Bildungsvorstellungen im 5. Jahrhundert n. Chr.: Macrobius, Martianus Capella Und Sidonius Apollinaris 3110301970, 9783110301977

Dieses Buch gibt einen Einblick in die Vorstellungen, Konzeptionen und Umsetzungen von Bildung in der Spätantike. Mit de

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Bildungsvorstellungen im 5. Jahrhundert n. Chr.: Macrobius, Martianus Capella Und Sidonius Apollinaris
 3110301970, 9783110301977

Table of contents :
Danksagung
I Einleitung
II Die Saturnalia des Macrobius
1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)
2 Die ,Sonnentheologie‘ und das erste Buch der Saturnalia
2.1 Die ,Sonnentheologie‘ (Sat. 1, 17 23)
2.2 Die ,Sonnentheologie‘ im Kontext des ersten Buchs der Saturnalia
2.3 Fazit
3 Vergil in den Saturnalia
3.1 Anlass und Plan
3.2 Durchführung
3.3 Vergil als Gegenstand der Belehrung
3.4 Die Wahl Vergils als zentralen Autors
3.5 Fazit
4 Figuren in den Saturnalia
4.1 Allgemeines
4.2 Fragestellung
4.3 Die literarischen Vorbilder und die klassischen Figurentypen
4.4 Zeichnung der Figuren in den Saturnalia
4.5 Die Interaktionen
4.6 Die Figurenauswahl
4.7 Die Zusammensetzung der Gruppe
4.8 Fazit
5 Die Saturnalia und ihr kultureller Kontext
III Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii
1 Vita
2 De nuptiis als literarisches Werk
2.1 Die literarische Form
2.2 Deutungen der komplexen literarischen Form
3 Zusammenfassung
IV Sidonius Apollinaris
1 Vita
2 Die Erziehung von Sidonius’ Sohn Apollinaris
3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus
4 Sidonius’ Rede vom allgemeinen Verfall und die leuchtenden Ausnahmen
5 Christen und ,Barbaren‘
5.1 Christentum
5.2 ,Barbaren‘
6 Zusammenfassung
V -Schluss
Literaturverzeichnis
Textausgaben und zitierte Übersetzungen
Sekundärliteratur
Personen- und Sachindex
Stellenverzeichnis

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Matthias Gerth Bildungsvorstellungen im 5. Jahrhundert n. Chr.

Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte

Herausgegeben von Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz und Otto Zwierlein

Band 111

Matthias Gerth

Bildungsvorstellungen im 5. Jahrhundert n. Chr.

Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris

DE GRUYTER

ISBN 978-3-11-030197-7 e-ISBN 978-3-11-030318-6 ISSN 1862-1112 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Danksagung Dieses Buch stellt die nur leicht überarbeitete Fassung meiner Doktorarbeit dar, die im Sommersemester 2011 von der Philosophischen Fakultät der Georg-AugustUniversität Göttingen angenommen wurde. Sie entstand im Rahmen des Göttinger DFG-geförderten Graduiertenkollegs „Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder. Polytheismus und Monotheismus in der Welt der Antike“, das die Entstehung mit einem Stipendium finanziell unterstützt hat. Die Göttinger Graduiertenschule für Geisteswissenschaft bot zusätzliche Austauschmöglichkeiten mit anderen Doktoranden der Geisteswissenschaften. Besonders dankbar bin ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Peter Gemeinhardt, der die Arbeit angeregt und sie mit seinen Anregungen, seiner Offenheit und seinem Engagement auf ideale Weise betreut hat. Er bot Unterstützung, wo sie nötig war, und gewährte Freiraum, wo dies angebracht war. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Peter Kuhlmann für seine wohlwollende und konstruktive Begleitung der Arbeit und für die Übernahme des Korreferats. Dr. Rolf Heine hat mich bei einigen Übersetzungen beraten. Verbunden bin ich meinen akademischen Lehrern in Erlangen und Jena, die mich in die Klassische Philologie eingeführt haben. Stellvertretend für das Erlanger Seminar danke ich Prof. Dr. Christoph Schubert (jetzt Wuppertal) und für das Jenaer Seminar Prof. Dr. Christian Tornau (jetzt Würzburg). Meine ersten eigenen Schritte in der akademischen Lehre haben die Kollegen in Göttingen und Wuppertal sehr unterstützt; ich danke dafür stellvertretend Prof. Dr. Ulrike Egelhaaf-Gaiser und PD Dr. Meike Rühl. Schließlich gilt mein Dank auch den Herausgebern der Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte für die gründliche Durchsicht des Manuskripts und für die Aufnahme dieser Arbeit in ihre Reihe. Göttingen, im Januar 2013

Inhalt Danksagung

V

I

Einleitung

II

Die Saturnalia des Macrobius 8  Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1) 8  Die ‚Sonnentheologie‘ und das erste Buch der 18 Saturnalia 19 . Die ‚Sonnentheologie‘ (Sat. 1, 17 – 23) . Die ‚Sonnentheologie‘ im Kontext des ersten Buchs 31 der Saturnalia 37 . Fazit 39  Vergil in den Saturnalia 39 . Anlass und Plan 40 . Durchführung . Vergil als Gegenstand der Belehrung 42 43 . Die Wahl Vergils als zentralen Autors . Fazit 57 58  Figuren in den Saturnalia 58 . Allgemeines 60 . Fragestellung . Die literarischen Vorbilder und die klassischen Figurentypen 61 65 . Zeichnung der Figuren in den Saturnalia . Die Interaktionen 90 93 . Die Figurenauswahl . Die Zusammensetzung der Gruppe 97 101 . Fazit 103  Die Saturnalia und ihr kultureller Kontext

III

Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii  Vita 114 119  De nuptiis als literarisches Werk . Die literarische Form 120 . Deutungen der komplexen literarischen Form 155  Zusammenfassung

1

114

141

VIII

Inhalt

IV

Sidonius Apollinaris 157 157  Vita 160  Die Erziehung von Sidonius’ Sohn Apollinaris  Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus 171 und Sapaudus  Sidonius’ Rede vom allgemeinen Verfall und die leuchtenden Ausnahmen 183 200  Christen und ‚Barbaren‘ 201 . Christentum 211 . ‚Barbaren‘ 219  Zusammenfassung

V

Schluss

224

Literaturverzeichnis 232 Textausgaben und zitierte Übersetzungen 236 Sekundärliteratur Personen- und Sachindex Stellenverzeichnis

261

252

232

I Einleitung Bildung ist nicht nur in der Moderne ein Schlüsselthema. Auch für die Antike war umfassende Bildung wichtig, was sich weniger in Diskussionen über Bildungsinhalte oder Bildungsgerechtigkeit äußerte, wohl aber Ausdruck fand im Ausbildungsprogramm und Selbstverständnis der führenden Schichten in Rom. Bildung, und darunter fiel sowohl sprachlich-literarische Bildung wie eine umfassende „Allgemeinbildung“ (vgl. z. B. Ciceros Ideal des Redners), galt als Maßstab für gesellschaftliche Zugehörigkeit und war damit Ziel jeder Ausbildung in der römischen Oberschicht.¹ Für die römische Republik und die frühe Kaiserzeit ist die Frage nach Inhalt, Ziel und Form der Vermittlung von Bildung bereits aufgearbeitet worden.² Dies gilt jedoch nicht in gleichem Maße für die Spätantike, obwohl in dieser Zeit eine Reihe bedeutender Werke von großer Relevanz für das Thema Bildung entstanden ist. Gerade die älteren Studien beschränken sich für die Spätantike allenfalls auf andeutende und zumeist negative Über- und Ausblicke.³ Für sie gilt die Zeit der Spätantike in der Regel als Zeit des Verfalls der Bildung, der bloßen Tradierung von Wissen, das nicht mehr zeitgemäß ist, und der leeren Rhetorik. Studien, die explizit die Spätantike im Blick haben, widmen sich dem Thema vorwiegend unter besonderen Fragestellungen. Während Hadot beispielsweise die Entstehung und Entwicklung der Freien Künste untersucht, zeichnet Gemeinhardt das Ringen des Christentums mit der antiken paganen Bildung nach.⁴ Eine Lücke der Forschung besteht somit in der Annäherung an das Thema „Bildung“ aus einer Perspektive, die das Thema im Ganzen im Blick hat und den Ausgangspunkt der Untersuchung auf die Spätantike setzt. Der dafür notwendige Ansatz, nämlich synchrone Quellen heranzuziehen und zu interpretieren, ist bislang in der Forschung kaum verfolgt worden. Doch kann nur mit einem solchen Vorgehen ein umfassendes Bild vorherrschender Einstellungen umrissen werden, das weder Wertungen vornimmt („Verfall“) noch Belege für globale Annahmen sucht („Kampf des Heidentums“)⁵ oder durch Einschränkungen bzw. Untergliederungen zu wenig aussagekräftig bzw. zu unübersichtlich wird.⁶

 Vgl. u. a. Vössing 2003, 480 – 482; Gemeinhardt 2007, Kap. I.3 („Die gesellschaftliche Funktion der Schulbildung“).  Das Standardwerk ist immer noch Marrou 1958b; vgl. zudem Christes 1977; Bonner 1977; Hadot 2005; Morgan 1998; Kaster 1988; Vössing 2003.  So z. B. Marrou 1958b; Christes 1977; Bonner 1977; Morgan 1998.  Hadot 2005; Gemeinhardt 2007.  Dass diese Fragestellung modern ist und sich in den antiken Quellen nicht wiederfindet, hat jüngst Cameron eindrucksvoll nachgewiesen (Cameron 2011).

2

I Einleitung

Diese Arbeit will daher anhand von ausgewählten Texten einen Einblick in die Vorstellungen, Konzeptionen und Umsetzungen von Bildung in der Spätantike geben. Es soll aufgezeigt werden, wie führende Vertreter der lateinischsprachigen Oberschicht im Westen des Reiches über Bildung dachten und sich schriftlich mit dem Thema auseinandersetzten. Im Zentrum stehen dabei besonders die Konzeptionen von Bildung, wie sie sich in den erhaltenen Kompendien zeigen, und (schriftlich) kommunizierte Ansichten, wie sie sich in Briefen finden. Bildung wird in diesem Zusammenhang verstanden als die Summe von Wissenswertem, von Einstellungen und Verhaltensweisen, deren schriftliche Übermittlung der Gesellschaft wichtig ist. Der Begriff umfasst allerdings zweierlei: Neben diesem Repertoire an Inhalten ist auch der Vermittlungsprozess Teil des Bildungsbegriffs. Beide Aspekte sollen in dieser Arbeit berücksichtigt werden: Einerseits wird herausgearbeitet, welche Inhalte als so bedeutsam angesehen wurden, dass sie schriftlich festgehalten wurden, andererseits wird auch der Vermittlungsprozess in den Blick genommen, also die Frage, mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck Autoren Schriften verfassten, in denen sie Bildung vermittelten. Die Arbeit folgt dabei einem synchronen Ansatz, so dass ein Blick auf das Panorama zeitgenössischer Diskussionen und Vorstellungen möglich ist. Die Traditionen und Vorlagen werden zwar mit einbezogen, doch stehen die Interpretation der Einzelwerke sowie ihre Verortung im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext im Zentrum der Arbeit. Als zeitliche Eingrenzung bietet sich für die Untersuchung dieser Fragestellung das fünfte Jahrhundert an. Aus dieser Zeit sind mehrere Schriften überliefert, die sich explizit mit dem Thema Bildung in seinen verschiedenen Facetten befassen. Zudem gilt für die erhaltenen und hier ausgewählten Werke im Besonderen, dass sie das mittelalterliche und humanistische Denken stark geprägt und somit großen Einfluss auf die abendländischen Vorstellungen von Bildung und Wissen genommen haben. Eine genauere Beschäftigung mit diesen Werken unter dem Aspekt ihrer Relevanz für das Thema Bildung ist auch von daher geboten. Aus den Schriften des fünften Jahrhunderts, aus denen Aufschlüsse über Bildungsvorstellungen zu erwarten sind, wurden drei Werke ausgewählt: die Saturnalia des Macrobius, das Werk De nuptiis Philologiae et Mercurii von Martianus Capella und das umfangreiche Briefcorpus des Sidonius Apollinaris. Diese Aus-

 Ein Beispiel zu strenger Untergliederung, die das allgemeine Verständnis und sowohl chronologische wie inhaltliche Zusammenhänge verunklart, stellt der Aufbau des Handbuchs der Erziehung und Bildung in der Antike (Christes u. a. 2006) dar. Vgl. dazu auch die Rezension von Knoch (Knoch 2008).

I Einleitung

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wahl kann auf zweierlei Weise begründet werden, autorspezifisch (A) und aufgrund übergeordneter Überlegungen (B). (A) Macrobius hat mit seinen Saturnalia ein Werk hinterlassen, das sich durch seine Widmung an den Sohn und die explizite Unterweisungsabsicht erkennbar in die didaktische Tradition einreiht. Die Widmung an den Sohn evoziert das Bild des um die Ausbildung des Sohnes bemühten Vaters; daher versprechen die Saturnalia Aufschlüsse über die Bildungsvorstellungen des Milieus, dem Macrobius selbst angehörte oder zu dem er zumindest Kontakt hatte: der stadtrömischen Oberschicht. Die expliziten literarischen Vorstellungen der auktorialen Vorrede zu den Saturnalia und die Umsetzung im Hauptteil lassen zudem erwarten, dass Macrobius auch die literarische Form bewusst eingesetzt hat, um sein Ziel zu erreichen. Martianus Capella verfasste mit seinem Werk De nuptiis die erste erhaltene antike Enzyklopädie. Dies allein macht die Beschäftigung mit dem Werk schon lohnend. Neben der Frage nach den präsentierten Inhalten ist die Zusammenstellung der späteren sieben freien Künste in einem einzigen, kompositorisch geschlossenen Werk von Interesse. Weiterhin hat die Kombination verschiedener literarischer Formen in De nuptiis in der Forschung für Verwirrung gesorgt (s. u.), so dass ein Ansetzen bei dieser Frage zum allgemeinen Verständnis des Werkes beitragen kann. Sidonius Apollinaris’ Briefe wurden aus dem Grund ausgewählt, dass sie eine geistesgeschichtlich bedeutende Quelle für Vorstellungen der gallo-römischen Oberschicht im fünften Jahrhundert allgemein wie auch für unsere Fragestellung darstellen. Da in diesen Kreisen Bildung hoch geschätzt wurde, eignen sich die Briefe besonders als Quelle zur Erforschung der explizit formulierten Aussagen und Einschätzungen über Bildung. Daneben tradieren sie aber auch implizite Aussagen und Annahmen zur klassischen Bildung, was sie zu einer besonders wertvollen Quelle macht. (B) Die Auswahl erscheint darüber hinaus aus folgenden drei übergeordneten Gründen sinnvoll: 1. Desinteresse und mangelnde Wertschätzung führten lange Zeit zu einer geringen und punktuellen Beschäftigung mit diesen drei Autoren. Es entstanden einzelne Studien mit unterschiedlichen Fragestellungen und Ansätzen, kaum jedoch Monographien, die der umfassenderen Analyse und Interpretation der Werke gewidmet waren. Einen Wandel dieser Einstellungen belegen zahlreiche, in jüngster Zeit erschienene Ausgaben, Übersetzungen und Kommentare,⁷ was sich

 Dazu zählen Kasters neue Textausgabe der Saturnalia nebst der Studie zur Textüberlieferung

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I Einleitung

unter anderem auch in einem Forschungsprojekt an der Universität Brno zeigt.⁸ Besonders beeindruckend ist der Aufschwung der Arbeiten zu Macrobius, dem nach den Arbeiten von Flamant (Macrobe, 1977) und Syska (Studien, 1993) nun Goldlust eine Monographie gewidmet hat.⁹ Diese Arbeit greift das erwachende Interesse an Macrobius auf, entwickelt eigenständig Erkenntnisse und verbindet diese mit einer übergreifenden Fragestellung. Fand gerade der Aspekt der Bildung in den bisherigen Studien (mit Ausnahme von Goldlust) wenig Berücksichtigung, bietet eine gründliche Untersuchung und eine systematische Herangehensweise mit Fokus auf dieses verbindende Thema neue Erkenntnismöglichkeiten. 2. Die drei Autoren repräsentieren mit ihren Werken unterschiedliche Teile der westlichen Reichshälfte. Martianus Capella stammte aus Nordafrika und wirkte auch dort. Macrobius stammte zwar vielleicht ebenfalls aus Nordafrika, repräsentiert in den Saturnalia aber eine typisch römisch-italische Sicht auf die Bildung, die auf Kontakte in Italien hindeutet und einen längeren Aufenthalt in der ehemaligen Hauptstadt des Imperiums nahelegt. Sidonius Apollinaris schließlich lebte und wirkte in Gallien. Mit der Auswahl von Autoren, die geographisch unterschiedliche Hintergründe aufweisen, gewinnen Aussagen über das allgemeine Bildungsverständnis an Gewicht. 3. Schließlich sind auch drei in Bezug auf ihre Gattung sehr unterschiedliche Werke Gegenstand der Untersuchung und Interpretation. Die Beschränkung auf eine Gattung, z. B. den unterweisenden Traktat, verspräche sicher konkrete Ergebnisse, hätte aber nur eine geringere Aussagekraft für die Frage nach Bildungsvorstellungen allgemein. Gerade aufgrund der verschiedenen Genera werden sich auch Positionen und Gedankenansätze erkennen lassen, die in einer

(Kaster 2010), seine dreibändige Loeb-Ausgabe mit Übersetzung, deutsche Übersetzungen der Saturnalia des Macrobius (Schönberger) und von De nuptiis des Martianus Capella (Zekl), eine vierbändige katalanische Übersetzung der Saturnalia (Raventós), die Budé-Reihe mit der Einzelpublikation der Bücher von De nuptiis (Guillaumin; M. Ferré; B. Ferré; bislang erschienen: Bücher 1, 4, 6 und 7) und der Kommentar zu den Briefen 1 bis 11 im siebten Briefbuch des Sidonius (van Waarden 2010). Vgl. auch den 2010 erschienenen Eintrag zu Macrobius im RAC (Bruggisser 2010) sowie die vielfältigen Ausführungen zu Macrobius bei Cameron 2011, bes. Kap. 7 und 16.  Das Projekt befasst sich mit spätantiken Lehrwerken, im Zentrum stehen die Autoren Gellius, Macrobius und Martianus Capella. Aus diesem Projekt sind zahlreiche Beiträge hervorgegangen; vgl. bes. die beiden Monographien von Katarina Petrovićová (Petrovićová 2008 und 2010a).  Benjamin Goldlust, Rhétorique et poétique de Macrobe dans les ‚Saturnales‘, Turnhout, 2010. Auf die Arbeit bin ich erst bei der Druckvorbereitung gestoßen, so dass sie nicht mehr eingearbeitet werden konnte.

I Einleitung

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einzigen literarischen Form nicht zum Vorschein gekommen wären, da sie dort keinen Platz gefunden hätten. Nicht berücksichtigt wurden für diese Arbeit Autoren von Spezialschriften. Natürlich könnte eine Beschäftigung mit ihren Werken, allzumal mit ihren Adressaten, und allein schon die Untersuchung ihrer Zahl Aufschluss über das Interesse an der Abfassung (und damit wohl auch über das an der Lektüre) solcher Schriften geben und erhellen, welche Künste sich besonderer Wertschätzung erfreuten. Allerdings handelt es sich bei Fachschriftstellern um eine heterogene Gruppe, die gleichermaßen aus Experten wie interessierten Laien besteht, die für ein unterschiedliches Publikum schreiben und folglich auch unterschiedliche Aussageabsichten verfolgen. Zudem geht es Fachschriftstellern weniger um Bildung im allgemeinen Sinne als vielmehr um eine (wie auch immer motivierte) Beschäftigung mit einem bestimmten Fach. An die eigentliche Beschäftigung mit dem Thema können sich noch Sekundärmotivationen (z. B. Erhöhung des eigenen Prestiges) anschließen, doch bleibt es bei der gründlichen und systematischen Abhandlung eines einzigen Themas. Ebenfalls nicht berücksichtigt wurden Augustins Überlegungen und Ansätze zur Bildung. Das mag überraschen, da Augustin, sowohl im vierten wie im fünften Jahrhundert schreibend, ein bedeutender Autor ist und sich zudem ausführlich mit den hier verfolgten Fragen auseinandergesetzt hat. Seine Bedeutung soll durch den Ausschluss keinesfalls infrage gestellt werden; der Ausschluss erfolgte aus zwei Überlegungen: 1. Augustin hinterließ mehrere Schriften, die sich zumindest stellenweise mit dem Thema Bildung befassten. Zwar verfolgte er bei der Beschäftigung mit den Fächern der Freien Künste einen Gesamtplan; doch blieb er der klassischen Bearbeitung der Disziplinen in einzelnen Spezialschriften verhaftet. Wollte man ein geschlossenes Bildungskonzept Augustins synthetisieren, müsste man unterschiedliche Stellen aus den Einzelwerken zusammentragen. Dies würde zwangsläufig entweder die Möglichkeit einer gedanklichen Entwicklung bei Augustin negieren oder die Aussagekraft der Ergebnisse für den Vergleich mit den anderen Autoren mindern. 2. Bei Augustin handelt es sich um einen christlichen Schriftsteller, der sich mit der Bildung überwiegend aus christlicher Perspektive auseinandersetzt. Diese gedankliche Auseinandersetzung und die Beantwortung der Frage nach der Verbindung von Wissen und Glauben sind für das zeitgenössische wie das spätere Christentum von großer Bedeutung. Wie die Interpretationen der Werke des Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris zeigen werden, spielt – unabhängig von der Frage, ob die Autoren Christen waren – das Christentum im engeren Sinne wie die religiöse Frage im weiteren Sinne für ihr Denken kaum eine Rolle. Während christliche Autoritäten damit rangen, welche Bildung in welchem

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I Einleitung

Maße anzustreben sei, tradierten andere Schriftsteller (wie Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris) das pagane Wissen ohne Skrupel und zudem ohne Bezug auf das Christentum. Die Beschäftigung mit Augustin (und der Vergleich seiner Ansichten mit denen eines Macrobius, Martianus Capella oder Sidonius Apollinaris) würde eine Fragestellung in diese Arbeit hineintragen, die – obwohl interessant – in diesen Autoren nicht angelegt ist. Aus diesen Gründen wird Augustin hier nicht in die Untersuchung mit einbezogen, sondern lediglich auf die Forschung zu Augustin verwiesen.¹⁰ Trotz dieser Eingrenzung bleiben einige methodische Schwierigkeiten bestehen. Die Auswahl von Autoren, die so deutlich unterschiedliche Werke verfasst haben wie Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris, hat zwangsläufig zur Folge, dass nicht nur eine Methode der Interpretation angewendet werden kann. Daraus folgt, dass diese Arbeit allen drei Werken ihre Eigenständigkeit bei der Interpretation zugesteht. So werden in einem ersten Schritt die individuellen Themen und Fragestellungen, die die Werke aufwerfen,verfolgt und diskutiert. Ein einheitliches, gar standardisiertes Vorgehen erscheint hingegen nicht sinnvoll. Einerseits würden den Texten Antworten auf Fragen abverlangt, die gar nicht in ihnen angelegt sind, andererseits bestünde die Gefahr, dass Aussagen übersehen würden, die die Texte zwar machen, die aber aufgrund der verfolgten Methode unbemerkt blieben. Daher werden die drei Texte mit jeweils eigener Herangehensweise untersucht. Bei Macrobius wird insbesondere im Mittelpunkt stehen, welche Art von Bildung er seinem Sohn zukommen lassen wollte und welche Inhalte diese umfasste. Lassen sich Tendenzen erkennen, die auf allgemeine, gesellschaftliche Erwartungen gegenüber jungen Menschen und ihrem Auftreten schließen lassen? Zudem wird die literarische Komposition der Saturnalia, wie Macrobius sie in der auktorialen Vorrede formuliert, Gegenstand der Untersuchung sein. Dabei interessiert besonders die Wahl der literarischen Form und die anschließende Umsetzung des Konzeptes. Die Beschäftigung mit De nuptiis konzentriert sich im Kern auf die Form der Darstellung der sieben Künste in den neun Büchern von De nuptiis. Anstatt die Quellen und die Ausführungen der Einzeldisziplinen zu untersuchen, wird diese Arbeit die literarische Gestalt des Werks ins Zentrum stellen. Da Martianus Capella mehrere literarische Genres in seinem Werk verbindet, ist danach zu fragen, aus

 Einen Einstieg in die reiche Literatur zu dieser Frage bietet z. B. das entsprechende Kapitel im Augustin-Handbuch; vgl. auch Pollmann 1996 und Tornau 2006.

I Einleitung

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welchem Grund er diese Formen wählte und zu welchem Zweck bzw. mit welchem Ergebnis er sie kombinierte. Die Briefe des Sidonius Apollinaris werden unter vier Gesichtspunkten analysiert. Welche Informationen bieten sie über die Ausbildung von Sidonius’ eigenem Sohn, Apollinaris? Wie stellt sich das Verhältnis zwischen den Literaten Galliens dar? Wie erlebt Sidonius den Bildungsstand und die Bemühungen um Bildung in seiner Zeit, und wie bewertet er sie? Und viertens: Welche Rolle spielen externe Faktoren (also fremde Völker, die in Gallien heimisch werden, und das Christentum) für die Beurteilung von Bildung für Sidonius? Auf diese werkgebundenen Einzelinterpretationen folgt jedes Mal die Zusammenfassung in einem zweiten, gesonderten Schritt. Die Ergebnisse, die jeweils in der individuellen Interpretation gewonnen wurden, werden darin zusammengeführt. Am Ende dieser Arbeit steht eine vergleichende Zusammenfassung der Konzeptionen von Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris, die einen Blick auf die zeitgenössischen Bildungsvorstellungen allgemein erlaubt. Auf diese Weise kann ansatzweise ein Bild des Nachdenkens über und Vermittelns von Bildung im fünften Jahrhundert skizziert werden, das auf Einzelinterpretationen beruht und so eine neue Sicht auf die Bildungsvorstellungen dieser Zeit ermöglicht.

II Die Saturnalia des Macrobius 1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1) Multas variasque res – so beginnen die Saturnalia des Macrobius programmatisch. Eine Vielzahl an verschiedensten Themen füllen den Symposiondialog, der an drei aufeinanderfolgenden Tagen während der Saturnalien¹¹ 383¹² bei den Gastgebern Praetextatus, Nicomachus Flavianus und Symmachus stattfindet und in dem insgesamt zwölf Figuren höchst unterschiedliche Themen im Gespräch verhandeln. Zunächst beginnen die Saturnalia jedoch mit einer langen auktorialen Vorrede, die im Drucktext knapp fünf Seiten umfasst. Ungewöhnlich ist dabei weniger die Länge der praefatio – Ciceros Dialoge besitzen zum Teil weit längere Vorreden¹³ –, sondern ihre schlichte Existenz, insofern Symposiondialoge – wie es die Saturnalia primär sind¹⁴ – üblicherweise keine ausgeführten auktorialen Vorreden besitzen.¹⁵

 Zur Wahl des Saturnalienfestes als dramatischem Zeitpunkt gibt es bislang keine überzeugende Erklärung. Ein wichtiges Merkmal ist die mit dem Fest verbundene Zeit der Gerichtsferien, die die Gespräche erst erlaubt und durch deren Aufgreifen sich Macrobius explizit in die Tradition Ciceros stellt; auch der bald darauf folgende Tod des Praetextatus, der nicht geschildert wird, kennzeichnet die Tradition Ciceros (vgl. dazu auch das Kapitel II.4). Syska will hingegen auch eine theologische Verbindung erkennen, die neben der zeitlichen Länge des Saturnalienfestes, die erst den Raum für die Gespräche bildet, auch das Zusammentreffen des Festes mit der (bei vielen Völkern religiös konnotierten) Wintersonnenwende hervorhebt (Syska 1993, 94 f.). Diese Deutung ist jedoch nur dann plausibel, wenn man eine stark theologische Ausrichtung der Saturnalia annimmt (vgl. dazu jedoch die Beobachtungen in den folgenden Kapiteln, bes. 46 – 54, und 88 f.). Aufgrund der Verortung der Saturnalia in einem Diskurs von offenem Kampf zwischen Christentum und Heidentum ist die Auffassung Türks überholt, der in der Wahl des Saturnalienfestes eine Kritik an Weihnachten erkennen will (Türk 1961, 241).  Das Jahr, in dem die dramatische Handlung spielt, ist nicht genannt. Es handelt sich jedoch wahrscheinlich um das Jahr 383, da aufgrund verschiedener Parallelisierungen von Praetextatus mit Scipio Africanus und Anlehnungen an Ciceros De re publica ein dramatisches Datum kurz vor dem Tod der Zentralfigur anzunehmen ist. Für das Jahr 383 argumentieren Döpp (1978, 629), Marinone (1946, 10) und Schönberger im Vorwort zu seiner Übersetzung (10), für 384 Gallardo (1974, 131) und Cameron (1966, 28), der neuerdings entschieden für 382 plädiert (2011, 260 f.); unentschieden bleibt die Frage bei Flamant (1977, 87). Wahrscheinlich hat jedoch Kaster recht, wenn er „ca. 383“ angibt und annimmt, dass Macrobius selbst kein genaues Jahr hätte angeben können (in der Einleitung zu seiner Übersetzung: Bd. 1, xxv).  Die Hinführung zum eigentlichen Dialog in Ciceros De oratore umfasst z. B. zwölf Druckseiten.  S. dazu unten in Kap. II.4.

1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)

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Stattdessen haben Symposiondialoge nach dem Vorbild des platonischen Symposions, das als Muster für alle folgenden Vertreter der Gattung gedient hat,¹⁶ häufig eine komplexe Rahmenhandlung, durch die der Bericht der Ereignisse und der Reden während des Symposions motiviert wird. Im platonischen Symposion beispielsweise unterhalten sich Apollodor und Glaukon über den Zeitpunkt des Gastmahls. Im Laufe des Gesprächs bittet ein namenloser Freund Apollodor, genauer von den Reden während des Symposions im Hause des Agathon zu berichten; Apollodor berichtet daraufhin, was er von Aristodemos erfahren hat, da er selbst noch zu jung für eine Teilnahme gewesen sei.¹⁷ Eine solche Passage bietet Macrobius zwar auch, sie liegt aber außerhalb der eigentlichen Vorrede (Sat. 1, 2): Decius erbittet einen Bericht über das dreitägige Symposion, das nun Stadtgespräch ist. Sein Gesprächspartner Postumianus hatte sich für das Symposion zwar entschuldigt, hat sich jedoch inzwischen von einem weiteren Teilnehmer, der an seiner Stelle eingeladen worden war (Eusebius), genau informieren lassen.¹⁸ Die auktoriale Vorrede selbst ist zweigeteilt: In einem in der modernen Forschung als praefatio bezeichneten ersten Teil äußert sich Macrobius über seine Ziele und Methoden bei der Abfassung der Saturnalia (Sat. praef.). Der zweite Teil wird von Macrobius selbst als Prolog bezeichnet (prologus, Sat. praef. 16) und bietet Informationen über die Anlage des Werkes und die Wahl der Form (Sat. 1, 1). In der praefatio erläutert Macrobius zunächst seine Motivation für die Abfassung der Saturnalien (Sat. praef. 1) und erklärt dann in Auseinandersetzung mit Gellius die Ziele seiner Schrift und sein Vorgehen (Sat. praef. 2– 10). In die Schilderung seiner Methodik nimmt Macrobius eine Reihe von Gleichnissen auf, die seinen Ansatz illustrieren sollen (Sat. praef. 5 – 9). Abgeschlossen wird die praefatio durch einige knappe Informationen des Autors über sich selbst, die in der Erzählung einer exemplarischen Anekdote münden (Sat. praef. 11– 15). Motivation für die Saturnalia ist für Macrobius die Erziehung seines Sohnes Eustathius, dem die Saturnalia auch gewidmet sind.¹⁹ Dieses Ziel ist für römische Verhältnisse nicht ungewöhnlich, galt es doch als eine vornehmliche Aufgabe des  Dorfbauer 2006, 13.  Hug 1932, Sp. 1274.  Pl. Smp. 172– 173.  Solche Schachtelungen sind nicht ungewöhnlich, vielmehr die Regel: Auch Platon vermischt beispielsweise im Symposion wie im Parmenides Erzähl- und Berichtsebenen (vgl. Andrieu 1954, 317– 319, mit Textbeispielen). – Im Folgenden spielt der Berichtscharakter für die Saturnalia keine Rolle mehr; die Fiktion des berichteten Gesprächs wird an keiner Stelle mehr deutlich und wird (zumindest im überlieferten Teil des Werkes) auch nicht mehr aufgelöst.  Eustathius ist zum Zeitpunkt der Abfassung der Saturnalia wohl etwa 15 Jahre alt (Flamant 1977, 89).

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II Die Saturnalia des Macrobius

Vaters, sich um die Erziehung des Sohnes zu bemühen.²⁰ In der Folge ist auch die Widmung belehrender Schriften an den eigenen Sohn in der römischen didaktischen Literatur durchaus üblich. Bereits der ältere Cato hatte seinem Sohn die Schriften der sogenannten Libri ad Marcum filium gewidmet, und die Reihe der Autoren, die belehrende Schriften ihren Söhnen widmeten, lässt sich über Cicero (Partitiones und De officiis an Marcus) und Gellius (liberis meis, Gell. praef. 1) bis ins vierte Jahrhundert hinein verfolgen (fili carissime, Claud. Don. Aen. 1 praef. [p. 1]).²¹ Neu ist bei Macrobius nun einerseits die Verbindung des Belehrungsanspruchs mit der Symposionform,²² andererseits aber auch die Begründung dafür, warum er sich um die Erziehung seines Sohnes bemüht. Den Ausgangspunkt seiner Erklärung (und den Beginn des Werkes) bildet die Natur: 1 Multas variasque res in hac vita nobis, Eustathi fili, natura conciliavit; sed nulla nos magis quam eorum qui e nobis essent procreati caritate devinxit, eamque nostram in his educandis atque erudiendis curam esse voluit, ut parentes, neque si id quod cuperent ex sententia cederet, tantum ulla alia ex re voluptatis, neque si contra eveniret, tantum maeroris capere possint. 2 hinc est quod mihi quoque institutione tua nihil antiquius aestimatur. (Sat. praef. 1 f.) 1 Viele und verschiedenartige Dinge, mein Sohn Eustathius, hat uns im Leben die Natur zuteilwerden lassen; aber durch nichts anderes hat sie uns stärker gefesselt als durch die sorgende Liebe gegenüber denen, die von uns abstammen. Sie wollte, dass unsere Sorge bei ihrer Erziehung und Ausbildung von der Art sei, dass die Eltern weder, wenn alles nach ihren Vorstellungen abliefe, aus irgendeiner anderen Sache größere Freude ziehen könnten noch, falls nicht, anderswo größere Trauer empfänden. 2 So kommt es, dass auch ich nichts für wichtiger halte als deine Ausbildung.

 Vgl. bes. LeMoine 1991; weiterhin d’Agostino 1960, 162.  Eine umfassendere Auflistung und ausführlichere Darstellung bietet LeMoine 1960; mit Blick auf vornehmlich grammatische Werke Kaster 1988, 67, Anm. 142. Zur Rolle der Familie, insbesondere der Väter, vgl. Plin. epist. 8, 14, 6 (Suus cuique parens pro magistro aut, cui parens non erat, maximus quisque et vetustissimus pro parente. – ‚Ein jeder hatte seinen Vater zum Lehrer oder, wenn er keinen Vater mehr hatte, die Angesehensten und Ältesten an seiner Stelle.‘); siehe auch Wiedemann 1989, 156 f., und Dixon 1992, 116 – 119. Zu schwach Petrovićová, die in der Widmung allein die Funktion der Gattungszuschreibung erkennen will (Petrovićová 2006, 50). – Dorfbauer weist zudem auf eine Adaptation dieser Konvention bei Ambrosius hin, der sich in De officiis ministrorum als Vater seiner Schüler stilisiert (Dorfbauer 2006, 15 f.).  Dies erkennt schon Linke: Macrobius wählt das Setting des Symposions, „cum optimam praeberet occasionem quam plurimas res e veterum copiis excerptas per speciem doctrinae proferendi“ (Linke 1880, 1). Zur literarischen Form der Saturnalia vgl. Kap. II.4.

1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)

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Die Erziehung des Sohnes sieht Macrobius als seine wichtigste Aufgabe an, und er begründet seine Auffassung mit der naturgegebenen elterlichen Zuneigung. Freude und Enttäuschung der Eltern seien eng mit dem Bildungserfolg der Kinder verknüpft. Nicht die Konvention oder gesellschaftliche Notwendigkeit veranlassen Macrobius also, sich der Erziehung seines Sohnes zu widmen, sondern ein natürlicher Zwang.²³ Um seiner väterlichen Pflicht nachzukommen und die Erziehung seines Sohnes zu beschleunigen, hat Macrobius einige wichtige Informationen aus verschiedenen Quellen gesammelt und nun in Buchform zusammengestellt. Er betrachtet für seinen Sohn die Lektüre eines compendium (Sat. praef. 2) als geeigneter gegenüber dem langen, nicht zielgerichteten Umherschweifen bei der Lektüre verschiedener Bücher, das zu langen Umwegen (longi amfractus, Sat. praef. 2) führen könne. Mit dem Begriff des compendium ist ein Stichwort genannt, das die Saturnalia in eine Reihe mit buntschriftstellerischen Werken wie Aulus Gellius stellt und das Macrobius den (für die Forschung zweifelhaften) Ruf eines Kompilators eingebracht hat.²⁴ In der Tat beschreibt Macrobius nun, wie er aus verschiedenen Werken der römischen wie griechischen Literatur Wissenswertes herausgeschrieben habe. Die Ausdrucksweise lehnt sich zum Teil eng an Gellius an, dessen Gedanken und Formulierungen Macrobius an einigen Stellen in seiner praefatio aufgreift.²⁵ Doch macht er sich trotz der (die Herkunft nicht benennenden) Übernahmen Gellius’ Konzept nicht völlig zu eigen. In der Zielsetzung – d. h. Wissenswertes leichter zugänglich zu machen – folgt Macrobius seinem Vorgänger Gellius zwar recht eng, was sich in wörtlichen Übernahmen zeigt:

 Die Motive der Abfassung für bzw. Widmung an den Sohn sind bei allen Autoren anders gelagert: Cato richtet sich damit gegen die griechische Vorstellung von allgemeinen Schulen (LeMoine 1991, 345 f.). Cicero will in De officiis auch auf seinen Sohn einwirken, der sich zur Zeit der Abfassung in Athen aufhält (Dyck 1996, 12– 18). Tiberius Claudius Donat schließlich ist unzufrieden mit den Lehrern der Zeit, weswegen er seinen eigenen Vergilkommentar verfasst (Claud. Don. Aen. 1, praef. [p. 1]).  Kritisch wird die Kompilation beispielsweise von d’Agostino 1960 beurteilt, 160; inzwischen erkennt die Forschung auch in der Kompilation – insbesondere bei Macrobius – eine eigenständige Leistung (z. B. Marinone 1970, 52; Flamant 1977, 172 f.; Bevilacqua 1973, 9 f.).  Im Gesamttext der Saturnalia machen Übernahmen aus Gellius etwa 5 % aus (Petrovićová 2006, 55). Gundersons allzu pauschale Aussage gibt jedoch den Tenor der modernen Forschung wieder: „It is no accident, then, that Macrobius rewrites – or even fails to rewrite – Gellius when folding him into his Saturnalia“ (Gunderson 2009, 12). Zu Gellius’ Zielen als Autor vgl. Heusch 2011.

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II Die Saturnalia des Macrobius

quasi de quodam litterarum peno, siquando usus venerit aut historiae … aut dicti factive memorabilis reminiscendi, facile id tibi inventu atque depromptu sit. (Macr. Sat. praef. 2) quasi quoddam litterarum penus recondebam, ut, quando usus uenisset aut rei aut uerbi, … facile inde nobis inuentu atque depromptu foret.²⁶ (Gell. praef. 2) invenies plurima quae sit aut voluptati legere aut cultui legisse aut usui meminisse. (Macr. Sat. praef. 10) quibus in legendis ante animus senio ac taedio languebit, quam unum alterumue reppererit, quod sit aut uoluptati legere aut cultui legisse aut usui meminisse.²⁷ (Gell. praef. 11) nihil … aut cognitu inutile aut difficile perceptu. (Macr. Sat. praef. 11) non oportet ea defugere quasi aut cognitu non utilia aut perceptu difficilia.²⁸ (Gell. praef. 13)

Die unterschiedlichen Ausdrücke und Wendungen an der zuerst zitierten Stelle markieren aber bereits den Unterschied, insofern Macrobius sein Handeln bewusst auf die Belehrung seines Sohnes ausrichtet, während Gellius sich an einen weiteren Kreis (nobis) richtet. Auch im zweiten Beispiel kommt dies zum Ausdruck, wenn Macrobius sich direkt an den Sohn wendet (invenies), Gellius aber allgemein von animus spricht. An anderen Stellen setzt Macrobius gegenüber Gellius eigene Akzente. Gellius betont gelegentlich die Unterhaltung, die sein Buch unter anderem bringen könne. Er nennt als mögliche Ziele seines Werkes: Quae porro nova sibi ignota offenderint, aequum esse puto, ut sine uano obtrectatu considerent, an minutae istae admonitiones et pauxillulae nequaquam tamen sunt uel ad alendum studium uescae uel ad oblectandum fouendumque animum frigidae, sed eius seminis generisque sint ex quo facile adolescant aut ingenia hominum uegetiora aut memoria adminiculatior aut oratio sollertior aut sermo incorruptior aut delectatio in otio atque in ludo liberalior. (Gell. praef. 16)

 Macr.: ‚Wenn es einmal nützlich ist, sich einer Geschichte, eines denkwürdigen Ausspruchs oder Ereignisses zu erinnern, sollst du es leicht finden und entnehmen können, gleichsam aus einer Vorratskammer gefüllt mit Wissen.‘ | Gell.: ‚Ich habe gleichsam eine Vorratskammer gefüllt mit Wissen angelegt, so dass, wenn eine Sache oder ein Ausspruch gebraucht wird, man es dort leicht finden und entnehmen kann.‘  Macr.: ‚Du wirst sehr viele Dinge finden, die zu lesen Freude macht, die gelesen zu haben gebildet macht oder die zu wissen nützlich ist.‘ | Gell.: ‚Bei der Lektüre (griechischer Sammelwerke) wird der Geist eher aufgrund von Überdruss und Widerwillen ermatten, als dass er das ein oder andere findet, das zu lesen Freude macht, das gelesen zu haben gebildet macht oder dessen sich zu erinnern nützlich ist.‘  Macr.: ‚Nichts, das unnütz zu lernen oder schwer zu begreifen wäre.‘ | Gell.: ‚Man braucht diese Dinge auch nicht zu meiden, so als ob sie nicht nützlich zu lernen oder schwer zu begreifen wären.‘

1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)

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Wer weiterhin Anstoß nimmt an neuen und ihm unbekannten Dingen, soll – und das halte ich nur für gerecht – ohne vorschnellen Tadel überlegen, ob diese kleinen, ja winzigen Notizen nicht trotzdem zu dürftig sind, Studien zu fördern, oder zu trivial, um den Geist zu erfreuen und zu unterhalten; oder ob sie nicht eher von dem Samen und der Art sind, aus dem leicht ein munterer Geist der Menschen hervorwächst oder ein besser ausgerüstetes Gedächtnis oder eine geschicktere Rede oder eine reinere Sprache oder ein freierer Genuss in Freizeit und Spiel.

Macrobius übernimmt zwar aus diesem Satz die Aufzählung weitgehend mit nur kleinen Änderungen, kürzt jedoch das fünfte Glied heraus. Dadurch markiert er, dass der Genuss gegenüber den übrigen Zielen für ihn weniger bedeutend ist.²⁹ Unterscheidet sich Macrobius bereits in der Zielsetzung leicht von seiner Vorlage Gellius, sind die Unterschiede bei der organisatorischen Einrichtung des Werkes noch markanter. Gellius hatte betont, dass er in sein Werk Informationen indistincte, promisce,³⁰ indigeste, incondite,³¹ ja fortuito ³² eingefügt und keine besondere Ordnung befolgt habe.³³ Damit stellt er sich (ganz zutreffend) in die Tradition der antiken Sammelschriftstellerei, auf die er sich durch die Diskussion der Wahl des Titels seines Werkes bezieht und von der er sich gleichzeitig wieder abgrenzt.³⁴ Macrobius verwendet teilweise die gleichen Ausdrücke und Wendungen wie Gellius, allerdings zu einem genau umgekehrten Zweck. Sein Ziel ist nämlich erklärtermaßen eine weitgehend einheitliche Darstellung und Verknüpfung der vielfältigen Informationen, die er der Lektüre entnommen hat. So lautet sein Ziel: sed variarum rerum disparilitas, auctoribus diversa, confusa temporibus, ita in quoddam digesta corpus est, ut quae indistincte atque promiscue ad subsidium memoriae adnotaveramus, in ordinem instar membrorum cohaerentia convenirent.³⁵ (Sat. praef. 3)

 Macr. Sat. praef. 11.  Beide Gell. praef. 2.  Beide Gell. praef. 3.  Gell. praef. 2.  Die moderne Forschung sieht das prinzipiell ebenso (Vardi 2004, 169 – 179), auch wenn erkannt wird, dass Gellius stellenweise durchaus bewusst Bezüge und Verknüpfungen herstellt (Holford-Strevens 2003, 30 – 36).  Gell. praef. 4– 10.  Vgl. die Vorlage bei Gellius: Facta igitur est in his quoque commentariis eadem rerum disparilitas, quae fuit in illis annotationibus pristinis, quas breviter et indigeste et incondite auditionibus lectionibusque uariis feceramus. (Gell. praef. 3) So kommt es, dass auch in diesen Abrissen die gleiche Verschiedenartigkeit zu finden ist, die auch in jenen ersten Notizen bestand, die ich zügig und ungeordnet und kunstlos aus vielfältigen Vorträgen und meiner Lektüre angefertigt habe.

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II Die Saturnalia des Macrobius

Aber die Ungleichartigkeit verschiedenartiger Themen – aufgrund der Verfasser unterschiedlich, durcheinander aufgrund der Entstehungszeit – ist auf eine solche Weise zu einer Art einheitlichem Körper verarbeitet,³⁶ dass die Dinge, die ich zunächst unterschiedslos und vermischt als Gedächtnisstütze notiert hatte, zusammenhängend in einer Ordnung zusammenkamen, vergleichbar mit den Gliedern eines Körpers.

Aus der Markierung im Zitat wird deutlich, dass Macrobius die Terminologie des Gellius zwar übernimmt, sie in ihrer Bedeutung aber umkehrt, so dass sie seinem Ziel einer einheitlichen Darstellung entspricht. Ist der wörtliche Gelliusbezug in der praefatio nur zitathaft und punktuell, so ist er thematisch-gedanklich durchweg vorhanden. Das lässt sich darauf zurückführen, dass Macrobius die Konventionen der Gattung – für die er Gellius als typischen (und rezentesten) lateinischen Vertreter dingfest macht – durch diese Verweise als Hintergrund wachrufen wollte, um sich dann aber (die Tradition erst einmal aufgreifend) umso deutlicher durch Umgewichtungen und abweichende Wertungen abzugrenzen. Um sein Verständnis von Einheit und Vereinheitlichung disparat erworbenen Wissens zu illustrieren, schiebt Macrobius eine Reihe von Gleichnissen in die praefatio ein. Diese unterbrechen notwendigerweise die Auseinandersetzung mit Gellius, der das Kriterium der Einheitlichkeit für sein Werk ja abgelehnt hatte. Sein Ziel sei weniger die stilistische Homogenisierung der Quellen, die er benutze – darin lasse er jeder Quelle ihre Eigenheiten –, sondern primär die inhaltliche (Sat. praef. 3 f.). Vier der fünf Gleichnisse hat Macrobius weitestgehend wörtlich aus Senecas 84. Brief an Lucilius übernommen. Durch die Gleichnisse veranschaulicht Seneca sein Verständnis, wie Wissenserwerb funktionieren müsse. Auf die Lektüre unterschiedlicher Schriften müsse ein Durchdenken folgen, das in der Produktion eigener, einheitlicher Überlegungen seinen Abschluss finde. Als Bild benutzt Seneca unter anderem das berühmt gewordene Bienengleichnis³⁷, das im Prozess des Pollensammelns und der Honigentstehung durch eigenes Zutun der Bienen den zunächst abstrakt beschriebenen Aneignungsprozess illustriert. Der gleiche

 Das lateinische Wort digerere bezeichnet sowohl die Ordnung als auch die Verdauung. Diese Doppeldeutigkeit unterstützt das folgende Gleichnis von der Verdauung als Beispiel der Aneignung.  Das Bienengleichnis hat in der antiken wie nachantiken Literatur weite Verbreitung gefunden. Vgl. zu griechischen und römischen Texten Waszink 1974; für nachklassische und mittelalterliche Belege v. Stackelberg 1956 und Gnilka 1984, 102– 133.

