ’ ἐπάρουρος ἐὼν θητευέμεν ἄλλῳ, | ἀνδρὶ παρ’ ἀκλήρῳ, ᾧ μὴ βίοτος πολὺς εἴη, | ἢ πᾶσιν νεκύεσσι καταφθιμένοισιν ἀνάσσειν‹ (λ 488 ff.). 52 Hierzu cf. auch Santangelo (2015), 182–185. 53 Der Erzähler kommentiert dies, indem er darauf verweist, dass die Mächtigen Handlungsanweisungen (oder Tadel) offensichtlich fürchten: non ullo saecula dono | nostra carent

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ein Rätsel. Appius Claudius Pulcher, der gierige Konsular,54 hat aus Furcht das Orakel in Delphi konsultiert (5, 64 ff.) und immerhin zur Antwort erhalten, dass er am Krieg nicht teilnehmen wird, tanti discriminis expers (194). Wenngleich er missdeutet, was ihm wirklich bevorsteht (nämlich dass er bald sterben wird), und wenngleich seine Entscheidung moralisch verfehlt ist, nimmt er doch den Spruch als Rat dafür, was er tun sollte.55 Aber Sextus will nicht handeln, er will nur keine Furcht vor dem Ungewissen leiden. Wie der Bürgerkrieg ausgeht, ist ihm dabei anscheinend gleichgültig.56 Mit stoischer Schicksalsergebenheit hat das nichts zu tun. Ein Kontrast zu dem fehlgeleiteten Interesse eines Sextus ist der sowohl historische als auch allgemein didaktische Anspruch, sich gemäß der Kenntnis des Vergangenen auf die Zukunft einzustellen. Die Erwähnung der pauci, die mit Hoffnung und Furcht auf das Geschehen blicken, bekräftigt diesen Gegensatz. In intertextueller Hinsicht gehören im Bellum Ciuile zum Vergangenen auch die Referenztexte, auf die immer wieder angespielt wird. Hier ist es entscheidend, dass gerade die Georgica gattungsbedingt in besonderer Weise den Anspruch erheben, als Kunst nach dem Bürgerkrieg lehrreich sein zu können. Wenn gemäß metapoetischem Realismus das unzureichende oder gar gescheiterte Lesen der Protagonisten in den Fokus der Leser gerät, so folgt dann aber, dass Lucans Leser schließlich auch sich selbst darüber befragen lassen müssen, wie sie gelesen haben und inwiefern der Anspruch literarischer ›Bildung‹ für sie (aber auch von ihnen) eingelöst wurde.57 Am Höhepunkt des Gedichts, nach der Entscheidungsschlacht, die zur Verwüstung eines ganzen Landes führt, zu ›Blut auf pharsalischen Feldern‹, fällt eine derartig provozierende Frage besonders ins Gewicht. Um sie dezidiert zu stellen, so meine These, spielt Lucan hier immer wieder auf die Georgica an. Ob die Anspielungen affirmativ oder parodistisch wirken, hängt gerade davon ab, welche Antwort die Leser geben können. Im vorigen Abschnitt wurde die ethische Dimension des Lehrgedichts kurz rekapituliert.58 Wenn am Ende des ersten Georgica-Buches gesagt ist: bis sanguine nostro | Emathiam et latos Haemi pinguescere campos […] satis iam pridem maiore deum, quam Delphica sedes | quod siluit, postquam reges timuere futura | et superos uetuere loqui (5, 111 ff.). Zur politischen Interpretation dieser Stelle cf. ASL ad 5, 113: hic Nero tangitur, qui cum consuluisset oraculum, respondit huic numen ›parricidis non respondeo‹ […] hoc confusus dicto oraculum consuli uetuit, ne quis imperatorum inquireret fatum et his insidia­retur. Ähnlich CB ad loc. 54 Zu Appius’ Bereicherungen cf. Cic. fam. 3, 7, 2; Att. 5, 16, 2; in diesem Zusammenhang ist auch Lucan. 5, 226 f. zu sehen. 55 Zu der Passage cf. Ahl (1976), 121–130; Masters (1992), 133–141; Pypłacz (2015), 15–57. 56 Cf. 6, 596 f.: ›mens dubiis perculsa pauet rursusque parata est | certos ferre metus‹. 57 Zugespitzt könnte man sagen, es gehe dem lucanischen Erzähler nicht zunächst darum, die Leser zu betrügen – »deceiving the reader«, cf. Masters (1994) –, sondern einer verwirrenden, vielleicht aufrüttelnden, vor allem ästhe­tisch anspruchsvollen Prüfung zu unterziehen. 58 Cf. oben 225–231.

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sanguine nostro | Laomedonteae luimus periuria Troiae (1, 491 f.; 501 f.), wird die ›literarische Erkenntnis‹ nachgerade zur Voraussetzung dafür, dereinst entsühnt und befreit zu werden. Es geht um die Einsicht, dass einerseits Vertragsbruch ein Fehler ist und dass andererseits das im Bürgerkrieg geopferte Blut tatsächlich irgendwie als Dünger zu begreifen ist, damit daraufhin die Felder wieder fruchtbar gemacht werden können und, wenn diese Arbeit dauerhaft gelingt, bessere Zeiten kommen. Vor dem Hintergrund der Wirkungslosigkeit poetischer ›Lehre‹ in der literarischen Bürgerkriegslandschaft des Bellum Ciuile wird der Inhalt der Georgica unmittelbar problematisiert. Lucan spielt an drei entscheidenden Momenten auf das Lehrgedicht an, und zwar vor, unmittelbar am Beginn und nach der Schlacht. Dies soll im Folgenden genauer untersucht werden.

4.2.1 Vor der Schlacht Sextus sucht Erictho auf, als die Heere in Stellung gebracht sind und alle sich fragen, was kommen wird. Die Hexe bereitet sich schon auf die Schlacht vor. Obwohl kaum Zweifel daran bestehen dürften, ob die Entscheidung tatsächlich in Thessalien fällt, will sie offensichtlich ganz sicher gehen (6, 575–586): conspexere procul praerupta in caute sedentem,575 qua iuga deuexus Pharsalica porrigit Haemus. illa magis magicisque deis incognita uerba temptabat carmenque nouos fingebat in usus. namque timens, ne Mars alium uagus iret in orbem Emathis et tellus tam multa caede careret,580 pollutos cantu dirisque uenefica sucis conspersos uetuit transmittere bella Philippos tot mortes habitura suas usuraque mundi sanguine: caesorum truncare cadauera regum sperat et Hesperiae cineres auertere gentis586 ossaque nobilium tantosque adquirere manes.

Sie erblickten sie, auf einer vorspringenden Klippe sitzend, wo der Haemus abfallend in die Berge von Pharsalus ausläuft. Sie erprobte Wörter, die Magiern und den Göttern der Magie unbekannt waren und erdachte Sprüche zu neuer Anwendung. Denn sie fürchtete, dass Mars unstet in eine andere Weltgegend gehen und die Erde Emathiens die vielen Tode entbehren müsse; so besprengte die Giftmischerin Philippi mit Gesängen und grausigen Säften und verbot, dass es die Kriege vorüberziehen lasse. Sie will die Toten für sich, will über das Blut der ganzen Welt verfügen; sie hofft, die Leichen der erschlagenen Könige zu verstümmeln, die Asche des hesperischen Volks und die Knochen der ­Edlen zu entwenden und an all die Manen heranzukommen.

Dieser Passus deutet vor allem auf das Ende des ersten Georgica-Buches, namentlich auf die poetische Gleichsetzung von Pharsalia und Emathien und den Vers saeuit toto Mars impius orbe.59 Ettore Paratore versteht dies vornehmlich 59 Cf. Paratore (1943), 58.

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als einen thematischen Übergang zur großen indignatio am Ende des siebten Buches. Dort heißt es: et Mutina et Leucas puros fecere Philippos (7, 872). Aber um die übliche, schon auf Catulls poetische Verlegung von Pharsalos zurückgehende Verwechslung handelt es sich hier nicht. Dass Philippi an die Stelle von Pharsalos tritt, entspricht zwar dem vergilischen iterum uidere (georg. 1, 490),60 geht aber auch darüber hinaus. Dies vorzubereiten, ist eine Funktion dieser Stelle. Es muss zunächst geradezu albern erscheinen, dass Erictho, obwohl alle sich auf die Schlacht bei Pharsalos einstimmen, ihre Zaubereien vollführt, damit der Krieg auch wirklich in Emathien stattfindet (also, wie man wohl denkt: im thessalischen Pharsalos). Zwei Zeilen später wird allerdings explizit und angesichts des unmittelbar Bevorstehenden eigentlich unpassend Philippi genannt. So scheint es nun, dass Erictho tatsächlich schon mehr weiß und sich, unersättlich, bevor noch die erste Schlacht geschlagen ist, schon auf die zweite freut, die sich bald vollziehen wird: als »zeitlich unabhängige Wiederholung desselben unter denselben Voraussetzungen«.61 Die Unabänderlichkeit der Katastrophe, der alle gern entgehen würden, dies aber aus welchen Gründen auch immer nicht können, ist hiermit bestätigt. Indem der Blick schon auf das Nächste gerichtet wird, ist sowohl deutlich, dass Pharsalos nur am Anfang steht, als auch, dass es im Vergleich mit den folgenden Übersteigerungen bald unbedeutend sein wird. Wenn der Erzähler das siebte Buch, den Bericht über die alles verändernde und für ihn letztlich unbeschreibliche Schlacht, damit enden lässt, wie Philippi entsühnt wird, ist Pharsalos schon auf erschreckende Weise vergessen.62 Hier hat Ericthos Beschwörung gewirkt. Auch Anlass und Durchführung ihrer Zauberhandlungen verdienen Beachtung. Sie will den ›unsteten Mars‹ aufhalten. Wenn eine Schlacht keinen eindeutigen Ausgang hat, ist es naheliegend, von einem dubius Mars zu sprechen;63 60 So auch in der Rede der Matrone (1, 679 f.; 692 ff.), wo nicht Philippi sieht, sondern selbst gesehen wird. Bedeu­tend ist vor allem, dass Vergils iterum uidere allein auf Philippi bezogen werden kann, insofern man an die Dop­pelschlacht denkt, cf. Lyne (1974/1999), ­172–174. – Ov. met. 15, 822 f., wo Emathien von Pharsalos wieder getrennt wird, nutzt das iterum freilich im Sinne von Wiederholung desselben: Pharsalia sentiet illum, | Emathiaque iterum madefient caede Philippi. Undeutlich ist Manilius, wo es heißt: Philippeos implerunt agmine campos, | uixque etiam sicca miles Romanus harena | ossa uirum lacerosque prius super astitit artus, | imperiumque suis conflixit uiribus ipsum, | perque patris pater Augustus uestigia uicit (1, 909 ff.). Durch die Erwähnung von Augustus und Caesar wird aber deutlich, dass nicht nur Philippi allein, sondern (auch) Pharsalos und Philippi gemeint sind. Die poetische Tradition der Identität bzw. Verwechselbarkeit der beiden Orte scheint für die Dichtung insgesamt be­ deutender zu sein als der Umstand der Doppelschlacht des Jahres 42. 61 Arweiler (2006), 35 No. 77 mit Schrempp (1964), 53 No. 116. 62 Philippi, das durch die Schlachten von Naulochoi, Munda und Actium entsühnt wird, steht hier nicht für Phar­salos, sondern als dessen Konsequenz; aber beide Orte werden durch die andauernden Kriege exkulpiert. 63 Cf. Thomas (1988) ad georg. 2, 283; mit Negation bei Lucan. 4, 770. Livius gebraucht das Bild eines anceps Mars (Liv. 21, 1, 2).

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und vor einem Kampf kann es so scheinen, als ob der Kriegsgott noch unentschlossen umherschweife und nicht von vornherein eine Seite bevorzuge. In diesem Fall kommt es aber darauf an, die Situation wirklich richtig zu deuten. Als Hektor den Rat des Polydamas ausschlägt und erklärt, Achill nicht zu fürchten, beschließt er seine Rede mit dem Satz, dass der Gott allen gleich gesinnt sei und auch den Erschlagenden einmal erschlagen werde: ›ξυνὸς Ἐνυάλιος, καί τε κτανέοντα κατέκτα‹ (Σ 309). Im Gleichnis zu den Weinpflanzungen bezieht sich Vergil auf diese – wie sich im Fortgang der Ilias ja schließlich herausstellt: unvorsichtige – Meinung Hektors (georg. 2, 279–287):64 ut saepe ingenti bello cum longa cohortis explicuit legio et campo stetit agmen aperto,280 derectaeque acies ac late fluctuat omnis aere renidenti tellus, necdum horrida miscent proelia, sed dubius mediis Mars errat in armis. omnia sint paribus numeris dimensa uiarum, non animum modo uti pascat prospectus inanem, 285 sed quia non aliter uiris dabit omnibus aequas terra, neque in uacuum poterunt se extendere rami.

Wie oft im gewaltigen Krieg, wenn eine große Legion ihre Kohorten entfaltet und der Heerzug steht auf offenem Feld, aufgerichtet sind die Schlachtreihen, weithin wogt das Land vom glänzenden Metall: Noch nicht mischt man sich im schrecklichen Kampf, sondern Mars irrt noch unentschlossen zwischen den Waffen. Alle Abmessungen der Wege sollen die gleiche Zahl haben. Nicht damit der eitle Sinn sich an dem Anblick weiden kann, sondern weil die Erde sonst nicht allen die gleiche Kraft gibt und die Rebstöcke nicht die Äste in die freie Luft ausstrecken können.

Die Situation, die hier beschrieben wird, ist ganz friedlich. Tatsächlich, und anders als an manchen anderen Stellen der Georgica, betätigt sich der Landmann nicht wie ein gewalttätiger Soldat. Er ordnet zwar wie ein Feldherr, aber der letzte Moment der Ordnung (man könnte auch sagen, der Moment, an dem es gerade noch ein Zurück gibt), wird auf immer eingefangen, denn die Weinstöcke bewegen sich nicht. Das dramatische Kriegsgleichnis mit der Rede von den blitzenden Waffen ist, so gesehen, unangemessen; nie wird sich hier eine Schlachtreihe in Bewegung setzen.65 Weder geht von den Weinstöcken eine Bedrohung aus, noch haben die Pflanzen selbst etwas zu fürchten. Zum Krieg und, denkt man an Hektor, zur Niederlage kommt es nicht. Vergils Bild erinnert zudem an das Doppelgleichnis Lucr. 2, 317 ff., wo über kämpfende Schlachtreihen gesprochen wird, die, sofern man nur weit genug entfernt ist, sich nicht zu bewegen scheinen.66 64 Cf. Mynors (1990) ad loc.; zu dem Gleichnis überdies Klingner (1963), 97–99; Betensky (1979); Schindler (2000), 158–164. 65 Auch dieser Umstand muss in die Diskussion, warum kein Feind genannt ist, cf. z. B. Betensky (1979), 116; Mynors (1990) ad loc., mit einbezogen werden: Der Blick auf den Feind ist im Verlauf des Gleichnisses nicht wichtig, weil es zu einem Zusammentreffen nicht kommt. Dass hingegen eine Armee für nichts Kampfaufstellung nimmt, ist kaum denkbar. 66 Cf. Schindler (2000), 159.

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Damit ist auch das wichtige Motiv aus dem Proöm des zweiten Buches von De Rerum Natura aufgerufen: suaue etiam belli certamina magna tueri | per campos instructa tua sine parte pericli (2, 5 f.). Der Gedanke ist hier: Das vermeintlich Großartige ist in Wahrheit vergänglich und unbedeutend, allein philosophische Einsicht ermöglicht die richtige Perspektive auf die Dinge. Der Lehrdichter der Georgica erklärt, diese Pflanzung habe nichts mit der eitlen Lust an dem sich bietenden Anblick zu tun, sondern ganz praktische, einsehbare Gründe: Es ist wichtig, dass man, wie von Lukrez geschildert, Schlachten und Schlachtenszenen richtig anzuschauen und sich zu ihnen zu positionieren weiß.67 Mit Lucans uagus Mars wird dieser Gedanke aufgegriffen und weitergeführt. In dem Moment vor der Schlacht, als Mars noch unsicher schweift, erscheint Erictho, die sich schon um das Nächste kümmert. Der Augenblick, in dem es noch ein Zurück gibt, existiert hier nicht. Stattdessen steht der Hexe (und mit ihr den Lesern) schon der Ausgang des Krieges vor Augen: die blutigen Felder, die vielen Leichen. Interessant ist Ericthos Unbeteiligtheit. Wie ein pervertierter lukrezischer Betrachter kann sie auf das Geschehen blicken,68 ohne Leidenschaft für eine Seite – sie hofft auf Leichenteile von Caesar wie von Pompeius.

4.2.2 Der Beginn der Schlacht Der Gedanke, dass alles vorherzusehen ist, auch ohne die Magie Ericthos, wird noch ein weiteres Mal ausgedrückt. Am Beginn des fatalen Tages steht eine Sonnenfinsternis (7, 1–6):69 Segnior Oceano quam lex aeterna uocabat luctificus Titan numquam magis aethera contra egit equos cursumque polo rapiente retorsit, defectusque pati uoluit raptaeque labores lucis, et attraxit nubes, non pabula flammis5 sed ne Thessalico purus luceret in orbe.

Später als ihn das ewige Gesetz aus dem Ozean emporrief, kam Titan, und niemals hat er so sehr die Pferde gegen den Äther getrieben und seinen Kurs, obwohl der Himmel ihn mit sich riss, umgewandt, um Finsternis zu leiden und die Mühen des erlöschenden Lichts. Er zog Wolken an sich heran, nicht als Nahrung für die Flammen, sondern damit er nicht rein über Thessalien leuchten musste.

67 Dass auch Lukrezens Gedicht den Bürgerkriegsteilnehmern bekannt sein dürfte, ist ebenfalls eine folgenreiche Interpretationsvoraussetzung, hierzu und mit Blick auf das Proöm von Lucr. 2 cf. Leigh (1997), 29 f. 68 Ein ähnliches Motiv erscheint bereits in Buch zwei, wenn der Alte sich an Sulla erinnert: ›intrepidus tanti sedit securus ab alto | spectator sceleris‹ (2, 207 f.). 69 Zu dieser Stelle mit Blick auf die Aeneis-Imitation, namentlich zur metrischen Identität von Aen. 1, 1 und 7, 1 mit Lucan. 1, 1 und 7, 1 cf. Lebek (1976), 216–217.

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Annemarie Ambühl hat darauf aufmerksam gemacht, dass diese Verse den Klagen in den Prologen einiger thebanischer Tragödien ähneln;70 und insofern sich im Verlauf des Buches gewissermaßen die ›pharsalische Tragödie‹ vollziehen wird, ist diese Ähnlichkeit bedeutsam. Interessant ist aber auch ein Unterschied. Während in Euripides’ Phönissen oder in Senecas Ödipus die Figuren schon genügend Anlass haben, rückblickend von einer ›Unglückssonne‹ zu sprechen,71 steht bei Lucan – so suggeriert es der hier anscheinend objektive Erzähler – das Schreckliche noch bevor, es handelt sich also bei dem eigenartigen Sonnenaufgang tatsächlich um ein Vor-Zeichen. Ob sich hiermit die Unabwendbarkeit des Schicksals zeigt72 oder vielmehr der Umstand, dass in diesem Moment der Handlung die Menschen noch in der Lage sind, das Schlimmste zu verhindern, macht keinen großen Unterschied: Die Zeichen verdeutlichen sowohl für Leser, die von ihnen lesen, als auch – in der Fiktion der Handlung – für die Figuren, die sie sehen, die Verantwortung dafür, wie sich jeder einzelne zum Bürgerkrieg stellt.73 Am Anfang des siebten Buches sind zwei gewichtige Georgica-Anklänge zu bemerken. Bei Lucans lex aeterna (7, 1) lässt sich daran denken, wie zu Beginn des ersten Buches von den erkennbaren Gesetzmäßigkeiten der Welt die Rede ist: continuo has leges aeternaque foedera certis  | imposuit natura locis (georg. 1, 60 f.); und Lucans Vers defectusque pati uoluit raptaeque labores | lucis (7, 4) erinnert in Klang und Bau an die Stelle aus dem zweiten Buch, wo ebenfalls von Naturerkenntnis gehandelt wird: defectus solis uarios lunaeque labores (georg. 2, 478).74 Diese Zeile gehört zu den feierlichsten Passagen des Lehr 70 Cf. Ambühl (2015), 77 f.; 229–239 mit Eur. Phoen. 1–6; Acc. trag. fr. 1 Dangel; Sen. Oed. 1–5. 71 Eur. Phoen. 4 ff.: ὡς δυστυχῆ Θήβαισι τῇ τόθ᾽ ἡμέρᾳ | ἀκτῖν᾽ ἐφῆκας, Κάδμος ἡνίκ᾽ ἦλθε γῆν | τήνδ᾽; Sen. Oed. 3 f.: lumenque flamma triste luctifica gerens | prospiciet auida peste solatas domos. 72 Cf. Postgate / Dilke (1960) ad 7, 1 zur stoischen εἰρμαρμένη; cf. demgegenüber z. B. CB ad loc. sowie ad 7, 4, wo gerade die Differenzen betont werden, die der Buchanfang zur stoischen Lehre aufweist. 73 Hierzu cf. auch oben, 55 ff. Der Erzähler selbst hat eine ähnliche Frage bereits gestellt, am Anfang des zweiten Buches. Dort bleibt sie unbeantwortet, aber ein Ausruf folgt: sit caeca futuri mens hominum fati, | liceat sperare timenti (2, 14 f.), womit offensichtlich an 1, 522 ff. angeknüpft ist. Hoffen zu können ist eine Lebenserleichterung im Vergleich zum Wissen um die Ausweglosigkeit. Aber selbst wenn der Lauf des Schicksals – wie auch immer – feststeht, ist die Deutung entsprechender Vorzeichen und ein daran ausgerichtetes Handeln notwendig; oder anders gesagt: Weil eigentlich notwendiges Handeln unterblieben ist, steht das Schicksal nun fest. Cf. Wiener (2012) zur Vereinbarkeit von Determination und moralischer Verantwortung vor dem Hintergrund stoischer Theorie. Santan­gelo (2015), 187 zum Walten der Götter betreffs der Zeichen: »the involvement of the gods in the poem, however, is chiefly an opportunity to test the limits of human knowledge – that of the characters as much as that of the nar­ra­tor.« 74 Cf. Haskins (1887) ad 7, 1; Heitland (1887), cxxi; hinter 2, 478 steht Lucr. 4, 751: solis item quoque defectus lunaeque latebras.

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gedichts. Lucan legt bei der Aufnahme der vergilischen Formulierung Wert darauf, seinen Gedanken über das Ende des Verses hinauszudehnen, als zeige sich die gestörte Harmonie des Weltenlaufs bis hinein in die Struktur des Hexameters. Bei Vergil geht es um Zweck und Vermögen seines Gedichts: sin has ne possim naturae accedere partis […].75 Der Georgica-Dichter stellt der philosophischen, beschreibenden Untersuchung der Natur die – er sagt: nicht ehrenvolle – dichterische Liebe zur Natur entgegen, namentlich das friedliche Leben auf dem Lande.76 Die geäußerte Bescheidenheit bedeutet dabei nicht, dass der Dichter nichts darüber zu sagen hätte, was in der Welt zu erkennen ist und erkannt werden muss, aber sie zeigt an, dass es hier um eine neue Identität und Intention von Dichtung geht. Und dazu gehört der besondere sittlich-religiöse Anspruch, das fortunatus et ille deos qui nouit agrestis. Die Georgica sind nur scheinbar geringer als die philosophische Lehrdichtung, in Wahrheit ist mit dem Wissen um die ländlichen Götter ein anspruchsvolleres Ziel gesetzt. Vor diesem Hintergrund wird erst recht deutlich, worum es bei dem zum Ende des ersten Georgica-Buches angeratenen Studium der Himmelskörper geht: nämlich nicht um bloßen Erkenntnisgewinn, durch den man mehr Nutzen und weniger Schaden hat, sondern um eine gelingende Lebensführung innerhalb der eigenen Umwelt. Das Naturstudium ist hier nur ein Teil oder ein Symbol. In den Versen über die Zeichen, die den Bürgerkrieg nach Caesars Tod ankündigten (georg. 1, 464 ff.), ist gleichermaßen von dem erbarmenden wie mahnenden Wirken der Sonne gesprochen;77 die zahlreichen erschreckenden Vorkommnisse, von denen der Dichter berichtet, führen in der Struktur des Finales zum Verschmelzen von Vergangenheit, Zukunft und Gegenwart einerseits: nec fuit indignum […] ueniet tempus  […] saeuit Mars und andererseits zu dem Gebet des Erzählers an die Götter, den Princeps zu unterstützen und so dem Verhängnis ein Ende zu bereiten. In diesem Zusammenhang hat man zu sehen, wie Lucans Figuren mit den Zeichen umgehen, die ihnen begegnen – entgegen der Überlieferung in Lucans Darstellung nicht nach, sondern vor der Schlacht.78

75 Cf. auch oben 135 f. 76 Hierzu cf. Klingner (1963), 125–135; Buchheit (1972), 55–92; Thomas (1988) ad georg. 2, 475–94; Perkell (1989), 64–67; 165 f.; Schäfer (1996), passim; Gale (2000), 41–43; 245–252; Erren (2003) ad loc.; Nappa (2005), 104–108. Die Bedeutung der lukrezischen Lehrdichtung namentlich im Vers felix qui potuit … wurde v. a. von Thomas zu­rückhaltender eingeschätzt als in der Forschung zumeist üblich. In diese Diskussion muss hier nicht eingegriffen werden; mit Blick auf Lucan wäre eine gesonderte Betrachtung der Lukrez-Rezeption notwendig. 77 Cf. georg. 1, 466 f.: ille etiam extincto miseratus Caesare Romam | cum caput obscura nitidum ferrugine texit. 78 Cf. Radicke (2004), 383.

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Es beginnt damit, dass Pompeius einen trügerischen Traum hat: [sc. nox] sollicitos uana decepit imagine somnos (7, 8). Er ist in Rom, in seinem Theater, Senat und Volk jubeln ihm zu, wie zu den Zeiten, als er Triumphe feierte. Es bleibt unklar, was Pompeius damit anfängt.79 Stattdessen wird erzählt, wie er endlich, von Cicero gedrängt, seine Soldaten auf den Kampf einschwört. Er seufzt und spricht: ›nil ultra fata morabor: | inuoluat populos una fortuna ruina | sitque hominum magnae lux ista nouissima parti  …‹ (7, 88 ff.). Das Gleichnis, das auf die Rede folgt, handelt von einem hilflosen Steuermann, der das Boot ganz dem Wind überlässt (124 ff.).80 Die Soldaten sind bleich, fürchten um Rom und Pompeius und treffen Kampfesvorbereitungen. Da erscheinen ihnen zahlreiche Wunder. Abgesehen davon, dass die Feldzeichen von Bienenschwärmen beschwert sind, Tränen vergießen und sich kaum aus dem Boden herausreißen lassen,81 sehen die Legionäre Flammen aufwallen (155) und hören Kriegsgebrüll aus der Dunkelheit des Landes hervortönen (175). Blut fließt vom Berg Ossa herab (176), Gespenster fliegen herum (179). Auch wenn zu Lucans Zeit einiges Material über die unheimlichen Vorkommnisse vor der Schlacht vorgelegen haben mag und auch wenn solche Wunder zur literarischen Topik gehören, lohnt es hier zu bemerken, dass ganz ähnliche Zeichen im Finale des ersten GeorgicaBuches den Bürgerkrieg nach Caesars Tod ankündigen: [sc. sol] etiam caecos instare tumultus | saepe monet fraudemque et operta tumescere bella (georg. 1, 464 f.) Sonnenfinsternis (466 ff.), unheimliches Kriegsgeräusch (474), Gespenster (477 f.), weinende Statuen (480), Blut, das plötzlich aus Brunnen fließt (485). Die Zeichen ereignen sich hier mit geradezu altvertrauter Unalltäglichkeit. Aber nicht nur den Lesern kann so etwas bekannt vorkommen, auch den Soldaten selbst. Abgesehen davon, dass schon in Italien, kurz nach Beginn des Krieges, ähnliche Wunder erschienen sind (1, 522 ff., für die Leser ebenfalls mit Bezug zu

79 Zu diesem Traum und seiner Bedeutung für das Werkganze cf. Walde (2001), 399–416; Earnshaw (2013) mit Blick auf das philosophisch Indefinite der Traumdeutung ›aut nihil est sensus animis a morte relictum | aut mors ipsa nihil‹ und deren narratives Potential. 80 Dies ist das letzte Mal, dass ein Gleichnis die Wirkung einer Feldherrenrede des Pompeius beschreibt; obwohl diese Rede nicht die letzte ist, die er an seine Soldaten hält, wirkt sie doch, gemäß der Formel ›speech-action-simile‹, wie Pompeius’ letztes Wort, cf. Tucker (1969). 81 Das Bienenwunder ist, wenn auch etwas anders, oft bezeugt, bes. Val. Max., 1, 6, 12; cf. Postgate / Dilke (1960) ad loc. – Housman (21927), xxiif. hat den Vers 161 nec non innumero cooperta examine signa athetiert (vor allem wegen signa in 164), Fraenkel (1926/1964), 302 f. hat sich dagegen gewandt und dies später auch nochmals in einem Brief an Rudolf Kassel bestätigt, cf. Radicke (2004), 385 No. 40. Der Vers wird heute zumeist als echt angesehen, Radicke und Shackleton Bailey zweifeln. Bradley (1969), 176–178 schlägt vor, 163 zu emendieren, weil er weinende Feldzeichen für zu kühn hält: signiferi mersere caput nutantia fato.  – Fratantuono (2015), 58–61 sieht eine Bezie­hung zu dem Bienenwunder in Aen. 7, 64 ff.

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den Georgica82), ist hier eine Stelle aus der Odyssee maßgebend, die Warnung des Theoklymenos (υ 351–357):83 ›ἆ δειλοί, τί κακὸν τόδε πάσχετε; νυκτὶ μὲν ὑμέων εἰλύαται κεφαλαί τε πρόσωπά τε νέρθε τε γοῦνα. οἰμωγὴ δὲ δέδηε, δεδάκρυνται δὲ παρειαί, αἵματι δ᾽ ἐρράδαται τοῖχοι καλαί τε μεσόδμαι· εἰδώλων δὲ πλέον πρόθυρον, πλείη δὲ καὶ αὐλή,355 ἱεμένων Ἔρεβόσδε ὑπὸ ζόφον· ἠέλιος δὲ οὐρανοῦ ἐξαπόλωλε, κακὴ δ᾽ ἐπιδέδρομεν ἀχλύς.‹

›Ach, ihr Feiglinge, was für ein Übel leidet ihr? Mit Dunkelheit sind eure Köpfe überzogen, euer Antlitz, bis zu den Knien hinab: Klagen schwillt auf, Tränen fließen über eure Wangen, mit Blut sind die Wände bespritzt und das schöne Gebälk. Der Torweg ist voll von Gespenstern, voll auch der Saal, hinab zum dunklen Erebos gehen sie. Die Sonne aber ist vom Himmel verschwunden, übles Dunkel ist aufgezogen.‹

Die schmausenden Freier reagieren, von Athene mit Verblendung geschlagen, nur mit Gelächter. Aber die Prophezeiung erfüllt sich;84 am Anfang des ω wird vom Weg ihrer Seelen hinab in den Hades erzählt. Wenn man in der Unnachgiebigkeit der Freier eine Ursache für den letztlich nur durch göttliche Hilfe zu verhindernden ›Bürgerkrieg‹ auf Ithaka (ω 430 ff.) sehen will, so ergibt sich ein reizvoller Kontext für Lucans pompeianische Soldaten, welche die Zeichen missdeutend ihrem Untergang entgegen gehen.85 Es scheint beinahe, als missdeuteten sie mit Absicht (7, 180–184):86 82 Cf. oben 55 ff. Eine etwas anders geartete Beziehung zu den Georgica besteht zudem in der Beschrei­bung des vom Altar flüchtenden Stieres: taurus et Emathios praeceps se iecit in agros (7, 167). Der Versbau ähnelt der Beschreibung des rückwärts aufgehenden Stiers bei Manil. 5, 140: Taurus, in aduersos praeceps cum tollitur artus; dieser Vers hat seinerseits eine gewisse Ähnlichkeit mit Verg. georg. 1, 218: Taurus et aduerso cedens Canis occidit astro. Während Manilius und Vergil über die günstige Bedeutung des Sternbildes reden, hat Lucan – wieder einmal mit der Mehrdeutigkeit von taurus spielend – den Sinn umgekehrt, cf. dazu auch Schwemmler (1916), 13; Hübner (2010) ad loc. 83 Cf. Haskins (1887) ad 7, 177; Gagliardi (1975) ad loc. Ob es sich bei dem im Gleichnis Dargestellten um eine Sonnenfinsternis handelt, scheint, wie aus den Scholien zur Stelle hervorgeht, bereits Gegenstand antiker Diskus­sionen gewesen zu sein. 84 Zu diesem Abschnitt und seiner Stellung in den homerischen Epen sowie zu ähnlichen Prophezeiungen in der griechischen Literatur cf. Rutherford (1992) ad 20, 345–86. 85 Für die Leser dürfte hierbei entscheidend sein, dass der Chor in Senecas Thyest offensichtlich Schwierigkeiten mit der Deutung der – vom Boten allerdings eindeutig beschriebenen – Sonnenfinsternis hat (Sen. Thy. 789 ff.), cf. Allendorf (2013), 134–139. Wenn es einen zeitgenössischen Diskurs um die Rolle des Chores als Zuschauer einer­seits und Empfänger des Botenberichts andererseits gegeben hat, ist die Frage, wie die Beteiligten die Himmels­ zeichen deuten, erst recht naheliegend. 86 Hierzu cf. 7, 61: in Pompeianis uotum est Pharsalia castris. Shackleton Bailey (1988) und Luck (2009) übernehmen für 7, 180, im Gegensatz zu Housman, die auf Christoph Schrader zurückzuführende Konjektur dementibus in ihren Text. Hunt (1998), 500 hat sich dazu zustimmend ge­äußert: »sed is hardly expected«, cf. aber bereits Postgate / Dilke (1960) ad loc. Wenn man hier überdies an υ 358 denkt, οἱ δ’ ἄρα πάντες ἐπ’ αὐτῷ ἡδὺ γέλασσαν, kann man das Unerwartete zwar vielleicht nicht der Sache nach, aber philologisch

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[…] sed mentibus unum hoc solamen erat, quod uoti turba nefandi conscia, quae patrum iugulos, quae pectora fratrum sperabat, gaudet monstris, mentisque tumultum atque omen scelerum subitos putat esse furores.

Doch ihren Gemütern war dies nur ein einziger Trost. Denn die Menge, die nun, ihres verbrecherischen Eides eingedenk, auf die Kehlen der Väter, auf die Leiber der Brüder hoffte, freute sich über diese schrecklichen Dinge, hielt sie für Wahn und für ein gutes Vorzeichen für die Raserei, in die sie sich stürzte.

Ein weiterer Verweis auf Homer bekräftigt das Problem der Vorzeichendeutung. Der Erzähler berichtet von der Sage, dass ein Augur im weit entfernten Italien erkannt habe, was in Pharsalos geschieht (oder was eben nicht geschieht). Lucan lässt den Seher dies mit den Worten kommentieren: ›uenit summa dies‹ (7, 195). Hektors ›ἔσσεται ἦμαρ ὅτ’ ἄν ποτ’ ὀλώλῃ Ἴλιος ἱρὴ‹ (Ζ 448) klingt hier an; vermittelt durch Vergils berühmte Anspielung darauf, Aen. 2, 324: ›uenit summa dies et ineluctabile tempus‹.87 Interessant ist, wie Lucan Vergils auffälligen Tempuswechsel von ἔσσεται zu uenit aufnimmt: Aus der Vorahnung ist eine Feststellung geworden; zu entscheiden und zu verhindern gibt es nichts mehr.88 Man hätte aber gewarnt sein können. Das soll für die Leser deutlich werden.89 Manilius, dessen erstes Buch wie das erste Georgica-Buch mit einem Kaiserlob beginnt und mit einem Blick auf den Bürgerkrieg endet, hat mit besonderer Präzision die Pflicht zur sorgfältigen Deutung der Himmelszeichen beschrieben und damit Vergils rückblickende Kritik an der mangelnden Aufmerksamkeit der Bürger unterstützt: ne mirere grauis rerumque hominumque ruinas, | saepe domi culpa est: nescimus credere caelo.  | ciuilis etiam motus cognataque bella  | significant (Manil. 1, 904 ff.). Nachdem auch Caesar seine Soldaten auf den Kampf eingeschworen hat und diese sich entschlossen in Bewegung setzen, hält Pompeius noch einmal eine verstehen. Lucan lässt die Soldaten denselben unverständlichen Fehler wie die Freier machen. Lucans turba quae patrum iugulos, quae pectora fratrum | sperabat passt auch zum homerischen οἱ δ’ ἤδη γναθμοῖσι γελώων ἀλλοτρίοισιν, | αἱμοφόρυκτα δὲ δὴ κρέα ἤσθιον (υ 347 f.). 87 Cf. Lausberg (1985), 1587; zur leitmotivischen Bedeutung dieses dies cf. Joseph (2017). 88 Im Sinne des metapoetischen Realismus könnte der römische Augur abgesehen von Hektor wohl auch an Scipio denken, der Z 448 vor Karthago zitiert haben soll. Was damals eine Befürchtung war, freilich eine mahnende (φασὶν οὐ φυλαξάμενον ὀνομάσαι τὴν πατρίδα σαφῶς, ὑπὲρ ἧς ἄρα ἐς τἀνθρώπεια ἀφορῶν ἐδεδίει, Polyb. 38, 22), hat sich nun bewahrheitet, cf. oben 14. Bemerkenswert ist auch die anschließende Feststellung des Erzählers, dass nur wenige Menschen die Lage hätten richtig einschätzen können: 7, 201 ff. 89 Narducci (2002), 59 bemerkt zu der Anspielung auf die Wunderzeichen in den Georgica: »È chiara la valenza polemica di questa trasformazione: sono le empie lotte tra cittadini, e non l’eliminazione di un tiranno, a determi­nare lo sconvolgimento dell’ordine naturale […] Siamo in presenza di una delle diverse strategie che Lucano mette in atto al fine di svuotare gli aspetti carismatici di cui era stata caricata la figura di Cesare, e che avevano portato alla divinizzazione e al catasterismo del defunto dittatore.« Aber gegen wen richtet sich die Polemik? Auch bei Vergil geht es vor allem um den Bürgerkrieg, der auf die Ermordung Caesars folgt.

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Rede, trotzig-zuversichtlich und kaum glaubwürdig: ›quisquis patriam carosque penates, | qui subolem ac thalamos desertaque pignora quaerit, | ense petat: medio posuit deus omnia campo‹ (346 ff.). Pompeius scheint auf die Ausstellung des Siegespreises im Epos anspielen zu wollen; ein locus classicus ist Hom. Ψ 704: γυναῖκ᾽ ἐς μέσσον ἔθηκε. Dass es dabei im Allgemeinen um ein Spiel geht und nicht um Krieg, ignoriert Pompeius.90 Unbewusst scheint ihm auch die Doppeldeutigkeit der Wendung ense petat zu unterlaufen: Es ist das Verhängnis des Bürgerkriegs, dass man, um die einen Verwandten zu verteidigen, die anderen verletzen muss. Am Schluss sagt er, darin ehrlich, was er fürchtet: ›ne discam seruire senex‹ (382). Damit sind wohl die Ängste aller ausgesprochen, gleichzeitig ist aber wieder offenbar, wie unzeitgemäß er denkt. Pompeius ist der Mann des Vergangenen. Nach dieser Rede beginnt unmittelbar die Schlacht. Die 75 Verse dauernde Einleitung, die der Erzähler hierfür gibt, gehört sowohl inhaltlich als formal zu den schwierigsten Passagen des ganzen Gedichts. Dies ist der Anfang (7, 385–408): ergo utrimque pari procurrunt agmina motu385 irarum; metus hos regni, spes excitat illos. hae facient dextrae quidquid – non expleat aetas ulla nec humanum reparet genus omnibus annis ut uacet a ferro. gentes Mars iste futuras obruet et populos aeui uenientis in orbem390 erepto natale feret. tunc omne Latinum fabula nomen erit; Gabios Veiosque Coramque puluere uix tectae poterunt monstrare ruinae Albanosque lares Laurentinosque penates, rus uacuum, quod non habitet nisi nocte coacta395 inuitus questusque Numam iussisse senator. non aetas haec carpsit edax monimentaque rerum putria destituit: crimen ciuile uidemus tot uacuas urbes. generis quo turba redacta est humani! toto populi qui nascimur orbe400 nec muros inplere uiris nec possumus agros:

Also stürmen die Schlachtreihen in gleicher Zornesbewegung voran. Die Furcht vor der Tyrannei treibt die einen, die Hoffnung darauf treibt die anderen. Diese Hände werden tun – was auch immer: Kein Zeitalter könnte das ausgleichen, das Menschengeschlecht könnte es in noch so vielen Jahren nicht wiedererlangen. Ach, frei sein von Eisen! Dieser Krieg wird zukünftige Geschlechter niederstürzen und die Völker neu in die Welt kommender Zeiten, noch ehe sie geboren werden, mit sich fortnehmen. Dann wird das Latinervolk nur noch Legende sein und staubbedeckte Ruinen werden kaum Gabii, Veji und Cora zeigen können, die albanischen Laren und die laurentinischen Penaten. Leer wird das Land sein; niemand wird dort verweilen als, unwillig, der Senator, der darüber klagt, dass Numa es so be­ fohlen hat. Nicht der Zahn der Zeit hat dies zerstört und morsche Denkmäler der

90 Turnus macht einen ähnlichen Fehler, CB und ASL verweisen auf Aen. 12, 80: ›illo quaeratur coniunx Lauinia campo.‹ Zum Motiv der (Leichen-)Spiele cf. Haskins (1887) ad loc.; Pοstgate / Dilke (1960) ad loc.; cf. überdies Erbig (1931), 11 mit Plut. praec. reip. ger. 6 zur zeitgenössischen Kritik am »langweiligen Einerlei« theatralischer Reden. Im Fall von Ψ 704 ist überdies zu beachten, dass die Sklavin als Preis für den Unterliegenden ausgewählt ist. Zu Pom­peius’ unbesonnener Rede cf. auch oben 32.

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urbs nos una capit. uincto fossore coluntur Hesperiae segetes, stat tectis putris auitis in nullos ruitura domus, nulloque frequentem ciue suo Romam sed mundi faece repletam405 cladis eo dedimus, ne tanto in corpore bellum iam possit ciuile geri. Pharsalia tanti causa mali.

Dinge hinterlassen. Das Verbrechen von Bürgern sehen wir: so viele leere Städte. Wohin hat man die Menge des Menschengeschlechts geführt? Die Völker, die auf der ganzen Erde geboren werden, vermögen nicht, diese Mauern mit Männern zu füllen. Und nicht die Äcker: Eine Stadt fasst uns alle. Von einem gefesselten Arbeiter werden die Saaten Hesperiens gepflegt; das Haus mit seinem alten Dach steht morsch, auf niemanden wird es niederstürzen. Rom, das nicht von seinen eigenen Bürgern bevölkert ist, sondern voll vom Abschaum der Welt, haben wir eine solche Niederlage beigebracht, dass in seinem so gewaltigen Körper kein Krieg der Bürger mehr geführt werden kann. Pharsalia ist der Grund des ganzen Übels.

Dass die eigentlichen Gefechte kaum begonnen haben (Crastinus hat noch nicht einmal die Lanze geworfen), fällt hier kaum ins Gewicht; es scheint, als sei alles schon vorbei. Der Erzähler fährt fort mit der Erklärung, die Freiheit habe Rom für immer verlassen (427 ff.), und mit der Feststellung, die Götter kümmerten sich nicht um die Menschen (446 ff.).91 Wieder sind hier die Kriegsfolgen dargestellt, und wieder sind das Finale des ersten Georgica-Buches sowie die in Lucans Proöm geschilderte Verwüstung Italiens (at nunc semirutis pendet …, 1, 24 ff.) die Bezugstexte. Die Einleitung ergo utrimque pari procurrunt greift unmissverständlich Vergils ergo inter sese paribus concurrere telis | Romanas acies iterum uidere Philippi (georg. 1, 489 f.) auf; haec facient dextrae erinnert an in sua uictrici conuersum uiscera dextra (Lucan. 1, 3) und an die ciuilis uulnera dextrae (1, 32).92 Alles verfällt, die Landwirtschaft degeneriert, weil nicht mehr genug freie Römer da sein werden, sie zu betreiben. Was Pompeius für den Fall des Sieges in Aussicht gestellt hat, ist schon verloren, noch ehe das erste Blut vergossen ist. Die auktoriale Anklage crimen ciuile uidemus (7, 398) ist deutlich und stimmt zum Tenor des Werkes. Die Formulierung eines Gedankens, der bedeutend zu sein scheint, ist – möglicherweise wegen des schlechten Textzustandes93  – besonders verwirrend: ut 91 Zu der Passage insgesamt und zur Problematisierung einer schlicht optimistischen Deutung augusteischer Dich­tung cf. Leigh (1997), 82–99. 92 Cf. überdies Aen. 12, 503 f: tantone placuit concurrere motu, | Iuppiter, aeterna gentes in pace futuras. 93 Die Textgestalt von 387 ff. ist recht problematisch, vielleicht verderbt, cf. Bradley (1969), 179–182. Die Überset­zung, die hier gegeben ist, versucht die Wirkung des Textes, wie er dasteht, nachzuahmen. quidquid allein kann kaum zu expleat gezogen werden, man müsste sich

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uacet a ferro (389). Die ›Freiheit vom Eisen‹ wird überwiegend als Frieden gedeutet, wobei man in Kauf nimmt, dass dann der von facient begründeten Erwartung eines Folge- oder Finalsatzes zum Trotz ein konzessiver Gedanke folgen muss.94 Dies ist zwar reizvoll, vor allem, wenn man an das so oft versprochene neue Goldene Zeitalter denkt: Selbst im ewigen Frieden, sei er von Augustus angekündigt oder von Nero, werden diese Wunden nicht zu schließen sein. Es besteht aber, zumal angesichts des (nur noch?) assoziativen Charakters des vorliegenden Textes, kein Grund, die Wirkung des ut nicht in der Schwebe zu lassen: ›und das Menschengeschlecht wird es nicht noch einmal erlangen können: dass es frei sein wird von Eisen‹, oder nach einem Vorschlag von Ludwig Koenen: ›und das Menschengeschlecht wird es nicht wiedergutmachen können: so dass es nun frei ist von Eisen.‹95 Im ersten Fall ist es wahrer Frieden, der verfehlt wird (den erlangen mit ihren rechten Händen einzig die Sterbenden, ihnen nützt er nichts). Im zweiten Fall ist es ein erneuter Bürgerkrieg, der zur Befreiung von der Tyrannei führen könnte96 (denn die Zahl der Toten ist so groß, dass die Hinterbliebenen vom Eisen nicht mehr erfolgreich werden Gebrauch machen können). Der wichtigste Effekt des geradezu chaotischen Satzes ist wahrscheinlich die provokative Feststellung nec reparet humanum genus. Hierin ist insbesondere angedeutet, dass alles Reden über zukünftigen Krieg und Frieden sinnlos erscheint – gerade das ist ja nun kaum glaubhaft, wenn hierüber ein Epos geschrieben wird. Genau besehen laufen die beiden Fragen, ob es wirklich kein revolutionäres Heldentum mehr geben wird, das sich gegen Caesar zur Wehr setzt, und ob andererseits wirklich eine affirmative Bürgerkriegsapologie existieren kann, so etwas denken wie quidquid facient; vielleicht gibt aber die Position von quidquid zwischen den Zäsuren so etwas her. Für nachgestelltes quidquid cf. z. B. Tib. 1, 4, 24; Ps.-Tib. 3, 8 [= 4, 2], 17. Housmans selten akzeptierte, von Hoffman / Schliebitz / Stocker (2011) aber kürzlich aufgegriffene Konjektur quidquid nona explicat aetas löst das Problem, erzwingt jedoch die Aufgabe des Verses 388, wozu kein Anlass besteht: »These hands will bring it to pass that, whatever the ninth century unfolds, it shall be free from warfare«, cf. Duff (1928), 399: Lucans Lebenszeit entspricht der neunten Generation ab urbe condita Der Vorschlag von Axelson (1959), 35: quae damna haud expleat aetas stellt immerhin einen leicht lesbaren Text her, kann letztlich aber nicht erklären, wie quidquid in den Text gekommen ist. Bradley zieht es schließlich zu irarum, was jedoch durchaus umständlich ist.  – Shackleton Baileys Cruces bei uenientis in orbem (390), beruhen auf der Überlegung, dass die Vorstellung, eine Epoche kom­me in die Welt, kaum sinnvoll sei und dass, selbst wenn dies gemeint sei, in orbem überflüssig wäre, cf. Shackleton Bailey (1987), 85 f. Der Versfluss scheint aber genau diese Vorstellung nahezulegen. 94 Cf. ASL; SASL ad loc. 95 Housman hat es so verstanden, freilich mit seiner Konjektur. Koenen (1964) plädiert für Doppeldeutigkeit, ver­wendet aber ebenfalls eine Konjektur (in Anlehnung an Axelson): facient, quod damnum haud expleat aetas. Ebe­ner (1978), 149 bleibt demgegenüber etwas näher am überlieferten Text: »Diese Fäuste sollten erreichen, was keine Epoche | jemals vermag und in Ewigkeit Menschen nicht wieder gewinnen: | Freiheit vom Kriege.« 96 Cf. 7, 646: si dominum, Fortuna, dabas, et bella dedisses.

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die von notwendigem Tod und Kampf und wahrhaftiger dereinstiger Belohnung sprechen könnte, auf etwas ganz Ähnliches hinaus:97 In jedem Fall sind die Leser aufgefordert, sich zu positionieren. Dieses facient ist panegyrisch äußerst ungünstig, indem es wieder einmal die Schuldfrage stellt. Die kurz darauf folgende Bemerkung Pharsalia tanti | causa mali (407 f.) kann als Antwort dienen, wenn man bedenkt, dass im Gegensatz zu allen anderen Unglücksorten römischer Geschichte hier von Anfang an nie ein Triumph möglich war. Wenige Verse später jedoch, wenn der Erzähler über die Untätigkeit der Götter spricht, scheinen Verantwortung und Strafe keine Bedeutung mehr zu haben: Der Krieg scheint berechtigt, weil er wirklich ist, die Götter scheinen unwirklich, weil sie die Welt nicht ins Recht setzen, und der Erzähler ist unzufrieden.98 Wenn sich die Leser wegen der Anspielung auf das Finale des ersten GeorgicaBuches auf eine Auseinandersetzung mit dem Sühnegedanken eingestellt haben, so scheint diese Erwartung enttäuscht zu werden. Aber gerade diese Erwartung eröffnet weitere Wege zum Verständnis der Stelle; und zwar insofern Vergils nec fuit indignum superis […] sowohl das Anerkennen der Schuld der Römer zu umfassen scheint als auch, wie Oliver Lyne bemerkt hat, klagen des Unverständnis.99 Tatsächlich ist auch Lucans Passage nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick wirkt; vor allem ist ihr interessantester Teil kaum übersetzbar. Oft wird das sunt nobis nulla profecto | numina (445 f.) als eine flammende, nachgerade atheistische Anklage an die Götter bzw. den Glauben an die Götter gelesen.100 Hinter dem Text liegt der Theodizeediskurs, der sich auch anlässlich des Bäumefällens in Massilia andeutete. Allerdings liefert der lucanische Erzähler, der sich nur selten konsistent äußern will, kein eindeutiges Raisonnement hierzu. Was an seinem Kommentar wichtig ist, ist die (scheinbar) unmittelbare Betroffenheit und ein durchaus agitativer Anspruch.101 Nach Ansicht der meis 97 Hierzu cf. z. B. Leigh (1997), 25, 88 f.; Roche (2005), 64 mit Blick auf die teleologische Dimension der ἐκπύρωσις-Problematik. 98 Cf. Fantham (2003), 248: »In declaring the gods’ partisanship for Caesar and the­ Caesars the poet never brings this defeat of liberty together with a clear acknowledgement of Roman guilt: he thus continues angry with gods whose anger against Rome he seems neither to understand nor to forgive.« 99 Cf. Lyne (1974/1999), 173: »So perhaps the gods are right to inflict, or allow, such tragic suffering. Yet the emotional strength of the language […] expressing the suffering defies such unquestioning acceptance. nec fuit indignum superis  … easily gathers to it  a tone of bitter incomprehension. In short the statement is ambivalent.« 100 Das hat die Stelle berühmt gemacht, cf. Jal (1962), 182–188; Due (1970), 213 f.; Ahl (1976), 280 f.; Lebek (1976), 271–273; Johnson (1987), 89 f.; Hutchinson (1993), 253 f.; Bartsch (1997), 111; Feeney (²1993), 281–285; Narducci (2002), 54–66; Fantham (2003/2011); Sklenář (2003), 8 f.; Nickau (2003); Baier (2010); Bernstein (2011); Fratantuono (2012), 288 f.; Day (2013), 168 f.; Chaudhuri (2014), 173–176; siehe auch oben 58 f. 101 Cf. Leigh (1997), 86.

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ten Interpreten besagen die Verse 454–459, dass die Götter, weil sie untätig sind und Caesar nicht erschlagen, mit der späteren Vergöttlichung der Kaiser büßen müssen. So verstehen bereits die Scholiasten die Stelle.102 In seiner Übertriebenheit ist der Gedanke auch reizvoll: Indem die Götter von einem ›enttäuschten‹ Autor herabgewürdigt und mit toten Menschen verglichen werden, muss die Herrscherapotheose unmittelbar fragwürdig wirken. Für die politische Dimension des Gedichts wäre das bedeutsam. Aber so einfach ist es nicht. Warum sollten die Götter für ein crimen ciuile (398) büßen – gleichviel ob es die Menschen hätten verhindern können oder ob es sich nach dem Willen des Schicksals bzw. nach ihrem eigenen Willen vollzogen hat?103 Soll die Buße nur darin bestehen, dass die Menschen den Göttern Vorwürfe machen, wie Mütter, die ihre Kinder betrauern: et nullis defuit aris | inuidiam factura parens (2, 35 f.)? Und was hätten die Römer davon – sowohl auf der Handlungsebene als auch außerhalb –, wenn ihnen die Götter gerade dadurch Buße tun, dass die Kaiserherrschaft eine Apotheose nach der anderen erzwingt, für die doch göttliche Allmacht und Gerechtigkeit wenigstens zu Vergleichszwecken als Fiktion aufrecht erhalten werden müssen?104 Der Text der Passage ist zudem kompliziert (7, 444–459): ex populis qui regna ferunt sors ultima nostra est, quos seruire pudet. sunt nobis nulla profecto445 numina: cum caeco rapiantur saecula casu, mentimur regnare Iouem[,] spectabit ab alto aethere Thessalicas, teneat cum fulmina, caedes? scilicet ipse petet Pholoen, petet ignibus Oeten inmeritaeque nemus Rhodopes pinusque Mimantis, Cassius hoc potius feriet caput [?] – astra Thyestae intulit et subitis damnauit noctibus Argos: 452 tot †similis† fratrum gladios patrumque gerenti Thessaliae dabit ille diem [?] mortalia nulli sunt curata deo. cladis tamen huius habemus455 uindictam, quantam terris dare numina fas est: bella pares superis facient ciuilia diuos,

Von allen Völkern, die Königsherrschaft erdulden, ist unser Los das schlimmste, denn für uns ist es eine Schande, Sklaven zu sein. Wahrhaftig, für uns gibt es keine Götter: Wenn in blindem Zufall die Zeitalter fortgerissen werden, lügen wir uns dann vor, dass Jupiter herrsche? Wird er vom hohen Aether, wenn er denn Blitze hält, auf das Morden in Thessalien herabschauen? Ja, er wird Pholoe heimsuchen, mit Feuer heimsuchen wird er den Oeta, den Hain des unschuldigen Rhodope-Gebirges und die Pinien des

102 Cf. ASL ad loc.; überdies beispielsweise die Übersetzungen von Duff (1928) und Luck (1985). 103 Schwer verständlich ist überdies, dass der Erzähler die Götter, deren Gerechtigkeit er gerade geschmäht haben soll, nur wenig später darum bittet, Crastinus zu bestrafen: di tibi non mortem, quae cunctis poena paratur, | sed sensum post fata tuae dent, Crastine morti (7, 470 f.). – Die Götter sind wenigstens als Autorität für Apostrophen notwendig. 104 Maximus zitiert in einem Brief an Augustin den Vers inque deum templis iurabit Roma per umbras (7, 459), um die mangelnde Verehrung der Götter als menschliches Fehlverhalten anzuprangern: ita ut praesagium uatis illius indigne ferentis emineat (Aug. ep. 16, 2), cf. ­MacCormack (1998), 176. Leider geht aus dem Zusammenhang nicht hervor, wem nach Ansicht des Schreibers der Zorn des uates gilt. Aber es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass zur Beschreibung des kritisierten Zustands gerade ein Dichter angeführt werden sollte, von dem der Autor an­nimmt, er befürworte die Missachtung der Götter.

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fulminibus manes radiisque ornabit et astris inque deum templis iurabit Roma per umbras.

Mimas, aber Cassius soll lieber dieses Haupt verletzen [?] – Dem Thyest schickte er die Sterne und verdammte Argos zu sofortiger Nacht. Thessalien, das so viele †ähnliche† Schwerter von Brüdern und Vätern zusammenbrachte, wird er den Tag geben [?]. Ein Gott kümmert sich nicht um menschliche Sorgen. Für dieses Verderben aber …

Bemerkenswert ist der Gewittertopos (449 ff.): Jupiter übt an Eichen sich und Bergeshöhen.105 Diese Motivik ist insbesondere auch im sidera-serua-Thema der Georgica verwendet:106 ipse pater media nimborum in nocte corusca  | fulmina molitur dextra […] mortalia corda | per gentis humilis strauit pauor; ille flagranti | aut Atho aut Rhodopen aut alta Ceraunia telo | deicit; […] hoc metuens caeli mensis et sidera serua (1, 328 ff.). Die Macht Jupiters zeigt sich vor allem in der unschuldigen Natur; die Menschen werden, ob verdient oder nicht, zu Opfern. Die Georgica-Stelle lädt zum Rückblick auf die lukrezische Religionskritik ein und stellt ihr das unmittelbare, kaum abzuwendende Erleben menschlicher Furcht entgegen: Um letztlich Ernte einzufahren und gut zu leben, ist es mit der ›Beseitigung‹ der Götter und der Religion nicht getan, auch wenn Gebete womöglich nichts unmittelbar gegen ein Unwetter ausrichten und auch wenn die Frage, warum die Götter so und nicht anders handeln, zuweilen unbeantwortet bleibt. Vergil versucht nicht, das Unerklärliche zu erklären, sondern benennt die Pflichten der Menschen: Hierzu gehört frommes Erkenntnisstreben ebenso wie die Bereitschaft, sich trotz aller Furcht und allen Rückschlägen anzustrengen.107 Bei Lucan ist die epikureische Götterkritik wieder etwas stärker akzentuiert, doch nur motivisch, nicht in philosophisch konsistenter Weise. Die moralischen Forderungen des vergilischen Lehrgedichts werden hier nicht zurückgenommen – es geht ja gerade darum, dass der Bürgerkrieg ein Versagen menschlichen Schamgefühls ist und dass hierfür nicht die Götter verantwortlich sind, nur weil sie nicht tun, was sich die Menschen wünschen.108 Das Problem der Menschen im Bellum Ciuile ist nicht, dass sie abergläubisch die Götter fürchten, sondern dass sie sie, wenn sie beständig gegen die pietas verstoßen, gar nicht fürchten. 105 Chaudhuri (2014), 175 No. 38 verweist bezüglich des Rhodope-Gebirges auf Ov. met. 6, 87 ff. und deutet an, dass die Leser den Frevel von Rhodope und Haemus mit demjenigen Caesars vergleichbar finden könnten. 106 Cf. oben 46 f.; 190. Zu den Vorbildern der Vergilstelle, namentlich Lucr. 6, 53 f., cf. z. B. Erren (2003) ad loc. 107 Epikureisches, Stoisches und Hesiodeisches wird hier von Vergil miteinander vereint, cf. Schäfer (1996), 48–50; Gale (2000), 68–72; Erren (2003), 187 f. 108 SASL erkennen in 7, 449 eine ironische Wirkung, lassen aber offen, in welche Richtung diese zu verstehen ist, da sie offen lassen, ob es hier um die Existenz oder um die Tätigkeit der Götter geht.

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Auch wenn es zunächst so scheint, es besteht kein besonderer theologischer Gegensatz zwischen Lucans Erzähler, der eher wirkliche als rhetorische Fragen zu haben scheint und sich einem menschlichen Verbrechen gegenüber sieht, und den Georgica, wo eine gelehrte Gottesfurcht gefordert wird. Ein Teil der Schwierigkeiten dieser Passage rührt von der Interpunktion her, genauer von den Vortragsbezeichnungen, die hier für gewöhnlich angenommen werden. Es liegt zwar nahe, dass von spectabit eine Frage abhängen könnte,109 undeutlich ist jedoch, wie viele danach folgen und ob nicht auch schon mentimur regnare Iouem interrogativ zu verstehen sein sollte.110 Grammatisch zwingend sind die Fragen nicht, und inhaltlich ist die so emotional-meditativ erscheinende Stelle keineswegs eindeutig. Gedanken werden hier nur angestoßen, nicht ex­ pliziert. Es bietet sich daher an, zu verfolgen, wie die Passage außerdem interpretiert werden kann. Wenn man bereit ist, die Fragezeichen zu überdenken, ist vor allem der dritte Satz suspekt. Man hätte sich folgenden indignierten Gedanken vorzustellen: ›Dem Thyest hat er den Himmel verdunkelt, aber über Thessalien soll dennoch die Sonne scheinen?‹ – Aber über Thessalien scheint ja kaum die Sonne; sie ging, wie es zu Beginn des Buches heißt, später auf und verhüllte sich dann mit Wolken: ne Thessalico purus luceret in orbe (7, 6).111 Dieses Zeichen 109 Cf. Lanzarone (2016) ad 447–55 mit Parallelstellen. 110 Bei der Bemerkung über Cassius ist der Text sehr unsicher. Wenn man feriat (Ω) liest, ist eine Frage weniger wahrscheinlich; auch das Tempus des zweimaligen petet (449) ist nicht klar; Mimantis und Cassius selbst sind Konjekturen, cf. SASL ad loc.; Hosius (1892) ad loc.; Bourgery / Ponchont (31962) setzen Ausrufezeichen in 448 und 451, lassen aber ein Frage­ zeichen in 454 stehen, ähnlich Francken (1897). Nach regnare Iouem wird zumeist ein Punkt gesetzt. Bei mentimur regnare Iouem handelt es sich um eine direkte Anspielung auf Hor. carm. 3, 5, 1 ff.: caelo tonantem credidimus Iouem | regnare: praesens diuus habebitur | Augustus, cf. Leigh (1997), 93 No. 33; Groß (2013), 111. Der Gegensatz zwischen dem Perfekt credidimus und dem Futur habebitur ist allerdings für Lucans Bemerkungen über die alten und neuen Götter bedeutsamer, als zumeist angenommen wird; und zwar insofern Horazens cre­didimus auch ein gewisses Nichtmehrglauben impliziert (sei es, um es zurückzuweisen oder zu bekräftigen), cf. Kießling / Heinze (71930) ad loc. Der wie auch immer zu verstehenden Gegenüberstellung von Alt und Neu im Eingang des Gedichts ist mit dem Verhältnis zwischen Thema (Regulus) und Anlass (Crassus bzw. Augustus) ein anderes Zeitverhältnis gegenübergestellt. Man könnte, wenn man zwischen Kaiser und Gott eine Opposition kon­ struieren will, H ­ orazens Vergleich so deuten bzw. instrumentalisieren, dass hier der Kaiser viel mächtiger er­scheine und dass Jupiter die Niederlage von Carrhae nicht habe verhindern können. Eine Frage in Lucans Anspie­lung würde die ›Fußnotenfunktion‹ dieser Stelle, die Vorbereitung einer ähnlichen Gegenüberstellung von Alt und Neu, möglichenfalls besser erfüllen. 111 7, 45: uicerat astra iubar, cum  … ist nicht als Hinweis auf mittlerweile doch eingetretenen strahlenden Sonnen­schein, sondern als Zeitangabe zu verstehen; sie steht nicht im Widerspruch zum verspäteten Sonnenaufgang. Vom Verschwinden der Wolken ist nichts gesagt, auch vermag die Formulierung des Übergangs kaum den exponierten Buchanfang auszugleichen, cf. aber auch Lebek (1976), 222.

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wurde, ebenso wie die daraufhin noch folgenden, von den Beteiligten ignoriert. Liest man den Satz hingegen nicht als empörte Frage, ergibt sich eine prägnante kontrastive Feststellung: ›Dem Thyest hat er den Himmel verdunkelt, hier wird er die Sonne [sc. wieder] scheinen lassen.‹ Das ganze Ausmaß der Katastrophe wird, wie im Falle Thyests, und doch auf andere Weise, erbarmungslos enthüllt werden.112 Die Änderung der Lichtverhältnisse könnte hierbei jeweils den Ausschlag geben. Insofern die Theodizeefrage des Erzählers sowohl im Namen der Figuren wie der Leser gestellt wird (sunt nobis nulla …, mentimur …),113 ist es eine interessante Überlegung, welche Bedeutung die Sonnenfinsternis und das schließlich zurückkehrende Tageslicht auf der Ebene der Handlung haben wird. Werden sich die immerhin unweit von Argos lagernden Römer nun womöglich doch, freilich zu spät, an das Verbrechen des Atreus erinnern? Und was würde dies hinsichtlich der Bewertung ihres eigenen Verhaltens bedeuten?114 Für Lucans Leser jedenfalls hat sich die Tantaliden-Sage bereits mehrfach als wichtiges mythologisches Paradigma zur Deutung des Bellum Ciuile erwiesen;115 und auch für die Interpretation dieser Stelle ist der Mythos ergiebig. Der Satz mortalia nulli | sunt curata deo (454 f.) darf hierbei als Erklärung herange­ 112 Freilich nur im binnenfiktionalen Zusammenhang; die Aposiopese des Erzählers bedient sich gerade einer ge­gensätzlichen Lichtmetaphorik: hanc fuge, mens, partem belli tene­ brisque relinque (7, 552), aber der Beginn des neuen Tages wird vom Erzähler besonders hervorgehoben: postquam clara dies Pharsalica damna retexit (7, 787).  – Für das allmähliche Erkennen des Elends bietet der zu Buchbeginn aufgerufene Prolog des senecanischen Ödipus (cf. oben 239 f., die Unglückssonne) ein wichtiges mythologisches Paradigma. 113 Cf. Ludwig (2014), 79 zum Zusammenfallen von Erzähler (narrator-facalizator) und Adressat (narratée-focali­zée)  und zum Zusammenhang der Erzählsituation mit den zahlreichen Apostrophen des Buches. 114 Auch hier kann der Bezug zum Ende des ersten Georgica-Buches ein weiteres Mal fruchtbar gemacht werden. Julia Hejduk, viva voce, weist darauf hin, dass in Lucans Versen 7, 449–453 dasselbe Akrostichon auftauche wie in georg. 1, 465–469, nämlich SIC IT. Der Kontext in den Georgica ist die Offenbarungskraft der Sonne: saepe monet fraudem (465). Als sich die Sonne bei Caesars Tod verhüllte, um mit Rom zu trauern und die Fortführung des Bürgerkrieges anzukündigen, haben die Schuldigen eine ewige Nacht gefürchtet: impiaque aeternam timuerunt saecula noctem (468). Wenn man geneigt ist, den Akrosticha (von denen zunächst in der Schwebe bleiben mag, ob das ›so geht es‹ jeweils klagend oder eher affirmativ zu verstehen sei) zu folgen, so ist durch Lucans Wiederholung unterstrichen, dass vor Pharsalos wie nach der Ermordung Caesars dieselbe Situation herrscht: Die Sonne ist verhüllt, man erwartet oder befürchtet Dunkelheit, aber die Menschen, obwohl gewarnt, können oder wollen den Fortgang der Ereignisse nicht verhindern. Gleichzeitig gestattet der intertextuelle Bezug, Caesars Ermordung doch als göttliche Strafe aufzufassen. Auch wenn für Caesar vor Pharsalos die Sonne wieder aufgehen wird, an den Iden des März wird sie sinken – sic it. Hierin mag man vielleicht sogar eine Antwort auf die theologischen Fragen des Erzählers sehen. Die Macht der Götter zeigt sich dann also nicht darin, dass sie selbst den Verbrecher erschlagen, sondern darin, dass sie den Menschen ermöglichen, des Geschehene zu bewerten. 115 Cf. 1, 543 ff., hierzu Ripoll (2009); Ambühl (2015), 74–87. Für einen Überblick über die Referenzen auf Senecas Tragödien cf. Lanzarone (2016) ad loc.

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zogen werden, denn Thyest hat weder das Verbrechen begangen, noch belohnt oder bestraft ihn die Dunkelheit.116 Er, Opfer und Täter zugleich, hofft im Gegenteil vergeblich auf Beistand. Thyests Schicksal ist in geradezu exemplarischer Weise tragisch;117 auch deswegen ist es bedeutend, wenn Lucan ihn in dem Moment der Erzählung als Exemplum anführt, wenn die aufeinander gehetzten Familien damit beginnen, sich umzubringen. Für die Leser liegt Senecas Tragödie als Referenztext auf der Hand.118 Hier verschwindet das Sonnenlicht angesichts der Schandtat des Atreus; der Bote berichtet davon (Sen. Thy. 776). Als ihm die Wahrheit offenbart wird, bleibt der betrogene Bruder in der Dunkelheit zurück. Die Worte, die er dann sagt, lohnt es genau in Erinnerung zu rufen (Sen. Thy. 1077–1112):119 Th. tu, summe caeli rector, aetheriae potens dominator aulae, nubibus totum horridis conuolue mundum, bella uentorum undique committe et omni parte uiolentum intona,1080 manuque non qua tecta et immeritas domos telo petis minore, sed qua montium tergemina moles cecidit et qui montibus stabant pares Gigantes, hac arma expedi ignesque torque. uindica amissum diem1085 […] si nihil superos mouet nullumque telis impios numen petit, aeterna nox permaneat et tenebris tegat immensa longis scelera. nil, Titan, queror,1095 si perseueras. […] Th. uindices aderunt dei; 1110 His puniendum uota te tradunt mea. At. te puniendum liberis trado tuis.

Th. Du, höchster Meister des Himmels, mächtiger Herrscher in den Hallen des Aether, hülle die Welt mit düsteren Wolken ein, treibe die Winde zum Kampf und donnere gewaltig in jedem Erdteil! – Nicht mit der Hand, mit der du ein kleines Geschoss auf Hütten und unschuldige Häuser wirfst, sondern mit der, durch die die Masse von drei Bergen fiel und die Giganten, die Bergen gleich dastanden. Mit dieser Hand führe die Waffen und schleudere Feuer hernieder. Räche den verschwundenen Tag … Wenn nichts die Himmlischen bewegt und kein Gott die Frevler mit einem Geschoss angreift, dann soll diese Nacht ewig währen und mit langer Dunkelheit dies unermessliche Verbrechen verhüllen. Nichts, Titan, beklage ich, wenn du fortbleibst … Die Götter werden mich rächen. Ich bete, dass sie dich bestrafen mögen. At. Und ich übergebe dich deinen Kindern. Dich werden sie bestrafen.

116 Die Stelle ist auch durchaus falsch verstanden worden, wie aus der bei Weber (1831) ad loc. aufgeführten Erklä­rung von Vossius hervorgeht: »Tangit de Thyesta, qui interfecit filios Atrei, fratris sui et dedit ei manducare.« 117 Cf. Aristot. poet. 1453a11. 118 Was uns von den Thyest-Tragödien des Sophokles und Euripides überliefert ist, enthält einige allgemeine Aus­sagen über göttliche Stärke und menschliche Schwäche, cf. Soph. fr. 247 (226) Radt; Eur. fr. 391 Kannicht. Der von Cicero als Ausdruck höchster Entrüstung zitierte Accius-Vers ecquis hoc animaduortet? uincite (Tusc. 4, 55, wohl aus dem Atreus) lässt sich nicht mehr sicher kontextualisieren. – Zur Bedeutung von Senecas Thyest für das Bellum Ciuile cf. allgemein Leigh (2009). 119 Cf. auch Narducci (2002), 62–66.

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uindicta ist ein sehr eigenartiges Wort. In der eben zitierten Passage heißt uindicare eindeutig ›bestrafen‹.120 Senecas Thyest hofft auf Strafe; sie bleibt jedoch aus, und Atreus triumphiert. Lucans cladis tamen huius habemus | uindictam, quantam terris dare numina fas est erhält vor diesem Hintergrund eine andere Bedeutung, namentlich das tamen. Die Götter kümmern sich nicht um menschliche Sorgen, sie helfen nicht, Caesar wird nicht auf der Stelle vom Blitz getroffen: ›Dennoch haben wir für dieses Verderben eine so große Strafe, wie es angemessen ist, dass Götter sie über die Welt verhängen: Die Kriege werden unsere göttlichen Herrscher den Himmlischen gleich machen‹. Dass die Bürgerkriege die Kaiser den Göttern gleich machen und Rom zu Toten betet wie zu Göttern, wäre also nicht – oder nicht ausschließlich – eine Buße der Götter, sondern eine Buße der Menschen. Die theologischen Anmaßungen des Prinzipats (die jedes Herrscherlob unglaubwürdig scheinen lassen) wären die Strafe für den Bürgerkrieg.121 Dazu passt der kurz zuvor geäußerte Gedanke von der sors ultima (444); etwas später redet der Erzähler explizit von Strafe: alieni poena timoris | in nostra ceruice sedet (644 f.). Ob wirklich die Götter dieses Urteil verhängt haben, spielt gar keine Rolle. Es ist aber angemessen, fas, dass dies die Strafe der Götter sein könnte; und sie ist so groß, wie nur die Himmlischen sie verhängen könnten. Der Gegensatz zwischen der Dunkelheit über Argos und der Sonne über Pharsalia wäre zudem durch den anzunehmenden Vollzug einer Strafe fortgeführt. ­Senecas Atreus erhält sie nicht, Lucans Römer erhalten sie; zwar alle gleichermaßen, doch auf unterschiedliche Weise. Die Römer, die zu Kaisern beten müssen, sind gestraft, aber auch die Kaiser selbst, insbesondere Caesar; in seinem Fall schließt ja die Rede von seiner Vergöttlichung auch den Gedanken an seine Ermordung mit ein.122 Wie so oft im Bellum Ciuile ist hier eine gewisse Ambiguität wohl unabweisbar. Was die vermeintliche göttliche Buße betrifft, so ist überdies zu bedenken, 120 Cf. übrigens auch CB ad Lucan. 7, 447: mentimur regnare i· nam si dii essent, uindicarentur ista. – Lucans uindictam habere oder uindictam dare sind, im Gegensatz zum verbreiteten poenas dare, keine juristischen Ter­mini, sie dürften ebenso uneindeutig sein wie das deutsche ›wir haben eine Buße‹, wo man zu ergänzen hätte: ›empfangen‹ oder ›auferlegt bekommen‹, so legen es jedenfalls die aus späterer Zeit stammenden Belege nahe, cf. Lucifer Calaritanus, quia absentem 1, 43; 2, 7. Lucan verwendet uindicta ansonsten noch fünfmal: als göttliche ›Strafe‹ in 4, 808 f.: si libertatis superis tam cura placeret | quam uindicta placet und als ›Rache / Strafe für‹ mit genetivus subiectivus bzw. causae in 8, 422; 9, 1054; 10, 340 (hier auch als uindicta data, wobei der Ausführende im Dativ steht: poenaque ciuilis belli, uindicta senatus | paene data est famulo); 10, 526. 121 Die gegensätzlichen Interpretationen des Satzes repräsentieren gerade die zwei Arten, wie man die Rolle der Götter im Bürgerkrieg betrachten kann, cf. Jal (1962). 122 Cf. SASL ad loc. mit Bezug auf 8, 809; Burman (1740) ad loc. mit dem zwar anachronistischen, aber vielleicht nicht ganz unpassenden Verweis auf die zynische Sentenz sit diuus dummodo non uiuus, die oft Caracalla zuge­schrieben wird.

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dass uindicta  – herzuleiten wohl von uim dicere, ›erklären, Anspruch zu haben‹123 – auch die Bezeichnung für den Stab ist, der zur Rechtsbehauptung dient und unter anderem beim Freilassen eines Sklaven verwendet wird. Der Kaiserkult kann zwar als Herabwürdigung der Götter erscheinen, aber ebenso ist er ein Symbol für den Verlust der bürgerlichen Freiheit. Die Römer sind Sklaven (seruire pudet, 445). Auch wenn die Götter eine Buße leisten, wird doch die Gerechtigkeit dadurch nicht wiederhergestellt. Zum ersten Mal soll die uindicta, wie Livius berichtet, für denjenigen Sklaven angewendet worden sein, der die umstürzlerischen Pläne der Brutus-Söhne angezeigt hat und der Stadt so die Freiheit bewahren half.124 – In der Welt des Bellum Ciuile bereitet dieses altrepublikanische Wort nur noch Schwierigkeiten; vor allem dient es dazu, dass der Erzähler die menschlichen Verbrechen sarkastisch kommentieren kann: ›Genugtuung‹, ›Befreiung‹ und ›Strafe‹ sind kaum sinnvoll zu unterscheiden. Dadurch bleibt wie auch in Massilia unklar, was die Götter sind und ob sie wirklich nichts tun. Davon, dass sie nicht existieren und dass deswegen das Recht des Stärkeren gilt, kann jedenfalls keine Rede sein.125 Der Triumph des Verbrechens ist nicht 123 Cf. Bürge (1999), 47 f. mit No. 12 für einen Überblick zur bis heute umstrittenen Etymologie. 124 Cf. Liv. 2, 4, 6; 2, 5, 9 f. Auch für Livius ist die Etymologie des Wortes offensichtlich unklar: ille primum dicitur uindicta liberatus; quidam uindictae quoque nomen tractum ab illo putant; Vindicio ipsi nomen fuisse (2, 5, 10). Dass Lucan bewusst ein schwieriges Wort verwendet haben könnte, um besondere Aufmerksamkeit zu provozie­ren, ist in Betracht zu ziehen. 125 In 7, 477 ff.: tunc aethera tundit | extremique fragor conuexa inrumpit Olympi, | unde procul nubes, quo nulla tonitrua durant ist unmissverständlich auf die berühmte, literarisch und philosophisch außerordentlich einflussrei­che Stelle aus der Odyssee angespielt, wo über das leichte Leben der Götter gesprochen wird: Οὔλυμπόνδ᾽, ὅθι φασὶ θεῶν ἕδος ἀσφαλὲς αἰεὶ | ἔμμεναι. οὔτ᾽ ἀνέμοισι τινάσσεται οὔτε ποτ᾽ ὄμβρῳ | δεύεται οὔτε χιὼν ἐπιπίλναται, ἀλλὰ μάλ᾽ αἴθρη | πέπταται ἀνέφελος, λευκὴ δ᾽ ἐπιδέδρομεν αἴγλη· | τῷ ἔνι τέρπονται μάκαρες θεοὶ ἤματα πάντα (ζ 42 ff.), cf. Postgate / Dilke (1960) ad loc. Bei Lukrez ist der Wohnsitz der Götter gewissermaßen das Symbol für ihre Entrücktheit gemäß der Philosophie Epikurs: apparet diuum numen sedesque quietae, | quas neque concutiunt uenti nec nubila nimbis | aspergunt neque nix acri concreta pruina | cana cadens uiolat semperque innubilus aether | integit et large diffuso lumine ridet (Lucr. 3, 18 ff.). Seneca gebraucht ein ähnliches Bild: pars superior mundi et ordinatior ac propinqua sideribus nec in nubem cogitur nec in tempestatem inpellitur nec uersatur in turbinem; omni tumultu caret: inferiora fulminantur (de ira, 3, 6) und auch Lucans Brutus scheint sich dieser Symbolik zu bedienen: sicut caelestia semper | inconcussa suo uoluuntur sidera lapsu. | fulminibus propior terrae succenditur aer, | imaque telluris uentos tractusque coruscos | flammarum accipiunt; nubes excedit Olympus. | lege deum minimas rerum discordia turbat, | pacem magna tenent (2, 267 ff.). Es zeigt sich: Auch wenn das Bild epikureischen Ursprungs ist, braucht allein aus seiner Verwendung nicht auf eine philosophische Absicht gemäß dieser Schule geschlossen zu werden. Hier geht es eher um eine allgemeine theologische Tradition, die, im Rück­griff auf den alten homerischen Ausdruck, die Existenz eines wie immer gearteten Göttlichen anerkennt, und hierin auch ethische Implikationen finden kann. Bemerkenswerterweise stößt Lucan dieses Motiv nur an, ohne eine epi­kureische oder stoische Interpretation eindeutig zu favorisieren. Weder sagt er, dass Götter auf dem Olymp sind

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das letzte Wort, ebenso wenig wie in Senecas Thyest. Auch wenn dies das Letzte ist, wovon gesprochen wird. Lucans Meditation über die Götter ist damit sozusagen die Spiegelung derjenigen Vergils. Dessen nec fuit indignum … schwankt ebenso zwischen Frage und Feststellung wie Lucans spectabit ab alto …, zumindest für diejenigen Leser, die beide Passagen nebeneinander legen.126 Auch bei Vergil werden Herrscher und Götter miteinander verglichen und auch bei Vergil ›sorgen‹ sich die Götter nicht: iam pridem nobis caeli te regia, Caesar, | inuidet atque hominum queritur curare triumphos (georg. 1, 503 f.). Ob ein fürsorglicher Kaiser wirklich an die Stelle der Götter treten kann, bleibt in beiden Gedichten letztlich offen, wenn auch in unterschiedlichem Grad. Lucan kehrt das Zweifelnde, Anklagende nach außen. Bei Vergil folgt aus dem Umstand, dass Caesars Erbe nun einmal handeln muss (quippe ubi fas uersum atque nefas, 1, 505), eine gewisse Zuversicht, trotz der Schwierigkeit, den kaum lenkbaren Wagen zu steuern. Bei Lucan unterbleibt jede Erklärung, einzig das Bild des Kultes wird gegeben, und es fällt leicht, die Vergottungspraxis für anmaßend zu halten. Indem jedoch die Vermischung der Zeitebenen und die Betroffenheit des Erzählers den Satz über die Buße im Ungewissen lassen, haben Lucans Adressaten zu wählen; sowohl die internen, denen hier ein Blick in die Zukunft gegeben wird, als auch, sofern sie sich ernsthaft angesprochen fühlen, die Leser: Sind sie Opfer, denen die Götter Buße leisten, indem sie sich erniedrigen lassen, zusammen mit Menschen verehrt zu werden? Oder sind sie Täter, die die ewige Diktatur zu erdulden (oder, im Fall des julischen Hauses: aufrecht zu erhalten) haben, weil sie nach dem Bürgerkrieg keine Bürger mehr sind? Die Genugtuung darüber, dass die alten Götter nicht oder wenigstens nicht mehr allein verehrt werden, spricht letztlich für das ›System Caesar‹.127 Wenn es hingegen eine Strafe ist, tote (und, der Unterschied ist unerheblich: auch lebende) Kaiser wie Götter verehren zu müssen, was heißt das dann? Dieser zweite Fall ist eindeutig der tragischere. Es geht bei dieser Buße, wer immer sie leistet, um Einsicht. Aber es geht auch darum, ob die Einsicht nach der pharsalischen Tragödie zu irgendeiner Veränderung führt. uindictam habemus: Die nachgeborenen Leser sind ebenso betroffen wie Lucans Figuren, die wie Thyest weiterleben. Alle haben mit Göttern und Kaisern umzugehen – für die Interpretation des Proöms hat das eine unmittelbare, durchaus komplizierende Bedeutung. (wobei freilich in dem quo nulla tonitrua durant anstelle des homerischen οὔτε ποτ᾽ ὄμβρος eine amüsante Dop­peldeutigkeit liegt), noch sagt er, was der Lärm bewirkt, der über den Olymp hereinbricht. Wird der Himmel nun ernsthaft erschüttert, oder verhallt der Kriegslärm? Das Echo wird jedenfalls von den irdischen Bergen gegeben, cf. 7, 480 ff. 126 Es kann, muss aber nicht Zufall sein, dass an beiden Stellen nach einem Ausdruck des Zweifelns der folgende Vers mit einem scheinbar erklärenden, letztlich aber nicht leicht verständlichen scilicet beginnt, georg. 1, 493 und Lucan. 7, 449. 127 Cf. Groß (2013), 113; Chaudhuri (2014), 176–181.