1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)

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Sachverhalt wird dann von Seneca in leichter Abwandlung auch anhand der Verdauung, der mathematischen Addition und des Chores beschrieben.³⁸ Trotz der prinzipiellen gedanklichen Übereinstimmung mit Seneca, die sich in wörtlichen Übernahmen und längeren Zitaten spiegelt, setzt Macrobius auch hier einige (wenige) eigene Akzente.³⁹ So hebt er zum Beispiel hervor, dass die Vereinheitlichung des Wissens „nur mittels einer Art Ferment, durch das alles gewürzt werden kann“ (non sine quodam fermento, quo conditur universitas, Sat. praef. 6), erreicht werden könne. Seneca kennt dieses unbestimmte Ferment nicht – er spricht stattdessen pragmatisch von cura et facultas nostri ingenii. In die Reihe mit Senecas Gleichnissen ist – gewissermaßen als Einlage in der Einlage und als Höhepunkt der praefatio – ein Satz aus der Übersetzung des Timaios durch Calcidius eingeschoben. … ut qui odora pigmenta conficiunt ante omnia curant ut nullius sint odoris proprii quae condientur, confusuri videlicet omnium sucos in spiramentum unum. (Sat. praef. 8) … wie diejenigen, die wohlriechende Salben herstellen, vor allem darauf achten, dass das, was wohlriechend gemacht werden soll, keinerlei Eigengeruch besitzt, da sie nämlich die Säfte aller (Gerüche) zu einem einzigen Duft vermischen wollen.

Der Text bei Calcidius lautet: … ut qui odora pigmenta conficiunt ante omnia curant, ut nullius sint odoris proprii quae condientur, susceptura uidelicet humidos sucos odoraminum, … (Chalc. transl. p. 50e) … wie diejenigen, die wohlriechende Salben herstellen, vor allem darauf achten, dass das, was wohlriechend gemacht werden soll, keinerlei Eigengeruch besitzt, da es ja später die flüssigen Säfte der einzelnen Gerüche aufnehmen wird, …

Auffällig ist trotz der nahezu wörtlichen Übernahme wiederum die Veränderung, die Macrobius vornimmt. Auch hier betrifft die Abwandlung die Einheit. Während für Calcidius die Geruchlosigkeit der Ausgangssubstanzen im Vermischungsprozess interessant ist, betont Macrobius die Einheit, die aus der Zusammenfügung verschiedener Zutaten entsteht. Dies zeigt einmal mehr, welchen Wert Macrobius der Einheit zuschreibt, die am Ende allen Sammelns und Vereinheitlichens entstehen müsse.

 Eine ausführlichere Analyse der Verwendung der Vergleiche bei Seneca und Macrobius bieten Dorfbauer 2006 und de Rentiis 1998.  Zu betonen, dass Seneca von innerer Aneignung spricht, während Macrobius auf äußere Organisation zielt, wie Lausberg 1991, 169, es tut, ist zunächst richtig. Doch geht es Macrobius darüber hinaus auch um eine inhaltliche Verbindung der Themen, die sicher durch den Neuplatonismus angeregt ist.

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II Die Saturnalia des Macrobius

Dieses Konzept der Einheit erklärt Macrobius in der praefatio der Saturnalia nicht nur theoretisch wie bildlich, er wendet es auch praktisch an. Nach der Formulierung seines Themas, d. h. der Bedeutung der Erziehung und der wichtigen Rolle des Vaters dabei, nutzt Macrobius Gellius als Folie für seine weiteren einführenden Überlegungen. Ausgehend von Gellius-Zitaten flicht er geschickt die Gleichnisse ein, die er von Seneca und Calcidius übernommen hat, bevor er wieder auf die Gedanken aus der Einleitung zu den Attischen Nächten zurückkommt. Um neben den von Gellius geäußerten Prinzipien auch eine Bemerkung über die Latinität seines Werkes machen zu können, nutzt Macrobius geschickt ein modifiziertes Zitat aus Gellius (Gell. praef. 16; s. o.): Durch die Auslassung des letzten Gliedes in der fünfgliedrigen Aufzählung der Ziele seiner Schrift endet Macrobius’ Reihe mit dem Ziel sermo incorruptior (Sat. praef. 11). Mit diesem Stichwort kann Macrobius dann überleiten zur Entschuldigung für seine mangelnden Lateinkenntnisse,⁴⁰ was ihn gleich zu einer – wiederum aus Gellius entnommenen⁴¹ – Anekdote bringt, die seine Aussage illustriert. Die praefatio genügt damit weitgehend den Einheits-Ansprüchen, die Macrobius an sein Werk anlegt, und bietet neben der theoretischen Erörterung der Prinzipien auch gleich ein praktisches Beispiel ihrer Anwendung.⁴² Sie ist gewissermaßen das Musterstück, das die Quellenvielfalt, die sprachliche Umsetzung mit Paraphrasen und direkten Zitaten sowie die einigende Verbindung verschiedener Quellen und Gedanken zum Zweck der Belehrung vorbildhaft umsetzt und auch zur Erbauung auf die versprochenen Exempla nicht verzichtet. An dieser Stelle beendet Macrobius seine Überlegungen vorläufig, um sodann als auktorialer Erzähler in einem zweiten Prolog die literarische Form, die Figurenzusammenstellung und das Setting zu erklären. Dabei benennt er präzise die Vorbilder und Konventionen, die es erlauben, die Anlage des Hauptteils der Saturnalia besser zu verstehen und die Umsetzung der an dieser Stelle skizzierten Regeln nachzuvollziehen.

 Auch diese Überleitung ist aus Gellius’ praefatio übernommen (Gell. praef. 14); Gellius jedoch entschuldigt sich nicht für seinen Sprachgebrauch, sondern beugt so der möglichen Kritik vor, er biete nur Altbekanntes.  Gell. 11, 8.  Dies erkennt schon Flamant 1977, 173 f., auch wenn er meint, Macrobius für die Verwendung von Versatzstücken entschuldigen zu müssen: „[P]ar un raffinement d’artiste, Macrobe démontre le mouvement en marchant, et offre au lecteur une préface soignée, solidement composée, bien que faite de pièce et de morceaux empruntés.“ Ähnlich Dorfbauer: „[…] gibt Macrobius nicht nur eine eindrucksvolle Probe seiner Meisterschaft, mit der er die selbst festgesetzten literarischen Prinzipien beherrscht, er unterstreicht damit auch nachdrücklich seinen Anspruch als Künstler“ (Dorfbauer 2006, 19).

1 Die Ziele der Saturnalia: die auktoriale Vorrede (Sat. praef. und 1, 1)

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Vorbild ist zunächst das platonische Symposion, dessen Regeln Macrobius benennt und das ihm so als Muster für die literarische Form dient (Sat. 1, 1, 3). Als Teil der literarischen Konvention benennt er auch Decius und Postumianus, deren Gespräch die Rahmenhandlung für den eigentlichen Symposiondialog bildet. Macrobius verdeutlicht gleichzeitig ihre Funktion: Ihr Dialog in der Rahmenhandlung motiviert die Handlung der dann im Folgenden berichteten Gespräche. Sodann führt Macrobius einige Regeln aus, die bei einem Symposion zu beachten sind. Er nennt die reine und anständige Rede sowie den Wechsel von ernsten Gesprächen am Vormittag mit leichteren Themen am Abend. Dieses Muster der Anlage eines Symposions markiert Macrobius explizit als von Cicero übernommen, womit sein zweites literarisches Vorbild benannt ist (Sat. 1, 1, 4). Schließlich thematisiert Macrobius die Figurenauswahl und ihre Zusammenstellung, indem er sich dafür rechtfertigt, dass er anachronistisch Figuren gemeinsam auftreten lässt, die nicht zur gleichen Zeit im richtigen Alter für die Gespräche gewesen wären. Als Rechtfertigung dienen ihm dabei platonische Dialoge, in denen es sich ebenso verhalte (Sat. 1, 1, 5 f.). Bei einer Ausrichtung an einem gebildeten Lesepublikum hätte eine solche Einführung wenig Wert; da die Saturnalia aber an den Sohn Eustathius und somit an eine jugendliche Leserschaft gerichtet sind, zeigt sich einmal mehr, dass Macrobius sein Ziel der Belehrung tatsächlich auch ernsthaft verfolgt. Ebenso wird deutlich, dass sein Interesse nicht nur auf die zu vermittelnden Fakten beschränkt ist, sondern auch Regeln wie Anwendung literarischen Schreibens oder die Auswahl und Zusammenstellung der Figuren umfasst und auch den allgemeinen Ablauf eines Symposions nicht vergisst.⁴³ Belehrung und Einheit in der Darstellung haben sich in der Vorrede als die beiden zentralen Anliegen des Macrobius erwiesen. Belehren will er seinen Sohn im Stil eines Handbuchs, das alles Wissenswerte (Zitate wie Fakten) leicht auffindbar für den Gebrauch zur Verfügung stellt. Inhaltliches wie formales Ziel ist die einheitliche Darstellung, die die Benutzung von Quellen zwar nicht verschweigt, diese aber gedanklich zu einer neuen Einheit verbindet. War das Programm in der praefatio nicht nur skizziert, sondern bereits erfolgreich angewendet worden, so gilt es zu überprüfen, inwiefern Macrobius seinen Ansprüchen in größeren Zusammenhängen gerecht wird. Als Beispiele werden drei Bereiche herangezogen: das erste Buch der Saturnalia, insbesondere

 Semi geht sogar so weit, Macrobius als einen wichtigen Vertreter der Pädagogik zu bezeichnen, dem es um Belehren und Erziehen gehe. „In conclusione, Macrobio merita un cenno nella storia della pedagogia, non per originalità di pensiero, ma per la parte che ha avuto nel divulgare conoscenze e, più o meno esplicitamente, metodi non del tutto né facilmente superabili. La sua è una pedagogia del buon senso“ (Semi 1968, 837).

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II Die Saturnalia des Macrobius

die sogenannte ‚Sonnentheologie‘; die Rolle Vergils in den Saturnalia und die Figurenkonstellation und -interaktion.

2 Die ‚Sonnentheologie‘ und das erste Buch der Saturnalia Die sogenannte ‚Sonnentheologie‘ (Sat. 1, 17– 23) stellt den Abschluss der ernsthaften Gespräche am ersten Tag des Zusammenseins dar. Die zwölf Teilnehmer an den Gesprächen hatten am Vorabend des Saturnalienfestes wie im Verlaufe des Folgetages bereits eine Reihe von Themen besprochen: den Beginn des Saturnalienfestes (Sat. 1, 2 f.) und seinen historischen Ursprung (Sat. 1, 7), die Rolle der Sklaven (Sat. 1, 11), die Entwicklung des römischen Kalenders (Sat. 1, 12– 16) und einige weitere Themen. Bevor die Gruppe zum Abendessen übergeht und die Gespräche sich leichteren Themen zuwenden, hält Praetextatus auf Wunsch eines der Teilnehmer, Avienus, einen längeren Vortrag. Ziel dieses Vortrags ist es, die Identität einer Vielzahl von Göttern mit der Sonne zu erweisen. Das auf den ersten Blick monotheistisch anmutende Konzept in diesem Vortrag hat in der Forschung zur Benennung als ‚Sonnentheologie‘ geführt. Mit unterschiedlicher Akzentuierung im Detail wird dabei angenommen, in der ‚Sonnentheologie‘ vermittle Praetextatus eigene Überzeugungen oder diene als Sprachrohr für Macrobius’ religiöses Denken. Es handle sich um ein paganes monotheistisches Denk- oder Glaubenssystem solarer Prägung, das neuplatonisch-synkretistisch inspiriert sei. Gerade die ‚Sonnentheologie‘ wird auch gelegentlich als Ausgangspunkt einer Argumentation verwendet, die in den Saturnalia ein anti-christlich ausgerichtetes Werk erkennen will.⁴⁴ Dieses Kapitel wird hingegen zeigen, dass sich die ‚Sonnentheologie‘ – für sich betrachtet wie im Kontext des ersten Buches der Saturnalia – besser unter den vom Autor benannten Aspekten von Belehrung und Einheit in der Darstellung verstehen lässt. Die Vorstellung einer deutlichen Ausrichtung gegen christliche Überzeugungen, so wird sich im Zug der Untersuchung erweisen, erscheint hingegen als nicht haltbar. Dieses Kapitel wird zunächst Aufbau, Inhalt und Inkonsistenzen der ‚Sonnentheologie‘ präsentieren und dann eine Deutung im Hinblick auf die grundlegenden Arbeitsprinzipien des Macrobius vorstellen. Apoll wird eine gründlichere Untersuchung erfahren, da Praetextatus bei ihm als erstem Gott in dieser Götterreihe ausführlicher argumentiert und seine Methoden vorführt. Sodann

 Vgl. bes. Flamant 1977, Kap. 14 (652– 677). Ohne die Problematik Christentum – Heidentum Syska 1993, 1.

2 Die ‚Sonnentheologie‘ und das erste Buch der Saturnalia

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wird die ‚Sonnentheologie‘ auch in ihrem unmittelbaren Kontext, also dem ersten Buch der Saturnalia, verortet.

2.1 Die ‚Sonnentheologie‘ (Sat. 1, 17 – 23) Der Inhalt der ‚Sonnentheologie‘ Inhaltlich zerfällt das Referat des Praetextatus in drei Abschnitte. Zunächst leitet Praetextatus in sein Vortragsthema ein und legt seine Überzeugungen und Methoden knapp dar (1, 17, 2– 6). Darauf folgt in einem Hauptteil die Identifikation einer Vielzahl von Gottheiten, Heroen und Sternbildern mit der Sonne (Sat. 1, 17, 7– 1, 23, 16), bevor die Rede in einer knappen Zusammenfassung einen abrupten Schluss erfährt (Sat. 1, 23, 17– 22).

Einführung (Sat. 1, 17, 2 – 6) In der kurzen Einführung zu seinem Vortrag betont Praetextatus zwei Aspekte. Erstens gesteht er den Dichtern zu, sich über religiöse bzw. philosophische Fragen zu äußern. Die Anleihe bei der Philosophie sei kein Ausnahmefall, sondern die Regel. Praetextatus wertet diese Art der Erkenntnis und die Darstellung in literarischer Form keineswegs als negativ. Stattdessen gesteht er auch den Dichtern einen Blick auf das Allerheiligste, das adytum, der Philosophie zu und sieht ihre Aussagen als durch göttliche Logik, nicht durch reinen Aberglauben gestützt an (non vana superstitio sed ratio divina, Sat. 1, 17, 2).⁴⁵ Zweitens formuliert Praetextatus seine Aussage, die meisten Götter ließen sich auf die Sonne zurückführen, und skizziert grob seine Argumentation wie sein Vorgehen. Ziel seiner Ausführungen ist der Nachweis, dass sich „nahezu alle Götter, zumindest diejenigen unter dem Himmel, auf die Sonne zurückführen“ lassen (omnes paene deos, dumtaxat qui sub caelo sunt, ad solem referunt,

 Dichter können dieses Wissen aber nur in seiner einfachsten Form (semina) nutzen. Umgekehrt dürfen Philosophen auch auf literarische Mittel zurückgreifen, um wahre Aussagen zu verdeutlichen (Macr. somn. 1, 2). Mit diesem Zugeständnis sollen Ciceros Somnium Scipionis und Platons Er-Mythos gegen den Vorwurf verteidigt werden, sie wichen in der philosophischen Erörterung auf die (argumentativ einfachere) Ebene der Literatur aus. Der Vergleich der Parallelstelle zeigt außerdem, dass der Ausdruck cum de dis fabulantur in Sat. 1, 17, 2 in Bezug auf die Dichter nicht negativ konnotiert ist; fabula wird dort gebraucht für die Werke von Pythagoras, Empedokles, Parmenides und Heraklit (Macr. somn. 1, 2, 21).

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II Die Saturnalia des Macrobius

Sat. 1, 17, 2).⁴⁶ Was genau mit einer „Rückführung auf die Sonne“ formal wie inhaltlich gemeint ist, bleibt zunächst unklar. Die These der Identität aller Götter wird sodann auf zweifache Weise untermauert. Praetextatus bezieht sich auf die „von alters her“ (veteres) bekannte Ansicht, dass die Sonne die Gestirne leite und diese das Schicksal der Menschen anzeigten, weswegen die Sonne als Ursprung allen Geschehens angesehen werden müsse.⁴⁷ Sodann entwickelt er aus dem bekannten vergilischen Halbvers quo numine laeso (Verg. Aen. 1, 8) ein Schema, nach dem die Götter verschiedene numina besitzen, die ihre Wirkkräfte (effectus) bezeichnen. Praetextatus erweitert diesen Gedanken sogleich um eine zweite Ebene und behauptet, dass die unterschiedlichen Wirkkräfte der Sonne (virtutes) den einzelnen Göttern ihre Namen gegeben hätten. Er denkt also an ein hierarchisches Konzept, bei dem sich die einzelnen Elemente entsprechen: Die Götter besitzen Eigenschaften/Fähigkeiten (effectus), die wir numina nennen.⁴⁸ Die Sonne besitzt Eigenschaften/Fähigkeiten (virtutes),

die wir dei nennen.

Die hierarchische Scheidung von virtus und effectus und die Zuweisung des einen Begriffs zur Sphäre der Sonne als ‚zentraler Gottheit‘, des anderen zur Sphäre der übrigen Götter ist in dieser Form neu. Virtus ist eine klassische Übersetzung des griechischen Wortes δύναμις,⁴⁹ mit effectus ist jedoch nicht der aristotelische

 Dass Praetextatus’ Aussage omnes paene deos vage bleibt, ist sicher beabsichtigt. An dieser Stelle geht es ihm nicht darum, konkrete Götter zu benennen oder auszuschließen, sondern den Eindruck zu erwecken, auf die überwiegende Zahl der Götter treffe die Aussage zu. Zudem muss die Einschränkung auf die Götter „unter dem Himmel“ vor einem philosophischen Hintergrund verstanden werden: Im Somnium-Kommentar beginnt in der sublunaren Sphäre die Welt des Veränderlichen; hier sind auch die ‚klassischen‘ Götter anzusiedeln, die somit kategorial von dem vollkommenen und transzendenten Wesen des ‚Einen‘ geschieden werden (Macr. somn. 1, 11). Dazu vgl. auch Tornau 2008, 314.  Diese Auffassung ist eine fast wörtliche Wiedergabe der entsprechenden Stelle in Ciceros De re publica, der die Sonne als dux et princeps et moderator luminum reliquorum bezeichnet, zudem als mens mundi et temperatio (Cic. rep. 6, 2). Im Somnium-Kommentar erläutert Macrobius diese Stelle: Die Sonne ist dux, weil sie die anderen Gestirne an Leuchtkraft übertrifft, princeps, weil sie einzigartig ist, und moderator, weil sie die Planetenbahnen kontrolliert (somn. 1, 20, 4). Die Beeinflussung der übrigen Gestirne wird als Macht (vis et potestas) über ihren Lauf aufgefasst (somn. 1, 20, 5).  Einen ähnlichen Gedanken hatte bereits Varro formuliert: nomina numinibus ex officiis constat imposita (‚Es liegt auf der Hand, dass die Götter ihre Namen aufgrund ihrer Aufgaben erhalten haben‘, Serv. georg. 1, 21 = frg. 7 Cardauns).  Vgl. z. B. Aug. civ. 4, 11. In der ‚Sonnentheologie‘ findet sich in Sat. 1, 21, 24 ebenfalls die Wendung δύναμις ἡλιακή.

2 Die ‚Sonnentheologie‘ und das erste Buch der Saturnalia

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Gegenbegriff ἐνέργεια gemeint.⁵⁰ Vielmehr ist das Wort als bedeutungsverwandt mit virtus zu sehen, jedoch auf einer anderen hierarchischen Ebene. Vorbilder für diese Verwendung des Wortes lassen sich nicht nachweisen; sie scheint von Macrobius selbst entwickelt worden zu sein.⁵¹ Den Beweis für seine These will Praetextatus im Hauptteil der ‚Sonnentheologie‘ erbringen.

Hauptteil Im Hauptteil der ‚Sonnentheologie‘ wird als Beleg für die These der Identität aller Götter mit der Sonne eine Reihe von Göttern vorgestellt und in Beziehung zur Sonne gesetzt. Es sind dies in der Reihenfolge ihrer Behandlung Apoll (Sat. 1, 17, 7– 65), Liber (Sat. 1, 18), Mars (Sat. 1, 19, 1– 6), Merkur (Sat. 1, 19, 7– 18), Äskulap und Salus (Sat. 1, 20, 1– 5), Herkules (Sat. 1, 20, 6 – 12), Sarapis und Isis (Sat. 1, 20, 13 – 18), Adonis (Sat. 1, 21, 1– 6), Mater Deum und Attis (Sat. 1, 21, 7– 10), Isis und Osiris (Sat. 1, 21, 11– 13), Horus (Sat. 1, 21, 14), die Tierkreiszeichen (Sat. 1, 21, 18 – 27), Nemesis (Sat. 1, 22, 1), Pan (Sat. 1, 22, 2– 7), Saturn (Sat. 1, 22, 8) und Jupiter (Sat. 1, 23, 1– 16). Schließlich erfährt die ‚Sonnentheologie‘ eine Zusammenfassung in der Betrachtung von Adad und Adargatis (Sat. 1, 23, 17– 20), bevor sie mit der Rezitation orphischer Verse zur Größe und Einheit der Sonne endet (Sat. 1, 23, 21– 22). Es ist kein Zufall, dass Praetextatus den Reigen mit Apoll eröffnet, der ja als Sonnengott schlechthin verstanden wird. Daher ist es auch verständlich, dass Praetextatus aufgrund der vielen Belegstellen diesem Gott am meisten Redezeit widmet. Hier kann er ebenfalls die Methoden vorführen und die Kult- bzw. Namens-Elemente einführend deuten, die später für die Diskussion anderer Gottheiten wichtig sind. Apolls Identität mit der Sonne weist Praetextatus auf verschiedene Weise nach. Zunächst untersucht er Apolls Namen auf etymologische Verbindungen mit der Sonne und greift in diesem Zusammenhang auf bekannte (ἀ-πολλοί) wie  Syska 1993, 234. Dieser von Aristoteles eingeführte Gegenbegriff zu δύναμις erscheint zuerst in Metaphysik Θ 6 und wird im Lateinischen in der Regel mit efficacia oder efficientia wiedergegeben: Debemus etiam hoc scire, quod aliud est possibilitatem esse in aliquo aliud efficaciam vel efficientiam, quod Graeci δύναμιν et ἐνέργειαν vocant. (Rufin, Orig. in Rom. 8, 2, PG 14, 1162C) Wir müssen auch dies wissen: Es gibt einen Unterschied zwischen Potenz und Akt in einer Sache; Ersteres nennen die Griechen dynamis, Letzteres energeia.  Effectus erscheint zwar gelegentlich durchaus als synonym mit vis (z. B. Cic. div. 2, 47; Sen. benef. 4, 7, 2) oder virtus (Pelagon. 354). Doch ist an den genannten Stellen eine umfassende Synonymie gegeben, die sich auf diese Stelle bei Macrobius nicht übertragen lässt, und die Verwendung liegt nur bei Seneca klar außerhalb des medizinischen Bereichs.

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weniger bekannte Etymologien (ἀπόλλυμαι) zurück (Sat. 1, 17, 7– 10). Dann kommt er auf Apolls Eigenschaften und Beinamen zu sprechen, ebenso wie auf kultische Anrufungen. Zwei gegensätzliche Eigenschaften betont Praetextatus, indem er Apoll einerseits als Krankheitsbringer, andererseits aber auch als Heilgott beschreibt (Sat. 1, 17, 9 – 15). Das Abhandeln der Beinamen Apolls strukturiert Praetextatus’ Ausführungen über ihn. Diese bespricht er mit unterschiedlicher Ausführlichkeit und legt besonderes Gewicht auf diejenigen Namen, die Verbindungen Apolls zur Sonne aufweisen. Dabei kann es vorkommen, dass weniger verbreitete Beinamen stärkere Beachtung finden (z. B. Nomios, Sat. 1, 17, 43 – 44) und typische Beinamen knapp abgehandelt werden (z. B. Φοῖβος; Sat. 1, 17, 33). Zudem wird stillschweigend eine zumindest ursprünglich eigenständige Gottheit mit Apoll identifiziert (Παῖαν; Sat. 1, 17, 16 – 18).⁵² Als Belege für die Verbindung Apolls mit der Sonne nutzt Praetextatus verschiedene Quellen. Am häufigsten greift Praetextatus auf die etymologische Deutung von Namen zurück.⁵³ Dies betrifft sowohl den Namen Apoll selber (s. o.) als auch eine Vielzahl von Beinamen. Bei einigen Deutungen beruft sich Praetextatus explizit auf Quellen, z. B. auf Kleanthes oder Platon (Sat. 1, 17, 7).⁵⁴ Außerdem zitiert er die Aussagen von Schriftstellern, unter denen Homer besonders häufig berücksichtigt wird. Doch auch andere Autoren werden herangezogen, unter ihnen Euripides, Archilochos und Vergil. Dichterzitate (es finden sich nur wenige Prosaiker) werden in der Regel als Beleg für eine These angeführt, wie zum Beispiel für die These, dass man an den Pfeilen die Kraft der Sonnenstrahlen erkenne: αὐτὰρ ἔπειτ’ αὐτοῖσι βέλος ἐχεπευκὲς ἐφιεὶς / βάλλ’. (Sat. 1, 17, 12 = Hom. Il. Α 51). Dann aber schoss er den bitteren Pfeil, auf sie selbst zielend.

 Zu Paian, seiner Deutung und der schon bei Platon typischen Verbindung mit Apoll vgl. Nesselrath 2006, 107– 109, und Syska 1993, 238 f.  Dies ist kein ungewöhnliches Vorgehen, wie Maltbys hilfreiches Lexicon of Ancient Latin Etymologies (Maltby 1991) zeigt.  Die Frage der Quellen des Macrobius ist nicht abschließend beantwortet worden, auch die Deutung der Übernahme der Quellen ist höchst unterschiedlich ausgefallen. Zur Frage der Quellen im Allgemeinen vgl. v. a. die ältere Literatur (Wissowa 1880; Linke 1880; Courcelle 1948, 8 – 14); zur ‚Sonnentheologie‘ im Speziellen vgl. Flamant 1977, 656 – 668, Syska 1993, 105 – 111, und Liebeschuetz 1999, 197– 199, jeweils auch mit Diskussion der älteren Literatur. Cameron streitet Macrobius die Kenntnis der originalen Quellen überwiegend ab (Cameron 2011, 408). Pragmatischer – und sicher nicht falsch – beantwortet Whittaker diese Frage, indem er hervorhebt, dass die heutige Unsicherheit in Hinblick auf die Quellen des Macrobius keine Rolle spiele, da er vor allem aus den Strömungen seiner Zeit geschöpft habe (Whittaker 1923, 62).

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Hinzu tritt die Deutung von kultischen Ausrufen und kultischen Darstellungen. So geht Praetextatus beispielsweise auf den Ausruf ἰὴ Παιάν (‚Oh Paian!‘, Sat. 1, 17, 17) ein, den er – wiederum in etymologischer Manier – als Abwandlung der Aussage ἵε Παιάν (‚Schicke [Pfeile herab], Paian!‘) versteht. Neben sprachlichen Überlegungen und Verbindungen greift Praetextatus auch auf kultische Darstellungen Apolls zurück. Er beschreibt und deutet zum Beispiel ein syrisches Kultbild eines bärtigen Apolls mit goldenem Korb, Brustpanzer, einem Speer mit Viktoria, einer Blume sowie einem Umhang mit Gorgonendarstellung. Neben dem Bild seien auch Adler, Frauen und eine Schlange abgebildet (Sat. 1, 17, 67 f.). Gedeutet werden alle einzelnen Elemente des Bildes: 68 radios in terram superne iaci barba demissa significat. calathus aureus surgens in altum monstrat aetheris summam, unde solis creditur esse substantia. hastae atque loricae argumento imago adiungitur Martis, quem eundem ac solem esse procedens sermo patefaciet. Victoria testatur cuncta submitti huius sideris potestati. floris species florem rerum protestatur, quas hic deus inseminat progenerat fovet nutrit maturatque. 69 species feminea terrae imago est, quam sol desuper inlustrat. signa duo aeque feminea quibus ambitur hylen naturamque significant confamulantes, et draconis effigies flexuosum iter sideris monstrat. aquilae propter altissimam velocitatem volatus altitudinem solis ostendunt. 70 addita est Gorgonea vestis, quod Minerva quam huius praesidem accipimus solis virtus sit, sicut et Porphyrius testatur Minervam esse virtutem solis quae humanis mentibus prudentiam subministrat. nam ideo haec dea Iovis capite prognata memoratur, id est de summa aetheris parte edita, unde origo solis est. (Sat. 1, 17, 68 – 70) Dass die Strahlen von oben auf die Erde fallen, zeigt der nach unten fallende Bart. Der nach oben sich erhebende goldene Korb verweist auf den höchsten Punkt des Äthers, woraus die Sonne nach allgemeiner Meinung ihrem Wesen nach besteht. Durch das Indiz der Lanze und des Brustpanzers wird das Bild des Mars hinzugefügt, dessen Identität mit der Sonne unser Vortrag nun bald nachweisen wird. Die Victoria bezeugt, dass alle Dinge unter der Macht dieses Himmelskörpers stehen. Das Abbild der Blume beweist die Blüte aller Dinge, welche dieser Gott sät, einpflanzt, hegt, pflegt und reifen lässt. 69 Die weibliche Darstellung ist ein Bild für die Erde, welche die Sonne von oben bescheint. Zwei weitere weibliche Darstellungen, die die Statue umgeben, zeigen, dass Materie und Natur gleichermaßen dienen, und das Abbild der Schlange verweist auf die gewundene Bahn dieses Himmelskörpers. Die Adler zeigen wegen der sehr hohen Geschwindigkeit ihres Fluges die Höhe der Sonne an. 70 Hinzugefügt ist der Umhang mit der Gorgo, weil Minerva, die – wie wir hören – seine Beschützerin ist, die Wirkmacht der Sonne sein soll, wie auch Porphyrius bezeugt: Minerva sei die Wirkmacht der Sonne, die dem menschlichen Verstand die Klugheit eingebe. Denn deshalb wird gesagt, dass diese Göttin aus dem Haupte Jupiters hervorgegangen sei, also aus dem höchsten Punkt des Äthers, woher auch die Sonne abstammt.

Ausgangspunkt ist zunächst die (als gegeben vorausgesetzte) Identität Apolls mit der Sonne. Daraus ergibt sich, dass Bart, Victoria, Blume und Adler auf Eigenschaften der Sonne verweisen. Diese Eigenschaften können sehr unterschiedlich sein, insofern sie auf die physische Beschaffenheit der Sonne und ihrer Strahlen

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verweisen (Bart), auf die Wirkung dieser Strahlen (Blume), auf ihre Bewegung (Adler) oder auf die übergroße Macht der Sonne (Victoria). Die Lanze, die an dieser Stelle nicht als Element der Sonne gedeutet werden kann, wird mit Mars gleichgesetzt, dessen Existenz mit der Sonne noch erwiesen werden soll. (Dort wird eine Deutung der Lanze jedoch nicht vorgenommen.) Beiläufig wird auch noch Minerva mit der Sonne verbunden, die – ihre Geburt aus Jupiters Kopf wird allegorisch gedeutet – den höchsten Punkt des Äthers bezeichne, was schlechthin die Sonne sei. Diese Deutung wird nicht ausführlich belegt und auch nicht weiterverfolgt; auch der Sachverhalt spielt keine Rolle, dass hier wieder ein anders gearteter Aspekt von ‚Sonne‘ angesprochen wird. Schließlich werden zwei Legenden erzählt und gedeutet, die für die Identität von Apoll mit der Sonne einstehen sollen. Die eine Legende thematisiert die Einsetzung der Apollinischen Spiele und bietet drei konkurrierende Aitien an: Während der Spiele zu Ehren Apolls habe dieser den Angriff von Feinden abgewehrt; oder man bitte durch die Spiele Apoll um Zurückhaltung beim Brennen als Sonne am Himmel; oder die Spiele seien aufgrund von Bestimmungen in den sibyllinischen Büchern eingeführt worden (Sat. 1, 17, 25 – 29). Die andere Legende, die den Python-Mythos zum Kern hat, wird ausführlicher erzählt und auf unterschiedliche Art gedeutet (Sat. 1, 17, 50 – 60): Die Schlange wird als mythisches Untier aufgefasst, das von Juno geschickt worden sei, um den jungen Apoll zu töten; der Python stehe für die feuchte Urmaterie, die durch Apoll als Sonne überwunden worden sei; der Python stehe für die feuchte, krankmachende Fäulnis, die Apoll überwunden habe; die Sonne weiche gelegentlich von ihrer Bahn ab, die nun schlangenförmig wirke. Nachdem Praetextatus auf diese Weise ausführlich und eindrucksvoll die Identität Apolls mit der Sonne nachgewiesen hat, geht er dazu über, dies auch für andere Götter zu leisten. In der Reihe der Götter folgen mit Liber, Mars und Merkur bedeutende Götter des römischen Pantheons, bevor bedeutende, nicht-römische Götter in die Betrachtung einbezogen werden. Die behandelten Götter erhalten im Fortgang des Vortrags immer weniger Redezeit: Im Drucktext sind Apoll (Sat. 1, 17) 18 Seiten gewidmet, während Saturn (Sat. 1, 22, 8) mit sechs Textzeilen vorliebnehmen muss. In der Diskussion der Eigenarten finden ausschließlich die Methoden Anwendung, die zuvor erfolgreich für Apoll angewendet worden sind. Die Diskussion Jupiters stellt das Ende des Untersuchungsteils der ‚Sonnentheologie‘ dar. Sie ist wieder deutlich länger als die vorigen Passagen und weist durch die Erzählung der Trajan-Legende (Sat. 1, 23, 14– 16), die mit der Heilungslegende bei Apoll (Sat. 1, 17, 15 – 29) korrespondiert, auf den Beginn des Götterreigens mit Apoll zurück und schließt den Kreis. Im Anschluss werden, klar abgegrenzt, die gewonnenen Erkenntnisse am Beispiel von Adad und Adargatis zusammengefasst: Sie werden als Sonne und Erde gedeutet, was an ihren Kult-

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bildern belegt wird, deren Deutung auf zuvor vorgestellte Gottheiten zurückverweist. Natürlich stellt Praetextatus nicht für alle Götter eine Verbindung zur Sonne her, wie er eingangs in Aussicht gestellt hat. Jedoch behandelt er Götter verschiedener Religionskreise: So finden sich neben Apoll und Merkur aus dem griechisch-römischen Pantheon die ägyptischen Gottheiten Isis und Osiris, die kleinasiatische Mater Deum sowie die aus der Astrologie bekannten Sternkreiszeichen. Dieses Panoptikum an Gottheiten dürfte durchaus so gewählt worden sein, um die Universalität des Sonnenbezugs der Götter zu belegen, zumal alle diese Kulte in Praetextatus’ eigener Zeit in Rom heimisch waren. Es handelt sich also um den Hörern vertraute Gottheiten. Dem gleichen Zweck dient die Berufung auf kultische Bilder oder Riten anderer Völker. Hier greift Praetextatus auf die Völker des gesamten Mittelmeergebietes zurück. Besonders oft werden die Ägypter angeführt, die allgemein als äußerst gläubig galten,⁵⁵ daneben Griechen und Römer, aber auch Assyrer, Phryger und Thraker. Schließlich scheint der gesamte bekannte Erdkreis Zeugnis davon zu geben, dass alle Götter auf die Sonne verweisen. Auf diese Weise erweckt Praetextatus den Eindruck, dass er Aussagen über alle Götter und hinreichend viele unterschiedliche Kulturkreise mache. Erscheint es sinnvoll, dass manche Götter keine Rolle spielen (wie die von Augustin zitierte Cloacina⁵⁶), ist jedoch die fehlende Beachtung einer Reihe bedeutenderer Gottheiten auffällig. Aus dem griechisch-römischen Pantheon betrifft dies beispielsweise Pluto, Neptun, Vulcanus, Amor, Venus, Juno, Minerva, Proserpina oder Ceres. Auch die für Rom ab der Kaiserzeit bedeutende Figur des Mithras fehlt; dies ist umso verwunderlicher, als gerade Mithras aufs engste mit der Sonne verbunden war und Praetextatus selbst in den Mithraskult eingeweiht war.⁵⁷ Zudem werden bedeutende ‚abstrakte‘ Gottheiten wie Fortuna übergangen, während andere – wie Salus (Sat. 1, 20, 1) – genannt werden.

 Vgl. z. B. Herodot: θεοσεβέες δὲ περισσῶς ἐόντες μάλιστα πάντων ἀνθρώπων (‚Sie sind übermäßig gottesfürchtig, mehr als alle anderen Menschen‘, Hdt. 2, 37).  Aug. civ. 4, 8. Vgl. hierzu z. B. Kahlos 2007, 138, die den polemischen Charakter der Aufzählung bei Augustin herausstellt, und Cameron 2011, 620 f., der die interessante These vertritt, Augustin habe sich deshalb intensiv mit Varro beschäftigt, weil jener ansonsten nicht mehr im Original gelesen worden wäre und sich deshalb als anerkannter, gleichwohl jedoch unbekannter Belegautor gut geeignet hätte.  Vgl. die Ämterliste auf seinem Grabstein (CIL VI, 1779). Vielleicht liegt der Grund für das Übergehen von Mithras in der Geheimhaltung des Kultes und seiner Riten. Vgl. Kaster in der Einleitung zu seiner Übersetzung (Bd. 1, xix, Anm. 13), der hier von einer „striking omission“ spricht. Cameron vermutet, dass Macrobius keine Informationen darüber hatte, dass Praetextatus auch in den Mithraskult eingeweiht war (Cameron 2011, 268 f.).

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Ganz ausgeschlossen werden die meisten dieser Götter jedoch nicht: Vielmehr werden sie en passant erwähnt, so dass am Ende doch ein Großteil des griechischrömischen Pantheons einbezogen ist. So findet sich eine Bemerkung zu Juno in der Deutung des Python-Mythos (Sat. 1, 17, 52– 54). Neptun wird als weiteres Beispiel aufgeführt, dass ein Gott zwei unterschiedliche Aufgaben haben kann (als Beweger und Halter der Erde: Sat. 1, 17, 22). Auf vergleichbare Weise werden auch Venus (Sat. 1, 21, 1.3.6), Artemis/Minerva (Sat. 1, 17, 17.21/70), Ceres (Sat. 1, 18, 23) und Proserpina (Sat. 1, 21, 1.3) erfasst. Dass so schließlich doch die meisten Gottheiten zumindest genannt werden, dürfte den Eindruck der Vollständigkeit erhöhen und die Hörer darüber im Unklaren lassen, dass und welche Götter letztlich übergangen wurden. Gerade einige dieser beiläufig erwähnten Gottheiten weisen aber auf ein Problem hin, das das Verständnis der ‚Sonnentheologie‘ als rein (solar‐)monotheistisches Konzept infrage stellt. Denn sowohl Diana und Ceres als auch Isis und die Mater Deum werden von Praetextatus in der ‚Sonnentheologie‘ explizit genannt, aber mit dem Mond oder der Erde verbunden,⁵⁸ also mit Instanzen, die eindeutig nicht mit der Sonne identisch sind. Diese Identifizierungen bestimmter Götter mit Mond oder Erde sind bereits klassisch. Meist bilden bei Praetextatus der Gott der Sonne und des Mondes ein Paar, das die Aufgaben gemeinsam erfüllt. Die Funktionen der beiden Gottheiten sind komplementär gedacht, wie in den Beispielen von Apoll und Artemis bzw. Liber pater und Ceres deutlich wird: Beide Gottheiten erfüllen ähnliche Aufgaben, indem sie jeweils nutzen und schaden: denique inustos morbo Ἀπολλωνοβλήτους καὶ ἡλιοβλήτους appellant, et quia similes sunt solis effectibus effectus lunae in iuvando nocendoque, ideo feminas certis adflictas morbis σεληνοβλήτους et Ἀρτεμιδοβλήτους vocant. (Sat. 1, 17, 11) Schließlich nennt man die von einer Krankheit gezeichneten Menschen ‚von Apoll Getroffene‘ und ‚von der Sonne Getroffene‘; und weil die Kräfte des Mondes denen der Sonne ähnlich sind in Hinblick auf Nutzen und Schaden, nennt man daher auch die Frauen, wenn sie von bestimmten Krankheiten geplagt werden, ‚vom Mond getroffen‘ und ‚von Artemis getroffen‘.

 Mond: Artemis Sat. 1, 17, 11; Ceres Sat. 1, 18, 23; Erde: Isis Sat. 1, 20, 18; Mater Deum Sat. 1, 21, 7– 10.

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Auch Liber pater und Ceres⁵⁹ ergänzen sich in ihrem Aufgabenbereich, indem sie ein gleiches Ziel verfolgen, das zügige Pflanzenwachstum. Sie nutzen dafür ihr jeweiliges Wesen, indem Liber pater (als Sol) tagsüber Hitze spendet, während Ceres (als Luna) nächtliche Abkühlung gewährt: hinc et Vergilius sciens Liberum patrem solem esse et Cererem lunam, qui pariter fertilitatibus glebae et maturandis frugibus vel nocturno temperamento vel diurno calore moderantur. (Sat. 1, 18, 23) Daher sagt auch der kundige Vergil, dass Liber pater die Sonne sei und Ceres der Mond, die beide gleichermaßen die Fruchtbarkeit der Erde und das Reifen der Früchte durch die Abkühlung der Nacht oder die Hitze des Tages kontrollieren.

Vergleichbare Aussagen zur Erde finden sich nicht. Die Göttinnen Latona, Isis, Venus, Proserpina, Ceres, die Mater Deum, Hestia und Adargatis werden mit der Erde gleichgesetzt, doch erschöpfen sich die Angaben in der Identifikation.⁶⁰ Juno schließlich wird mit der Luft gleichgesetzt (Sat. 1, 17, 54), ohne mit Jupiter oder einem anderen Gott verbunden zu werden.⁶¹ Auffällig ist, dass diese Götter den entsprechenden ‚wichtigen‘ Göttern, die als Sonne anzusehen sind, nachgeordnet werden. Artemis wird bei der Diskussion Apolls erwähnt (Sat. 1, 17, 9; 1, 17, 52– 54), Ceres gehört zu Liber pater (Sat. 1, 18, 23), Salus ist ein Pendant zu Äskulap (Sat. 1, 20, 1); Isis ist mit Osiris verbunden (Sat. 1, 10, 18; 1, 21, 11) und Adargatis mit Adad (Sat. 1, 23, 18). Nur die Mater Deum steht für sich; sie wird mit keiner zweiten Gottheit verbunden (Sat. 1, 21, 8). Insgesamt erfahren diese Götter nur eine geringere Berücksichtigung.

 Ceres ist als Vegetationsgottheit klassisch verstanden; doch ihre Deutung als ‚Mond‘ ist anderweitig nicht belegt. Die Verbindung mit Liber pater findet sich nur im römischen Kult in der Trias Ceres – Liber – Libera.  Latona: Sat. 1, 17, 54; Isis: Sat. 1, 20, 18 und Sat. 1, 21, 11; Proserpina: Sat. 1, 21, 1.3; Mater Deum: Sat. 1, 21, 8; Sat. 1, 23, 20; Hestia: Sat. 1, 23, 8; Adargatis: Sat. 1, 23, 18.  Dahinter steht jedoch nicht die klassische Dreiteilung des Alls in die drei Bereiche Himmel – Erde – Unterwelt mit den entsprechenden Göttern Jupiter, Juno und Pluto (Pluto fehlt überhaupt). Eine vergleichbare Dreiteilung findet sich nur außerhalb der ‚Sonnentheologie‘ in Sat. 3, 4, 8, wo eine Deutung Varros referiert wird. Doch sind es hier die Götter Jupiter, Juno und Minerva, die – als Penaten gedeutet – die oberirdischen Sphären repräsentieren. Die Deutung Heras als Luft ist alt; ihr Name Hera (Ἥρα) wird von aer (ἀήρ) abgeleitet. Lateinische Belegstellen mit dem Verweis auf den griechischen Ursprung der Etymologie finden sich z. B. bei Cicero (nat. deor. 2, 66), Minucius Felix (19, 10), Firmicus Maternus (err. 4, 1, 3) und Augustin (cons. evang. 1, 29, 45; in psalm. 113, 2, 4). – Macrobius bietet an anderer Stelle in den Saturnalia eine andere Erklärung, in der er Juno mit dem Mond verbindet (um dadurch ihre Verbindung mit den Kalenden zu beweisen: Sat. 1, 15, 20), doch im Somnium-Kommentar findet sich ebenfalls die ausgeführte Erklärung (somn. 1, 17, 15).

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II Die Saturnalia des Macrobius

Weiterhin fällt auf, dass nur sehr wenige weibliche Gottheiten mit der Sonne in Verbindung gebracht werden (einzige Ausnahme: Nemesis [Sat. 1, 22, 1]; bei der Mater Deum [Sat. 1, 21, 7– 10] wird immerhin ihr Kult als Sonnenkult aufgefasst), bzw. dass alle Gottheiten, die mit einer anderen Entität als der Sonne verbunden werden, weiblich sind. Dies mag zunächst einleuchten, denn sowohl im Griechischen als auch im Lateinischen ist die Sonne männlich. Andererseits erlaubte doch gerade eine allegorische Interpretation, die Aspekte aus dem Kult oder Mythos auf Wesensmerkmale oder Wirkmächte eines abstrakten All-Gottes zurückführt, die Einbeziehung verschiedenster Gottheiten unabhängig von ihrem Geschlecht. Diese Beobachtungen belegen jedoch, dass es sich in der ‚Sonnentheologie‘ nicht um ein monotheistisches Konzept im engeren Sinne handelt, wie Praetextatus es in Sat. 1, 17, 4 in Aussicht stellt. Vielmehr stehen (mindestens) zwei Prinzipien an der Spitze dieses Denkkonzeptes: Sonne und Mond (ggf. Sonne und Erde bzw. Luft). Besonders die Götterpaare stellen nämlich Problemfälle dar: Apoll und Diana, Magna Mater und Attis, Liber und Ceres, Adonis und Venus, Isis und Osiris sowie Adad und Adargatis werden gemeinsam präsentiert, wohl deshalb, weil sie seit jeher miteinander verbunden vorgestellt wurden.⁶² Trotz der offenkundig untergeordneten Rolle des Mondes (oder eines anderen Gestirns) fällt auf, dass jeweils beide Gestirne gemeinsam zum Wohle der Menschen wirken, indem sie beispielsweise durch Hitze und Kühle das Leben ermöglichen oder Gesundheit schaffen (vgl. Apoll und Artemis). Die Macht der Sonne ist somit zwar stärker, nicht aber absolut. Es dürfte folglich schwierig sein, beide Mächte gleichermaßen als Verkörperung eines einzigen Urprinzips zu verstehen. Hier hilft es auch nicht, auf die Einschränkung dumtaxat qui sub caelo sunt (Sat. 1, 17, 2) zu verweisen, denn bei diesen Götterpaaren sind ja weitgehend gleichberechtigte und gleichbekannte Gottheiten gewählt. Auch der Ausschluss dieser Gottheiten durch die Wendung paene omnes (Sat. 1, 17, 2) befriedigt nicht. Es scheint also vielmehr der Fall zu sein, dass neben der überwiegend monotheistischen Lesart der ‚Sonnentheologie‘ mit der Rückführung einer Vielzahl von Göttern auf die Sonne auch andere Vorstellungen Eingang in den Vortrag des Praetextatus gefunden haben. Dabei werden die Machtbereiche der Götter nicht

 Während Apoll weithin als Sonnengott verehrt wurde, findet sich typischerweise eine direkte Verbindung Dianas mit dem Mond (vgl. z. B. Wili 1943, 141– 144, mit dem prominenten Verweis auf Hor. carm. saec.). Ebenso untrennbar sind Osiris und Adad (Sonne) mit Isis (Mond) und Adargatis (Erde) verbunden, wohingegen die Verbindung von Liber (Sonne) und Ceres (Mond) in Sat. 1, 18, 23 weniger geläufig ist und der Deutung des Vergilzitates geschuldet zu sein scheint.

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unbedingt scharf voneinander geschieden (wie dies bei Venus und Proserpina geschieht: Sat. 1, 21, 1). Doch ist erkennbar, dass der Macht der Sonne weitere Mächte an die Seite gestellt sind, seien es Mond oder Erde. Somit kann nicht mehr selbstverständlich von der Allmacht der Sonne ausgegangen werden.⁶³ Überprüft man ebenfalls das von Praetextatus etablierte System von virtus und effectus, so zeigt sich, dass die zu Beginn vorgenommene Unterscheidung folgenlos bleibt. Für die Bedeutung von virtus als Wirkmacht der Sonne findet sich genau ein Beleg: Sat. 1, 17, 70.⁶⁴ Gleichzeitig fällt auf, dass auch effectus im Sinne von virtus, wie es von Praetextatus in Sat. 1, 17, 4 definiert worden war, verwendet wird.⁶⁵ Ausgehend von diesem Befund fallen weitere Stellen auf, an denen in ähnlichem Kontext mit weiteren Begriffen operiert wird: Dort verwendet Praetextatus die drei Wörter vis, potestas und potentia, ohne sie definiert oder explizit in seinem Gedankensystem verortet zu haben. Auch auctor und verschiedene Formen der Verben praestare und praeesse kommen vor.⁶⁶ Von dem stringenten und innovativen Konzept der gestuften Götterwelt, bei der Götter über ihre Wirkkräfte hierarchisch miteinander und der Sonne verbunden sind, bleibt im Hauptteil des Vortrags nichts zurück.