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4.2.3 Nach der Schlacht Die unbestatteten Toten, deren Blut über die Felder Emathiens fließt. Das ist das Bild, mit dem das Epos, anspielend auf die Georgica, begonnen hat. Am Ende des siebten Buches wird erzählt, wie Caesar selbst dieses Panorama betrachtet; er lässt sich ein Essen dazu reichen (7, 792). Zwar wurde er in der Nacht von Träumen gequält wie Orest von den Erinyen, aber mit dem Sonnenaufgang (gemäß metapoetischem Realismus wiederum ein vielsagendes Beispiel für ­Caesars literarische Indifferenz) ist jedwedes tragisches Schuldempfinden verflogen (7, 776–789).128 Die Leser können darin, wie Caesar nun auf die Toten schaut, wiederum einen Bezug zu den Georgica finden, und zwar, wie Matthew Leigh dargelegt hat, in der Wendung aceruum spectare. Hiermit ist auf eine der eindrücklichsten Warnungen des Lehrgedichts angespielt:129 […] cernit propulsa cruore flumina et excelsos cumulis aequantia colles corpora, sidentis in tabem spectat aceruos et Magni numerat populos, (Lucan. 7, 789–792)

Er sieht die Flüsse, die von Blutströmen vorangetrieben werden, und die Leichen aufgetürmt wie hoch aufragende Hügel, er betrachtet die in Verwesung daliegenden Haufen und zählt die Völker des großen Pompeius.

quod nisi et adsiduis herbam insectabere rastris et sonitu terrebis auis et ruris opaci falce premes umbras uotisque uocaueris imbrem, heu magnum alterius frustra spectabis aceruum (georg. 1, 155–158)

Wenn du nicht mit emsiger Hacke das Unkraut bekämpfst, mit Lärm die Vögel verscheuchst und mit der Sichel die Schatten des dunklen Landes beseitigst und für Regen betest, ach, dann wirst du vergeblich den großen Haufen eines anderen betrachten.

Verglichenes und Vergleich sind vertauscht und mit ihnen die moralischen Implikationen des Bildes. Vergils erfolgloser Bauer, der nicht tapfer gegen feindliches Unkraut und Vögel gekämpft hat,130 schaut traurig auf den Ertrag des anderen. Caesar hingegen schaut triumphierend auf das, was er selbst erreicht hat. Er hatte Erfolg. Tatsächlich gleicht er auch im Sinne altepischer Gleichnisse einem Landmann. Er hat die Feinde niedergemäht, er hat wie Achill die Felder mit Blut gedüngt. Und dennoch wird Caesar andere Früchte ernten, als er vielleicht glaubt. Der zweideutige Vers fortunam superosque suos in sanguine cernit (794) deutet darauf, dass auch Caesar am Ende fallen wird. Nicht Caesar wird Herrschaft über das Land erlangen, sondern die Toten, die es vergiften: sed 128 Hierzu und zu dem dann folgenden Bestattungsverbot cf. Ambühl (2015), 87–98; 259–276. 129 Hierzu cf. auch Leigh (1997), 295. 130 Cf. Thomas (1988) ad 1, 155.

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tibi tabentes populi Pharsalica rura | eripiunt camposque tenent uictore fugato (823 f.). Künftige Bauern werden, so möchte man ergänzen, beim Ackern auf ihre Knochen stoßen. Auch die Vögel, die Pharsalos heimsuchen und, wie gesagt,131 eine Art Strafe für Caesars Verbrechen bedeuten, sind hier ein interessanter Bezugspunkt. Der Erzähler erklärt: uos, quae Nilo mutare soletis  | Threicias hiemes, ad mollem serius Austrum | istis, aues (7, 832 ff.). Wegen der angegebenen Zugrichtung sind diese Vögel als Kraniche zu identifizieren.132 Das mag ein wenig verwirrend scheinen, denn Kraniche fressen kein Aas. Wenn sie hier dennoch zusammen mit den Geiern erwähnt sind (834), ist das allerdings keine Unaufmerksamkeit des Dichters, wie man zuweilen gemeint hat.133 Lucans Kraniche werden nicht naturwidrig zu Menschenfressern (wobei auch das nicht völlig ungewöhnlich wäre; bei Homer fallen die am Nil lebenden Pygmäen den Kranichen zum Opfer, Γ 2 ff.134). Die Apostrophe des Erzählers ist wohl eher parenthetisch zu verstehen und scheint besagen zu sollen, dass die Kraniche nicht über Pharsalos hinweg fliegen können, weil so viele Geier die Lüfte bevölkern, numquam tanto se uulture caelum | induit aut plures presserunt aera pinnae (834 f.). Dass Kraniche gewöhnlich erst im Herbst nach Süden ziehen, widerspricht der Darstellung ebenfalls nicht, sondern deutet vielmehr darauf, wie lange Pharsalos (nach der Schlacht im Sommer) unpassierbar bleibt. Die Kraniche sammeln sich auf den Feldern von Pharsalos und sind nicht zu vertreiben. Das Abwehren der Vögel ist in den Georgica, wie aus der zitierten Passage deutlich wird, eine der grundlegenden bäuerlichen Tätigkeiten. Die Strymoniae grues sind neben dem improbus anser die typischen Feldschädlinge (georg. 1, 120), die die Arbeit von Menschen und Rindern zunichtemachen können. In Pharsalos, wo Caesar zufrieden auf seinen Haufen schaut, werden Kraniche die Saaten vernichten, und die Hinterlassenschaften des Krieges werden das Ackern erschweren. Mit den noch lange währenden Kriegsfolgen endet das Buch. Menschliches Streben ist hier fürs Erste vollständig gescheitert. Vergil verwendet dieses Motiv der Schlachtfelder, die langsam wieder zu Saatfeldern werden, mit Blick auf Pharsalos bzw. Philippi; und wenngleich es so wichtig für die Georgica als Ganzes ist, kann es eigentlich für den suggerierten didaktischen Anspruch, sofern die angesprochenen Bauern Römer sein sollen, keine ganz unmittelbare Bedeutung haben. Italische Felder sind nicht zweimal 131 Hierzu cf. auch oben 92ff. 132 Cf. Lucan. 5, 711 sowie ASL ad 7, 832. 133 Cf. Haskins (1887) ad loc.; Postgate / Dilke (1960) ad loc.: »But the introduction of these birds here is most inap­propriate, as (a) they do not eat carrion, (b) they migrate in autumn or early winter (v, 711), whereas Pharsalia was fought in June (August by the old style […]).« Hiermit ist das Datum gemeint, das nach dem julianischen Kalender den Tag der Schlacht bezeichnen würde. 134 Cf. auch Lanzarone (2016) ad loc. mit weiteren Belegen.

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mit römischem Blut gedüngt; sie sind nur verlassen. Italien wird als das Paradies des ewigen Frühlings gepriesen, der Krieg hat dem Land anscheinend nichts anhaben können. Wenn man sich hier auf die Schönheiten des Landlebens besinnt, wenn man hier den Wert der Arbeit neu erkennt und dem Beginn besserer Zeiten entgegensieht, werden dann die weit entfernt liegenden emathischen Felder auch geheilt?135 Sie werden jedenfalls am Ende des zweiten Georgica-Buches, in der Einleitung für das Lob des Landlebens noch einmal erwähnt, freilich etwas variiert (georg. 2, 485–489): rura mihi et rigui placeant in uallibus amnes,485 flumina amem siluasque inglorius. o ubi campi Spercheosque et uirginibus bacchata Lacaenis Taygeta! o qui me gelidis conuallibus Haemi sistat, et ingenti ramorum protegat umbra!

Das Land will ich genießen und in den Tälern will ich die wasserbringenden Flüsse, Bäche und Wälder lieben, ganz ohne Ruhm. Ach, wo sind die Felder des Spercheios, wo der Taygetos, wo spartanische Bacchantinnen feiern! Wer bringt mich in die kühlen Täler des Haemus und bedeckt mich mit dem großem Schatten der Zweige?

Thessalien, das durch den Fluss Spercheios verschlüsselt ist, erscheint hier als Idyll, nicht als Kriegsland; es wird wie Arkadien und Thrakien zu einem Ort der dichterischen Inspiration, zu einem Rückzugsgebiet für das friedliche, bäuerliche Dasein. Was am Ende des ersten Buches als Vision angedeutet war, scilicet et tempus ueniet …, ist das nun schon Realität oder noch nicht? Der Dichter sehnt sich jetzt nach diesem besseren, poetischen Griechenland. Um den ›wahren‹ Zustand thessalischer Felder geht es gewiss nicht. Das Erstrebte wird sich in Italien ereignen: dort, wo einst Saturnus geherrscht hat und wohin der Dichter die Musen führen wird (3, 8 ff.). Diese ›Verwandlung‹ Thessaliens scheint sich von Italien her zu vollziehen. Wie es aber genau dazu kommt, und was dies im Einzelnen zu bedeuten hat, bleibt offen. Die Frage entspricht der Spannung, die man auch in anderer Hinsicht zwischen den Enden der ersten beiden GeorgicaBücher feststellen kann.136 Bei Lucan ist diese Spannung vermieden, und die zeitliche Entwicklung scheint genau umgekehrt zu verlaufen. Nicht von Italien geht die Verwandlung der Kriegsschauplätze aus, sondern Pharsalia infiziert Rom: Im Bellum Ciuile machen die Kriegsfolgen Italien zur öden Ruinenlandschaft (1, 24 ff.; 7, 391 ff.). Die indignatio am Ende des siebten Buches wirkt, als liege Pharsalia mitten in Italien, als würden römische Bauern dort pflügen; räumliche Dimensionen 135 Lyne (1974/1999), 174 hat auf die Entfernung hingewiesen; zumeist wird sie nicht weiter beachtet; allgemein gilt als das Entscheidende an dem Bild in 1, 493 ff. der mit dem Pflug arbeitende Bauer, nicht der Ort dieser Arbeit, cf. z. B. Mynors (1990) ad loc. 136 Das heißt nicht, ein schematisches Alternieren von ›dunklen‹ und ›hellen‹ Büchern annehmen; zu den Schwächen solcher Vereinfachungen cf. Klingner (1963), 124 f; Thomas (1988), I, 12 f.

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sind verwischt. Gleichzeitig spricht der Erzähler ausdrücklich von Entsühnung (7, 847–872):137 Thessalia, infelix, quo tantum crimine, tellus, laesisti superos, ut te tot mortibus unam, tot scelerum fatis premerent? quod sufficit aeuum inmemor ut donet belli tibi damna uetustas? 850 quae seges infecta surget non decolor herba? quo non Romanos uiolabis uomere manes? ante nouae uenient acies, scelerique secundo praestabis nondum siccos hoc sanguine campos. omnia maiorum uertamus busta licebit,855 et stantis tumulos et qui radice uetusta effudere suas uictis conpagibus urnas, plus cinerum Haemoniae sulcis telluris aratur pluraque ruricolis feriuntur dentibus ossa. nullus ab Emathio religasset litore funem860 nauita, nec terram quisquam mouisset arator, Romani bustum populi, fugerentque coloni umbrarum campos, gregibus dumeta carerent, nullusque auderet pecori permittere pastor uellere surgentem de nostris ossibus herbam,865 ac, uelut inpatiens hominum uel solis iniqui limite uel glacie, nuda atque ignota iaceres, si non prima nefas belli sed sola tulisses. o superi, liceat terras odisse nocentis.869 quid totum premitis, quid totum absoluitis orbem? Hesperiae clades et flebilis unda Pachyni et Mutina et Leucas puros fecere Philippos.872

Thessalien, Unglücksland, mit welchen Verbrechen hast du die Himmlischen so verletzt, dass sie dich allein mit so vielen Toden, so vielen Schicksalen des Verbrechens beschwerten? Welche Zeit genügt, damit dir eine unbekümmerte Nachwelt die Schäden des Krieges vergeben kann? Welche Saat ist denn nicht beschädigt, wird nicht blässliche Halme aufsprießen lassen? Mit welchem Pflug wirst du nicht römische Manen verletzen? Eher werden neue Schlachtreihen kommen und einem weiteren Verbrechen wirst du deine Felder darbieten, auf denen das Blut noch nicht trocken ist. Und wenn wir auch hier alle Gräber unserer Vorfahren umwenden, die Hügel, die noch stehen, wie die, deren Gefüge unter alten Wurzeln schon nachgegeben hat und die ihre Urnen bereits ausgegossen haben, immer mehr Asche wird in den Furchen der haemonischen Erde umgepflügt, mehr Knochen werden von den landbauenden Zähnen verletzt. Kein Seefahrer hätte an Emathiens Ufer sein Tau festgebunden; kein Pflüger hier die Erde, das Grab des römischen Volkes, gewendet; die Bauern würden vor den Schatten der Felder fliehen, Herden nicht das Gestrüpp abweiden, kein Hirte gestatten, dass sein Vieh die Gräser abrupft, die aus unseren Gebeinen aufsprießen; und wie ein Land, das für Menschen ungünstig ist, des Laufs einer feindlichen Sonne wegen oder wegen der Kälte, würdest du nackt und vergessen daliegen, hättest du das Unrecht des Krieges nicht nur zuerst, sondern allein ertragen. Ach, Götter, wenn ich doch das schädliche Land hassen könnte. Warum bedrängt ihr und warum erlöst ihr den ganzen Erdkreis? Die Niederlage in Hesperien, die beklagenswerten Wasser von Pachynus und Mutina und Leucas haben Philippi entsühnt.

137 Zu dieser Passage cf. Paratore (1943), 58 f.; Leigh (1997), 293–306; Hardie (2008); Groß (2013); 98–101; Ambühl (2015), 173–177.

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Die Anspielungen auf das Finale des ersten Georgica-Buches, das Bild von den blutigen Feldern und den Hinterlassenschaften der Schlacht, sind offenkundig. Auch an die Nachwirkungen des Motivs, z. B. Hor. carm. 2, 1, 29 f.: quis non Latio sanguine pinguior | campus ist zu denken. Lucans Thessalien ist durch den Krieg dauerhaft verseucht und wird nur noch blässliche Halme aufgehen lassen. Hierbei klingt auch an, was hinter Vergils Bild liegt, nämlich Lukrez’ Beschreibung des vom Alter verdorbenen Landes: conficimus ferrum uix aruis suppeditati … (Lucr. 2, 1162 ff.). Der Gewissheit, dass die guten Zeiten für immer vorüber sind, weil die Erde ausgelaugt ist, wird in den Georgica eine andere Weltsicht entgegengehalten. Im scilicet et tempus ueniet liegt die Hoffnung auf einen Zeitenwechsel; pinguescere heißt trotz aller Bitterkeit des Kontexts immerhin ›nähren‹.138 Und am Ende des Lehrgedichts wird erzählt, wie der Thessalier Aristaeus den Weg zur Erlösung finden kann. Der lucanische Erzähler hingegen äußert sich so, als sei eine bessere Zukunft ausgeschlossen. Keine Zeit kann genügen, um das Geschehene zu verzeihen (849 f.); und die Gewissheit, dass auf diesen Krieg weitere folgen werden, erweist alles Hoffen als unangemessen (858 f.). Immer werden die Halme klein bleiben. Bei Lucan schüttelt der Bauer sozusagen wieder betrübt mit dem Kopf.139 Dann geht plötzlich der Blick zurück in die Vergangenheit: nullus ab Emathio religasset litore funem | nauita, nec terram quisquam mouisset arator (860 f.). Mit der Motivik des Eisernen Zeitalters scheint wieder das Carmen 64 anzuklingen und das Aition des Krieges (Lucan. 6, 395 ff.).140 Doch der Gedanke ist ein anderer, wie erst am Ende des Satzes deutlich wird: nuda atque ignota iaceres, | si non prima nefas belli sed sola tulisses (867 f.). Jetzt ackert man und hält Tiere, Unkraut wuchert nicht. Man ist zur Normalität zurückgekehrt. Dies ist aber nicht die Normalität der frommen Feldarbeit, die Vergil voraussagt, hier gibt es kein Staunen über rostige Waffen und grandia ossa. Bei Lucan ist, wie durch Erictho symbolisiert wird, der Krieg nicht nur Vergangenheit, sondern auch Gegenwart und Zukunft. Es hat keinen Sinn, dieses Land, das Sinnbild des Bürgerkrieges zu hassen (868). Dieses Land: Thessalien, Emathien, Philippi? Ort, Zeit, Vorbestimmung oder Schuld sind als Kategorien hier nicht mehr sinnvoll. Die Wirklichkeit wird nicht erklärt, sondern nur beschrieben: Jede neue Schlacht lässt die vorhergehende bedeutungslos erscheinen. Am Ende steht der kurze Gedanke von der Reinigung. Er scheint verwirrend, da es doch soeben hieß, keine Zeit werde genügen, um den erlittenen Schaden zu vergeben.141 Es ist aber kein bloßer Sarkasmus, was hier zum Ausdruck gebracht wird. Zwar liegt ganz und gar nichts Versöhnliches in der Allgegenwart des Krieges, die Pharsalos 138 Hierzu cf. z. B. Hardie (2008), 307 f. mit Aesch. Sept. 587 f. 139 Cf. Lucr. 2, 1164. 140 Cf. auch Lanzarone (2016) ad loc. 141 Man beachte den Gegensatz zu 7, 263/487; purum facere ist nur hier verwendet.

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nur aus dem Blick schwinden lässt, weil sich schon das nächste Unheil vollzieht. Es ist jedoch möglich, indem hier Philippi und Actium erwähnt werden, für einen Moment eine augusteische Perspektive einzunehmen: Nach der Schlacht von Actium ist der Janustempel geschlossen worden, und der Georgica-Dichter hat als ›Sühnepriester‹, satis iam luimus …(georg. 1, 501 ff.),142 die Erneuerung Roms betreiben können. Horaz verwendet das Motiv ebenfalls; in dem bereits erwähnten Gedicht Motum ex Metello heißt es: et arma | nondum expiatis uncta cruoribus (2, 1, 4 f.)143 und in der panegyrischen Ode Iam satis terris wird mit Blick auf Augustus gefragt, wem Jupiter auftragen wird, das Verbrechen zu sühnen.144 Emathien ist von der Schuld befreit. Der Hass des lucanischen Erzählers ist, augusteisch gesehen, unnötig. Hier wird wieder die Reziprozität von Bellum Ciuile und Georgica wirksam. Der historische Horizont von Lucans Lesern reicht weiter. Haben sie ihrerseits vielleicht doch wieder ein Bedürfnis, das Land zu hassen? Ist das, was zu Vergils Zeiten vergangen schien, fast ein Jahrhundert später doch noch nicht vergangen? Lassen sie sich also wirklich mitreißen, wieder Partei zu beziehen, und warum? Die zahlreichen Anspielungen auf das Lehrgedicht und die Tragödie sowie der metapoetische Realismus im sechsten und siebten Buch haben immer wieder die Frage aufgeworfen, warum all das Schreckliche, das so oft schon geschehen war und so oft schon beschrieben wurde, nicht zu verhindern war. Für Lucans Figuren, die hinter ihre eigene Kultur zurückfallen,145 hat die Literatur offensichtlich keine ethische Bedeutung gehabt. Sie mussten alles, wovor sie hätten gewarnt sein können, noch einmal erleben; aus Ehrgeiz und Gier haben sie sich in einen Krieg gestürzt, wie er schon vor Theben geführt worden war. Die Leser der Nero-Zeit kennen die Verheißungen wie die Verwerfungen des Prinzipats und werden durch den allusiven Stil des Bellum Ciuile gezwungen, stets wieder die Referenztexte nachzulesen. Am Ausbleiben der Goldenen Zeiten ist am leichtesten zu sehen, dass auch in der Gegenwart die didaktische Wirkung von Kultur nicht vollends eingetreten ist. Ob Lucan erklären will und kann, warum das so ist, steht zu bezweifeln. Aber er scheint zu wollen, dass seine Leser es bemerken. Lucan wendet sich gegen augusteische bzw. kaiserzeitliche Propaganda. Unergründlich und letztlich unwichtig ist, ob er sich deswegen auch gegen seine 142 Cf. Buchheit (1972), 31–44. 143 Horaz behandelt, ausgehend von der Person Pollios, den Zusammenhang von Tragödie und Geschichtsschrei­bung in Hinsicht auf die römische Nachkriegsgesellschaft, cf. 2, 1, 9 ff. und 21: audire iam magnos uideor duces … 144 Cf. 1, 2, 29 f.: cui dabit partis scelus expiandi | Iuppiter? Apollo wird angerufen, cf. Kießling / Heinze (71930) ad loc. zum griechischen Ursprung dieser Vorstellung. – Bereits Marcus Antonius hat sich in etwas anderer Weise einer Entsühnungsmetaphorik bedient, und zwar im Hinblick auf die Caesarmörder, cf. App. civ. 3, 63. Den Hin­weis hierauf verdanke ich ­Kathryn Welch. 145 Cf. z. B. die Bemerkung des Erzählers über die Barbaren in 4, 319, aber ebenso Pompeius’ Hoffnung auf die Parther (8, 211) gegenüber 1, 19.

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Vorgänger, vor allem Vergil, als die möglichen Unterstützer einer augusteischen Propaganda wendet. Während der lucanische Erzähler sich selbst, die Leser und die Figuren immer wieder emphatisch auffordert, sich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen, ist er, was andere Dichter anlangt, eher zurückhaltend. Keiner ist namentlich genannt.146 Die Gründe hierfür liegen vielleicht in der universalen Haltung des Gedichts. Historisch kann das Bellum Ciuile nicht den Anspruch erheben, über Caesar und Pompeius etwas tatsächlich Neues zu sagen, die Geschichte soll vielmehr erneut betrachtet werden. Dafür ist das, was die Leser bereits wissen oder ahnen, die entscheidende Voraussetzung. Dasselbe trifft für die intertextuelle Dimension des Epos zu: Es kann für Lucan nicht (jedenfalls nicht schlechthin) darum gehen, frühere Dichtung im Sinne eines verächtlichen scripsere alii zu übertreffen und zu ersetzen.147 Erst das Lesen und Wiederlesen der Schlüsseltexte eines als verbindlich empfundenen kulturellen Hintergrundes ermöglicht es überhaupt, dass der lucanische Erzähler sein Publikum, Rom, dazu drängen kann, die Vergangenheit zu deuten – und zu bewältigen. Der von Christine Walde in die Forschung eingebrachte Begriff ›Literatur des Traumas‹ eröffnet hier einen wichtigen interpretativen Zugang:148 From the perspective of modern traumatology, literature written and published shortly after the civil wars reacted in a rather predictable way: the authors tried to come to terms with the situation, offering methods of reconciliation rather than opening the wounds again. This evasion was perhaps rather due to the exigencies of the reading public, who did not want to be reminded of the near past, than to the unwillingness of the literati to write about this collapse of cultural standards […] In dealing with the manmade disaster, Virgil offered implicit, and therefore commonly acceptable modes of individual and historical sense construction, by marginalizing and allegorizing the original traumatic experience. The belated witness, Lucan, on the other hand, chose the more dangerous path between revitalization and banalization. From a perspective contemporaneous with the original traumatizing event, we encounter a narrative exorcism in the Bellum Civile, but – at the same time – this trauma is mirrored and transmitted by innovative literary strategies.

Wenn der Blick auf die vermeintlich entsühnte Vergangenheit noch zu Erregung in der Gegenwart und womöglich auch über die Gegenwart führt, dann ist zu befürchten, dass das Leid von damals sich wiederholen kann. So liegt hier vielleicht eine besondere metapoetische Pointe in diesem Schlussvers der ›pharsa­ 146 Die Selbstpositionierung Lucans lässt sich vielleicht zu Teilen aus Statius’ Genethlia­ con (sil. 2, 7, 79 f.: ipsa te Latinis | Aeneis uenerabitur canentem) und aus Suetons Vita heraus­ arbeiten. 147 Zu Enn. ann. 213 ff. V = 206 ff. Sk cf. Cic. Brut. 19, 75: si illum, ut simulat, contemneret; Meban (2008), 161. 148 Walde (2011), 290/301; siehe auch 300: »Lucan’s heroes act in a context where both parties are Romans with the same cultural standards (or lack thereof). Therefore, a simple, positive identification with one party or protagonist is not possible.«

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lischen Tragödie‹: purificatio heißt auf Griechisch κάθαρσις. Zu fragen, ob Philippi wirklich entsühnt ist, heißt auch zu fragen, ob die entsühnt sind, die die ›Tragödien‹ von Actium, Philippi und Pharsalos ›gelesen‹ haben. Die Leser müssen darüber Rechenschaft geben, wie sie die Georgica verstanden haben, und ob die augusteische Erneuerung wirklich als ein facilis cursus (cf. georg. 1, 40) zum Ziel geführt hat.149 Ausgehend sowohl von der scheinbaren Unfähigkeit des Erzählers, das Geschehen des Bürgerkriegs vollständig zu erklären, als auch von der Prominenz naturwissenschaftlicher Exkurse im Bellum Ciuile hat Walde die Analyse der ›naturgesetzlichen‹ Wirkung des Bürgerkrieges als Forschungsfrage formuliert.150 Naturgesetzlichkeit heißt nicht, dass der Krieg nicht zu verhindern gewesen wäre, sondern dass er auf Grund von bestimmten Ursachen eingetreten ist. Dazu mögen schwer zu ergründende kosmische Ursachen gehören, aber zweifellos auch die publica semina belli (1, 158). Für Lucans Georgica-Anspielungen hat sich diese Frage nach dem moralischen Standpunkt des Bellum Ciuile als wichtig erwiesen. Hier ist neben der fundamentalen Abhängigkeit des Menschen von der Natur noch etwas anderes zu berücksichtigen, nämlich der Umstand, dass ein Gedicht, wenn es gelesen werden soll, auf die Unhintergehbarkeit der Kultur vertrauen muss. Dabei zeigt sich: Der Gedanke einer individuellen, aus der fortwährenden Bedrohung der eigenen Existenz begründeten Verantwortung, wie er in den Georgica zu finden ist, wird im Bellum Ciuile immer wieder bestärkt. Die Möglichkeit, Erkenntnisse zu gewinnen, um den Fortbestand dessen zu ermöglichen, was wünschenswert erscheint, ist ermutigend und tröstlich. In dieser Hinsicht ist das Gedicht, allen formalen Innovationen zum Trotz, ganz und gar ›klassisch‹.151

4.3 Das Proöm als Epilog Mit Blick auf das Werkganze kommt den Georgica-Anspielungen des siebten Buches eine wichtige strukturelle Bedeutung zu. Sie finden sich wie gesagt am Anfang (7, 1 ff.), in der Mitte (385 ff.) und am Ende (847 ff.). Zentraler Bezugspunkt ist immer wieder das Finale, jedoch ebenso, insofern der Kaiserkult zur Sprache kommt, der Eingang des ersten Georgica-Buches. Das Finale wiederum klingt auch an im Motiv der Verwüstung Italiens, das zu Beginn des Bellum Ciuile als Leitmotiv etabliert wird (at nunc semirutis …, 1, 24 ff.), sowie in der Mitte und am Schluss des ersten Buches: Caesar stört den ländlichen Frieden 149 Zur metapoetischen Bedeutung des Diskurses um ethische Implikationen von Literatur cf. oben 29 ff. 150 Cf. Walde (2011), 300. 151 Cf. hierzu auch Hardie (2016a), 31–33: »baroque classicism«.

Das Proöm als Epilog 

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Italiens (die Waffen der Ariminenser, 1, 236 ff.) und Wunderzeichen künden vom Anfang des Krieges (ignota obscurae uiderunt sidera noctes …, 1, 526 ff.). Dass für Lucans Proöm, also die Verse 1–66, das Proöm und das Finale des ersten Georgica-Buches unmittelbar von Bedeutung sind, wird seit langem immer wieder betont;152 in der Interpretation dieser Beziehung besteht freilich keine Einigkeit. Angesichts der Prominenz der Georgica-Anspielungen im gesamten Bellum Ciuile ist es jedoch möglich und wegen der Eigenart von Lucans Motivtechnik auch nötig, dies im Zusammenhang damit zu sehen, was man ›Lucans Georgica‹ nennen könnte: die Affirmation des Idealen einerseits sowie der Hinweis auf die Unabwendbarkeit der Arbeit und die Möglichkeit des Scheiterns andererseits. Lucans Proöm, das vielleicht zu Unrecht als die berühmteste Passage des Gedichts gilt, hat Anlass zu derart umfangreichen und andauernden Diskussionen gegeben, dass ein erneutes Referat der verschiedenen Deutungen kaum mehr nötig ist.153 Ich fasse daher nur knapp zusammen: Da vielen das Nerolob (1, 33–66) mit Blick auf das Werkganze und die Vorstellung von Nero als Gewaltherrscher unpassend und in seinem Gehalt unerträglich erschien, hat man versucht, teils ausgehend von dem bereits in den Scholien erwogenen Spott über das vermeintliche Aussehen des Kaisers  – Leibesfülle, Kahlköpfigkeit, Schielaugen  –, teils wegen anderer suspekt scheinender Anspielungen, die Passage für subversiv zu halten.154 Dem wurde entgegnet, dass Nero zum einen wahrscheinlich nicht so hässlich war und dass zum anderen Lucans Panegyrik (zu der ja auch eine nicht mehr greifbare, vor dem Bellum Ciuile verfasste und prämierte laus Neronis gehört haben soll155) an sich keine Ausnahme darstellte, sondern den Konventionen der Zeit entsprach.156 Für diese Argumentation sind vor allem das im Folgenden zu behandelnde Georgica-Proöm und dessen Rezeption durch Manilius von Bedeutung. Hier beginnt aber erst das eigentliche Problem. Denn dass Lucans Elogium nicht auch auf raffinierte Weise mehrdeutig oder nachgerade bedeutungslos sein könnte, lässt sich mit dem Hinweis auf die zeitgenössische Panegyrik nicht 152 Cf. CB ad 1, 52; Heitland (1887), cxf. 153 Für einen Überblick cf. Roche (2009) ad locc.; Ambühl (2009), 105–115; Meier (2009); Esposito (2013). 154 ASL ad 1, 55; 57; CB ad 1, 53; 55; 57; 58; 59; – cf. Marti (1945); Griset (1954/1970); Johnson (1987), 121 f.; Hinds (1988), 26–29; Feeney (21993), 298–301; Leigh (1997), 23–26; Casali (2011); Nelis (2011). 155 Cf. Suet. vita Luc.: prima ingenii experimenta in ›Neronis laudibus‹ dedit quinquennali certamine. 156 Zur Ernsthaftigkeit bzw. Nicht-Subversivität des Proöms (wenigstens am Gedichtanfang) cf. Grimal (1960/1970); Thompson (1964); Thraede (1973), 284–288; Jenkinson (1974); Lebek (1976), 74–107; Bohnenkamp (1977); Paratore (1982); Arnaud (1987); Hunink (1993); Dewar (1994); Schubert (1998), 107–123; Holmes (1999); Narducci (2002), 22–26; Thome (2002); Tischer (2006), 206–209; Groß (2013), 50–60.

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beweisen.157 Andererseits kann aber aus der Beobachtung von Mehrdeutigkeiten selbstverständlich nicht folgen, dass Lucan eindeutig das Gegenteil dessen meint, was er sagt. Ebenso wenig folgt, dass eine doppelsinnige oder witzige Bedeutung, gerade wenn sie einen Princeps betrifft, notwendig versteckt (sozu­ sagen: für alle außer ihm selbst sichtbar) sein müsste und sich grundsätzlich im Widerspruch zu den Absichten des Herrschers zu befinden oder gar gegen ihn zu wenden hätte. Am deutlichsten akzentuiert wird die Schwierigkeit des Proöms durch folgende Frage: Wie ist die Beziehung zwischen dem Widmungsträger Nero und der Hauptperson Caesar zu deuten und, allgemeiner, welches Verhältnis kann zwischen dem Nerolob im Proöm und der Prinzipatskritik in der Eposhandlung bestehen?158 Hinzu kommen biografische Erwägungen. Zweifellos wird Lucan ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Grund gehabt haben, Nero kritisch gegenüberzustehen.159 Die Vermutung, dass im weiteren Verlauf des womöglich un­ vollendeten Werkes eine kritische Kommentierung oder die gänzliche Zurücknahme des Lobliedes stattgefunden haben könnte (oder noch hätte stattfinden sollen),160 ist daher zwar reizvoll. Es wird sich aber wohl kaum zeigen lassen, ob bzw. wann und wie genau sich Lucans Gemütsverfassung beim Schreiben wirklich gewandelt hat, und ob er womöglich ein Interesse hatte – so wie man sich gern Beethoven beim Ausradieren der Eroica-Widmung vorstellt  –, dass seine Leser diese Wandlung nachempfinden. In der Vacca-Vita wird zwar die Behauptung überliefert, dass die ersten drei Bücher gesondert herausgegeben worden seien; zu Lucans Schaffensprozess liegen uns jedoch keine gesicherten Kenntnisse vor. Ein Bruch in der Komposition ist jedenfalls weder offensichtlich noch plausibel.161 Nicht die Frage, wie das Proöm zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen 60 und 65 unter bestimmten Umständen ›wirklich‹ zu verstehen war,162 ist also

157 Cf. die jeweiligen Ansätze von Flume (1950/1970), 296–298; Pfligersdorffer (1959), 368–372; Häußler (1978), 69–80; Narducci (1979), 19–30; Ebener (1984); Ahl (1984), 70–77; Paulsen (1995); de Nadaï (2000), 35–43; Roche (2009), 1–10; Meier (2009); Penwill (2010); Ripoll (2010). 158 Zu dem Problem cf. umfassend Kimmerle (2015). 159 Cf. die Lebensbeschreibungen von Sueton und von ›Vacca‹; überdies Tac. ann. 15, 70; zu den nur schlecht re­konstruierbaren Vorgängen um Neros Ungnade und Lucans Publikationsverbot sowie den vielfältigen Versuchen, dies politisch auszudeuten und zu bewerten cf. z. B. Kimmerle (2015), 110–116. 160 Zur späteren Umwertung bzw. Rücknahme des Proöms insbesondere infolge des Bruchs zwischen Lucan und Nero cf. Lebek (1976), 104; Fantham (1992), 13 f.; Hinds (1998), 87 f.; Narducci (2002), 22–26; Radicke (2004), 516 f. 161 Cf. Roche (2009), 5–7; Fantham (2011). 162 Zu Meinungsäußerung und poetischer Vielstimmigkeit im Prinzipat cf. Kimmerle (2015), 86–116.

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tatsächlich interessant, sondern die Beobachtung, dass es spätestens dann auf mehr als eine Weise deutbar ist, wenn das Epos für die Leser plötzlich mit dem provozierend offenen Bild geendet hat, wie in Alexandria ein bedrängter Caesar sich daran erinnert, dass Scaeva einst Pompeius in Bedrängnis brachte. Dieses Phänomen nehme ich zum Ausgangspunkt für die folgenden Betrachtungen und lese das Proöm weniger als Einleitung, sondern gewissermaßen anstelle eines Schlusses. Was sich über den Eingang des Bellum Ciuile sicher sagen lässt, ist, dass er literarisch auffallend überdeterminiert ist.163 Anspielung folgt hier auf Anspielung, vielfältigste Assoziationen ergeben sich, eine lineare Interpretation ist kaum möglich. Es scheint eine wesentliche Funktion des Proöms zu sein, die intertextuellen Dimensionen des Gedichts zu umreißen und die Leser auf die daraus erwachsende Polyphonie der Erzählung hinzuweisen. Insbesondere ist nicht nur anzunehmen, dass diese Überdeterminierung die Intertextualität des Proöms in einem engeren Sinne betrifft (also intendierte Anspielungen und motivische Paradigmata), sondern auch solche Strukturen, die man als Meta-, Para-, und Epitextualität zu beschreiben versucht hat.164 Darunter ist im Fall des Bellum Ciuile sowohl die Literatur zu verstehen, auf die Lucan vielleicht nicht unmittelbar ›bewusst‹ anspielt, die aber für die Phänomene Panegyrik, Lob und Spott relevant ist und von den Lesern beachtet werden kann. Hinzu kommt, was höchstwahrscheinlich von vornherein über das Epos, namentlich die Widmung an Nero, geschrieben oder gesagt wurde, und in welchen Milieus dies jeweils stattfand.165 Lucan, der erfolgreiche Neffe des ›Ministers‹ Seneca,166 der Günstling und Künstlerfreund des Kaisers, schließlich der in Ungnade Gefallene, der Teilnehmer an der Verschwörung. War es jemals möglich oder intendiert, das Proöm unabhängig von irgendwelchen dieser Nebeninformationen zu lesen? 163 Cf. Getty (1940); Wuillemier / Le Bonniec (1962); Roche (2009) jeweils ad locc. und Narducci (2002), 18–41. 164 Für die Begriffe cf. Genette (1982/1993), 9–21; Genette (1987/1989), 9–21; 328–330: Unter Paratext kann allge­mein das ›Beiwerk des Buches‹ verstanden werden: also etwa Werktitel, der Name des Autors, Hinweise an den Leser usw; Epitext, streng genommen eine Unterkategorie, bezeichnet das ›Umfeld des Buches‹, sowohl Inter­v iews, Briefe etc. als auch Lesungen, mündliche Äußerungen etc. Ein Metatext ist diejenige Beziehung zwischen zwei Texten, die als ›Kommentar‹ wirkt. Dazu bedarf es nicht notwendig des Zitats. – Der Gebrauch der Begriffe in der Forschung ist freilich nicht ganz einheitlich. Zu Paratextualität als Phänomen im römischen Literaturbetrieb cf. Jansen (2014a). Für das Bellum Ciuile ist das auf Lucan bezogene Epigramm sunt quidam qui me dicant non esse poetam | sed qui me uendit, bybliopola putat (Mart. 14, 194) ein berühmtes Beispiel; ähnliches gilt für das Geneth­liacon des Statius und für die Berichte des Tacitus wie etwa ann. 15, 70. Zur Wirkung solcher Para- bzw. Metatexte auf die Lucanforschung cf. Esposito (2013). 165 Uns sind von dieser Sekundärliteratur heute nur die ›antineronischen‹ Adnotationes und die Commenta Ber­nensia greifbar. 166 Hierzu cf. Griffin (21992), 67–128.