Deutung der ‚Sonnentheologie‘ Die Inkonsistenzen beim virtus-effectus-Modell und bei den verschiedenen höchsten Gottheiten (Sonne, Mond, Erde, Luft) lassen es fraglich erscheinen, ob in Praetextatus’ Vortrag ein klares theologisches System entworfen wird, das auf ein höchstes, zentrales Element, die Sonne, ausgerichtet ist.⁶⁷ Der Grund für diese wechselnde Terminologie und fehlende Stringenz ist nicht sicher auszumachen. Denkbar wären entweder eine Charakterisierung des Praetextatus durch Macrobius als gelehrt-zerstreut (solche Mechanismen wendet Cicero gelegentlich zur Charakterisierung seiner Figuren an)⁶⁸ oder eine gewisse

 So beispielsweise Klein 1971, 44, Anm. 63. Daher ist die Aussage von Dörrie nicht zutreffend, Macrobius gelinge der „Nachweis, daß alle Götter in der Sonne enthalten, mit ihr geglichen oder in anderer Weise sonnenhaft sind“ (Dörrie 1974, 290), weshalb auch die Folgerung einer „politischen Realität“ aus der ‚Sonnentheologie‘ bei Macrobius nicht mehr überzeugen kann.  Die Stelle ist bereits S. 23 zitiert und übersetzt.  Sat. 1, 17, 16; 1, 19, 6; 1, 20, 1.  auctor: Sat. 1, 17, 13.21.42; 1, 18, 24; 1, 19, 2.17; 1, 22, 8; praestare, praestes, praestantia: Sat. 1, 17, 13.21; 1, 18, 17; 1, 19, 15; 1, 20, 2.6; 1, 21, 17; 1, 23, 18.  Flamant spricht in diesem Zusammenhang von „indigestes développements de Prétextate sur la théologie solaire“ (Flamant 1968, 315).  Vgl. besonders die Gesprächsteilnehmer in Ciceros Laelius; s. dazu Kap. II.1.

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Nachlässigkeit des Macrobius bei der Kompilation der Quellen. Beide Erklärungsansätze lassen sich aber nicht belegen. Worin auch immer die Gründe für diese Widersprüche zu suchen sind, bleibt doch zu fragen, welche Bedeutung die ‚Sonnentheologie‘ für Praetextatus oder Macrobius besitzt, wenn sich kein eindeutig monotheistisches Konzept dahinter verbirgt, also die primäre Funktion nicht erfüllt ist, die in der Forschung überwiegend als Kern der Ausführung angesehen wurde. Ein Versuch der Deutung der ‚Sonnentheologie‘ kann bei Macrobius’ literarischem und didaktischem Programm ansetzen, wie er es in seiner auktorialen Vorrede skizziert. Das Ziel der Belehrung kann man in der ‚Sonnentheologie‘ sicher als erfüllt ansehen. Macrobius vermag es, durch den Vortrag des Praetextatus über die Identität der Götter mit der Sonne auf viele Götter zu sprechen zu kommen. Er spricht dabei überwiegend über Götter, die zu seiner Zeit bekannt waren und deren Kenntnis einem jungen Römer von Nutzen sein konnte.⁶⁹ Zudem kommt Praetextatus auf verschiedene Eigenheiten wie Eigenschaften der Götter zu sprechen, die er vorstellt. Er benennt, zum Teil ausführlich, ihre Beinamen, er stellt ausgewählte Kultbilder vor und erzählt auch einige Legenden, die sich mit dem jeweiligen Gott verbinden. Auch ‚religiöse‘ Texte wie eine Prophezeiung des Sehers Marcius (Sat. 1, 17, 28) oder orphische Verse (Sat. 1, 23, 22) finden Erwähnung.⁷⁰ Neben diesem breiten Panoptikum an wissenswerten Details vermittelt Praetextatus aber auch, wie man angemessen über die Götter spricht. Da er als religiöser Experte gilt (Sat. 1, 7, 17; Sat. 1, 17, 1) und auch sonst in der Runde höchstes Ansehen genießt, ist sein Sprechen über die Götter als exemplarisch anzusehen. Für Praetextatus heißt über die Götter zu sprechen, zunächst vertraut zu sein mit ihren Eigenschaften, Kultbildern und Namen. Diese Kenntnisse müssen dann jedoch in einem notwendigen zweiten Schritt sinnvoll ausgewählt, verbunden und kommuniziert werden. Praetextatus’ Ziel ist eine philosophische Annäherung an die Götter, die man durchaus als eine Suche nach dem ‚Wesen‘ der Götter bezeichnen könnte. Aus-

 Natürlich nutzten diese Kenntnisse einem christlichen Leser zunächst weniger, wenn er auf der Suche nach Wahrheiten im theologischen Bereich war. Doch können auch christliche Leser durchaus von einer gründlichen Kenntnis nicht-christlicher Götter profitieren – sei es, um gegen sie zu argumentieren (vgl. Augustin, u. a. in De civitate dei), sei es, um ggf. in gemischt-religiösen Kreisen zumindest mit grundlegenden Kenntnissen über die Götter von Gesprächspartnern aufwarten zu können, sei es, weil dieses Wissen einfach zum allgemeinen Wissenskanon gehörte.  Daher ist es treffend, wenn Marinone die ‚Sonnentheologie‘ unter der Überschrift „istituzione romane: la religione“ bespricht (Marinone 1970, 51).

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gehend von einer Leitfrage führt er vor, wie philosophische bzw. theologische Fragen angemessen erörtert werden. Zu dem notwendigerweise vorhandenen Faktenwissen gesellt sich ein Spektrum an Methoden, das von logischen Schlüssen über etymologische Deutungen bis zur allegorischen Auslegung von Legenden reicht. Das verfolgte Ziel, eine Identität nahezu aller Götter mit der Sonne nachzuweisen, darf man für Praetextatus als durchaus ernst gemeint ansehen. Dieses Ziel erreicht er allerdings nicht, wie gezeigt wurde, oder zumindest nur eingeschränkt. Diese Tatsache beeinträchtigt jedoch nicht die Beobachtung, dass auch der ‚Sonnentheologie‘ ein Einheitskonzept zugrunde liegt. Mag das Streben nach einem einheitlichen Prinzip auf inhaltlich-gedanklicher Ebene nicht vollständig gegeben sein, so kann man doch eine einheitliche Darstellung auf kompositorischer Ebene erkennen. Die Frage nach der Einheit aller Götter bietet Praetextatus die Möglichkeit, auf viele Götter und ihre Beinamen, Kultbilder oder Legenden zu sprechen zu kommen. Ohne die Leitfrage des Praetextatus, die sich zudem gut in die Thematik des ersten Buches der Saturnalia einfügt (s. u.), hätte die Präsentation einer solchen Fülle an Details zu so unterschiedlichen Gottheiten kaum anders als katalogartig oder sogar vollkommen willkürlich angeordnet erfolgen können. Die Ausrichtung an einem einigenden Element, der Sonne als höchster und zentraler Gottheit, verbindet verschiedene Götter mit sehr unterschiedlichen Aspekten und Eigenschaften miteinander. Anstelle einer anhand von Kriterien strukturierten Anordnung der Götter – z. B. nach Name, Alter oder Herkunft – ist für das Sprechen über die Götter eine erzählerisch-argumentative Abfolge gewählt worden. Diese bietet die Gelegenheit, in einem einheitlichen Vortrag über die Götter zu sprechen, wobei die Frage nach der Einheit der Götter den Vortrag eint. Die ‚Sonnentheologie‘ ist also eine geschickte Verbindung zweier Ziele: Sie vebindet das Ziel, über die Götter zu informieren und das rechte Sprechen über die Götter vorzuführen, mit dem Ziel, dies in einer auf Einheit abzielenden, den Stoff ordnenden Weise zu tun.

2.2 Die ‚Sonnentheologie‘ im Kontext des ersten Buchs der Saturnalia So verstanden, fügt sich die ‚Sonnentheologie‘ gut ins erste Buch der Saturnalia, dessen Abschluss und Höhepunkt sie darstellt. Zwar ist dieses erste Buch der Saturnalia sowohl inhaltlich als auch kompositorisch das abwechslungsreichste im gesamten Werk, insofern die Verschiedenartigkeit der diskutierten Themen wie auch die vergleichsweise hohe Lebendigkeit der Ausführungen es deutlich von den folgenden Büchern unterscheiden – sieht man einmal vom siebten Buch ab, in

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dem in eristischer Weise klassische quaestiones convivales abgehandelt werden. Doch erweist sich auch dieses erste Buch trotz der vorgestellten Themenvielfalt als einheitlich komponiert.

Die inhaltliche Verknüpfung Auf den ersten Blick erscheinen die Themen des ersten Saturnaliabuches als relativ bunt zusammengestellt. Behandelt werden Grammatik, Namensforschung/ Etymologie, Kalender, Ursprünge und Bräuche des Saturnalienfestes, die Sklavenfrage und zum Schluss die ‚Sonnentheologie‘. Gemessen an der Buntheit der Themen manch anderer Buntschriftsteller mag die Vielfalt hier als gering erscheinen, doch thematisch einheitlich wirkt die Zusammenstellung trotzdem nicht. Bei näherem Hinsehen erweist sich jedoch, dass dem Buch sehr wohl eine gewisse Einheit zugrunde liegt, die zudem organisch aus dem Anlass des Beisammenseins hervorgeht. Am Vorabend kreiste das Gespräch um zwei Themenbereiche, das Saturnalienfest und den Sprachgebrauch. Diese beiden Bereiche werden in den Gesprächen des Folgetages wieder aufgegriffen, vertieft und zusammengeführt. Ausgangspunkt ist dabei zunächst der Name des Praetextatus. Diese Diskussion führt die sprachhistorischen Untersuchungen des Vortages (z. B. die Diskussion um die Richtigkeit der Form Saturnaliorum gegenüber Saturnalium, Sat. 1, 4, 3 – 16) fort, dient aber allenfalls der Vorbereitung des folgenden Gesprächs. Durch das anschließende Eintreffen der ungeladenen Gäste wird die Passage eher als Lückenfüller oder Übergangsthema aufgefasst, beinahe als ob die schon anwesenden Gäste auf die später kommenden, unerwartet erscheinenden gewartet hätten. Den echten Einstieg ins Thema erhält das Gespräch durch die Frage des Horus, der sich nach dem Verhältnis von Saturn und Sarapis erkundigt. Praetextatus erklärt daraufhin ausführlich die verschiedenen Theorien der Einsetzung des Saturnalienfestes;⁷¹ dabei wird er von Caecina Albinus ergänzt, der einige Anmerkungen zu den Compitalia einfügt. Die Ausführungen befriedigen Evangelus jedoch nicht, der durch seinen provokanten Widerspruch zur Verbindung der Saturnalien mit den Sigillarien, besonders aber zur Fürsorge der Götter für die Sklaven einen weiteren Redebeitrag des Praetextatus hervorruft. Dieser führt nämlich aus, dass die Götter sich sehr wohl um die Sklaven kümmern würden, und spitzt die Aussage soweit zu, dass er alle Menschen als Sklaven bezeichnet. Durch

 Sat. 1, 7, 18 – 33. Vgl. zu dieser Passage bes. Syska 1993, Kap. I und II (S. 4– 95).

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die Zusammenfassung am Ende dieser Passage und die Anmerkungen zum Brauch, Tonpuppen zu verschenken (Sat. 1, 11, 46 – 50), werden auch diese Gedanken eng mit dem Thema „Saturnalien“ verknüpft. Auch der folgende Themenkreis „Kalender“ wird nicht zufällig oder als ostentatio doctrinae thematisiert. Die Bitte des Symmachus, Praetextatus möge die Entwicklung des römischen Kalenders referieren, knüpft inhaltlich eng an Praetextatus’ Vortrag über das Saturnalienfest an. Denn neben den Einrichtungen des Festes und seinen Ursprüngen hatte Praetextatus dort auch Erwägungen über die Dauer und die ursprüngliche Lage des Festes angestellt. Insofern ist der Anschluss, wenn auch nicht logisch zwingend nötig, so doch naheliegend und gut motiviert. Nach der Durchmusterung der verschiedenen Kalenderreformen und der besonderen Tage (feriae etc.) endet der Spannungsbogen, der mit der Frage nach der origo Saturnaliorum begonnen worden und über die Sklavenfrage bis hin zu Kalenderfragen gespannt worden war. Doch entsteht keine Pause an dieser Stelle. Aus einem kurzen Redebeitrag des Eustathius, der eher beiläufig als Beleg für seine Gedanken zum schwindenden Monat bzw. Jahr drei Dichterzitate (Odyssee, Aeneis, Georgica)⁷² anführt, erwächst die Frage des Avienus, die den letzten Vortrag des Praetextatus im ersten Buch veranlasst, also die ‚Sonnentheologie‘. Die Anknüpfung der ‚Sonnentheologie‘ an die vorangehenden Gespräche ist somit oberflächlicher und formaler motiviert als die Übergänge zwischen den Themen des vorangegangenen Teils. Eine inhaltliche Parallele oder logische Fortführung besteht nicht, der Übergang erscheint eher assoziativ als wohl vorbereitet. Mit dem Ende der ‚Sonnentheologie‘ ist nun tatsächlich auch ein Ende der ernsten Gespräche des ersten Tages erreicht. Hier entsteht zunächst eine Generalpause, in der die Zuhörer erst schweigen, dann in ein aufrichtiges Lob ausbrechen. Angesichts dieser positiven Einschätzung und Bewunderung wirkt Evangelus’ Kritik, der eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen ist und die auch mehr als Oberflächliches aufgreift, eher kleinlich und aggressiv und nicht substanziell. Diese Kritik führt dann aber zu einem Schlagabtausch, an dessen Ende eine Disposition der folgenden Vorträge (und Bücher) steht. Der Höhepunkt des Buches war also kompositorisch in der ‚Sonnentheologie‘ erreicht; um die komplexen und anspruchsvollen Überlegungen des Praetextatus nicht am Ende stehen zu lassen, nutzt Macrobius die Kritik des Evangelus, um im Mittel des Streitgesprächs die Atmosphäre etwas aufzulockern und das Gespräch zu ‚irdischeren‘ Fragen zurückzubringen. Geschickt kann damit auch ein Rahmen für die weiteren Gespräche geschaffen werden, bevor der Diener mit der Meldung des

 Hom. Od. ξ 162; Verg. Aen. 10, 467, georg. 1, 6.

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Abendessens einen endgültigen Schlusspunkt unter den ernsten Teil der Gespräche setzt.

Die formale Verknüpfung In weiten Teilen ist das erste Buch der Saturnalia also inhaltlich geschlossen. Nach den Einleitungen (praefatio, fiktiver Rahmen) hatte das Vorgespräch zwei wichtige Themen eingeführt, die die Leitlinien für den Fortgang des Buches darstellen. Die Themen Saturnalienfest, Sklaverei und Kalender wurden als eng zusammenhängend erwiesen, während die ‚Sonnentheologie‘ wohl motiviert, doch nicht allzu eng verbunden erschien. Im folgenden Abschnitt wird gezeigt, dass eine Einheit des ersten Buches auch im Bereich der Erzählweise und des methodischen Vorgehens gegeben ist. Hierunter fallen besonders die Argumentation und Beweisführung. Dazu werden zwei Passagen genauer in den Blick genommen, nämlich die Ausführungen zu Janus (Sat. 1, 9) und zum April (Sat. 1, 12, 8 – 15).

Janus (Sat. 1, 9) In der Darlegung der verschiedenen origines Saturnaliorum kommt Praetextatus auch auf Janus zu sprechen, der zu der Zeit als König in Italien geherrscht habe, als Saturn den Ackerbau dorthin gebracht habe. Die erste Aussage, bei Janus handle es sich um einen König, der später entrückt worden sei, ist deutlich euhemeristisch.⁷³ Doch hindert dies Praetextatus nicht daran, Janus weiterhin als Gottheit anzusehen. Für die doppelgesichtige Statue des Gottes werden zwei Deutungen angeboten: Entweder bezeichne dies die Fähigkeit des Janus, Vergangenes und Zukünftiges zu sehen, oder es verweise auf Apoll und Diana, mit denen er identisch sei. In seiner Gottheit werde das numen beider Götter ausgedrückt. Diese These wird belegt durch den Verweis auf einen Beinamen Apolls, Θυραῖος, der die Türen bewache, wie es Janus’ Aufgabe sei; ebenso sei er für die Wege zuständig, was auf Apoll (als Ἀγυιεύς) und Diana in der Funktion als Trivia verweise. Unter Berufung auf Nigidius Figulus erklärt Praetextatus, das D in Diana sei nur als Schmuck eingefügt worden; und ianus bezeichne als Zwilling die Sonne bei ihrem Auf- und Untergang. Ebenso dienten die Pforten des Himmels, also die ianuae, als Durchlass für die Bitten und Gebete der Opfernden zu den Göttern im Himmel. Unter Verweis auf ein Kultbild mit 365 Fingern erklärt Praetextatus sodann, dass

 Janus als König wurde bereits ganz zu Beginn der Ausführungen zu Saturn eingeführt; dies wird nicht weiter hinterfragt (Sat. 1, 7, 19).

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Janus auch den Umfang des Jahres bezeichne, was zu den hervorragenden Aufgaben der Sonne gehöre. Cicero (nat. deor. 2, 67) hingegen leite den Namen Ianus von ire ab und wolle eine ursprüngliche Bezeichnung Eanus erkennen. Janus bezeichne mithin den Himmel, den Kosmos. Ein weiteres, viergesichtiges Kultbild wird von Praetextatus als auf die vier Klimazonen Bezug nehmend gedeutet, während man ein zweigesichtiges als Verweis auf Oben und Unten deuten könne. Im Salierlied schließlich wird Janus als deorum deus bezeichnet, und weitere Kultanrufe, auf die hingewiesen wird, belegen seine Macht. Bevor Praetextatus wieder auf sein eigentliches Thema, die Saturnalien, zu sprechen kommt, schließt er die Ausführungen zu Janus mit dem Erzählen einer Legende. Während des Sabinerkrieges habe eine Flutwelle aus dem Janustempel die Römer vor den heranrückenden Sabinern gerettet.⁷⁴ In dieser ausführlichen Darstellung wird deutlich, auf welche Argumentationsmuster und Quellen Praetextatus zurückgreift, um über Janus zu berichten. Häufig erscheinen Belege aus einschlägigen Fachautoren wie Cornificius, Nigidius oder Messala. Auch Etymologien spielen eine Rolle, um der Natur und den Aufgaben des Gottes auf die Spur zu kommen. Daneben werden drei Kultbilder angeführt und gedeutet sowie Bezüge zu anderen Göttern hergestellt. Mit dem Salierlied kommt auch ein kultischer Anrufungstext zur Anwendung. Schließlich beweist die Legende das Eingreifen des Gottes Janus zugunsten Roms. Auf der argumentativen Ebene fällt auf, dass alternative Deutungen nicht aufgelöst oder diskutiert werden, sondern nur als gleichberechtigt referiert. Dies betrifft zum Beispiel die Frage nach der Identität mit Apoll und Diana. In der gesamten Darstellung könnte man sich das Janus-Kapitel ebenso als Teil der ‚Sonnentheologie‘ vorstellen, in der der Gott aber nur in einer Anmerkung (Sat. 1, 17, 42) erwähnt wird.

April (Sat. 1, 12, 8 – 15) Deutlicher zeigen sich dieselben Formen bei der Erklärung des Kalenders. Der April wird entweder als Aphrilis als Venus-Monat gedeutet (zu ἀφρός) oder als Aperilis als Frühlingsmonat, in dem sich alles öffnet (aperire).⁷⁵ Die erste Deutung wird durch zwei Belege plausibel gemacht: In der Folge von März und April, also Mars- und Venusmonat, würden die zwei Götter verehrt, denen Rom sein Ent-

 Für eine ausführliche Analyse dieses Kapitels und zu weiteren speziellen Literaturangaben vgl. Syska 1993, 28 – 51.  Bei den beiden Deutungen handelt es sich um die zwei klassischen Deutungen in der Antike. Sie erscheinen zuerst bei Varro (ling. 6, 33), finden sich danach u. a. bei Ovid (fast. 4, 85 – 90) und Augustin (c. Faust. 18, 5) und haben sich bis Isidor erhalten (orig. 5, 33, 7).

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stehen zu verdanken habe; oder man könne die Abfolge Mars – Venus als eine Milderung des Krieges ansehen. Mars wird dabei mit dem bekannten Iliasvers als ‚Menschenverderber‘ (βροτολοιγός) benannt.⁷⁶ Gegen die erste Deutung auf Venus hin spreche nach Cingius⁷⁷ jedoch, dass es im April keinen Venusfeiertag gebe, und nach Varro (ling. 6, 33), dass Venus zur Einführung des Kalenders in Rom noch unbekannt gewesen sei. Der Bezug auf den Frühling liege näher, wie auch der entsprechende griechische Monat Ἀνθεστηριών heiße. Betrachtet man das Vorgehen des Praetextatus im ganzen ersten Buch, lässt sich erkennen, dass in den hier vorgestellten wie den übrigen Partien gleiche Argumentationsmuster und Beweisschritte genutzt werden; die ‚Sonnentheologie‘ stellt dabei keine Ausnahme dar. In beinahe assoziativem Anschluss kommt Praetextatus auf ein Thema zu sprechen, zu dessen Erörterung er ein breites Spektrum an Quellen heranzieht. Fachautoren wie Varro erscheinen sowohl im Janus-Kapitel (Sat. 1, 9, 16) als auch später zum April (Sat. 1, 12, 13) und werden auch in der ‚Sonnentheologie‘ herangezogen (Sat. 1, 18, 4). Dichterzitate spielen an vielen Stellen eine große Rolle, natürlich Homer und (weniger prominent) Vergil den übrigen voran.⁷⁸ Etymologien werden an nahezu allen Stellen angeführt, und Götterbilder werden wie Namen und Beinamen gedeutet. Anrufungen erscheinen an verschiedenen Stellen des Werks, z. B. im Salierlied zu Janus (Sat. 1, 8, 14 f.) oder im Abschluss der ‚Sonnentheologie‘ in einem anonymen Gottesanruf (Sat. 1, 23, 21). Vorgestellte Deutungen werden durch Belege untermauert, aber auch durch konkurrierende Deutungen infrage gestellt. Eine abschließende Bewertung findet nicht statt. Auch die Träger der Meinungen (quidam, alii) und grundlegende Verbalaussagen werden hier wie dort auf gleiche Weise wiedergegeben durch creditur, aestimatur, vocatur oder asserunt. Auf der Ebene der Erzählweise ist die ‚Sonnentheologie‘ also ein unmarkierter Teil der Praetextatus-Reden des ersten Buches. Die Methoden sind schon lange eingeführt, bevor es zur Rede über die Sonne kommt, so dass auf dieser Ebene kein Neueinsatz zu beobachten ist. Die ‚Sonnentheologie‘ ist gewissermaßen eine

 „Ares, Ares! du Menschenverderber! Blutbesudelter! Mauerzerstörer!“ (Hom. Il. Ε, 31, Übs. Schadewaldt).  Kaster identifiziert in seiner Übersetzung Cingius mit Lucius Cincius, dem Zeitgenossen Ciceros, und verweist in seiner Ausgabe auf Cinc. fr. 1 (IAH i. 252 = fr. 1 IAR). Peter (FRR, civ) verbindet den Cingius bei Macrobius hingegen mit dem republikanischen Historiker L. Cincius Alimentus – vgl. jedoch Verbrugghe 1982, 322.  Zum April: Homer (Sat. 1, 12, 9). In der ‚Sonnentheologie‘: Homer: Sat. 1, 17, 21.38.44; 1, 19, 9; 1, 22, 4; 1, 23, 1; Vergil: Sat. 1, 17, 34; 1, 18, 23.

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Fortsetzung der Methoden an einem weiteren Thema und somit nicht weiter herausgehoben oder auffällig.

2.3 Fazit Die Untersuchung des ersten Buches der Saturnalia hat ergeben, dass das Buch entgegen dem ersten Anschein in sich geschlossen ist. Der behandelte Themenkreis ist konsistent und verbindet die zwei Themenbereiche Altertum (Sprache) und Kult (Saturnalia), die am Vorabend im Gespräch eingeführt worden sind, zu einem gemeinsamen Thema. Die behandelten Themen stammen aus dem Bereich des Kultes und der Religion, wenn auch z. T. im weiteren Sinne. Als vereinigendes Band dient das Saturnalienfest, das ja auch den Anlass für die Gespräche an sich bietet. Da die Sklavenfrage eng mit dem Saturnalienfest verknüpft ist, fügt sie sich ebenfalls gut in das erste Buch ein. Man könnte das erste Saturnalienbuch daher mit gewissem Recht auch als ein theologisches Buch bezeichnen. Praetextatus entfaltet darin ein Panorama der Religion, das seinen Ausgangspunkt – durchaus naheliegend – bei dem Fest hat, das gerade gefeiert wird. Über verschiedene damit verbundene Themen (die Entstehung des Saturnalienfestes, Ausführungen zu Saturn und Janus, die Sklaven, den Kalender) gelangt er schließlich zur ‚Sonnentheologie‘. Diese ‚Sonnentheologie‘, die das Buch beschließt, steht jedoch nicht für sich allein. Sie ist gleichsam organisch aus der Diskussion im weiteren Sinne religiöser Themen entstanden und bildet den Abschluss einer Reihe von Themen, die alle mehr oder weniger eng an das Saturnalienfest geknüpft sind.⁷⁹ Alle diese Punkte eignen sich auch als Gegenstände des Wissens und können so als mit gutem Grund thematisiert angesehen werden. Fragen der Sprachrichtigkeit hatten eine besondere Bedeutung in einer Gesellschaft, die auf richtiges Sprechen großen Wert legte (Rhetorikausbildung etc.). Fragen nach dem Kalender, den Göttern und den Ursprüngen von Festen erscheinen ebenfalls als natürlich in einer Zeit, in der dieses Wissen nicht mehr in früherem Maße Alltagswissen war,

 Ähnlich hatte bereits Syska formuliert, jedoch mit Einengung auf die Verarbeitung von Quellen in der ‚Sonnentheologie‘: „Die Verwendung der bezeichneten Vorlagen erfolgt […] in diesem Bereich in deutlicher Eigenständigkeit: Macrobius arrangiert das ihm zur Verfügung stehende Material stets im Hinblick auf die von ihm verfolgten literarischen Absichten; dabei zeigt er sich öfter um eine kritische Abwägung verschiedener Aussagen bemüht, und allenthalben ist bei ihm auch die Tendenz zu einer Zusammenführung von griechischer und römischer Weltsicht erkennbar“ (Syska 1993, 218).

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sondern begann, Sachwissen zu werden.⁸⁰ Und schließlich zeichnet sich mit der Frage nach den Sklaven auch eine ethische Fragestellung ab. Auch die Erzählweise des Praetextatus mit den von ihm verwendeten methodischen Schritten erzeugt den Eindruck eines Zusammenhangs der Themen, der dadurch weiter verstärkt wird, dass die Gespräche von Praetextatus dominiert werden. Seine Dominanz führt zu einer weitgehend einheitlichen Erzählweise und einheitlichen Argumentationsmustern, die immer wieder auf die gleichen Methoden und Belegmechanismen zurückgreifen. So gelingt es Macrobius also, ein breites Themenspektrum vorzustellen und zu vermitteln. Möglich wird dabei das Eingehen auf große Zusammenhänge wie kleine Details. Auch eine angemessene Vortragsweise und Argumentationsführung wird durch Anschauung vermittelt. Dabei vermag Macrobius im Kleinen wie im Großen erzählerische Einheit zu schaffen: im Kleinen, indem Erörterungen um einen Themenaspekt kreisen; im Großen, indem er die Themen so miteinander verknüpft, dass sie, sich organisch aus einander entwickelnd, alle einen gemeinsamen Kern haben. In der ‚Sonnentheologie‘ erlaubt es das Ziel, alle Götter auf die Sonne zurückzuführen, auf verschiedenste Gottheiten, ihre Beinamen und Kulteigenheiten zu sprechen zu kommen. Die inhaltlich prominente These der Einheit (Identität aller Götter in der Sonne) wird zwar nicht gänzlich bewiesen, eröffnet aber formal die Möglichkeit der einheitlichen Darstellung. Im ersten Buch als Ganzem wird die Einheit sowohl thematisch wie erzählerisch geschaffen. Der schwache thematische Rahmen der Saturnalien wird mit einer Palette an Themen gefüllt, die alle einen Bezug zum Fest haben. Verstärkt wird die Einheit hier durch einheitsstiftende erzählerische Strategien. Ist also nachgewiesen, wie Macrobius im Kleinen in der ‚Sonnentheologie‘ und darüber hinaus im gesamten ersten Buch anhand einer zentralen Figur und eines Leitmotivs seine Ziele erfolgreich umsetzt, wird im folgenden Kapitel untersucht, wie Macrobius dies im Hauptteil der Saturnalia bewerkstelligt, in dem Themen von verschiedenen Sprechern auf unterschiedliche Weise erörtert werden.

 So beispielsweise Cancik: „[…] auch römischer Kult wird nur erinnert, imaginiert, analysiert, beredet, nicht praktiziert“ (Cancik 2010, 34).

3 Vergil in den Saturnalia

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3 Vergil in den Saturnalia Im Hauptteil der Saturnalia, in den Büchern 3 bis 6, wird eine Reihe von Themen besprochen, die lose mit Vergil und seinen Werken verknüpft zu sein scheinen. Dass Vergil⁸¹ dabei immer präsent ist,⁸² hat in der Forschung Niederschlag gefunden, so dass über die Bedeutung dieser Partie, nicht aber über die Deutung dieser Beobachtung Einigkeit herrscht.⁸³ In diesem Kapitel wird zunächst analysiert, warum und wie die Figuren in den Saturnalia über Vergil sprechen, bevor der Frage nachgegangen wird, welche Funktion die Fokussierung auf Vergil erfüllt.

3.1 Anlass und Plan Ausgangspunkt für die Beschäftigung der Gäste des Symposions mit Vergil ist eine Szene am Ende des ersten Tages der Gespräche. Nach dem Referat der ‚Sonnentheologie‘ durch Praetextatus, dessen Ausgangspunkt ja ein Vergilzitat war,⁸⁴ widerspricht Evangelus dem allgemeinen Lob, indem er die Auffassung vertritt, Praetextatus lese seine Aussagen in Vergil hinein, anstatt sie aus dem Text heraus zu belegen. Als auch eine forsche Diskussion mit Symmachus Evangelus nicht überzeugen kann, beschließen alle Anwesenden, die Größe Vergils durch Vorträge zu beweisen. In Sat. 1, 24 wird damit das Programm für die Vormittage der folgenden Tage, also für die ernsthaften Gespräche in den Büchern 3 bis 6, festgelegt. Praetextatus wird darlegen, wie Vergil in seinen Werken das Pontifikalrecht berücksichtigte, Nicomachus Flavianus, wie er auf das Auguralrecht zurückgriff. Symmachus und

 ‚Vergil‘ wird in diesem Kapitel als Parallelausdruck für ‚Vergils Werke‘ (o. ä.) verwendet. Zu beachten ist allerdings, dass die Gespräche in den Saturnalia nur die Werke in den Blick nehmen, keineswegs aber den Autor (mit Ausnahme der wenigen Sätze des Symmachus in Sat. 1, 24, 10 f. und einiger Wendungen passim).  Die Beschäftigung mit Vergil umfasst jedoch nur einen kleineren Teil der Saturnalia, so dass beispielsweise Cantó Llorcas Formulierung („tema principal“, Cantó Llorca 1991, 33; ähnlich Türk 1963, 234) nicht zutrifft. Die (erhaltenen) Textstellen zu Vergil machen im Druck nicht einmal die Hälfte (209 von 457 Seiten) des Werks aus. Auch unter hypothetischer Einbeziehung der ausgefallenen Passagen ändert sich dieser Anteil nicht groß, da auch in anderen Werkteilen Stellen ausgefallen sind. Willis vermutet, dass evtl. bis 50 % der Saturnalia verloren sind (Willis 1966, 156). Zur Frage der Bucheinteilung vgl. Dorfbauer 2010, 294.  Das Bedeutungsspektrum reicht von der Etablierung Vergils als „paganer Bibel“ (s. dazu unten S. 46 m. Anm. 101) über „Vergilverherrlichung“ (z. B. Schanz/Hosius 1927– 1935, § 1093 [IV, 193]) bis hin zu rein technischen Überlegungen (z. B. Dorfbauer 2009).  Verg. georg. 1, 6; s. Kap. II.2.

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Eusebius wollen sich den rhetorischen Qualitäten Vergils widmen, während sich Furius Albinus und Caecina Albinus mit der Beziehung Vergils auf altlateinische Dichter befassen wollen. Eustathius stellt einen Vortrag zur Philosophie bei Vergil in Aussicht, den er statt einer Beschäftigung mit der Übernahme aus dem Griechischen halten will. Avienus wird keinen Vortrag halten, sondern sich an einigen Stellen zu Wort melden, und Servius wird grammatische und lexikalische Erklärungen beisteuern.

3.2 Durchführung Nicht alle dieser in Aussicht gestellten Vorträge sind jedoch erhalten. Ausgefallen sind die Vorträge des Nicomachus Flavianus und des Symmachus sowie der Vortrag des Eustathius zur Astrologie bzw. Philosophie bei Vergil. Da sich aber alle erhaltenen Vorträge mit den angekündigten Themen decken und die Lücken im Text jeweils an der Stelle stehen, an der der Reihenfolge der Ankündigung in Sat. 1, 24 nach der entsprechende Vortrag hätte stehen müssen, kann davon ausgegangen werden, dass tatsächlich das aufgestellte Programm abgearbeitet wurde. Der erste erhaltene Beitrag (obgleich auch er nicht vollständig ist) stammt von Praetextatus, der nachweist, wie geschickt Vergil in seinen Werken Vorgaben berücksichtigte, die das Pontifikalrecht den Römern auferlegte (Sat. 3, 1– 12). Dabei streift er ganz unterschiedliche Bereiche, unter ihnen Reinigung, Opfertiere, die Terminologie sacrum / profanum / sanctum / religiosum sowie die Konzepte von mos und evocatio. Methodisch geht Praetextatus folgendermaßen vor: Meist führt er zunächst eine Quelle an, die kultische Vorschriften bietet oder erklärt, z. B. Varro. Daran schließt Praetextatus den Bericht einer Szene aus Vergil an, in der die kultischen Vorgaben erfüllt werden. Seiner Ansicht nach schildert Vergil die Kulte treffend, meist sogar unter Verwendung der entsprechenden Terminologie. Ein grundlegendes Verständnis Vergils lasse sich also nur durch eine genaue Kenntnis des göttlichen wie menschlichen Rechts erreichen.⁸⁵ An einigen Stellen erhebt Evangelus Einwände, wenn er meint,Vergil habe an manchen Stellen seine Figuren doch gegen die kultischen Regeln handeln lassen (Sat. 3, 10 – 12). Praetextatus vermag jedoch auch diese Widersprüche als



Videturne vobis probatum sine divini et humani iuris scientia non posse profunditatem Maronis intellegi? (Sat. 3, 9, 16). Scheint es euch nun bewiesen, dass man Vergil in seiner ganzen Tiefe nicht ohne Kenntnis des menschlichen wie göttlichen Rechts verstehen kann?

3 Vergil in den Saturnalia

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scheinbare aufzulösen, indem er eine andere Regel vorstellt, die der Handlung zugrunde gelegen habe, oder behauptet, Vergil habe bewusst gegen die Regel verstoßen, um die entsprechende Handlung als unrecht zu kennzeichnen. Evangelus’ Fragen, die auf den ersten Blick als berechtigt erscheinen, wirken nun eher wenig durchdacht und aggressiv. Sie ermöglichen jedoch eine Diskussion missverständlicher Stellen und verleihen der Rede etwas Lebendigkeit. Die Ausführungen zum Pathos-Gebrauch Vergils von Eusebius im vierten Buch sind weitgehend ausgefallen. Eusebius kommt darauf zu sprechen, wie Gefühlsregungen erzeugt werden können, und gibt dann Beispiele, wie Vergil vorgeht. Vollständig erhalten ist jedoch ein Vergleich Vergils mit griechischen Dichtern, allen voran mit Homer. Eustathius hatte diese Aufgabe übernommen, und er löst sie, indem er einzelne Stellen aufführt, an denen Vergil eine Szene besser oder schlechter als Homer gestaltet hat. Zunächst scheint die Auswahl beliebig zu sein, bis Avienus Eustathius darum bittet, geordneter vorzugehen (Sat. 5, 4, 1). In der Summe kommt Eustathius zu dem Ergebnis, dass Vergil und Homer weitgehend gleich gut geschrieben hätten, dass Vergil aber unter anderem aufgrund seiner „Nachahmungsgier“ (aviditas fruendi, Sat. 5, 13, 37; Übs. Schönberger) mit seiner menschlichen Begabung (humanae vires) nicht an Homers göttliches Talent (divinitas) habe heranreichen können (Sat. 5, 13, 33). Im Anschluss daran führt Eustathius Stellen auf, an denen Vergil anderen griechischen Vorlagen gefolgt ist: Apollonius Rhodius, Pindar, Aristophanes, Euripides (Sat. 5, 17– 18). In didaktisch kluger Weise führt er zum Abschluss seines Vortrags eine Stelle an, die sich ohne genaue Kenntnis der griechischen Vorlage nicht verstehen lasse. So endet seine Tour de force mit dem Appell, die griechische Literatur zu lesen und gut zu kennen, wenn man Vergil angemessen verstehen und würdigen wolle. Das sechste Buch ist der Übernahme von altlateinischen Dichterzitaten und Wendungen durch Vergil gewidmet. Zunächst stellt Furius Albinus Stellen zusammen, die Vergil aus älteren Autoren (meist aus Ennius) übernommen hat, und vergleicht die Quelle mit der vergilischen Fassung. Gelegentlich zeigt er auch auf, wie die altlateinischen Dichter ihrerseits auf griechische Quellen zurückgegriffen haben. Insgesamt handelt es sich in diesem Teil um eine eher trockene Zusammenstellung von Paralleltexten. Caecina Albinus spricht kurz über altertümliche Wörter bei Vergil, bevor auf seinen Vorschlag dann Servius über Vergils sprachliche Neuschöpfungen spricht, da dieser zitierfähige Stellen im Kopf habe, weil er täglich Vergil unterrichte (Sat. 6, 6, 1). Servius umreißt einige Übernahmen Vergils aus dem älteren Latein und geht dann dazu über, Fragen des Avienus zu beantworten (Sat. 6, 7– 9). Dieser interessiert sich besonders für solche Stellen bei Vergil, an denen der Dichter seiner Meinung nach ungeschickt formuliert habe. Servius

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kann jedoch alle Einwände entkräften und nachweisen, dass Vergil sich aus gutem Grund so ausgedrückt habe.

3.3 Vergil als Gegenstand der Belehrung Betrachtet man die während der zwei Vormittage behandelten Themen, so fällt auf, dass wenig über Vergil selbst und seine Werke vorgetragen worden ist. Es gibt keine kohärente Interpretation der Werke, an nur wenigen Stellen Informationen über seine Person und ein Gesamtbild der Vorstellungen zu Vergil will aus den einzelnen Beiträgen nicht entstehen. Natürlich boten dies auch die (mehr oder weniger) zeitgenössischen Kommentare zu Vergil nur eingeschränkt; doch verfolgten sie z. T. eine andere Zielsetzung (vgl. Tiberius Claudius Donat) und hatten durchweg einen anderen Adressatenbezug. Ihr Anliegen war es,Vergil, der ja auch Schulautor war, den fortgeschrittenen Schülern, d. h. denjenigen, die schon Lesen und Schreiben (auch an Vergil) gelernt hatten, näherzubringen. Dazu gehörte eine nur knappe Einführung zur Person Vergils und zum Verständnis seines Werkes, hingegen eine umfangreichere Darstellung sprachlicher wie sachlicher Verständnishilfen (vgl. Servius). Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass die verhandelten Themen in der Summe wichtiges Bildungsgut enthalten. Erstens werden Inhalte vorgeführt, deren Kenntnisse als relevant beurteilt wurden: Grundlagen des klassischen römischen Kultes werden ebenso vermittelt wie Einblicke in die griechische und die altlateinische Literatur und Sprache. Für den modernen Leser der Saturnalia erscheint der Kanon sehr eng, doch müssen zwei Aspekte bedacht werden: Zum einen bietet Macrobius an anderen Stellen einige weitere Themen, z. B. im ersten Buch Informationen zum Altertum oder im siebten Buch zu medizinischen, philosophischen und anderen Fragen. Zum anderen erhebt Macrobius nicht den Anspruch, ein Kompendium aller Disziplinen zu verfassen. Vielmehr besteht sein Ziel darin, solche Informationen zu präsentieren, deren Kenntnis nützlich oder erfreulich ist (Sat. praef. 10). Welche Informationen als nützlich, welche als erfreulich angesehen werden, mag in gewisser Differenz zur heutigen Sicht stehen. Zweitens kann man die Präsentation der Inhalte, die in der Beschäftigung mit Vergil geboten werden, auch als exemplarisch verstehen. Dies schränkt den Anspruch auf Bedeutung des vermittelten Wissens keineswegs ein oder entwertet es. Vielmehr kommt eine weitere Komponente hinzu, die das methodische Vorgehen in den Blick nimmt. Die (jüngeren) Teilnehmer an den Gesprächen wie die Leser der Saturnalia bekommen am Beispiel Vergils vorgeführt, wie man angemessen über bedeutende Autoren spricht. Zu einem solchen Autorenvergleich, wie er in den Büchern 5 und 6 vorgenommen wird, gehört natürlich die genaue Kenntnis der

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Autoren wie ihrer Vorgänger. Zudem wird aber gezeigt, wie ein solcher Vergleich tatsächlich funktioniert. Besonders Eustathius leistet dies sehr anschaulich, indem er zunächst ausgewogen Stellen einander gegenüberstellt, die die Stärken beider Autoren hervortreten lassen, bevor er schließlich zu einem abwägenden Urteil gelangt. Und auch aus der Beschäftigung des Furius Albinus und des Caecina Albinus mit Vergil und seinen lateinischen Vorgängern lässt sich lernen, wie Stellen gegenübergestellt und verglichen werden können. Selbst die Befragung des Servius durch Avienus im zweiten Teil von Buch 6 bietet noch Anschauungsmaterial, insofern eine andere Form des Gesprächs (neben dem Vortrag) anschaulich vorgeführt wird. Neben der freundschaftlichen Befragung findet auch die kritische Hinterfragung in der Interaktion von Praetextatus und Evangelus Berücksichtigung; nicht nur das harmonische Gespräch, auch der argumentative Disput werden inszeniert. Der Leser bekommt also die beiden klassischen Formen der Kommunikation während eines Symposions (Vortrag, Gespräch) direkt vorgeführt und hat so die Möglichkeit, die Formen zu analysieren und nachzuahmen. – Dies gilt natürlich ebenso für die übrigen Partien, die in diesem Kapitel nicht vorgestellt werden.

3.4 Die Wahl Vergils als zentralen Autors Welche Bedeutung hat es nun, dass in den Büchern 3 bis 6 gerade Vergil als zentraler Autor herangezogen wird? Zu dieser Frage sind in der Forschung bislang drei verschiedene Positionen vertreten worden. Sie sollen im Folgenden kurz vorgestellt und dann diskutiert werden; anschließend werde ich eine eigene Deutung vorschlagen, die verschiedene Beobachtungen und Überlegungen kombiniert.

Vergilpreis Der ‚Vergilpreis‘, also die „Verherrlichung Vergils nach allen Seiten“,⁸⁶ ist von vielen Interpreten als das eigentliche Ziel der Saturnalia angesehen worden. Dabei sind verschiedene Spielarten und Abstufungen denkbar, die in der Forschung zum Teil auch vertreten wurden. Gelegentlich wird Macrobius sogar ein Scheitern an seiner Aufgabe, einer umfassenden Vergilkritik, vorgeworfen.⁸⁷

 Schanz/Hosius 1927– 1935, § 1093 (IV, 193).  Collins 1909, 29.

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Dass die meisten der Gesprächsteilnehmer ein positives Vergilbild haben, kann nicht bestritten werden. Die Kritik des Evangelus an Vergil ruft allgemeinen Unmut hervor (cum … omnes exhorruissent, Sat. 1, 24, 8) und fordert zu einer Ehrenrettung des kritisierten Dichters heraus. Die zur Verteidigung gehaltenen Vorträge werden im Großen und Ganzen ihrem Anspruch gerecht, wie Sinclair feststellt,⁸⁸ und ein umfassendes Wissen Vergils (kultische, rhetorische und literarische Kenntnisse) kann von den Gesprächspartnern festgestellt werden. Sinclair hat aber weiterhin recht, wenn er trotz dieser konstatierten, beinahe an Allwissenheit⁸⁹ grenzenden Bildung Vergils die diesbezüglichen Äußerungen relativiert: Für ihn ist das demonstrierte Wissen bei Vergil notwendiges Handwerkszeug eines Dichters, zumal eines großen Dichters, das vorausgesetzt werden darf und muss.⁹⁰ Zudem geht das, was in den Saturnalia als Vergils Kenntnis gepriesen wird, nur an wenigen Stellen über Darstellungen hinaus, die bereits anderswo in Kommentaren überliefert sind: Das rhetorische Element der Dichtung ist schon früh erkannt und herausgearbeitet worden (Florus),⁹¹ und literarische Vorbilder und Umsetzungen (also besonders das Verhältnis zu Homer) wurden schon für Epiker vor Vergil diskutiert.⁹² Nicht einmal die Beobachtung des kultischen Bereichs erscheint als Neuerung gegenüber den (erhaltenen!) Vorgängerwerken, wenn Türk mit seinem Verweis auf Trebatius recht hat, der ein Werk zu genau diesem Thema geschrieben haben soll.⁹³ Zudem ist Vergil nicht der einzige Dichter, der sich in diesem Bereich auskennt: Kenntnis des Pontifikalrechts wird zum Beispiel auch Hygin bescheinigt

 Sinclair 1982, 261.  Der Begriff fällt in den Saturnalia nicht; in Sat. 1, 16, 12 heißt es jedoch: Maro omnium disciplinarum peritus (‚Maro, der in allen Disziplinen bewandert ist‘). Stärker im SomniumKommentar, wo Vergil unterstellt wird, er könne nicht irren: erroris ignarus (somn. 2, 8, 8).  „Far from elevating it to the level of an inspired text and a source of moral instruction and spiritual enlightenment he uses it to demonstrate only that the poet was an indisputable master of the various disciplines essential to his craft“ (Sinclair 1982, 261).  Florus hat ein Werk Vergilius orator an poeta verfasst, dessen Beginn als Fragment in einer Handschrift überliefert ist.  Über Ennius bemerkt Horaz: Ennius, et sapiens et fortis et alter Homerus (‚Ennius, der Weise und Kraftvolle, der zweite Homer‘, Hor. epist. 2, 1, 50); und Hieronymus bezeugt diese Einschätzung indirekt: Sed et poeta sublimis – non Homerus alter, ut Lucilius de Ennio suspicatur, sed primus Homerus apud Latinos –: varium et mutabile semper / femina (‚Aber auch der erhabene Dichter – kein zweiter Homer, wie Lucilius über Ennius mutmaßt, sondern erster Homer unter den lateinischen Dichtern – (spricht es aus): „Wankelmütig und unbeständig ist immer die Frau“‘, Hier. in Mich. 2, 7, l. 250 – 254 [p. 511]).  Türk 1963, 345. Das Werk des Trebatius ist bis auf Fragmente verloren. Zu den Quellen für die Ausführungen über das Pontifikalrecht und Parallelen im Kommentar des Servius vgl. Marinone 1946, 73 f., und Marinone 1996, 303.

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(Sat. 6, 9, 7). Auch astronomisches Wissen ist für Vergil reklamiert worden – jedoch nicht in den Saturnalia. ⁹⁴ Selbst wenn man annimmt, dass Macrobius den Bereich des Kultwissens und der Philosophie eigenständig entworfen hat, stellt er keine grundlegende Erweiterung des bei Vergil zu rühmenden Wissens dar. Zwar sind die Vorträge von Nicomachus Flavianus und Eustathius zu diesem Bereich nicht erhalten, so dass wir allein den Vortrag des Praetextatus kennen, doch wird bereits an diesem deutlich, dass keine bahnbrechenden Geheimnisse gelüftet werden.⁹⁵ Bedenkt man zudem, dass Vergil nicht als der unübertroffene Dichter dargestellt wird, sondern hinter Homer einzuordnen ist (wenn auch nicht weit), sind Zweifel angebracht, dass Vergil als Lichtgestalt dargestellt werden soll. Natürlich entspricht das Verhältnis zwischen Homer und Vergil dem allgemeinen Konsens der Antike, wie Wlosok gezeigt hat: Homer ist unübertroffen und unübertrefflich, Vergil das beste unter den Abbildern.⁹⁶ Aber damit ist der Vergil-Verherrlichung doch eine Grenze gesetzt, die der Dichter auch bei Macrobius nicht hat überschreiten können.⁹⁷ Wlosoks Beobachtung nimmt der These eines ‚Vergilpreises‘ in den Saturnalia aber auch in anderer Hinsicht ein Stück weit ihre Glaubwürdigkeit. Wenn sie feststellt, dass das Verhältnis von Vergil und Homer traditionell genau so, wie in den Saturnalia dargestellt, beurteilt wurde, so stehen die entsprechenden Ausführungen in der Tradition des vorangehenden Denkens und sind keineswegs neu. Der ‚Vergilpreis‘ erschöpft sich also in einer Darlegung längst bekannter Gedanken und Einzelerkenntnisse.