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Hatte man nicht zwangsläufig aus mehreren möglichen, teils absichtlich, teils zufällig dissonierenden, eine bestimmte Lesart auszuwählen? Lisa Cordes hat hierfür den Begriff des ›preferred reading‹ fruchtbar gemacht:167 Als Teil einer kommunikativen Beziehung zwischen Sendern und Empfängern treffen Leser, bewusst oder unbewusst, eine Auswahl darüber, wie sie einen Text verstehen. Interessant ist der Fall, dass die Präferenzbildung als Teil der Interpretation vollzogen werden muss. Wie Richard Thomas im Hinblick auf Vergil gezeigt hat, reflektieren bereits die antiken rhetorischen Diskurse den Umstand, dass sowohl Leser als Autoren für bestimmte Kontexte der Möglichkeit interpretativer Ambivalenzen gewärtig sein mussten.168 In produktionsästhetischer Hinsicht aufschlussreich für die Wirkung panegyrischer Prophezeiungen ist beispielsweise eine Bemerkung Senecas: Er, der in der Apocolocyntosis den Anbruch einer neuen Goldzeit gefeiert hat, verurteilt im Jahr 64 in einem Luciliusbrief die Verehrung des Goldes und schreibt verächtlich (epist. 115, 12–13):169 accedunt deinde carmina poetarum, quae ad­ fectibus nostris facem subdant, quibus diuitiae uelut unicum uitae decus ornamentum­ que laudantur. nihil illis melius nec dare uidentur di inmortales posse nec habere […] denique quod optimum uideri uolunt saeculum aureum appellant.

Hinzu kommen die Werke der Dichter, die uns die Affekte entzünden, durch welche der Reichtum gleichsam als einzige Freude und Zierde des Lebens gelobt wird. Nichts Besseres scheinen ihnen die unsterblichen Götter zu haben noch geben zu können … Schließlich nennt man ›golden‹ dasjenige Zeitalter, von dem man will, dass es am besten scheine.

Zur Illustration des Gedankens zitiert Seneca aus Ovids Metamorphosen, nämlich die Beschreibung des Palastes bzw. des Sonnenwagens des Sol (Ov. met. 2, 1 f./ 107 f.). Den ›Prunk‹ in der Phaethonerzählung derartig zu kritisieren, muss – sofern man diese als Symbol kaiserlicher Herrschaftsrepräsentation auffasst – eine politische Dimension haben. Aber nicht schlechthin bedeutet dies Opposition.170

167 Cf. Cordes (2014), 343–346; zur Rezitationskultur in Rom cf. auch Leigh (2000b); Kennedy (1992), 46 f. Mehr­faches, kleinteiliges sowie hin- und herspringendes Lesen – zum Auswendiglernen oder aber zum besseren Ver­ständnis – wird von Quintilian empfohlen, cf. inst or. 10, 1, 19–21. 168 Cf. Thomas (2001), 7–11 mit Demetr. eloc. 291; Rhet. ad Her. 4, 67; Quint. inst or. 9, 2, 65 f. Darüber hinaus cf. auch Heckel (2009) zur Ironie und Heyworth (2016) zur Irrationalität, d. h. auch Widersprüchlichkeit als wichtigem Charakteristikum auguste­ischer Panegyrik. 169 Cf. auch Sen. epist. 115, 10 zur Korruption im Staat: haec ipsa res quae tot magistratus, tot iudices detinet, quae et magistratus et iudices facit, pecunia, ex quo in honore esse coepit, uerus rerum honor cecidit, mercatoresque et uenales in uicem facti quaerimus non quale sit quidque sed quanti; ad mercedem pii sumus, ad mercedem impii, et honesta quamdiu aliqua illis spes inest sequimur, in contrarium transituri si plus scelera promittent. 170 Cf. Champlin (2003), 127–129.

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Die Bedeutung des öffentlichen Interesses für den politischen Entstehungsprozess der Literatur ist in der Nerozeit keineswegs neu;171 ebenso ist zur Zeit Neros die Verlogenheit der Schmeichelei wahrscheinlich längst ein etablierter Topos.172 Es dürfte also für Lucan und seine Leser ein Problembewusstsein dafür bestanden haben, dass Panegyrik nicht eindeutig sein bzw. mutwillig umgedeutet werden kann. Ergibt sich hieraus nicht eine gewisse Trivialität des Offiziellen, wird hierdurch nicht notwendig eine gewisse Distanz zu politischen Beteuerungen gefördert, und der Blick vielmehr auf die künstlerische Gestaltung des Werks gelenkt? Oder anders gesagt: Wie wichtig kann ein Vorwort überhaupt sein? Um Nero geht es im Bellum Ciuile nicht, nur im Proöm. Insofern Intertextualität, zumal an einem herausgehobenen Ort wie einem Gedichtanfang, a priori das Potential für die verschiedensten Spannungen besitzt,173 ist die Wahrnehmung von ›Ironie‹ wohl tatsächlich unabweisbar – und zwar nicht notwendig als ein versteckter Hass gegenüber Nero (hierzu lässt der Text sich nicht befragen), sondern als künstlerisch anspruchsvolle und provozierende Offenheit zu Beginn einer Erzählung, die unbedingt gelesen werden will.174 Was kann also die Offenheit des Proöms zur Interpretation sowohl des Nerolobs wie des Bellum Ciuile insgesamt beitragen? Die These, der ich nachgehen möchte, lautet: Lucan lobt Nero, aber es geht nicht darum, ob er ihn ›wirklich‹ loben will, sondern darum, dass er ihn poetisch lobt. Die Verherrlichung als eine solche anzunehmen ist für die Leser eine ähnliche Aufgabe, wie insgesamt die Handlung des Bellum Ciuile zu akzeptieren. Wenn die ›Freiheit‹ Roms wirklich für immer verloren ist, werden die Römer ihren Frieden mit dem Prinzipat nie machen können. Vergil hat ein neues Goldenes Zeitalter erhofft und verheißen; ein Jahrhundert später äußert Lucan, als wäre nichts gewesen, denselben Wunsch. Wenn das neue Goldene Zeitalter ausgeblieben ist und so auch ein zweites Mal ausbleiben kann, wenn sich menschliches Hoffen und dichterisches Lehren als dauerhaft fruchtlos erweisen, dann kann der Bürgerkrieg keinen Sinn gehabt haben. Wenn Augustus an seinen Zielen gescheitert ist, kann ihn Nero entweder übertreffen oder ebenfalls scheitern. Daran lässt Lucan keinen Zweifel. Oder anders: Wenn der Princeps lobenswert 171 Cf. z. B. Tac. dial. 2, 1; 13, 1 f.; ann. 14, 50; Suet. Verg. 27 ff. Zu den politischen Rezep­ tionsbedingungen cf. Ken­nedy (1992); Wiseman (2015), 114–162. 172 Cf. Bartsch (1994), v mit Bezug auf Dion. Chrys. 6, 58 f.: τύραννος ὢν ἀκούοι κακῶς, ἐπαινούμενος δὲ οὐχ ἥδεται. οὐ γὰρ φρονοῦντας οὕτως οἴεται λέγειν; Paulsen (1995), 199 auf Augustins, conf. 6, 6: quam miser eram […] die illo, quo, cum pararem recitare imperatori laudes, quibus plura mentirer, et mentienti faueretur ab scientibus; Thome (2002) auf Iuv. 4, 70: nihil est quod credere de se | non possit cum laudatur dis aequa potestas. 173 Cf. z. B. Conte (1974/1986), 23–31; mit Blick auf Lucans Proöm Nelis (2011). 174 Hierzu cf. Heckel (2009), 21 f. zur Romantischen Ironie bzw. Fiktionsironie als künstlerischer Selbstvernichtung: »Der fiktionsironische Künstler repräsentiert einen Teil der Welt durch sein Kunstwerk und gibt gleichzeitig zu verstehen, dass die Repräsentation nicht der Welt entspricht.«

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ist, ist das Lob ein Lob. Wenn nicht, nicht. – Ich untersuche zunächst die Komposition des Proöms mit Blick auf die Georgica (4.3.1), danach richte ich den Blick auf andere panegyrische Gedichte der Nerozeit, um die Beobachtungen zu kontextualisieren (4.3.2).

4.3.1 Die Komposition: Panegyrik und Antipanegyrik Die folgenden Überlegungen nehmen ihren Ausgang davon, dass das Bellum Ciuile bereits vom ersten Anfang an ein ›abhängiges‹ Gedicht sein will, und dass die Referenzen auf Vergil als die wichtigsten Anspielungen im Proöm gelten dürfen; schon sie allein sind verwirrend vielfältig. Ich möchte zunächst exemplarisch einige Aspekte des Proöms betrachten, um zu rekapitulieren, dass das Lob ein regelgerechtes, in der Tradition verankertes Lob ist, das so ›ernst‹ oder ›geheuchelt‹ sein kann wie jede andere Panegyrik auch. Hier zeigt sich die Wirkung der intertextuellen Überdetermination: Ein und dieselbe Passage kann, je nach Kontextualisierung, unterschiedlich erscheinen. Insbesondere auf den impliziten Vergleich Neros mit Phaethon trifft das zu. Hierbei ist grundsätzlich zu bedenken, dass Nero nicht nur Adressat des Proöms, sondern, sozusagen gemäß Protokoll, auch der erste und – das ist angesichts der virtuosen Anspielungstechnik durchaus bedeutsam – künstlerisch fähigste Leser ist. Im Anschluss möchte ich die übergreifende Bedeutung der Anspielungen etwas genauer untersuchen. Insofern die Intertextualität des Proöms die Wiederholbarkeit von Formen betont, wird der Blick der Leser auf den Umstand gerichtet, dass Sinn aus dem Bürgerkrieg nur dann konstruiert werden könnte, wenn sich der Schrecken gerade nicht wiederholt. Für das Bellum Ciuile, in dessen Handlung das wiederholte Scheitern ein grundlegendes Motiv ist, wird damit aber besonders deutlich, wie sehr jede Panegyrik von vornherein ihre eigene Verneinung in sich trägt.

a) Die Intertextualität des Proöms (1) Der Werkanfang. Lucans bella (1, 1) deuten, mit unheroischem oder geradezu unepischem Gestus, auf die arma der Aeneis, und mit den emathischen Feldern ist der Schluss des ersten Georgica-Buches aufgerufen; vor allem ab dem Vers at nunc semirutis (24), wo die Beschreibung der Kriegsschäden in Italien einsetzt, wird diese Beziehung bekräftigt. Hier erscheint zuerst der Gedanke der unmittelbaren Betroffenheit von Erzähler und Lesern. Auch im Georgica-Proöm ist das so; in 1, 24 wird zum ersten Mal das Augenmerk auf die unmittelbare Gegenwart gerichtet, mittels der Verherrlichung des Princeps. Lucan bedient sich aber noch anderer Ordnungsprinzipien: Der erste Satz des Bellum Ciuile, die Nennung des Themas, erstreckt sich über sieben Zeilen, in der achten folgt dann

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eine Frage nach den Ursachen.175 In derselben Weise beginnen die Ilias und die Aeneis; und es ist zu sehen, dass am Ende des siebten Verses bei Homer δῖος Ἀχιλλεύς steht, bei Vergil moenia Romae und bei Lucan pila minantia pilis.176 Es geht nicht um Helden und nicht um die gute Sache, sondern um die Verbrechen des Bürgerkrieges. (2) Der Eingangssatz. Die Einleitung der Aeneis endet in Vers 33 mit dem zentralen Satz: tantae molis erat Romanam condere gentem. Bei Lucan setzt an dieser Stelle, in Vers 33, ein neuer Gedanke ein, der aber eine ähnliche Wirkung hat: quod si non aliam uenturo fata Neroni | inuenere uiam […] non querimur (33–37). Hier beginnt das Nerolob. Man kann den Satz so verstehen, als ob sich in Nero die Bestimmung römischer Herrschaft vollende. Allerdings weist das Motiv vom ›Weg des Schicksals‹ auf ein wichtiges teleologisches Problem der Aeneis.177 Im ersten Buch hat Jupiter die ewige Herrschaft des von Aeneas zu begründenden Geschlechts versprochen (1, 278 f.). Helenus scheint dies mit seiner Prophezeiung gegenüber Aeneas zu betätigen, er erklärt: ›fata uiam inuenient‹ und fügt hinzu: ›et aderit uocatus Apollo‹ (3, 395). Im zehnten Buch jedoch gebraucht Jupiter dieselben Worte, um zu erklären, dass er in den Kampf zwischen Aeneas und Turnus nicht eingreifen wolle: ›sua cuique exorsa laborem | fortunamque ferent. rex Iuppiter omnibus idem, | fata uiam inuenient‹ (10, 111 ff.). Worin die Macht des Fatums besteht, wenn gerade die Menschen Erfolg oder Misserfolg selbst erringen können, bleibt hier, wenigstens für einen Moment, undeutlich;178 Servius kommentiert: et uidetur hic ostendisse, aliud esse fata, aliud Iouem (10, 113). Aus dieser Stelle lässt sich – wenn auch nicht unmittelbar für die Handlung der Aeneis – ein unbehaglicher Gedanke ableiten: Wenn dem Fatum die göttliche Legitimation fehlt, kann es durchaus auch immoralisch sein (und insofern keinesfalls lobenswert). Was das für das Bellum Ciuile bedeutet, hat Matthew Leigh erklärt: »Lucan’s coup, however, lies in his capacity to point up the inadequacies of the figure as he employs it.« Das Schicksal, wie es im Bellum Ciuile erscheint, ist nicht erfreulich: »While the loss is ever visible, the profit is not there to be found.«179 Über die Schwierigkeit des Eingangssatzes und seine Beziehung zum Rest des Elogiums wird im Folgenden noch mehrfach zu sprechen sein. 175 Zur Komposition der ersten Verse, namentlich der identischen Hexameterform in Aen. 1, 1 und Lucan. 1, 1 sowie Aen. 1, 33 und Lucan. 1, 33 cf. Malcovati (1951/1970), 302–304.; Lebek (1976), 30 f. 176 Hierzu cf. überdies Conte (1970), 136 mit Enn. ann. 570 V = 582 Sk: pila retunduntur uenientibus obuia pilis: »Che vuol dire: Omero e Virgilio sí, ma anche l’epos storico romano.« 177 Cf. Harrison (1991) ad loc. sowie ad 10, 8. 178 Cf. auch Aen. 10, 107 f.: quae cuique est fortuna hodie, quam quisque secat spem, | Tros Rutulusne fuat, nullo discrimine habebo; und demgegenüber Jupiters Prophetie in 1, 257 ff., bes. 278: his ego nec metas rerum nec tem­pora pono; | imperium sine fine dedi. Zur Macht Jupiters und zum Theodizeeproblem ist viel geschrieben worden; nach wie vor gültig ist Heinze (31914), 293–299. 179 Cf. Leigh (1997), 24; ähnlich Narducci (1979), 25.

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(3) Verherrlichung und antizipierte Apotheose. Lucans Nerolob umfasst 33 Verse und nimmt damit ebenso viel Raum ein wie der bisherige Teil des Proöms. Diese Aufteilung findet sich ähnlich auch in den Georgica, wo die Anrede an den Princeps (georg. 1, 24–42) mit 19 Versen gleich lang ist wie die Anrufung aller anderen Götter zusammen (5–23). Inhaltlich greift Lucan vor allem Vergils in den Georgica in Aussicht gestellte Apotheose auf, indem er darüber nachdenkt, welcher himmlische Herrschaftsbereich für den Vergöttlichten angemessen wäre und welcher nicht (quis deus esse uelis, 52; quidquid eris, georg. 1, 36).180 Insofern betrifft der Beginn des Bellum Ciuile die augusteische Kultur: Wird das vergilische Herrscherlob zuungunsten von Nero in sein Gegenteil verkehrt, wie vor kurzem noch Sergio Casali behauptet hat,181 oder wird es, wenngleich etwas gesteigert, für den Ururenkel des Augustus fortgeführt?182 Formal gesehen scheint Letzteres der Fall zu sein: Lucans tibi numine ab omne cedetur (50) ist ein wenig pompöser, aber in seinem Gehalt nicht neu.183 Die Identität mit Jupiter hat, wenn auch nicht so offenkundig, bereits Vergils Lobpreis enthalten (vor allem das adnue coeptis lässt sich so deuten184). Bei Manilius heißt es zudem ganz eindeutig: concessumque patri mundum deus ipse mereris (Manil. 1, 9).185 Wegen seiner Göttlichkeit kann auch der Kaiser für den Lehrdichter inspirierend sein: das animum uiresque facis ad tanta canenda (Manil. 1, 10).186 Lucans tu satis ad uires Romana in carmina dandas (66) ist also weder theologisch noch poetologisch ungewöhnlich.187 Überdies ist angesichts der staatlich durchgeführten Apotheosen eine Ankündigung der baldigen Vergöttlichung des Kaisers keine schmeichelhafte Lüge, sondern lediglich eine naheliegende Vermutung. 180 Cf. Paratore (1982); Thome (2002). 181 Cf. Casali (2011), 92: »Lucan exacerbates, interprets, or misinterprets the Vergilian ambivalence in a way neither ambiguous nor subtle, but instead clear and obvious [… Lucan’s poetic interpretation strives] to depict the Geor­gics in a gloomy, negative light.« 182 Cf. z. B. Fantham (1996), 161: »Lucan’s dedication goes only a little further than Virgil’s Georgics 1 in its pane­g yric, and his first three books damn Caesar, rather than the line of the Caesars«; ähnlich Penwill (2010). 183 Das Gewicht Neros (aetheris immensi partem si presseris unam, | sentiet axis onus, 1, 56 f.) ist Ausdruck seiner Göttlichkeit, cf. Hom. Ε 838 f.; Ap. Rh. 2, 539; 2, 679 f.; Call. hymn. 2, 1.; Sen. Herc. Oet. 794 f. Zur Fehlinterpre­tation der Scholiasten cf. Grimal 1960/1970; Dewar (1994). 184 Cf. Thomas (2001), 45–51. 185 Zu Lucans Anspielungen auf Manilius cf. Hosius (1893), 393–396; Schwemmler (1916), bes. 11.; Fratantuono (2012), passim; Galli Milić (2016). 186 Ähnlich auch Ov. fast. 1, 17 [über den gottgleichen Germanicus]: da mihi te placidum, dederis in carmina uires; 2, 17 f. [über Augustus] ergo ades et placido paulum mea munera uoltu | respice. 187 Das te pectore accipio (63) muss nicht für die Anrede an einen noch nie dagewesenen Gottmenschen gelten, cf. Schubert (1998), 120 f. Insofern hier auf Ascanius’ Worte zu Eurya­ lus gedeutet ist: [te,] uenerande puer, iam pec­tore toto | accipio (Aen. 9, 276 f.), wird die Beziehung zwischen Dichter und Kaiser nicht nur als besonders innig, sondern auch, allem Numinosen zum Trotz, als sehr menschlich dargestellt.

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Eine weitere wichtige Beziehung zu den Astronomica ist zu sehen: Lucans seu te flammigeros Phoebi conscendere currus (1, 48) scheint einen Vers aus dem Proöm zu Manilius’ fünftem Buch aufzugreifen: cum semel aetherios ausus conscendere currus (Manil. 5, 10).188 Der Lehrdichter spricht an dieser Stelle über sein eigenes poetisches Tun, der currus ist hier ein ›Dichterwagen.‹189 Vor diesem poetologischen Hintergrund bekommt Lucans Phoebi currus eine Akzentuierung, die durchaus auch als Reverenz vor dem Künstler Nero verstanden werden kann.190 (4) Der Blick auf Zukunft und Vergangenheit. Interpretationsbedürftig ist der Gedanke, dass Nero das Leid des Krieges übergenug aufwiege. Der schwierige Bezug zum fata uiam inuenient der Aeneis wurde eben schon kurz ausgeführt. Es ist aber darüber hinaus zu sehen, dass Lucans Georgica-Anspielungen diese Schwierigkeit bekräftigen. Neros Herrschaft als Folge des Bürgerkrieges zu begreifen, bedeutet ein gedankliches Nebeneinander von Freude und Schrecken. Dieses Motiv findet sich auch in den Georgica: Ganz am Ende der Apostrophe erscheint ein Gedanke trauernden Mitfühlens: ignarosque uiae mecum miseratus agrestis (1, 41). Die Orientierungslosigkeit der Bauern kann hier als eine fortdauernde Kriegsverletzung verstanden werden. Am Schluss des Buches, weit entfernt vom Proöm, wird dies mit dem Gleichnis vom hilflosen auriga expliziert (georg. 1, 512 ff.): Es ist nicht gut, wie es ist. Neubeginn und Wiederaufbau können immer noch scheitern, denn was geschieht, wenn der unkontrollierbare Wagen verunglückt? Aber es muss gut werden, damit ein Weiterleben überhaupt möglich ist. Die Bauern müssen wieder einen Weg finden. – Der Dichter kann das benennen, aber allein der Princeps hat es in der Hand. In den Georgica sind diese Gedanken unverbunden, hinter dem Hoffen liegt, scheint es, etwas Unausgesprochenes. An diesem Punkt entfaltet sich ganz besonders, was man ver­ einfachend den ›Pessimismus‹ dieses Gedichts genannt hat und vielleicht eher Kontrapunkt hätte nennen sollen.191 Die Spannung zwischen der unverzeihlichen Vergangenheit und der wünschenswerten Zukunft ist hier kaum auflösbar; das Georgica-Proöm wird dadurch zu einer Herausforderung für die Leser. Die Forschungsfrage, ob die verschiedenen Teile des Gedichts, namentlich das skeptische Finale und das zuversichtliche Loblied auf Oktavian, zu verschie­ denen Zeiten geschrieben wurden bzw. in welchem Verhältnis sie zueinander 188 Cf. Schwemmler (1916), 9 f. 189 Cf. auch Lucr. 6, 47: quandoquidem semel insignem conscendere currum; zu Manilius cf. Hübner (2010) ad loc. 190 Dies allein genügt zwar nicht, die Beobachtung von Meier (2009) zurückzuweisen, wonach ein wesentliches Problem des lucanischen Nerolobs im Verschweigen der künstlerischen Tätigkeit Neros besteht (denn tatsächlich könnte man, wenn man will, diesen Vorwurf aus dem Proöm ableiten). Aber es lässt sich immerhin vermuten, dass Lucan den ›Dichterfürsten‹ keineswegs ganz offensichtlich hat übergehen wollen. 191 Hierzu cf. oben 127 No. 365.

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stehen,192 ist ein Ausdruck davon. Lucan ruft dieses komplizierte Verhältnis gezielt auf, indem er einerseits in sein Nerolob ein Bild des Friedens (60–66) einfügt, das allgemein den Friedenswunsch aus dem Finale des ersten GeorgicaBuches und die Idealvorstellung vom friedlich-ländlichen Italien (georg. 2, 458– 540) reflektiert, und indem er andererseits mit dem Motiv des Sonnenwagens Neros gelingende Herrschaft über die Natur prophezeit (48–50). (5) Das Phaethonmotiv. Die Gedankenführung bei Lucan ist, anders als in den Georgica, aber der Ausrichtung seiner Erzählung entsprechend, historisch: Der Dichter schaut gleichzeitig auf Anfang und Ende des Bürgerkrieges, stellt eindeutig die Frage nach dem Fazit und spricht sich für Gewinn statt Verlust aus. Ein vergleichender Blick auf die kontrastreiche Struktur des ersten GeorgicaBuches macht erst recht deutlich, dass, was Lucan schreibt, auffällig unzweideutig ist. Während bei Vergil das Motiv vom hilflosen Wagenlenker auf das Bild des weltbeherrschenden Caesar folgt und ihm widersprechen könnte, ist bei Lucan dasselbe Motiv im Bild des Weltbeherrschers aufgehoben. Insofern hat Wolfgang-Dieter Lebek zu Recht betont, dass die Identifikation von Nero und Phaethon beleidigend wirken könnte, dies aber dem Wortsinne nach nicht tut (1, 45–52):193 […] te, cum statione peracta45 astra petes serus, praelati regia caeli excipiet gaudente polo: seu sceptra tenere seu te flammigeros Phoebi conscendere currus telluremque nihil mutato sole timentem igne uago lustrare iuuet, tibi numine ab omni50 cedetur, iurisque tui natura relinquet quis deus esse uelis, ubi regnum ponere mundi.

Wenn du, spät, nach durchlaufener Bahn, zu den Sternen emporstrebst, wirst du den Himmelspalast vorziehen. Und er wird dich aufnehmen, zur Freude des ganzen Firmaments: Sei es, dass dir das Szepter zu halten gefällt, sei es den flammentragenden Wagen des Phoebus zu besteigen und die Welt, die nichts fürchten wird, wenn die Sonne sich dann gewandelt hat, mit umherschweifendem Feuer zu erhellen: Jede Gottheit wird dir Platz machen. Die Natur wird dir das Recht überlassen zu entscheiden, welcher Gott du sein willst, und von wo aus du über die Welt herrschen willst.

»Lucan versperrt einer solchen Auslegung von vornherein den Weg.«194 Es scheint in der Tat, dass die Phaethongestalt in einer Überlagerung mit Sol und 192 Cf. Bayet (1930); Richter (1957), ad georg. 1, 509 ff. datiert Teile des Finales als früh, um 39/38; dagegen Klingner (1963), 63–69; Erren (2003), 262. Zur Spannung zwischen dem zuversichtlichen Proöm und dem skeptischen Finale (das so wirken kann, als ob der Sieg von Actium noch nicht gewesen wäre) mit Blick auf Lucan: De Nadaï (2000), 38–41; Nelis (2011). 193 Bei astra petes serus hat man sicher an Hor. carm. 1, 2 45: serus in caelum redeas zu denken. In der Ode wird Oktavian als derjenige verehrt, der die Verbrechen der Menschen entsühnt. 194 Lebek (1976), 86, cf. auch ibid. No. 31; ähnlich, mit etwas anderen begrifflichen Kategorien Cordes (2014), 365–367.

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Apoll gerade auf Neros Betreiben hin in der zeitgenössischen Herrschaftsrepräsentation eine neubewertete, heroische Stellung hatte.195 Man hat auf ein Bonmot eines heute unbekannten, von Seneca zitierten Dichters hingewiesen, womit das Sublime des Phaethon auf eine Formel gebracht wird: si cadendum est, e caelo cecidisse uelim (Sen. nat. 6, 2, 9).196 Das Phaethonmotiv kann verwendet werden, um dem Kaiser zu huldigen, und Lucan greift diesen Umstand auf. Aber wie bereits unter (4) festgestellt: Das Problem ist, dass die auktoriale Eindeutigkeit nicht allein wirksam ist. Die Sage von Phaethons Fall und die Endgültigkeit dieses Falls kann man verschieden deuten, ignorieren kann man sie nicht. Das Sublime bedarf stets eines bestimmten Blickwinkels. Selbstverständlich enthält Lucans Anspielung, insofern sie Anspielung ist, auch all das Problematische und Tragische, das sich mit Phaethon verbinden lässt. Die Beziehung zu Vergils – seinerseits implizit auf Phaethon deutenden – auriga (georg. 1, 514) ist ebenso unverkennbar wie die zu Ovids Phaethonerzählung (met. 1, 750–2, 400).197 Die Leser sollen daran denken, dass Phaethon gescheitert ist, dass also ein Kaiser sozusagen vom Himmel auch wieder herabfallen kann. Claudius ist dies, nach der Darstellung Senecas in der Apocolocyntosis, gerade widerfahren,198 und auch die Herrschaft Caligulas scheint Seneca kritisch mit einem Phaethonmotiv verglichen zu haben.199 Lucan nutzt allerdings das auriga-Motiv der Georgica nicht dafür, um eine bestimmte Bedeutungsebene hervorzuheben, sondern um auf die Interpreta­ tionsbedürftigkeit und die geradezu generische Unglaubwürdigkeit von Panegyrik hinzuweisen. Wenn nicht das Gegenteil des im Proöm Gesagten gemeint ist, sollten keine Zweifel bestehen, dass Nero als Lenker nicht scheitern wird und dass die Erde also nichts zu fürchten braucht. Aber es gibt keine Garantie dafür, dass nicht das Gegenteil gemeint ist. Die Möglichkeit, als ›preferred reading‹ eine subversive Lesart zu wählen, besteht; und sie besteht vor allem wegen der 195 Zu Nero als neuem Phaethon, auch in seiner Selbstdarstellung, cf. Suet. Nero 22, 24, 53; überdies Champlin (2003), 112–144; Rebenich (2009), 40–43. Die Vermutung von Auhagen (1999), das Phaethonmotiv des Proöms und die Erwähnung des Mythos in 2, 410 ff. solle auf den Brand Roms im Jahr 64 anspielen, geht zu weit, vor allem wegen der fraglichen Datierung der ersten Bücher und des uns gänzlich unbekannten Gedichtes de incendio urbis (auch wenn es gute Gründe für die Annahme gibt, dass Statius sich im Genethliacon darauf bezieht – dices culmi­nibus Remi uagantis | infandos domini nocentis ignes, silv. 2, 7, 60 f. –, bleibt der Inhalt doch ganz unklar). 196 Cf. Duret (1988); Rebenich (2009), 41. – Der üblicherweise bei Seneca gelesene Name Vagellius ist unsicher. Seneca zitiert den Vers mit Blick auf die eigene Sterblichkeit und fügt hinzu: idem licet dicere: si cadendum est, cadam orbe concusso, non quia fas est optare publicam cladem, sed quia ingens mortis solacium est terram quoque uidere mortalem (nat. 6, 2, 9). 197 Cf. ASL ad loc.; Hinds (1988), 23–29; Nelis (2011); Keith (2011), 118–122. 198 Dieser Gedanke kann sehr wohl im Interesse der Regierenden liegen, jedenfalls stellt Plinius das später so dar: dicauit coelo […] Claudium Nero, sed ut irrideret (paneg. 11, 1). Ähnlich Tac. ann. 13, 3, 1. 199 Cf. Sen. dial. 11, 17, 3; dazu Degl’Innocenti Pierini (1990), 251–270.

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eindeutig problematischen Assoziationen, die durch die gewählte Motivik hier ebenfalls zugelassen werden: Die Phaethon-Sage hat nun einmal keinen guten Ausgang. Der Erzähler verweist hierauf später auch im mythologischen Exkurs über den Po: succendit Phaethon flagrantibus aethera loris (2, 413). Die unbegrenzte Zuversicht, die der Dichter gerade angesichts der von ihm verwendeten Motivik bekundet, könnte die Leser dann also noch dazu ermuntern, das Elogium cum grano salis zu nehmen oder (dass der Übergang fließend ist, ist gerade das Reizvolle) kritisch zu deuten. Das gilt besonders für Leser, die womöglich bereits Zweifel an der Aussage des Proöms empfinden, etwa weil sie das Gedicht mittlerweile zu Ende gelesen haben. So wird ein reizvoller Umstand offenbar: Sofern die Leser sich wirklich für ein ›preferred reading‹ definitiv entscheiden wollten, müssten sie sich auch auf den mit der jeweiligen Variante verbundenen hermeneutischen Zirkel einlassen. (6) Das ›andere‹ neue Goldene Zeitalter. Das zukünftige göttliche Walten Neros, heißt es, wird schließlich vollends bezeugen, dass sich der Bürgerkrieg in Nero und erst in Nero zum Guten gewendet hat (60–66): tum genus humanum positis sibi consulat armis60 inque uicem gens omnis amet; pax missa per orbem ferrea belligeri conpescat limina Iani. sed mihi iam numen; nec, si te pectore uates accipio, Cirrhaea uelim secreta mouentem sollicitare deum Bacchumque auertere Nysa: 65 tu satis ad uires Romana in carmina dandas.

Dann soll das Menschengeschlecht die Waffen niederlegen und zu seinem eigenen Wohl handeln, alle sollen sich gegenseitig lieben. Frieden soll auf der Welt sein und die eisernen Schwellen des kriegführenden Janus versperren. Doch für mich bist du jetzt schon ein Gott. Wenn ich, der Sänger, dich in meinem Herzen empfange, will ich nicht den Gott bedrängen, der die Geheimnisse von Cirrha bewegt, oder Bacchus von Nysa abwenden. Du genügst, mir die Kraft für römische Verse zu geben.

Umfassende Gerechtigkeit, Schließung des ›eisernen‹ Janustempels, ewiger Frieden.200 Diese Goldzeitmotivik stammt offenkundig aus zweiter Hand. Originell ist allerdings, dass Lucan sie, anders als Vergil in den Georgica, in sein Proöm integriert. Zudem fällt auf, dass wörtliche Anspielungen auf die augusteische Literatur an dieser Stelle anscheinend ebenso vermieden sind wie eine klare Erinnerung daran, dass bereits Augustus Frieden geschaffen hat. Es heißt hier nicht wie in späterer Zeit felicior Augusto.201 Lucans Panegyrik soll einerseits offenbar keine Wiederholung von etwas bereits Gesagtem sein, sondern eher eine Ersetzung, als hätte es ein ›Vorbild‹ nie gegeben.202 Andererseits lässt sich aber 200 Nero hat den Janustempel geschlossen und dies auch propagandistisch ausgebeutet, hierzu cf. Roche (2009) ad loc. 201 … melior Traiano, cf. Eutr. 8, 5, 3; ähnlich bereits Plin. paneg. 71, 4. 202 Die Ähnlichkeit zur metapoetischen Dimension und zum primus-Topos ist hierbei bemerkenswert. Hierzu cf. Hinds (1998), 52–63; Meban (2008). Dass das ›Original‹ erkennbar bleibt, macht gerade den Reiz aus.

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die Erinnerung an Augustus selbstverständlich nicht vermeiden. Auffälligerweise wird Nero nicht ausdrücklich für die Beendigung der Bürgerkriege verantwortlich gemacht (auch dieser Gedanke hätte sich ja konstruieren lassen203). Das Bild, auf das es ankommt, besagt: Nero ist scheinbar der zweite, in Wahrheit aber der erste goldzeitbringende Weltenretter. Die Rechtmäßigkeit des gleichlautenden früheren Herrscherlobs wird kaum verhohlen als irrtümlich zurückgewiesen.204 Die ›positive‹ Dimension der wiederholten Panegyrik besteht darin, dass Augustus herabgesetzt wird und Nero Augustus übertrifft. Wie Damien Nelis betont hat, wird Vergils chaotische Vision tot bella per orbem (georg. 1, 505) im Nerolob deutlich in ihr Gegenteil verkehrt: pax missa per orbem (1, 61); Lucans Zusammenführung von Anfang und Ende des ersten Georgica-Buches zeigt sich auch hier.205 Insbesondere kann sich Lucan die Befürchtung des politischen Scheiterns zunutze machen, die in den Georgica deutlicher als in der vierten Ekloge und in der Aeneis ausgeführt wird und die im Nachhinein, nach der (von Vergil nicht mehr miterlebten) Etablierung der augusteischen Monarchie und nach der Regentschaft von Tiberius, Caligula und Claudius, ganz anders betrachtet werden kann.206 Hierdurch wird ein kritischer Rückblick möglich: Wenn Lucan auf Ambiguitäten in den Georgica hinweist bzw. durch die Art seines Verweises solche konstruiert, hat dies nicht nur eine literaturkritische Bedeutung, die besagt: ›So können wir als aufmerksame Leser die Stellen verstehen‹, sondern auch eine historiographische: ›So müssen wir die Stellen heute verstehen.‹ Augustus wird, auch stellvertretend für seine Nachfolger, zum gescheiterten Princeps.207 Indem die Schlachten von Mutina und Actium, die Belagerung von Perusia und der Sizilianische Krieg (41 ff.) erwähnt werden, sind er und Caesar, der Usurpator, einander gleichgestellt. In wenigen Zeilen geschieht hier unaufwendig, direkt und effektiv, was Augustus seinerzeit so sehr zu vermeiden gesucht hatte: Es entsteht der Eindruck, dass er den Bürgerkrieg seines Adoptivvaters nicht nur beendet, sondern vorher erst noch zu seinen Gunsten erneut begonnen hat. (7) Das Gigantenmotiv. Kritik an Augustus kann auch darin gesehen werden, wie Lucan die Göttermetaphorik verwendet. ›Wenn es keinen anderen Weg gegeben hat, wenn Götter und Giganten kämpfen mussten, bevor Jupiter herr 203 So scheint Calpurnius zu verfahren, cf. 1, 46 ff., dazu auch unten, 300. 204 Plinius bedient sich einer ähnlichen Technik, deutet aber zudem an, dass dann auch neue Motive gefunden werden müssen, cf. Kersten / Syré (2013). 205 Cf. Nelis (2011), 262. 206 Prägnant ist die Bemerkung von Narducci (2002), 19: »Il pessimismo di Virgilio georgico era più consono al poeta della Pharsalia che con l’ideologia ›conciliatrice‹ dell’Eneide.« 207 Cf. auch Sen. clem. prooem. 5: rarissimam laudem et nulli adhuc principum concessam concupisti innocentiam. non perdit operam nec bonitas ista tua singularis ingratos aut malignos aestimatores nancta est. […] sed ingens tibi onus imposuisti; nemo iam diuum Augustum nec Ti. Caesaris prima tempora loquitur nec, quod te imitari uelit, exemplar extra te quaerit. Zur Überbietung der Augustuspanegyrik cf. Lebek (1976), 105 f.; Küppers (1985), 353.

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schen konnte …‹: Der Kampf der Götter ist ein zentraler Bestandteil augusteischer Herrschaftsrepräsentation. In panegyrischer Hinsicht ist dabei vor allem dasjenige Motiv bedeutend, das Philip Hardie als ›römische Gigantomachie‹ bezeichnet hat und das durch seine ex-eventu-Darstellung geprägt ist:208 Wie der Kampf dargestellt ist, scheint zwar scheint die Weltordnung gewaltig bedroht, aber tatsächlich besteht für die Leser bzw. Betrachter kein Zweifel, dass die Götter siegen werden, weil sie ja, wie am Fortbestand der Welt (und der Existenz des Kunstwerks) erkennbar ist, offensichtlich bereits gesiegt haben.209 Dieser gewissermaßen undramatische Gedanke bestimmt die Schildbeschreibung im achten Aeneis-Buch und mehr noch die vierte Römerode des Horaz: uis consili expers mole ruit sua (carm. 3, 4, 65 ff.). Der Sieg der Götter bzw. des Augustus ist großartig, denn die Feinde sind mächtig, aber er ist auch unvermeidbar, denn es sind eben die olympischen Götter, gegen die diese Feinde kämpfen.210 Lucan greift die Gigantomachiemotivik auf und wendet sie direkt auf den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius an.211 Das ist nicht nur deswegen hintersinnig, weil Augustus’ finaler Sieg bei Actium gerade ein Sieg über ›gigantische Ägypter‹ und nicht über ›olympische Römer‹ sein sollte; sondern auch deswegen, weil hier wiederum zwei unvereinbare Sichtweisen nebeneinander gestellt sind: der betrübliche und kaum zu rechtfertigende Bürgerkrieg und der sublime, für den entfernten Betrachter erbauliche Kampf zwischen eindeutig unterscheidbarem Gut und Böse.212 Dieses Nebeneinander ermöglicht aber nicht nur, dass der Bürgerkrieg doch irgendwie heroisch und großartig erscheinen kann. Ebenso erscheint auch das Erhabene, auf das Augustus anscheinend so viel Wert gelegt hat, 208 Cf. Hardie (1986), 85–156, zum Gegensatz der gigantomachischen Motivik in der Sturmepisode (Aen. 1, 50 ff.) und der Schildbeschreibung (Aen. 8, 698 ff.). 209 Ein wirksames Motiv scheint hierbei das überlegene Lachen Jupiters zu sein, cf. ­Fucecchi (2013), 113 mit Stat. Theb. 10, 907 f.; Nonn. Dion. 2, 356 (cf. auch Hes. op. 59). 210 Cf. auch Prop. 2, 1, 39 ff.; Ov. met. 1, 151 ff., bes. 176: Palatia caeli, 200 f.: sic, cum manus inpia saeuit | sanguine Caesareo Romanum extinguere nomen … 211 Hierzu cf. Feeney (21993), 297–299; Chaudhuri (2014), 156–194, bes. 170–176 mit Blick auf das Werkganze, insbesondere zur Rede der Massilioten (3, 315 ff.), wo Caesar als Jupiter apostrophiert und um Gnade angefleht wird, dies aber zurückweist. Die Leser können dies mit dem Nerolob vergleichen. Freilich ist das Gigantenmotiv nicht einheitlich; insofern kann es (und soll es vielleicht) zu interpretatorischer Verunsicherung führen. Die Mas­silioten (3, 314 ff.) beschreiben den Bürgerkrieg als kosmischen Vorgang, in dem man eben nicht Partei zu bezie­hen habe, auch nicht, um Jupiter zu unterstützen. In 7, 144 ff. wird die Rüstung der Pompeianer mit der Rüstung der Götter gegen die Giganten verglichen; dazu cf. Fantham (1992a), 104 f. Hier ist das Vergleichspotential in der ty­pischen Weise der subjektiv fokalisierenden und objektiv unangemessenen Pompeiusgleichnisse problematisiert. 212 Fucecchi (2013) behandelt das nicht retrospektive ›reenactment‹ des Gigantenkampfes in den flavischen Epen; die Giganten dienen zwar verschiedentlich zum Vergleich bzw. zur Erinnerung, aber ihr Kampf ist vorbei; andere, neue Kräfte sind am Werk. Auch wenn der Himmel wiederum siegt (und gewissermaßen siegen muss), ist doch hierdurch auf die Fragilität der Ordnung gedeutet.

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profan. So wird hier augusteische Propaganda mit augusteischen (oder besser: vergilischen) Mitteln problematisiert.213 Indem Lucan die vergilische Augustuspanegyrik für Nero explizit wiederholt, kann er sie gleichzeitig poetisch affirmieren und politisch dekonstruieren. Sie ist aber dadurch nicht für Nero in ihr Gegenteil verkehrt. Es wird vielmehr gefragt, ob sie bei ihm eine zweite Chance erhalten kann, und was dies bedeuten würde.

b) Gibt es eine politische Teleologie? Man kann es für einen literarischen Topos halten, wenn Lucan in der Nachfolge Vergils von allwaltendem Frieden und umfassender Gerechtigkeit spricht. Allerdings hat der Topos eine interessante metaliterarische Dimension. Zum einen kann hiermit angedeutet sein, dass es poetisch gar keine Wahl gegeben habe, als die himmlische, alles befriedende Herrschaft Neros in solcher Weise vorauszusehen; denn die Möglichkeiten, bessere Zeiten zu beschreiben, sind tatsächlich begrenzt. Zum anderen – und wichtiger – wird hierdurch eine Eigenschaft von Panegyrik herausgestellt, die einer durchaus ironischen Logik unterliegt: Hoffnung auf ein besseres Zeitalter kann überhaupt nur dann erneut zum Ausdruck gebracht werden, wenn sie bisher unerfüllt geblieben ist oder ungerechtfertigt war.214 »The frequent recycling«, hat Denis Feeney über das Goldzeitmotiv gesagt,215 »of this ideology throughout the imperial period is itself ironic commentary both on the repetitive periodicity that is potentially part of the concept of return and also on the inherent tendency of patterns of imperial power and succession to repeat themselves.« Lucan scheint immer wieder darauf hinzuweisen, dass es unter Augustus noch nicht zu einer Wiederkehr des Goldenen Zeitalters gekommen ist. So wird retrospektiv die Notwendigkeit dieser Wiederkehr unter Augustus als falsch und das einstmalige Vertrauen auf diese Notwendigkeit als das dargestellt, was 213 Ein Lob Neros, das auf einer gewissen Kritik an Augustus beruht, kann auch dann panegyrisch wirkungsvoll sein, wenn Nero zu seinem Amtsantritt tatsächlich erklärt hat, dass er in seiner Regentschaft dem von Augustus Vorgegebenen Genüge tun wolle, cf. Suet. Nero 10, 1. 214 Menander Rhetor wird später den Rat geben (und damit möglicherweise wiederholen, was seit langem gelehrt wurde), für ein Herrscherlob einen Vergleich zu instrumentalisieren, dabei aber nicht die früheren Zeiten herab­zusetzen: οὐ καθαιρὼν ἐκείνας [sc. βασιλείας], ἄτεχνον γάρ, ἀλλὰ θαυμάζων μὲν ἐκείνας, τὸ δὲ τέλειον ἀπο­διδοὺς τῇ παρούσῃ (Menander, περὶ ἐπιδεικτικῶν 377), hierzu cf. Lösch (1909), 19. Hinsichtlich der Voll­kom­menheit ist diese Vorschrift kaum zu befolgen, auf ein Goldenes Zeitalter kann keine ›Platin-Zeit‹ folgen. Cf. auch Ahl (1984), 65 zu Calpurnius: »Despite the echoes of Vergil in Calpurnius’ first Eclogue, Calpurnius makes no direct allusion to Octavian’s promise of a second Golden age; and for obvious reasons. That would make his emperor’s reign the ›Third Age of Gold‹, and thus push his theme out of pastoral into pure satire.« 215 Feeney (2007), 131; auch ibid. 135 mit Sen. epist. 115, 13.

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es historisch gesehen nur sein konnte: ein Wunsch, keine Gewissheit. Wie wünschenswert ein wiederkehrendes Goldenes Zeitalter ist, wird im Bellum Ciuile ausführlich beschrieben, nicht nur in der Ilerda-Episode, sondern auch, im Rückgriff auf Vergils Entsühnungsmotiv, am Ende des siebten Buches (7, 851 ff.; georg. 1, 491 ff.). Neronische Leser, die gemäß der Imagination des Bellum Ciuile von den Kriegsfolgen noch unmittelbar betroffen sind, dürften hierbei fragen, welche Hoffnungen bislang erfüllt und welche enttäuscht wurden – und warum. Wenn also in Lucans Proöm dasselbe vertrauensvolle Lob wiederholt wird, obwohl es sich im früheren Fall als zu voreilig erwiesen hat, dann liegt es panegyrisch nun erst recht nahe, dass die Sache diesmal umso sicherer sein müsste, während antipanegyrisch die Fallhöhe gleichzeitig desto deutlicher markiert ist. Lob, Kritik und Protreptik stehen in Lucans Nerolob damit in einem fürs Erste unbestimmbaren Verhältnis. Auf metaliterarischer Ebene streichen Lucans Anspielungen die geschichtliche Dimension des Herrscherlobs heraus, nämlich die Geschichtlichkeit des Schreibens (die darin besteht, dass Lucan als Epiker sich auf Vergil bezieht) wie auch die Geschichtlichkeit des Lesens (die darin besteht, dass man dasselbe Lob möglicherweise nicht zweimal auf dieselbe Weise wahrnehmen kann). Der Umgang mit literarischer Teleologie für panegyrische Zwecke wird damit unmittelbar problematisiert. Ein Vorschusslob ist heikel, denn seine spätere Überprüfung ist unausweichlich: Nur wenn der Princeps lobenswert ist – hier kann ich auf meine These zurückkommen  – ist das Lob ein Lob. Sonst nicht. Die Frage, ob nicht auch die Bürger, die im Proöm ebenso angesprochen sind wie Nero, moralische Verantwortung für das Gelingen der Herrschaft tragen, bleibt hiervon unberührt. Diese Zusammenführung von historischer Reflexion und poetischer Selbstreferentialität ist provozierend – vor allem für die Leser, denen hier eine Entscheidung abverlangt wird. Das Problem der Teleologie lässt sich aber noch etwas weiter verfolgen. Hierzu ist es nötig, noch einmal kurz die an Pompeius gerichtete Apostrophe in Erinnerung zu rufen: cum bella legentur | spesque metusque simul perituraque uota mouebunt | attonitique omnes ueluti uenientia fata, | non transmissa, legent et adhuc tibi, Magne, fauebunt (7, 210 ff.). Lucan geht es um die Zukunft, die in der Vergangenheit erhofft wurde, und darum, seinen Lesern ebendieselbe Hoffnung nacherlebbar zu machen. Jonas Grethlein hat dieses Phänomen ›futures past‹ genannt und die Intensität, mit der hierbei jeweils der Aspekt des Zukünftigen bzw. des Vergangenen betont wird, zum Gradmesser dafür vorgeschlagen, ob eine historische Erzählung eher an der Erfahrung der Akteure oder an einer bestimmten Teleologie orientiert ist.216 Lucan betont eindeutig die Erfahrung; immer wieder wird im Bellum Ciuile die kontrafaktische Hoffnung geschürt, dass ›alles noch bevorstehe‹ und – darauf kommt es an – einen anderen Ausgang 216 Cf. Grethlein (2013), 1–26, bes. 22 zu Lucan. 7, 210 ff.

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nehmen könnte. Die Leser historiographischer Werke haben in der Regel einen doppelten Standpunkt. Mit ihrem Wissensvorsprung wissen sie einerseits, wie die Geschichte verlaufen ist, und sie kennen auch das Bedürfnis, ein Ereignis von seinem (guten) Ende her zu betrachten und zu bewerten. Andererseits können oder wollen sie die Hoffnung der Figuren, insbesondere bei grundsätzlichen Fragen, nachvollziehen bzw. teilen.217 In Lucans Proöm ist dieser doppelte Standpunkt besonders unbequem. Der bekannte Stoff und die epischen Referenztexte scheinen eine teleologische Geschichtsdeutung zu erfordern; die gleich von Anfang an in großer Unmittel­ barkeit ausgebreiteten Schrecken des Krieges führen hingegen zu einer individuellen Nachempfindung menschlichen Handelns. Das beständige Scheitern der lucanischen Charaktere wirkt desillusionierend; überdies dürften einige Leser auch selbst sehr ambivalente Erfahrungen mit dem Prinzipat gemacht haben. So ist es in der Tat auch möglich, bei der einleitenden ›epischen‹ Frage des Nerolobs eine kontrafaktische Dimension wahrzunehmen: ›Was wäre, wenn nicht?‹218 Das hypothetische quod si non aliam […] uiam korrespondiert so gesehen mit den Schwierigkeiten, die der lucanische Erzähler bereitet, und mit der immer wieder wirkenden Illusion eines noch veränderbaren Geschichtsverlaufs (33–45):219 quod si non aliam uenturo fata Neroni inuenere uiam magnoque aeterna parantur regna deis caelumque suo seruire Tonanti35 non nisi saeuorum potuit post bella gigantum, iam nihil, o superi, querimur; scelera ipsa nefasque hac mercede placent. diros Pharsalia campos inpleat et Poeni saturentur sanguine manes, ultima funesta concurrant proelia Munda,40 his, Caesar, Perusina fames Mutinaeque labores accedant fatis et quas premit aspera classes Leucas et ardenti seruilia bella sub Aetna, multum Roma tamen debet ciuilibus armis quod tibi res acta est.45

Wenn das Schicksal keinen anderen Weg für einen künftigen Nero fand und wenn ewige Herrschaft den Göttern nur um einen hohen Preis bereitet wird, wenn der Himmel seinem Donnerer nur nach einem Gigantenkampf dienen kann, dann klagen wir nicht mehr, Götter. Selbst Frevel und Verbrechen sind um solchen Lohn angenehm. Soll Pharsalia die Felder schrecklich überschwemmen, sollen punische Manen mit Blut gesättigt werden, sollen doch die letzten Kämpfe beim tödlichen Munda stattfinden und sollen noch zu diesem Verhängnis, Caesar, der Hunger von Perusia und die Qualen von Mutina hinzukommen, und die Flotten, welche das raue Leukas versenkte und die Sklavenkriege unter dem Aetna – viel hat Rom dann immer noch den Bürgerkriegen zu verdanken, denn deine Sache wurde befördert.

217 Cf. Grethlein (2013), 8 f./15 f. 218 Properz zum Beispiel problematisiert teleologisches Erzählen in ähnlicher Weise: [sc. patriam] nisi defendes, murorum Romulus augur | ire Palatinas non bene uidit auis (Prop. 4, 6, 43 f.). Cf. Gurval (1995), 267 f. 219 Cf. 1, 114 ff.; 2, 4 ff.; 4, 189 ff.; 5, 297 ff.; 6, 299 ff.; 7, 151 ff.; 445 ff.

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quod si […] non inuenere. Der Erzähler weiß nicht, ob es einen anderen Weg gegeben hätte. Jedenfalls äußert er sich nicht dazu; und es ist leicht vorstellbar, dass ursprünglich, also in der Zeit, von der im Bellum Ciuile erzählt werden soll, etwas ganz anderes erhofft wurde als die Monarchie. Der zweite Teil des Gedankens wirkt deutlicher teleologisch: Das emphatische hac mercede … scheint, wie gesagt, zu bedeuten, dass am Ende des Krieges Neros Herrschaft als historisch sinnvolle Belohnung steht. So wurde die Stelle in den Scholien verstanden.220 Daniel Groß hat dies kürzlich wieder sehr stark gemacht, um das Proöm grundsätzlich als ernsthaft aufzufassen und zu einer affirmativen Interpretation des Prinzipats zu gelangen: »Das Fazit aus diesen Versen lautet: Die Bürgerkriege waren schrecklich, doch Nero ist dieses Opfer wert.«221 Ähnlich kann man die vierte Ekloge und die Aeneis lesen; und allein durch Lucans permanente Bezugnahmen auf die Dichtung Vergils ist diese Lesart auch im Proöm des Bellum Ciuile angelegt. Es ist aber, wie sich angesichts des lucanischen Erzählstils vermuten lässt, schwerlich die einzige.222 Die Zweifel sind sowohl intertextuell als grammatisch begründet. Ich möchte hierzu fünf Gesichtspunkte anführen; ich werde dabei immer wieder auf den Eingang des Elogiums, quod si non aliam …, und den dazugehörigen Kontext zurückkommen. Der Satz, so möchte ich zeigen, ist nicht nur »in unseren Ohren einigermaßen peinlich«,223 sondern konnte wohl bereits für antike Leser die potenzielle Peinlichkeit einer leicht falsifizierbaren Panegyrik erfahrbar machen. Lucan weist ziemlich offen darauf hin (nicht zuletzt durch seinen als Herrscher scheiternden Caesar).224 Seine Widmung an Nero beruht nicht auf einer imaginierten politischen Teleologie, sondern auf dem selbstbewussten Versuch, ob Lob und poetische Dekonstruktion von Panegyrik gleichzeitig möglich sein können. (1) Der Gedanke vom eindeutig guten Ausgang des Krieges wird bereits bei hac mercede (1, 38) problematisiert. Das Demonstrativum scheint auf den fünf Verse zuvor genannten Nero zu deuten: Er ist der Lohn. Der Blick der Leser kann aber auch schon bei suo seruire Tonanti (35) hängen bleiben. Interpretiert man den Vergleich so, dass die Römer (das caelum) die serui ihres Kaisers (Jupiter) sind, so wäre diese historische Entwicklung keineswegs erfreulich.225 220 Cf. CB ad loc.; Thome (2002), 15 verweist überdies auf Arator act. 1, 62 ff.: scelera ipa nefasque | hac potius mercede placent, mundoque redempto | sors melior de clade uenit. 221 Groß (2013), 51. 222 Cf. Häußler (1978), 76. 223 Thome (2002), 15. 224 Die Bemerkung von Thierfelder (1935/1970), 63 ist immer noch zutreffend: »[sc. Durch die überwiegend negative Darstellung Caesars ist] eine Klippe vermieden, die wohl vor allem die großen Augusteer vom zeitgeschichtlichen Epos abgeschreckt hatte: der mit dem guten Geschmacke auf die Dauer nicht vereinbare Zwang, die Person des Monarchen zum Gegenstande heroisierender Verherrlichung zu machen. […] Jetzt waren die Zeitläufte andere geworden.« 225 Cf. Blaschka (2015), 268 No. 526.

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Im Georgica-Proöm ist alles offen Monarchische noch zurückgewiesen. Die dira regnandi cupido (georg. 1, 37) ist dem Tartaros zugeordnet und kommt für Oktavian nicht in Betracht. Muss es nicht problematisch scheinen, wenn im Bellum Ciuile der Prinzipat nun solchermaßen als Königsherrschaft gefeiert wird?226 Ein weiterer Aspekt tritt hinzu. In der Aeneis lässt Vergil Juno sagen (Aen. 7, 316–318): ›at licet amborum populos exscindere regum. hac gener atque socer coeant mercede suorum: sanguine Troiano et Rutulo dotabere, uirgo.‹

›Doch die Reiche der beiden Könige darf ich zerstören. Diesen Preis sollen ihre Völker bezahlen, damit sich Schwiegersohn und Schwiegervater verbinden: Das Blut von Trojanern und Rutulern wird deine Mitgift sein, Mädchen.‹

Juno versucht, sich dem Lauf des Schicksals entgegenzustellen, und setzt sich – was jedenfalls den von Jupiter nicht gewünschten Krieg in Latium betrifft – sogar durch. Hier ist die merces der zu zahlende Preis: Blut. Der Krieg, in dem es vergossen wird, ist ein Bürgerkrieg; so ist es durch die beziehungsreichen Worte gener und socer angedeutet.227 Juno kann zwar die Völker nicht ausrotten, aber es gelingt ihr, die Verbindung von Aeneas und Lavinia als durchaus teuer erkauft erscheinen zu lassen. Die Frage, ob ein Schicksal, dessen Preis hoch ist, noch gut und sinnvoll sein kann, ist damit wieder einmal in der Welt. Wenn Lucans Leser auf die Prophezeiung der vergilischen Juno zurückblicken und hier weniger den schließlich vereitelten Wunsch der rachsüchtigen Göttin erkennen als vielmehr eine der römischen Gründungserzählung dauerhaft anhängende Skepsis, so kann auch die Bemerkung des lucanischen Erzählers sehr viel düsterer erscheinen. Der Vers scheint für einen Moment sogar die Interpunktion der Junoprophezeiung zuzulassen, nämlich hac nicht als rückbezüglich, sondern als vorausweisend zu verstehen. Der in Vers 37 beginnende Satz wäre, so gesehen, nicht als konzessiver Ausruf, sondern als Explikation des zu zahlenden Preises aufzufassen: scelera ipsa nefasque | hac mercede placent: diros Pharsalia campos | inpleat: ›Verbrechen und Frevel wählt man um diesen Preis: dass Pharsalia die 226 Cf. auch regia caeli (Lucan. 1, 46), regnum mundi (1, 52) und demgegenüber ex populis qui regna ferunt sors ultima nostra est | quos seruire pudet (7, 444 f.). Cf. aber Häußler (1978), 78 zu Senecas de clementia: Die Schrift bilde zwar ein gewisses Gegengewicht zur traditionellen Ächtung der Königsherrschaft (z. B. clem. 3, 2, 3: ideo principes regesque et quocumque alio nomine sunt tutores status publici non est mirum amari ultra priuatas etiam necessitudines.). Diese Zustimmung zur Monarchie beruhe aber allein auf der Prämisse, dass der rex, eher ein βασιλεύς, kein τύραννος, wirklich die römische Freiheit garantieren kann; dazu auch Griffin (21992), 143–148. 227 Cf. Horsfall (2000) ad loc. Die Doppeldeutigkeit des Verbs coire kann (unabhängig von der Intention des Dich­ters) für diejenigen Leser, die dem Bürgerkriegskontext nachgehen, eine besondere Bedeutung haben. – Im Bellum Ciuile ist merces als Teil der übergreifenden Kommerzmetaphorik (z. B. 7, 751 ff.: scire ruunt, quanta fuerint mer­cede nocentes; 10, 408) überwiegend problematisch besetzt, cf. Coffee (2009), 126–131.

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schrecklichen Felder überschwemmt‹ Die Perspektive auf scelus und nefas ist unklar; und auch wenn der Fortgang des Verses deutlicher zu sein scheint, bleibt doch ein gewisses Unbehagen.228 Geht es hier um erlittenes Unrecht, für das es entschädigenden Lohn (Nero) geben wird, oder geht es um begangenes Unrecht, wofür mit hohem Preis (dem Tod römischer Bürger) bezahlt werden muss? (2) Eine andere Schwierigkeit liegt darin, dass in Vers 41 der Name Caesar steht: his, Caesar, Perusina fames Mutinaeque labores | accedant fatis. Die Scholien erklären, dass hier Nero gemeint sei; die Bemerkung tibi res acta est (45) legt dies auch nahe. Es ist aber verwunderlich, warum Nero, wenn seine Regentschaft als Belohnung aufgefasst wird, gerade an dieser Stelle mit dem Namen des Mannes angesprochen ist, der der Hauptakteur dieses Krieges war. Pieter Burman hat darum vorgeschlagen, hier einen Nominativ anzunehmen. In der Aufzählung wäre zwischen Munda und Perusia gerade der richtige Platz, um die Iden des März schlicht als ›Caesar‹ zu erwähnen.229 Das ist freilich nicht notwendig; passend, weil die Schuld am Krieg betonend, wäre dann auch eine gewissermaßen rückblickende Anrede an Caesar (oder seinen Rächer Augustus). Entscheidend ist vielmehr, was die Uneindeutigkeit bewirkt. Nero kann nicht Caesar genannt werden, ohne dass man auch an den Caesar des Bürgerkrieges denken müsste. Eine tyrannische Monarchie, welche die Ungerechtigkeiten des Bürgerkrieges fortsetzt, kann so als Strafe aufgefasst werden, während gleichzeitig Nero sozusagen als Ausnahmeherrscher als bewahrenswertes Glück im Unglück erscheinen kann. (3) Lucan lässt eine seiner Figuren eine dezidiert anti-teleologische Äußerung machen. Angesichts des beginnenden Bürgerkriegs sagt ein nicht näher genannter Mann (2, 60–63): ›[…] tantone nouorum prouentu scelerum quaerunt uter imperet urbi? uix tanti fuerat ciuilia bella mouere ut neuter.‹

›Fragt man unter so großer Hervorbringung neuer Verbrechen, wer von beiden in der Stadt herrschen soll? Es wäre kaum wert gewesen, einen Bürgerkrieg zu beginnen, um zu erreichen, dass keiner es wird.‹

Für ihn, der keinen Autokraten will, sich aber nun notgedrungen einer der Parteien anschließt,230 wäre der Bürgerkrieg nicht einmal gerechtfertigt, wenn dadurch sowohl Caesar als Pompeius von der Herrschaft abgehalten würden. Die Figuren des Bellum Ciuile kennen den Ausgang des Krieges noch nicht und können diesen also nicht als einzig möglichen Weg für den kommenden Nero begreifen. Als Figurenrede ist der Satz ganz unverfänglich: Er kann falsch sein und ›die Geschichte‹ kann beweisen, dass der Bürgerkrieg es doch wert war, 228 Dass nach dem hac mercede placent und den Schreckensbildern noch einmal multum tamen debet (44) steht, trägt ebenfalls zu dieser Unklarheit bei. 229 Cf. Burman (1740) ad loc. 230 Cf. Fantham (1992) ad loc.

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begonnen zu werden. Verselbstständigt aber, muss die Aussage – trotz dem einschränkenden uix  – einer teleologischen Deutung des Proöms, die Nero zur Rechtfertigung des Krieges macht, widersprechen.231 Auch der ungewöhnliche Ausdruck prouentus scelerum (61) ist hierfür beachtenswert. Damit ist nicht schlechthin nur Größe und Ausmaß der Verbrechen bezeichnet; prouentus steht im Allgemeinen positiv konnotiert für den landwirtschaftlichen Ertrag. Ein Scholiast verweist auf Vergil: prouentuque oneret sulcos atque horrea uincat (georg. 2, 518).232 In der laus uitae rusticae ist die Metapher eines Sieges auf die unschuldige Tätigkeit des Ackerbaus angewendet. Bei Lucan ist die Metapher vom Ertrag mit militärischen Verbrechen in Verbindung gebracht; Vergils Gedanke wird umgekehrt, und der Bürgerkrieg erscheint im stärksten Kontrast zu dem, was alle sich wünschen. Das Ziel und der Weg, es zu erreichen, sind wenigstens aus Sicht des traumatisierten Sprechers unvereinbar.233 (4) Auch im Ganzen problematisiert das Thema der bella nullos habitura triumphos die Idee eines positiven historischen Zwecks: Die Römer waren ja nicht nur Geschädigte auf dem Weg in die Zukunft, sondern wurden als Täter zu Opfern ihrer eigenen Verbrechen. In dieser Doppelrolle befrieden sie die Manen der Punier (1, 39). Wenn Rom trotz allem die Herrschaft Neros den Waffen verdankt, so sind die Römer zugleich ihre eigenen Gläubiger und Schuldner. Was hier durch die aufwendige Metaphorik beschrieben wird, ist nicht logisch oder sinnvoll oder gerecht, sondern chaotisch und bedauerlich.234 Dies führt zu einem generellen Blick auf die Stellung von Lucans Proöm in der epischen Tradition. Der Satz quod si non aliam inuenere uenturo fata Neroni | uiam berührt die Rolle der Götter bzw. des Schicksals: Was hat den Bürgerkrieg ausgelöst, gibt es ein politisches Telos, wie hängen Nero und der Krieg zusammen? Hier geht es einerseits um Panegyrik, andererseits um grundlegende Interpretationsfragen epischer Dichtung. Als wesentliche Referenztexte sind durch die Form der Eingangsverse die Ilias und die Aeneis vorgegeben. Beide Gedichte erzählen von einem Geschehen, das furchtbar, aber unabänderlich ist; und in beiden Fällen ist die Handlung retrospektiv dargeboten. In der Ilias werden die Schrecken des Krieges durch die apodiktische Erklärung Διὸς δ’ ἐτελείετο βουλή zwar begründet, lassen sich da 231 Cf. van Campen (1991) ad loc. 232 Cf. CB ad loc.; überdies Ov. fast. 5, 266; Sen. benef. 4, 33, 2; Colum. 2, 10; Caesar gebraucht die Metapher für militärischen Ausgang: civ. 2, 38; ähnlich Liv. 45, 41, 6. Georg Luck hat das in seiner Übersetzung aufgegriffen: »Muss erst eine furchtbare Saat von neuen Verbrechen aufgehen?« 233 In ähnlicher Weise ist auch ein Satz des jüngeren Pompeius geeignet, die Idee vom Telos des Bürgerkrieges zu konterkarieren: ›ite, duces, mecum (nusquam ciuilibus armis | tanta fuit merces) inhumatos condere manes, | san­guine semiuiri Magnum satiare tyranni‹ (9, 150 ff.). 234 Cf. Roche ad 1, 44 mit. Sen. ep. 86, 5: ille ›Carthaginis horror‹ [sc. Scipio Africanus], cui Roma debet quod tantum semel capta est: »In Seneca, Rome’s debt is owed to the man; in Lucan, the state owes its debt to its own suicide.«

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durch aber nicht (oder nicht leicht) als historisch sinnvoll begreifen.235 In der Aeneis, wo in 1, 2, noch vor der Erwähnung des Zorns der Juno, das fatum als handlungsleitende Kraft etabliert wird, steht am Schluss des Proöms die mühevolle Gründung Roms, mit der das imperium sine fine (Aen. 1, 279) und das neue Goldene Zeitalter unter Augustus (6, 792) ermöglicht werden.236 Hier ist der teleologische Gedanke über den historischen Horizont der Rezipienten hinaus ausgedehnt, um ein gutes, sinnvolles ›Ende der Geschichte‹ zu konstruieren und dieses seinerseits zur Bewertung der epischen Handlung heranzuziehen. Mit diesen vereinfachenden Beobachtungen lassen sich zwar die beiden Gedichte nicht erfassen (insbesondere in Hinsicht auf ihre ethische Dimension). Aber es ist immerhin zu sehen, dass die homerische und die vergilische Art teleologischen Erzählens hinsichtlich einer möglichen Bewertung des Geschichtsverlaufs nicht ganz vereinbar sind.237 Diesen Umstand scheint Lucan auszunutzen, um sein Epos gegen beide Modelle retrospektiver Geschichtsdeutung gleicher­ maßen abzugrenzen. Wenn, wie oben unter (2) gezeigt, durch die Anspielung auf Vergils fata uiam inuenient und die Stellung dieses Gedankens in der Aeneis insbesondere das Verhältnis von Göttern und Fatum problematisiert wird, ist für das Bellum Ciuile einerseits homerische Götterallmacht als universales Erklärungsmodell ausgeschlossen. Dass Lucan insgesamt auf eine Götterhandlung verzichtet, hat man hiermit in Zusammenhang zu bringen. Andererseits erschwert jedoch die Einleitung mit dem indefiniten quod si,238 dass man das Wirken des Fatums, das etwas später wie altepische Götter als ›missgünstig‹ bezeichnet wird (inuida fatorum series 1, 70),239 wie in der Aeneis auf ein sinnvolles 235 Cf. Latacz / Nünlist / Stoevesandt (2000) ad loc. mit Verweis auf die umstrittene Deutung der Διὸς βουλή. Zur Geschichtskontingenz gegenüber einem geschichtlichen Zweck in der Ilias cf. Grethlein (2006), 284–287. 236 Zur Teleologie in der Aeneis cf. Quint (1993), 45–96; Nelis (2004); Schauer (2007), ­114–121. Das Teleologische ist allerdings unabhängig von tatsächlicher Bejahung oder Verneinung des augusteischen Staats, cf. Schmidt (2001). 237 Cf. Buchheit (1963), 15–18. 238 Indefinitus ist hier im Sinne des ›realen‹ bzw. ›logischen‹ Falles einer kondizionalen Periode verstanden, cf. KSt II § 212, 4. Ein suggestives Beispiel ist Cic. Cato 85. 239 Die homerischen Götter sind neidisch, cf. Δ 55; Ω 33; ε 118; überdies Pind. I. 7, 39; Aesch. Pers. 362; Hdt. 1, 32. Auch Seneca gebraucht noch eine ähnliche Wendung, cf. dial. 6, 12, 6. Polybios spricht vom Neid der Tyche: τὴν τύχην ὡς ἔστιν ἀγαθὴ φθονῆσαι τοῖς ἀνθρώποις (Polyb. 39, 8, 2), die Vorstellung von einer Fortuna inuida ist geläufig, cf. Häußler (1978), 81. Zur hellenistischen Idee vom Neid des Schicksals cf. Aalders (1979). Zum Götter­neid als Motiv der Geschichtsschreibung und zur platonischen Kritik daran cf. Ellis (2015). Zur Missgunst des Schicksals bei Lucan und zur Spannung zwischen inuidia / φθόνος und dem stoischen Konzept von se­ries / συμπλοκή cf. Johnson (1987), 13–15. Lucan lässt zwar Cornelia einen solchen Ausdruck verwenden, 9, 65 f.: ›Pompeio contigit ignis | inuidia maiore deum‹ (ähnlich auch Vulteius in 4, 503), sein Erzähler grenzt aber menschliche Schuld und unerklärlichen Götter­neid gegeneinander ab, indem er über die Pompeianer vor Ilerda urteilt, dass sie aus Treue Verbrechen begehen, die so schrecklich sind,

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historisches Ziel hin ausdeuten kann. Lucans »provvidenza crudele« lässt, wie Emanuele Narducci immer wieder deutlich gemacht hat, keinen geschichtsphilosophischen Optimismus zu.240 Indem in Lucans Proöm die Geschichtsbilder von Ilias und Aeneis (oder besser: gewisse auf sie bezogene Diskurse) solchermaßen widersprüchlich miteinander in Beziehung gesetzt sind, werden die beiden prominentesten Erzählweisen des mythologischen Epos als zwar symbolisch bedeutend und dem Schrecken des Krieges angemessen erwiesen.241 Aber für die Darstellung und Beurteilung der jüngeren Geschichte erscheinen sie doch unzureichend. Weder kann der Bürgerkrieg als letztlich unergründliches Verhängnis angesehen werden, noch ist es möglich, ihn als Mittel zum geschichtlichen Zweck zu begreifen und somit womöglich zu bejahen. Die Frage quis furor, o ciues, deren Adressat unklar bleibt – das Auditorium, die handelnden Figuren oder etwa doch eine nicht näher bezeichnete Gottheit? –, hebt besonders die diskursive Dimension von Lucans Thema hervor. Der Bürgerkrieg muss als prinzipiell erklärliches menschliches Scheitern Gegenstand der ethischen und historischen Reflexion werden.242 ›Wenn das Schicksal keinen anderen Weg fand‹: Man kann seinen Frieden mit der Vergangenheit machen, aber das heißt nicht, einen Heilsplan in der Geschichte zu erkennen.243 Wolf-Hartmut Friedrich hat pointiert erklärt: »Lucan opferte anscheinend nicht seine Überzeugung der Theodizee, sondern umgekehrt die Theodizee seiner Überzeugung.« Von Emanuele Narducci und Elaine Fantham wurde das im Wesentlichen bekräftigt.244 Auch wenn das Gedicht sich nicht völlig auf eine solche einfache Formel bringen lässt – erinnert sei an die impliziten Bestrafungen der Caesarianer und an die schwierige Stelle tamen ha-

dass man glauben könnte, sie wären durch göttliches Übelwollen hervorgebracht worden: itur in omne nefas, et, quae fortuna deorum | inuidia caeca bellorum in nocte tulisset, | fecit monstra fides (4, 243 ff.). 240 Cf. Narducci (1979), 66–71. 241 Cf. 2, 1: iamque irae patuere deum manifestaque belli | signa dedit mundus, 7, 869 f.: o superi […] quid totum premitis, quid totum absoluitis orbem? Zum Problem der Fortuna cf. oben 144 ff. 242 Das schließt die Rückbindung an die epische Form selbstverständlich nicht aus. Lucans Protasis, insbesondere die Schuldzuweisung in Vers 6, in commune nefas … scheint auch mit dem Schluss des Proöms der Odyssee zu korrespondieren, nämlich mit der Bemerkung über die Verfehlungen der Gefährten des Odysseus: αὐτῶν γὰρ σφετέρῃσιν ἀτασθαλίῃσιν ὄλοντο, | νήπιοι (α 7 f.). 243 Cf. die ähnlichen Formulierungen 2, 281; 5, 778; 8, 311. 244 Friedrich (1938/1970), 72, dort auch zu Petr. 119, 58 ff., Rechtfertigung des Bürgerkrieges in Eumolps Bellum Ciuile. Cf. Narducci (1979), 69; Fantham (2003/2011), dazu auch oben, 248 No 98. Für Friedrich (und in ähnlicher Weise auch für Narducci und Fantham) ist Cato freilich dadurch, dass er sich dem ›falschen‹ fatum widersetzt, eine heroisch-vorbildliche Gestalt.

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bemus uindictam (7, 455 f.)245 – so trifft dennoch zu, dass die Theodizee und allgemein der moralische Gehalt des Bellum Ciuile nicht vorbehaltlos teleologisch vom Erzähler angeboten sind, sondern, wenn überhaupt, von den Lesern hart und unter vielen Widersprüchen erarbeitet werden müssen. Was also, wenn es doch einen anderen Weg gab? Die rationale Feststellung, wie günstig der Krieg schließlich doch war, ist wenig schmeichelhaft, wenn man davon ausgeht, dass es auch anders hätte kommen können (oder sollen). Entscheidend ist der indefinite Satzmodus: quod si non inuenere.246 Ovids Orpheus singt: ›quod si fata negant ueniam pro coniuge, certum est | nolle redire mihi‹ (met. 10, 38), und weiß, dass gerade sein Gesang ein Ausweg daraus ist,247 nicht wollen zu müssen. Auch bei Lucan wird durch die negative Formulierung quod si non die Gegenfrage nach einem alternativen Geschichtsverlauf geradezu provoziert. Im Ergebnis ist damit vor allem zu sehen, dass eine affirmative Geschichtsschreibung des Bürgerkriegs zwar möglich und nützlich, doch nicht ausreichend und nie völlig überzeugend sein kann. Das Problem gipfelt in dem berühmten und schwierigen Vers uictrix causa deis placuit, sed uicta Catoni (128).248 Sowohl die retrospektive Betrachtungsweise (›Caesar siegte, weil er nach dem Willen der Götter siegen sollte‹) als auch die moralistische (›Pompeius verlor leider, obwohl er, wie Cato sagt, der bessere war‹) lassen sich rechtfertigen und führen auf gewisse historische Einsichten.249 Der Erzähler kann allerdings nicht werten, sofern er sich nicht für eine Position definitiv entscheidet: quis iustius induit arma | scire nefas: magno se iudice quisque tuetur (126 f.). Die Entscheidung für eines der beiden Geschichtsbilder würde bedeuten, den Bürgerkrieg nur fortzuführen.250 Dies stimmt mit den Beobachtungen überein, die zu den ›Helden‹ Caesar, Pompeius und Cato gemacht wurden. 245 Cf. oben 58 und 248 ff. 246 Cf. dagegen die irreal formulierte auktoriale Bemerkung über Julia 1, 114 ff.: quod si tibi fata dedissent | maiores in luce moras, tu sola furentem | inde uirum poteras atque hinc retinere parentem. 247 Zu den zahlreichen rhetorischen Gemeinplätzen im Lied und zur ›Drittklassigkeit‹ seiner Erscheinung cf. An­derson (1982), 40 f. 248 Cf. Thorne (2010), 35–47. 249 Cf. hierzu auch Franchet d’Espèrey (2009): die Konfrontation einer »théologie de la victoire« (wer siegt, den haben die Götter mit Recht siegen lassen) und einer »théologie de la défaite« (im Bürgerkrieg muss der Verlierer der eigentliche Sieger sein). Sofern aus der Theologie des Sieges aber die Immoralität der Götter folgen muss, sei die Theologie der Niederlage bedeutender und richtiger. Ob der lucanische Cato vorher weiß, wer der Verlierer sein wird (wie Franchet d’Espèrey meint), oder ob andere Gründe ihn zu seiner Entscheidung bringen, trägt aller­dings zur Schwierigkeit des Verses bei. Es zeigt sich so gesehen ein Mangel beider Theologien. 250 Die Art, wie Hannah Arendt den Vers zitiert (Vom Leben des Geistes, I. Das Denken, München 31993, 212), ist ein Beispiel für seine Verselbstständigung. Arendt, die den Vers irrtümlich für einen Ausspruch Catos des Älteren hält, gebraucht die Zeile, um ihre Definition

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Einen panegyrischen Effekt gibt es hier trotzdem. Er liegt aber wohl vor allem in der loyalen Offenheit der sachlich-nüchternen Beurteilung des Kriegsendes und mehr noch in der impliziten Kritik an einer teleologischen ›Adulationstheologie‹, die alles Leid fortprophezeit, aber vergeblich wird, wenn das Verheißene ausbleibt. Der Nero, den Lucan preist, hat sozusagen nichts als diese Ernsthaftigkeit verdient. Nichts anderes könnte überhaupt panegyrisch wirken. (5) Ein weiterer Grund, an der teleologischen Belastbarkeit des quod si non aliam … zu zweifeln, liegt darin, dass Lucan hier auf eine berüchtigte Gedankenfigur anzuspielen scheint, nämlich auf das remotum.251 Hierbei geht es um die didaktisch interessante, aber letztlich unbefriedigend spekulative Annahme, dass unter anderen Umständen alles hätte anders verlaufen können. Als ›Beinahe-Episoden‹ haben solche Gedankenspiele einen festen Platz im epischen Erzählen.252 Den Trojanischen Krieg hätte es nie gegeben, wenn Helena nicht entführt worden wäre.253 Tatsächlich sagt die homerische Helena dies auch zu Priamos: ›ὡς ὄφελεν θάνατός μοι ἁδεῖν κακὸς ὁππότε δεῦρο  | υἱέϊ σῷ ἑπόμην θάλαμον γνωτούς τε λιποῦσα‹ (Γ 173 f.). Allerdings, so fügt sie ausdrücklich hinzu, ist es dazu nicht gekommen: ›ἀλλὰ τά γ’ οὐκ ἐγένοντο‹ (175). Später, wenn sie ihr Empfinden noch einmal Hektor gegenüber wiederholt, macht sie schließlich die Götter direkt verantwortlich (Ζ 345 ff.). Troja wäre nicht gefallen und Rom nicht gegründet worden, so lässt Vergil es Aeneas sagen, wenn man dem hölzernen Pferd mehr Misstrauen entgegen gebracht hätte: ›et, si fata deum, si mens non laeua fuisset, | impulerat ferro Argolicas foedare latebras, | Troiaque nunc staret, Priamique arx alta maneres‹ (Aen. 2, 54 ff.). Laokoons Lanze steckt im Bauch des Pferdes, die Griechen sind enttarnt – und dennoch bemerken die Troer den Hinterhalt nicht.254 Eine logische Schwierigkeit besteht darin, die Folgen eines ungeschehenen Geschehens richtig zu bewerten und mit den Gründen für das Nichtgeschehen ins Verhältnis zu setzen. Weit weniger schicksalsergeben als Helena oder Aeneas äußert bei Euripides und bei Ennius Medeas Amme einen solchen spekulativen Gedanken:255 ›Wäre doch der Baum auf dem Pelion nie gefällt worden, dann würde es Medea jetzt nicht schlecht gehen.‹ In den Euripidesscholien wird die von ›Geschichte‹ als Beurteilung der Vergangenheit zu illustrieren und Catos unterstellte geistige Unabhängigkeit von der Faktizität der Ereignisse zu befürworten. Es ist aber nicht nur Cato ein gleichberechtigter iudex neben den Göttern; magno se iudice quisque tuetur (1, 127) heißt, dass sowohl mutmaßlicher Götterwille als auch moralisches Raisonnement als Modelle bzw. Grundlage zur Beurteilung des Geschehenen von den Menschen herangezogen werden. 251 Hierzu verdanke ich meinem Rostocker Kollegen Lars Keßler entscheidende Hinweise. 252 Hierzu cf. Nesselrath (1992). 253 Cf. Krieter-Spiro (2009) ad Hom. Γ 173 f. 254 So auch Aen. 2, 242 ff. 255 Enn. trag. Med. 208 f. J = 246 f. V. Hierzu cf. auch oben 62 f.