Vergil als Nationaldichter Dass Vergils Aeneis als das Nationalepos Roms angesehen wurde, ist unzweifelhaft. Ebenso unbestritten ist, dass das römische Selbstverständnis, das aus dem Werk spricht, auch in der späteren Antike noch lebendig war. Die harsche Kritik

 Servius bezeugt, dass ein gewisser Metrodor (dessen Identität nicht zweifelsfrei zu klären ist) Vergil gegen Angriffe wegen Unkenntnis astronomischer Zusammenhänge in Schutz genommen habe (Serv. georg. 1, 229).  In der Einleitung zu seiner Übersetzung des Somnium-Kommentars konstatiert Stahl, dass Sat. 3 – 6 für die literarische Vergilkritik nahezu wertlos seien und nennt das Gebotene „trifling comments“ (4).  Wlosok, Geltung, 483.  Der Blick ändert sich erst in der Renaissance, z. B. in einer frühen Poetik von Marco Girolamo Vida, der Vergil klar an die Spitze setzt (Wlosok 1990b, 488 f.).

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Augustins im Proöm zu De civitate dei an dem als emblematisch genommenen Zitat aus Aen. 6, 853 weist genau darauf hin.⁹⁸ Doch ergibt ein Blick in die Durchführung der Beschäftigung mit Vergil in den Saturnalia ein anderes Bild: An keiner Stelle (zumindest an keiner erhaltenen Stelle) gehen die Gesprächsteilnehmer auf ein solches Vergilverständnis ein.⁹⁹ Natürlich kann dieses Wissen als unausgesprochener Grundkonsens im Hintergrund mitgedacht werden, doch auffällig ist, dass dieser wichtige Aspekt in einem Werk, das sich als Lehrwerk versteht, nicht erscheint. Überhaupt sind nur sehr wenige (im weiteren Sinne literaturwissenschaftliche) Aussagen über Aufbau, Intention oder Bedeutung des vergilischen Œuvres zu finden.¹⁰⁰ Eine Anlehnung an oder Bezugnahme auf Vergil als Schöpfer eines Nationalepos lässt sich daher nicht erweisen.

Vergil als ‚pagane Bibel‘ Die Deutung der Vergilbeschäftigung in den Saturnalia als der Versuch, eine Art ‚pagane Bibel‘ zu etablieren, findet sich gerade in der älteren Forschung häufig. Da sie auch in der neueren Forschung z. T. noch Berücksichtigung findet, soll auf diese Position ausführlicher eingegangen werden. Da die Wendung „pagane Bibel“¹⁰¹ überwiegend schlagwortartig gebraucht wurde und das Konzept je nach

 Aug. civ. pr.  Die entsprechende Stelle wird an keiner Stelle der Saturnalia erwähnt; überhaupt nimmt das sechste Buch der Aeneis, das in der Kommentarliteratur stark rezipiert wurde, keine besondere Stellung ein. Cameron weist darauf hin, dass Macrobius und andere Autoren nicht das Patriotische in Vergil erkennen oder nutzen, dies aber bei Augustin zu beobachten sei (Cameron 1976, 24 f.).  Nur punktuell wird für Vergil reklamiert, seine Dichtung lasse sich auch allegorisch lesen (Sat. 1, 24, 6). – Entsprechend vage bleibt auch den Boeft, der anerkennt, dass bei Servius und Macrobius keine konsistente allegorische Interpretation geboten werde, der aber trotzdem daran festhält, dass diese Idee im Hintergrund präsent sei (den Boeft 1998, 183).  Ein πρῶτος εὑρετής dieses Begriffs ist nicht auszumachen. Belege für die Verwendung dieses Gedankens (chronologisch): Klingner 1941, 23.30 („heilige Schrift“); Knight 1946, 310 („a sort of Bible“); Türk 1961, 242 („heiliges Buch“); Bloch 1963, 210 („pagan bible“); Türk 1963, 338 („une sorte de sainte Écriture“); Altendorf 1974, 241 („Heilige Schrift“); Markus 1974, 11 („bible“); Wytzes 1977, 67 („heiliges Buch“); Flamant 1977, 230 („la vraie Bible du païen“); Döpp 1978, 632 („Heilige Schrift“); Barnes 1982, 79 („pagan Bible“); Eigler 2003, 180 („heidnische Bibel“); Cancik 2010, 237 („heiliges Buch“); ohne den Begriff explizit zu verwenden: Frateantonio 2007, passim. – Nicht eindeutig das pagane Element betonen Büchner 1961, 352 („Heilige Schrift der Gebildeten“) und Klein 1971, 69 („Bibel für Gebildete“).

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argumentativem Kontext eine andere Begriffsnuance erhalten hat,¹⁰² ist es notwendig zu klären, was eine ‚pagane Bibel‘ ist, wer sie liest oder was an ihr ‚pagan‘ ist. Erscheint schon das Wort ‚pagan‘ problematisch – die Konzepte von Heidentum und Christentum sind nun einmal unscharf, auch wenn die Kirchenväter sich um klare Trennlinien bemüht haben –,¹⁰³ bietet das Wort ‚Bibel‘ weitaus größere Schwierigkeiten. Im Folgenden soll der Begriff in zwei Schritten untersucht werden. Erstens soll eine (im Detail ggf. zu diskutierende) Aufzählung von Beschreibungsmerkmalen und Funktionskategorien den Begriff ‚Bibel‘ genauer zu fassen versuchen, bevor zweitens überprüft wird, ob die abgeleiteten Kriterien auf Vergils Werke und ihre Rezeption zutreffen. Fasst man den Begriff der ‚Bibel‘ im engeren Sinne, so bezeichnet er die christliche Bibel mit all ihren Propria. Forscher würden also davon ausgehen, dass Macrobius in den Saturnalia ein Konzept entwickelt, durch das der christlichen Bibel ein gleichartiges Werk gegenübergestellt werden soll. Betrachtet man die christliche Bibel als ein auf eine zentrale Figur hin zu lesendes Buch, das nach einem längeren Entstehungsprozess kanonisch fixiert wurde, in liturgischem Gebrauch steht und Gegenstand von Katechese und Exegese war und ist, so liegt deutlich auf der Hand, dass eine Vergleichbarkeit mit dem Status und der Rolle Vergils in der Antike nicht gegeben ist. Mag man die Konzepte von Unterweisung und Auslegung auch für die vergilischen Schriften zugeben, so ergeben sich bei den anderen Punkten solche Differenzen, dass ein Vergleich nicht mehr tragfähig erscheint. Fasst man den Begriff ‚Bibel‘ im weiteren Sinne – und das scheint der Tenor der Forschung zu sein –, so kann er als Typosbegriff verstanden werden und eine Heilige Schrift, den Kerntext einer religiösen Gemeinschaft, bezeichnen. Bei einem solchen Verständnis des Begriffs ‚Bibel‘ würden die Forscher postulieren, Macrobius versuche, Vergil als zentralen religiösen Leittext der heidnischen Gemeinschaft zu etablieren. Eine Bibel im weiteren Sinne könnte definiert werden als ein heiliges, weil göttlicherseits offenbartes Buch, das die Geschichte Gottes (oder der Götter) und des Verhältnisses dieses Gottes zu seinem erwählten Volk / den Gläubigen berichtet. Aufgrund des Offenbarungscharakters besitzt es höchste Wahrheit und

 U. a deshalb findet sich Kritik an dem Begriff bereits bei Sinclair 1982, und Cameron 1976. Erneut erscheint die Kritik bei Tornau, der die Wendung unter „Klischeeverdacht“ sieht und bis zu einer genauen Begriffsklärung von einer Benutzung abrät (Tornau 2008, 317, Anm. 64).  Das Konzept ‚Heidentum‘ wird mit Diskussion des Begriffs, einschlägiger Stellen und gängiger Thesen ausführlich untersucht bei Cameron 2011, Kap. 1. Vgl. weiterhin Kahlos 2007.

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stellt damit eine letzte Autorität in der Argumentation dar. Wer mehr über diesen Gott, diese Welt oder das zukünftige Leben erfahren will, muss das Werk gut kennen und es wissenschaftlich untersuchen. Dazu sind bestimmte Methoden notwendig. Die Bibel bietet zudem Maßgaben rechten Handelns, indem Gebote aufgestellt werden und aufgezeigt wird, wie Gott an den Menschen, die sich rechtschaffen oder abweichend verhalten, handelt. Aus expliziten und impliziten Hinweisen können Aussagen erschlossen werden, die die Religionspraxis betreffen. Aufgrund ihres Vorbildcharakters ist sie Inspiration für weitere Werke, sei es, dass diese sprachlich-formal, sei es, inhaltlich auf sie zurückverweisen. Wer diese Codes kennt, weiß diese Rezeption zu schätzen und erkennt daran den Gleichgesinnten. Eine Bibel in diesem Sinne ist gewissermaßen ein Identifikationsknotenpunkt, also ein Text, den alle Menschen dieser religiösen Gruppe trotz aller Differenzen in ihren Überzeugungen als Bezugstext in religiösen Fragen betrachten. Betrachtet man den aufgestellten (sicher nicht vollständigen) Katalog genauer, fällt auf, dass tatsächlich eine Vielzahl der erwähnten Kriterien auf Vergil und seine Werke angewendet werden können. Die Rede von Aeneis, Georgica und Bucolica als heiligen Büchern findet sich in der antiken Literatur keineswegs selten. Gerade bei Macrobius erscheint das Bemühen der Gesprächsteilnehmer als ein sacrum studium litterarum (Sat. 1, 7, 8), und die Sprache des Symmachus bei der Verteidigung der herausragenden Stellung Vergils verweist auch auf die religiöse Sphäre (sacrum poema; Sat. 1, 24, 13).¹⁰⁴ Eine Offenbarung der Werke Vergils wird man schwerlich annehmen. Andererseits verweist die Tatsache, dass Dichter in Rom gern als vates bezeichnet wurden oder sich selbst so stilisierten, in den Bereich des Religiösen.¹⁰⁵ Dazu passt auch der traditionelle Musenanruf mit der Bitte um Inspiration. Inwieweit antike Menschen tatsächlich daran geglaubt haben, dass die Dichter (in welcher Weise

 Vgl. zu dieser Stelle unten Anm. 232.  Stellen der antiken Literatur, in denen Vergil als vates, divinus, sacer oder sanctus bezeichnet wird, hat Sinclair 1982, 262, Anm. 11, zusammengestellt. Im Allgemeinen vgl. Newman 1967. Daraus folgt nicht zwangsläufig, bei Vergil (oder auch Homer) habe es sich um göttliche Männer (θεῖοι ἄνδρες) gehandelt, wie van der Horst schließt (1998, 168); göttliches Wissen wird in den Saturnalia beispielsweise auch Hippocrates zugeschrieben (Sat. 2, 8, 16). Die Schwierigkeit mit dieser Wendung zeigt sich auch darin, dass Kahlos sie auf eine Figur in den Saturnalia anwenden kann, nämlich Praetextatus (Kahlos 1998, 231 f.). Zum Konzept des Heiligen Mannes allgemein vgl. Fowden 1982.

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auch immer) mit den Göttern kommunizieren würden, mag dahingestellt bleiben.¹⁰⁶ Prima facie lassen sich aus den Werken Vergils (wie anderer Dichter) durchaus Aussagen über die Götter und Aussagen über ihr Verhältnis zu den Menschen allgemein oder einzelnen Menschen treffen. So kann man beispielsweise aus der Aeneis lernen, dass Jupiter hominum sator atque deorum ist (‚Vater der Menschen und Götter‘, Aen. 1, 254; 11, 725), wie Merkur zur Erde eilt (Aen. 4, 238 – 258) oder wie Fama agiert (Aen. 4, 173 – 197). Zwar ergibt sich kein vollständiges Bild der Götter, doch entsteht ein gewisser klarer Eindruck der Überirdischen. Immerhin konnte man aus der Aeneis aus christlicher Sicht genug über die Götter lernen, so dass man der Schule, wo das Werk gelesen wurde, aus diesem Grund kritisch gegenüberstand.¹⁰⁷ Die vorgestellten Götter sind auch einzelnen Menschen und Völkern durchaus zugetan und kümmern sich um ihr Wohlergehen.Venus sorgt sich um Aeneas, Juno um die Karthager, Jupiter und Venus um die Römer. Bei Interesse greifen die Götter auch direkt in die Geschicke der Menschen ein, wie das Wirken Junos zuungunsten des Aeneas zeigt. Neben den offen zugänglichen Informationen erlaubte es eine weitere Methode, mehr über die Götter in Erfahrung zu bringen. Die allegorische Deutung bestimmter Elemente oder Passagen eines Werks wie der Aeneis ließ erkennen, dass sich hinter der wörtlichen Bedeutung Größeres verbarg.¹⁰⁸  Cicero bekräftigt diese Ansicht in der Verteidigungsrede für den Dichter Archias: atque sic a summis hominibus eruditissimisque accepimus ceterarum rerum studia et doctrina et praeceptis et arte constare, poetam natura ipsa valere et mentis viribus excitari et quasi divino quodam spiritu inflari. quare suo iure noster ille Ennius sanctos appellat poetas, quod quasi deorum aliquo dono atque munere commendati nobis esse videantur. (Cic. Arch. 18) Und so haben wir von den bedeutendsten und gelehrtesten Männern gelernt, dass das Studium aller übrigen Dinge aus Gelehrsamkeit, Regeln und Kunstfertigkeit besteht, der Dichter aber aufgrund seiner natürlichen Begabung zu schaffen vermöge und von den Kräften des Geistes angeregt werde sowie von einer Art göttlichem Hauch erfüllt werde. Daher nennt unser Ennius mit dem ihm eigenen Recht die Dichter heilig, weil sie uns gewissermaßen als göttliches Geschenk oder göttliche Gabe übergeben zu sein scheinen. Zu beachten ist natürlich, dass dieser Text ein bestimmtes argumentatives Ziel verfolgt, zu dessen Erreichung manche Argumente überspitzt werden, so dass aus dieser Passage nicht allgemein gültige Aussagen über Dichterinspiration abgeleitet werden können.  Tertullian beispielsweise lehnt es ab, dass Christen Lehrer sein dürfen, da sie dann solche Stoffe vermitteln müssten (Tert. idol. 10).  In extremo praktiziert dieses Vorgehen der Mythograph Fulgentius im 5. Jahrhundert, was ihm viel Kritik und Ablehnung in der modernen Forschung eingebracht hat (z. B. Collins 1909, 22: „distorted mind“).

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Auch gewisse ethische Richtlinien lassen sich aus der Aeneis gewinnen. Das zentrale Epitheton, mit dem Aeneas bezeichnet wird, ist pius: ¹⁰⁹ Er handelt in besonderem Maße gottesfürchtig und recht, so dass sein Tun als vorbildlich angesehen wird. Zwar werden keine allgemeingültigen Maximen aufgestellt, wie es in der Bibel beispielsweise mit dem Dekalog oder in der Bergpredigt geschieht, doch ist die Zentralfigur Aeneas eine Vorbildgestalt, die somit eine Richtschnur oder zumindest einen Spiegel richtigen Verhaltens darstellt.¹¹⁰ Auf Fragen der ‚Liturgie‘ – also ins Heidnische übersetzt: der Orthopraxie¹¹¹ – geht Vergil ebenfalls ein. Im Gegensatz zu den entsprechenden Stellen der christlichen Bibel (z. B. Einsetzungsworte des Abendmahls, Herrengebet) geschieht dies nur implizit, kann aber mit entsprechend geschultem Blick herausgearbeitet werden, wie die Ausführungen des Praetextatus in Sat. 3 zeigen.¹¹² Die Aeneis und das Werk Vergils als inhaltliche und sprachliche Norm und Vorbild zu erweisen, erscheint beinahe überflüssig; die Vielzahl der Belege spricht für sich. Sowohl heidnische als auch christliche Autoren waren von der Sprache Vergils derart begeistert, dass sie sie gründlich untersuchten oder nachzuahmen bzw. weiterzuentwickeln suchten. Als weitere Interpreten Vergils sind zunächst natürlich Servius und die beiden Donati zu nennen, die alle im vierten und fünften Jahrhundert gewirkt haben; doch gibt es eine weit größere Zahl an weniger bekannten Kommentatoren.¹¹³ Zudem ist es bezeichnend, wenn Florus im frühen zweiten Jahrhundert ein Werk mit dem Titel Vergilius orator an poeta schreibt oder  Die Wendung ist geradezu formelhaft. Zur Würdigung der Rolle des Aeneas in der Aeneis vgl. z. B. Wlosok 1990a. Eine antike Steigerung dieser Sicht auf Aeneas stellt der Kommentar des Tiberius Donat dar; vgl. dazu Starr 1992.  Dass man aus dem Epos ethische Aussagen gewinnen konnte, zeigt Horaz: qui [scil. Homerus], quid sit pulchrum, quid turpe, quid utile, quid non, planius ac melius Chrysippo et Crantore dicit. (Hor. epist. 1, 2, 2 f.) Dieser sagt deutlicher und besser als Chrysipp und Crantor, was gut und schlecht ist, was nützlich und was nicht.  Zum Begriff der (heidnischen) Orthopraxie im Gegensatz zur (christlichen) Orthodoxie vgl. Rüpke 2006, 86; Gradel 2002, 2 f.; Kuhlmann 2002, 15; Fowden 2001, 84. Den gleichen Sachverhalt betont Gladigow, wenn er davon spricht, dass der Polytheismus ansozialisiert werde: „Zur narrativen Omnipräsenz polytheistischer Religionen gehört, daß man sie im Kontext der allgemeinen Sozialisation ‚lernt‘, Polytheismus wird nicht ‚gelehrt‘. ‚Lehre‘ ist in polytheistischen Kontexten vor allem ein Rekrutierungsmodus von Spezialisten (Priestern)“ (Gladigow 2002, 14); ebenso Rüpke 2006, 17: „Antike Menschen haben die Religion durch Teilnahme gelernt.“  Natürlich liegt hier auch ein Unterschied vor, wenn die christliche Bibel die entsprechenden Handlungen vorgibt, während Vergil nur die Praxis beschreibt.  Wie groß die Menge an antiken Vergilkommentaren und Schulwerken war, zeigt ein Blick auf die bei Schanz/Hosius 1927– 1935, § 247 f. (II, 98 – 100), verzeichneten Werke.

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Tiberius Donat in der Einleitung seiner Interpretationes Vergilianae das Rhetorische bei Vergil herausstreicht,¹¹⁴ wodurch die Diskussion zwischen Symmachus und Evangelus in Sat. 1, 24, 8 f. vorweggenommen wird. Ein eindrucksvolles Beispiel der Umsetzung von Vergils Sprache ist das Cento-Gedicht Probas, in dem sie die Bibel in einem Stückwerk aus vergilischen Halb- und Ganzversen wiedergibt.¹¹⁵ Als Beispiel für die inhaltliche Aus- und Umdeutung Vergils sei auf die

 Besonders eindrückliche Wendungen sind: Vergilii … peritia rhetoricae disciplinae (‚Vergils praktische Kenntnis der Rhetorik‘, Claud. Don. Aen. 1, praef. [p. 2]); invenies in poeta rhetorem summum (‚Du entdeckst im Dichter auch den besten Redner‘, Claud. Don. Aen. 1, praef. [p. 4]).  Zur Person Probas und zur Datierung des Cento vgl. Shanzer 1986b, und Sivan 1993. – Kritik an Probas Werk und ihrem Vorgehen übte u. a. Hieronymus in einem Brief an Paulinus von Nola (die Identität der garrula anus mit Proba bestreitet Cameron 2011, 337): Sola scripturarum ars est, quam sibi omnes passim uindicent: ‚scribimus indocti doctique poemata passim‘ [Hor. epist. 2, 1, 117]. hanc garrula anus, hanc delirus senex, hanc soloecista uerbosus, hanc uniuersi praesumunt, lacerant, docent, antequam discant. alii adducto supercilio grandia uerba trutinantes inter mulierculas de sacris litteris philosophantur, alii discunt – pro pudor! – a feminis, quod uiros doceant, et, ne parum hoc sit, quadam facilitate uerborum, immo audacia disserunt aliis, quod ipsi non intelligunt. (Hier. epist. 53, 7, 1) Allein die Kunst der Deutung der Heiligen Schriften nehme alle ohne Unterschied für sich in Anspruch: ‚Es schreiben Gebildete wie Ungebildete ohne Unterschied.‘ Eine geschwätzige Alte, ein phantasierender alter Mann, ein wortgewaltiger Sprachpfuscher, sie alle reklamieren die Kunst für sich, verstümmeln sie, lehren sie, noch bevor sie sie lernen. Die einen legen sich ein anmaßendes Auftreten zu und tröten große Worte heraus und philosophieren vor irgendwelchen Frauen über die Heiligen Schriften; die anderen lernen – welche Schmach! – von Frauen, was sie Männern beibringen wollen, und – damit damit noch nicht genug sei – legen mit einer Leichtigkeit im Ausdruck, nein: mit Unverfrorenheit anderen dar, was sie selbst nicht verstehen. Ebenfalls kritisch ist die Beurteilung im Decretum Gelasianum: Dort ist das Werk unter der Überschrift „de libris non recipiendis“ zusammen mit z. B. Thomas- oder Petrus-Akten, Werken Commodians oder Arnobius’ eingeordnet. Das Fazit der Aufzählung lautet: illa omnia apocrifa – ‚sie alle sind zu verwerfen‘. Vgl. dazu die Kurzbesprechung mit der Identifizierung von Probas Cento 299 f. Ebenso heißt es im Decretum Gratiani: Centimetrum de Christo Virgilianis compaginatum versibus, apocrifum (‚Der metrische Cento über Christus, aus vergilischen Versen zusammengeschustert, ist zu verwerfen‘, Decr. Grat. D. 15, c. 3). Dass sich diese Auffassung nicht durchsetzen konnte, zeigt sich z. B. bei Isidor, der Proba in seine Sammlung berühmter Männer (!) aufnimmt und bezeugt, dass das Werk einen bedeutenden Rang erhalten hat: Proba, uxor Adelphii proconsulis, femina, idcirco inter viros ecclesiasticos posita sola, pro eo, quod in laude Christi versata est, componens centonem de Christo, Virgilianis coaptatum versiculis. Cujus quidem non miramur studium, sed laudamus ingenium. Quod tamen opusculum inter apocryphas Scripturas inseritur. (Isid. vir. ill. 22)

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berühmte vierte Ekloge verwiesen, deren messianischer Charakter sowohl heidnische wie christliche Ausdeutungen hervorrief.¹¹⁶ Angesichts dieser vielfältigen Lesarten und Deutungsaspekte erstaunt es nicht, dass die Kenntnis Vergils und seiner Werke einen wichtigen Identifikationspunkt darstellt. Wer ‚dazugehören‘ wollte, musste seinen Vergil gut kennen und auch einige grundlegende Deutungen und Deutungsmethoden kennen und anwenden können.¹¹⁷ Doch gerade hier zeigt sich trotz aller beobachteten Übereinstimmungen der Funktionen von Bibel und Vergiltext auch einer der entscheidenden Unterschiede, weswegen der Begriff ‚pagane Bibel‘ nicht angemessen ist. Vergil- und Literaturkenntnis überhaupt waren Voraussetzungen für die Teilhabe in einer bestimmten sozialen Gruppe, nicht einer bestimmten religiösen Gruppe. Wer in den höchsten Kreisen Roms verkehren und ernst genommen werden wollte, benötigte ein entsprechendes Wissen – nicht zuletzt deshalb kannten auch die Kirchenväter die einschlägigen Werke der römischen wie griechischen Literatur so gut.¹¹⁸ Dieses als

Proba, Frau des Proconsuls Adelphius, eine Frau. Aus dem Grund unter die Kirchenmänner aufgenommen, weil sie sich dem Lobpreis Christi gewidmet hat, indem sie einen Cento auf Christus verfasste, der aus vergilischen Versstücken zusammengesetzt ist. Wir bewundern zwar nicht ihren Eifer und ihr Streben, loben aber gleichwohl ihr Talent. Das Werk gilt aber als zu verwerfende Schrift. Die Bezeichnung als ‚apokryph‘ adelt Probas Cento dabei nicht unbedingt, zeigt umgekehrt aber auch, dass er als anderen apokryphen Texten gleichwertig angesehen werden konnte. Ohne Wertung spricht Isidor von Probas Cento orig. 1, 39, 26.  Das klassische Beispiel für eine christliche Deutung stellt Konstantins Rede an das Konzil von Nizäa dar (sog. Oratio ad sanctorum coetum). Kritik an einer solchen Wendung findet sich z. B. bei Hieronymus (Hier. epist. 53, 7, 3). Über Ausdeutungen der 4. Ekloge vgl. Benko 1980 (mit Bibliographie); einen Überblick über bedeutende christliche Deutungen der 4. Ekloge (Konstantin, Quodvultdeus, Philargyrius, Scholia Bernensia) bietet auch Courcelle 1957.  Dies hat bereits Marrou gesehen: „[…] un Romain cultivé est un homme qui possède son Virgile, comme un Grec Homère: trésor de la sagesse et de beauté déposé au plus profond de la mémoire, dont les vers remontent à la conscience chaque fois qu’on éprouve le besoin d’exprimer, de souligner ou de cautionner un sentiment ou une idée“ (Marrou 1958b, 341).  Die Frage nach Kenntnis und Verwendungszweck der klassischen (heidnischen) Literatur bei den Kirchenvätern hat eine reiche Literatur hervorgebracht. Stellvertretend für die ältere Literatur zu nennen sind Hagendahl 1958 oder 1967. Neuere Untersuchungen wenden sich besonders der Frage zu, wann und zu welchem Zweck die Kirchenväter auf die klassische Literatur zurückgriffen; in Auswahl seien genannt: Gnilka 1984; Müller 2003; Freund 2000; MacCormack 1998; Gemeinhardt 2007. – Wenn Büchner formuliert, es lasse „sich nicht verkennen, daß das Christentum mit seiner Heiligen Schrift zurückwirkt, wenn bei Macrobius Vergil als die Heilige Schrift der Gebildeten proklamiert wird“ (Büchner 1961, 352), erkennt er nicht, dass seine Aussagen auf verschiedenen Ebenen liegen: Eine Rückwirkung der christlichen Bibel lässt an

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notwendig vorausgesetzte Wissen gründete sich zu einem großen Teil auf die Schule, die dank ihres konservativen ‚Lehrplans‘ mit Ausrichtung und Beschränkung auf die Klassiker durch die implizite Kanonisierung der Autoren eine Kanonisierung des Wissens bewirkte.¹¹⁹ Keineswegs musste man als Heide allgemein Vergil kennen oder deuten können, um seinem Gott ein rechtes Opfer bringen zu können. Die einfachen Leute kannten – wenn überhaupt – wahrscheinlich nur einzelne Teile, größtenteils wahrscheinlich aus der Schule, selbst wenn sie Heiden waren. Andererseits haben auch Christen ihren Vergil (und die übrige Literatur) gekannt, sofern sie zur gebildeten Oberschicht gehörten. Weder lässt die Bezugnahme auf Vergil also den Heiden erkennen noch das Schweigen in Bezug auf Vergil den Christen – die Grenzlinie verläuft zwischen denen, die Vergil kennen, zitieren und adaptieren können, und den anderen, die sich dadurch als ungebildet und nicht gleichgestellt ausweisen.¹²⁰ Auch die Möglichkeit, Vergil als Identifikationsautor in seiner Funktion als ‚Nationaldichter‘ an dieser Stelle argumentativ anzuführen, muss scheitern. Denn es ist festzuhalten, dass auch die Christen des Römischen Reiches Römer waren, Vergil somit also Identifikationsfigur sowohl für die christliche wie auch die heidnische Bevölkerung war.¹²¹ Der zweite Punkt, der gegen eine Bezeichnung Vergils als ‚pagane Bibel‘ spricht, besteht darin, dass seine Werke zwar durchaus hoch geschätzt wurden, im Gegensatz zur Bibel letztlich aber nicht die höchste und alleinige schriftliche Autorität in allen (Glaubens‐)Fragen darstellten. Dies trifft auch für Macrobius zu. Zwar spielt Vergil in den Saturnalia eine zentrale Rolle (nicht jedoch in der ‚Sonnentheologie‘),¹²² doch finden sich neben ihm auch noch eine Reihe anderer Dichter, die ihn z. T. übertreffen (Homer). An eine Synthese dieser verschiedenen bedeutenden Dichter zu einem Werk – wie die Zusammenstellung der biblischen Bücher zur Bibel – ist nicht gedacht. Weiterhin ist in Macrobius’ Somnium-Kommentar ein ganz anderes Bild entworfen, in dem Vergil nur am Rande vorkommt;

eine pagane Bibel denken (deren Bezugspunkt eine religiöse Gruppe sein müsste), während die Gruppe der Gebildeten eine soziale Gruppe darstellt, die nicht religiös homogen sein muss.  Vössing 2003, 471– 475.  Diesen Sachverhalt betont bereits Cameron, wenn er behauptet, dass die Saturnalia nicht auf Paganes ausgerichtet seien, folglich die Leser auch keine Heiden sein müssten (Cameron 1966, 37).  Abgesehen davon erscheint die Rolle Vergils als ‚Nationaldichter‘ in den Saturnalia an keiner Stelle, wie bereits Cameron (1976, 24) konstatiert.  Dort finden sich sechs Belege: Sat. 1, 17, 4; 1, 17, 34; 1, 18, 23; 1, 18, 24; 1, 20, 5; 1, 21, 23. Tornau führt diese Diskrepanz darauf zurück, „dass Macrobius anscheinend einer griechischen Quelle folgt“, die um einige Vergilzitate angereichert sei (Tornau 2008, 317, Anm. 65).

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die Religion, für die Vergil steht, erscheint dort nicht oder stark verändert – der Leittext stammt hier von Cicero.¹²³ Daneben könnten mit Recht auch eine ganze Reihe anderer Schriften den Titel ‚pagane Bibel‘ beanspruchen. Zwei Belege seien hier angeführt: Egelhaaf-Gaiser spricht in Bezug auf Apuleius’ Metamorphosen davon, dass hier eine ‚Bibel‘ vorliege, die sich als Bestseller verkaufen solle.¹²⁴ Flamant erweitert den Rahmen im Rückgriff auf Altheim drastisch und formuliert: „Comme l’a bien montré Altheim, les poètes, tout le passé littéraire du monde gréco-latin, étaient bien les ‚Ecritures‘ des païens.“¹²⁵ Diese Beschreibung ist sicher treffender, da sie auf das heidnischantike literarische Schrifttum überhaupt abzielt, statt einen Autor herauszugreifen.¹²⁶ Doch zeigt sich eben dort auch das Dilemma: Wie kann die gesamte Literatur einer Sprache eine Bibel sein? Was vom Begriff ‚Bibel‘ bliebe, wäre nur noch das Heilige: Den Heiden ist ihre Literatur etwas Heiliges, ihr Denken kreist um das Heilige des Geschriebenen, nicht eine ‚Heilige Schrift‘. Dies deckt sich zwar wieder mit Praetextatus’ anfangs zitiertem Ausspruch des sacrum studium litterarum, hat aber mit dem griffig formulierten Konzept einer ‚paganen Bibel‘ nichts mehr zu tun.¹²⁷

Vergil als zentraler Text und einigendes Band Am einfachsten lässt sich der Rekurs auf Vergil meines Erachtens als Rückgriff auf bewusste kompositorische Überlegungen und Grundsätze durch Macrobius erklären. Zunächst bot sich die Wahl Vergils an, da zu den behandelten Themen bereits Spezialschriften existierten (s. o.). Auch wenn die Frage der jeweiligen Quellen des Macrobius nicht abschließend geklärt ist, so lässt sich doch sicher

 Das ist nur natürlich, da das Werk einen Kommentar des ciceronischen Somnium Scipionis darstellt. Doch könnte man erwarten, dass Vergil dort eine besondere Rolle spielen oder ein Kommentar auf seine Schriften verfasst würde, wenn er die ‚Bibel‘ für Macrobius und seine heidnischen Zeitgenossen gewesen sein soll.  Egelhaaf-Gaiser 1999, 62.  Flamant 1977, 675, mit Verweis auf Altheim, La religion Romaine antique, 126 f.  Dieser Befund erhärtet sich auch mit Blick auf die Kommentarliteratur: Neben den so zahlreichen Vergil-Kommentaren hat es bereits in der Antike Kommentare zu Terenz (Aelius Donat, 4. Jh.), Horaz (Porphyrio, 3. Jh.) und anderen gegeben.  Vgl. auch Camerons Ausführungen dazu: „It is on the basis of this focus of Macrobius and the commentators on his knowledge of cult that Vergil has so often been proclaimed the pagan bible. He might perhaps be called the Roman bible, in the sense that Homer was the Greek bible, a text regarded by all educated speakers of the language as canonical, the source of all knowledge and a continuing subject of (often polemical, often defensive) exegesis. But hardly a pagan bible“ (Cameron 2011, 608).

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aussagen, dass Macrobius für die Saturnalia nicht nur vereinzelt auf Quellen zurückgegriffen hat und diese das Rückgrat der Saturnalia bilden. Macrobius konnte also aus Vorhandenem schöpfen und auswählen, ohne selbst Informationen zusammentragen und ausarbeiten zu müssen. Ein solches Vorgehen entspricht genau der in der Vorrede zu den Saturnalia geschilderten Arbeitsweise: Macrobius hat sein Schreiben als eine Zusammenfügung von Informationen aus bereits existierenden Quellen bezeichnet (Sat. praef. 2; s. o.). Die Wahl eines anderen Autors als Vergil hingegen hätte diese Möglichkeit – nach heutigem Überlieferungsstand, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit – nicht geboten. Vergil war bereits in der Antike – beginnend mit der frühen Kaiserzeit – aufgrund seiner Rolle als Schulautor gut erschlossen und seiner gesellschaftlichen wie literarischen Bedeutung wegen Gegenstand zahlreicher Studien.¹²⁸ Kein anderer antiker, lateinisch schreibender Autor hat eine solch umfangreiche Beschäftigung erfahren. Ein anderes Oberthema schließlich für die Bereiche Kult – Rhetorik – Literaturvergleich als die Ausrichtung an einem Autor ist indessen noch schwerer vorstellbar. Der Grund für diese intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit Vergil, die Macrobius erst das Schreiben über Vergil erlaubte, stellt gleichzeitig eine weitere Motivation für ihn dar, Vergil in solcher Ausführlichkeit zu behandeln. War die Kenntnis Vergils in allen Bevölkerungsschichten verbreitet – wenn auch in unterschiedlichem Maße –, so galt es doch gerade in der Oberschicht als unerlässlich, den Autor und seine Werke gut zu kennen. Aus diesem Grund konnten auch so viele Schriften über Vergil verfasst werden: Die Kenntnis erstreckte sich auf eine große Gruppe der römischen Oberschicht, und Schriften über Vergil und seine Werke fanden in dieser Gruppe sowohl Autoren wie Leser. Da es zum guten Ton gehörte, gewissermaßen unabdingbar war, Vergil gut zu kennen, um von der höheren römischen Gesellschaft akzeptiert zu werden, ist es nur folgerichtig, dass Macrobius einen großen Teil der Saturnalia diesem Autor widmet. An erster Stelle ist es wichtig, die Texte Vergils genau zu kennen, wie es umgekehrt der Grieche Eustathius für Homer vorführt: Er kann anhand einer Schriftrolle Vergils aus dem Kopf Parallelstellen aus Homer nennen. Eine gründliche Vergilkenntnis, die über das Memorieren ausgewählter Szenen hin-

 Die erste Ausgabe erledigt bereits der Zeitgenosse Vergils, Varius, nach dessen Tod, und in den folgenden Jahrhunderten entstehen zahlreiche (grammatische) Kommentare (vgl. Schanz/ Hosius 1927– 1935, § 247 f. [II, 100 – 110]).

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ausging, ist in der eindrucksvollen Szene des Simplicius überliefert, der die Aeneis sogar rückwärts aufsagen konnte.¹²⁹ Lässt sich diese Fertigkeit noch eher als Schaustück auffassen, verhält es sich bei der Diskussion über die Werke Vergils anders. Der Vergleich Vergils mit Homer ist mehrfach literarisch belegter Bestandteil von Gastmählern. Gerade bizarre Schilderungen solcher Gespräche, wie sie zum Beispiel bei Juvenal überliefert sind,¹³⁰ belegen durch ihre Parodie das Typische dieses Gesprächsthemas. Gastmähler waren besondere soziale Ereignisse im römischen kulturellen Leben, die zwar nicht nur der Oberschicht offenstanden, aber besonders deren Leben auszeichneten. Insofern war es wichtig, auch und gerade auf diesem gesellschaftlichen Parkett eine gute Figur zu machen, d. h. zunächst, gebildet auftreten und argumentieren zu können. Daher lag es für Macrobius nahe, Vergil als zentralen Text für die Bücher 3 bis 6 der Saturnalia zu wählen, stellte der Dichter doch eine Art Identifikationsknotenpunkt der gebildeten Oberschicht dar. Eine genaue Kenntnis der Literatur, exemplarisch Vergils, galt als Voraussetzung für die Aufnahme in die höhere Gesellschaft. Vermochte Macrobius im Rückgriff auf vorhandene Untersuchungen Spezialwissen zu bestimmten Themen zu vermitteln, so konnte dieses Wissen umgekehrt auch als wertvolles Material für Gespräche über Vergil genutzt werden. Dieses häufige Gesprächsthema ist somit in verschiedenen Aspekten vorbereitet und aufbereitet, so dass ein junger Mensch durch die Lektüre der Saturnalia zumindest einen Grundstock an Informationen und eine Vorstellung von Fragestellungen und Antwortmöglichkeiten erhielt. Auf dieses Wissen konnte er dann im „Ernstfall“ einer Einladung zu einem Gastmahl zurückgreifen, um mit seinen Beiträgen eine gute Figur zu machen. Das vermittelte Wissen hatte also einen absoluten wie einen exemplarischen Wert. Gleichzeitig erlaubt die Ausrichtung auf Vergil die Verbindung der sonst wenig harmonierenden Einzelthemen mit dem Dichter – und somit die Präsentation in einer thematisch einheitlichen Abfolge. Dieser Anspruch unterscheidet die Konzeption der Saturnalia deutlich von buntschriftstellerischen Werken. Die Ausrichtung verschiedener Themen an einem gemeinsamen Oberthema stellt dabei eine Möglichkeit dar, durch die es Macrobius gelingt, sein Ziel zu erreichen. Während Gellius beispielsweise verschiedene Informationsstücke in

 Diese Szene ist geschildert in Aug. anim. 4, 7, 9. Vgl. auch Nikeratos in Xenophons Symposion, der beide Werke Homers auswendig kennt, was ihm eher Spott als Bewunderung einbringt (Xen. Smp. 3, 5 f.).  Iuv. 6, 434– 437: Bei der Travestie eines Symposions maßt sich eine Frau ein Urteil an und setzt Vergil an erste Stelle – vor Homer. Daneben bietet Juvenal auch eine klassische Rezitation und Abwägung während eines Symposions (Iuv. 11, 179 – 182).

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weitgehend freier – jedoch nicht beliebiger – Abfolge bietet, hat sich Macrobius für ein geordnetes und zusammenhängendes Vorgehen entschieden. Natürlich ist die thematische Einheit der Bücher 3 bis 6 nicht vollkommen; dafür sind die Einzelthemen zu unterschiedlich, und auch die verschiedenen Figuren mit ihren Aktionsmustern sorgen für Abwechslung (s. Kap. II.4). Doch gibt es immerhin ein Globalthema, mit dem die Einzelthemen verknüpft sind und das als roter Faden im Gesprächsablauf dient. Mag die ‚Verteidigung Vergils‘, um die es in den entsprechenden Passagen geht, auch ein vages Konzept sein – sie fungiert doch als Mittel, die disparaten Themen zu verbinden. Damit ist ein wichtiger Schritt zur Herstellung inhaltlicher wie erzählerischer Kohärenz getan.¹³¹ Die unterschiedlichen Quellen, auf die Macrobius zurückgreift, sind gewissermaßen die Ausgangsstoffe der ‚Verdauung‘, die Macrobius in der auktorialen Vorrede als Bild seines Schaffens gewählt hat. Auch dort sieht Macrobius es nicht als sein Ziel an, alles auf eine solche Weise zu vereinheitlichen, dass die Quellen nicht mehr erkannt werden können und keinerlei Unterschiede und Nuancen mehr auszumachen sind. Ziel ist die Einheit im Großen und Ganzen, die eine eigene Denkleistung erfordert und diese in einem zweiten Schritt in der (schriftlichen) Kommunikation vermittelt. Zusammen mit der Lebendigkeit der verschiedenen Figuren, die die einzelnen Themen ausführen, erzeugt Macrobius mit Hilfe der unterschiedlichen Quellen und Themen ein buntes Potpourri an Informationen, Verhaltens- und Argumentationsweisen, das einerseits abwechslungsreich und anregend ist, welches es andererseits aber durch die Ausrichtung an einem zentralen Konzept – Vergil – nicht an Kohärenz und Zusammenhang (also Einheit) mangeln lässt.

3.5 Fazit In der Anlage des Hauptteils der Saturnalia zeigt sich, dass Macrobius seine beiden zu Beginn formulierten Ziele geschickt gleichzeitig verfolgt und miteinander verbindet, indem er Vergil sowohl als zentrales (inhaltliches) Thema und als (formales) Mittel der Konzeption wählt.Vergil ist einerseits wichtiger Gegenstand des Wissens und folglich der Belehrung; das beinhaltet die Kenntnis der Texte Vergils und das Wissen um bestimmte Themen in Vergil ebenso wie die richtige Art und Weise, über Vergil zu sprechen. Natürlich ist dieses Wissen gleichzeitig auch exemplarisches Wissen, in-

 Dass Vergil als Mittel der Belehrung wie als Aufhänger dient, hat Flamant (1968, 318) nur vage angedeutet. Explizit als Beobachtung formuliert bei Dorfbauer 2009, 282, und Petrovićová 2007, 109.

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sofern es mutatis mutandis auch für andere Themen und Gespräche verwendet werden kann; und natürlich sind die behandelten Themen auch losgelöst von ihrer Verknüpfung mit Vergil wichtiger Lehrstoff. Andererseits ist Vergil gleichzeitig auch Funktionselement und kompositorisches Mittel. Durch den Rückgriff auf Vergil kann Macrobius verschiedene Themen miteinander verknüpfen und auf eine (inhaltlich) einheitliche Weise darstellen. Die Leitthemen der Saturnalia, Belehrung und Streben nach Einheit in der Darstellung, vermag Macrobius auch im größeren kompositorischen Rahmen umzusetzen und geschickt miteinander zu verknüpfen. Das folgende Kapitel verfolgt nun eine Fragestellung weiter, die auch in diesem Kapitel eine Rolle gespielt hat. Bisher wurden die Figuren als bloße Handlungsträger vorgestellt, die zudem aufgrund ihrer unterschiedlichen Charakterisierung scheinbar dem Anspruch der Einheit zuwiderlaufen. Ob jedoch nicht auch die Figuren eine Funktion in den Saturnalia haben und ihre Interaktion auf Einheit ausgerichtet ist, wird im folgenden Kapitel geklärt.

4 Figuren in den Saturnalia 4.1 Allgemeines Figuren sind die klassischen Handlungsträger und Agenten eines literarischen Werkes. Für das Verständnis eines literarischen Werkes ist daher eine sorgfältige Interpretation des Handelns und des Sprechens der Figuren von großer Bedeutung. Dies gilt insbesondere für Dialogwerke, wie die Figurenauswahl in z. B. Ciceros Dialogen und Ciceros eigene Reflexion darüber zeigen: Mit der Verlegung der Handlung von De re publica aus der eigenen Zeit in die Vergangenheit musste Cicero natürlich auch Figuren der entsprechenden historischen Epoche wählen und im Werk einführen. Mit der Wahl Scipios und der anderen Figuren erscheinen dabei nicht beliebige historische Personen im Werk, sondern prominente Vertreter einer kulturellen und politischen Auffassung, auf die Cicero bewusst rekurriert und die er für sich dienstbar macht. Der Autor nutzt nicht nur historische Figuren als Sprachrohr seiner eigenen Auffassungen, beispielsweise um sich selbst in den gegenwärtigen historischen Umständen weniger angreifbar zu machen (was durchaus Ciceros Interesse war).¹³² Die ausgewählten historischen Personen stehen auch für bestimmte Überzeugungen und Vorstellungen, die sie mit ins Werk bringen und die bestimmte Aussagen implizieren oder unterstreichen.

 Die Verlagerung des Geschehens in die Vergangenheit erklärt Cicero in ad Q. fr. 3, 5, 1 f.

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Daneben stehen literarische Würdigungen, wie sie bspw. im Laelius oder Cato maior auftreten. Zeitgenossen werden als Figur in ein Werk eingeführt, um sie dadurch zu ehren. Literatur besaß seit jeher einen hohen kulturellen Wert und garantierte zudem ein Stück Unsterblichkeit. Natürlich gilt auch hier, dass die Figuren Eigenschaften und Assoziationen der realen Personen mit ins Werk einbringen. Gerade bei den zeitgenössischen Gesprächspartnern wird dabei deutlich, dass diese Eigenschaften und Assoziationen nicht gänzlich durch den Autor unterdrückt, umgeformt oder ignoriert werden können. Manche Anspielungen und literarischen Zeichnungen der Figuren in Ciceros Dialogen lassen die realen Personen durchscheinen und rufen ein augenzwinkerndes Lächeln hervor (z. B. Fannius und Scaevola im Laelius¹³³). Doch wurden auch Veränderungen und andere Akzentuierungen vorgenommen. Cicero geht an einer Stelle auf die Kritik der Zeitgenossen an seiner Darstellung von Hortensius und Catulus ein, diese hätten mit der Philosophie wenig zu tun gehabt; Cicero rechtfertigt sich jedoch nicht weiter dafür.¹³⁴ Die literarische Stilisierung überformt an dieser Stelle also gewissermaßen die historische Person. Ganz frei dürfte Cicero dabei aber nicht agiert haben: Die Zeitgenossen, also die ersten und zunächst intendierten Leser des Werks, kannten die Personen gut. Die Stilisierung eines Einfaltspinsels als zweiten Sokrates hätten sie wohl kaum hingenommen, ohne dabei an eine Verspottung zu denken.¹³⁵

 Die beiden Figuren scheinen besonders durch ihre Sprache gekennzeichnet zu sein: Fannius spricht eher jugendlich unbeschwert, während Scaevola versucht, durch gewählte Worte und lange Sätze einen ehrwürdigen Eindruck zu erzeugen – womit er aber über das Ziel hinausschießt und wie Fannius persifliert wird. Auch die Tatsache, dass Scaevola immer etwas hinzufügen und korrigieren zu müssen meint, wenn Fannius gesprochen hat, lässt die beiden als seltsames Paar erscheinen.  Sunt etiam, qui negent in is qui nostris libris disputent fuisse earum rerum de quibus disputatur scientiam. qui mihi videntur non solum vivis sed etiam mortuis invidere. (Cic. ac. 2, 7) Manche Leute behaupten auch, dass einige Personen, die in meinen Büchern sprechen, gar kein Wissen um die Dinge hatten, über die gesprochen wird. Solche Leute scheinen mir neidisch auf diese Personen zu sein, nicht nur zu deren Lebzeiten, sondern auch nach deren Tod. Vgl. dazu auch Cic. fam. 9, 8, 1 (feci igitur sermonem … nosti morem dialogorum – ‚Ich habe also einen Dialog verfasst … Du weißt, wie Dialoge funktionieren‘), die Darstellung nach eigenem Ermessen im Laelius (exposui arbitratu meo; Lael. 3) und die fiktive Zuschreibung des Dialogs De senectute an Cato (Cato 3). Zur Frage von literarischer Fiktion und historischer Wirklichkeit bei Cicero vgl. auch das vorsichtige Vorgehen Lintotts (Lintott 2008) bei der Rekonstruktion historischer Ereignisse aus Ciceros Reden und Briefen.  Trotz verschiedenster theoretischer Konzepte des Verhältnisses von Realität und Fiktion betont Hösle, dass die Grundlage der dargestellten Gespräche immer logisch vorstellbar sein

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4.2 Fragestellung Wie für das Verständnis von Ciceros Dialogen die Figurenanalyse bedeutend ist, so gilt auch für Macrobius, dass, wenn Aussagen über Konzeption und Verständnis der Saturnalia getroffen werden sollen, die Figuren eine bedeutende Rolle spielen. Drei Fragestellungen, die miteinander verschränkt sind, sind hierbei von Interesse: 1. Wie sind die im Werk eingeführten Figuren gezeichnet? Die Charakterisierung kann zurückgreifen auf einige explizite Zuschreibungen in den Saturnalia – sei es durch den Erzähler, sei es durch andere Gesprächspartner; sie muss aber auch das Redeverhalten der Figuren untersuchen. Von Interesse sein wird auch die Frage nach dem Verhältnis von individueller Zeichnung der Figuren und der Gestaltung nach literarischen Vorlagen, d. h. der Übernahme von Konventionen derjenigen Gattungen, an die sich die Saturnalia anlehnen: des Symposiondialogs und des philosophischen Dialogs. Dazu werde ich zunächst eine knappe Einordnung der Saturnalia in die Gattungstradition bieten. Eine Untersuchung der Frage, inwieweit Macrobius die realen Personen, nach denen seine Figuren benannt sind, zum Leben erweckt oder selbst schöpferisch tätig wird, ist an dieser Stelle jedoch nicht sinnvoll.¹³⁶ 2. Neben der Darstellungsweise der in den Saturnalia auftretenden Figuren ist eine ebenfalls bedeutende Frage, welche Figuren überhaupt erscheinen und welche nicht. Natürlich wird sich nicht rekonstruieren lassen, welche Personen Macrobius bewusst übergangen oder ausgeschlossen hat; doch aus der Figurenkonstellation ergeben sich zwangsläufig gewisse Folgerungen. Indem er die tatsächlich eingeführten Figuren agieren lässt, die untereinander eine Art summa

muss und dass die Figuren immer in einem Verhältnis zu den historischen Personen stehen müssen (Hösle 2006, 45).  Zum einen erlaubt es die Quellenlage kaum, gesicherte Erkenntnisse über die realen Personen (und dann auch nur über einige) zu gewinnen, die nicht wiederum auf literarischen Quellen beruhen. Die Schwierigkeiten der undifferenzierten Ineinandersetzung und wechselseitigen Ergänzung der Informationen führt die Untersuchung der Figuren/Personen bei Courcelle 1948 vor Augen. Zum anderen wäre danach zu fragen, ob eine solche Verhältnisbestimmung so viel an Erkenntnismehrwert bieten würde, dass sie die theoretische Differenzierung und praktische Informationssammlung rechtfertigen würde, die über die Figurenzeichnung hinausgeht. Vgl. zu dieser Problematik in Dialogwerken Neuhausen 1981– 1992, 122 – 135, und Blondell („In all these genres, ‚real‘ people are represented with great fluidity“, Blondell 2002, 31) – Auch Kahlos betont die notwendige Unterscheidung zwischen historischen Personen und literarischen Figuren (Kahlos 1998, 14). Cameron sieht darüber hinaus in den Figuren nur ein literarisches Mittel („device“), das es Macrobius erlaubt, seine Positionen zu vertreten, bestenfalls eine „nostalgic idealization“ (Cameron 1984, 46); ebenso Cantó Llorca 1991, 31.