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ausdrucksstarke Leidenschaftlichkeit dieser Bemerkung gelobt.256 Cicero zitiert den Enniusvers jedoch, um von der rhetorischen Verwendung weitgespannter und daher nicht recht überzeugender Kausalketten abzuraten: remotum est quod ultra quam satis est petitur (inv. 1, 91).257 Die vermeintliche Ursache ist von der Wirkung zu weit entfernt, um daraus belastbare historische oder ethische Schlüsse zu ziehen. Cicero gibt im selben Zusammenhang noch ein anderes, ebenso wenig überzeugendes Beispiel: quod si non P. Scipio Corneliam filiam Ti. Graccho collocasset atque ex ea duos Gracchos procreasset, tantae seditiones natae non essent. Ein Vergleich zeigt schnell: Lucan operiert zwar mit weit auseinander liegenden Zeitebenen, aber er belastet sie nicht für einen spekulativen Kausalzusammen­ hang. Wenn die Leser im Vers quod si non aliam uenturo fata Neroni ein rhetorisches remotum erwartet haben, so werden sie in dieser Erwartung (angenehm?) enttäuscht. Der unbestimmte Indikativ inuenere uiam steht auffällig am Zeilenanfang. Dann folgt der Gedanke ›wenn hier so etwas stattgefunden hat wie eine Gigantomachie, …‹ und dann heißt es: iam nihil, o superi, querimur (37). Man klagt nicht mehr. Aber man hatte Grund zum Klagen. Erst jetzt kann man sich damit abfinden, wie es gekommen ist. Lucans Erzähler erklärt eben nicht: ›Wenn es keinen Bürgerkrieg gegeben hätte, wären wir nicht in den Genuss der Herrschaft Neros gekommen.‹258 Es geht nicht um die weit entfernten Ursachen der Herrschaft Neros.259 Anerkannt 256 Cf. Page (1938) ad loc.: ἐπαινεῖται δε ἡ εἰσβολὴ διὰ τὸ παθητικῶς ἄγαν ἔχειν καὶ ἡ ἐπεξεργασία ›μηδ’ ἐν νάπαισι‹ καὶ τὰ ἐξῆς. 257 Für den Zusammenhang cf. Cic. inv. 1, 88 ff. Zu dem Beispiel überdies Cic. top. 61; fat. 34 f., dort auch mit Blick auf den Trojanischen Krieg; Quint. inst. or. 5, 10, 84. 258 Stattdessen sagt der Erzähler, was hätte erreicht werden können, wenn es den Bürgerkrieg nicht gegeben hätte: heu quantum terrae potuit pelagique parari […] sub iuga iam Seres, iam barbarus isset Araxes (1, 13/19). 259 Hier besteht ein feiner, aber wesentlicher Unterschied zu den Gedichten, die Dewar (1994), 205/208 zum Ver­gleich mit Lucans Proöm heranzieht. Sowohl in der ersten Einsiedler Ekloge als auch in Sidonius’ Panegyricus auf Maiorian ist eindeutig eine teleologische bzw. kausale Deutung intendiert: tu quoque Troia, sacros cineres ad sidera tolle | atque Agamemnoniis opus hoc ostende Mycenis. | iam tanti cecidisse fuit (ecl. Eins. 1, 38 ff. wahr­scheinlich in Bezug auf Neros Troia-Gedicht); populatibus, igni | etsi concidimus, ueniens tamen omnia tecum | restituis: fuimus uestri quia causa triumphi, | ipsa ruina placet (Sidon. carm. 5, 583 ff.). Ähnlich auch Plin. paneg. 6, 1 f.: magnum quidem illud saeculo dedecus, magnum reipublicae uulnus impressum est. imperator, et parens generis humani, obsessus, captus, inclusus: ablata mitissimo seni seruandorum hominum potestas; ereptumque principi illud in principatu beatissimum, quod nihil cogitur. si tamen haec sola erat ratio, quae te publicae salutis gubernaculis admoueret; prope est ut exclamem, tanti fuisse. Zwar ist auch hier der Satzmodus indefinit, aber der finale Nebensinn im Relativsatz (der weit suggestiver ist als Lucans Nero uenturus) führt auf eine teleologische Deutung; diese wurde auch einleitend nahegelegt: habet has uices conditio mortalium, ut aduersa ex secundis, ex aduersis secunda nascantur. occultat utrorumque semina deus, et plerumque bonorum malorumque causae sub diuersa specie latent (ibid. 5, 9). – Lucans Panegyrik kann für alle diese Bemerkungen eine Referenzstelle sein. Aber wichtig ist, dass Lucans Herrscherlob in den zitierten Texten weit übertroffen wird.

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wird lediglich die Faktizität der Herrschaft Neros, und zwar als Kontrast zur Faktizität des Bürgerkrieges; letztere wird durch das auf georg. 1, 492 zurückweisende Schreckensbild des Krieges noch einmal unmittelbar vergegenwärtigt: diros Pharsalia campos | impleat. Dass Lucan das von Cicero beschriebene rhetorische Prinzip kennt, ist wahrscheinlich. Interessant ist aber in jedem Fall die Gedankenführung: Indem Vergangenheit und Gegenwart mehr getrennt als verbunden erscheinen, kann sowohl das erlittene Leid als auch das individuelle Fehlverhalten und Hoffen der an den Bürgerkriegen beteiligten Menschen gewürdigt werden, ehe dann Neros Wirken weniger als notwendige Folge denn als begrüßenswertes Gegenteil des Krieges beschrieben wird. Gleichgültig, ob es einen anderen Weg gegeben hätte oder nicht, das neronische Zeitalter kann so oder so erfreulich sein. Dem folgenreichen Gedanken jedoch, dass es zu dem Bürgerkrieg nie hätte kommen dürfen, bleibt dabei einiges Gewicht.260 Für den Abschluss dieser Überlegungen bietet sich ein Blick auf das Ende des Enkomions an. In Vers 67 heißt es: fert animus causas tantarum expromere rerum. Der Anklang an den Anfang der Metamorphosen nach dem Ende des eigentlichen Proöms ist ein tiefer Einschnitt, man könnte sogar sagen, dass hier ein zweites Proöm folgt. Bestärkt wird dieser Eindruck noch durch die folgende Zeile: immensum aperitur opus. Hier klingt das Binnenproöm der Aeneis an: maius opus moueo (Aen. 7, 45) bzw. der Schluss des Proöms der Astronomica: hoc mihi surgit opus non ullis sacratum | carminibus (Manil. 1, 113 f.).261 Der Effekt dieses Neuanfangs ist die deutliche Trennung des Nero-Elogiums von der Eposhandlung. Zwischen der Widmung und der Erzählung, jedenfalls wie sie uns vorliegen, besteht kein eigentlicher Zusammenhang. Damit wird eine ähnliche Wirkung erreicht wie mit dem weitgespannten Bedingungssatz: Nero ist von allem, was im Bellum Ciuile erzählt wird, weitgehend unabhängig.

260 Siehe auch Ripoll (2010) 151 f. zum Verhältnis des lucanischen Proöms zur vergilischen Teleologie, besonders mit Blick auf 1, 60 ff. Der Gebrauch des voluntativen Konjunktivs anstelle eines definitiven Indikativs für den nach Neros Verstirnung sich über die Welt verbreitenden Frieden könne bedeuten, dass Neros Herrschaft und deren Folgen zwar als wünschenswertes Ziel, anders jedoch als die Herrschaft des Augustus bei Vergil, nicht als ein historisches Ziel, als Endzweck der Geschichte anzusehen ist. Dies bestehe stattdessen in einer Wiedererstehung einer moralisch geläuterten Republik (dafür ist die für Cato angekündigte Apotheose bedeutend). Ripoll kann das Elogium damit gleichzeitig als ernst und als ironisch begreifen. 261 Cf. Getty (1940) ad loc.; Roche (2009) ad loc. Die Motivik des unermesslichen opus hat auch eine metaliterari­sche Bedeutung, wobei hier allerdings in der Schwebe bleibt, ob der Erzähler sein eigenes Werk für größer als alles je Dagewesene hält (cf. Prop. 2, 34, 65 f., freilich über die Aeneis, ein fremdes Werk: cedite Romani scriptores, cedite Grai! | nescio quid maius nascitur Iliade), oder ob ihm auch selbst die schiere Unüberschau­barkeit des Themas er­schreckend scheint.

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Lucan äußert sich nicht noch einmal direkt über ihn  – anders als Vergil, der in den Georgica auf das Augustuslob das Binnenproöm in Buch drei und die Sphragis am Ende von Buch vier folgen lässt. Die teleologische Deutung des lucanischen Proöms wird damit auch in der Makrostruktur des Gedichts erschwert.262 Ein Zweck des Bellum Ciuile ist es, aus zeitlichem Abstand den furor des Bürgerkrieges als Schande Roms zu erweisen. Insofern könnten die berühmten Verse pauperiorque fuit tum primum Caesare Roma (3, 168), namque omnes ­uoces, per quas iam tempore tanto | mentimur dominos, haec primum repperit aetas (5, 385 f.)263 oder sed par quod semper habemus  | Libertas et Caesar erit (7, 695 f.) gerade auch als Bestätigung dafür gelesen werden, dass Nero, der im Proöm Gelobte, nicht so herrscht (bzw. herrschen soll) wie die Kaiser vor ihm, namentlich Tiberius und Caligula. Oder anders gesagt: Um einzelne Personen geht es nicht zuvörderst, sondern darum, dass mit der Monarchie kein Missbrauch getrieben werden darf. Nigel Holmes hat diesen Gedanken prägnant formuliert: »I think we must be rid of the Caesars, but admire Nero.«264 Die Abtrennung des Elogiums bewirkt nicht, dass die Leser keinen Zusammenhang zwischen Nero und dem Rest des Gedichts herstellen können, aber sie bewirkt, dass dieser Zusammenhang, gerade wenn man den Rest des Gedichtes, insbesondere die Verbrechen Caesars kennt, nie konkret sein kann. Es bleibt unklar, ob Nero von den Lesern als Gott und besserer Augustus bewundert, als caesarischer Herrscher verachtet oder als Widmungsträger und inspirierender 262 Cf. auch Paulsen (1995), 198; Dinter (2012), 79 f. 263 Nur Hosius (1892) erwähnt, dass dominos in V überliefert ist. Den Umstand, dass Caesar, den seine Anhänger bereits zum Diktator gemacht hatten (cf. Caes. civ. 2, 21, 5; 3, 1, 1), sich zum Konsul wählen ließ, hat Lucan sar­kastisch kommentiert: populoque precanti | scilicet indulgens summo dictator honori | contigit et laetos fecit se consule fastos (5, 382 ff.). Bereits ASL scheinen darüber im Ungewissen zu sein, ob in 386 dominis oder dominos zu lesen ist, und bieten Erklärungen für beides: Während bei dominis auf die (von Lucan nicht näher bezeichneten) Schmeicheleien gegenüber Tyrannen gedeutet sei, hierzu cf. Barratt (1979) ad loc., solle mentimur dominos heißen, dass man die Herrschenden unterwürfig und nicht ganz zu Recht als Herren bezeichnet. Hierauf bezieht sich Hous­mans dominis verteidigender Kommentar »mentiuntur dominos qui se seruos simulant, non qui dissimulant.« Bur­man (1740) ad loc. ist undeutlich, er liest dominos, zitiert Mart. 3, 43, 1: mentiris iuuenem, tinctis Laetine, capillis, aber erklärt: »sic nos vocibus antiquis consulum dictatorum &c. mentimur reges & dominos, id est falsis nominibus consules vocamus, qui revera sunt domini«; gleiches trifft auf Francken (1896) ad loc. zu: »mentior dominum est: fallacem domini speciem prae me fero […] mentiebantur dominos, quod dum videbantur conferre potestatem, inania nomina concedebant.« Shackleton Bailey (1987), 81 schließt sich der Entscheidung für dominos an und weist die von Housman bezweifelte Bedeutung von mentiri nach, und zwar mit Manil. 4, 307: mentiturque suas uires et munera celat. Die Lesart dominos ist gerade in der letzteren Interpretation reizvoll, weil sie die Fiktion der res publica restituta ansprechen und intratextuell Figulus’ cum domino pax ista uenit bestätigen würde. 264 Holmes (1999), 80: »In a context where praise is expected, the lines could reasonably yield such a reading to Nero or his court.« Ähnlich Hunink (1993); Rudich (1997), 116 f.

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Künstler einfach ›überblättert‹ werden soll. Dieser Aspekt ist für die Gesamtwirkung des Gedichtes bestimmend. Lucans offene, antiteleologische und wegen ihrer starken intertextuellen und metaliterarischen Determinierung entschieden selbstreferentielle Panegyrik provoziert und ist dabei faszinierend unangreifbar. Insofern kann sie den Anspruch erheben, jeden ephemeren Anlass zu überdauern. Vor allem aber kann der Dichter für sein Gedicht wie für seine Referenztexte die poetische gegenüber der politischen Qualität herausstellen.

4.3.2 Der panegyrische Kontext Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Komposition des Proöms hinsichtlich wichtiger Referenztexte untersucht wurde, bleibt noch übrig, einige Texte zu betrachten, die bisher nur beiläufig erwähnt wurden, die aber, besonders wegen der Goldzeitmotivik, in engem Zusammenhang mit Lucans Proöm zu stehen scheinen: Senecas Apocolocyntosis, die Eklogen des Calpurnius Siculus und die Einsiedler Gedichte.265 Hierbei kommt es mir nicht so sehr darauf an, welche historischen Beziehungen zwischen diesen Werken und dem Bellum Ciuile im Einzelnen bestehen; die schwierigen Probleme der Veröffentlichung, Datierung und Autorschaft können und müssen hier nicht behandelt werden. Die Forschung ist mehrheitlich, jedoch nicht ohne dass teils schwerwiegende Zweifel geäußert wurden, zu dem Ergebnis gelangt, dass diese drei Texte neronisch seien.266 Dies soll hier mit gebotener Vorsicht als Voraussetzung genommen werden. Aber selbst wenn man diese Annahme nicht teilen will und die Werke deutlich später datiert, so ist ihre in enger Auseinandersetzung mit der Dichtung Vergils stehende panegyrische Thematik dennoch als Reflexion 265 Cf. Schmid (1953), 96; Pfligersdorffer (1959), 368–372; Narducci (1979), 22–30; Merfeld (1999); Esposito (2013), 201. 266 Cf. Reitz (2006), 42–47; 112–117; 118–120. Zur Apocolocyntosis: Whitton (2013); Roncali (2014); Freudenburg (2015). Zu Calpurnius: Vinchesi (2014); Karakasis (2016); zu diesem und zu den Einsiedler Gedichten: Henderson (2013); jeweils mit ausführlicher Bibliographie. Während in den letzten Jahren Calpurnius wieder eindeutiger für neronisch gehalten wird, hat Stover (2015) jetzt Zweifel an der neronischen Datierung der Carmina Einsidlensia angemeldet und sie nach Nemesian an das Ende des vierten Jahrhundert datiert; als Autor wird, vor allem auf Grundlage der Textzusammenstellung des Codex Ein­sidlensis 266, der keine antiken Werke enthält, und unter Zuhilfenahme von Katalogangaben zu vergleichbaren zeitgenössischen Handschriften, wo ein Bucolicon Olybrii verzeichnet ist, Anicius Hermogenianus Olybrius er­wogen. Dem steht das sprachlich-stilistische Urteil Büchelers entgegen. Ob die Einsiedler Gedichte im ersten Jahrhundert Spuren hinterlassen haben, wie Lösch (1909), 6 angenommen hat, ist schwer zu beweisen, aber diese Vermutung spricht für einen neronischen Kontext. Zur Diskussion um den Verfasser der Apocolocyntosis cf. Bonandini (2007), 341–345; Holzberg (2016) hält die Schrift für ein Pseudepigraph und vermutet ihre Entstehung in der Mitte des zweiten Jahrhunderts.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit

frühkaiserzeitlicher Poesie zu verstehen. Mein Ziel kann also nicht sein, eine politische Tendenz in einem Werk mit Hilfe einer Vermutung über ein anderes nachzuweisen; hierfür ist die Gefahr von Zirkelschlüssen zu groß. Ob hier eine eindeutige politische Tendenz, etwa mehr oder weniger versteckte ›Prinzipatsfeindlichkeit‹ zu erwarten wäre, ist zudem zu bezweifeln.267 Vielversprechend ist aber die Frage, wie Bürgerkrieg, Goldenes Zeitalter und Herrscherlob in anderen Gattungen derselben oder scheinbar derselben Zeit behandelt werden und ob hierbei Ähnlichkeiten zur literarischen Technik ­Lucans bestehen. Ob die Texte neronisch oder ›pseudoneronisch‹ sind, ist dafür nicht unmittelbar relevant. Denn dass die Frage nach ›ernstem‹ oder ›falschem‹ Lob bei feierlich-heiteren und literarisch anspruchsvollen Werken abwegig oder wenigstens nicht in erster Linie bedeutend ist, zeigt sich unabhängig von ihrem speziellen historischen Hintergrund. Hierin besteht, wie ich zeigen möchte, eine wichtige Parallele zu Lucan. Die Subversivität, die in einem offenkundig interpretationsbedürftigen und verschieden interpretierbaren Lob liegt, braucht nicht notwendig gegen einen Adressaten gerichtet zu sein.

a) Die Apocolocyntosis Das Nerolob (apocol. 4, 1, 1–32), die größte Verseinlage der Satire, ist fast genauso lang wie das Nerolob des Bellum Ciuile und hat in der Literaturkritik fast dasselbe Schicksal erfahren wie dieses: Die einen haben es für ernst, die anderen für geheuchelt bzw. kritisch nehmen wollen. Auch hier kommt es offensichtlich auf ein ›preferred reading‹ an. Doch es gibt sehr gute Gründe, das Lob vor allem als heiteres Lob anzunehmen.268 Letztlich ist hier freilich die Frage nach dem primären Adressatenkreis (und, damit verbunden, der Verfasserschaft) entscheidend.269 Die Motivik des Lobliedes ist kosmisch: Clotho zertrennt den Lebensfaden des Claudius und Lachesis spinnt den des Nero, die Wolle färbt sich augenblicklich golden (7 ff.). Der Faden läuft von selbst und wird länger als der von Tithonos und von Nestor (12 ff.). Phoebus singt dazu, die Schwestern sind ab­ gelenkt, die Fadenlänge übersteigt nun jedes menschliche Maß (15 ff.). Der Gott, der weiß, dass Nero ihm an Schönheit und Kunstfertigkeit gleich ist, verbietet den Faden abzuschneiden und verkündigt Neros friedenbringende Herrschaft in Rom (20 ff.): Nero wird nach der Herrschaft seines Vorgängers Recht und Gesetz wiederherstellen und wie die aufgehende Sonne von Rom verehrt werden. 267 Zur Nerozeit und den Bedingungen einer ›neronischen Literatur‹, für die der Kaiser, wenn auch nicht eine ty­rannische, so doch aber eine zentrale Bedeutung hat, cf. Maes (2013); Kimmerle (2015), 86–110; 268–302. 268 Hierzu cf. Cordes (2014), bes. 364 f. Für ein Referat der Forschungslage wie für eine konzise Interpretation cf. Whitton (2013), 161–165. 269 Cf. Nauta (1987).

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Die neu anbrechende Goldzeit folgt hier nicht auf die Überwindung der Bürgerkriege, sondern auf das Ende der Tyrannei des Claudius. Doch was das Motiv betrifft, ist die Beziehung zum Parzenlied bei Catull und dessen Wiederaufnahme in Vergils vierter Ekloge nicht zu übersehen.270 talis Caesar adest (30) heißt es in der prophetischen, Nero und Sol vergleichenden Rede des Apollo – vielleicht klingt hier auch das ›talia saecla …‹ (ecl. 4, 46) der vergilischen Parzen an. Zwei Stellen lohnt es insbesondere zu betrachten: die sich verfärbende Schafwolle und den Verweis auf das lange Leben eines Nestor oder des Tithonos. Bei beidem handelt es sich um Elemente vergilischen Augustuslobs. In ecl. 4, 42 ff. wird die luxuriöse Verfärbung der Schafe prophezeit und in georg. 3, 48 endet das poetische Versprechen des Dichters damit, dass mit seiner Hilfe der Ruhm des Kaisers so lange dauern werde, wie dieser selbst von der Geburt des Tithonos entfernt sei: Tithoni prima quot abest ab origine Caesar.271 Der Zusammenhang lässt sich leicht herstellen. Nero wird gepriesen wie Augustus, aber wie ein zweiter (womöglich besserer) Augustus. Diese Panegyrik soll offensichtlich nicht die vorhergehende Vergils ersetzen, sondern beide sollen sich gegenseitig verstärken. Der Verfasser lässt Augustus selbst bei der himmlischen Gerichtsversammlung erscheinen und erklären (apocol. 10, 1–3): tunc diuus Augustus surrexit sententiae suae loco dicendae, et summa facundia disseruit: ›ego‹ inquit ›p.c. uos testes habeo, ex quo deus factus sum, nullum me uerbum fecisse: semper meum negotium ago. sed non possum amplius dissimulare, et dolorem, quem grauiorem pudor facit, continere. in hoc terra marique pacem peperi? ideo ciuilia bella compescui? ideo legibus urbem fundaui, operibus ornaui, ut – quid dicam p.c. non inuenio: omnia infra indignationem uerba sunt. confugiendum est itaque ad Messalae Coruini, disertissimi uiri, illam sententiam »pudet imperii.« hic, p.c., qui uobis non posse uidetur muscam excitare, tam facile homines occidebat, quam canis adsidit.‹

Da erhob sich der göttliche Augustus von seinem Platz, um seine Meinung zu sagen: Mit größter Beredsamkeit führte er aus: ›Euch, berufene Väter, habe ich zu Zeugen dafür: seitdem ich zum Gott gemacht wurde, habe ich kein Wort gesprochen, immer erfülle ich meine Aufgabe. Doch nun kann ich mich nicht weiter verstellen und den Schmerz, den meine Scham nur größer macht, zurückhalten. Habe ich dafür zu Land und zu Wasser Frieden geschaffen? Habe ich darum die Bürgerkriege beendet? Darum die Stadt auf Gesetze gegründet und mit Bauwerken geschmückt, damit  – ich weiß nicht, was ich sagen soll, berufene Väter: der Zorn verschlingt alle Worte. Ich flüchte mich daher zu der Sentenz des Messala Corvinus, der ein kluger Mann war: »Ich schäme mich der Herrschaft.«

270 Cf. Schönberger (1990) ad loc.; Merfeld (1999), 56–70. 271 Dass Tithonos nicht nur aus troischem Geschlecht stammt, sondern als unsterblicher Gatte der Aurora gewis­sermaßen für die Sonne stehen kann, ist hierbei ebenfalls von Bedeutung; cf. Serv. georg. 3, 48: et modo Tithonum pro Sole posuit, id est pro Titane: nam Tithonus frater Laomedontis fuit, quem proeliantem Aurora dilexit et rapuit; a quo usque ad Caesarem non ualde multum tempus est. – Nestor und Tithonus können zwar auch allgemein für ›Hohes Alter‹ stehen, cf. Prop. 2, 25, 9 f. Im Sinne der Panegyrik kommt es hier aber auf die ewige Dauer des Ruhmes an, ähnlich auch Stat. silv. 4, 3, 149 ff.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit Dieser Mann hier, berufene Väter, der euch unfähig scheint, eine Fliege zu erschrecken, hat Menschen so leichthin töten lassen, wie ein Hund sich hinhockt.‹

Die als Fragen formulierten Finalsätze beruhen auf der Voraussetzung, dass die Herrschaft des julischen Hauses als historisches Telos gerühmt worden ist. Überdies scheint der Kaiser mit seinen Bemerkungen über ›Frieden zu Land und zu Wasser‹ auf seine Res Gestae hinzuweisen.272 Das wirkt angesichts der auktorialen Erklärung summa facundia nicht nur unterhaltsam, sondern verleiht der politischen Aussage auch besonderes Gewicht.273 Wichtiger noch ist, dass auch dieser Augustus auf Vergil anzuspielen scheint; das legibus urbem fundare deutet auf das sechste Aeneis-Buch. Nachdem Anchises auf Augustus gezeigt und dessen Leistungen beschrieben hat, sagt er (6, 806–811):274 et dubitamus adhuc uirtutem extendere factis, aut metus Ausonia prohibet consistere terra? quis procul ille autem ramis insignis oliuae sacra ferens? nosco crinis incanaque menta regis Romani primam qui legibus urbem 810 fundabit.

Und – zweifeln wir, bis dahin die Tüchtigkeit durch Taten auszudehnen? Oder verbietet die Furcht, sich in Ausonien niederzulassen? Wer ist es, der dort in der Ferne, bekränzt mit den Zweigen der Olive, Opfer darbringt? Ich erkenne das Haar und das Kinn, weißgrau, des römischen Königs, der die Stadt zum ersten Mal auf Gesetze gründen wird.

adhuc uirtutem extendere factis: Anchises’ Frage gehört zu den zentralen teleologischen Momenten der Aeneis.275 Numa, der zukünftige Vorgänger des Augustus, erscheint in der Heldenschau der Aeneis gewissermaßen als ein Vorbild für Aeneas; gleichzeitig wird später Augustus sich auf ihn als vorbildlichen Herrscher berufen können.276 Dass die Hoffnung auf Ruhm gerade ein paar Verse später und überhaupt in der Handlung der Aeneis auch äußerst problematisch erscheint,277 braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden; auch nicht, ob der senecanische Augustus sich der Tragweite seines ›Zitats‹ bewusst ist. Es genügt zu bemerken, dass Seneca seinen Augustus behaupten lässt, Claudius habe nicht seinerseits der Zweck der augusteischen Erneuerung sein können. Augustus 272 Zur Bedeutung der Wendung für die augusteische Memorialkultur cf. Reitz-Joosse (2016), 277. 273 Man beachte auch die Ähnlichkeit der Wendung bella compescere (apocol. 10, 2) mit Lucans ferrea belligeri compescit limina Iani (1, 62). 274 Hierzu cf. Vannini (2013), 209. 275 Hierzu cf. Norden (31927) ad loc.; Heinze (31914), 276 zur »sozusagen protreptischen [in der früheren Auflage: pädagogischen] Absicht«; Henry (1989), 139 f. Horsfall (2013) ändert den Text wieder zu uirtute extendere uires. 276 Zur Bedeutung Numas als Exemplum cf. auch Calp. 4, 67 ff.; zur Rolle Numas in der augusteischen Dichtung cf. Deremetz (2013). 277 Zur Deutung der laudum immensa cupido (Aen. 6, 823) cf. Leigh (2012).

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kann vor Empörung diesen Gedanken nicht einmal aussprechen. Nicht genug, der Kaiser erklärt sogar, unter diesen Umständen sich seiner eigenen Herrschaft zu schämen, und verwendet dabei die Worte, die Messala Corvinus wohl gesagt hat, als er das Amt des Stadtpräfekten als inciuilis zurückgab und auf diese Weise den augusteischen Staat kritisierte:278 pudet imperii. Wenn es einen Sinn hatte, dass Claudius Kaiser wurde, dann hatte es keinen Sinn, dass Augustus Kaiser war. Indem der Verfasser diesen vergöttlichten Augustus sich beinahe selbst demontieren lässt, werden die Schwächen einer retrospektiven teleologischen Geschichtsbetrachtung enthüllt. Trotzdem gibt es gerade dadurch hier einen panegyrischen Effekt. Denn die Antwort auf die nicht zu Ende gestellten rhetorischen Fragen lautet offensichtlich: ›Nein.‹ Und die zusätzliche Erklärung lautet: ›sondern damit all das Erreichte bewahrt und verbessert wird.‹ Claudius’ Herrschaft ist eine historische Verirrung; daher irrt, wer also womöglich annimmt, derselbe göttliche Wille, der Augustus die Bürgerkriege beenden ließ, habe Claudius an die Macht bringen wollen. Die claudische Regentschaft erfordert Bestrafung; die ἀποκολοκύντωσις ist der Verlust der kaiserlichen Göttlichkeit. Augustus beantragt diese Strafe und in der Hölle steht ein gewisser C. Caesar bereit, sie zu vollziehen. Hintersinnig hieran ist nicht nur, dass Claudius seinerzeit an der damnatio memoriae des Caligula Anteil hatte,279 sondern auch dessen Namensgleichheit mit dem – wie Claudius – offiziell vergöttlichten Diuus Iulius.280 Nach der claudischen Herrschaft muss das propagierte, jedoch nicht dauerhaft eingetretene geschichtliche Ziel des Augustus gerettet werden.281 Nero wird diese Aufgabe erfüllen.282 Er wird, sozusagen noch einmal, aber nun für immer Frieden zu Land und zu Wasser schaffen, die Bürgerkriege beenden, Paläste bauen und Gesetze erlassen. Wenn Nero die Erwartungen nicht erfüllt, hätte auch er sich der Herrschaft zu schämen. Die offensichtliche Protreptik beför 278 Hierzu cf. Eden (1984) ad loc.; Russo (61985) ad loc.: »In quel momento le parole di critica di Messala […] do­vevano colpire Augusto stesso, epperò, sulla sua bocca, hanno un effetto comico.« Inwiefern die Darstellung des Augustus in der Satire dezidiert Kritik an diesem üben soll, ist sehr kontrovers diskutiert worden; cf. Wolf (1986), 10–16; Vannini (2013). – Zwierlein (1982a), 174 findet Augustus »im Rahmen des satirischen Genos mit seinen parodistisch-ironisierenden Zügen […] durchaus sympathisch« dargestellt; und zweifellos muss ein Tyran­nenankläger sympathisch wirken. Worin aber die satirische Absicht der Apocolocyntosis besteht, ist gerade wegen der gleichzeitigen Verschiedenheit und Untrennbarkeit der julisch-claudischen Kaiser so schwer zu sagen. 279 Cf. 11, 2: C. Caesarem non desiit mortuum persequi, wo die Identität von Caligula eindeutig ist. 280 Auch die Ermordung Caligulas lässt sich mit der seines Namensvetters vergleichen, cf. Suet. Cal. 60. 281 Whitton (2013), 161: »By laughing Claudius away, Apocolocyntosis can sanitize as much as it satirizes imperial, Augustan apotheosis.« 282 Cf. auch Sen. clem. 1, 9 ff.

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dert den satirischen Zweck. Je größer der Optimismus ist, desto leichter lässt sich über die Vergangenheit lachen.

b) Die Eklogen des Calpurnius Siculus Die politische Dimension, die Vergil in die Hirtendichtung eingeführt hat (Servius sagt prägnant, die vierte Ekloge weiche vom bukolischen Genre ab, ohne ihm unangemessen zu sein283), scheint Idyll und Majestät so suggestiv verbunden zu haben, dass in der Folge die Darstellung des Ländlichen zu einer Option panegyrischen Sprechens und das Herrscherlob zu einem wesentlichen Teil der Bukolik geworden ist. Ersteres zeigt sich in Lucans Umgang mit den Georgica,284 Letzteres in den Dichtungen des Calpurnius Siculus und des Anonymus Einsidlensis.285 Über ihre politische Vergil-Rezeption stehen die an sich so unterschiedlichen Werke also in einer interessanten Beziehung zueinander. Und besonders interessant wird diese Beziehung dort, wo jeweils das Politische problematisch wirkt. Das scheint bei Calpurnius der Fall zu sein; allerdings wissen wir von ihm immer noch sehr viel weniger, als vielleicht nötig wäre, um über seine Gedichte zu sprechen. Die Schwierigkeit, die Eklogen zu datieren, beruht darauf, dass im Text keine Namen genannt sind, die sichere Zuweisungen erlauben.286 Das führt aber nicht nur auf ein historisches Problem, sondern auch auf ein interpretatorisches. In welcher Zeit ist die Handlung der Gedichte angesiedelt? Aus der neronischen Datierung wird zumeist gefolgert, dass die Gedichte, insbesondere die politischen 1, 4 und 7, direkt und ausschließlich auf Nero zu beziehen seien.287 Einzelheiten wie der Komet in der ersten Ekloge oder das Theater in der siebten dienen dabei als Indizien.288 Aber es sind eben nur Indizien. Sicher ist, dass 283 Serv. ecl. 4, 1: nam licet haec ecloga discedat a bucolico carmine, tamen inserit ei aliqua apta operi. Darüber hinaus cf. Serv. ecl. 1, 7; 19; 27. 284 Dazu cf. oben 225 ff. 285 Cf. Mayer (2006). 286 Roche (2009), 98 f. und Vinchesi (2014), 48 gehen davon aus, wie auch Krautter (1992), der einen kurzen Abriss der älteren Forschung gibt, dass Lucan sich auf Calpurnius bezogen hat; die entscheidende Stelle hierfür ist Calp. 1, 48 f. gegenüber Lucan. 1, 3. Aber auch das Gegenteil ist denkbar – so wie man es ja auch im Fall einer Spät­da­tierung annehmen würde, cf. Horsfall (1993), 270. »Calp. has actually worked hard on his Neronian back­ground.« Allerdings folgt daraus nicht, dass Calpurnius notwendig nachneronisch sein müsste; cf. Mayer (2006); Karakasis (2016), 27 mit Verweis auf die öffentliche recitatio des lucanischen Proöms. Ruurd Nauta, viva voce, hat hinter Calpurnius’ Patron Meliboeus den Schriftsteller Columella identifiziert. 287 Cf. Korzeniewski (1971); Leach (1973); Garthwaite / Martin (2009); Henderson (2013); Karakasis (2016). 288 Kometen sind topische Prodigien, cf. Korzeniewski (1971) ad 1, 78. Daher kann allerdings auch kein eindeutiger Schluss auf eine bestimmte Zeit (also das Jahr 54) abgeleitet werden. Sowohl tatsächliche Kometen wie auch ›literarische‹ (cf. Lucan. 1, 526 ff.) dürften einen

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Calpurnius’ Hirtenwelt zunächst ein Phantasieland ist, wo wie bei Vergil römische Hirten griechische Namen tragen. Rom und seine Prachtbauten, Caesars Ermordung und Philippi werden erwähnt.289 Darüber hinaus jedoch, namentlich in Bezug auf die Claudius- oder Nerozeit, ist das Eklogenbuch völlig unbestimmt. Vielleicht kommt es auf diese Unbestimmtheit aber gerade an. Auch Vergils Bukolik, auf die Calpurnius immer wieder deutlich anspielt, ist zuweilen inkonkret. Erinnert sei an die Schwierigkeiten, die Details der vierten Ekloge auszulegen; hinter dem iuuenis der ersten Ekloge Oktavian und hinter dem Daphnis der fünften Caesar zu sehen, mag zwar naheliegen, aber dies muss von den Lesern eigens angenommen werden. Der Text schweigt dazu, es könnte auch alles ganz anders sein: überzeitlicher, ›bukolischer‹. Diese allgemeine Dimension, die Immergültigkeit des Hirtendaseins, sowohl im Idyllischen wie in der Bedrohung des Idylls, trägt wesentlich zur Wirkung der Gedichte bei. Calpurnius scheint diese Tendenz fortzuführen und noch zu verstärken. Auch wenn man für die Eklogen leicht einen neronischen Hintergrund annehmen kann, befinden sich doch die Hirten in einer ähnlichen Situation wie diejenigen Vergils: Die Bürgerkriege sind anscheinend gerade beendet. Im ersten Gedicht heißt es in der Prophezeiung des Faunus, die Ornytus und Corydon in einen Baum geritzt finden: nullos iam Roma Philippos | deflebit, nullos ducet captiua triumphos (1, 50 f.). Bemerkenswert ist, wie bedrohlich der bezwungene Bürgerkrieg immer noch erscheint: dum populos deus ipse reget, dabit impia uictas | post tergum Bellona manus spoliataque telis  | in sua uesanos torquebit uiscera morsus (1, 46 ff.). Hier ist auf zwei bedeutende Passagen der Aeneis angespielt; auf die Jupiterprohetie: ›claudentur Belli portae. Furor impius intus,  | saeua­ sedens super arma, et centum uinctus aenis | post tergum nodis, fremet horridus ore cruento‹ (Aen. 1, 294 ff.), und auf eben jene Stelle aus dem sechsten Buch, die auch in Lucans Proöm aufgerufen ist: ne, pueri, ne tanta animis adsuescite bella | Platz im kulturellen Gedächtnis der Leser haben. Der Komet des Jahres 44, der die Vergöttlichung Caesars anzeigte (und offensichtlich ein ›anderer‹ sein müsste, als der in Verg. georg. 1, 487 f. und Calp. 1, 82 f. genannte), ist auch als Omen für die Regentschaft des Augustus gedeutet worden, cf. Plin. nat. 2, 94: [sc. Augustus] interiore gaudio sibi illum natum seque in eo nasci interpretatus est. Über das Theater heißt es: uidimus in caelum trabibus spectacula textis | surgere, Tarpeium prope despectantia culmen (Calp. 1, 23 f.). Da Tacitus (ann. 13, 31, 1) und Sueton (Nero 12, 1) von einem hölzernen Amphitheater Neros berichten, hat man die Verse darauf bezogen. Das neronische Amphitheater stand jedoch auf dem Marsfeld, und wahrscheinlich eher am Stadtrand. Dass man von dort den tarpeischen Felsen hat sehen können, ist also eher zu bezweifeln. Diese Beschreibung scheint aber auch auf das prächtige Marcellustheater zuzutreffen, das auf Caesars Plan eines theatrum summae magnitudinis Tarpeio monti accubans (Suet. Iul. 44, 1) zurückgeht. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein Amphitheater. Wie und wo genau man sich den von Calpurnius beschriebenen Bau vorzustellen hat, ist mithin keineswegs deutlich. Überdies cf. Mayer (2006). 289 Cf. z. B. Calp. 1, 50; 82.

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neu patriae ualidas in uiscera uertite uiris (Aen. 6, 832 f.). Was immer die impia Bellona für zeitgenössische Leser bedeutet haben mag, wird als gleichwertig und gewissermaßen verwechselbar mit dem Bürgerkrieg dargestellt.290 In der vierten Ekloge wird das bekräftigt, hier singen Corydon und Amyntas (4, 97–136):291 Coryd. aspicis, ut uirides audito Caesare siluae conticeant? memini, quamuis urgente procella sic nemus immotis subito requiescere ramis, et dixi: ›deus hinc, certe deus expulit Euros.‹ 100 nec mora; Pharsaliae soluerunt sibila cannae.

[…]

Amynt. numine Caesareo securior ipse Lycaeus132 Pan recolit siluas et amoena Faunus in umbra securus recubat placidoque in fonte lauatur Nais et humanum non calcatura cruorem135 per iuga siccato uelox pede currit Oreas.