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klassischen Wissens behandeln und die „Gesellschaft“ und ihre Etikette abbilden, werden andere Personenkreise und damit auch Themen ausgeschlossen. Insbesondere ist daran zu denken, dass keine Christen und somit auch keine christlichen Themen in den Saturnalia erscheinen. 3. Unerlässlich ist schließlich auch eine Überprüfung der Interaktion der Figuren.Wie die Handlungen eine Figur charakterisieren, so charakterisieren sie die Gesprächssituation. Das ‚soziologische Profil‘ des Austauschs während der Saturnalienfeiertage erlaubt Rückschlüsse auf nicht kommunizierte Einstellungen und sozial geprägte Verhaltensweisen der Sprecher und somit auf das Funktionieren der Gruppe. Die Untersuchung dieser drei Fragen wird zeigen, ob Macrobius es auch im Bereich der literarischen Komposition, die gewissen Regeln und Zwängen unterliegt, gelingt, seine eingangs formulierten Ziele umzusetzen. Die Leitfragen sind: Welcher Lerneffekt kann durch die Figurenzeichnung erreicht werden, und wie ist Einheit in einem Dialogwerk gestaltet?

4.3 Die literarischen Vorbilder und die klassischen Figurentypen Die Saturnalia gelten als Werk der Symposiontradition, deren Archeget Platon mit seinem Symposion ist. Daneben gibt es aber auch Bezüge auf die Form des philosophischen Dialogs nach dem Muster Ciceros, wie der Verweis auf die Laelii und Scipiones in Sat. 1, 1, 4 zeigt, und unausgesprochen auf die convivialen Sammelwerke, insbesondere auf Gellius’ Noctes Atticae (vgl. Kap. II.1).¹³⁷ Aus dem Bereich der Symposionliteratur hat Macrobius die Technik des berichteten Dialogs nach dem Muster des platonischen Symposion übernommen; er fügt sogar eine weitere Berichtsebene hinzu.¹³⁸ Auch in erzählerischer Hinsicht erweisen sich die Saturnalia weitgehend als ein Werk der Symposionliteratur: Die Gesprächsthemen sind meist nicht im Voraus verabredet (mit Ausnahme der Verteidigung Vergils), und das Gespräch entwickelt sich streckenweise frei, auch

 Dass Gellius und auch Athenaios in den Saturnalia nirgendwo genannt werden, erklärt Cameron damit, dass Macrobius diese Autoren als nicht der Nennung würdig ansehe, da ihre Werke zu jung seien (Cameron 2011, 584). Kaster verweist darauf, dass ja zunächst die Figuren die Zitate aus der Literatur anführen; und innerhalb der Fiktion sei es schwer vorstellbar, dass die Figuren vermittelnde Quellen wie Gellius als Beleg zitieren würden (Kaster in der Einleitung zu seiner Übersetzung, Bd. 1, xlvi).  Postumianus berichtet Decius, was er selbst von Eusebius gehört hatte, der an dem Symposion teilgenommen hat.

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wenn es gelegentlich von längeren Monologen unterbrochen wird.¹³⁹ Einwürfe der Teilnehmer sind möglich. Konkret werden einige für die Symposionliteratur typische erzählerische Elemente aufgenommen: das Weintrinken,¹⁴⁰ der Tanz,¹⁴¹ der Spott – der ebenfalls theoretisch vorkommt¹⁴² – und die Mischung aus Heiterkeit und Ernst.¹⁴³ Im Gegensatz zu den Archegeten der Gattung Platon und Xenophon nimmt Macrobius verschiedene Themen in sein Werk auf. Während die Teilnehmer von Platons Symposion sich auf das Thema „Preis des Eros“ verständigt haben und auch in Xenophons Symposion eine thematische Einheit insofern besteht, als hinter den scheinbar belanglosen Fragen über die eigenen Vorzüge eine Diskussion um wahre Tugend steht, fehlt diese enge thematische Kohärenz bei Macrobius. Am ehesten kann man sie in den Vorträgen zu Vergil umgesetzt sehen, in denen die Teilnehmer aus eigenem Blickwinkel etwas zu einem gemeinsamen Thema beitragen. Von den klassischen Figurentypen¹⁴⁴ hat Macrobius nicht alle Möglichkeiten ausgewählt: Kein geladener Gast kommt verspätet oder geht vorzeitig; niemand weint. Die Existenz eines Liebespaares ist durch das römische Setting und die zeitlichen Umstände von vornherein ausgeschlossen; allerdings ist auffällig, dass es zwei Freundespaare gibt (Nicomachus Flavianus und Eustathius; Caecina Albinus und Symmachus). Auch die vorhandenen Rollen werden z. T. stark variiert. Statt eines Gastgebers/Wirtes finden sich drei (Praetextatus, Nicomachus Flavianus, Symmachus); statt einem ἄκλητος erscheinen ebenfalls drei. Das Auftreten von Tänzerinnen wird nur als literarischer Topos subsumiert (Sat. 2, 1, 5 f.) und damit übergangen, ebenso wie das übermäßige Trinken eine rein fiktive Möglichkeit bleibt (Sat. 2, 8, 4). In beiden Fällen fällt der Wunsch nach Tänzerinnen oder

 Die Eignung des Symposiondialogs für die Belehrung betont bereits Martin, der in der Form ein Mittel sieht, „in anmutiger Form gelehrte Unterhaltung […] gelehrtes Wissen überhaupt zu bieten“ (Martin 1931, 18).  Sat. 2, 8, 4 und in den entsprechenden Fragen des siebten Buches.  Sat. 2, 1, 5.  Sat. 7, 3. – Bei Xenophon geht es derber zu: Der Syrakusier wird als Lästerer bezeichnet (λοιδορούμενος, Xen. Smp. 6, 8), und so ist die λοιδορία auch Thema der Saturnalia. Konkrete Quelle der Ausführungen ist hingegen Plutarch (630F-634C = quaest. conv. 2, 1, 3 – 12).  Sat. 1, 1, 2 f.  Es handelt sich dabei um: 1. den Gastgeber (liebenswürdig oder eitel), 2. den Spaßmacher, 3. die ungeladenen Gäste (ἄκλητοι), 4. den Arzt, 5. die späten Gäste (die dem Gespräch eine neue Wendung geben), 6. den Weinenden, 7. den/die früh Aufbrechenden, 8. die Zecher und 9. das Liebespaar. – Die noch immer wichtigste Studie zur Gattung des antiken Symposiondialogs und zu den dort auftretenden Figuren stammt von Martin (Martin 1931).

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Zechen negativ auf den Bittenden zurück. Einige dieser Beobachtungen lassen sich sachlich erklären (z. B. das Fehlen eines Liebespaares). Bei anderen Auslasssungen ist davon auszugehen, dass Macrobius für diesen Figurentypus keine Verwendung sah. Martins Aufzählung stellt schließlich nur eine Summe der häufig erscheinenden Figuren dar, kein präskriptives Modell. Aus der Diskussion der Themen eines Symposions hat sich mit der Zeit ein eigenes Genre entwickelt: conviviale Sammelwerke im Stil des Gellius. Die Hauptvertreter dieser Form sind Plutarch, Athenaios und Gellius, auf die Macrobius zurückgreift. Dies zeigt sich besonders im zweiten und im letzten Buch der Saturnalia, in denen Teile aus diesen Autoren z. T. wörtlich übernommen sind. Die Werke der genannten Autoren umfassen eine Vielzahl von interessanten Einzelfragen, die Menschen allgemein und somit auch Teilnehmer bei einem Symposion im Besonderen interessieren könnten; zu diesem Zweck sind sie zusammengestellt. Der Leser soll sich die Fragen und Antwortmöglichkeiten einprägen und bei gegebenem Anlass angemessen nutzen. Eine Ordnung der Fragen nach Sachbereichen o. ä. ist meist nicht erfolgt. Dieses Vorgehen und Selbstverständnis erklärt auch die literarische Form, die üblicherweise wie bei Gallardo als „pobre“¹⁴⁵ bezeichnet wird: Die Texte sind weder sprachlich noch strukturell ansprechend gestaltet. Formal aber ist diese Gattung für Macrobius keine Inspiration, auch nicht im siebten Buch der Saturnalia, das eine geordnete Abfolge verschiedener Fragen bietet. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall, wenn Macrobius in deutlicher Opposition zu Gellius die Einheit der Saturnalia betont. Das zweite und siebte Buch bieten gegenüber Gellius sogar den Vorteil, dass sie aufzeigen, in welchen Kontexten und Abläufen solche Fragen eingebracht werden konnten. Der philosophische Dialog¹⁴⁶ zeichnet sich durch verschiedene Faktoren aus. Die Figurenzahl ist sehr begrenzt; wichtiger ist jedoch, dass Figuren auftreten, die an bedeutende Personen angelehnt sind, welche sich durch ihre Abstammung und meist auch ihren Intellekt auszeichnen.¹⁴⁷ Der Gesprächston ist urban, die Atmosphäre gelöst, selbst wenn gegensätzliche Positionen aufeinandertreffen. Die Gesprächspartner versichern sich einander ihre Wertschätzung, und Kritik wird

 Gallardo 1974, 141.  Im Folgenden wird unter ‚philosophischer Dialog‘ ein Dialog ciceronischer Prägung verstanden. Natürlich weisen diese Dialoge Differenzen auf, doch überwiegen die Gemeinsamkeiten; als prototypische Dialoge sei z. B. auf De re publica oder De oratore verwiesen.  Klassische Figuren bei Cicero sind z. B. Laelius, Scipio Africanus, die Redner L. Licinius Crassus und M. Antonius Orator oder Cato. Vgl. dazu Becker 1938, 12, und Hösle 2006, 95 – 100.

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selten offen formuliert.¹⁴⁸ Gerade wichtige Dialoge spielen kurz vor dem Tod einer der Hauptfiguren und verklären z. T. deren Lebenszeit.¹⁴⁹ Die Figuren treffen nicht zufällig aufeinander, wie es in den platonischen Dialogen oft der Fall ist, sondern kommen auf Einladung oder Absprache zusammen.¹⁵⁰ Ort der Gespräche sind private Häuser, meist sogar Villen außerhalb Roms, keineswegs aber der öffentliche Raum.¹⁵¹ Die Gespräche können sich über mehrere Tage hinziehen, während Platons Dialoge meist fingieren, an einem Stück stattgefunden zu haben.¹⁵² Ernst Becker betont in seiner Studie zum ciceronischen Dialog, dass dort ausschließlich Römer vorkommen und diese immer eng miteinander befreundet seien. Außenstehende seien nie anwesend, kein Gast komme ungebeten. Im Bezug auf das Verhalten der Figuren beobachtet er, dass (im Gegensatz zu den platonischen Dialogen) die Gäste ihrer Stellung gemäß höflich auftreten.¹⁵³ Unangemessen handelt, wer zum Beispiel superbus und inhumanus auftritt oder es an verecundia fehlen lässt.¹⁵⁴ Zu diesem Verhalten gehört, einen gewünschten Vortrag nicht zu verweigern und in seinem Vortrag nicht längst Bekanntes darzulegen. Unterbrechungen der Vorträge sind tabu, Widerspruch wird sehr fein eingeflochten.¹⁵⁵ Üblich ist das Lob, selbst wenn man nicht zustimmt.¹⁵⁶ Inhaltlich kreisen die Gespräche um ein Thema, das aus verschiedenen Perspektiven oder von unterschiedlichen Standpunkten aus untersucht wird. Das Thema hat meist einen philosophischen Hintergrund, wurzelt andererseits aber in der Praxis: Ciceros De re publica kreist zwar um Fragen der Staatsverfassung und der Gerechtigkeit, und das durchaus auch auf abstraktem Niveau, doch sind diese Diskussionen an römische Beispiele geknüpft und zielen auf die gegenwärtige politische Situation in Rom. Und wenn in De natura deorum auch mit einiger Raffinesse über das Wesen der Götter diskutiert wird, schwingen Fragen nach der Auswirkung auf die Religionspraxis ebenfalls mit. Heitere Elemente sind möglich, doch zeichnen sich die Dialoge eher durch einen sachlich-ernsten Ton aus.¹⁵⁷

 Becker 1938, 19 – 22.  Cic. rep. (Scipio), de orat. (Crassus), Cato (Cato); Pl. Phd. (Sokrates).  Vgl. Cic. rep. 1, 14; fin. 5, 1; Becker 1938, 15; Hösle 2006, 283.  Becker 1938, 13, und Hösle 2006, 95.  Pl. rep.; vgl. Cic. rep. Dazu Becker 1938, 5; Hösle 2006, 237– 240.  Becker 1938, 14– 16.  Becker 1938, 18. Beispiele für das Auftreten: superbus/inhumanus: Cic. de orat. 1, 99; verecundia: Cic. de orat. 2, 361.  Becker 1938, 19.  Becker 1938, 22.  Becker 1938, 15 f.

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Die Forderung der Gattung Symposion, Heiteres und Ernstes darzustellen, erfüllt Macrobius, indem er die ernsten Themen auf die Vormittage und die heiteren Themen auf die Abende verteilt. Somit ergibt sich ein Schema, in dem Gespräche vor und nach dem Essen stattfinden, das dem Gastmahl seinen Namen gab: Symposien finden in der Regel nach dem Essen statt (Platon) oder beginnen mit dem Essen (Xenophon). Ciceros Dialoge finden hingegen tagsüber statt. Durch diesen Kunstgriff der Aufteilung des Stoffes genügt Macrobius zum einen der Forderung, Ernstes und Heiteres zu schildern, ohne aber durch eine Durchmischung der beiden Bereiche Brüche entstehen zu lassen und wichtige Themen zu entwerten. Andererseits knüpfen die Vormittage der Gespräche mit ihren ernsteren Themen an Ciceros Darlegungen an, indem wichtige Themen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Zudem gewinnt Macrobius durch den Rekurs auf Ciceros Dialoganlage einen längeren Zeitraum für die Gespräche; die Saturnalia könnten auch mit Wohlwollen des Lesers nicht an einem Abend stattgefunden haben. Außerdem wäre die vorgenommene Einteilung in die Abfolge von Ernst und Heiterkeit hinfällig.

4.4 Zeichnung der Figuren in den Saturnalia Wie die Figuren in den Saturnalia gezeichnet sind und inwieweit sie nach den literarischen Typen und den für Cicero aufgewiesenen Verhaltensweisen gestaltet sind, soll der folgende Teil dieses Kapitels untersuchen.

Vettius Agorius Praetextatus Vettius Agorius Praetextatus ist eine der zentralen Figuren der Saturnalia. Dass in der Forschung immer wieder von einem saeculum Praetextati die Rede ist, verwundert nicht, gerade wenn man die Darstellung und Zeichnung des Praetextatus in den Saturnalia zugrunde legt: In seinem Haus finden die Gespräche am Vorabend des Saturnalienfestes und am ersten Tag des Festes statt. Er hat die längsten und meisten Redepartien in dem überlieferten Teil des Werks und gilt bei den anderen Gästen als äußerst gelehrt und angesehen. Auf Praetextatus geht bereits die Versammlung der Runde am Saturnalienfest zurück. Das Treffen am Vorabend der Feierlichkeiten liegt in der Person des Praetextatus und seiner Rolle begründet, auch wenn es dem Wunsch der Freunde entspringt, Praetextatus zu sehen. Praetextatus hatte sich zuhause eingerichtet,

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Besucher zu empfangen¹⁵⁸ (ein Hinweis auf seine herausgehobene gesellschaftliche Stellung und seine amicitia), als Symmachus und Caecina Albinus vorbeikommen, denen Servius nachfolgt. Nach alter Tradition geht Praetextatus ihnen entgegen und begrüßt sie herzlich, um sie gleich darauf in sein Haus zu bitten (Sat. 1, 2, 16). Dort sitzen bereits Furius Albinus und Avienus (Sat. 1, 2, 16), eine Feierlichkeit oder ein Beisammensein war also sowieso bereits im Gange oder geplant. Die Neuankömmlinge werden von Praetextatus direkt in das Gespräch eingebunden, indem er als Gastgeber Caecina Albinus auffordert, aus seinem reichen Kenntnisschatz die Frage zu beantworten, die vorher im Raume stand (Sat. 1, 2, 16). Dass Praetextatus sie nicht selbst hätte beantworten können, ist unwahrscheinlich, da er ja häufig als umfassend gebildet, allzumal in religiösen Fragen, genannt wird. Hier bescheidet er sich aber zugunsten des Gastes. Auch auf Avienus geht er angemessen ein: Als dieser seinem Sitznachbarn eine heimliche Frage stellt, hebt Praetextatus diese Frage ins Plenum. Damit zeigt er zwar, dass er keine Heimlichkeiten und Nebengespräche duldet, andererseits nimmt er die Frage des Avienus aber ernst und tut sie nicht als „Kinderkram“ ab (Sat. 1, 4, 1). Auch später im Gespräch wird eine geflüsterte Frage des Avienus von Praetextatus allen zugänglich gemacht und dient so als Ausgangspunkt für das weitere Gespräch. Dort lobt Praetextatus explizit das Erkenntnisinteresse des Avienus und nennt ihn für sein Flüstern sogar bescheiden (Sat. 6, 7, 1). Praetextatus achtet an mehreren Stellen darauf, dass die Runde sich rechtzeitig trennt (Sat. 1, 5, 11; 3, 20, 8); ob aufgrund seines Alters oder seiner Einstellungen, lässt sich nicht abschätzen. Doch drückt er als Gastgeber sein Bedauern über die Auflösung der Runde aus (Sat. 1, 5, 11), nicht ohne die Anwesenden für den kommenden Tag wieder zu sich einzuladen, womit er die Gespräche der Saturnalia erst in Gang setzt. Während Symmachus die Runde um weitere Teilnehmer (und damit Expertise) ergänzt, sorgt Praetextatus stillschweigend für einen Ersatz für Postumianus, der aufgrund seiner Arbeit nicht kommen will: Nach einem kurzen Tadel des Postumianus, der die Gewichtigkeit des Zusammenkommens unterschätze, erklärt Praetextatus, er habe Eusebius eingeladen (Sat. 1, 6, 2). Neben den sozialen Fähigkeiten, ein gebildeter und angenehmer Gastgeber zu sein, so dass Symmachus ihn als rex conventus bezeichnet (Sat. 1, 5, 13), glänzt Praetextatus auch durch sein Wissen.¹⁵⁹ Dieses Wissen erstreckt sich auf nahezu

 Praetextatus will nicht seine Klienten empfangen, wie Schönberger fälschlich übersetzt. Vielmehr wartet er darauf, dass Freunde ihn aufsuchen, wie deutlich wird durch die Anwesenheit von Furius Albinus und Avienus und das Erscheinen von Symmachus, Caecina Albinus und Servius.  Vgl. soli perfectionem disciplinarum omnium contigit obtinere (‚Ihm allein gelang es, die Meisterschaft in allen Wissensbereichen zu erlangen‘, Sat. 7, 4, 8).

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alle Bereiche, hat aber einen Schwerpunkt im Religiösen. Praetextatus kann treffend und ausführlich über den Kalender und seine Entwicklung sprechen (Sat. 1, 12– 16) wie auch Aussagen über die Sonne und die Götter machen (Sat. 1, 17– 23). Seine Expertise erstreckt sich weiterhin auf das Pontifikalrecht (Sat. 3), dessen Kenntnis er für Vergil nachweist. Auch die anderen Teilnehmer sehen in ihm vor allem einen Experten für Religion.¹⁶⁰ Doch vermag er ebenso kundig über die römische Frühzeit (Sat. 1, 7 f.) oder die Etymologie seines Namens (Sat. 1, 6) zu sprechen. Sein Wissen stammt dabei aus einer Vielzahl von Büchern, die in lateinischer und griechischer Sprache verfasst sind und aus denen er frei aus dem Gedächtnis zitieren kann. Gelegentlich werden einige griechische Zitate übersetzt, doch meist bleiben die Stellen unkommentiert.¹⁶¹ Die Bücher, vor allem der Alten, dienen als hohe Autorität für Praetextatus in seinen Ausführungen. Auf sie verweist er häufig als Beleg; daneben greift er auf Etymologien und allegorische Deutungen zurück. In der Darlegung verfolgt er meist einen logischen Aufbau, doch verknüpft er manche Themen auch assoziativ. Insgesamt achtet er (an einigen Stellen) auf seine Zuhörer, indem er sich bestimmte Ausführungen untersagt, „damit ich nicht weitschweifig werde“ (ne sim prolixus, Sat. 3, 7, 8). Überhaupt spricht Praetextatus nur, wenn er von anderen um die Beantwortung einer Frage gebeten wurde: Nach seinem Namen fragte ihn Avienus, nach der origo des Saturnalienfestes Horus; Symmachus bittet um die Einlassungen zum Kalender, an die wiederum Avienus die Frage anschließt, auf die Praetextatus mit der ‚Sonnentheologie‘ antwortet. Und zur origo der Saturnalien wollte Praetextatus sich zuerst gar nicht äußern; erst als alle anderen ihn dazu drängen, lässt er sich erweichen (Sat. 1, 7, 17). Neben den vielen Fachautoren liest Praetextatus beständig in seinem Vergil (Sat. 1, 24; 3, 11, 5), den er selbst als hochgelehrt ansieht. Der Dichter schreibe sprachlich korrekt, und seine Werke bärgen einen tieferen Sinn.

 So z. B. Avienus: sacrorum … omnium unice … conscius (‚auf einzigartige Weise kundig in allen religiösen Fragen‘, Sat. 1, 7, 17); omnium sacrorum praesul (‚Vorsteher aller Kulte‘, Sat. 1, 17, 1).  Dies könnte darauf verweisen, dass die Teilnehmer der Gespräche (zumindest überwiegend) auch Griechisch verstanden haben, ist aber wohl eher ein Element der literarischen Fiktion als Realität im vierten Jahrhundert. Vom realen Symmachus ist beispielsweise bekannt, dass er mit dem Griechischen nicht sonderlich vertraut war (Cameron 1984, 46); er betont selbst, er lerne es erneut zusammen mit seinem Sohn (Symm. epist. 4, 20, 2). Auch nach Abzug der literarischen Bescheidenheitstopik wird man Symmachus nicht Unrecht tun, wenn man ihm nur mäßige Griechischenntnisse zuschreibt. Diese Auffassung vertritt auch Cameron, der betont, dass in den Saturnalia Fragen, die mit griechischer Literatur und Philosophie zusammenhängen, in den Aufgabenbereich der anwesenden Griechen fallen. Zu den Griechischkenntnissen im Rom dieser Zeit vgl. z. B. Marrou 1958b, 380 – 385.

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Die Einstellungen des Praetextatus lassen sich am ehesten als ‚humanistisch‘, also gebildet und menschenfreundlich, bezeichnen. Seine Offenheit für die anderen Menschen zeigt sich in seinem Lächeln, das – geradezu buddhistisch – die unerschütterliche Ruhe der Gefühle spiegelt. Auf Einwände und Kritik reagiert Praetextatus mit einem Lächeln und verständigen Antworten. Auch Evangelus gegenüber, den die Gäste bei seinem Eintreffen am liebsten gar nicht zulassen wollen, bleibt Praetextatus höflich und lädt ihn ein. Als Gesprächsleiter ist er so bescheiden und hält sich im Hintergrund, dass er die sich natürlich ergebenden Gespräche nicht stört. Dabei achtet er zwar darauf, dass die Fragen des Avienus nicht untergehen; doch lässt er andererseits Evangelus auch an der langen Leine laufen und schaltet sich meist nicht ein, wenn Ausführungen zu lang oder Nachfragen zu bohrend werden. Nur bei den Gesprächen am Vorabend ruft er die Disputanten Avienus und Servius zum Frieden auf, als diese in ein Wortgeplänkel über den Stellenwert des Altertums verfallen. Um seine Person macht Praetextatus kein Aufheben¹⁶² und lebt ein weitgehend einfaches, wenn auch nicht karges Leben. Natürlich besitzt er ein Haus mit einer Bibliothek, in der auch zwölf Personen Platz finden, und Sklaven (u. a. Türwächter und Servierer). Zu essen gibt es selbstverständlich ausreichend, wie Postumianus zu berichten weiß, doch eben nichts Ausgefallenes, Dekadentes.¹⁶³ Und auch den leicht anzüglichen Annehmlichkeiten des Lebens wie Tänzerinnen steht Praetextatus eher ablehnend gegenüber. Es ist bezeichnend, dass gerade er auf diesen Vorschlag, Tänzerinnen einzuladen, leicht gereizt reagiert (Sat. 2, 1, 7).¹⁶⁴ Nur ein weiteres Mal wird seine Gemütsruhe erfolgreich auf die Probe gestellt: Evangelus dringt zu Beginn des Gesprächs in die Runde ein und sagt, er wolle gar nicht wissen, was Geheimes verhandelt werde. Auf diese Unterstellung, bescheinigt der Erzähler, habe Praetextatus seine Geduld verloren und sei verärgert gewesen: Tunc Vettius, quamvis ad omnem patientiam constanter animi tranquillitate firmus, nonnihil tamen consultatione tam proterva motus, … (Sat. 1, 7, 5). Darauf (sagte) Vettius, der – obwohl er aufgrund seiner Gemütsruhe immer unerschütterlich fähig war zu grenzenloser Geduld – durch eine so freche Frage doch etwas verärgert war, …

 Vgl. die Tatsache, dass er die Reihenfolge der Fragen in Buch 7 auslosen lassen will; die angemessene Reihenfolge hätte ihn an erster Stelle gesehen.  Die Speisen waren bescheiden und die Becher klein (Sat. 2, 1, 1).  Vielleicht hat er auch die Ausschweifungen – insbesondere mit Tänzern – vor Augen, die Juvenal beschreibt (Iuv. 11, 160).

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Die Zurückweisung dieser Unterstellung erfolgt in recht scharfer Form. Sie wird sodann mit einem philosophisch-religiösen Thema verknüpft: Die Gespräche des Kreises könnten genauso gut coram publico gehalten werden; denn unter Menschen müsse man immer so sprechen, als ob die Götter zuhörten, und mit den Göttern, als ob Menschen zuhörten. Diese Stelle zeigt zudem, dass Praetextatus nicht nur ein Experte im Bereich „Religiosa“ ist, sondern auch eine gewisse religiöse bzw. philosophische Einstellung im Alltag anwendet. Die Ausrichtung aller Rede am Mithören der Götter deutet auf die Annahme der Präsenz der Götter hin, da die redensartliche Wendung hier als nicht leer dahergesagt erscheint. Zudem sieht Praetextatus die ungeladenen Gäste als Geschenk einer Gottheit an. Ziel der Gespräche soll außerdem sein, träges Nichtstun zu vermeiden und durch das Reden das heilige Fest zu ehren (Sat. 1, 7, 7). Auch in der Sklavenhaltung beweist Praetextatus seine menschenfreundliche Haltung. Zwar lehnt er die Sklaverei nicht allgemein ab, doch sieht er die Sklaven als Mitmenschen, denen gewisse Rechte zuständen und denen man mit Achtung begegnen müsse (Sat. 1, 11). Aus den beiden letzten Punkten ergibt sich, dass Praetextatus neben seinen religiösen Kenntnissen auch die stoische Philosophie gut kannte. Die Auffassungen, man müsse mit Menschen sprechen, als ob Götter zuhörten, und man müsse Sklaven als Mitsklaven ansehen, hat Praetextatus von Seneca übernommen; es handelt sich also um philosophische Ansichten.¹⁶⁵ Doch verbindet Praetextatus diese mit seinem Wissen über die Religion und seiner gelegentlich durchscheinenden Alltagsreligiosität, so dass eine Scheidung der beiden Sphären nicht möglich ist.¹⁶⁶ Wie Praetextatus religiös gebildet ist, ist er auch philosophisch gebildet, und beide Bereiche fallen in den Ausführungen wie in seinem Handeln zusammen. Es entsteht in den Saturnalia also das Bild eines idealen Menschen. Inwieweit hier eine Stilisierung der tatsächlichen Eigenschaften der historischen Person erfolgte oder eine Angleichung an den Typ des idealen Gastgebers, bleibt unklar;

 Die Ausführungen zum rechten Verhalten stammen aus epist. 10, die zum Umgang mit den Sklaven aus epist. 47 (die Exempel sind aus anderen Quellen zusammengesucht, vgl. Willis in der Ausgabe). Seneca geht in der Sklavenfrage jedoch weiter als Praetextatus, indem er die Sklaven als innerlich frei und im Kern als Menschen ansieht. – Auch die Gemütsruhe, die sich im freundlichen Lächeln ausdrückt, ist letztlich nichts anderes als die stoische Apatheia.  Dies ist wahrscheinlich auch nicht anzunehmen, denn die Philosophie und die klassische römische Religion ergänzen sich in ihrer Praxis des Kultes und der Ethik wie in der Theorie der Reflexion über die Götter.

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dass es sich zumindest um eine geschönte Darstellung handelt, betonen beispielsweise Kahlos und Cameron.¹⁶⁷

Nicomachus Flavianus Nicomachus Flavianus ist der zweite Gastgeber der Gespräche. Er bittet die Gäste am Abend des ersten Tages für den kommenden Tag zu sich (Sat. 1, 24, 25). Neben dieser Einlassung finden sich wenige direkte wie indirekte Aussagen von ihm und über ihn. Es heißt, er habe durch sein Kommen zusammen mit Eustathius (einem guten Freund von ihm) und Eusebius die Runde lebendiger gemacht (Sat. 1, 6, 4). Doch finden sich von ihm nur fünf Stellen, an denen er überhaupt spricht: Er kündigt seinen Beitrag zur Vergilverteidigung in dürren Worten an (Sat. 1, 24, 17); er lädt die Runde zu sich ein (Sat. 1, 24, 25); als die Reihe des Anekdotenerzählens an ihn kommt, trägt er einen Witz auf recht trockene Art vor (Sat. 2, 2, 4); er bittet Caecina Albinus um die Erklärung eines Varro-Zitates (Sat. 2, 8, 2); und er fragt Dysarius am dritten Tag nach den Wirkungen von Wein (Sat. 7, 6). Dass nichts weiter von Nicomachus Flavianus bekannt ist, mag zum einen darauf zurückzuführen sein, dass die Passagen verloren sind, in denen er gesprochen hat (z. B. über das Auguralrecht bei Vergil: Buch 3) oder in denen sein Haus und seine Gastgeberrolle im Vordergrund gestanden hätten (Anfang Buch 6). Zum anderen könnte aber auch daran gedacht werden, dass er generell als zurückhaltend gezeichnet werden sollte oder keine prominente Rolle spielen sollte – denn auch in den erhaltenen Passagen beteiligt sich Nicomachus Flavianus ja kaum an den Gesprächen.

Q. Aurelius Symmachus Symmachus ist nach Praetextatus die präsenteste Figur in den Saturnalia. Er trifft am Vorabend des Saturnalienfestes zusammen mit Caecina Albinus und Servius bei Praetextatus ein und lädt die Gäste für den dritten Tag zu sich nach Hause ein. Dort sitzt man zwar nicht in der Bibliothek wie bei Praetextatus am ersten Tage, aber er besitzt ebenfalls eine, die unter anderem einen Vergil in Codexform¹⁶⁸ birgt.

 Kahlos 1998, 14.21; Cameron 1976, 16.  Aus dem Vorhandensein eines Vergilcodex bei Symmachus kann nichts geschlossen werden. Zwar kommen Codices erst im ausgehenden vierten Jahrhundert in Mode (was Symmachus zu einem Neuerer machen würde), doch gibt es die „großen Autoren“ (Homer, Vergil, Livius, Cicero u. a.) bereits seit einiger Zeit im neuen Format (was Symmachus zu einem Sammler von

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Symmachus’ angekündigter Vortrag zu rhetorischen Stilmitteln und Einfällen bei Vergil ist nicht erhalten.Weitere längere Redepartien von Symmachus gibt es in den Saturnalia nicht. Dafür ist er umso präsenter durch kürzere Beiträge, Anmerkungen und Wechselreden, und seine energische Art steht in gewissem Kontrast zur behäbigen Urbanität des Praetextatus. Besonders auffällig ist der hitzige Wortwechsel zwischen Symmachus und Evangelus im Anschluss an die ‚Sonnentheologie‘ (Sat. 1, 24, 1– 14). Symmachus verteidigt an dieser Stelle Vergil gegen den Einwand des Evangelus, der den Dichter nur literarisch-wörtlich lesen will. Symmachus scheint sich durch den Einwand des Evangelus so herausgefordert zu fühlen, dass er ihn heftig angreift. In diesem Angriff wird er sogar polemisch und unterstellt Evangelus, er sei nicht über den Wissensstand eines Schuljungen hinausgekommen (Sat. 1, 24, 5). Im Gegensatz zu diesem leidenschaftlichen Ausbruch erscheint das Auftreten des Symmachus an anderen Stellen gelegentlich als etwas trocken. Als es am ersten Abend um eine vergnügliche Abendbeschäftigung geht, schlägt Symmachus vor, man könne sich doch Witze und Anekdoten erzählen. Diese Beschäftigung sei angenehm und frei von licentia (Sat. 2, 1, 8). Auf das Einverständnis aller hin beginnt er damit, erst einmal ausführlich zu definieren, was überhaupt ein Witz sei. Später erzählt er jedoch einige Anekdoten über Cicero (Sat. 2, 3), bis ihm Avienus ins Wort fällt und selbst einige Anekdoten erzählen möchte. Ihm schien der Vortrag des Symmachus nicht enden zu wollen. Nachdem er aber von Horus zurechtgewiesen worden ist und Symmachus fortfahren kann, fügt dieser nur weniges an und überlässt das Feld bereitwillig Avienus. Als am Vorabend der eigentlichen Gespräche überlegt wird, am nächsten Tag wieder zusammenzukommen, ist es Symmachus, der die Idee einbringt, man könne die Runde erweitern. Er schlägt drei Gäste vor, die die Runde und ihr Wissen erweitern sollen. Dadurch wird deutlich, dass er sowohl die Wissensgebiete der Anwesenden kennt und einschätzen kann als auch in Rom¹⁶⁹ gut vernetzt zu sein scheint. Die potenziellen Gäste preist er in den höchsten Tönen (Sat. 1, 5, 13 – 16). Als Dysarius’ Ausführungen zum Essen im siebten Buch unwidersprochen bleiben und nur Evangelus ihnen nicht zustimmt und harsch eine Gegenrede fordert, stimmt ihm Symmachus zu und rügt nur seinen Ton. Er übernimmt den Kern der Kritik des Evangelus, weitet ihn aber ins Grundsätzliche aus. Es solle jedoch nicht der Eindruck entstehen, man kritisiere nur aus Missgunst; durch die Gegenrede zu den Ausführungen hofft Symmachus, den leichten Ton wieder-

Antiquitäten machen würde). Vgl. zur Entwicklung von Codex und Rolle Mazal 1999; Blanck 1992; Roberts/Skeat 1983.  Dass die Saturnalia in Rom spielen, wird unterstellt. Ein expliziter Hinweis findet sich nicht, doch die realen Personen, deren Namen die Figuren tragen, wohnten nun einmal in Rom.

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herzustellen, der das Gespräch bislang gekennzeichnet hat (lepos, Sat. 7, 5, 4). Dass er damit Dysarius indirekt für seine ausgefeilten und nur schwer verdaulichen Ausführungen kritisiert, scheint Symmachus nicht weiter zu bekümmern. Um die Übernahme der Gegenrede bittet er Eustathius, auch wenn es ihm ein Leichtes wäre, selbst zu sprechen (ibid.). Eine solche Gegenrede hält er kurze Zeit später, nachdem Horus über die Natur der Frau gesprochen hat. Er wirft Horus vor, wie ein Redner das Wahre ins Gegenteil verkehrt zu haben, und rückt alles wieder ‚zurecht‘. In wahrhaft sokratischer Manier stellt er es dann aber den Hörern frei, sich der plausibleren Meinung anzuschließen: Sed de his singuli ut volent iudicent (‚Aber darüber soll ein jeder urteilen, wie er mag‘, Sat. 7, 7, 13). Auch Symmachus erscheint also als eine urbane Figur, die gelegentlich etwas trockener, auf der anderen Seite aber lebhafter wirkt. Er ist gewissermaßen aus demselben Holz wie Praetextatus geschnitzt, doch steht er eindeutig an zweiter Stelle.

Caecina Albinus Eng befreundet mit Symmachus ist Caecina Albinus. Von beiden wird ausgesagt, sie seien cum aetate tum etiam moribus ac studiis inter se coniunctissimi (Sat. 1, 2, 15) aufs Engste miteinander befreundet aufgrund ihres gleichen Alters, besonders aber aufgrund ihres gleichen Wesens und ihrer Bildung.

Gleich nach seiner Ankunft am Vorabend des Saturnalienfestes wird Caecina Albinus von Praetextatus gebeten, die gerade verhandelte Frage nach dem Beginn des Festes zu beantworten. Dies und die Bezeichnung als überaus belesen lassen erkennen, dass Caecina Albinus (wohl nicht nur bei Praetextatus) eine hohe Wertschätzung besitzt. Seinen Vortrag beginnt er aber mit einer captatio benevolentiae: Er könne sich nicht vorstellen, dass noch nicht alles Wichtige gesagt sei, und sein Gedächtnis sei schwach, doch wolle er sich dem allgemeinen Wunsch beugen (Sat. 1, 3, 1). Es erübrigt sich zu sagen, dass die Ausführungen keineswegs auf ein schwaches Gedächtnis schließen lassen. Die Gedächtnisleistung wird von allen gelobt, später noch einmal von Nicomachus Flavianus (Sat. 2, 8, 2), der mit dem Lob eine Frage an ihn einleitet. In seiner sprachlichen Ausdrucksweise neigt Caecina Albinus eher zu Archaismen. Diese Abweichung von der sprachlichen Norm fällt Avienus auf und er protestiert dagegen, sie als Vorbild zu nehmen. Überhaupt ist Caecina Albinus ein Experte für vetustas. In der Verteidigung Vergils wählt er sich die Aufgabe, Vergils

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Übernahme alter Wörter aufzuzeigen. Eine Frage des Nicomachus Flavianus an Caecina Albinus richtet sich auf die Erklärung eines (ebenfalls alten) Varro-Zitats. Neben der Kenntnis der alten Wörter und Deklinationsformen besitzt Caecina Albinus auch noch einiges ‚Kulturwissen‘ über die alte Zeit. Dies zeigt sich – neben dem direkten Lob durch seinen Bruder¹⁷⁰ Furius, der seine Kenntnis als allen überlegen bezeichnet –, als er die Ausführungen des Praetextatus zu den Änderungen im Saturnkult mit Kultänderungen bei den Compitalia (Sat. 1, 7, 34) oder die Ausführungen des Horus über Zahlen (Sat. 7, 13, 11) ergänzen kann. Besonders deutlich wird dieses Wissen und die Verehrung der Vorzeit aber während des zweiten Abendgesprächs, als er das Altertum gegen den Vorwurf der luxuria zu verteidigen sucht. Er bestreitet keineswegs, dass die gegenwärtige Zeit mäßiger sei als das Altertum, in der Summe sei sie aber nicht besser. Überhaupt werde die Beschäftigung mit dem Altertum vernachlässigt (Sat. 6, 4, 1). Caecina Albinus gehört selbstverständlich dem ehrwürdigen Teil der römischen Gesellschaft an. Einige Ausführungen im Detail überlässt er Servius (Sat. 6, 6, 1). Und auch die Verteidigung der Sprachschnitzer, die Avienus ihm vorwirft, beantwortet er mit einem Lächeln (Sat. 1, 4, 4) und lässt Servius für sich sprechen. Schließlich nutzt er die Gelegenheit, sich mit der Sprachgewandtheit des Dysarius anzulegen (Sat. 7, 8, 7). Ob Caecina oder Furius der Vater des Decius ist, der sich im Rahmendialog von Postumianus den Inhalt der Saturnalia berichten lässt, wird nicht deutlich.¹⁷¹

Furius Albinus Furius Albinus ist der Bruder des Caecina Albinus. Das Verhältnis der Brüder ist entspannt, sie loben sich gegenseitig, und es gibt kein Gerangel über den Vortritt bei Wortmeldungen. Er ist bereits vor dem Eintreffen seines Bruders und des Symmachus im Hause des Praetextatus anwesend. Er freut sich, dass die anderen dazustoßen, denn „nichts sei angenehmer, als über gebildete Themen zu plaudern“ (Sat. 1, 2, 16 f.). Auch Furius interessiert sich für das Altertum: Caecina Albinus bescheinigt ihm, er kenne das Altertum nicht weniger gut als er selbst (Sat. 3, 14, 1).

 Dass Furius und Caecina Albinus Brüder sind, wird in den Saturnalia nicht deutlich. Es handelt sich nach Flamant (1977, 59) um eine Hypothese Chastagnols (Chastagnol 1956); vgl. dort z. B. das Stemma S. 249. In PLRE 1 (Stemma 13) wird die Bruderbeziehung ebenfalls angenommen, aufgrund fehlender Quellen aber als hypothetisch dargestellt.  PLRE 1, 35, nennt Caecina Albinus als Vater des Decius mit Verweis auf die Stelle Sat. 1, 1, 7. Doch erlaubt weder diese Stelle (dort findet sich kein Hinweis) noch das Gespräch mit Postumianus (patre Albino, Sat. 1, 2, 3) eine Zuordnung.

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Aus dieser Kenntnis heraus postuliert Furius, man müsse das Altertum trotz seiner Fehler verehren, denn es habe viele Tugenden besessen. Das Altertum wird für ihn auch das Thema zweier Reden; zum einen berichtet Furius Albinus über die luxuria der Vorzeit sowie die Luxusgesetze. Zum anderen beschäftigt er sich mit lateinischen literarischen Vorlagen Vergils aus der republikanischen Zeit. In diesem Bereich wird ihm von seinem Bruder großes Wissen bescheinigt (Sat. 6, 4, 1), und Furius könnte viel zum Thema sagen, worauf er aus Rücksichtnahme auf seine Hörer jedoch verzichtet. Er bemängelt jedoch, dass die Gegenwart sich nicht mehr für die alten Autoren interessiere. Vom Fragespiel des letzten Abends ist er so begeistert, dass er nach seinen zwei Fragen noch weiter fragen könnte – doch sein Bruder Caecina unterbricht ihn dort, weil er selbst etwas sagen möchte. Die beiden Brüder ergänzen sich in ihrem Wissen über das Altertum, schätzen einander sehr, sagen aber sonst nicht viel.

Eustathius Eustathius ist der Philosoph der Runde. Es war Symmachus’ Vorschlag, ihn einzuladen, der ihn auch als Zier der drei Philosophenschulen Stoa, Peripatos und Akademie rühmt (Sat. 1, 5, 13). Furius Albinus nennt ihn den „einzig wahren Anhänger der Philosophie heutzutage“ (Sat. 7, 1, 8). Aufgrund des Namens und seiner Verteidigung Homers, den er als „göttlich“ bezeichnet (divinus vates, z. B. Sat. 5, 13, 5; bzw. Vergil = vester, z. B. Sat. 1, 16, 38), wird deutlich, dass Eustathius Grieche ist; wenn Symmachus Eustathius mit den Worten hic noster (Sat. 1, 5, 16) benennt, muss das folglich als Zeichen der Vertrautheit und Nähe gelten. In der Vorrede zu den Saturnalia stellt der Erzähler Eustathius mit Praetextatus, Symmachus, den Albini und mit Nicomachus Flavianus auf eine Stufe (Sat. 1, 1, 4), mit dem er besonders eng befreundet ist (par insigne amicitiae, Sat. 1, 6, 4). Eustathius vermöge nicht nur treffend über die Philosophenschulen zu sprechen, da er sie alle studiert habe, wie Symmachus sagt; er sei außerdem in Griechisch wie in Latein gleichermaßen beredt und geschickt, so dass er sich selbst dolmetschen könne (Sat. 1, 5, 16).¹⁷² Als der Vortrag über die Einrichtung des römischen Kalenders mit einer Spitze gegen Horus endet, greift Eustathius ein und verhindert, dass Horus auf den impliziten Vorwurf der kulturellen Überheblichkeit antworten muss. Stattdessen bezeichnet er ihn als „ernsthaften und ausgezeichneten Mann“ (Sat. 1, 16, 38) und

 Das soll natürlich ein Lob für den Griechen sein, der die lateinische Sprache gelernt hat, zeigt aber auch, dass Bilingualität nicht mehr selbstverständlich war.

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zeigt Verbindungen zwischen dem ägyptischen und römischen Kalenderdenken auf, was zwischen Praetextatus und Horus vermittelt. Weniger vorsichtig formuliert er seine Kritik an Evangelus’ Forderung nach mehr Wein am ersten Abend des Beisammenseins. Er tadelt ihn regelrecht für seine Begeisterung am Wein, wohingegen er den maßvollen Weingenuss im Rückgriff auf Platon zu verteidigen weiß (Sat. 2, 8, 5). Ja, das maßvolle Trinken sei sogar geboten, wenn man nicht bei offiziellen Anlässen – zum Trinken gezwungen – allzu schnell betrunken werden wolle. Doch dürfe man diese rein leiblichen Freuden nicht gutheißen, was auch mit einem längeren Aristoteleszitat belegt wird. Gegenüber Evangelus, der nur eine platte Platonanspielung kennt, die ihm das Weintrinken rechtfertigt, kann Eustathius also argumentativ mit Platon und Aristoteles umgehen, Evangelus’ Auffassung widerlegen und ins AllgemeinEthische wenden. Eustathius’ Souveränität erweist sich besonders am dritten Tag der Gespräche, als er mit der Bitte konfrontiert wird, einen Vortrag über das Verhältnis von Homer und Vergil zu halten. Darüber sprechen zu wollen, hatte Eustathius angekündigt (Sat. 1, 24, 18), doch seinen Beitrag lieber auf den Erweis der astrologisch-philosophischen Kenntnisse Vergils verwandt (der leider verloren ist). Um die Bitte nicht abschlagen zu müssen oder um die Hörer nicht zu langweilen (wie er es selbst formuliert),verspricht Eustathius, sich kurz zu fassen. Dabei will er nur erzählen, was man noch nicht aus der Schule kennt und was ihm gerade einfällt (Sat. 5, 2, 4– 8). Doch nach diesem knappen Durchgang bittet Avienus um eine ausführlichere Darstellung. Für diese lässt sich Eustathius aus der Bibliothek des Servius’ eine Vergilausgabe bringen, weil er zwar seinen Homer im Kopf hat, bei Vergil aber nachschlagen muss. Nachdem er also eher unsortiert begonnen hat und von Avienus dafür getadelt worden ist, entfaltet Eustathius den Vergil-Homer-Vergleich weitläufig. Dabei erweist er sich als Grieche, der Homer mehrfach als göttlich bezeichnet, Vergil hingegen als schlechten Nachahmer ansieht, der auch weniger genial gewesen sei. Auch Vergils Gelehrsamkeit gehe auf sein mangelndes Selbstbewusstsein zurück, etwas selbst zu verfassen. Trotz der Kritik an Vergil wird sein Vortrag von Praetextatus gelobt (Sat. 6, 1, 1). Während am Anfang des Vortrags noch Struktur und Zielorientierung bemerkbar waren, so verliert sich Eustathius zunehmend in seinen Ausführungen. Den „bereits ausreichenden“ Belegen wird noch einer hinzugefügt (Sat. 5, 18, 11), ein Exkurs wird eingeschoben (Sat. 5, 19, 18 – 23), es gibt Widersprüche (Sat. 5, 13, 40: Vergil folgte ausschließlich Homer; Sat. 5, 17, 4: es gab mehrere Quellen); und zum Schluss wird noch eine lateinische Quelle Vergils angeführt (Sat. 5, 20, 18) – was Eustathius doch eher lächerlich erscheinen lässt, weil er eine Quelle benennt

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und stolz darauf ist, während die beiden Albini kurz darauf eine Vielzahl lateinischer Quellen aufzählen. In den Vergilvortrag bindet Eustathius noch die Kritik an den Grammatikern ein. Er bezeichnet sie abfällig als cohors grammaticorum (‚Grammatikertruppe‘, Sat. 5, 18, 3), die sich auf die wörtliche Erklärung einer Stelle beschränke und nicht nach den griechischen Quellen suche. Überhaupt könne man Vergil nur lesen, wenn man Latein könne – verstehen könne ihn jedoch nur, wer auch die griechische Literatur gut kenne (Sat. 5, 22, 14), was nur wenige vermöchten (Sat. 5, 18, 1). Als Grammatiker lobt er allein Didymus, der der gelehrteste aller heutigen und früheren Grammatiker sei (Sat. 5, 22, 10) – was den anwesenden Servius sicher gekränkt haben dürfte. Eine bedeutende Rolle spielt Eustathius weiterhin in seiner Eigenschaft als Philosoph bei den Tischgesprächen des letzten Abends. In der Diskussion um den Stellenwert der Philosophie vermittelt er zwischen Symmachus und Praetextatus, indem er zwar akzeptiert, dass die Philosophie im Heiligtum angebetet werden müsse (Sat. 7, 1, 5), aber darüber hinaus fordert, dass sie im Alltag auftreten müsse. Es folgt eine längere Passage über die Entstehung der Philosophie. Einen praktischen Beleg für die Anwendung der Philosophie bietet Eustathius dann in der Darlegung über Neckereien und Spott (Sat. 7, 3). Noch stärker tritt seine Wertschätzung der Philosophie zutage, als er im (Wett‐)Streit mit Dysarius um die wahre Erklärung bestimmter Phänomene ringt. Zuerst widerspricht er ihm nur ungern und aus Zwang (Sat. 7, 5, 5) und nennt Dysarius seinen Freund. Diese Haltung wandelt sich aber, so dass er Dysarius bald mahnt, er solle einen Gutgläubigen nicht hinters Licht führen (Sat. 7, 13, 21), und wird zu einem offenen Konflikt, als Eustathius (mit einem Lächeln) die Ausführungen des Dysarius korrigiert. Dysarius hält ihm vor, er spreche als Philosoph von Dingen, die er nicht verstehe, worauf Eustathius verärgert reagiert: Er habe Dysarius für mehr als einen Arzt gehalten, und dieser vergesse wohl, dass die Philosophie die Mutter aller Wissenschaften und Künste sei, nicht die Medizin (Sat. 7, 15, 14). Doch führt der Streit nicht zum Zerwürfnis, wie das Ende der Saturnalia zeigt: Eustathius stimmt den Ausführungen des Dysarius zu und erweitert sie nur leicht (Sat. 7, 16, 20). Eustathius ist ein aktiver Sprecher und tritt mit großem Sachverstand und Selbstbewusstsein auf. Er ist zwar nicht Teil der stadtrömischen Elite, wird aber von ihr als gleichberechtigtes Mitglied akzeptiert, was sich auch in seinem freien Agieren zeigt.

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Avienus (Messala) Avienus Messala¹⁷³ ist zusammen mit Furius Albinus bereits bei Praetextatus anwesend, als die übrigen Besucher des Vorabends ankommen (Sat. 1, 2, 16). Er ist die neugierigste Figur der Saturnalia und fragt sehr viel. Gelegentlich tut er dies heimlich, weil er sich scheut, die Frage direkt auszusprechen, so bei Caecina Albinus (Sat. 1, 4, 1) und bei Servius (Sat. 6, 7, 1). Beide Male unterbindet Praetextatus die heimlichen Nebengespräche, und die Frage des Avienus findet Eingang ins Plenum. Die erste dieser Fragen stellt Avienus sehr vorsichtig, indem er seine Beobachtung mit Komplimenten ausschmückt: „Zwar bewundere ich dein Ansehen …“ (moveor quidem auctoritate, Sat. 1, 4, 2). Gegenüber Servius wird er bald deutlicher in seiner jugendlichen Ablehnung der alten Zeiten, insbesondere des alten Sprachgebrauchs. Er wirft ihm vor, altertümliche Wörter gegen den aktuellen Gebrauch zu verwenden. Generell ist Avienus trotz oder wegen seiner Jugend (Sat. 6, 7, 1; 7, 3, 23: adulescens / adulescentia) recht offen und redet viel. Vom Erzähler wird ihm attestiert, er unterbreche gerne (Sat. 1, 6, 3). Dies zeigt sich zum Beispiel, als er Symmachus beim Anekdoten-Erzählen unterbricht, um selbst etwas vorzutragen. Natürlich lässt er sich von Horus ermahnen, Symmachus zu Ende sprechen zu lassen, doch trägt er im Anschluss seine eigenen Anekdoten sehr eifrig vor (Sat. 2, 3, 14 f.). Einen eigenen Vortrag zu Vergil will Avienus nicht halten, was ihn von den anderen Gebildeten unterscheidet und sicher mit Verweis auf seine Jugend gerechtfertigt werden kann. In seiner Ablehnung des Vortrags bindet er Servius durch ein Kompliment (Sat. 1, 24, 20) mit ein, von dem ein Vortrag erst gar nicht erwartet worden war. In diesem Verhalten zeigt sich ein genereller Zug des Avienus: Er versteht es, sein Verhalten, das gelegentlich ungebührlich ist, durch entsprechende Einleitungen und Komplimente auszugleichen. Die an ihn gerichtete Frage über den Ursprung des Saturnalienfestes leitet er geschickt an Praetextatus weiter, der sich in einzigartiger Weise auf alle religiösen Fragen verstehe, wiewohl natürlich alle gleichermaßen gebildet seien (Sat. 1, 7, 17). Seine eigene Frage an Praetextatus, die die ‚Sonnentheologie‘ zur Antwort hat, leitet er ein mit: et quia sacrorum omnium praesulem esse te divina voluerunt (‚Da die Götter wollten, dass du Vorsteher aller Kulte bist‘, Sat. 1, 17, 1). Bei den ersten Abendgesprächen preist er zunächst das convivium und alle seine Teilnehmer in den höchsten Tönen: Alle seien erhabener als die Teilnehmer

 Es ist nicht ganz klar, ob Messala ein abwesender Freund des Avienus ist, wie Davies, Bornecque und Schönberger übersetzen, oder der Beiname des Avienus, wie die entsprechende Stelle (Sat. 1, 6, 26) in PLRE 2, 760 f., aufgelöst wird.

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am Symposion, das Platon schildert; insbesondere sei Praetextatus noch besser als Sokrates. An dieses Lob schließt er seine kleine Bitte an, man möge doch die Tänzerinnen hereinschicken, die ja zu einem Symposion dazugehören würden (Sat. 2, 1, 5).¹⁷⁴ Einen gewissen Ersatz findet er in den Anekdoten, die er über Julia erzählt und die eine gewisse Erotik enthalten (Sat. 2, 5; 2, 6, 1); er selbst formuliert es so: si aliqua huius [scil. Laberii] atque Publilii dicta referemus, videbimur et adhibendi convivio mimos vitasse lasciviam et tamen celebritatem quam cum adsunt illi excitare pollicentur imitari. (Sat. 2, 7, 1) Wenn wir einige Witze von Laberius und Publilius erzählen, scheinen wir der Frivolität entgehen zu können, für unser Symposion Possenreißer zu engagieren; und doch scheinen wir eine ähnliche Munterkeit erzeugen zu können, wie jene zu erzeugen versprächen, wenn sie da wären.

Und da Avienus gerade das Wort hat, kommt er von Augustus- und Julia-Anekdoten schließlich auch zu Sentenzen aus den Werken des Laberius, mit deren Kenntnis er geradezu prahlt (Sat. 2, 7, 10). Es ist sicher kein Zufall, wenn Avienus sich besonders beim Witze-Erzählen hervortut, sonst aber keine längeren Redebeiträge liefert. Immerhin loben alle sein Gedächtnis wie seine Darstellungsgabe (Sat. 2, 8, 1) und sind fröhlich. Gleichwohl interessiert sich Avienus auch für andere Dinge. Nach einer seiner gewohnt schmeichelhaften Anreden (doctorum optime, Sat. 5, 1, 2) möchte er von Eusebius wissen, ob Vergil oder Cicero heutigen Schülern der Rhetorik eher nutze und was es mit den vier genera dicendi auf sich habe. Auch beim Vortrag des Eustathius zum Vergil-Homer-Vergleich zeigt er sich interessiert, bittet um eine längere Ausführung (Sat. 5, 3, 16) und Ordnung der Darstellung (Sat. 5, 4, 1). Überhaupt scheint sich Avienus für Vergil zu interessieren: Beim Vortrag des Caecina Albinus flüstert er Servius eine Frage ins Ohr, was der Auslöser für eine ganze Reihe von Fragen an den Grammatiker ist. Avienus bekennt, er habe schon lange einen litterator zu Vergil befragen wollen, und nennt Servius doctorum maximus (Sat. 6, 7, 4) und jemanden, „der das wahre Wesen der Wörter kennt“ (ipsius verborum naturae conscius, Sat. 6, 9, 3). Nach einem Test – er stellt Servius eine Frage, auf die ein anderer Grammatiker keine befriedigende Antwort habe geben können – folgt eine ganze Reihe von Fragen, was durch iterum ausgedrückt

 Ähnlich sein Vorgehen in Sat. 7, 3, 1, wo er die „hochgelehrten Herren“ (doctorum doctissimi) um Unterstützung für seinen Wunsch bittet, Eustathius zu einem Vortrag über Spott zu ermuntern.

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wird.¹⁷⁵ Auch bei den allgemeinen Fragen des letzten Abends ist Avienus sehr eifrig, auch wenn er sich seines Eifers bewusst ist: „Wenn du nichts dagegen hast, noch eine Frage“; „wenn ich dir nicht lästig werde“; „eine Frage noch, dann werde ich schweigen“.¹⁷⁶ Sowohl Praetextatus als auch Eustathius loben die Wissbegier des jungen Mannes (Praetextatus: Sat. 6, 7, 3; Eustathius: Sat. 7, 3, 23), und Praetextatus adelt zwei Fragen dadurch, indem er erklärt, Vergilkenntnis sei für alle von Nutzen (Sat. 6, 7, 3), bzw. das Wissen um die Grenzen von Spott und Ironie ziere auch die Älteren (Sat. 7, 4, 1). Avienus erscheint also als ein wissbegieriger junger Mann, der aufgrund seiner Jugend bisweilen impulsiv spricht und agiert. Seine Stellung und seine umgängliche Art erlauben es ihm, gelegentlich aus der Rolle zu fallen, z. B. indem er viele Fragen stellt. Das Verhalten wird aber von den Übrigen wohlwollend gesehen und z. T. gefördert. Robert Kaster sieht in Avienus den Typ des ‚Jungen, der initiiert wird‘: Anfangs sei er überschwänglich und laut, später eher still und gelehrig.¹⁷⁷ Vielleicht kann man ihn auch als eine Art Ideal für den jugendlichen Leser der Saturnalia ansehen, der ihm nacheifern soll, auch wenn keine Strategien zur Steuerung der Leser-Sympathie angewendet werden.

Servius Servius nimmt als hochgelobter grammaticus an den Gesprächen teil, wobei er kein Teil der Runde zu sein scheint. Er ist zum einen bedeutend jünger als die meisten anderen Teilnehmer, steht zum anderen aber auch sozial niedriger als sie. Er hatte sich vor Kurzem in Rom niedergelassen (Sat. 1, 2, 15).¹⁷⁸ Geradezu emblematisch sind die ersten Worte, die Servius spricht, indem er die hohe Stellung der anderen betont und seine eigene, niedrigere:

 Etwas verwunderlich ist die Freude des Avienus, nun endlich einen litterator zur Hand zu haben, den er befragen könne. Das kann wohl kaum heißen, dass Avienus bislang keinen systematischen Unterricht genossen hat (das käme für seine soziale Stellung kaum infrage und widerspräche seinem ausgewiesenen Wissen); und ohne Kontakt mit grammatici hätte er wohl deren Wissen nicht testen können. Am ehesten kann man hierin ein Lob des Servius erkennen, der für fähig gehalten wird, die Fragen des Avienus beantworten zu können.  Hoc quoque si videtur addo quaesitis (Sat. 7, 12, 21); Ni molestus tibi sum (Sat. 7, 12, 22); Adiecta hac una consultatione reticebo (Sat. 7, 12, 38).  Kaster 1980, 242 f.  Servius inter grammaticos doctorem recens professus – ‚Servius, der vor Kurzem angekündigt hatte, als grammaticus zu arbeiten‘.

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‚Licet‘, inquit, ‚in hoc coetu non minus doctrina quam nobilitate reverendo magis mihi discendum sit quam docendum, famulabor tamen arbitrio iubentis et insinuabo primum de Saturnalibus, post de ceteris, unde sit sic eloquendi non novitas. ‘ (Sat. 1, 4, 4; meine Hervorhebung) „Auch wenn ich in dieser an Gelehrsamkeit wie edler Abstammung so verehrungswürdigen Gesellschaft eher lernen müsste als lehren“, sagte er, „so komme ich doch gern eifrig dem Wunsch und Befehl des Symmachus nach und werde zuerst für das Wort ‚Saturnalia‘, dann für die anderen Wendungen darlegen, weshalb dies keine neue Ausdrucksweise ist.“

Auch ist auffällig, dass die Ausführungen des Servius nicht gelobt werden wie die Beiträge aller anderen, sondern gelegentlich ergänzt (z. B. von Praetextatus und Symmachus: Sat. 1, 4, 26 f.). Servius wird vom Erzähler sowohl für seine Gelehrsamkeit wie seine Bescheidenheit aufs Höchste gelobt (iuxta doctrina mirabilis et amabilis verecundia, ‚weiterhin eine bewundernswerte Gelehrsamkeit und liebenswürdige Zurückhaltung‘, Sat. 1, 2, 15). Diese beiden Eigenschaften zeigt Servius während der ganzen Gespräche. Auf eine Frage des Avienus zu altertümlichen Ausdrücken antwortet er kompetent und ausführlich; auf dessen harsche Kritik, er wolle wohl die Sprache der Alten wieder einführen, verteidigt er sich nicht – das übernimmt Praetextatus. Ebenso lässt er sich von Evangelus angreifen, der ihm seine Scheu, einen Witz zu erzählen, als Schamlosigkeit und Hochmut vorwirft (Sat. 2, 2, 12). Die Scheu, vor einem solchen Publikum zu sprechen, zeigt sich bei Servius darin, dass er errötet (Sat. 2, 2, 12; 7, 11, 1) und ansonsten schweigt; am dritten Abend fragt er Dysarius wenig und zurückhaltend, „stimmt ihm respektvoll zu und fragt nicht weiter“ (his dictis venerabiliter adsensus opticuit, Sat. 7, 11, 10). Aktiv zu Wort meldet sich Servius sonst nicht; dafür bitten ihn andere gelegentlich um Beiträge (Avienus, Symmachus und Caecina Albinus). Anders ist sein Verhalten allerdings, wenn er zu Bereichen aus seinem Metier gefragt wird. Die Frage des Avienus nach neuen bzw. alten Wendungen im Vortrag des Caecina Albinus beantwortet er aus dem Stand kompetent und ausführlich und fügt neben Beispielen auch Gründe für den Sprachwandel hinzu (Sat. 1, 4); denn einem Grammatiker müsse man misstrauen. Auch auf Fragen des Avienus zu Vergil am dritten Tag kann er sofort und umfassend antworten (Sat. 6, 7– 9). So sehr die Teilnehmer des Gesprächs den Grammatikern misstrauen – selbst Servius findet an seinen Kollegen etwas auszusetzen (Sat. 6, 9, 4) –, so sehr bekunden sie doch ihre Wertschätzung für Servius.¹⁷⁹ Symmachus bindet den Ge-

 Z. B. Symmachus: Servius … qui priscos … praeceptores doctrina praestat (‚Servius, der die alten grammatici an Wissen übertrifft‘, Sat. 1, 24, 8); und Praetextatus: doctissimus doctor (Sat. 6, 7, 3).

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lehrten auch dadurch ein, dass er ihn am Abend des zweiten Tages bittet, etwas aus seinem Wissensbereich einzubringen: Er soll über verschiedene Arten von Nüssen, Äpfeln, Feigen etc. sprechen, wodurch Servius sich nicht nur als sprachlich, sondern auch als ‚realweltlich‘ kompetent erweist (Sat. 3, 18 – 20) – also die Basiskompetenzen des Grammatikers mustergültig beherrscht. Zudem kennt er das Altertum genau, ohne dessen Kenntnis viel nötiges Wissen zur Erklärung der literarischen Werke fehle (Sat. 6, 9, 9). Und auch Caecina Albinus bittet Servius um einen Vortrag, und zwar darüber, was ihm zu Vergil einfalle; er habe sich ja schon länger mit ihm befasst (Sat. 6, 6, 1); Servius fällt zunächst ein, dass Vergil ehrwürdig sei (Sat. 6, 6, 2), schöne Ausdrücke benutze (Sat. 6, 6, 7 f.) und feine Wechsel von der Schilderung zur Apostrophe einer Figur vornehme (Sat. 6, 6, 14). Servius wird schließlich zu einem ‚Sonderlehrer‘ für Avienus bestellt: Der hatte bekundet, er habe vielerlei Fragen an einen litterator, und Praetextatus fügt hinzu, Servius solle Avienus einen Weg zeigen, wie dieser von Vergil sprechen solle (Sat. 6, 7, 3) – ja, eine solide Vergilkenntnis sei für alle von Nutzen. Servius ist also ein idealer Sprachlehrer, der durch seine Bildung und Bescheidenheit die anderen grammatici übertrifft und daher von der Runde geschätzt wird.

Eusebius Eusebius wird (wie einige weitere Charaktere) nicht mit vollem Namen genannt. Er wird von Postumianus eingeführt als „beredter und gebildeter Rhetor, der bei den Griechen unserer Zeit alle übertrifft und auch die lateinische Literatur genau kennt“ (facundus et eruditus … rhetor inter Graecos praestans omnibus idem nostra aetate professis, doctrinae Latiaris haud inscius, Sat. 1, 2, 7). Auch Praetextatus nennt ihn einen „für seine griechische Gelehrsamkeit und Redekunst berühmten Rhetor“ (Graia et doctrina et facundia clarus rhetor, Sat. 1, 6, 2). Eusebius hat einen Schülerkreis in Rom (Sat. 1, 2, 9). Seine Einladung zu den Gesprächen verdankt er der Absage des Postumianus, an dessen Stelle er von Praetextatus eingeladen wird. Aus dieser Tatsache ergibt sich, dass Eusebius hinter Postumianus nur den zweiten Rang als Redner und Freund des Praetextatus genießt. Durch den Bericht des Eusebius hat Postumianus von dem Inhalt der Gespräche erfahren und berichtet sie nun seinerseits Decius. Seiner Begabung und Ausbildung zum Redner gemäß spricht Eusebius in der Verteidigung Vergils über dessen Kunstfertigkeit in der Rhetorik. Sein Vortrag ist zwar recht trocken, doch gliedert er seine Ausführungen über den Einsatz von Pathos bei Vergil, so dass der Vortrag geordnet erscheint. Seine Ausführungen

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können die anderen überzeugen, dass Vergil auch ein Redner gewesen sei und eine rhetorische Ausbildung genossen habe (Sat. 5, 1, 1). Von Avienus gefragt (der ihn Sat. 5, 1, 2 doctorum optime nennt), ob Cicero oder Vergil für die heutige Jugend mehr Gewinn bringe, weicht Eusebius der Falle aus, sich für einen von beiden entscheiden zu müssen. Eine gewisse implizite Entscheidung fällt er dann aber doch, indem er die Lehre der vier genera dicendi vorstellt. Es gebe vier Stilideale, und Cicero stehe für eines davon; nur Vergil vermöge es, angemessen alle vier genera zu nutzen. Avienus bittet sodann um eine ausführliche Darlegung der vier genera, die Eusebius gern unternimmt. Da dieser kurze Vortrag auf die Bitte eines Zuhörers zurückgeht, achtet er darauf, diesen als Adressaten auch einzubeziehen: „willst du nun sehen …“ (vis autem videre, Sat. 5, 1, 13) bzw. „siehst du …“ (videsne, Sat. 5, 1, 18). Außerhalb dieser Darlegungen bleibt Eusebius weitgehend stumm. Sein Wesen ist auf das eines Rhetorikexperten beschränkt, persönliche Charakterzüge fehlen weitgehend.

Dysarius Dysarius ist etwa genauso alt wie Eusebius, etwa 60 Jahre (Sat. 7, 10, 1). Er gilt zur Zeit der Gespräche als der beste aller Ärzte in Rom, wie der Erzähler ihn einführt (Sat. 1, 7, 1), und wird von Symmachus sehr geschätzt (Sat. 7, 7, 13). Er trifft zusammen mit Evangelus ein, hat also keine Einladung erhalten. Außerhalb der Gespräche des letzten Abends meldet er sich nicht zu Wort,¹⁸⁰ was vielleicht auf seinen sozialen Rang und seine lückenhafte (literarische) Bildung hinweist. Weder stellt Dysarius Nachfragen irgendwelcher Art noch kritisiert er Ausführungen noch beteiligt er sich an der Verteidigung Vergils. Seinen Auftritt hat er am letzten Abend, als das Gespräch auf allgemein-philosophische und medizinische Themen im Besonderen kommt. Praetextatus regt zu einer Fragerunde rund um das Thema Gastmahl im weiteren Sinne an und bittet Dysarius, die Fragen zu beantworten. Er behandelt Dysarius mit einem gewissen Respekt vor seinem Wissen, wenn er seine Frage so einleitet: [Dysarius] cuius plurimum ad hoc genus quaestionum poterit ars et doctrina conferre, … (Sat. 7, 4, 1) [Dysarius,] dessen Können und Wissen zu dieser Art von Fragen sehr viel wird beitragen können, …

 Die Anekdote, die er am ersten Abend erzählt, ist verloren gegangen.

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[Dysarius] qui quid conveniat corporibus humanis non minus callet quam ipsa natura, fabricae huius auctor et nutrix. (Sat. 7, 4, 3) [Dysarius,] der in den Fragen, was dem menschlichen Körper nutzt, nicht weniger verständig ist als die Natur selbst, die Schöpferin und Nährerin unseres Körpers.

Tatsächlich erweist sich Dysarius allen Fragen gewachsen, die im Laufe des Abends an ihn gestellt werden. Bei seiner Antwort auf die Frage des Praetextatus beginnt er sogar mit einer sozial- und höreradäquaten Vortragsweise, indem er einerseits Praetextatus seine Achtung aufgrund seiner Bildung ausspricht (weswegen man auch solide Begründungen liefern müsse: Sat. 7, 4, 8) und anderseits doch weiter ausholt, damit es alle verständen (Sat. 7, 4, 13). Trotzdem bemüht er sich, sich kurzzufassen (Sat. 7, 4, 33). Auch wenn er für seine Ausführungen meist Zustimmung erhält (Sat. 7, 5, 1; 7, 7, 1), verkennt er zunächst doch den Sinn der Fragerunde. Zwar war von Praetextatus der Anspruch erhoben worden, sich durch Fragen weiterzubilden, doch geht der Informationsaspekt der Fragerunde zunehmend verloren. Evangelus kritisiert Dysarius für den griechisch-rhetorischen Charakter seiner Ausführungen und fordert zu einer Gegenrede auf. Seine Einwände liegen also nicht auf der inhaltlichen Ebene, und die Forderung nach einem Widerspruch erinnert eher an die rhetorischen Schulübungen der controversiae, bei denen ein Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln behandelt wurde. Auch Symmachus unterstützt diese Position, so dass Eustathius gezwungen ist, eine Gegenrede zu halten (Sat. 7, 5, 4). Dass es sich dabei eher um eine rhetorische Fingerübung handelt, verkennt Dysarius, wenn er Eustathius tadelt (Sat. 7, 5, 33). Eine solche Gegenrede folgt ebenfalls auf Dysarius’ folgende Einlassung, diesmal von Symmachus. Gegen Ende der Runde schaltet sich Eustathius wieder ein und hält Dysarius triumphierend die wahre Erkenntnis durch die Philosophie entgegen. Der ersten Gegenrede durch Eustathius hält Dysarius noch tapfer die Empirie entgegen und versucht auch später, die Aussagen Platons über bestimmte medizinische Sachverhalte als falsch darzustellen. Damit scheitert er aber, da die Philosophie per se recht habe. Im Austausch mit Evangelus jedoch erkennt er durchaus den Spielcharakter seiner Fragen. Evangelus hatte sich vorgenommen, Widersprüche in der Theorie des Dysarius aufzuzeigen; doch Dysarius kann diese leicht erklären und erkennt die Netze, die er als „zu weitmaschig“ bezeichnet, um ihn zu fangen (retia … nimis rara sunt, nimis patula, Sat. 7, 9, 10). Evangelus zeigt sich von den Erklärungen stark beeindruckt. Ob die abwägenden Äußerungen auf die Frage nach Henne oder Ei durch ihre Ernsthaftigkeit eher persiflieren oder die systematische Denkfähigkeit des Dysarius belegen sollen, lässt sich nicht entscheiden.

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Im Ganzen betrachtet spricht Dysarius eher trocken und pedantisch, er erscheint als ein typischer Fachmann. Er weist nach Flamant die typischen Merkmale des Arztes in einem Symposiondialog auf.¹⁸¹

Horus Horus erscheint zusammen mit Dysarius und Evangelus ohne Einladung im Haus des Praetextatus. Er war früher Faustkämpfer gewesen und hat sich nun der kynischen Philosophie zugewandt (Sat. 1, 7, 3). Wie sein Name nahelegt, stammt Horus aus Ägypten und besitzt auch eine starke ägyptische Identität. Seinen kulturellen Hintergrund bringt Horus in seine Fragen und Beiträge mit ein. Praetextatus’ Vortrag über den Kalender betrachtet er aus ägyptischer Perspektive und berichtet von der ägyptischen Lösung des Schaltproblems. Dabei suggeriert er, dass die Ägypter schon sehr früh (früher als die Römer jedenfalls) eine adäquate Lösung des Problems gefunden hätten; Ägypten bezeichnet er dabei als „Mutter aller Künste“ (Sat. 1, 15, 1 f.). Den römischen Kalender jedoch versteht er nicht, möchte ihn aber kennenlernen. Praetextatus erfüllt ihm den Wunsch, beendet seine Ausführungen allerdings mit leichtem Spott auf den argutus Niligena et gentis accola numerorum potentis (‚pfiffiger Ägypter und Vertreter dieses zahlenkundigen Volkes‘, Sat. 1, 16, 37), was sicherlich die kulturelle Überheblichkeit des Horus in die Schranken weisen soll. Seine Ägypten-Expertise zeigt Horus auch in Buch 7 (Sat. 7, 13, 9), als er die Aussagen des Dysarius über Ägypten billigt. Dass er kein Römer ist und die klassischen Geschichten nicht kennt, zeigt sich auch daran, dass er statt eines Witzes oder einer Anekdote aus der Zeit der Republik oder der Kaiserzeit ein Distichon Platons zitiert (Sat. 2, 2, 15). Er unterstützt die Vorstellungen des Dysarius gegen den Einwand des Symmachus (Sat. 7, 7, 2) – was diesen veranlasst, über Horus zu sagen, er wolle vom Kyniker zum Redner wechseln. Eine Verbundenheit mit Dysarius, der wie er ebenfalls leicht außerhalb des sozialen Kreises zu stehen scheint, zeigt sich unter anderem in der Einleitung seiner Frage: „Erkläre uns dies, wenn es dir recht ist“ (hoc in commune nobis, Disari, si videtur, absolve, Sat. 7, 13, 1). Die kynische Auffassung stört die übrigen Teilnehmer nicht (Eustathius bezeichnet ihn als gravis vir et ornatus, Sat. 1, 16, 38), und anscheinend auch nicht die Tatsache, dass Horus – wie es sich für einen Kyniker gehört – nur ein Kleidungsstück besitzt, auf das sich dann natürlich auch seine Frage am letzten Abend

 „Il lui fait tenir un rôle de pure convention sans essayer de lui donner une personnalité accusée“ (Flamant 1977, 71).

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bezieht. Da er der letzte Frager ist, erlaubt er es sich, noch eine Frage zur Wahrnehmung anzufügen. Ganz vertraut mit der sozialen Struktur oder mit dem Wissensstand der anderen Gäste ist er aber nicht. Seine Frage nach der origo des Saturnalienfestes richtet er zunächst an seinen engen Freund, Avienus. Der erst reicht sie weiter an Praetextatus, der ja allen in der Runde als Religionsexperte bekannt ist. Horus bringt zwar durch seine ägyptische Herkunft und seine kynische Überzeugung gewissen Schwung in die Runde, doch übernimmt er weder die Rolle eines enfant terrible noch die eines Philosophen.¹⁸² Dass er Kyniker ist, zeigt sich in den Saturnalia nicht, denn der gilt als schwatzhaft und brutal – Flamant benennt daher seine Rolle als die eines Ägypters, dem man aus der Gattungstradition heraus die des Kynikers umgehängt habe.¹⁸³

Evangelus Evangelus ist die schillerndste Figur der Saturnalia. Er erregt Aufsehen und Widerspruch dadurch, dass er sich anders verhält als die anderen Teilnehmer der Gespräche. Bereits bei seinem Kommen, natürlich ohne Einladung, erregt er das Missfallen der Anwesenden. Er scheint allen gut bekannt zu sein, und zwar nicht im positiven Sinne. Als nämlich gemeldet wird, dass Evangelus da sei, bricht allgemeiner Unmut aus, da man die Harmonie der Gruppe gefährdet sieht. Und auch vom Erzähler wird Evangelus gleich mit negativen Attributen eingeführt. Es heißt: Conrugato indicavere vultu plerique de considentibus Evangeli interventum otio suo inamoenum minusque placido conventui congruentem. erat enim amarulenta dicacitate et lingua proterve mordaci, procax ac securus offensarum, quas sine delectu cari vel non amici in se passim verbis odia serentibus provocabat. (Sat. 1, 7, 2) Durch Stirnrunzeln zeigten die meisten Gäste, dass die unerwartete Ankunft des Evangelus ihrer gepflegten Freizeitbeschäftigung unzuträglich sei und nicht zu ihrem angenehmen Zusammensein passe. Sein Witz war nämlich derb und seine Zunge vorlaut und spitz; er war frech und unempfindlich gegenüber dem Unwillen, den er bei Freund und Feind immerzu gegen sich hervorrief durch seine Streit säenden Worte.

Und seine ersten Fragen verstärken den negativen Eindruck weiter: Er lässt sich insgesamt dreimal bitten, doch dazubleiben (obwohl das keiner möchte) und reizt durch die Unterstellung, etwas Geheimes werde verhandelt (Sat. 1, 7, 4), Prae-

 Zur Rolle des Kynikers vgl. Martin 1931, 71– 76.  Flamant 1977, 72 f.

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textatus so sehr, dass dieser das einzige Mal in den Saturnalia beinahe die Fassung verliert (Sat. 1, 7, 5). Evangelus scheint entweder die leichte Feindseligkeit nicht zu spüren oder sie gar zu genießen, denn er lässt sich dann besänftigt (temperatus, Sat. 1, 7, 12) nieder. Der Frieden hält jedoch nicht lange. Evangelus greift Praetextatus nach seinem Vortrag über die origo des Saturnalienfestes an und wirft ihm vor, sich in den Mittelpunkt zu spielen, immer recht haben zu wollen, in allem etwas Religiöses sehen zu wollen und den Aberglauben zu nutzen, um die Hörer zu manipulieren (Sat. 1, 11, 1), sie insbesondere zu der Überzeugung zu bringen, dass die Götter sich um die Sklaven kümmerten. In ähnlicher Weise greift er Praetextatus indirekt an, indem er behauptet, Vergil habe gar nicht das gemeint, was Praetextatus in der ‚Sonnentheologie‘ aus ihm herausgelesen habe (Sat. 1, 24, 1). Im folgenden Streit mit Symmachus zeigt sich Evangelus unbelehrbar und hält an einer wörtlichen Lesart Vergils fest, auch wenn er sich dafür von Symmachus unterstellen lassen muss, auf dem Niveau eines Schuljungen stehen geblieben zu sein. In den Gesprächen des letzten Abends kritisiert Evangelus die Ausführungen des Dysarius als weitschweifig, rhetorisch überladen und suggestiv. Er fordert daher eine Gegenrede, am besten ebenfalls von einem Griechen, damit „eine Krähe der anderen ein Auge aushacke“ (Sat. 7, 5, 2).¹⁸⁴ Die Einwände des Evangelus wirken meist sehr schroff.¹⁸⁵ Es muss jedoch zweierlei beachtet werden: Zum einen bringen seine Einwände die Gespräche weiter und vertiefen bestimmte Aspekte. Ohne seine Kritik gäbe es die Ausführungen des Praetextatus zu den Sklaven nicht, es fehlte der Hauptteil, die Beschäftigung mit Vergil,¹⁸⁶ und auch die Dreischritt-Struktur des siebten Buches mit Frage – Antwort – Gegenantwort würde fehlen.

 Hierin kann man eine spezifische Griechenfeindlichkeit sehen; doch auch andere Sprecher verwenden die Form Graeculus gelegentlich, und zwar nicht ausschließlich im negativen Sinn. Dass Evangelus die Griechen und ihre griechische Beredsamkeit angreift, mag topisch sein oder konkret dem Verdruss über die Ausführungen des Dysarius entspringen. – Dass Evangelus nicht weit vom common sense der Runde entfernt ist, zeigt die Zustimmung des Symmachus.  Aufgrund seines Verhaltens und seiner Einwände wird Evangelus in der Forschung gelegentlich als „absolute Negativfigur“ (Dorfbauer 2009, 284) und ähnlich bezeichnet. Als Grund für diese Darstellung erkennt Dorfbauer: „Dies alles hat Macrobius dazu genutzt, um mit Euangelus eine ‚negative Identifikationsfigur‘ – oder einfacher: ein abschreckendes Beispiel – für den Leser, im Speziellen für seinen Sohn Eustathius, zu schaffen: Euangelus verkörpert das, was von der hehren Gesellschaft der Saturnalia und vom Autor Macrobius abgelehnt wird“ (ibid. 288). Eine rein unterhaltende Funktion erkennt Gallardo (1974, 136).  Evangelus bestimmt dabei indirekt sogar das Programm der Verteidigung, indem er bestimmte Bereiche kritisiert, die dann verteidigt werden müssen (Sat. 1, 24, 7). Diese dramatische

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Evangelus vertieft auch das Verständnis einzelner Aspekte und erhöht die Validität bestimmter Auffassungen, indem er gewisse Fragen stellt und indem er sie bewusst provokant formuliert. Wenn er entgegen der Meinung aller glaubt, bei Vergil ließen sich doch Widersprüche aufzeigen, gibt er die Möglichkeit, diese angenommenen Widersprüche auszuräumen. Es entsteht so der Eindruck, es würden nicht nur die einfachen, offensichtlichen Stellen vorgeführt. Zudem wirkt es umso überzeugender auf potenzielle kritische Leser der Saturnalia, wenn sich ein Widerspruchsgeist den Argumenten beugt und einsieht, dass er sich geirrt hat. Zum anderen greift Evangelus Aspekte an, die durchaus eine Nachfrage wert sind. Welcher heutige Leser würde nicht (zumindest teilweise) in die Kritik einstimmen, ein Konstrukt wie die ‚Sonnentheologie‘ sei nicht bei Vergil angelegt gewesen? Und auch die Hinweise auf Widersprüche bei Vergil sind nicht unbegründet, auch wenn sie schließlich harmonisch in eine Gesamtlesart der Werke integriert werden können. Mag auch der aggressive Ton des Evangelus missfallen, so bleibt doch zu konstatieren, dass er wichtige Fragen gestellt hat. Diese Fragen sprengen z. T. den selbst gesteckten Horizont der Runde und stellen einige Anschauungen (wie die Vergil-Lektüre) generell infrage. Evangelus erweist sich dadurch zwar von seinen Anschauungen her als außerhalb der Gruppe stehend, doch können er und seine Gedanken am Ende doch in die Gruppe integriert werden. Vielleicht ist Evangelus’ kritische Art auch einer Freude am Widerspruch geschuldet.¹⁸⁷ Im Rahmen der Fragen des letzten Abends drängt er sich in der Reihe der Fragen vor und nimmt sich vor, „Dysarius zu plagen“ (exercebo Disarium nostrum, Sat. 7, 9, 1). Kurz darauf freut er sich regelrecht, als er einen Widerspruch in der Argumentation des Dysarius entdeckt hat (Sat. 7, 9, 8). Jedoch nimmt Dysarius dies auch sportlich und freut sich über die Freude des Evangelus. Natürlich erweist sich der Sachverhalt als widerspruchsfrei, worüber sich Evangelus am Ende sogar freut (Sat. 7, 9, 26). Im siebten Buch lässt sich eine gewisse „Verwandlung“ des Evangelus konstatieren. Während sein Auftreten in den ersten drei Büchern aggressiv wirkte, schweigt er in den Büchern 4– 6. Im siebten Buch wirkt seine Forderung eines „Hahnenkampfes“ zwischen Dysarius und Eustathius beinahe so, als ob er sich auf ein Spiel freue; und als ihm ein Widerspruch bei Dysarius auffällt, freut er sich. Doch freut er sich ebenso, als ihm die Zusammenhänge des Themas auf einmal deutlich werden. Und als es zu einem Streit zwischen Eustathius und Dysarius zu

Funktion des Evangelus haben bereits Broye (1949, 69), Petrovićová (2007, 100) und Goldlust (2008, 1050) hervorgehoben.  Kaster nennt ihn treffend einen „cross-grained nobleman“ (Kaster 1980, 222). Ebenso d’Agostino: Evangelus „viene affidato l’ufficio del contradittore“ (d’Agostino 1960, 167).

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kommen droht, tut Evangelus den Streit als Geplänkel um die Zungenfertigkeit ab und stellt seine Frage nach der Priorität von Henne und Ei (Sat. 7, 16, 1). Ironisch beginnt er mit „Wenn eure Weisheit ausreicht …“ (quin potius si quid callet vestra sapientia) und nimmt mit seiner Frage dem Streit zwischen Eustathius und Dysarius die Schärfe. Wenn er wenig später bekennt, dass die Frage scherzhaft gemeint gewesen sei, zeigt er sich gleichwohl beeindruckt, dass Dysarius die Frage so ernsthaft und ausführlich beantwortet hat. Am Ende erkennt er sogar die Sachkompetenz des Dysarius und Eustathius und stellt eine ernst gemeinte Frage. Weiterhin fordert er Eustathius zu Widerspruch auf, aber nur für den Fall, dass er inhaltlich divergiere (Sat. 7, 16, 19); ansonsten freut er sich an der Redekraft der beiden Griechen – die er vor Kurzem noch getadelt hat. Es scheint, als hätte die Gruppe durch ihre Sanftmut und ihre Gelehrsamkeit Evangelus am Ende assimiliert.¹⁸⁸ Dass Evangelus ein Christ sei, ist häufiger behauptet worden.¹⁸⁹ Dafür finden sich keine Belege in den Saturnalia. Der Name weist nicht auf einen Christen hin¹⁹⁰, und sein Verhalten gibt keinen Aufschluss über eine Zugehörigkeit zum Christentum.¹⁹¹ Die Belege sprechen eher dafür, dass er aus einem nicht-christlichen Milieu stammt:

 Dass Evangelus nie ganz abseits steht, zeigt die Tatsache, dass er in Erklärungen wie ‚Ihr alle seid bedeutender als Alkibiades‘ (Sat. 2, 1, 3) u. ä. eingeschlossen wird, in einiges Lob mit einstimmt, wenn es heißt ‚Alle sind fröhlich‘ (z. B. Sat. 2, 8, 1), und auch an den Tagen zwei und drei überhaupt zu den Gesprächen eingeladen wird.  Klingner 1956, 489; van der Nat (als Diskussionsbeitrag bei Cameron 1976, 35 f.); Frateantonio 2007, 370. Davies äußert sich in der Übersetzung der Saturnalia unentschieden, tendiert aber zu einer christlichen Lesart (12 f.). Die Gegenposition vertreten u. a. Glover (1901, 175), Cameron (1966, 34 f.; 1976, 36), Guittard (1975, 1021) und Willis (1966, 158). Courcelle konstatiert ebenfalls, dass Evangelus an sich kein christlicher Name sei (Courcelle 1948, 8).  Der Name Evangelus scheint in der Antike nicht sehr häufig gewesen zu sein. Doch findet er sich bereits in klassischer griechischer Zeit und im Hellenismus (RE: 7 Belege), und von den drei Evangeli, die PIR und PLRE verzeichnen, war nur einer eindeutig ein Christ. Es gibt nur wenige literarisch bezeugte Evangeli. Symmachus verweist in einem Brief (Symm. epist. 6, 7) auf einen Evangelus, der vielleicht die Vorlage für die Figur in den Saturnalia gewesen sein könnte. Ein weiterer Evangelus war Kleriker in Rom (zu seiner Stellung vgl. Rüpke/Glock, 2005, II, Nr. 1572 mit weiterer Literatur) und Briefpartner des Hieronymus (epist. 73 und 146). Die Liste bezeugter Evangeli ist natürlich nicht vollständig; deutlich wird jedoch, dass eine eindeutige Zuordnung (Christ oder Nicht-Christ) unmöglich ist und noch nicht einmal eine Tendenz sich erkennen lässt.  Die Teilnahme an einem convivium an sich ist noch kein Indiz, denn Christen durften durchaus daran teilnehmen:

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Praetextatus sagt, man solle mit Menschen sprechen, als hörten die Götter mit, und mit den Göttern, als hörten Menschen mit. Diese Aussage würde bei Evangelus wohl nicht verfangen, wenn er Christ wäre (Sat. 1, 7, 5). Evangelus lehnt die Teilnahme von Sklaven an religiösen Festlichkeiten ab (Sat. 1, 11, 1); im christlichen Bereich war diese aber üblich.¹⁹² Evangelus lehnt die allegorische Deutung Vergils ab und beharrt auf dem Literalsinn (Sat. 1, 24, 2– 7); von einem Christen würde man erwarten, dass er allegorische Deutungen nicht rundweg ablehnt oder sie auf die heiligen Schriften beschränkt. Evangelus flucht hercle (Sat. 1, 24, 9) und mehercle (Sat. 3, 12, 1), also unter Verwendung der klassischen Götter. Selbst wenn man annimmt, dass es sich um eine traditionelle Wendung handelt, die ihm entwischt, so flucht er doch – was Christen nicht tun sollen.¹⁹³ Schließlich kritisiert Evangelus Vergils peinliche Unkenntnis – im Bereich des Pontifikalrechts. Das heißt, dass er die kultischen Regeln kennen muss; er sagt entsprechend von sich: et nos cepimus pontificii iuris auditum (‚Auch wir haben etwas vom Pontifikalrecht gehört‘, Sat. 3, 10, 2).¹⁹⁴

Zwingen diese Beobachtungen auch nicht dazu, in Evangelus keinen Christen zu sehen, so machen sie die Annahme, er sei ein Christ, doch unwahrscheinlicher. Nun zu unterstellen, in Evangelus sei eben kein mustergültiger Christ abgebildet

Unde dominus cum peccatoribus manducando etiam cum gentilibus non prohibet nos inire convivium dicens: non egent qui sani sunt medico, sed qui male habent [Lk. 5, 31] (Ambr. in Luc. 5, 18). Indem er selber mit den Sündern speiste, verbietet uns der Herr nicht, auch mit den Heiden zu einem Symposion zusammenzukommen, und er sagt: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.  Vgl. zum Stand der Sklaven in der christlichen Vorstellung Laub 1982 (zur frühchristlichen Position) und Klein 1988 (zum Verständnis bei Ambrosius und Augustin).  Vgl. Hier. epist. 21, 13, 8, der genau diese Fluchwendungen für Christen ablehnt: absit, ut de ore Christiano sonet ‚Iuppiter omnipotens‘ et ‚mehercule‘ et ‚mecastor‘. (‚In der Rede eines Christen sollen die Ausdrücke ‚Allmächtiger Jupiter‘, ‚Bei Herkules‘ oder ‚Bei Castor‘ nicht erklingen.‘)  Unabhängig von dieser Beobachtung ist die Frage, ob Evangelus realistischerweise Unterricht im Pontifikalrecht erhalten haben kann. Einige Interpreten erkennen darin ein Indiz dafür, dass Macrobius Christ gewesen sei, da es Religionsunterricht in christlichem, nicht jedoch in heidnischem Kontext gegeben habe (u. a. Cameron 2011, 271). Durch diese Stelle allein lässt sich die Frage jedoch nicht beantworten; auch wenn auditus regelmäßig mit ‚Unterricht‘ übersetzt wird, kennt ThLL diese Bedeutung nicht; dort ist auditus an dieser Stelle gedeutet als „actus audiendi“.

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und zudem einer, der in seiner Jugend das Priesterrecht kennengelernt habe, ist zwar möglich; doch bleiben dann wohl kaum genug Indizien übrig, aufgrund derer die Leser die Figur als Christen identifizieren könnten. Evangelus ist also eine Figur, die Widerspruch hervorruft, im Werk auf diese Weise aber Diskussionen herbeiführen kann und Begründungen für bestimmte Positionen einfordert. Somit kann Evangelus als Identifikationsfigur für Leser gelten, die sich zunächst nicht auf die argumentative Konsenslinie einlassen wollen. Durch die Zähmung seines unbeherrschten Verhaltens erweist sich zudem die Offenheit und die Assimilationskraft der Runde um Praetextatus.

4.5 Die Interaktionen Die Saturnalia wurden einmal als ein Werk bezeichnet, dessen grundlegende Eigenschaft das ‚olympische Lächeln‘ sei.¹⁹⁵ Diesen Eindruck gewinnt man leicht beim ersten Lesen des Buches. Besonders Praetextatus lächelt nahezu ununterbrochen, und wie dieses Lächeln zu deuten ist, wird an der einen Stelle explizit erklärt, an der das Lächeln (kurz) von seinem Gesicht verschwindet: Tunc Vettius, quamvis ad omnem patientiam constanter animi tranquillitate firmus, nonnihil tamen consultatione tam proterva motus, … (Sat. 1, 7, 5) Darauf (sagte) Vettius, der – obwohl er aufgrund seiner Gemütsruhe immer unerschütterlich fähig war zu grenzenloser Geduld – durch eine so freche Frage doch etwas verärgert war, …

Nicht nur Praetextatus lächelt auf die Einwände des Evangelus (Sat. 1, 11, 2; 3, 10, 5), auch eine Reihe weiterer Figuren lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und bleibt stets gelassen, z. B. Caecina Albinus auf den Einwand des Avienus (Sat. 1, 4, 4), Symmachus auf Horus’ Verteidigung des Dysarius (Sat. 7, 7, 8), Dysarius gegenüber Evangelus (Sat. 7, 9, 10) oder Eustathius, als er Epikur widerlegt (Sat. 7, 14, 5). Das Lächeln ist immer die Reaktion auf einen Einwand gegen den Vortrag eines Sprechers und demonstriert sowohl Selbstbeherrschung als auch das Bestreben, keinen Konflikt entstehen zu lassen. Diese Umgangsformen sind nach dem ciceronischen Dialog gestaltet, in dem man einander nicht unterbricht, in der Regel nicht widerspricht und den anderen nur nach Dingen fragt, die dieser auch beantworten kann (und dann auch muss).¹⁹⁶ Dieses Verhalten ist in den Saturnalia in der Handlungsweise der Figuren umgesetzt; im

 Kaster 1980, 238 f.  Becker 1938, 19 – 22. Vgl. dazu auch Sat. 7, 1– 2, wo dieselben Vorgaben explizit ausgesprochen werden.

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siebten Buch findet darüber hinaus eine Reflexion über einige Aspekte dieser Frage statt, z. B.: Wie frage ich richtig, ohne jemanden bloßzustellen (Sat. 7, 2)? Das gegenseitige Aussprechen von Komplimenten und Lob überdeckt jedoch eine grundlegende Differenz unter den Teilnehmern.Während nahezu alle Teilnehmer von anderen oder allen gepriesen werden oder Lob für ihre Ausführungen erhalten, zeigt sich im Hintergrund doch eine Zweiteilung der Anwesenden. Servius’ Leistung wird zwar gelobt, doch kann es passieren, dass seine Ausführungen von anderen Teilnehmern ergänzt werden (Sat. 1, 4, 27) – ein Vorgehen, das sonst fast nicht vorkommt. Und als Dysarius einen Wahrheitsanspruch der Medizin über die Philosophie anmeldet, wird er von Eustathius schulmeisterlich abgekanzelt, wobei Eustathius sich leicht erregt (Sat. 7, 15, 13 f.). Gegen Dysarius’ Ausführungen protestieren auch Symmachus (Sat. 7, 5, 3 f.) und Caecina Albinus (Sat. 7, 8, 7). Horus wird für sein Beharren auf der Hochschätzung Ägyptens in der Erfindung von Kult und Kalender von Praetextatus verspottet (Sat. 1, 16, 37). Besonders deutlich wird das soziale Gefälle im Verhältnis von Servius und Evangelus.Wie Robert Kaster gezeigt hat, lässt sich an der Interaktion ablesen,wie der sozial niedrig stehende Servius sich nicht gegen Evangelus behauptet, als der ihm im zweiten Buch zusetzt. Auch wenn Evangelus mit seinen Vorwürfen und dem Angriff die Etikette der Runde stärker verletzt als Servius mit seinem Schweigen, hat Servius keine Chance, sich zu verteidigen. Ein ähnliches Verhalten ist im Austausch von Dysarius und Eustathius zu beobachten.¹⁹⁷ Gleichwohl besteht die Fiktion, dass alle Teilnehmer gleichermaßen gebildet sind und Belehrung an sich nicht nötig sei. Caecina Albinus schickt seinen Ausführungen voraus, dass man bestimmt schon alles gesagt habe, er werde aus seinem schwachen Gedächtnis jedoch gern etwas hinzufügen (Sat. 1, 3, 1); Servius konstatiert, dass er in der Gesellschaft eher lernen als lehren müsse, er aber nun doch antworten werde (Sat. 1, 4, 4); Avienus leitet eine Frage an Praetextatus weiter, der er vorausschickt: „Wenn auch alle Anwesenden gleich gelehrt sind“ (Sat. 1, 7, 17); Symmachus beginnt mit „Es könnte ja einem der Anwesenden unbekannt sein“ (Sat. 1, 12, 1); Eustathius beginnt seinen Vortrag mit dem Versprechen, alles auszulassen, was den Hörern bekannt sein dürfte (oder müsste) (Sat. 5, 2, 4 f.; 5, 2, 8); Servius flicht in seinen Vortrag die Bemerkung ein: „Die Sache wird oft erörtert, aber es wird euch nicht lästig sein …“ (Sat. 6, 8, 17). Die Fiktion ist also ein Gespräch auf Augenhöhe, das eher dem Austausch dient als der Belehrung. Keiner der Teilnehmer möchte sich über die anderen erheben und als Lehrer auftreten.