Coryd. Siehst du, wie die Wälder verstummen, da sie von Caesar gehört haben? Ich erinnere mich: so stand ein Hain, obwohl ein Sturm wütete, plötzlich still und bewegte keinen Ast mehr. Ich sagte: ›Ein Gott, ein Gott hat sicher die Winde vertrieben‹. Sofort verstummte das Zischen der Flöte von Pharsalia … Amynt. Selbst Lycaeus ist sicherer unter Caesars Walten, Pan kehrt in die Wälder zurück, Faunus liegt wieder sicher im lieblichen Schatten, eine Najade badet in ihrer schönen Quelle und trockenen Fußes kommt eine Baumnymphe daher; nicht mehr wird sie auf Menschenblut treten.

In dieser bukolischen Welt, wo man sich offenbar noch der Schlacht von Pharsalos erinnert, wird nun der Anbruch eines neuen Goldenen Zeitalters verheißen: aurea secura cum pace renascitur aetas | et redit ad terras tandem squalore situque  | alma Themis posito iuuenemque beata sequuntur,  | saecula maternis causam qui uicit Iulis (1, 42 ff.).292 Ist es das Goldene Zeitalter der vierten Ekloge Vergils oder ist es das Goldene Zeitalter der Apocolocyntosis, auf die vielleicht in Calp. 4, 140 angespielt ist: et date perpetuo caelestia fila metallo? Es ist nicht zu entscheiden. Leicht lässt sich an Nero denken; aber Nero hat, so sehr man auch allegorisiert, nicht diesen Bürgerkrieg beendet. In der Apocolocyntosis und im Bellum Ciuile ist wie gesagt die Frage provoziert, warum für Nero noch einmal ein Goldenes Zeitalter verkündigt wird; und aus der Beobachtung, dass Hoffnungen enttäuscht wurden, muss der gleichermaßen beeindruckende wie beunruhigende Gedanke folgen, wie schwer 290 Anders Merfeld (1999), 71–77 unter der Voraussetzung, dass ein Zeitbezug zu Nero offensichtlich ist und Ver­gils ›augusteisches Goldenes Zeitalter‹ noch nicht eingetreten ist. – Wiseman (1982) hat ausführlich darzulegen versucht, wie die Eklogen von zeitgenössischen Lesern vor dem Hintergrund eines ›claudischen Bürgerkriegs‹ gedeutet werden könnten; Nero sei als Wiederhersteller des julischen Hauses erschienen. Dennoch bleibt die Frage, warum der Name des Kaisers nicht genannt wird und stattdessen ein offensichtlich augusteisches Kolorit in den Gedichten verwendet ist. Hierzu cf. auch Küppers (1985), 353–355. 291 Korzeniewski (1971) stellt 132–136 den Versen 97 ff. voran; Vinchesi (2014) sieht dazu keinen Anlass. 292 Nicht nur Nero stammt mütterlicherseits von den Juliern ab, sondern auch Augustus.

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es ist, solche Hoffnungen zu erfüllen. Calpurnius hingegen aktualisiert nicht eine bereits gegebene Prophezeiung, die in eine mittlerweile vergangene Zukunft gewiesen hat, er wiederholt (scheinbar) nur dieselbe Geschichte: In der Zeit nach dem Ende der Bürgerkriege hofft man auf bessere Tage.293 Indem für neronische Leser nie ganz sicher sein kann, ob in diesen Eklogen über die Mitte des vergangenen oder des gegenwärtigen Jahrhunderts gesprochen wird, ergibt sich aber ein ähnlicher Effekt wie in der Apocolocyntosis und im Bellum Ciuile. Nero und Augustus werden parallelisiert: Augustus ist das Vorbild, das jedoch in Nero vollendet wird. Und wie dort, ist es auch hier nicht möglich, völlig unhistorisch zu denken: Wenn die Unvollkommenheit des einen Kaisers betont wird, bedeutet dies, dass es für den anderen nicht nur leicht, sondern – je nachdem – gerade schwer werden könnte, ihn zu übertreffen. In der Tat lassen sich auch bei Calpurnius dunklere Motive finden; die innere Chronologie des Eklogenbuches, die ›Entwicklung‹ Corydons, ist hierbei von Bedeutung.294 Die Prophezeiung des Faunus endet mit dem Hinweis auf den Kometen, der anders ist als derjenige, der nach Caesars Ermordung den Bürgerkrieg ankündigte. Der neue Gott, deus ipse, werde die Herrschaft in Rom übernehmen, ohne dass es dabei zu Erschütterungen kommt. Dann folgt, wenn der Text richtig sein sollte, ein sehr rätselhafter Gedanke (Calp. 1, 86–88); ich übersetze schrittweise: ›ut neque translati sonitu fragor intonet orbis nec prius ex meritis defunctos Roma penates censeat, occasus nisi cum respexerit ortus.‹

›Damit weder mit lautem Getön das Zerbrechen des übergebenen Erdkreises zu hören ist noch Rom glaubt, seine Penaten hätten ausgedient …, bevor nicht die Sonne untergeht, wo sie aufging.‹

Das Adynaton bezieht sich auffälligerweise nicht eigentlich auf die Penaten, sondern auf eine Annahme über sie. Sofern man an das aus Troja mitgebrachte Herdfeuer denkt, scheint hier ein Schicksalsgedanke, so etwas wie das imperium sine fine der Aeneis gemeint zu sein. Unter dem neuen Herrscher brauche niemand an der ewigen Dauer Roms zu zweifeln. Bisher habe zwar der Bürgerkrieg (oder die Tyrannei schlechter Herrscher) solche Furcht berechtigt erscheinen lassen.295 Nun aber könne kein Zweifel mehr bestehen: Die Penaten, deren Kult ja von Augustus erneuert wurde, werden ihr göttliches Walten, den Schutz Roms, niemals beenden. So hat zuletzt wieder Maria Assunta Vinchesi 293 Etwas anders, wegen der Prämisse, die Gedichte seien von vornherein eindeutig auf Nero zu beziehen, Leach (1973), 61: »Quite naturally, he [sc. Calpurnius, der Verf.] seems to strive, both in words and in ideas to surpass his Vergilian models, implying that the new age he celebrates will make all former good ages appear half-perfect or half-fulfilled.« 294 Hierzu cf. Leach (1973); Garthwaite / Martin (2009). Für eine andere Deutung insbesondere der siebten Ekloge cf. Korzeniewski (1976). 295 Hierzu cf. Lucan. 1, 240: deripuit sacris affixa penatibus arma; 2, 729: et natis totosque trahens in bella penates; sowie auch die von Oudendorp athetierten Verse 7, 257 f.

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den Satz verstanden: »né prima Roma riterrà che i Penati hanno esaurito le loro funzioni se non quando il tramonto avrà visto dietro di sé l’aurora.« Ob die Wendung ex meritis defungi (deren Überlieferung durchaus problematisch ist) in diesem Sinne ›seinen Dienst beenden‹ bedeutet, ist umstritten;296 und vielleicht soll dieser politisch relevante Satz auch nicht ganz leicht zugänglich sein. Eine weitere Möglichkeit, dem schwierigen Ausdruck zu begegnen, besteht darin, defungi absolut zu verstehen und ex meritis als kausal und affirmativ zu begreifen.297 Wenn man zudem bei den Penaten auch an die einzelnen Gebäude Roms denkt,298 dann lautet der Gedanke: ›Und nicht eher soll Rom glauben, seine Häuser und Tempel seien mit Recht zugrunde gegangen, bevor nicht …‹ Diese Assoziation stimmt zu dem im Vers zuvor erwähnten fragor; das Niederstürzen von Häusern wird häufig mit diesem Wort beschrieben.299 Dass die römischen Penaten, ob als Häuser oder sogar als Götter, mit Recht an ihr Ende gelangen könnten, ist schlechthin unglaublich. Aber so gesehen betrifft das Adynaton den ebenfalls ungeheuerlichen Gedanken der Rechtmäßigkeit des Bürgerkrieges, das heißt dieselbe Idee, die auch Lucans Proöm proklamieren würde, wenn man das quod si non aliam uiam (1, 33) teleologisch verstünde: Rom ist zerstört, damit ein neuer Herrscher es erneuern kann.300 Die Prophezeiung würde dann im Gegenteil bedeuten: Der neue Herrscher hat keinen Grund – so wie es andere Herrscher tun –, den Krieg beim Herrschaftswechsel 296 Cf. TLL 5, 1, 377, 25 ff. s. v. defungor: »i. q. desinere, deficere, perire« [Jachmann 1910, mit der Konjektur ah meritis]. Zu dem auch von Küppers (1985), 360 vertretenen Interpretationsversuch, defunctos penates censere als Vergöttlichung der toten Kaiser aufzufassen, cf. Leach (1973), 63 f.; Vinchesi (2014) ad loc. teilt nicht völlig die Bedenken, die Küppers (1985), 360 f. hinsichtlich der Latinität von ex meritis defungi hat: »Vero è che defungi è costruito per solito con l’ablativo semplice, la presenza di ex, a indicare il punto di partenza (figurato), potrebbe tut­tavia trovare spiegazione nell’enfatica tensione dello stile.« 297 Cf. Flor. epit. 2, 30: denique non per adulationem, sed ex meritis, defuncto ibi fortissimo iuuene, ipse, quod numquam alias, senatus cognomen ex prouincia dedit; ähnlich vielleicht auch Lucan. 7, 771: exigit a meritis tristes uictoria poenas. 298 Cf. TLL 10, 1, 1026, 74 ff. s.  v. penates [Keudel 1992]; bei Lucan ist dieser Gebrauch sehr häufig. Zur Materialität, Verlierbarkeit, aber nicht Veräußerbarkeit der römischen Penaten und deren symbolischer Instrumentalisierung im augusteischen Prinzipat cf. Stöckinger (2013). Ovids Bemerkung zu den troischen Penaten, den Aeneae comites, deutet die Gefahr an, denen die Penaten ausgesetzt waren: quibus ensis et ignis | cesserunt (met. 15, 861 f.). 299 Cf. Liv. 1, 29, 4; Sen. dial. 9, 11, 7. 300 Einen Deutungskontext bietet hier Lucans Laeliuspassage (1, 352 ff.). Während der Gedanke an die Penaten Caesars Soldaten fürs Erste zögern lässt (353), erklärt Laelius, dass er keine Bedenken haben werde, die Götter zu berauben und Feuer auf das Kapitol zu werfen. Leigh (2016) hat auf die Bedeutung hingewiesen, die Blossius’ Argumentation zugunsten von Tiberius Gracchus an dieser Stelle hat, cf. Plut. Tib. Gracch. 20, 4: εἰπόντος δὲ τοῦ Νασικᾶ πρὸς αὐτόν, ›τί οὖν, εἴ σε Τιβέριος ἐκέλευσεν ἐμπρῆσαι τὸ Καπετώλιον;‹ τὸ μὲν πρῶτον ἀντέλεγεν ὡς οὐκ ἂν τοῦτο Τιβερίου κελεύσαντος· πολλάκις δὲ καὶ πολλῶν τὸ αὐτὸ πυνθανομένων, ›ἀλλ᾽ ἐκείνου γε προστάσσοντος‹, ἔφη, ›κἀμοὶ τοῦτο πρᾶξαι καλῶς εἶχεν· οὐ γὰρ ἂν Τιβέριος τοῦτο προσέταξεν, εἰ μὴ τῷ δήμῳ συνέφερεν.‹

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als gerecht oder gar gottgewollt darzustellen. Er braucht sich nicht als späten Lohn für früheres Leid preisen zu lassen. Der panegyrischen Wirkung würde dadurch kein Abbruch getan. Die rätselhafte Bemerkung darüber, was man von den Penaten glauben kann, zeigt aber zum einen die Fragilität von Lobdichtung und ermöglicht zum anderen, das aktuelle Lob gerade besonders wirksam zu machen. Das ist, wie gesagt, auch im Bellum Ciuile zu beobachten. Corydon, dem internen Leser, scheint die Prophezeiung ebenfalls Schwierigkeiten zu bereiten; jedenfalls hat er Angst: me quatit et mixtus subit inter gaudia terror (90). Die Leser erfahren nicht, warum. Vielleicht, weil der Schrecken, von dem das Adynaton befreien soll, ihm nicht unbekannt ist. Vielleicht aber auch nur, weil hier etwas Göttliches im Spiel ist, das er nicht versteht. Ornytus hingegen, der Hirtenkamerad, erkennt in den Worten des Faunus etwas, das dem Kaiser zu Gehör gebracht werden sollte: forsitan augustas feret haec Meliboeus ad aures (94). Diesem Gedanken scheint Corydon sich später anzuschließen. In der vierten Ekloge will er dem Hirten Tityrus (hinter dem unschwer Vergil zu erkennen ist) nacheifern und das Goldene Zeitalter und den Gott selbst besingen (4, 6 f.). Auf die Frage, warum er nicht, wie er in Erwartung mangelnder Aufmerksamkeit angekündigt hat (27 f.), von der Dichtung ablassen wolle, antwortet er: haec ego, confiteor, dixi, Meliboee, sed olim: | non eadem nobis sunt tempora, non deus idem (29 f.). Was heißt ›derselbe Gott‹? Wird auch hier die Göttlichkeit des Claudius als geringer gewertet und lächerlich gemacht? Oder bezieht sich Corydon auf die Zeit der Bürgerkriege, als es noch keine Vergöttlichungen gab? Wieder scheint eine eindeutige Entschlüsselung der Personen unmöglich. Dass er auf derselben Flöte spielen will wie Tityrus (62), suggeriert überdies eine augusteische Gegenwart. Corydon erhält, anders als erhofft (4, 152 ff.), für seine Gedichte keinen Lohn; er ist darüber betrübt. Wenn er sich ein kleines Haus wünscht, wirkt das idyllisch. Aber verwirrend muss es scheinen, wenn Amyntas (der, wie es heißt, dasselbe fühlt wie sein Bruder Corydon) als Vision des Goldenen Zeitalters verkündet, dass es mehr Gold für alle gibt (4, 117–121): iam neque damnatos metuit iactare ligones fossor et inuento, si fors dedit, utitur auro; nec timet, ut nuper, dum iugera uersat arator, ne sonet offenso contraria uomere massa,120 iamque palam presso magis et magis instat aratro

Schon hat niemand mehr Angst, die verbotene Hacke zu schwingen. Der Gräber, wenn er zufällig Gold findet, macht Gebrauch davon. Nicht fürchtet der Pflüger, wie noch vor kurzem, dass, während er den Boden umwendet, der Pflug tönend auf einen großen Widerstand trifft. Ganz frei drückt er den Pflug in die Erde und drängt immer weiter voran.

Unübersehbar ist die Anspielung auf das Bild des Pflügers, der auf rostige Waffen und leere Helme stößt (georg. 1, 495 ff.). Das motivische Ineinanderfließen

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von landwirtschaftlichem Goldenen Zeitalter und Golderwerb mag man auf der Handlungsebene der bäurischen Naivität des Amyntas zuschreiben, in seiner Symbolik reicht es weiter: Kann in dieser Welt, kann für diese Hirten die Prophezeiung erfüllt werden?301 In der siebten Ekloge wird erzählt, wie Corydon aus Rom zwar begeistert, aber unverrichteter Dinge zurückkehrt. Dem Kaiser ist weder er nahegekommen noch sein Lied, womit das geschieht, was er wegen des neuen Gottes für unmöglich gehalten hatte: certe mea carmina nemo | praeter ab his scopulis uentosa remurmurat echo (4, 27 f.). Angesichts der von Gold strahlenden Stadt ruft er am Ende: o utinam nobis non rustica uestis inesset: | uidissem propius mea numina! (7, 79 f.). Man kann dies Gedicht als Ausdruck einer dem einstweilen geblendeten Hirten womöglich noch unbewussten, aber für die Leser leicht zu ahnenden Enttäuschung lesen – »the poems are a chronicle of disappointment«, hat Eleanor Winsor Leach erklärt. Dann liegt aber eine feine Ironie darin, dass Corydon am Anfang zu Lycotas sagt: o piger, o duro non mollior axe, Lycota, | qui ueteres fagos noua quam spectacula mauis  | cernere (4 ff.).302 Die aufwendigen Spiele, die von goldzeitlichem Tierfrieden weit entfernt sind (69 ff.) und während deren vom Kaiser nicht viel zu bemerken ist, sind die Realität. Die Prophezeiung, die auf einer alten Buche gestanden hat, wie sie der Hirt gebliebene Lycotas gern betrachtet, scheint mittlerweile beinahe altmodisch. Die göttliche Identität des Kaisers wird in Calpurnius’ Gedichten nicht durch eine vorweggenommene Apotheose erklärt und bewiesen, sondern einfach vorausgesetzt. Der Kaiser wird den Hirten als Gott vorgestellt (1, 44 ff.); sie vertrauen auf seine Hilfe (4, 122 ff.). Als Kontrapunkt hierzu kann der Verlust des pastoralen Ideals wirken: Corydon kommt aus Rom, wo er nichts erreicht hat, zurück aufs Land, wo es ihm nicht mehr gefällt. Was die Ursache hierfür ist, wird offen gelassen. Und ebenso wie nie ganz deutlich ist, von welcher Zeit und von welchem Kaiser die Eklogen handeln, bleibt auch unklar, ob die düsteren Ankläge, die für neronische Leser sicher zu bemerken gewesen sein dürften, überhaupt auf den deus ipse und nicht allgemeiner auf eine Zeit zurückfallen müssen, wo man sich genau besehen nicht so sehr das Anbrechen einer gerechten Friedenszeit wünscht wie Ruhm und materiellen Gewinn. Der Dichter spricht den Kaiser nie an. Am Ende ist nicht einmal sicher, ob es sich bei den Eklogen um Panegyrik handelt oder um Dichtung über Panegyrik.303 301 Cf. Verg. georg. 2, 507: condit opes alius defossoque incubat auro. Zu Corydons materiellen Interessen cf. Garthwaite / Martin (2009), 316–322. Ob für den Dichter »unter der Herrschaft Neros die ›Idealvorstellung‹ Vergils realisiert worden ist«, so Merfeld (1999), 91, ist fraglich. 302 Zur Bedeutung der Buchen als Referenz auf Vergils Eklogen cf. Garthwaite / Martin (2009), 310 f.; zur Deutung der politischen Eklogen als Einheit insbesondere mit Blick auf die ersten Regierungsjahre Neros cf. Leach (1973), 85–89, zum Zitat: ibid. 87. 303 Hierzu cf. auch Paschalis (2016); Karakasis (2016), 110–113.

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c) Die Einsiedler Gedichte Auch die beiden anonymen, im Codex Einsidlensis 266 überlieferten und schwer datierbaren Eklogen erscheinen, wie sie uns heute vorliegen, in ihrer Panegyrik uneindeutig.304 Eine befriedigende Interpretation ist sehr unsicher, wenn nicht unmöglich.305 Was ihre Beziehung zur Dichtung Vergils und ihre Motivik der Geschichtsdeutung betrifft, lassen sie allerdings einige interessante Beobachtungen zu. Das erste Gedicht handelt von einem Sangeswettstreit zwischen den Hirten Thamyras und Ladas. Richter soll ein gewisser Midas sein. Ob oder wie er entscheidet, ist nicht zu erfahren; die Ekloge endet damit (oder bricht damit ab306), wie beide mit ihrem Lied beginnen. Thamyras, der einen Lobgesang auf den Kaiser vortragen will und deswegen überzeugt ist zu gewinnen (15 f.), hat das letzte Wort (ecl. Eins. 1, 36–49): huc huc, Pierides, uolucri concedite saltu, hic Heliconis opes florent, hic uester Apollo est tu quoque, Troia, sacros cineres ad sidera tolle atque Agamemnoniis opus hoc ostende Mycenis. iam tanti cecidisse fuit! gaudete ruinae40 et laudate rogos: uester uos tollit alumnus. ………………………… tum plurima barba43 albaque caesaries pleno radiabat honore. ergo ut diuinis impleuit uocibus aures,45 candida flauenti discinxit tempora uitta Caesareumque caput merito uelauit amictu. haud procul Iliaco quondam non segnior ore stabat et ipsa suas deleuit Mantua cartas.

Hierher Pieriden! Eilt herbei mit schnellem Sprung! Hier blühen die Gaben des Helikon, hier ist euer Apollo. Auch du, Troja, erhebe deine heilige Asche zu den Sternen und zeig Agamemnons Mykene dieses Werk. Dies endlich war den Fall wert: Freut euch, ihr Ruinen, und preist die Gräber, euer Spross hat euch emporgehoben. … Der Bart und das weiße Haar erstrahlten in voller Würde. Und als er denn die Ohren mit göttlichem Sang erfüllte, nahm er von seinen weißen Schläfen die goldene Binde und verhüllte das kaiserliche Haupt mit würdigem Schleier. Nicht fern stand – seinerzeit nicht schwächer als der Mund, der von Ilios sang – Mantua und zerriss ihre Seiten.

Dass dieser siegesgewisse Sänger den Namen des berühmten Musenherausforderers trägt (Hom. B 595; Lucan. 6, 352), und der Richter den des fehlgeleiteten Kritikers Midas (Ov. met. 11, 146 ff.), hat Verdacht erregt.307 Tatsächlich könnte 304 Editio princeps: Hagen (1869). Der hier abgedruckte Text folgt der Ausgabe von Korzeniewski. 305 Für eine Parodie: Korzeniewski (1966); Amat (1998). Für ernsthaftes Herrscherlob: Effe / Binder (1989), 130–140; Merfeld (1999), 112–138. Schubert (1998) hält das erste Gedicht für Parodie, das zweite dagegen für konventi­onelle Panegyrik. 306 Korzeniewski (1971), 111 geht, wie Hagen und Peiper, cf. Schmid (1953), 88 No. 92, von einem verlorenen Schiedsspruch aus. Nach Effe / Binder (1989), 130 f. wird dieser »allerdings nach dem Inhalt des Einleitungsge­sprächs auch kaum vermißt.« Henderson (2013) nimmt – abgesehen von dem Ausfall von 1, 42/43 bzw. 2, 12 – vollständige Überlieferung an. 307 Cf. z. B. Korzeniewski (1971), 110 f.; Henderson (2013), 172. Es scheint auch das Sprichwort Θάμυρις μαίνεται existiert zu haben, cf. PB s. v. Θάμυρις, hierzu passt Ladas’ Bemerkung: quid iuuat insanis lucem consumere uer­bis? (13).

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es ein sehr zweifelhaftes Lob sein, wenn ein Thamyras die Musen anruft, um mit einem auf die Dichtung des Kaisers308 gemünzten tanti cecidisse fuit Vergil (und Homer?309) geringzuschätzen. Man kann fragen, ob Nero von einem solchen Lobredner hätte gelobt werden wollen. Aber diese Frage wird, wie gesagt, nicht weit führen. Ohne solchen Spekulationen nachzugehen, lässt sich bemerken, dass dieser Sänger sein teleologisches Argument in solcher Übersteigerung vorträgt, wie sie bei Lucan nicht zu beobachten war. Der Unterschied zeigt sich an dem prägnanten Genetiv tanti fuit (40), den man häufig mit Lucans hac mercede (1, 38) verglichen hat (aber auch mit uix tanti fuerat, 2, 62, vergleichen sollte).310 Bedeutender noch ist aber der unmittelbar folgende Ausruf gaudete ruinae et laudate rogos. Hiermit werden nicht nur die Schrecken des Trojanischen Krieges umgedeutet. Wenn insbesondere der Ruhm Vergils weichen soll, so scheint Thamyras gerade auch das beseitigen zu wollen, was in Vergils Dichtung als Kontrapunkt zur teleologischen Auffassung über den Aufstieg Roms wirkt und worauf sich Lucan immer wieder bezieht. Hierin kann ein panegyrischer Effekt liegen, nämlich die vorbehaltlose Überhöhung Neros über alles Augusteische. Die von Thamyras vorgetragene Auxesis des kaiserlichen Dichters ist zuweilen jedoch als lächerlich übertrieben empfunden worden – vor allem da die Leser das plakative gaudete ruinae auch losgelöst auf das nachaugusteische Rom (und, nach 64, auf den Stadtbrand311) beziehen können. An dieser Empfindung vermag auch der Hinweis nicht viel zu ändern, dass die Herabsetzung der größten Dichter zur allgemeinen adulatorischen Praxis gehört habe und dass, wie es heißt, Vergil selbst seine als ungenügend empfundene Aeneis habe vernichten wollen.312 Denn das Widersinnige der Rede des Thamyras besteht auch darin, dass das Gedicht, dessen Teil er ist, offensichtlich auf die Eklogen Vergils, namentlich die dritte,313 und seine eigene literarische Abhängigkeit davon hinweist. Das gilt noch mehr für das zweite Einsiedler Gedicht; falls beide vom 308 Hierzu cf. insbesondere Bücheler (1871) zu Neros Troica. 309 Wer das Subjekt des Satzes tum plurima … ist, lässt sich wegen des Versausfalls nicht feststellen; Bücheler (1871) hat angenommen, dass von einem Auftreten Homers die Rede habe sein müssen. Homer würde dann Nero seine Verehrung erweisen, indem er ihm seine Binde abträte. Unter anderem wegen des dann zu vermutenden Subjektwechsels in 45/46 wurde allerdings auch erwogen, dass nur Nero gemeint gewesen sei, cf. Schmid (1953), 86 f. Das überlieferte distinxit spricht nicht eindeutig für das Abnehmen der uitta. 310 Cf. Lösch (1909), 3; Korzeniewski (1971), 79; Döpp (1993), 253 auch mit Verweis auf Ov. met. 15, 452: utiliter Phrygibus uicisse Pelasgos; Henderson (2013), 174. Die literarische ›Abhängigkeit‹ ist jeweils unterschiedlich be­urteilt worden. 311 Zu der Datierungsfrage cf. Merfeld (1999), 129 f., die sich für 63 bzw. Anfang 64 entscheidet. Amat (1998) und Schubert (1998) datieren die Gedichte später, Henderson (2013) früher. Ein Indiz kann lediglich die wahrscheinli­che Priorität des Calpurnius sein. 312 Cf. Schmid (1953), 88; Korzeniewski (1971), 111. Cf. auch Stover (2015), 303 f. mit Verweis auf Ps.-Oktavian, Anth. Lat. 672, 35. 313 Cf. Scheda (1969), 7; Henderson (2013).

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selben Verfasser stammen, fällt die intertextuelle Dimension umso stärker ins Gewicht.314 Man kann diese Widersprüchlichkeit auf einen imitatio / aemulatioProzess oder auf ›Einflussangst‹ zurückführen und sie für poetisch zwar unerfreulich, aber auch nicht weiter beachtenswert ansehen. Bei näherem Hinsehen ergibt sich jedoch gerade hieraus ein interessanter interpretativer Gewinn. Während für Thamyras der Wettkampf schon entschieden ist, verhält sich Ladas zurückhaltender (13 f.) und erscheint als ein Gegenbild zu seinem Gegenüber. Ähnlich verhält es sich mit den beiden Gesängen. Der eitle Thamyras denkt sich ein Loblied aus (dicere laudes | mens iubet, 15 f.), Ladas hingegen scheint inspiriert: et me sidereo corrumpit Cynthius ore | laudatamque chelyn iussit uariare canendo (17 f.). Er singt daraufhin mit deutlichen Anklängen unter anderem an Vergils sechste Ekloge315 vom göttlichen Walten in der Welt und preist besonders Apollo, den Dichtergott und Drachentöter, hinter dem aber leicht, ohne dass dies eigens angekündigt zu werden brauchte, Nero zu erkennen ist:316 fas mihi sit uidisse deos (26). Am Schluss des Liedes heißt es: caelestes ulli si sunt, hac uoce locuntur! | uenerat ad modulos doctarum turba suorum (34 f.). Nero singt wie Apollo, der gerade den Drachen erschlagen hat. Für einen Sangeswettstreit hat die kosmogonische Apollonmotivik wegen ihrer Beziehung zum kallimacheischen Apollonhymnos (Call. hymn. 2, 100 ff.) einen besonderen Reiz: Das Feine, Unerhörte ist eindrucksvoll und lobenswert, großepisches Epigonentum und poetischer Neid sind dagegen eher lächerlich. Gerhard Binder hat erklärt:317 Die Hirtenwelt ist aus den Fugen geraten: Der größere Schmeichler, nicht der bessere Künstler hat Apollo auf seiner Seite […] Die Dichterweihe der 1. Einsiedler Ekloge übersteigt in ihrem Maß an Überbietung alles uns Bekannte. Nero, der größte Epiker aller Zeiten: Für einen Panegyriker der frühen Kaiserzeit war eine Parallelisierung Homer – Nero offenbar das passende Instrument. Auf Vergils dezente, gerade hinsichtlich poetischer Qualität hohe Maßstäbe setzende Eklogen kann sich diese zur Hülse für Panegyrik verkommene Bukolik nicht berufen.

Aber hat denn Thamyras Apollo wirklich auf seiner Seite? Welches der beiden über ein Vorspiel kaum hinausreichenden Lieder Midas für das bessere hält, wissen wir nicht. Unklar ist auch, ob ein Urteil überhaupt gefordert und gerechtfertigt wäre.318 Wenn man den Wettstreit als Hirtenspiel begreift, hat man 314 Für einen Überblick zu der Kontroverse cf. Schubert (1998), 158 No. 67. 315 Cf. Merfeld (1999), 120 f. mit Verg. ecl. 6, 82 ff.: omnia quae Phoebo quondam meditante beatus | audiit Eurotas iussitque ediscere lauros | ille canit. Cf. auch 6, 33: ut his ex omnia primis, | omnia et ipse tener mundi concre­uerit orbis und ecl. Eins. 1, 24: et citharae modulis primordia iungere mundi. 316 Cf. Schubert (1998), 146–150; Merfeld (1999), 119–138; Henderson (2013). Anders, jedoch nicht überzeugend: Döpp (1993). 317 Effe / Binder (1989), 133/135. Merfeld (1999) hat sich dem im Wesentlichen angeschlossen. 318 Cf. Scheda (1969), 14–16; Henderson (2013), 172–176.

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zwei komplementäre Lieder, die einander ergänzen und beide dasselbe besagen. Wenn man aber einen starken Unterschied sehen will, dann steht hier ein subtiler, anspielungsreicher Vergleich Neros mit Apollo einer platten Gleichsetzung gegenüber. Während Ladas den Dichter für seine göttliche Stimme preist, lobt Thamyras anscheinend Neros Troica. So wie es hier zusammengefasst wird, erscheint das Gedicht – gerade im Vergleich mit Vergils Aeneis – allerdings wie ein kaum beeindruckendes Allerweltswerk.319 Zweifellos ist die erste Einsiedler Ekloge von vergilischer Bukolik weit entfernt (und will dies trotz allen Bezügen wohl auch sein). Ob es sich dabei jedoch bloß um ›verkommene Poesie‹, um servile Schmeichelei handelt, oder ob mit mehr Raffinement zu rechnen ist, muss wohl offen bleiben.320 Raffiniert scheint jedenfalls das zweite Gedicht zu sein. Auf die Frage, was ihn so schweigsam sein lasse, bekennt Mystes seinem Hirtenkameraden Glyceranus, dass er Sorgen habe. In dem sich entfaltenden Gespräch wird deutlich, dass ihm nichts Materielles fehlt, das Hirtenleben verläuft ohne Gefahr. Man könnte meinen, der Hirt sei verliebt. Aber auch von solchen Hirtensorgen ist nicht im Geringsten die Rede. Letztlich gesteht Mystes: satias mea gaudia uexat (ecl. Eins. 2, 9), um daraufhin über ein nicht mehr nur bevorstehendes, sondern bereits gegenwärtiges Goldenes Zeitalter zu sprechen. Die Anklänge sowohl an Vergils vierte Ekloge als auch an das zweite Georgica-Buch sind hierbei offensichtlich, insbesondere in dem uns überlieferten Schluss: casta, faue, Lucina, tuus iam regnat Apollo (38).321 Was die Sorge des Mystes im Einzelnen umfasst, bleibt undeutlich. Das Paradoxon, in einem sorgenfreien Leben dennoch Sorgen zu haben, wird nicht aufgelöst. Vielleicht fehlt auch hier das Ende des Gedichts,322 allerdings steht im Codex nach dem Schlusswort Apollo deutlich finit. In jedem Fall verlangt der Text, wie er uns vorliegt, nach einer Deutung. Beate Merfeld hat zu zeigen versucht, dass Mystes mit seiner Goldzeitbeschreibung das Missverhältnis einer allgemeinen trunkenen Dionysosverehrung gegenüber der tatsächlichen Regentschaft eines Nero / Apollo anprangern

319 Zur poetischen Tradition einer Troiae halosis cf. Ambühl (2010), 19–22. Lucan soll bekanntlich ein solches Gedicht verfasst haben. – Wenn man der Spekulation nachgibt, dass der Anonymus sich auf Lucan bezieht, dann ist dieser Umstand vielleicht bedeutend und ebenso die in ihrem Wahrheitsgehalt kaum rekonstruierbare, ver­schieden aus­zudeutende Annahme, dass er bald nach Veröffentlichung der ersten Bürgerkriegsbücher wohl wegen poe­tischen Neids in Ungnade gefallen ist, dazu cf. oben 266 f. 320 Cf. z. B. den Ansatz von Schubert (1998), 135–158: Das Gedicht sei eine Parodie bzw. ein Pastiche schlechter Hofpoesie, trage darüber hinaus aber auch seinerseits zur Verspottung des Herrschers bei. 321 Hierzu cf. Merfeld (1999), 139–160. 322 Cf. Fuchs (1958), 366, mit dem kaum überzeugenden Vorschlag, den Vergilvers des Schlusses zu athetieren; Korzeniewski (1971), 114 mit der Vermutung politisch bedingter Zensur. Dagegen z. B. Merfeld (1999), 141–146; Heil (2008).

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wolle.323 Mit dem so erreichten Effekt hätte das artifizielle, dramatisch-geheimnisvolle Gedicht aber nur einen einzigen, poetisch kaum befriedigenden Zweck: Nie dagewesenes Herrscherlob.324 Ob die Vergilanspielung tuus iam regnat Apollo wirklich so eindeutig – gewissermaßen wie im Lied des Thamyras – auf Nero zu beziehen ist, darf man bezweifeln; eben weil sie dazu einlädt, die Zeitverhältnisse in der Ekloge des Anonymus und derjenigen Vergils zu vergleichen. Bei Vergil ist diese Regentschaft Apollos die Voraussetzung für den Anbruch der bevorstehenden besseren Zeiten. In der Ekloge des Anonymus steht die Bemerkung als Ergebnis einer Gegenüberstellung (2, 27–38): nec gladio metimus nec clausis oppida muris bella tacenda parant, nullo iam noxia partu femina quaecumque est hostem parit. arua iuuentus nuda fodit tardoque puer domifactus aratro30 miratur patriis pendentem sedibus ensem. sed procul a nobis infelix gloria Sullae trinaque tempestas, moriens cum Roma supremas desperauit 〈sortes〉 et Martia uendidit arma. nunc tellus inculta nouos parit ubere fetus,35 nunc ratibus tutis fera non irascitur unda. mordent frena tigres, subeunt iuga saeua leones. casta, faue, Lucina, tuus iam regnat Apollo.

Nicht mähen wir mit dem Schwert, nicht sinnen Festungen hinter verschlossenen Mauern heimlich auf Krieg, nicht gebiert, schuldig schon durch die Geburt, jedwede Frau einen Feind. Die Jugend gräbt nackt auf den Äckern und, ermüdet vom trägen Pflug, bestaunt der Jüngling das Schwert, das im väterlichen Haus hängt. – Doch fern von uns ist der unglückliche Ruhm eines Sulla und der dreifältige Sturm von damals als das sterbende Rom an seinem Schicksal irre wurde und die Waffen des Mars verkaufte. Nun bringt das unbestellte Land reichlich neue Früchte hervor. Nun zürnt nicht mehr – die Schiffe sind sicher – die wilde See. Die Tiger beißen auf Zügel, unters Joch gehen die wilden Löwen. Keusche Lucina, sei gnädig. Schon herrscht dein Apollo.

Die Qualität der Gegenwart zeigt sich erst im Vergleich mit der Vergangenheit. In der Welt von Mystes und Glyceranus sind die Bürgerkriege nur noch eine staunenerregende Erinnerung; das Motiv der aufgehängten Schwerter vereinigt – wie bei Lucan, nur aus einer anderen Perspektive – das hesiodeische Bild der Ruder im Rauch und Vergils Vision von den staunenden Bauern.325 Was in Vergils Dichtung prophezeit wurde, ist in der Fiktion dieses Gedichts eingetre-

323 Cf. Merfeld (1999), 152–160. Der Name des Gottes wird nicht genannt, Merfeld deutet aber resonant caua tympana palmis, | Maenalides teneras ducunt per sacra choreas (17 f.) als Beschreibung eines Dionysosfestes, mit Calp. 4, 122 ff. und Verg. georg. 2, 388 ff. 324 Gerhard Binder hat das mit der Formel vom »Abstieg vom Parnaß zum Palatin« pointiert beschrieben, cf. Effe / Binder (1989), 143. Aber vielleicht wird man den Gedichten damit nicht ganz gerecht. 325 Lucan. 1, 239 ff. Hierzu cf. oben 48 ff.

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ten. Der Effekt ist freilich derselbe wie immer: die Frage, was für eine Zukunft warum wünschenswert ist. Der Rückblick, den Mystes vollzieht, hat zwei literarhistorisch reizvolle Perspektiven: erstens, dass (oder als intertextuelle Frage an die Leser: ob) alles so gekommen ist, wie es prophezeit wurde, und zweitens, dass es eine Zeit gegeben hat, in der auch in der Hirtenwelt solch eine Prophezeiung notwendig war. Betet Mystes wie der Sänger der vierten Ekloge zu Lucina oder spricht er zu Glyceranus und zitiert dabei Vergil? Hierin liegt ein wichtiger Zugang zu dem Gedicht.326 Wolfgang Schmid hat die Sorgen des Mystes als gestörte Ataraxie aufgefasst und darin eine feine, aber deutliche Ironie gesehen:327 Das neue ›Goldene Zeitalter‹ als eine Quelle des ›ennui passionel‹ zu sehen, ist nicht die Sache der stumpfen Menge, sondern weniger ›Eingeweihter‹, die sich den Luxus feinbesaiteter Sensibilität leisten können und nichts anderes zu tun haben, als in ihren dem kunstbegeisterten jungen Prinzeps nahestehenden collegia poetarum sich den musischen Zerstreuungen des höfischen Lebens hinzugeben […] ›Welch herrliche Zeiten beschert uns die neue Ära – vor lauter securitas nur curae.‹ Das ist jedoch ganz und gar nicht eine ›kritische‹ oder oppositionelle Äußerung, die die Segnungen des neuen Zeitalters nicht recht wahrhaben will und in Frage stellt, sondern eher die Stimme eines Mannes, der die Auswirkungen eben jener Segnungen auf den Kreis der Bevorzugten registriert, dem er sich selbst zugehörig weiß. Er und nur er durfte sich das liebenswürdige Paradoxon erlauben, durch das zuvor auf die erotische Bukolik beschränkte Melancholiemotiv nun auch in der panegyrischen Bukolik ein freilich recht eigenartiges Daseinsrecht erhielt.

Unabhängig davon, für wie höfisch man das Gedicht hält: Die ›Gefahr‹ einer neuen Goldzeit liegt darin, im Überfluss alles Gewesene zu vergessen, nichts mehr zu erhoffen und damit an das Ende nicht nur der bukolischen, sondern der Dichtung überhaupt gelangt zu sein. Die ›quälende Sattheit‹ beschreibt nicht schlechthin den Zustand der Erfüllung aller Wünsche, sondern gerade ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Ideal und Wirklichkeit. Ganz golden ist das Gold immer noch nicht. Die ewige Jugend des ersten Geschlechts (Hes. op. 113 ff.) fehlt, dafür bleibt das Sentiment. Die fiktive Zustandsbeschreibung der eingetretenen Prophetie hat unausweichlich eine historische, vergleichende 326 Hierzu cf. auch Heil (2008), bes. 163–166 zur Rechtfertigung, Erklärung und meta­ poetischen Deutung des über­lieferten cernis ut attrito cortice fagi … (2, 15). Beachte allerdings auch Stover (2015), 308 mit dem Zweifel (wenn­gleich ex silentio): »If the EE were Neronian, they would offer the earliest example by a century at least of a whole line of Virgil being incorporated into an independent piece of poetry.« 327 Schmid (1953), 64–70 mit Verweis auf Lucr. 4, 1133: surgit amari aliquid, quod in ispis floribus angat; zum Zitat: 69 f. Dazu skeptisch Fuchs (1958) mit der Erklärung der satias als κόρος (bes. Solon fr. 5, 9 f. [= 6, 3 West]: τίκτει γὰρ κόρος ὕβριν) und ausführlicher Darstellung der Tradition, vor den Perversionen eines luxuriösen Frie­dens zu warnen. Scheda (1969), ­34–37 kommt auf das Melancholiemotiv zurück und nimmt auch andere Texte bzw. Tradi­ tionslinien in den Blick, bes. Hor. carm. 3, 1, 33 f.