 Kaster 1980, 226 und 240 f. Zu beachten ist allerdings, dass Evangelus mit dem ‚Angriff‘ auf Servius letztlich auch eine Tradition fortsetzt: In Xenophons Symposion wirft Sokrates dem Hermogenes vor, dieser begehe durch sein Schweigen eine παροινία (Xen. Symp. 6, 1 f.).

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Wie das Lächeln zeigt, dass Streitigkeiten im Keim erstickt werden sollen, so unterstützen verschiedene Figuren das gleiche Ziel auch durch ihr Eingreifen mit Worten. Praetextatus bremst Avienus aus, als der Caecina Albinus und Servius kritisiert (Sat. 1, 5, 4); Eustathius verhindert, dass Horus auf die Neckerei des Praetextatus antworten muss (Sat. 1, 16, 37 f.); Horus tadelt Avienus, als der Symmachus unterbricht (Sat. 2, 3, 15); Symmachus wendet die harsche Kritik des Evangelus ins Positive (Sat. 7, 5, 4); Evangelus springt mit einer Frage in die Bresche, als es zum Streit zwischen Eustathius und Dysarius zu kommen droht (Sat. 7, 16, 1). In diesem Streben nach Harmonie mag man den Wunsch nach Einheit spüren; doch ist mit Kaster auch zu bemerken, dass diese Versöhnlichkeit der Erkenntnis gelegentlich im Wege steht.¹⁹⁸ Gerade Evangelus’ Fragen haben die Saturnalia ja an manchen Stellen inhaltlich durchaus weitergebracht. Zugleich lässt sich eine Rangordnung unter den Gästen durchaus feststellen. Diese kommt an drei Stellen der Saturnalia zum Vorschein. Es handelt sich um die Verteilung der Vorträge zur Verteidigung Vergils, das Erzählen der Anekdoten und die Fragen am letzten Abend. Besonders deutlich wird es im zweiten Buch, weil alle Teilnehmer ohne Unterbrechung hintereinander sprechen; daher ist die Übersicht an der Abfolge des zweiten Buches ausgerichtet.

 Kaster 1980, 240. U. a. daraus schließt Kaster, dass nicht Wissensvermittlung im Zentrum der Saturnalia stehe, sondern die Darstellung einer Einheit von Wissen und Anstand, die zur Belehrung diene.

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Die Übersicht zeigt, dass Praetextatus immer an erster Stelle steht, selbst wenn er nicht mehr der Gastgeber ist. Eng mit seiner Rangstufe verbunden sind Nicomachus Flavianus und Symmachus. Die beiden Albini gehören ebenfalls der gleichen Schicht an, stehen jedoch hinter den ersten drei Figuren zurück. Die Reihenfolge unter ihnen wechselt, was den Eindruck verstärkt, die beiden Brüder respektierten sich auf Augenhöhe. Es schließen sich in wechselnder Folge Avienus, Eustathius und Evangelus an. Das untere Ende der Skala besetzen Eusebius, Servius, Dysarius und Horus. Aller Wertschätzung und allen Beteuerungen zum Trotz ist die soziale Hierarchie auch im Kommunikationsverhalten der Figuren abgebildet. Servius gehört nicht der Oberschicht an und kann von anderen kritisiert werden; Dysarius ist bloß wegen seines Fachwissens eingeladen und wird von Eustathius zurechtgewiesen. Horus ist Ausländer; er kann sich als Kyniker ein aktiveres Auftreten erlauben, erntet aber mit seinem Eintreten für Ägypten den Spott des Praetextatus. Auffällig ist ebenso, dass die meisten Figuren am unteren Ende der Skala zur Vergilverteidigung nichts beitragen (mit Ausnahme des Eusebius). Es wird entweder von ihnen nicht erwartet, oder sie können sich tatsächlich nicht zum Thema äußern. Ihr Schweigen wird nicht thematisiert, nur Servius wird durch Avienus von einem Vortrag ausgenommen. Es zeigt sich also, dass trotz der harmonischen Atmosphäre Rangunterschiede weiter bestehen und auch von niemandem infrage gestellt werden.

4.6 Die Figurenauswahl Blickt man auf die Zusammensetzung der Teilnehmer an diesem Symposion,¹⁹⁹ entsteht zunächst der Eindruck, dass die Gruppe ein breites Panoptikum der ge-

 Dass Anachronismen in der Zusammenstellung der Figuren auftreten, muss nicht weiter verwundern. Dies finde sich schon bei Platon, wie Macrobius zur Begründung anführt: Nec mihi fraudi sit, si uni aut alteri ex his quos coetus coegit matura aetas posterior saeculo Praetextati fuit: quod licito fieri Platonis dialogi testimonio sunt. (Sat. 1, 1, 4) Und man soll mir nicht vorwerfen, dass der ein oder andere Teilnehmer dieser Runde seine Volljährigkeit erst nach der Zeit des Praetextatus erreichte: Dass dieses Vorgehen erlaubt ist, belegen Platons Dialoge. D’Agostino entschuldigt die Anachronismen auch mit der literarischen Konvention: „e quando il senso d’arte guida la mano dello scrittore, poco importa sapere se due persone, storicamente, abbiano potuto o no incontrarsi“ (d’Agostino 1960, 168).

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hobenen, gebildeten Gesellschaft in Rom abbildet.²⁰⁰ So formulierte Kaster auch, in den Saturnalia sei versammelt, wer in Literatur und Gesellschaft einen Namen habe.²⁰¹ Diese Beobachtung trifft sicher zu, doch muss man konstatieren, dass keineswegs alle, die „einen Namen haben“, auftreten. Aus dem literarischen Bereich vermisst beispielsweise Cameron Ammianus Marcellinus und Ausonius.²⁰² Beide Personen waren als Autoren hinreichend gebildet und bereits in ihrer Zeit, sicher aber in der Zeit des Macrobius, auch entsprechend berühmt und angesehen genug, um in die Saturnalia aufgenommen zu werden. Zudem könnte man weitere Autoren der Zeit vermissen.²⁰³ Natürlich hat ebenso bei der römischen Oberschicht eine Auswahl stattgefunden. Zwar sind mit Praetextatus, Symmachus, Nicomachus Flavianus und den Albini führende Mitglieder besonders einflussreicher Familien in Rom zugegen, doch hätten sicher auch andere Personen Aufnahme in die Saturnalia finden können. Die Figur des Postumianus zeigt, dass es auch Personen gab, die hätten dabei sein können, deren Fehlen aber explizit entschuldigt wird.²⁰⁴ Das Kriterium für seine Einladung war die amicitia der Gäste zu ihm (Sat. 1, 2, 5) – was angesichts des weiten Bedeutungsspektrums des Wortes kein Kriterium darstellt, mögliche weitere Teilnehmer zu erschließen. Über die Gründe der Figurenauswahl zu spekulieren, ist jedoch müßig.Warum Macrobius Ausonius oder Ammianus Marcellinus nicht aufgenommen hat, lässt sich aus heutiger Sicht nicht mehr entscheiden. Vielleicht waren die Personen nicht näher mit Praetextatus und den anderen Gästen bekannt oder gehörten einem anderen gesellschaftlichen oder literarischen Kreis an. Vielleicht war auch

 Dazu passt die Beobachtung, dass für nahezu alle Figuren historische Personen als Vorbild benannt werden können: vgl. Flamant 1977 (jeweils zu den einzelnen Figuren); Cameron 2011, passim, und Cristo 1977.  Kaster 1980, 232. Ebenso Cristo 1977, 318.  Cameron 1984, 46, und 2011, 263 f. Weiterhin weist Cameron darauf hin, dass diese Personen wie die meisten Literaten der Zeit auch nicht Teil des sogenannten ‚Symmachuskreises‘ waren, obwohl man dies annehmen sollte, hätte es diesen Kreis wirklich gegeben (Cameron 1976, 3 – 5; Cameron 1984, 45 f.). Vielmehr habe Macrobius die Figuren bewusst so zusammengestellt, dass sie seinem Zweck entsprachen: „Yet it was not Macrobius’ purpose to re-create the pagan society of the 380s, but simply to devise a suitable set of interlocutors as mouthpieces for material he himself had collected on topics he himself found interesting“ (Cameron 2011, 390).  Zu denken ist z. B. an Claudian, der vielleicht etwas zu jung wäre; oder Vegetius oder Palladius, von denen aber nicht klar ist, ob sie zur fraglichen Zeit und in Rom gelebt haben.  Und gerade Postumianus macht deutlich, dass ein Spekulieren über potenzielle Gäste schwierig ist, denn er hätte dem heutigen Leser der Saturnalia wohl nicht gefehlt.

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die Kritik des Ammianus Marcellinus an den römischen Senatoren ausschlaggebend dafür, dass eine Aufnahme in die Saturnalia unterblieb.²⁰⁵ Im Kreis der stadtrömischen Oberschicht lässt sich noch nicht einmal festmachen, welche Personen eigentlich übergangen worden wären. Die Gruppe ist dafür zu groß, und Macrobius hat nun einmal herausragende Personen für die Saturnalia ausgewählt.²⁰⁶ Flamant spekuliert, Macrobius habe einige Personen oder deren Familien gut gekannt,²⁰⁷ doch ist diese Hypothese mit der Figurenwahl und -zeichnung nicht zu beweisen und widerspricht außerdem der heute üblichen Datierung.²⁰⁸ Zudem ist uns zu wenig darüber bekannt, in welchem Verhältnis einzelne Mitglieder der Oberschicht zueinander standen, so dass wir keine Aussagen darüber treffen können, ob Macrobius hier vielleicht eine bestimmte, bereits bestehende Gruppe abgebildet hat oder andere Personen nicht aufgenommen hat, weil sie einer anderen Gruppe angehörten.²⁰⁹ Bemerkenswert ist jedenfalls die Tatsache, dass genau zwölf Personen an den Gesprächen teilnehmen (Sat. 1, 12, 17). Die übliche Teilnehmerzahl bei einem Symposion betrug zwischen drei und neun, wie Gellius eine Varro-Satire paraphrasiert: Dicit autem conuiuarum numerum incipere oportere a Gratiarum numero et progredi ad Musarum, ut, cum paucissimi conuiuae sunt, non pauciores sint quam tres, cum plurimi, non plures quam nouem. (Gell. 13, 11, 2) Er sagt aber, dass die Zahl der Gäste beim Symposion nicht kleiner sein dürfe als die Zahl der Grazien und nicht größer als die Zahl der Musen, d. h. die kleinste Gästezahl soll drei sein und die größte neun.

Macrobius erklärt die Ungewöhnlichkeit einer so großen Gruppe als gerechtfertigt, da nun zwölf Gäste anwesend seien – die Zahl der Grazien und der Musen addiert.

 Ammianus kritisiert die römischen Senatoren scharf: 14, 6; 28, 4.  Infrage kämen beispielsweise die Adressaten der Briefe des Symmachus, die einerseits in das soziale Gefüge der Gruppe gepasst hätten, andererseits aber auch mit einer Figur befreundet waren. Flamant vermisst z. B. den jüngeren Nicomachus Flavianus (Flamant 1977, 65).  Flamant 1977, 86.  Vgl. dazu unten S. 110.  Ich denke hier nicht in erster Linie an den ‚Symmachuskreis‘ (zur Problematik dieses Kreises vgl. schon Cameron 1976, 3 – 5, und jüngst Dorfbauer 2009, 279), sondern ganz praktisch an verschiedene Gruppen in der römischen Oberschicht, die unterschiedliche Interessen und Zentralfiguren gehabt haben mögen. Somit hätte die Auswahl von Praetextatus für die Saturnalia automatisch bedingt, dass andere Personen nicht ohne gewissen Zwang hätten eingeführt werden können.

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Warum Macrobius gerade zwölf Teilnehmer auftreten lässt, ist jedoch nicht zu entscheiden. Auffällig und einer Erklärung bedürftig ist hingegen die Tatsache, dass kein Christ an den Gesprächen während der Saturnalien teilnimmt.²¹⁰ Dies kann nicht daran liegen, dass Christen nicht an Symposien teilnahmen.²¹¹ Und auch die Tatsache, dass die Saturnalia an einem nicht-christlichen Fest stattfinden, hätte Christen nicht abschrecken müssen; im Haus des Praetextatus hätte ein Christ sicher weniger ‚heidnische Festbräuche‘ erlebt als zur gleichen Zeit auf den Straßen Roms. Und was spräche gegen eine gepflegte Konversation über Literatur und andere gelehrte Themen während einer Reihe von arbeitsfreien Tagen? Dass es keine vorzeigbaren, gebildeten Christen in Rom gegeben hat, ist unwahrscheinlich. Doch auch hier lässt sich wiederum nur spekulieren, welche Personen infrage gekommen wären, um in die Saturnalia aufgenommen zu werden. Mit dem ehemaligen Bischof von Rom, Damasus, hatte sich Praetextatus gut verstanden – warum er nicht auftritt, lässt sich nicht erklären.²¹² Sein Nachfolger, Siricius, war zwar bereits lange Zeit vor der Wahl in Rom gewesen, doch gibt es wenig Informationen, die Aufschluss über sein Leben und seine Bekanntschaften geben. Natürlich hätten auch christliche Mitglieder der römischen Oberschicht eingeführt werden können, doch auch hier können wir nur konstatieren, dass Macrobius dies nicht tat; die Gründe bleiben unklar. Zuletzt ist nicht einmal sicher, dass kein Mitglied der Runde Christ war. Die Identifizierung aller Gesprächsteilnehmer als Nichtchristen erfolgt z. T. aufgrund der Annahme, dass in den Saturnalia eben nur Nichtchristen aufträten. So ist beispielsweise bei Furius Albinus nicht so eindeutig, dass er ein ‚Heide‘ war, und PLRE stützt sich für ihre Zuschreibung nur auf sein Auftreten in den Saturnalia. ²¹³ Die freundliche Übereinstimmung unter den Gesprächspartnern muss allerdings nicht auf eine geschlossene Religionsgemeinschaft hindeuten, da es natürlich auch Freundschaften über die ‚Religionsgrenzen‘ hinweg gegeben hat (wie auch Streitigkeiten innerhalb einer ‚Religionsgemeinschaft‘).  Manche Forscher gehen aber davon aus, dass einige der Figuren Christen waren, z. B. Petrovićová 2006, 57, ohne jedoch Namen zu nennen.  S. o. Anm. 191.  Die Anekdote um Damasus und die Rolle des Bischofs von Rom mit Praetextatus’ Antwort darauf (Hier. c. Ioh. 8) weist auf ein vertrautes Verhältnis zwischen Damasus und Praetextatus hin. Zum Verhältnis von Praetextatus und Damasus vgl. z. B. Kahlos 1998, 147– 149.  „[H]e was one of the speakers at the Saturnalia Macr. Sat. I 2. 16; 24. 19, III 14, 1. He was therefore a pagan“ (PLRE 1, 38). – Das soll im Gegenzug natürlich nicht heißen, Furius Albinus sei Christ gewesen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen und würde angesichts der gemischten religiösen Verhältnisse in der Familie nicht verwundern (vgl. den bekannten Hieronymusbrief, epist. 107, oder Chastagnol 1956).

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Vielleicht liegen die Gründe für das Fehlen von christlichen Figuren darin, dass Macrobius sie tatsächlich als nicht würdige Gesprächspartner betrachtete; dass er einen Konflikt mit den Christen vermeiden wollte;²¹⁴ dass die Gespräche eine andere Richtung hätten nehmen müssen oder andere Themen diskutiert worden wären oder dass sie das Hauptaugenmerk des Werks verschleiert hätten. Doch lassen sich diese Thesen nicht weiter substantiieren.

4.7 Die Zusammensetzung der Gruppe Anstatt über die Figurenauswahl weiter zu spekulieren, soll herausgearbeitet werden, wie diese Figuren zusammenwirken und als Gruppe funktionieren. Eindeutig ist, dass sich in den Saturnalia eine harmonische, wenn auch nicht homogene Gruppe versammelt hat.²¹⁵ Diese Gruppe setzt sich zusammen aus einigen Vertretern des ‚alten Adels‘, einigen Fachleuten sowie jüngeren und unangepassten Sprechern. Die erste Figurengruppe ist sozial distinguiert und zudem umfassend gebildet. Zu ihr zählen Praetextatus, Symmachus, Nicomachus Flavianus, die beiden Albini und Eustathius.²¹⁶ Keine dieser Figuren entspricht einem Typ der Kategorisierung Martins,²¹⁷ auch wenn Praetextatus von Avienus einmal mit Sokrates verglichen wird und die übrigen Teilnehmer mit den Symposiasten in Platons Symposion (Sat. 2, 1, 2 f.). Die Figuren dieser ersten Gruppe entstammen bis auf Eustathius der stadtrömischen Oberschicht. Sie sind als flache Charaktere gezeichnet – sie verhalten sich in allen Situationen der Saturnalia ähnlich. Auch ist ihr Verhalten beinahe identisch mit dem Verhalten der anderen Figuren ihrer Gruppe: Sie sind immer

 In diese Zeit fällt die Entfernung des Victoria-Altars aus der Kurie in Rom, die zur bekannten Dritten Relatio des Symmachus führte.  Die Unterschiede besonders im Hinblick auf Alter und gesellschaftlichen Stand sind bereits bei den Charakterisierungen deutlich geworden. Dass zudem nicht alle Personen, die hinter den Figuren stehen, zeitgleich gelebt haben, rechtfertigt Macrobius mit Verweis auf Platons Symposion, der ebenso verfährt (Sat. 1, 1, 5 f.); vgl. Anm. 199.  Die Zusammenfassung dieser Figuren zu einer Gruppe unterstreicht die Einleitung der Saturnalia: Macrobius nennt sie als Vertreter eines Typs von Menschen: Praetextatos, vero Flavianos, Albinos, Symmachos et Eustathios (‚Leute wie Praetextatus, Flavianus, Albinus, Symmachus und Eustathius‘, Sat. 1, 1, 4). Gleichzeitig grenzt sie sich aber von einer zu starken Hervorhebung von Praetextatus ab, wie sie beispielsweise Kahlos vornimmt, wenn sie in der Zeichnung bei Macrobius die Stilisierung zu einem theios aner (Kahlos 1998, 231 f.) oder zu einem „symbolic pontifex maximus“ (ibid. 234) erkennen will.  S. o. S. 62.

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freundlich, lächeln bei Kritik, sind umfassend gebildet, schätzen Vergil und behandeln einander (und die meisten anderen Figuren) mit vornehmer Zurückhaltung (vgl. die Fiktion, dass man einander nicht belehren müsse). Die Unterschiede zwischen ihnen sind klein und bestehen z. T. nur im Grad des Ansehens, das sie genießen. Besonders herausgehoben sind natürlich Praetextatus, Nicomachus Flavianus und Symmachus, die durch ihre Rolle als Gastgeber ausgezeichnet werden. Individuelle Züge treten fast ganz zurück, auch wenn Symmachus etwas lebhafter erscheint als Praetextatus oder Nicomachus Flavianus recht schweigsam ist. Ihr Auftreten stellt gewissermaßen ein Verhaltens- bzw. Persönlichkeitsideal der römischen Oberschicht dar, das auf Freundlichkeit, Respekt und Bildung beruht. Trotz individueller Eigenheiten haben alle Mitglieder dieser ersten Gruppe diese Verhaltensweisen verinnerlicht. Sie erscheinen somit ähnlich in ihrem Auftreten; große Veränderungen oder Gefühlsregungen sind nicht angebracht und auch nicht vonnöten, da sie bereits den idealen Zustand erreicht haben. Ihr Verhalten zu übernehmen erscheint für Leser der Saturnalia somit erstrebenswert. In der Nachahmung einer Verhaltensweise, die derjenigen eines Praetextatus ähnelt, liegt die Möglichkeit, ebenfalls in die höchsten Kreise der stadtrömischen Oberschicht aufzusteigen. Praetextatus, Nicomachus Flavianus und Symmachus sind als Mitglieder dieser Schicht Vorbilder par excellence.²¹⁸ Eustathius steht als Grieche etwas außerhalb der Gruppe der römischen Elite; er wurde als Fachmann für philosophische Fragen eingeladen. Seine Fachexpertise ist am angesehensten, weil die Philosophie einen hohen Stellenwert genießt. Eustathius agiert auch am freiesten von allen ‚Fachleuten‘, indem er eigene Beiträge einbringt oder im siebten Buch das Wissen der Philosophie gegenüber der Medizin eines Dysarius verteidigt. Er nimmt gewissermaßen eine Mittelstellung zwischen der ersten Gruppe und den Fachleuten ein. Die Fachleute Dysarius, Eusebius, Horus und Servius bilden die zweite Figurengruppe. Sie sind ebenfalls flache Charaktere. Sie stehen fast ausschließlich für ihre Profession und weisen darüber hinaus kaum eigene Charakterzüge auf. Dysarius ist Arzt und schweigt zu allen anderen Themen; er repräsentiert als einzige Figur der Saturnalia einen Typus Martins. Eusebius spricht nur, wenn er darum gebeten wird, dann kann er sich aber kompetent äußern. Horus wird in

 Natürlich ist damit nicht gesagt, dass allein die Beherrschung äußerlicher Formen den Aufstieg in höchste Kreise ermöglichte. Jedoch spielten die Kenntnis um gesellschaftliche Erwartungen und bestimmte Verhaltensweisen eine wichtige Rolle, tatsächlich in diese Kreise aufgenommen zu werden. Wie es auch heute noch der Fall ist, erwartet jede gesellschaftliche Gruppe ein gewisses Maß an sozial kompatiblem Verhalten (das – je nach Gruppe – selbstverständlich anders definiert ist).

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seiner Eigenschaft als Kyniker und besonders als Ägypter eingeführt; er sieht alle Fragen und Themen entweder durch die kynische oder (und das am häufigsten) die ägyptische Brille. Etwas anders liegt die Sache bei Servius. Er erfreut sich größerer Achtung im Kreis der Vornehmen, auch wenn er nicht dazugehört. Bei Servius werden seine umfassende Kenntnis Vergils und sein breites Verständnis der Aufgaben eines grammaticus geschätzt; zudem ist er bescheiden und schüchtern, wie sein häufiges Erröten anzeigt – er erfüllt also ideal die Rolle eines grammaticus, wie Vössing feststellt.²¹⁹ Letzten Endes ist aber auch er primär der Fachmann, der sich nur dann kompetent äußert, wenn er zu einer Frage aus seinem Spezialgebiet gefragt wird. Diese vier Figuren sind mehr oder minder nur Vertreter ihres Fachs und weisen kaum individuelle Züge auf; am ehesten scheinen sie typische Eigenschaften ihrer Gruppe zu tragen (Servius als Grammatiker ist schüchtern; Dysarius als Arzt rechthaberisch). Über ihre Lebensumstände erfahren wir nahezu nichts. Auf ihre geringe Stellung deutet die Tatsache hin, dass sie gelegentlich herablassend behandelt werden, und vielleicht auch, dass sie nur einen einzigen Namen tragen, der zudem – z. B. bei Eusebius – so verbreitet ist, dass die Figur (mit Ausnahme des Servius, was ihn wiederum gegenüber den anderen Fachleuten auszeichnet) nicht einmal mehr eine reale Vorlage haben muss. Avienus und Evangelus bilden schließlich die dritte Gruppe. Im Gegensatz zu den übrigen Figuren sind sie sehr lebhaft. Beide sind Mitglieder der Oberschicht, doch Avienus ist noch sehr jung und Evangelus lebt vielleicht außerhalb der Stadt,²²⁰ ist aber zumindest aufgrund seines Verhaltens ein Außenseiter; ob er ebenfalls jung ist, ist unklar. Beide Figuren sind recht aktiv mit ihren Beiträgen

 Vössing verweist dabei auf Quint. inst. 12, 2, 1: Der Anspruch des Redners solle sein, Bildung und Charakter der Schüler zu formen, wofür er selbst untadelig sein müsse (Vössing 1991, 436). Sehr deutlich wird die Wertschätzung und Aufgabe des Lehrers bei Annius Florus: Bone Iuppiter, quam imperatorium, quam regium est sedere a suggestu praecipientem bonos mores et sacrarum studia litterarum, iam carmina praelegentem, quibus ora mentesque formantur, iam sententiis variis sensus excitantem … (Flor. Verg. III, 5 [= p. 187, l. 16 – 19 Rossbach]) Bei Jupiter, wie kaiserlich, wie königlich ist es, auf einem Podium zu sitzen und gute Sitten und das Studium der heiligen Literatur zu vermitteln, bald Gedichte vorzulesen, durch die Ausdruck und Denken geschult werden, und bald durch verschiedene Aussprüche das Denken anzuregen …  Bei den Gesprächen des letzten Abends erwähnt er sein Anwesen bei Tibur, auf dem er freilich nicht unbedingt dauerhaft leben muss (Sat. 7, 16, 15). Der Besitz des Anwesens zeigt aber seinen sozialen Stand an.

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(Fragen wie Einwürfen) – besonders, wenn sie nicht an der Reihe sind. In ihrem Drang, sich einzumischen, machen sie auch vor Autoritäten nicht halt: Avienus kritisiert die Ausdrucksweise des Caecina Albinus und des Servius (Sat. 1, 4, 2 f.; 1, 5, 1– 3), Evangelus vermag bei nahezu jedem Beitrag Einwände zu erheben. Die Fragen dieser beiden Figuren bestimmen in weiten Strecken die Themen der Gespräche. Es sind auch Avienus und Evangelus, die am ersten Abend nach Vergnügungen rufen (Avienus: Tanz; Evangelus: Wein). Unterschiedlich sind sie allerdings im Hinblick auf ihr Vorgehen: Avienus fragt statt zu kritisieren und geht dabei insgesamt höflicher vor; Evangelus hingegen widerspricht hartnäckig und vorwurfsvoll und scheint sich nicht um die Etikette zu kümmern. Das interessanteste Merkmal teilen beide jedoch: Ihr Verhalten verändert sich im Laufe der Gespräche. Zu Beginn der Saturnalia fragt Avienus Caecina Albinus eher ruppig nach der Verwendung alter Worte; er möchte Tänzerinnen beim Symposion sehen und erzählt schlüpfrige Anekdoten. Am letzten Abend hingegen möchte er von Eustathius über die Regeln des Lobens und Tadelns informiert werden. Im Gespräch davor traut er sich vor lauter Scheu nicht, Servius darum zu bitten, ihm einige Fragen zu beantworten; er schätze Servius sehr hoch (was im ersten Buch noch anders geklungen hatte). Evangelus hatte im ersten Buch der Saturnalia an vielen Punkten etwas auszusetzen und formulierte seine Kritik recht forsch. Servius griff er beim ersten Abendgespräch scharf an, weil dieser keine Anekdote erzählen wollte. Und Praetextatus’ Ausführungen zu Vergils Kultkenntnis akzeptierte er nicht. Nach einer längeren stillen Phase während der Bücher 4– 6 meldet er sich mit lautstarker Kritik an den Griechen und ihrer Rhetorik zurück und sucht nach Widersprüchen in den Erklärungen des Dysarius. Wenig später ist es jedoch er, der den Streit zwischen Eustathius und Dysarius mit seiner Frage nach Henne und Ei abbricht. Er räumt dann sogar freimütig ein, die Frage sei als Scherz gemeint gewesen, und er sei erstaunt, wie kundig sie beantwortet worden sei. Sodann fragt er ernsthaft nach und bekennt, dass er – seiner eigenen Kritik zum Trotz – die Griechen gern reden höre. Die Verhaltensveränderungen bei zwei der Figuren machen die Saturnalia natürlich nicht zu einem Entwicklungsroman. Doch ist es beachtenswert, dass allein diese zwei Figuren eine Entwicklung durchmachen.²²¹ Beide standen zu Beginn der Saturnalia durch ihr Verhalten leicht bis deutlich außerhalb der

 Bei den „fertigen“ Figuren der Oberschicht ist eine Entwicklung nicht nötig, wenn nicht gar unmöglich; bei den Fachleuten, die nur der Instruktion dienen, ist sie (oder zumindest ihre Schilderung) entbehrlich.

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Gruppe; am Ende sind sie in die Gruppe integriert und haben ihr Verhalten dem der Gruppe angepasst. Es scheint allein das Verhalten der Gruppe zu sein, das sie zu dieser Anpassung bringt. Wie dieser Prozess das Integrationsvermögen der Oberschicht darstellt, so bietet er dem jugendlichen und auch dem skeptischen Leser der Saturnalia eine Anleitung zur Integration.²²² Wenn ein jugendlicher Leser sich mit Avienus identifiziert, wird er an seinem Beispiel langsam das angemessene Verhalten bei offiziellen Anlässen wie Symposien kennenlernen und idealerweise übernehmen. Wer als Außenstehender und kritischer Spötter die Saturnalia zur Hand nimmt, wird sie ebenfalls verändert wieder beiseitelegen. Er findet in Evangelus einen Anknüpfungspunkt, doch wird dessen Widerspruchsgeist durch das wohlwollende Verhalten der anderen in ein Identitätsgefühl umgewandelt.

4.8 Fazit Die Figuren in den Saturnalia erweisen sich weitgehend als sich wenig verändernde Figuren. Sie tragen meist typische Züge, die sie zudem als Mitglieder einer bestimmten (sozialen) Gruppe innerhalb der Gesprächsrunde ausweisen. Dabei sind sie aber nur selten nach klassischen Rollenmustern der literarischen Tradition gestaltet. Sie weisen stattdessen typische Züge ihrer gesellschaftlichen oder beruflichen Gruppe auf; oder zumindest Züge, die für ihre gesellschaftliche oder berufliche Gruppe typisch sein sollten. Die Figuren des römischen Adels sind nach dem Muster Ciceros eng miteinander befreundet und verhalten sich überwiegend ausgesprochen urban. Einzig für Dysarius lässt sich zeigen, dass er die für die Symposionliteratur klassische Rolle des Arztes einnimmt. Inwieweit die Figuren dabei nach den Charakterzügen der historischen Vorbilder gestaltet wurden, lässt sich nicht beantworten, doch scheint es so, als ob gewisse Individualisierungen (zumindest bei manchen Figuren) zugelassen wurden. Die Gesprächsatmosphäre ist harmonisch trotz aller sozialen und ethnischen Differenzierungen der Gruppe; ob sich die Figuren harmonischer verhalten als es für die Zeit üblich war, lässt sich wiederum nicht sagen. Trotz des wechselseitigen Wohlwollens lassen sich hierarchische Verhältnisse und Verhaltensweisen er-

 Robert Kaster charakterisiert aus diesem Grund die Saturnalia auch als eine Art kulturelles De officiis (Kaster 1980, 238).

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kennen; diese Unterschiede werden nicht aufgehoben oder überspielt, sind aber selten der Anlass für Kommentare oder abweisendes Verhalten. Während die meisten Figuren sich in den Saturnalia nicht verändern, machen Evangelus und Avienus eine Entwicklung durch. Avienus ‚reift‘ vom ungestümen, überschwänglichen und leicht aggressiven Jüngling zu einem distinguiert fragenden jungen Mann. Evangelus legt seinen Spott und seine Widerspenstigkeit ab, sorgt am Ende sogar für Eintracht und Frieden und bekennt sein Vergnügen am Zuhören und Lernen. Es ist dabei denkbar, dass Avienus als Vorbild für den jugendlichen Leser der Saturnalia fungieren soll, der in die Gesellschaft integriert werden soll und dies am besten erreicht, indem er Avienus’ Verhalten übernimmt: Bescheidenheit, Wissbegier und Respekt öffnen die Tore in die führenden Zirkel. Evangelus hingegen dringt als (ungebildeter/widersprechender) Außenseiter in die Runde ein; durch sein Auftreten verrät er seine Unkultiviertheit und zeigt dem Leser der Saturnalia so indirekt die Regeln richtigen Verhaltens auf.²²³ Auch er wandelt sich und übernimmt die Werte und Verhaltensformen der Gruppe, womit er ebenfalls als Vorbild gelten kann. Somit ist es der Gruppe gelungen, zwei Nichtangepasste zu integrieren und darüber hinaus zu assimilieren. Das subversive Potenzial der Jugend und des Außenseiters wurden also nicht nur unschädlich gemacht, sondern in produktive Bahnen umgelenkt. Dies ist eine beachtliche Leistung und zeigt sowohl das Bemühen der Gruppe um die Integration als auch den Erfolg der „Erziehung“ durch Harmonie, Respekt und gelegentliches ‚Laufenlassen‘ des Gesprächs. Man kann erkennen, dass die Werte der Gruppe an sich lobenswert sind; darüber hinaus vermögen sie aber auch zu bilden und zu erziehen. Diese Tendenz zur Integration kann durchaus mit dem Konzept der Einheit zusammengedacht werden, dem Macrobius folgt. Während das Streben nach Einheit in den beiden vorigen Kapiteln auf der Sachebene und besonders in Bezug auf die Anordnung von Wissen nachgewiesen wurde, wird Einheit in diesem Kapitel als ein positives Ziel dargestellt, das auch in der Gesellschaft wirkt. Die Spitzen der römischen Gesellschaft denken nicht nur über Einheit nach, wie Praetextatus es in der ‚Sonnentheologie‘ tut, sie leben diese Einheit auch,wenn sie in Gesellschaft sind. Teil dieser Gemeinschaft kann jeder sein, der sich auf die Regeln der Gruppe einlässt und wissend oder zumindest wissbegierig ist. Dies ist auch eine Einladung an die Leser der Saturnalia, den literarischen Vorbildern

 Dies ist natürlich auch ein geschickter literarischer Kniff, die Auffassungen und Überzeugungen der Gruppe durch Evangelus infrage stellen zu lassen, wodurch sie zum einen erkennbar werden, zum anderen aber auch verteidigt werden können.

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Avienus oder Evangelus nachzueifern, um das erstrebenswerte Ziel zu erreichen, in einer Gesellschaft mit Praetextatus gleichberechtigt auftreten zu können. Belehrung und Streben nach Einheit fallen in diesem Kapitel also überzeugend zusammen. Somit ist es sicher nicht falsch, wenn man in den Saturnalia eine Verklärung des saeculum Praetextati erkennt, denn es ist unverkennbar ein Lob der Runde um Praetextatus, dass sie es vermag, ihre Werte zu leben und dadurch andere für diese Werte zu gewinnen. Doch ist das primäre Ziel des Macrobius, durch diese positive Darstellung zu belehren und zu erziehen. Etwas überspitzt könnte man formulieren: Die Saturnalia stellen einerseits einen „Knigge“ dar, indem sie angemessenes Verhalten in hochstehenden Kreisen vorführen, während sie andererseits durch Avienus’ und Evangelus’ Entwicklung eine Integration von dieser Schicht fernstehenden Personen ermöglichen. Einheit (einer bestimmten Schicht) ist gewissermaßen das Ziel der Erziehung, auf das die Figurenkonstellation der Saturnalia zielt.

5 Die Saturnalia und ihr kultureller Kontext In Kapitel II.1 ist herausgearbeitet worden, dass Macrobius zwei Elemente als Kern seines Dialogwerks Saturnalia ansieht. Zunächst will er seinen Sohn Eustathius in diesem Werk belehren, damit dieser schnelle Fortschritte in seiner Ausbildung mache und später auf ein Sammelwerk zurückgreifen könne, in dem alles Wissenswerte leicht auffindbar zusammengestellt ist. Neben dieser didaktischen Zielsetzung weist die Schrift jedoch auch eine zweite Komponente auf. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern, insbesondere zu Gellius, erklärt Macrobius als zweiten Kern seiner Arbeit die geordnete und vor allem einheitliche Darstellung der Informationen. Die vielen Quellen dürften zwar sichtbar sein, doch müssten sie durchdacht und damit synthetisiert werden. Dass Macrobius seine Konzeption zu Beginn der Schrift nicht nur programmatisch formuliert, sondern auch sorgfältig, gewinnbringend und sogar kreativ umsetzt, ist in den anschließenden Kapiteln nachgewiesen worden. Im Bereich des Wissens entfaltet Macrobius in den Saturnalia ein breites Panoptikum an Themen. Es reicht von grammatikalisch-antiquarischen Fragen über religiöse und kultische Themen und literarische Vergleiche bis hin zu praktischen und unterhaltsamen Aspekten wie Witzen oder typischen convivialen Themen. Mustert man die behandelten Themen, so fällt auf, dass es sich überwiegend um Bereiche handelt, die für Menschen in besonderer gesellschaftlicher Stellung relevant waren. Sowohl Sprachkorrektheit als auch die richtige Einstel-

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lung dem Altertum gegenüber spielten im Rom des vierten und auch des fünften Jahrhunderts eine bedeutende Rolle, was nicht zuletzt im Programm der Schule abgebildet ist.²²⁴ Dass auch Fragen des Literaturvergleichs und die üblichen quaestiones convivales behandelt werden, zeigt, dass die Saturnalia primär auf solche Inhalte und Themen ausgerichtet ist, die während eines Gastmahls traditionell zur Sprache kommen. Dies legt auch der Blick auf Bereiche nahe, die nicht im Werk vorkommen. Die fehlende Behandlung praktischer Themen wie Jura, Ackerbau, Architektur oder Medizin, die ja auch breit wissenschaftlich aufgearbeitet wurden, ist erklärlich – als praxisbezogene Wissenschaften hatten sie in der allgemeinen Bildung der Antike nur eine eingeschränkte Berechtigung.²²⁵ Gleiches gilt für die Tatsache, dass Mathematik und Musik als Spezialdisziplinen in einem solchen Überblickswerk nicht vorkommen. Beide Lücken weisen aber in die Richtung, dass Macrobius weniger Allgemeinbildung oder enzyklopädische Darstellung von Wissen betreibt als auf bestimmte Lebenssituationen vorbereitet. Zu diesem Zweck präsentiert er die Themen, die er als relevant ansieht, ohne sich um das zu bemühen, was heute als Sinn der Schule angesehen wird: um Allgemeinbildung im weiteren Sinn. Die Art der Beschäftigung mit einer Reihe von Themenbereichen setzt weiterhin an vielen Stellen einen vorinformierten Leser der Saturnalia voraus. Manche Bereiche werden nur angerissen (z. B. der richtige Sprachgebrauch), so dass zum einen Vorwissen vonnöten ist, um die Informationen einordnen zu können. Zum anderen muss der Leser aber auch genug eigenes Wissen mitbringen, um anhand des vorgestellten Musters eigene Beispiele finden oder eigene Regeln aufstellen zu können. Damit ist ein zweiter wichtiger Bereich der Unterweisung benannt, der die Saturnalia ausmacht und sicher auch einen Grund für die Wahl der Dialogform darstellt. Das Sprechen über einen Gegenstand, und sei es auch nur kurz, führt eine angemessene Ausdrucksweise und Denkart vor Augen. Der Leser kann an den Beispielen des Praetextatus, Symmachus oder der anderen illustren Gäste lernen, wie Themen adäquat diskutiert werden und welche Einstellung die führenden gesellschaftlichen Kreise in Rom bestimmten Themen entgegenbrachte. Beispielhaft ist die knappe Diskussion um den Stellenwert des Altertums im ersten

 Vgl. z. B. Gemeinhardt: „Das antike Unterrichtswesen war grundsätzlich auf die Vermittlung literarischer Kenntnisse ausgerichtet“ (Gemeinhardt 2007, 39); Amherdt: „Literary knowledge was construed as (and was, in many cases) the standard accompaniment to elite social standing“ (Amherdt 1999, 40).  Vössing 2003, 480. Vgl. auch die Beurteilung von Architektur und Medizin in Martianus Capellas De nuptiis 9, 891. Zur randständigen Stellung der Medizin im System der artes vgl. Stok 1993.

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Buch der Saturnalia: Nach einem kurzen Wortwechsel über archaischen und zeitgenössischen Wortgebrauch wird die Streitigkeit dadurch aufgelöst, dass Avienus dem Altertum immerhin eine moralische Vorbildfunktion zuerkennt – und dafür aber (unbewusst) eine archaische Wendung benutzt (Sat. 1, 4– 5). Daneben bieten die Figuren selbst wertvolles Wissen allein dadurch, dass sie in ihrem Handeln abgebildet werden. Da viele der Figuren an angesehene historische Personen angelehnt sind, wirkt die Runde um Praetextatus als Vorbild. Das Verhalten gerade der bedeutenden Figuren ist, wenn auch stilisiert, vorbildlich und wirkt stilbildend. Indem sich die Gastgeber Praetextatus, Symmachus und Nicomachus Flavianus unterschiedslos als wissend, zurückhaltend, freundlich, bescheiden und anständig präsentieren, prägen sie das Bild einer positiv besetzten Elite. Das Ziel, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, erscheint attraktiv und durchaus erreichbar, wenn man sich in den Tugenden übt, die auch diese Vorbilder auszeichnen. Damit verbindet sich das Streben nach Einheit, das für Macrobius ein wichtiges Ziel darstellt. Neben der formalen, organisatorischen Einheit,²²⁶ die die unterschiedlichen Wissensbereiche in einem Werk unter Ausnutzung von Leitthemen plausibel miteinander verbindet, ist Einheit für Macrobius auch ein Wert an sich, der in den Bereich der Erziehung hineinwirkt. Die Interaktion der Figuren in den Saturnalia ist zunächst von Heterogenität und gelegentlichen offenen Konflikten geprägt. Im Laufe der Gespräche gelingt es aber, dass aus den Einzelpersonen eine Gruppe wird, die auch die Außenseiter oder Eigenbrötler integriert. Diese Leistung lässt Praetextatus und seine Bekannten stärker als Vorbilder erscheinen, da sie es schaffen, auch Figuren aufzunehmen, die sich kritisch über einzelne Fragen äußern oder die Harmonie der Runde zu stören versuchen. Ihr Verständnis von gesellschaftlichem Beisammensein, ihr Standesbewusstsein wird durch die anderen zwar herausgefordert, kann aber nicht ernsthaft infrage gestellt werden. Dass sie nicht nur unbeeinflusst aus den Gesprächen hervorgehen, sondern die Kritiker auch integrieren können, zeigt den Erfolg ihrer Einstellung und ihres Auftretens und macht sie umso attraktiver. Gleichzeitig sind mit Evangelus und Avienus, bei denen es sich um besonders aus der Gruppe herausfallende Charaktere handelt, zwei Musterfiguren vorgestellt, die grundsätzliche Kritik an Personen wie Praetextatus äußern könnten: der von außerhalb der Stadt kommende, bäurisch auftretende Evangelus und der noch unerfahrene, vorlaute Avienus. Sie können dem Leser als Identifikationsfiguren dienen, wenn er nicht von Beginn an aus Bewunderung Praetextatus oder Sym-

 Als organisch komponiert empfindet die Saturnalia bereits 1923 Whittaker: „an organic body of science and criticism“ (Whittaker 1923, 13).

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machus nacheifert. Ausgehend von Kritik zu Beginn des Werkes werden die Figuren am Ende in die Gruppe assimiliert und finden damit trotz ihrer zunächst kritischen Einstellung Aufnahme. Somit ist auch für den Kritiker von Figuren wie Praetextatus gezeigt, dass er seinen Platz innerhalb dieser Runde hat und wie er ihn erreichen kann. In dieser Mischung aus Wissen und integrierender Kraft steckt natürlich auch eine Überhöhung der realen Personen, weswegen es nicht falsch ist, von einer „obvious nostalgic idealization“²²⁷ des saeculum Praetextati zu sprechen, wie Macrobius es selbst nennt (Sat. 1, 1, 5). Doch ist diese idealisierte Darstellung kein Selbstzweck, sondern dient der Belehrung, indem sie Vorbilder schafft, die aufgrund ihres untadeligen Verhaltens hochangesehen sind.²²⁸ An diese Zusammenfassung schließt sich unmittelbar die Frage nach dem Grund der Entstehung der Saturnalia an. So einleuchtend die Ziele des Macrobius sein mögen und so erfolgreich die Umsetzung auch ist, ist doch zu klären, aus welchen Gründen Macrobius diese Schrift verfasst hat. Ansetzen möchte ich dabei bei der Widmung der Saturnalia an den Sohn. Die Widmung einer Bildungsschrift an den Sohn Eustathius ist zunächst nicht ungewöhnlich, wie ein Blick auf die Tradition (Cato) oder auf weitere, weitgehend zeitgenössische Werke (Tiberius Claudius Donat, Martianus Capella) zeigt.²²⁹ Auffällig ist jedoch, dass die Saturnalia, der Kommentar des Tiberius Claudius Donat und Martianus Capella De nuptiis etwa zur gleichen Zeit entstanden (430 n.Chr. ± wenige Jahrzehnte).²³⁰ Wenn man nach Gründen sucht, weshalb sich Personen wie Tiberius Claudius Donat, Macrobius oder Martianus Capella der Mühe unterzogen haben, ein solches Werk zu verfassen, stößt man auf ein weiteres Element neben der Widmung an den Sohn, das diese Autoren verbindet: Es handelt sich dabei um die Kritik an der gegenwärtigen Schulausbildung und den Lehrern. Natürlich ist Bildungskritik im fünften Jahrhundert kein neu entstehendes Thema; man könnte die ‚Lehrerschelte‘ fast schon als topisch bezeichnen. Dabei ging es, wie Vössing gezeigt hat, besonders um die Qualifikation der Lehrer, also den Umfang ihres Wissens.²³¹ Ein Beispiel mag genügen: Sueton berichtet,Tiberius

 Cameron 1984, 46. Ebenso de Paolis 1987, 296 – 299.  Daher greift die Deutung Altendorfs zu kurz, der vom „verklärenden Licht einer entschwundenen Vergangenheit“ und vom „elegischen Zauber“ spricht, darunter aber nur eine rückwärtsgewandte Geisteshaltung versteht (Altendorf 1974, 241).  Zur Widmung erzieherischer Schriften an den Sohn vgl. oben Kap. II.1.  Zur Datierung der Werke vgl. zu Macrobius Cameron 2011, Kap. 7, und Cameron 1966; zu Martianus Capella unten Kap. III.1; zu Tiberius Claudius Donat Squillante Saccone 1985, 11.  Vössing 1991, 29 f.

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habe immer wieder Lehrer aufgesucht und sie mit Fragen nach Details von Mythen geprüft: nam et grammaticos … eius modi fere quaestionibus experiebatur: quae mater Hecubae, quod Achilli nomen inter virgines fuisset, quid Sirenes cantare sint solitae. (Suet. Tib. 70, 3) Er testete nämlich auch die grammatici, indem er ihnen folgende oder ähnliche Fragen stellte: wer die Mutter Hecubas gewesen sei, welchen Namen Achill unter den Frauen gehabt habe, was die Sirenen gesungen hätten.

Diese Kritik findet sich zwar ebenfalls unter anderem bei Macrobius, wo Avienus einen grammaticus an einer Frage scheitern sieht (Sat. 6, 9, 2 f.), oder Eustathius die Ignoranz der professionellen Vergil-Erklärer tadelt, die die griechischen Quellen nicht prüfen würden (Sat. 5, 18, 3). Daneben findet sich aber noch ein Zug, der über die Lehrerschelte zu einer Kritik der Bildungsinhalte führt. Symmachus weist in seiner Verteidigung Vergils Evangelus zurecht, der sich auf Schuldenken beschränke; er greift aber auch die Lehrer an, die sich für nichts interessieren würden, was außerhalb ihres eng gesteckten Horizonts liege: Nec his Vergilii verbis copia rerum dissonat, quam plerique omnes litteratores pedibus inlotis praetereunt, tamquam nihil ultra verborum explanationem liceat nosse grammatico. Ita sibi belli isti homines certos scientiae fines et velut quaedam pomeria et effata posuerunt, ultra quae si quis egredi audeat, introspexisse in aedem deae a qua mares absterrentur existimandus sit. (Sat. 1, 24, 12) Denn zu diesen Worten Vergils passt auch gut die Fülle an Dingen, welche die allermeisten Lehrmeister mit ihren ungewaschenen Füßen übergehen, so als ob der grammaticus außer der reinen Worterklärung nichts wissen dürfe. So haben sich jene reizenden Menschen feste Grenzen ihrer Wissenschaft gesetzt – gleichsam heilige und religiös bestimmte Grenzen. Sollte einer wagen, diese Grenzen zu überschreiten, so müsse man ihn ansehen wie einen Mann, der in den Tempel der Göttin hineingeschaut habe, zu dem Männer keinen Zutritt haben.²³²

Zumindest das Vergilprogramm der Saturnalia erhebt den Anspruch (und löst ihn auch ein), dass mehr geboten wird als in der Schule. Dies gilt natürlich erst recht für die Themen, die üblicherweise in der Schule nicht besprochen wurden, also besonders den Inhalt der Bücher 1, 2 und 7.