Zusammenfassung 

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Dimension; die hiervon ausgehende ironische Wirkung ist nicht zu unterschätzen. Andreas Heil hat das Ende der Ekloge prägnant zusammengefasst: »Dies ist der Grund für seine satias: Er ist das Dichten leid, weil es nichts mehr zu verkünden gibt. Das Glück der Gegenwart ist so vollständig und so offensichtlich, daß es nicht mehr gepriesen werden muß.«328 Er stellt daraufhin fest: »Ein größeres Kompliment kann ein Dichter einem Herrscher wohl nicht machen.« Das mag sein. Bei einem Gedicht über einen Dichter, der nicht dichten kann, muss ein gewisses Unbehagen dennoch bleiben. Und so ist die Frage hinzuzufügen: Kann es jemals wünschenswert sein, einen Kaiser dafür zu preisen, dass unter seiner Herrschaft die Kultur dem Verdruss gewichen ist?

4.4 Zusammenfassung Lucans Anspielungen auf Anfang und Ende des ersten Georgica-Buches sind die interpretativ folgenreichste Auseinandersetzung mit dem Lehrgedicht. Die potentielle Unvereinbarkeit von Herrscherlob und Zukunftsangst, die auch in den Georgica provozierend wirkt, stellt Lucan weit stärker heraus als Vergil. Ein Prinzipat, der Menschen wie Caesar vergöttlicht, aber Bürger zu Sklaven macht, ist nicht wünschenswert. Wenn der Bürgerkrieg hierzu geführt hat und die alten Götter durch die Kaiser ersetzt werden, so kann man das eine Strafe für die Götter nennen (7, 455 ff.). Tatsächlich ist es eine für die Menschen. Durch solche Betrachtungen wird ein historischer, namentlich literarhistorischer Gedanke befördert: Im Bellum Ciuile ist einerseits zu sehen, wie römische Bürger sich eines Verbrechens schuldig machen, das die Schwäche ihrer kulturellen Standards erweist – poetisch wird dies unter anderem durch die Texte bewirkt, die mittels metapoetischem Realismus für die Handlungsebene als wirkungslos qualifiziert werden. So ist die Notwendigkeit einer kulturellen Erneuerung unmittelbar offengelegt. Wenn aber andererseits im nachaugusteischen Bellum Ciuile die erhoffte Folge dieser Erneuerung, die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters, erneut verheißen wird, allerdings nicht für Augustus, sondern für Nero, so wird mit skeptischer Selbstreferentialität die Frage nach der sittlichen Wirkung von Literatur gestellt. Auf diese Weise ist das Proöm als ironisch, als heiter, als literarisch erfreulich aufzufassen. Der Blick auf die Apocolocyntosis stützt, wie zu sehen war, diese Auffassung. Das offensichtlich problematische Phaethonmotiv wird zum selbstbewussten Symbol dieser Ironie, die das Nerolob nicht in sein Gegenteil verkehren kann, sondern die Dimensionen literarischer Panegyrik reflektiert, nämlich die Existenz früherer ›Fehlprognosen‹. Der eher reizvoll provozierende als wirklich subversive Gedanke, dass ein Goldenes Zeitalter, wenn es ein zweites Mal erhofft werden muss, und daher möglicherweise – 328 Heil (2008), 170.

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Pharsalische Felder und Goldene Zeit

warum auch immer – auch unter Nero nicht eintreten könnte, ist in dieser Ironie angelegt und wird in der (wenigstens scheinbar) zeitgenössischen Bukolik ebenfalls verwendet. Die Frage, warum Lucan das Proöm geschrieben hat, lässt sich damit nicht beantworten; auch nicht, ob es ihm später noch gefallen hat oder ob er es gern widerrufen hätte. Bedeutungsvoll ist aber, dass die auf Vergils Dichtung ausgerichtete literarische Reflexion für den Anfang wie für den weiteren Verlauf des Bellum Ciuile in derselben Weise bezeichnend ist. Während am Beginn die anscheinend notwendige Wiederholung des Georgica-Proöms steht, wird am Schluss des siebten Buches die notwendige ›Entsühnung‹ von Pharsalos behandelt. Der Vers et Mutina et Leucas puros fecere Philippos deutet gleichermaßen auf die immer wieder bevorstehenden Bürgerkriege als auch auf den Wunsch, den Schaden irgendwann einmal wiedergutzumachen, scilicet et tempus ueniet […] satis iam luimus. Lucan tritt hierin nicht als ein desillusionierter Spätling in Erscheinung, der das didaktische Potential der Georgica im Besonderen und der Kultur im Allgemeinen bestreiten will. Er scheint vielmehr zu fragen, wie es wäre, dies wirklich zu nutzen. Er als Dichter tut es.

5. Schlussbetrachtungen: Aneignung und Gegenbild

In Ilerda setzt Lucan dem Verbrechen die Vision vom Ende des Krieges, vom traditionellen Leben auf dem Land entgegen. Es ist nur möglich nach dem Sieg des Diktators, dem Traditionen und Götter und Ideale nichts bedeuten. Cato, der Wächter über Moral und Freiheit, wird zu dieser Zeit den Römern nichts mehr zu versprechen haben. Wer aber doch unzufrieden und trotzig das Bild des enthaupteten und heroisierten Pompeius mit dem goldenen Tempel vergleicht, in dem Caesar verehrt wird, muss sich wie ein Sklave fühlen und müsste wünschen, dass der Krieg weitergeht. Nero, so sagt das Proöm, kann all dem ein Ende machen, wenn er nicht ist wie Augustus, wenn er das Goldene Zeitalter wirklich wiederbringt. Wenn er und alle sonst sozusagen ihr Feld bestellen. Lucan spielt sowohl auf die ethischen Forderungen, die zuversichtlichen Verheißungen und Idealisierungen der Georgica an als auch auf ihre dunkleren Partien mit dem – für ein Lehrgedicht durchaus problematischen – Gedanken, dass trotz allem Bemühen die Arbeit am Ende vergeblich sein kann. Lucan spielt aber auch beide Elemente gegeneinander aus, wenn er immer wieder vorführt, dass seine habgierigen und ichsüchtigen Figuren die Lehren der Georgica nicht befolgen, und wenn er seinen Lesern damit die Frage aufgibt, ob man in diesem Bürgerkriegsgedicht die Georgica noch nicht kennt oder nicht gut genug oder sogar nicht mehr. Lucans Leser haben beständig zu wählen, ob sie die intertextuellen Bezüge im Sinne eines metapoetischen Realismus deuten wollen oder aber metaleptisch. Es liegt besonders an dieser Schwierigkeit, die Welten von Handlung, Erzähler und Leserschaft in Beziehung zueinander zu setzen, wenn Lucans Epos wie ein Gegenbild zur Welt Vergils erscheint. Unausweichlich ist dann die Frage, ob dieses Gegenbild sarkastisch ist oder eher sentimental, ob sich also, um die Metapher zu wiederholen, das maßgebende Feld überhaupt bestellen lässt. Der vielleicht wichtigste Unterschied zur Dichtung Vergils, das Fehlen einer politischen Teleologie im Bellum Ciuile, wirkt hier am stärksten antiphrastisch. Dennoch, so habe ich zu zeigen versucht, widerspricht oder parodiert oder spielt Lucan nicht – jedenfalls nicht nur und nicht immer dann, wenn er auf die Georgica deutet. Zu erklären, ob Lucan seine Leser am Ende eher verdammen will oder mit dem Zorn der Gerechten erfüllen, erfordert deutlich mehr als das Studium seiner Vergil-Rezeption.1 Ich werde daher zum Abschluss keine Gesamtinterpreta

1 Mayer (1981a) hat diese Kritik sehr entschieden geäußert.

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Schlussbetrachtungen

tion des Bellum Ciuile skizzieren. Ich möchte vielmehr noch einmal aus einer ganz anderen Richtung auf das komplexe Verhältnis schauen, in dem Lucans Epos zur Dichtung Vergils steht  – und zwar mit Blick auf einen von Lucans frühen Lesern, Tacitus.2 Hierbei soll es aber nicht darum gehen, wie Tacitus das Bellum Ciuile verstanden oder gemäß seiner eigenen politischen Sicht gedeutet hat. Das ist eine Frage eigenen Rechts; mir kommt es nur auf zwei Details an. Einerseits eignen sie sich zum Résumé, andererseits zeigen sie, dass die Beziehung zwischen Lucan und Vergil noch weiter zu verfolgen ist. In den Annalen, in dem eindrucksvollen und für die spätere Rezeption des Bellum Ciuile sehr wirkmächtigen Bericht vom Tod des Dichters Lucan tritt Tacitus als lesender Historiograph in Erscheinung, der Lucan und Vergil vielsagend nebeneinanderstellt (ann. 15, 70): [sc. Nero] exim Annaei Lucani caedem imperat. is profluente sanguine ubi frigescere pedes manusque et paulatim ab extremis cedere spiritum feruido adhuc et compote mentis pectore intellegit, recordatus carmen a se compositum, quo uulneratum militem per eius modi mortis imaginem obisse tradiderat, uersus ipsos rettulit, eaque illi suprema uox fuit.

Danach befahl er den Tod des Lucan. Wie das Blut aus ihm herausfloss und er Füße und Hände kalt werden und nach und nach das Leben den Gliedern entweichen spürte, während sein Herz noch schlug und er noch bei Bewusstsein war, da dachte er zurück an das Gedicht, das er verfasst und wo er erzählt hatte, wie ein verwundeter Soldat das Bild eines solchen Todes geboten hatte, als er starb. Er trug ebenjene Verse vor und das waren seine letzten Worte.

Interessant ist nicht nur, welche Stelle des Bellum Ciuile Tacitus womöglich meint (dass nicht das Epos gemeint sei, ist sehr unwahrscheinlich) und warum er sie nicht zitiert.3 Interessant ist auch, dass der Historiker den Dichter, der im Augenblick seines Todes die Rolle einer seiner Figuren annimmt, zusätzlich noch in einen Kontext außerhalb des neronischen oder republikanischen Roms versetzt, nämlich nach Vergils Troja. Die Wendung eius mortis imago deutet auf einen Vers aus der Ilioupersis, die Vergil seinem Aeneas in den Mund legt: ›crudelis ubique | luctus, ubique pauor et plurima mortis imago‹ (Aen. 2, 368 f.).4 Der zum Tode verurteilte Lucan,5 der mit seiner Rezitation gegenüber dem Kaiser das letzte Wort hat, erscheint bei Tacitus nicht nur als ein Autor, der menschliches Leid auf vielfältige, groteske und spektakuläre Weise erfahr 2 Lucan und Tacitus sind oft verglichen worden, hierzu cf. Kersten (2015), 251 f. Zu Tacitus’ Lucanrezeption cf. Joseph (2012). 3 Hierüber sind verschiedene Vermutungen angestellt worden, cf. Fantham (1992), 3 zu Lucan. 4, 516–520; Hunink (1992), 238 zu 3, 368 ff. sowie 7, 608–615 und 9, 808–814; Ash (2016), 30. 4 Cf. Grethlein (2013), 160 f. 5 Ob es sich um einen befohlenen Selbstmord handelte oder um eine Hinrichtung, ist nicht leicht zu entscheiden, cf. Tucker (1987).

Schlussbetrachtungen

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bar macht (und dadurch einen bestimmten literarischen Zugriff auf die jüngere römische Vergangenheit wählt), sondern insbesondere auch als ein Dichter innerhalb einer poetischen Tradition. Die Anspielung ist sehr suggestiv, wird doch der Fall Trojas im Bellum Ciuile immer wieder als Bürgerkriegsnarrativ behandelt und gedeutet.6 In Tacitus’ Erzählung bleibt aber unklar, ob vor allem der Historiograph diese Anspielung macht, oder ob der Anschein erweckt werden soll, Lucan selbst denke, während er sich an sein Gedicht erinnert, zugleich auch an den Aeneis-Vers. Für letzteren Fall hätte man zu fragen, ob dieser Lucan auch gegenüber Vergil das letzte Wort haben will, oder ob er ihm seine Reverenz erweist. Bezeichnend ist jedenfalls, dass die Anspielung nicht so sehr den Unterschied zwischen beiden Werken betont – das sinnvolle Siegen der Römer gegenüber ihrem sinnlosen Bürgerkrieg –, sondern das Gemeinsame: Das Geschehen, an dem noch die Späteren immer wieder mitfühlend teilnehmen. Das zweite Detail zeigt dies noch deutlicher. Im dialogus de oratoribus tritt der Dichter Curiatius Maternus in einer Weise auf, die gut zu dem Bild passt, das antike Biographen von engagierten Dichtern wie Lucan geprägt haben: Er ist begabt, er ist politisch, er ist ein wagemutiger Poet und er wagt vielleicht zu viel.7 Bezeichnenderweise hat er eine Cato-Tragödie verfasst und damit den Zorn der Mächtigen erregt (dial. 2, 1), auch einen Domitius und eine Medea hat er geschrieben, nun arbeitet er an einem Thyest.8 Maternus hat also die beiden großen Tyrannengegner behandelt, die auch bei Lucan prominent sind, und scheint sich nun dem fürchterlichen Streit zwischen den Pelopiden zuzuwenden, der ebenfalls im Bellum Ciuile immer wieder als mythisches Paradigma für den Bürgerkrieg dient. Überdies steht Maternus durch seine Bearbeitung des Medea-Stoffes in Verbindung mit ›gefallenen‹ Dichtern, neben Ovid und Seneca wiederum Lucan.9 Es wäre zwar verfehlt, den taciteischen Maternus für eine Verschlüsselung Lucans zu halten, das würde auch seiner Rolle im dialogus nicht gerecht. Aber er ist offensichtlich dadurch charakterisiert, dass er mit ihm verglichen werden könnte. Sicher hat er ihn gründlich gelesen, und um zu spekulieren: zustimmend. Lucan ist zum Zeitpunkt des Gesprächs nicht nur ein Klassiker, sondern Teil einer ultimativen klassischen Trias; dieses Urteil legt Tacitus dem 6 Cf. Ambühl (2010). Die Rede des alten Mannes scheint auf die Vergilstelle direkt anzuspielen (Lucan. 2, 98–104), die Darstellung der Todesarten während der Seeschlacht von Massilia ebenfalls, cf. Hunink (1992) ad 3, 634. 7 Man hat Maternus unter anderem mit dem Dichter Cremutius Cordus verglichen, cf. hierzu das Referat bei Ma­nuwald (2001), 17. Lucan scheint bisher nicht darunter gewesen zu sein. Es kommt aber wohl eher darauf an, in Maternus einen typischen oppositionellen Dichter, einen »Ur-Poeten« der Prinzipatszeit zu sehen, cf. Ash (2016). In dieser Hinsicht hat allerdings Lucans Biographie eine geradezu exemplarische Bedeutung. 8 Cf. Tac. dial. 2,1; 3, 3; 3, 5 sowie Mayer (2001) ad locc. Zur Bedeutung der Dramen, von denen jeweils nicht mehr als der Titel genannt wird, ist viel geschrieben worden, cf. Manuwald (2001), 5 No. 7; van den Berg (2014), 156–160. 9 Die ›Vacca‹-Vita erwähnt eine unfertige Medea-Tragödie Lucans.

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Schlussbetrachtungen

orator Aper in den Mund: exigitur poeticus decor ex Horati et Vergili et Lucani sacrario prolatus (20, 5).10 Ob Maternus sich gegen den Kaiser wenden will (gemäß dem fiktiven Datum des dialogus ist das Vespasian), ist nicht zu erfahren. Die Frage, ob er generell für oder gegen den Prinzipat sei, wäre aber falsch gestellt.11 In dem Gespräch, das sich aus der Warnung ergibt, das Dichten zugunsten einer ungefährlicheren Anwaltstätigkeit aufzugeben, erklärt Maternus, warum er sich weiterhin der Poesie widmen will. Eines seiner Argumente beginnt mit einem charakteristischen Zitat, georg. 2, 475 (dial. 13, 5–6):12 ›»me uero dulces«, ut Virgilius ait, »Musae«, remotum a sollicitudinibus et curis et necessitate cotidie aliquid contra animum faciendi, in illa sacra illosque fontis ferant; nec insanum ultra et lubricum forum famamque pallentem trepidus experiar. non me fremitus salutantium nec anhelans libertus excitet, nec incertus futuri testamentum pro pignore scribam, nec plus habeam quam quod possim cui uelim relinquere, quandoque [enim] fatalis et meus dies ueniat; statuarque tumulo non maestus et atrox, sed hilaris et coronatus, et pro memoria mei nec consulat quisquam nec roget‹

›»Mich aber mögen«, wie Vergil sagt, die »süßen Musen«, fern von Erschütterungen und Sorgen und dem Zwang, täglich etwas gegen sein Gewissen tun zu müssen, in jene Heiligtümer und zu jenen Quellen bringen; ich will nicht weiter zittern vor dem Wahnsinn und der Schlüpfrigkeit des Forums und vorm Verblassen des Ruhms. Mich soll nicht der Ansturm der Grüßenden aufregen oder ein keuchender Freigelassener. Ich will nicht aus Unsicherheit über die Zukunft in meinem Testament den Kaiser bedenken. Ich will auch nicht mehr besitzen als so viel, dass ich es hinterlassen kann, wem ich will, wann immer mein letzter Tag kommt. Und auf meinem Grabhügel soll kein grimmiges und trauriges Bild von mir stehen, sondern ein heiteres und bekränztes. Und um mein Andenken soll niemand sich sorgen noch bemühen.‹

Dies ist das einzige direkt von einem Sprecher ausgewiesene Dichterzitat im dialogus. Der ganz und gar nicht unpolitische Dichter Maternus preist damit die Tätigkeit des Dichters als ein idyllisches Dasein, als eine erstrebenswerte Flucht aufs Land: malo Vergili secessum sagt er (13, 1). Und doch flieht er nicht. Er ist in Rom und schreibt provozierende ›republikanische‹ Tragödien.13 Überdies erklärt er – und auch hierin kann man eine Anspielung auf die Georgica sehen – die Poesie habe ihren Ursprung im Goldenen Zeitalter (12, 3). Am Ende, in seiner

10 Für die Beziehung dieser Bemerkung zu Quint. inst or. 10, 90 cf. Mayer (2001) ad loc.; Ahl (2010), 2 f. 11 Cf. van den Berg (2014), 155–164. 12 Der Text, insbesondere die Markierung des Zitats folgt Mayer (2001). Für eine ausführliche Darstellung der in­ter­textuellen Bezüge cf. Joseph (2012), 18–22. 13 Zu dieser und anderen Inkonsistenzen in Maternus’ Rede cf. van den Berg (2014), 148–165.

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zweiten Rede äußert er schließlich den Wunsch, wieder zu einer solchen Zeit zu finden; freilich spricht er nicht ausdrücklich von Wiederkehr. Gemäß diesem Wunsch würde dann die Herrschaft bei einem Einzelnen liegen, sapientis­simus et unus: Ohne die discordia der zerfallenden Republik, aber auch ohne den Glanz ihrer Beredsamkeit. Denn alles Gute ist nie beisammen (41, 3–5). Wie hat man sich den Anteil vorzustellen, den der Vergil-Leser und Theaterrepublikaner Maternus an dieser Entwicklung haben will? Bukolisch sind die viel beachteten Werke, die er schreibt, sicher nicht. Vielleicht sind sie blutrünstig und grotesk, ganz bestimmt sind sie ›rhetorisch‹. Die Anspielung, die Tacitus seinen Maternus machen lässt, ist hintergründig, denn sie erscheint zunächst wie ein Missverständnis:14 Glaubt er wirklich, dass die Kunst im Allgemeinen unschuldig und ungefährdet ist und übersieht er im Besonderen den Widerspruch, dass es gerade für den Dichter wie auch für die Adressaten der Georgica nicht nur ungestörte Ruhe gibt?15 Auch wenn Maternus vorgibt, so zu denken, ist dies doch kaum anzunehmen. Dafür sind nicht nur die Verse, die er anführt, viel zu bekannt, sondern auch die Biographien zeitgenössischer engagierter Poeten.16 Wenn Maternus das ›Lob des Landlebens‹ hingegen als naiv oder absurd empfände, dann brauchte er Vergil nicht zur Verteidigung seiner Poesie heranzuziehen. Als Marcus Aper über die nemora und luci spottet (9, 6), welche die Dichter – Aper betont: ut ipsi dicunt – zum Schreiben aufsuchen müssten,17 entgegnet er schlicht, die Natur sei in der Tat schön und erfreulich (12, 1). Maternus braucht aber zum Dichten nicht unter einem Baum zu sitzen. Es genügt, wenn er nicht das Gezänk seiner Mitbürger ertragen muss. Was ihn interessiert, ist vielmehr die ›geistige Landschaft‹,18 in die er sich begeben kann: secedit animus in loca pura atque innocentia fruiturque sedibus sacris (12, 1). Maternus kennt Vergils Arkadien sehr genau. Es ist kein Widerspruch, wenn er in Rom politische Stücke schreibt und dennoch vom Leben auf dem Land spricht. Im Gegenteil, er bezieht die moralische Autorität, mit der er Cato und Thyest behandelt, gerade aus Vergils Idee von der Wiederkehr eines Goldenen Zeitalters unter der Bedingung kultivierter menschlicher Tätigkeit.19 Darin ist er Lucan, dem anerkannten Klassiker, ähnlich. Maternus scheint mit seinen Tragödien den Finger auf die Wunden noch nicht erfüllter kaiserzeitlicher Goldzeithoffnungen zu legen, ohne deswegen aber gegen den Prinzipat Stellung zu beziehen.

14 Cf. van den Berg (2014), 163. 15 Cf. dial. 13, 1: securum et quietum Vergili secessum; georg. 2, 467: secura quies et nescia fallere uita. 16 Cf. Ash (2016). 17 Plinius’ komplexe und in der Forschung unterschiedlich beurteilte Bezugnahme hierauf (epist. 9, 10) braucht hier nicht diskutiert zu werden. 18 Cf. Snell (1944). 19 Cf. Manuwald (2001), 15–17.

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Eigenartig ist, dass Maternus im Zusammenhang mit seinem vergilischen Bild des Dichtens auf seinen eigenen Tod zu sprechen kommt.20 Zu der Anspielung auf das durchaus lebensvolle Lob des Landlebens scheint dieser Gedanke nicht gut zu passen. Ob der Dichter damit rechnet, aus politischen Gründen zu sterben oder gar wegen seiner Werke, ob er Angst hat, all das lässt sich nicht entscheiden, ist aber auch nicht unmittelbar wichtig. Aufschlussreich ist allerdings der Hinweis auf die Gestaltung seines Grabes: Er weiß, dass er als Dichter sterben will, heiter. Er ist sich seiner Ideale sicher, und er bestimmt, wie seine letzte Ruhestätte aussehen soll. Maternus greift hiermit gerade den Gedanken auf, den Lucan dem Lob des Landlebens hinzugefügt hat und der für seine Auseinandersetzung mit den Georgica insgesamt charakteristisch ist: felix qui potuit mundi nutante ruina | quo iaceat iam scire loco.

20 Ob bzw. warum Maternus Grund zur Annahme haben könnte, dass sein Tod bevorstehen könne, wurde viel diskutiert, cf. Bartsch (1994), 101–125; Ash (2016), 15.

Abkürzungen

ASL CB KSt OLD PB SASL TLL

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Literaturverzeichnis

Soweit nicht anders vermerkt, ist der Text des Bellum Ciuile zitiert nach der Ausgabe von Shackleton Bailey, die Werke Vergils nach der Ausgabe von Mynors. Die Schreibung aller lateinischen Zitate wurde stillschweigend vereinheitlicht.

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Index Locorum Ap. Rh. 1, 879–887 2, 130–138 2, 1002–1008 4, 1511 f. Arat. 124–126 763 820 Aristot. poet. 1448b13–17 1449b27 Caes. civ. 1, 7, 8 1, 30, 5 2, 15 Caes. Gall. 4, 17 Call. aet. fr. 1, 20 Pfr Call. hymn. 1, 8 f. 1, 60 1, 65 2, 100–104 Calp. 1, 23 f. 1, 42–45 1, 44–46 1, 46–48 1, 50 f. 1, 86–88 1, 90 4, 6 f. 4, 27–30 4, 27 f. 4, 97–136 4, 117–121 4, 122–126 4, 140 7, 4–6 7, 69–72 Catull. 29, 24

204 204 111 24 102 142 142 29 33 55 214 69 67 231 184 184 184 307 299 300 304 299 299 301 303 303 303 304 300 303 304 300 304 304 220

64, 1 f. 64, 12 64, 37 64, 37–46 64, 38–42 64, 105–111 64, 323–324 64, 353–371 64, 397–399 64, 398 f. 64, 405–407 Cic. Att. 7, 11 Cato 54 Cato 85 inv. 1, 91 nat. 3, 85 off. 1, 154 Colum. praef. 15 1, 3, 5 ecl. Eins. 1, 13–18 1, 34 f. 1, 36–49 1, 40 2, 9 2, 27–38 2, 38 Enn. ann. 85 V 187–191 V 312 V Enn. trag. Med. 208 f. V Eur. Phoen. 1–6 504–506 585 f. Eutr. 8, 5, 3 Hes. op. 42–46

225 219 220 221 228 178 229 223 229 224 229 232 208 286 290 90 188 222 30 307 307 305 306 308 309 308 45 74 22 289 240 232 33 276 49, 222

352 182–184 213 Hom. Α 4 f. Α 5 Α 7 Β 87–94 Β 480–483 Β 595 Γ 2–6 Γ 173–175 Δ 55 Δ 164 Δ 422–426 Ζ 357 f. Ζ 448 Ζ 450–455 Ι 189 Σ 309 Φ 257–264 Ψ 114–122 Ψ 704 Ω 33 α 7 ε 118 ζ 42–46 υ 351–357 ω 430–437 Hor. ars 99 f. 333–336 Hor. carm. 1, 2, 29 f. 1, 2, 45 1, 28, 1–5 2, 1, 4 f. 2, 1, 29 f. 3, 3, 1–8 3, 4, 65–68 Hor. carm. saec. 25–28 Hor. epist. 1, 2, 45 f. Hor. epod. 2, 45 f. 7, 17–20 16, 5 16, 41–66 Liv. 2, 1, 9

Index Locorum 102 104 93 285 271 204, 205 162 305 258 289 286 14 170 32 14, 244 114 14 238 123 74 245 286 287 286 255 243 243 29 29 262 274 185 262 261 189 278 132 79 125 112 157 114 114

2, 2, 5 2, 4, 6 2, 5, 9 2, 12, 10 2, 40, 5 30, 30, 18 Lucan. 1, 1 1, 1–8 1, 2 f. 1, 3 1, 6 1, 8 1, 12 1, 24–32 1, 32 1, 33 1, 33–37 1, 33–45 1, 33 f. 1, 35 1, 37 1, 37–39 1, 38 1, 38 f. 1, 39 1, 41 f. 1, 45 1, 45–52 1, 45–59 1, 48 1, 48–50 1, 50 1, 52 1, 59–62 1, 60–66 1, 61 1, 66 1, 67 1, 70 1, 72 1, 115–118 1, 126 f. 1, 128 1, 129–143 1, 132 f. 1, 135–143 1, 136 1, 143–157 1, 149–157

114 255 255 131 33 22 35 270 110 246 194 31, 287 41, 285 60, 182, 246, 259, 264, 270 246 302 271 281 285, 290 282 217 283 282, 306 291 285 284 284 274 136 273 274 272 272 217 274, 276 277 272 291 286 189 197 288 11, 155, 204, 288 43, 157 17, 157 87, 170 60 43 57

353

Index Locorum 1, 150 1, 155 1, 156 f. 1, 158 1, 158–182 1, 165–170 1, 182 1, 183 1, 205–212 1, 226 1, 236–243 1, 293–295 1, 301 1, 303–307 1, 318 f. 1, 344–349 1, 349–351 1, 351–356 1, 374–386 1, 382 1, 386–388 1, 388–391 1, 390 1, 522–570 1, 523–526 1, 526–532 1, 642–645 1, 670–672 1, 671 f. 1, 680 1, 694 2, 1 f. 2, 14 f. 2, 35 f. 2, 60–63 2, 62 2, 223 2, 267 f. 2, 286–292 2, 288 2, 291 2, 302–304 2, 306–308 2, 312 f. 2, 322 f. 2, 324 f. 2, 338–369 2, 340 2, 341 f. 2, 342 2, 352 f.

47, 60 60 42 98, 264 47 106 98 47 160 92, 148 48, 265 45, 51 63 62 51 51 52 53 53 54 53 55 54 242 55, 57 56, 265 57 116 58 229 229 57 240 249 284 306 34 188 187 190 190 193 197 190 194 191 192 195 193 193 196

2, 368–370 2, 378–380 2, 383 2, 390 f. 2, 439–446 2, 557–559 2, 594 f. 2, 596–609 2, 607 2, 617 f. 2, 657 2, 669–679 2, 715–717 3, 39 f. 3, 84–89 3, 91–97 3, 111 f. 3, 156 3, 168 3, 191 f. 3, 193–197 3, 324 f. 3, 326 f. 3, 348 3, 362–366 3, 394 f. 3, 399–403 3, 406–408 3, 407 f. 3, 412 f. 3, 419 3, 426 3, 427 f. 3, 436–439 3, 437 3, 439 3, 440–442 3, 444 f. 3, 445–448 3, 447–451 3, 448 f. 3, 450–452 3, 761 f. 4, 87–89 4, 90–97 4, 93 f. 4, 94 4, 98–105 4, 110–113 4, 120 4, 123–127

196 193 187 194 60 164 163 159 213 171 66 65 64 21 67 68 68 73 292 107 64 94 98 96 83 70 76 81 79 77 80 71 71 81 72, 88 94 74 80, 87 80 94 92, 147 86, 104 91 101 101 100 95 100 102 102 103

354 4, 132 4, 134–136 4, 137–140 4, 142 f. 4, 172 4, 174–176 4, 179 4, 186 4, 186–190 4, 187 f. 4, 188 4, 192–195 4, 193 f. 4, 196–205 4, 197 4, 201 f. 4, 206 f. 4, 209 f. 4, 212–235 4, 221 f. 4, 225 4, 229 f. 4, 231 f. 4, 236 4, 237–242 4, 245 4, 254–259 4, 255–263 4, 280 4, 290 f. 4, 291–318 4, 319–324 4, 341–362 4, 380 4, 382 4, 382–401 4, 393 f. 4, 395 4, 396 f. 4, 397 f. 4, 400 f. 4, 410 4, 540–549 4, 591–655 4, 646 4, 661 f. 4, 664 5, 64–197 5, 207 f. 5, 292–295

Index Locorum 103 103 66, 104 67 105 105 98 31 105 98 105 106 110 106 118 107 109 108 108 117 112 116 117 110 118 118 99 120 121, 129 121 121 128 130 131, 134 134 132 134, 136, 191, 200, 318 134 134 114 134, 137 95 128 21 22 22 22 235 147 147

5, 325–327 5, 343 5, 364 5, 385 f. 5, 450 5, 509 f. 5, 515 f. 5, 526 f. 5, 527 f. 5, 532–539 5, 535–536 5, 540 5, 556 5, 557 5, 557–559 5, 558 5, 578–593 5, 579 f. 5, 592 f. 5, 597 5, 625 f. 5, 627–629 5, 632–637 5, 636 f. 5, 637–639 5, 653–671 5, 676 f. 5, 698 f. 5, 699 6, 54 f. 6, 59 f. 6, 96 6, 96–103 6, 103–105 6, 106–117 6, 109 6, 111 f. 6, 112–114 6, 138–195 6, 262 6, 263–267 6, 265–267 6, 272–278 6, 280 f. 6, 299–306 6, 310–313 6, 314 f. 6, 349–352 6, 356 6, 356 f. 6, 395–407

147 187 147 292 95 148 139 140 139 140 144 141 142 144 143 144 144 144 148 148 148 149 149 149 150 150 151 146 139 92 92 166 166 166 96 95 68 97 167 167 167 170 168 169 172 172 92 219 217 233 113, 219, 261

355

Index Locorum 6, 400 f. 6, 417–419 6, 483 6, 575–586 6, 578 6, 605–615 6, 780 6, 806 7, 1–6 7, 6 7, 8 7, 9–12 7, 62–71 7, 87–130 7, 88–90 7, 124–127 7, 155–179 7, 180–184 7, 207–213 7, 210–213 7, 211 7, 212 f. 7, 213 7, 311–315 7, 342–382 7, 346–348 7, 358–360 7, 369 f. 7, 385–408 7, 389 7, 391–408 7, 398 7, 407 f. 7, 444 7, 444–459 7, 445–459 7, 445 f. 7, 446 7, 449–453 7, 454–459 7, 455–459 7, 455 f. 7, 459 7, 470 f. 7, 556 7, 642–646 7, 644 f. 7, 677–678 7, 689 7, 695 f. 7, 709–711

64 233 233 236 233 234 234 234 239 251 242 17, 158 16 32 242 242 242 243 32 38, 280 33, 233 155 216 72 32 245 27 32 245 247 259 246 248 254 249 58 248 256 252 249 311 254, 288 181 249 31 159 254 175 174 292 174

7, 789–792 7, 794 7, 794–796 7, 798 f. 7, 806 7, 832–834 7, 834–840 7, 834 f. 7, 847–872 7, 860 f. 7, 867 f. 7, 869 8, 212 f. 8, 237–258 8, 314–316 8, 406–409 8, 835–850 8, 851 8, 860 f. 8, 861 f. 8, 865 f. 8, 867–872 8, 867 f. 8, 869 9, 23 f. 9, 150–152 9, 227–239 9, 231 9, 251–253 9, 262–264 9, 282 9, 283–302 9, 288 9, 294–302 9, 359 f. 9, 379–406 9, 402–410 9, 402 f. 9, 406 9, 408 9, 409 f. 9, 429 f. 9, 570 f. 9, 601 9, 601 f. 9, 607–618 9, 619–699 9, 700–733 9, 761 f. 9, 889 9, 954

257 257 153 93 68 258 92 258 217, 237, 260, 280 261 261 217 174 173 134 31 180 183 183 185 183 183 185 185 198 285 200 201 201 202 206 204 206 198 21 23 198 211 211 211 213 68 214 216 156 23 21 24 24 24 25

356 9, 974–979 9, 980–986 9, 985 9, 990–999 9, 1089–1093 10, 34–36 10, 107–171 10, 119–125 10, 160 10, 176–192 Lucr. 1, 41 2, 1–13 2, 1 f. 2, 5 f. 2, 317–332 2, 1162–1174 2, 1164 3, 18–22 3, 830 3, 1034 5, 1092 6, 47 6, 365–367 6, 417–420 6, 740

Index Locorum 25 11 19, 38 26 185 45 131, 141 141 131 84 21 135 150 239 238 261 261 255 21 22 46 273 46 46 77

Manil. 1, 9 f. 1, 113 f. 1, 904–907 1, 909–913 5, 10

272 291 244 237 273

Nik. Ther. 334–342 343–358

175 176

Ov. epist. 10, 116 Ov. fast. 1, 485 f. Ov. met. 1, 1 1, 141 f. 1, 144 f. 1, 188 1, 242 f. 1, 279 f. 1, 285–292 1, 304–308

194 233 291 102 102 100 100 102 100 100

1, 309–312 1, 343–347 2, 1 f. 2, 107 f. 2, 413 8, 738–884 8, 782 f. 10, 38 11, 146–193 15, 435–438 15, 822 f. Plin. paneg. 11, 1 71, 4 Plut. Caes. 38, 3–4 Cato min. 52, 4 Pomp. 65, 5 Polyb. 38, 22 Prop. 3, 3, 40 4, 6, 43 f. Quint. inst. or. 10, 5, 13 10, 90 Sall. Iug. 18 Sen. apocol. 4, 1, 1–32 4, 1, 8 f. 10, 1–3 Sen. clem. prooem. 5 1, 12, 5 2, 2, 2 3, 2, 3 Sen. epist. 14, 13 88, 5 88, 8 115, 12 f. Sen. nat. 6, 2, 9 Sen. Phoen. 450–458 Sen. Thy. 776

100 103 268 268 276 72 96 288 305 15 237 275 276 137 192 167 244 112 281 192 13 139 294 119 295 277 30 30 283 188 29 29 268 275 33 253

357

Index Locorum 1077–1112 1, 310 1, 382 3, 442 6, 69 10, 113 4, 1 2, 209 2, 498 4, 127

253 65 16 77 16 271 298 78 127 209

6, 447 f. 12, 387 13, 778 Soph. Ant. 431 583–592 1015–1022 Stat. silv. 2, 7, 70–80 2, 7, 114 f. Suet. Iul. 44, 1 Iul. 73 Verg. 57

193 15 15

Sil.

Tac. Agr. 30, 5 Tac. ann. 15, 70 Tac. dial. 9, 6 12, 1 13, 5 f. 20, 5 41, 3–5 Tib. 1, 4, 24 1, 10, 29 1, 10, 49–51 Veg. mil. 4, 7 Verg. Aen. 1, 1–8 1, 2 1, 33 1, 204 1, 278 f. 1, 279 1, 294–296

185 171 93 179 156 299 220 36 115 314 317 317 316 316 317 247 105 222 126 271 286 271 144 271 286, 301 299

1, 421–436 2, 54–56 2, 324 2, 354 2, 363 2, 368 f. 2, 626–628 2, 635 3, 85 f. 3, 395 3, 493 f. 3, 539–543 4, 272 4, 433 4, 442–445 6, 128 f. 6, 179–182 6, 215–217 6, 629 6, 791–795 6, 792 6, 792 f. 6, 795–807 6, 806–811 6, 830 f. 6, 832 f. 7, 45 7, 316–318 8, 698–728 9, 446–449 10, 111–113 11, 135–138 12, 587 f. 12, 646 Verg. ecl. 4, 6 4, 8 f. 4, 10 4, 34–36 4, 37–47 4, 46 4, 48–52 4, 50 4, 54 9, 4 Verg. georg. 1, 24–42 1, 36 1, 37 1, 40 1, 41

204 289 244 150 79 314 79 79 52 271 133 112 117 193 55 212 74 75 212 227 286 119, 231 228 296 220 300 291 283 278 32 271, 286 74 204 54 225 227 309 228 225 295 136 190 230 54 270, 272 272 283 264, 272 273

358 1, 41 f. 1, 58 1, 60 f. 1, 120 1, 136 1, 155–158 1, 158 f. 1, 181 1, 185 f. 1, 199–203 1, 322–338 1, 328–331 1, 335 1, 388 f. 1, 411–414 1, 438 f. 1, 463–468 1, 464–485 1, 465–469 1, 467–469 1, 481–483 1, 487 f. 1, 489 f. 1, 490 1, 491–502 1, 491–511 1, 491 f. 1, 492 1, 493 1, 495–497 1, 497 1, 500–508 1, 500 f. 1, 503–505 1, 504 f. 1, 505 1, 505–508 1, 511 1, 512–514 2, 152 2, 167–170 2, 168 2, 203–211 2, 274–287 2, 279–287 2, 293–295 2, 458 2, 458–540 2, 459 2, 463–465 2, 470

Index Locorum 154 112 240 258 75 257 97, 230 140 140 127 189 46 46 142 201 142 143 242 252 56 169 56 246 229, 237 236, 280 241 228, 248, 256 35, 291 127, 185, 259, 261 48, 303 186, 261 49 186 256 182 277 229 236 45, 51, 273, 275 128 27 211 78, 85 123 238 159 118, 128 274 134 141 134

2, 472 2, 472–474 2, 474 f. 2, 475 2, 478 2, 483–486 2, 485–489 2, 490–492 2, 493 2, 493–496 2, 495 f. 2, 496 2, 505–512 2, 506 2, 510–512 2, 513–515 2, 518 2, 523–530 2, 523–532 2, 523 f. 2, 536 2, 537 3, 8–11 3, 10 f. 3, 13 3, 46–48 3, 48 3, 49 f. 3, 83 f. 3, 89–91 3, 206–208 3, 209–231 3, 237–240 3, 339–348 3, 346–348 3, 377–380 3, 526–530 3, 566 4, 55 f. 4, 64 4, 71 4, 81 f. 4, 86 f. 4, 121 f. 4, 130–138 4, 139–141 4, 176 4, 204 f. 4, 206–209 4, 491 f. 4, 560–562

129 229 107 316 240 135, 164, 241 259 81, 134 241 76 134, 211 234 157 131, 134 164, 229 86 285 107 196 134 128 104 259 181 181 230 295 112 45 45 45 161 170 139 211 107 135 166 201 206 206 175 185 210 207 208 205 205, 212 206 213 46