 Dass an dieser Stelle nicht auf eine religiöse Überhöhung der Beschäftigung mit Vergil gezielt wird, macht der unmittelbare Kontext deutlich: Die Wendung erscheint in einem Vergleich, der die Grammatiker für ihre Selbstbeschränkung tadelt, da sie sich wie Menschen verhielten, denen der Zugang zum Tempel der Bona Dea verboten ist, wie Sinclair (1982, 262) gezeigt hat. Cameron listet Parallelstellen für solch metonymisch gebrauchte Sakralausdrücke (adytum, penetral, mysterium) auch bei Klassikern auf (Cameron 2011, 589).

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II Die Saturnalia des Macrobius

Während Macrobius mit den Saturnalia kein Schulbuch ersetzen will, erhebt Tiberius Claudius Donat genau diesen Anspruch. Seiner Ansicht nach würden die Lehrer seiner Zeit nicht die Bereiche unterrichten, die wichtig und interessant seien, und die Kommentatoren seien eher auf den eigenen Ruhm aus als auf die Erklärung: Sed cum adverterem nihil magistros discipulis conferre quod sapiat, scriptores autem commentariorum non docendi studio, sed memoriae suae causa quaedam favorabili stilo, multa tamen involuta reliquisse, haec, fili carissime, tui causa conscripsi … (Claud. Don. Aen. 1, p. 1, l. 5 – 8) Aber weil ich bemerke, dass die Lehrer ihren Schülern nichts beibringen, was sinnvoll ist, die Verfasser von Kommentaren aber nicht aus Lehreifer, sondern aus Sorge um ihren Nachruhm manches in gefälligem Stile, vieles jedoch obskur hinterlassen haben, habe ich dieses Werk, geliebter Sohn, für dich verfasst.

Aus diesem Grund hat sich der sorgende Vater selbst der Mühe unterzogen, einen Kommentar zu verfassen, der seine eigenen Schwerpunkte der Vergillektüre vermittelt. Sein Werk versteht Tiberius Donat dabei bescheiden eher als einen Beitrag unter vielen. Auch wenn Donat Vergil wohl nicht verstanden hat und ihm manches nötige Sachwissen fehlte,²³³ muss bedacht werden, dass die Verärgerung über die Schule nicht nur zu Kritik, sondern auch zu einer eigenen Themenstellung und dann zur tatsächlichen Ausführung des Projekts geführt hat. Eine weitere Überlegung lohnt noch, erwogen zu werden. Sie knüpft an die Aussage des Avienus in Sat. 6, 7, 4 an, er freue sich, endlich einmal seine Fragen mit einem grammaticus, also Servius, besprechen zu können. Natürlich muss Avienus eine Schul(aus)bildung genossen haben, denn sonst würde er kaum auf diesem Niveau diskutieren. Zu denken ist bei ihm vielleicht eher an die Nachkommen der römischen Elite, die sich regelmäßig oder dauerhaft außerhalb Roms aufhielt.²³⁴ Natürlich wird von ihren Familien für entsprechende fachliche Grundausbildung (Lesen, Schreiben, Deklamieren) gesorgt worden sein, doch könnten die Saturnalia für diesen Kreis eine willkommene Lektüre dargestellt haben: Zum einen bieten sie ein breites Panoptikum an Wissen in geordneter Form, zum anderen führen sie aber auch in

 Starr 1992, 165 f.; einführend zu Tiberius Donat Pirovano 2006 und Squillante Saccone 1985.  Vgl. z. B. Cameron 2011, 3; Kahlos 1998, 43 f; McGeachy 1942, 39 f. Einschlägig sind auch die Briefe des Symmachus, in denen er allgemein über die Vernachlässigung der Kulte sinniert oder – direkt an den Adressaten gewendet – dessen Abwesenheit von Rom trotz kultischer Pflichten tadelt (Symm. epist. 1, 51, 1; 1, 47, 2; 2, 53).

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Gesprächskonventionen und Verhaltensformen der stadtrömischen Oberschicht ein.²³⁵ Stein-Hölkeskamp betont, wie wichtig gute Umgangsformen waren, um „in allen Bereichen dieser kompetitiven aristokratischen Kultur zu bestehen“, und behauptet „Learning by doing“ sei dafür entscheidend gewesen. Wenn dies aufgrund der Abwesenheit von Rom nicht möglich gewesen sei, habe zumindest ansatzweise Handbuchwissen weiterhelfen können.²³⁶ Vielleicht sind auch die Saturnalia in diesem Kontext zu denken. Dazu würde einerseits die Rolle des Evangelus passen, der von sich sagt, er habe Besitzungen auf dem Land²³⁷ – in seiner Figur könnte ein Anknüpfungspunkt für die Jugendlichen liegen und ihnen deutlich vor Augen führen, wie mangelnde Urbanität auf einen zurückfallen kann. Zum anderen würde diese Hypothese zu der These Flamants passen, Macrobius stamme vielleicht aus der römischen Provinz, eventuell Süditalien oder Gallien – damit würde er aus einem Umfeld kommen, das Adressat der Saturnalia sein könnte und dessen Ansprüche er deshalb gut kennen würde. Dass Macrobius sich an ein tendenziell gebildetes und mit Bibliotheken vertrautes Publikum wendet, machen zwei die Fiktion des Dialogs durchbrechende Wendungen an den Leser deutlich, durch die Praetextatus und Eustathius ihre Rede abkürzen: Disputat de hoc more etiam Trebatius Religionum libro nono, cuius exemplum, ne sim prolixus, omisi. Cui cordi est legere, satis habeat et auctorem et voluminis ordinem esse monstratum. (Sat. 3, 7, 8)

 Vgl. dazu die Deutung der Noctes Atticae des Gellius bei Binder: „Inszeniert wird Konversation in der Oberschicht zu meist halböffentlichen Anlässen: im Rahmen einer größeren Gesellschaft oder an öffentlichen Orten nämlich; ein Wissen, das wir als den fachwissenschaftlichen Disziplinen zugeordnetes Detailwissen kennzeichnen würden, das aber hier in halbprivaten Situationen nonchalant vorgeführt wird. Der Zweck solcher Darstellungen liegt also offenbar nicht vorrangig in der Vermittlung dieses Wissens, sondern dient der Festschreibung und szenisch fingierter Vorführung oberschichtlicher Verhaltensnormen, einem Komment“ (Binder 2003, 109). Im Gegensatz zur Gesellschaft im zweiten Jahrhundert geht es Macrobius jedoch nicht um eine „kompetitive Wissensostentation“ (ibid., 111), das Handeln der Figuren ist eher konsensual. Ähnlich äußert sich Heusch über Gellius, die betont, sein Bildungsprogramm sei „zugeschnitten auf Bildungsbedürfnisse und -interessen des uir civiliter eruditus“ (Heusch 2011, 370). Gellius demonstriere „in den szenischen commentarii seine [des Wissens] angemessene Anwendung in bestimmten Situationen exemplarisch“ (ibid. 372).  Stein-Hölkeskamp 2006, 87– 90. Vgl. dazu auch Binders Aussage zu Gellius’ Werk, es sei angebracht, „in den Noctes Atticae nicht zuletzt ein implizites Lehrbuch eines oberschichtlichen Verhaltenskodex zu sehen“ (Binder 2003, 111).  Sat. 7, 16, 15.

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II Die Saturnalia des Macrobius

In dieser Art äußert sich auch Trebatius im neunten Buch seiner Religiones, dessen Konzept ich hier übergehe, um nicht zu weitläufig zu werden. Wer es gern nachlesen möchte, möge sich damit begnügen, dass ich Autor und Nummer des betreffenden Buches genannt habe. Et cursorum certamen utrobique simile. Et quia versibus est apud utrumque numerosis, locum loco similem lector inveniet. Initia haec sunt: … (Sat. 5, 7, 4) Auch der Läuferwettstreit ist bei beiden ähnlich. Und weil er bei beiden in unzähligen Versen geschildert wird, wird der Leser leicht die entsprechenden Stellen finden. Die Stellen beginnen mit: …

Der so apostrophierte Leser verfügt also über die einschlägige Literatur und ein eigenes Urteilsvermögen. Macrobius schreibt also im weiteren Sinne für ein Umfeld, das – genauso wie er selbst – gebildet ist und Bücher zur Hand hat und das an der Ausbildung der Söhne großes Interesse zeigt. Mit diesem Befund lassen sich auch die wenigen biographischen Informationen, die erschlossen werden können, verbinden. Macrobius, mit vollem Namen Macrobius Ambrosius Theodosius,²³⁸ war nach Ausweis der Handschriften vir clarissimus et illustris. Welche Ämter sich genau dahinter verbergen, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit ermitteln.²³⁹ Die Titel belegen jedoch, dass Macrobius eine politisch und sozial einflussreiche Persönlichkeit gewesen sein muss.²⁴⁰

 Zur Diskussion um die Reihenfolge der Namensbestandteile und den eigentlichen Familiennamen vgl. Cameron 1996, 26 f., und Cameron 2011, 231; Flamant 1977, 91– 95 (dazu Cameron 1982, 379 f.); Schmidt 2008, 48; Kaster in seiner Übersetzung Bd. 1, xv, die Einleitung in Bevilacqua 1973, 37, sowie Gallardo 1974, 125.  Den Versuch, den Autor Macrobius mit einer historischen Person zu verbinden, gibt beispielsweise Döpp 1978, 625, ganz auf. Flamant rekonstruiert hingegen eine Karriere, die Macrobius nach einem Vikariat in Africa (397) und Spanien (399) das Amt des Prokonsul in Africa im Jahre 410 zuweist. Ob er sich den Titel des illustris in einem Amt erwarb oder ob er ihm ehrenhalber zuerkannt wurde, lasse sich nicht mehr feststellen (Flamant 1977, 96 – 126). Sicherer hingegen Schmidt: „Herkunft aus Afrika, Geburt 385 – 390, De differentiis 420 – 425, wohl primicerius notariorum April 426, 430 Präfekt von Italien und Afrika, Kommentar zum Somnium Scipionis nach 430, Saturnalia nach 431“ (Schmidt 2008, 50).  Selbst über die Religion des Macrobius wurde mit unterschiedlichem Ergebnis spekuliert: Wird allgemein betont, dass Macrobius Heide gewesen sei (Willis 1966, 158; Marinone 1970, 40; Cameron 1976, 26; Flamant 1977, 95; Kahlos 1998, 214), widmet Bevilacqua der Frage „Macrobio cristiano?“ ein ganzes Kapitel seiner Einführung und gelangt zu dem Ergebnis, Macrobius sei womöglich ein Christ gewesen, der aus Angst vor Repressionen seinen Glauben verdeckt habe (Bevilacqua 1973, 23 – 32). Die Auffassung, Macrobius sei Christ gewesen, vertreten inzwischen auch Cameron und Schmidt dezidiert (Cameron 2011, 5; Schmidt 2008, 50), etwas vorsichtiger Kaster in der Einleitung zu seiner Übersetzung (Bd. 1, xxi f.). Vgl. auch Guittards These einer bewussten Verbindung von Christentum und Heidentum in den Saturnalia, jedoch ohne Bezug auf die Religion des Macrobius (Guittard 1975).

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Weiterhin stammt Macrobius nicht aus Rom, vielleicht ist Latein nicht einmal seine Muttersprache (Sat. praef. 11).²⁴¹ Flamants Überlegungen zu einer Herkunft aus einer Provinz der westlichen Reichshälfte (Süditalien, Spanien, Nordafrika)²⁴² überzeugen, da sie verschiedene Beobachtungen miteinander verbinden, die ebenfalls die Hypothese einer Ausrichtung der Saturnalia an außerrömischen Leserkreisen stützen: Macrobius’ Latein ist zwar nicht so ausgefeilt wie das eines Symmachus, doch weist sein Griechisch eine Reihe von Fehlern auf, die darauf deuten, dass Griechisch zumindest nicht seine Muttersprache war.²⁴³ Auf der anderen Seite muss Macrobius aber Kontakt mit den führenden Familien Roms gehabt haben. Dies legt die Figurenauswahl nahe, und auch die Widmung der Schrift De differentiis an einen Symmachus²⁴⁴ und die gemeinsame Durchsicht des Somnium-Kommentars von Aurelius Memmius Symmachus und dem Enkel des Macrobius, Macrobius Plotinus Eudoxius,²⁴⁵ weisen in diese Richtung. Diese

 So auch Cameron 2011, 232.  Flamant 1977, 94 f.; ebenso Englisch 1994, 53. Ähnlich di Pasquale Barbanti, die nach eingehender Prüfung der Argumente bekennt: „Appare chiaro a questo punto che non si è ancora giunti ad una soluzione definitiva“ (di Pasquale Barbanti 1988, 25). Ebenso Kaster: „Africa is the conventional guess, reasonable but no more“ (Einleitung zur Übersetzung, Bd. 1, xi, Anm. 1). Mras nennt Macrobius einen „Nationalrömer“, was ihn – bei aller Unschärfe dieser Bezeichnung – als aus der westlichen Reichshälfte stammend kennzeichnet (Mras 1933, 285). Für eine afrikanische Herkunft plädieren Cameron (1966, 25; 1986, 328; 2011, 233), Willis (1966, 155), Bornecque im Vorwort seiner Ausgabe (I), Stahl (1965, 105), Shanzer (1986c, 2), Barnish 1986, 105), Barnes (1982, 79), Scherbantin (1951, 196) und Monceaux (1894, 426).  Diese Beobachtungen gehen auf Wissowa 1880, 15 zurück, der ausgewählte griechische Zitate in den Saturnalia mit der entsprechenden Vorlage Plutarch vergleicht. Er kommt zu dem Schluss: „Restat ut adnotem in transferendis auctoribus Graecis Macrobium verba Graeca non recte intellexisse et falso vertisse, ita ut etiam inde conligere possis eum non fuisse natione Graecum, cum linguae non sit plane gnarus“  De Paolis denkt im Vorwort seiner Ausgabe von De differentiis an den Enkel des bekannten Redners (xvii).  Dies bezeugt die Subskription am Ende des ersten Buches, erhalten in den Handschriften S, P und E: Aur. Memm[ius] Simmachus v. c. emendabam vel disting[uebam] meum Ravennae cum Macrobio Plotino Eudoxio v. c. Macrobii Ambrosii Theodosii v. c. et inl. de Somnio Scipionis librum … Ich, Aurelius Memmius Simmachus, vir clarissimus, habe in Ravenna mein Buch über Ciceros Somnium Scipionis von Macrobius Ambrosius Theodosius, vir clarissimus und illustris, zusammen mit Macrobius Plotinus Eudoxius, vir clarissimus, verbessert und mit Lesezeichen versehen. Diese Subskription bezeugt außerdem eine (wenn auch vermutlich kleine) Verbreitung des Somnium-Kommentars innerhalb Roms und die Existenz von mindestens zwei Handschriften:

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Verbindungen können entweder durch Romaufenthalte oder eben Zusammentreffen in der Provinz, d. h. auf den Landsitzen der wichtigen Personen, zustande gekommen sein.²⁴⁶ Trotz dieser Ausrichtung am Publikumsinteresse war den Saturnalia allem Anschein nach jedoch unmittelbar kein großer Erfolg beschieden. Die Rezeption setzt erst um einiges nach der Entstehung der Saturnalia ein.²⁴⁷ In der Antike werden die Saturnalia nur ein einziges Mal erwähnt, und dieses Zeugnis lässt keinerlei Wertschätzung für Macrobius erkennen;²⁴⁸ und auch die sonstigen Quellen zu Macrobius sind sehr spärlich.²⁴⁹ Besonders auffällig ist, dass Macrobius in der einschlägigen Fachliteratur nicht genannt wird: Sein Name findet sich beispielsweise nicht in Kommentarwerken zu Vergil (nach Servius). Nur kurz angemerkt werden soll, dass sich auch keine Reaktionen christlicher Autoren auf die Saturnalia finden (oder zumindest nicht erhalten haben), so dass eine wie auch immer religiös geartete Lesart der Saturnalia unwahrscheinlich wird. Zumindest gegen Ende des vierten Jahrhunderts finden sich ja ansonsten heftige Angriffe auf die Personen, die als prominent heidnisch angesehen werden.²⁵⁰ Es zeigt sich also, dass die Saturnalia – im Gegensatz zum Somnium-Kommentar – in der Antike kaum verbreitet waren. Über Gründe kann nur spekuliert werden: Vielleicht gab die thematische Auswahl, die Macrobius getroffen hatte,

Zumindest dieses Werk war also wirklich veröffentlicht und nicht nur für den privaten Hausgebrauch verfasst worden.  Zur Abwesenheit vieler Senatoren von Rom vgl. oben Anm. 234.  Barker-Benfield 1983, 224. Die Überlieferung der Saturnalia hängt an einer einzigen antiken Handschrift (die verloren ist). Dort (233 f.) auch eine knappe Übersicht der wichtigen Autoren, die Macrobius kennen, und eine kritische Musterung der Sekundärliteratur zu diesem Aspekt. Zur Überlieferungslage der Saturnalia allgemein vgl. Kaster 2010.  Cassiod. in psalm. 10, 7: Macrobius quoque Theodosius in quodam opere suo … dicit … (‚Auch Macrobius Theodosius sagt in einem seiner Werke …‘).  Der einzige weitere Hinweis auf Macrobius bezieht sich auf seinen Kommentar zum Somnium Scipionis. Über das Werk und seinen Autor äußert sich Boethius folgendermaßen: … si Macrobii Theodosii doctissimi viri primum librum quem de Somnio Scipionis composuit in manibus sumpseris (Boeth. Porph. isag. p. 31, 21– 23 [1, 10]) Wenn du das erste Buch des Somnium-Kommentars von Macrobius Theodosius, des höchst gelehrten Mannes, in die Hand nimmst, …  Vgl. die bekannten carmina: Pseudo-Cyprians Carmen ad quendam senatorem, das Carmen ad paganos oder das bei Paulinus von Nola überlieferte Carmen ultimum. – Eine mittelalterliche Kritik (Manegold von Lautenbachs Liber contra Wolfelmum, entstanden ca. 1085) richtet sich bezeichnenderweise gegen die philosophischen Lehren des Somnium-Kommentars, die im Widerspruch zu Glaubensinhalten ständen, nicht gegen die Saturnalia.

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die aktuellen Interessen nicht mehr wieder; vielleicht war das Interesse an dieser Form der Darbietung geschwunden. Denkbar ist ebenfalls, dass andere Werke den Nerv der Zeit besser trafen, was Form und/oder Inhalt betraf, z. B. Martianus Capellas De nuptiis oder Augustins De doctrina christiana, die etwa zeitgleich entstanden, oder Cassiodors De artibus. Oder Macrobius hatte das Werk nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt, sondern nur an enge Freunde weitergegeben, so dass nur wenige Exemplare existierten. Von einer Zensur dieses Werkes wissen wir jedenfalls nichts.²⁵¹ Dieser ernüchternde Befund der ausgebliebenen Rezeption wird den Saturnalia ebenso wenig gerecht wie die gelegentlich abwertenden Urteile der modernen Forschung. Auch wenn Buntschriftstellerei kein großes Ansehen mehr besitzt und im Kern keine eigenen wissenschaftlichen Leistungen erfordert, so beweisen gerade die Saturnalia, dass auch in einem solchen Genre Veränderungen und Neuerungen und somit auch individuelle Konzepte umgesetzt werden konnten. An die Stelle der weitgehend unsortierten Zusammenstellung interessanter Fakten und Anekdoten tritt eine planvolle Ordnung, und statt nach einer bunten Mischung unterhaltsamer Informationshäppchen strebte Macrobius nach einer Belehrung und Unterweisung mit Blick auf das zeitgenössische gesellschaftliche Leben. In der Symbiose der unterschiedlichen Genres mit ihren Anforderungen, in der geschickten Verbindung von Figurenrede und Figurenhandeln und der Konzentration auf zwei Leitziele gelang Macrobius die Schaffung eines eigenen Werkes, das literarische, erzieherische, systematisierende und unterhaltende Zielsetzungen umsetzt. Und mit dem Fokus auf Praetextatus’ Zeit und den bewundernden Blick der Leute seines Umfeldes zurück in die ferne Vergangenheit wird auch nicht etwa eine Erstarrung des Denkens postuliert, sondern, wie Kaster es poetisch formuliert: „The fiction created by Macrobius suggests not so much a ‚culture running hard to stand still‘, but a culture which chooses not to outrun its past.“²⁵²

 Dass Zensur stattfand, zeigen Cod. Iust. 1, 1, 3, 1 (448), in dem die Werke des Porphyrios verboten werden, oder das decretum Gelasianum, das (kanonische und) häretische Werke auflistet und letztere dann verbietet. Während bei Porphyrios tatsächlich die physische Vernichtung der Schriften angeordnet wurde, werden die Schriften im decretum Gelasianum lediglich verdammt. Zu Entstehung, Zuordnung und Datierung des decretum Gelasianum vgl. v. Dobschütz in seiner Ausgabe.  Kaster 1980, 253. Ebenso Bevilacqua, der auch den Blick auf die Zukunft mit einschließt: „Non un meschino laudator temporis acti dunque, ma un uomo che al passato vuol chiedere tutta la forza per guardare ai nuovi tempi, ormai permeati di Cristianesimo, e formare un ideale di vita che possa valere per i secoli futuri“ (Bevilacqua 1973, 178).

III Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii Martianus Capellas Schrift De nuptiis Philologiae et Mercurii ist eine Bildungsschrift par excellence. Aufgrund der ausführlichen Darstellung der Künste Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Harmonie wurde die Schrift im Mittelalter zum Lehrbuch schlechthin, und auch die Schilderung der Vergöttlichung Philologias, des Inbegriffs des Wissens und der Schule, unterstreicht diesen Aspekt. Dieses Kapitel widmet sich der literarischen Gestalt dieser für die abendländische Bildungstradition grundlegenden Schrift und versucht, nach einer knappen Skizze der Vita des Martianus Capella, ausgehend von Auffälligkeiten einen Beitrag zum Gesamtverständnis der Schrift zu leisten. Gerade auf diese Weise kann ein Verständnis von Martianus’ Bildungskonzeption erreicht werden, da nicht Einzelfragen (wie die Quellenfrage) im Vordergrund stehen. Es wird sich zeigen, dass Martianus durch den bewussten Umgang mit literarischen Traditionen und ihre geschickte Verbindung eine eigene Position zur Bedeutung von traditioneller Bildung zum Ausdruck bringt.

1 Vita Über Martianus Capella sind trotz intensiver, früh einsetzender Forschung nur wenige Details bekannt. Die meisten Informationen müssen aus dem Werk geschöpft werden; doch sind sie sehr spärlich und bedürfen immer der Deutung. Einige wenige Anhaltspunkte zur Datierung können textexterne Überlegungen bieten. Der Name Martianus Minneius Felix Capella ist durch die Handschriften (bei wenigen orthographischen Varianten) gesichert, die heutige Benennung als Martianus Capella ist hingegen wohl nicht ursprünglich.²⁵³ Der Titel seines Werkes De nuptiis Philologiae et Mercurii ist nicht original belegt.²⁵⁴

 In De nuptiis spricht Satura den Erzähler mit Felix meus (6, 576) oder Felix Capella (8, 806; 9, 999) an. Ebenso bezeichnen ihn Fulgentius (serm. ant. 45) und Cassiodor (inst. 2, 2, 17; 2, 3, 20). Gregor von Tours nennt ihn Martianus noster (Franc. 10, 31), ohne dass damit eine religiöse, räumliche oder zeitliche Nähe ausgedrückt sein muss.  Der Titel findet sich das erste Mal bei Fulgentius: [Quid sit celibatum.] Celibatum dici voluerunt virginitatis abstinentiam, unde et Felix Capella in libro De nuptiis Philologiae et Mercurii ait: ‚Placuit Minervae pellere celibatum‘. (serm. ant. 45)

1 Vita

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Zur Zeit der Abfassung von De nuptiis ist Martianus Capella bereits im fortgeschrittenen Alter.²⁵⁵ Über die familiären Verhältnisse, die Abstammung und Ämter Martianus’ sind wir bis auf ein einziges Faktum nicht weiter informiert: Durch eine direkte Anrede zu Beginn und am Ende des Werkes ergibt sich, dass Martianus Capella einen Sohn hatte. Dieser Sohn hieß ebenfalls Martianus (1, 2; 9, 997). Keine gesicherten Aussagen können jedoch über den Beruf des Martianus getroffen werden. Auch wenn Martianus sich selbst mit dem einfachen Landleben in Verbindung bringt (iugariorum murcidam viciniam – ‚die träge Nähe der Ochsenknechte‘, 9, 999), muss er nicht zwangsläufig Bauer gewesen sein.²⁵⁶ Es ist eher davon auszugehen, dass er sich zur Zeit der Abfassung von De nuptiis als Privatmann auf dem Land aufhielt, wo in seiner Nachbarschaft Viehhirten unterwegs waren.²⁵⁷ Ebenso wenig muss der spärliche Ertrag (parvo lucro, 9, 999), der im folgenden Vers erwähnt wird, auf Armut oder gar auf Abhängigkeit von ländlichen Erträgen hindeuten. Er kann auch das Bild eines Privatiers unterstützen, der nicht auf die Einkommen aus der Landwirtschaft angewiesen ist bzw. nicht vom Ertrag seines Anwesens lebt.²⁵⁸ Hinweise auf eine frühere anwaltliche Tätigkeit sind ebenfalls umstritten.²⁵⁹

[Was die Ehelosigkeit sei.] Man bezeichnete die Ehelosigkeit als Enthaltsamkeit im Sinne der Keuschheit, weshalb auch Felix Capella in seinem Werk De nuptiis Philologiae et Mercurii [1, 5] sagt: ‚Es gefiel Minerva, die Ehelosigkeit zu beenden.‘  In zwei auktorialen Passagen bietet Martianus beiläufig Informationen über sein Alter: capillis albiscentibus, (‚mit weißen Haaren‘, 1, 2); und anilem oder senilem … fabulam (‚die Geschichte eines alten Mannes‘, 9, 997). Ein genaues Alter lässt sich jedoch nicht ausmachen, auch wenn versucht worden ist, aus der Wendung incrementis lustralibus decuriatum (1, 2) das Alter des Martianus bei der Abfassung zu bestimmen. Stahl/Johnson erklären die Stelle in ihrer Übersetzung wörtlich als „multiplied by ten with fivefold increases“, doch erkennen sie darin keine genaue Altersangabe (z. B. 50 Jahre, wie Zekl in seiner Übersetzung formuliert). Ihre Erklärung der Stelle zielt darauf, dass die Würde des Alters markiert werden solle (decuriatum kann auch den Ruhestand bezeichnen); der genaue Gedanke lasse sich nicht rekonstruieren, daher: „The translation given is deliberately vague.“  Dies nimmt Parker an: „The author was a poor farmer (vix respersus lucro) who could find time for his literary labours in winter but not in summer“ (Parker 1890, 443). Als verarmt sieht auch Stahl Martianus an (Stahl 1971, 9), erkennt aber an, dass er gebildet gewesen sei (ibid. 19).  Vorausgesetzt ist dabei immer, dass die Lesart iugariorum zutrifft, die die meisten Handschriften bieten. Bei der Lesart iurgariorum – die zwar ein Hapax legomenon in der lateinischen Literatur wäre, was bei Martianus aber wiederum nicht ausgeschlossen werden kann – befände sich Martianus in der Nähe von Zankenden, und das könnte eher auf den Aufenthalt in einer (größeren) Stadt hindeuten.  Vgl. zu parvum bes. Hor. serm. 2, 2, 1 und Tib. 1, 1, 25, wo keineswegs an bittere Armut gedacht ist:

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III Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii

Heimatort, zumindest aber Geburtsort des Martianus ist Karthago, wie sich zweifelsfrei aus 9, 999, einem Teil der das Werk beschließenden Sphragis, ergibt: beata alumnum urbs Elissae quem videt auf den das glückliche Karthago als Sohn blickt

Zu dieser Aussage passt auch die in der Forschung häufig wiederholte Feststellung, Martianus’ Stil weise eindeutig nordafrikanische Elemente auf; dies wird an Parallelen zum Werk unter anderem des Apuleius aufgezeigt.²⁶⁰ Dies wird auch durch den Namenszusatz afer Carthaginiensis in einer Handschrift gestützt.²⁶¹

Quae virtus et quanta, boni, sit vivere parvo (discite) – ‚(Erfahrt,) ihr guten Menschen, welch eine Tugend es ist und eine wie große, mit nur bescheidenen Mitteln auszukommen.‘ Iam modo, iam possim contentus vivere parvo – ‚Bald schon möchte ich zufrieden mit meinen bescheidenen Mitteln leben können.‘  Die Diskussion geht von wenigen Versen aus, die schwer verständlich bis korrupt sind. Im das Werk beschließenden Gedicht sagt Satura über Martianus: „Felicis“ inquit „sed Capellae flamine, indocta rabidum quem videre saecula iurgis caninos blateratus pendere proconsulari verba dantem culmini …“ (9, 999) „Aber von der heißen Luft des Felix Capella (inspiriert)“, sagte sie, „den ungebildete Zeiten sahen, wie er vernichtend in Zankereien hündisches Gekläff beurteilte, indem er der prokonsularischen Hoheit Worte (zu hören) gab, …“ So deutlich die Anspielungen auf eine öffentliche Tätigkeit sind, so vage und unverständlich bleiben sie auch. Die Mehrheit der Forscher ist allerdings der Auffassung, dass hier von einer anwaltlichen Tätigkeit des Martianus die Rede ist oder zumindest eine Tätigkeit beschrieben wird, die öffentliches Reden nutzte (also z. B. als Rhetor). Dazu passt auch die Erwähnung des Amtes des Prokonsuls (9, 999), ohne dass deutlich wird, ob Martianus das Amt selbst bekleidet hat oder vor dem Amtsträger gesprochen hat. Eine weitere Stelle macht die Verbindung mit öffentlichen Auftritten plausibler: In einem Interludium wirft Satura Martianus vor, er habe vor lauter Haarspaltereien auf dem Forum die wahre Beschäftigung aus den Augen verloren, so dass er nun nicht einmal mehr Philosophia erkenne (6, 575). Wird auch hier wiederum nicht deutlich, welchen Beruf genau Martianus ausgeübt hat, so impliziert dies doch, er habe öffentliche Reden gehalten. Eine mehr als grundlegende literarische Bildung ergibt sich aus der Menge und Diversität der literarischen Vorlagen und philosophischen Kenntnisse: vgl. v. a. Shanzer 1986c, und Bovey 2003.  Vgl. Shanzer 1986c, 2; Stahl 1971, 29 und 32; Pabst 1994, 124.  Stahl 1971, 12; Grebe 1999, 12. Der Namenszusatz findet sich in der Handschrift G in der Subskription zum ersten Buch.

1 Vita

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Die Unsicherheiten in Bezug auf Martianus umfassen auch die Datierung. Der sichere Zeitrahmen ist durch die letzte zu ermittelnde verwendete Quelle, Aristides Quintilianus, und die erste explizite Bezugnahme durch Fulgentius gegeben,²⁶² bleibt mit den Eckdaten 3./4. Jahrhundert und Mitte 6. Jahrhundert allerdings sehr weit. Die Bezeichnung der Heimatstadt Karthago als beata (‚glücklich‘, 9, 999) bzw. inclita pridem armis (‚einst durch seine Waffen berühmt‘, 6, 669) hat daher auch genaueren Datierungsversuchen einen Ausgangspunkt geboten. Jedoch lassen sich aus diesen Attributen Karthagos ebenso wenig Indizien für eine Datierung ableiten wie aus der Verwendung des Namens Byzanz für Konstantinopel (6, 670) oder der Erwähnung des Prokonsulamtes in Karthago (9, 999).²⁶³ Aus einer Stelle im Buch über die Geographie lässt sich jedoch einigermaßen sicher ein terminus post quem ableiten: Umbri mox Latiumque atque ostia Tiberina dehincque ipsa caput gentium Roma, armis, viris sacrisque, quamdiu viguit, caeliferis laudibus conferenda. (6, 637) Dann schließen sich an die Umbrer und Latium und die Tibermündung, sodann Rom selbst, Hauptstadt aller Völker, das Ruhm bis zu den Sternen verdiente, solange es noch durch Waffen, Männer und Heiligtümer erstrahlte.

Die knappe Einschränkung quamdiu viguit verweist auf eine bereits vergangene Zeit der Größe Roms und wird von den meisten Interpreten mit der Eroberung durch die Westgoten 410 gleichgesetzt. Andere Ereignisse, namentlich die Plünderung der Stadt durch die Vandalen im Jahre 455, kommen nicht in Betracht.²⁶⁴ Die Abfassung von De nuptiis nun unmittelbar auf die Jahre nach 410 anzusetzen, wie Cameron es tut,²⁶⁵ ist dabei nicht zwingend: Zum einen kann Martianus die Eroberung als Epochenbruch aufgefasst haben und auch Jahrzehnte später noch von der früheren, d. h. ungebrochenen Macht Roms sprechen; zum anderen

 So LeMoine 1972a, 8.  Die Diskussion fassen Grebe 1999, 11– 21, und Shanzer 1986c, 1– 28, zusammen. Zum Prokonsulamt vgl. auch Schievenin 2009d, und Cristante 1978, 699 f.  Cameron 1986, 326. Cameron begründet dies mit Hinblick auf die angeführte Stelle, da die Vandalen die Stadt nicht entvölkerten, also die Einschränkung Roma armis, viris sacrisque quamdiu viguit nicht auf den Vandalenüberfall zutrifft. Grebe hält in quamdiu viguit eine Bezugnahme auf 455 oder 468 (Niederlage der byzantinischen Flotte vor Karthago) dagegen für möglich (Grebe 2000, 355).  Cameron 1986, 326, datiert De nuptiis auf die Zeit unmittelbar nach 410, da Rom nur dann entvölkert gewesen sei; die Bewohnerzahl habe wenige Jahre darauf wieder ein ähnliches Niveau wie vor 410 erreicht.

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können im Trikolon armis, viris sacrisque auch verschiedene Arten des Niedergangs (Eroberung sowie allmählicher Verfall) verbunden sein.²⁶⁶ Ein textexterner Faktor für die Bestimmung des terminus ante quem ist eine Subskription zum ersten Buch von De nuptiis, die sich in einer Reihe von Handschriften findet.²⁶⁷ Sie lautet: Securus Melior Felix, v(ir) sp(ectabilis), com(es) consist(orianus), rhetor Urbis R(omae), ex mendosissimis exemplaribus emendabam contra legente Deuterio, scolastico, discipulo meo, Romae, ad portam Capenam, cons(ulatu) Paulini, v(iri) c(larissimi), sub V nonarum Martiarum, Christo adiuvante. (Subskription zu Buch 1 in den Handschriften ABDGR) Ich, Securus Melior Felix, vir spectabilis, comes consistorianus, Rhetor der Stadt Rom, habe (das Buch) aus äußerst fehlerhaften Exemplaren verbessert, wobei Deuterius, Student der Rhetorik, ein Schüler von mir, gegenlas. Rom, bei der Porta Capena, unter dem Konsul Paulinus, vir clarissimus, am 5. März, mit Christi Hilfe.

Trotz der vielen genauen Angaben lässt sich das Jahr der Abschrift durch Securus Melior Felix nicht genau bestimmen: In der fraglichen Zeitspanne gab es zwei Konsuln mit dem Namen Paulinus (498 und 534 n. Chr.). Klassischerweise wurde bei Datierungen der Zusatz senior hinzugefügt, wenn es zwei Konsuln des gleichen Namens gab, so dass die Datierung ohne einen Zusatz auf den früheren Konsul und damit das Jahr 498 fallen muss.²⁶⁸ Für die Datierung der Abfassung von De nuptiis sind nun noch einige Jahre abzuziehen, um die Verbreitung der Schrift von Afrika nach Rom und einen Verfall der Manuskripte zu ermöglichen. Beides muss jedoch keinesfalls lange gedauert haben. Eine sichere und genaue Datierung des Werks und des Autors ergibt sich aus den vorgestellten Argumenten zwar nicht. Sie bieten aber einige Anhaltspunkte dafür, dass De nuptiis nach 410 und einige Zeit vor 498 abgefasst wurde.²⁶⁹

 Ebenso Stahl 1971, 14, und Shanzer 1986c, 5.  Zur Diskussion um diese Subskription vgl. bes. Préaux 1975; Cameron 1986; Shanzer 1986c, 9; Vössing 2008, 389 f.  Vössing 2008, 390. – Solch formalistische Regeln an Subskriptionen anzulegen, erscheint zunächst schwierig, doch in diesem Fall angesichts der weiteren exakten Angaben als durchaus zulässig. Zu spätantiken Subskriptionen und ihrem Aussagewert vgl. Cameron 2011, Kap. 12– 13.  Eine Datierung in die Zeit der „renaissance vandale“ (der Begriff wurde von Pierre Riché geprägt; vgl. auch Hays 2004), wie Grebe es anhand von kulturgeschichtlichen Überlegungen versucht, ist nur möglich, wenn die Identifizierung des Konsuls Paulinus mit dem ersten Amtsträger dieses Namens infrage gestellt wird. Grebes Argumentation setzt bei der unsicheren Identifikation des Paulinus an. Sie erwägt sodann eine Abfassung unter den vandalischen Herrschern Gunthamund und v. a. Thrasamund, die die Kultur gefördert hätten (Grebe 1999, 20 f.)

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2 De nuptiis als literarisches Werk Bereits eine erste unbefangene Lektüre von De nuptiis hinterlässt den Eindruck, dass Martianus ein anspruchsvolles und komplexes Werk hinterlassen hat: Nach einer kurzen Szene zu Beginn, in der sich der Erzähler Martianus mit seinem Sohn unterhält und die am Ende als Rahmen wieder aufgegriffen wird, beginnt eine mythische Schilderung der Hochzeitsvorbereitungen von Merkur und Philologia. Merkur macht sich mit Hilfe von Virtus auf die Suche nach einer Braut, sucht und findet Apoll, der ihm die sterbliche Philologia als Braut vorschlägt, bittet den Götterrat um die Genehmigung zur Hochzeit und erhält sie (Buch 1). Als Philologia von dem Plan erfährt, überlegt sie mit kabbalistisch anmutenden Berechnungen, ob die Ehe günstig sei, bereitet sich auf die Hochzeit durch eine Reinigung vor, bei der sie ihr bisher gesammeltes Wissen erbricht, und steigt in einer Sänfte über die Himmelssphären auf zur Milchstraße, wo die Hochzeit stattfindet (Buch 2). Während der Hochzeitsfeierlichkeiten lässt der Ehemann zu Ehren der Braut sieben Brautjungfern auftreten, die ihr dienen sollen. Diese stellen in langen Reden ihr Wissen vor: Es sind die späteren sieben freien Künste (Bücher 3 bis 9). Eingelegt in diese Berichte sind kurze Szenen von der Hochzeitsfeier und Wortwechsel zwischen dem Erzähler Martianus und einer weiteren Erzählerfigur, Satura. Leser von De nuptiis, besonders moderne, sehen sich vor vielfältige Fragen und Probleme gestellt, wenn sie versuchen, die Schrift mit ihren unterschiedlichen Aspekten zu verstehen. Eine umfassende Interpretation ist aber gerade bei diesem Werk Voraussetzung für eine Beantwortung nachrangiger Fragen. Daher soll in diesem Teil ein Beitrag zum Gesamtverständnis von De nuptiis versucht werden. Der Zugang soll rein literarisch erfolgen, woran sich einige weitere Überlegungen anschließen. Eine Analyse der literarischen Form von De nuptiis muss folgende beiden Aspekte berücksichtigen: einerseits die Anknüpfung an Gattungstraditionen und – damit verbunden – die Frage nach der literarischen Form von De nuptiis als Ganzem; andererseits die narrative Gestaltung des Werkes. Die Form von Martianus’ De nuptiis zu bestimmen, ist keine einfache Aufgabe. Dies liegt an der Vielzahl von Bezügen und kompositorischen Ideen, die eine eindeutige Identifizierung erschweren. Ausdruck findet dieser Umstand darin, dass in der modernen Forschung verschiedene Elemente benannt werden, die eine Gattungszuordnung ermöglichen. Das Ergebnis ist jedoch meist eine Aufzählung

und engt den Zeitraum der Abfassung auf die Herrschaft Thrasamunds (496 – 523) ein (Grebe 2000, 363 – 365, bes. 368).

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von möglichen Zuordnungen, die eine Festlegung vermeidet.²⁷⁰ Die Untersuchung wird besonders vier Traditionsstränge fokussieren: das Lehrbuch bzw. die Enzyklopädie, die Symposionliteratur, die mythisch-allegorische Erzählung und die menippeische Satire.²⁷¹ Es wird nach dem Zweck der Anknüpfung an diese Traditionen zu fragen sein, um dann zu prüfen, welche Wirkung die Verbindung dieser Formen hervorruft. Einen besonderen Schwerpunkt wird die Herausarbeitung der satirischen Elemente in De nuptiis darstellen. Trotz ihrer relativen Prominenz sind bislang nicht alle Elemente beachtet worden.²⁷² Und da aus diesen Beobachtungen wichtige Folgerungen für das Gesamtverständnis von De nuptiis abgeleitet werden, müssen diese zunächst ausführlich erhoben werden. Eingelagert in die Analyse der satirischen Elemente von De nuptiis wird die Frage nach der narrativen Gestaltung unter dem Blickwinkel der Erzählinstanzen thematisiert. In der Schrift konkurrieren zwei Erzählerfiguren, Martianus und Satura, um die Verantwortung für das Erzählte wie um das richtige Vorgehen beim Erzählen. Es ist zu bestimmen, in welchem Verhältnis beide Erzählerfiguren zueinander stehen und welchem Zweck diese Doppelung dient.

2.1 Die literarische Form Enzyklopädie Im Gegensatz zu Macrobius’ Saturnalia ist De nuptiis dem Sohn nicht als Werk der Belehrung gewidmet.Vielmehr spricht Martianus von der fabella (1, 2) bzw. fabula  Paradigmatisch ist die Konstatierung der Aporie bei LeMoine, die nach der Aufzählung von Vorbildern das Kapitel zur literarischen Form ohne weitere Überlegungen so abschließt: „but, the De nuptiis in the diversity of its content, language, and form is truly unlike anything written either before or since“ (LeMoine 1972a, 8). Vgl. auch Relihan: „it is a mixture that frustrates sense“ (Relihan 1993, 15).  Bisherige Interpretationen haben jeweils unterschiedliche Traditionen benannt und der Vermischung der Formen wenig Beachtung geschenkt: Enzyklopädie/Lehrbuch (Marinone 1970, 18; Lommatzsch 1904, 190), Lehrbuch mit menippeischen Momenten (Dronke 1994, 36), menippeische Satire (LeMoine 1972a, 7), menippeische Satire und Symposionform (Petrovićová 2004, 85), Mischung aus Enzyklopädie, menippeischer Satire und platonischem Mythos (Barnish 1986, 98), menippeische Satire und Epithalamium (Cristante im Vorwort seiner Ausgabe, 3 und 21; Bovey 2003, 10), Mischung aus philosophischem und allegorischem Roman (Böttger 1947, 590), Allegorie mit Fachschriftstellerei (Guillaumin 2008, 168), Roman mit Elementen des Symposions (Stahl 1971, 26), Mischung aus menippeischer Satire, Allegorie, fabula und Symposiondialog (LeMoine 1972b, 214).  Gelegentlich wird das satirische Element in De nuptiis sogar deutlich heruntergespielt oder umgedeutet: vgl. u. a. Grebe 1999, 855 f.; Petrovićová 2010b.

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(2, 219), die das Buch ausmacht und die der Sohn hören bzw. der Leser lesen soll.²⁷³ Erscheint es zunächst so, als ob die Erzählung mit dem zweiten Buch endet und ab dem dritten nur ernste Abhandlungen folgen sollen (2, 219 f.), korrigiert Martianus diesen Eindruck jedoch gleich zu Beginn des dritten Buches. Dort lässt er sich von einer nicht benannten Muse (Camena) das Versprechen abnehmen, auch weiterhin fiktionale Elemente zu nutzen. Der anfänglich ins Auge gefasste Verzicht auf Fiktion (fictum) für die folgenden wissenschaftlichen Partien (disciplinae sobriae)²⁷⁴ betont jedoch deren Relevanz und das Interesse an zuverlässiger Belehrung. Während sich für den Inhalt der Bücher 1 und 2 eine Erzählung als gut geeignet erwies, widersprach diese für Martianus dem Wesen der anschließenden Vorträge, welchen dadurch größeres Gewicht zufällt. Der scheinbare Konflikt wird dadurch gelöst, dass die Vorträge an sich in der geplanten, trockenen Form gehalten werden. Sie sind jedoch in die über alle neun Bücher fortgesetzte Erzählung der Hochzeit Merkurs mit der Philologie eingebettet. Der Handlungsfortschritt zwischen den Vorträgen ist nicht groß, sondern beschränkt sich meist auf das Evozieren von Eindrücken und die Bezugnahme auf traditionelle gattungsspezifische Elemente (vgl. z. B. die Elemente des Symposiondialogs). Dass Martianus schließlich das ganze Werk mit seinen erzählenden und belehrenden Teilen als fabula betrachtet, wird in der abschließenden Sphragis deutlich. Dort heißt es: Habes anilem, Martiane, fabulam, miscillo lusit quam lucernis flamine Satura, Pelasgos dum docere nititur artes †cagris vix amicas Atticis (9, 997) Da hast du, Martianus, eine Altweibergeschichte, welche bei Kerzenschein Satura mit gemischtem Liede [d. h. in Prosa und Vers] spielend hervorbrachte, während sie sich bemühte, die Pelasger zu lehren die Künste, die den Griechen kaum freundlich [d. h. neu] sind.

 Der Begriff des mythos, der dreimal in De nuptiis auftritt, ist eng auf den allegorischen Inhalt der Bücher 1 und 2 beschränkt und entspricht in etwa dem, was Macrobius unter narratio fabulosa versteht (Bovey 2003, 38 – 42).  Beide Wendungen 2, 220. – Zur Frage der Bezeichnungen als artes bzw. disciplinae inklusive der Begriffsentwicklung vgl. Bovey 2003, 64– 87.

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So unklar der Inhalt der Wendung Pelasgos docere ist,²⁷⁵ wird doch deutlich, dass Martianus mit den vorausgegangenen 9 Büchern belehren wollte, was allein schon die systematische Anlage (sieben Künste, Reflexion über weitere Wissenschaften in 9, 891) und die Fülle des Stoffes nahelegen. Der enzyklopädische Teil umfasst die Bücher 3 bis 9 von De nuptiis. Zunächst treten die Künste Grammatik, Dialektik und Rhetorik auf und stellen ihre Disziplin vor (Bücher 3 bis 5). Davon deutlich abgesetzt durch einen Hymnus auf Pallas Athene zu Beginn von Buch 6,²⁷⁶ folgen die Wissenschaften des späteren Quadriviums: Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Harmonie (Bücher 6 bis 9). Diese werden wiederum in zwei Zweiergruppen unterteilt. Eine unmittelbare Vorlage dafür lässt sich nicht erkennen, aber auch bei Boethius findet sich eine Zusammenfassung der vier mathematischen Fächer, die von der Forschung auf Nikomachos von Gerasa zurückgeführt wird.²⁷⁷ Eine Anordnung nach steigendem Ansehen der Künste ist auch durch Größe und Zusammensetzung des Gefolges und die Reaktionen der Götter erkennbar.²⁷⁸ Die Vorträge der Künste selbst entsprechen dem Charakter von Fachschriften, was vor allem auf der streckenweise wörtlichen Wiedergabe der zugrunde liegenden Quellen beruht. Durch den Umfang, den kleinschrittigen Aufbau und die sprachliche Sprödigkeit wirken diese Reden wie ein Fremdkörper in der Geschichte der Hochzeitsfeierlichkeiten und lassen manchen anwesenden Gott müde werden oder gereizt reagieren.²⁷⁹ In der Regel sind die Vorträge aus einer oder mehreren Vorlagen übernommen, wobei Martianus’ Eigenbeitrag vor allem in der Auswahl und Zusammenstellung der Quellen liegt. Ein prominentes Beispiel für Martianus’ Vorgehen ist die Bezeichnung Konstantinopels als Byzanz (6, 670): Die Stelle kann nicht – wie häufig geschehen – zur Datierung herangezogen werden, sondern offenbart Martianus’

 Cristante versteht die Stelle wörtlich, wenn er formuliert, Martianus wolle das bäurische Italien belehren (Cristante 1978, 679), während Parker die Bedeutung des Wortes Pelasgi gar nicht genau bestimmen möchte (Parker 1890, 454).  Zu dieser Passage und der Bedeutung dieses zweiten ‚Binnenproöms‘ vgl. Bovey 2003, 227– 237, sowie Zaffagno 1998.  Rechenauer 1994, Sp. 1177.  Während Grammatik allein eintritt (3, 223), wird Harmonia von vielen, auch berühmten, Begleitern eingeführt, und ihr Einzug wird von Musik begleitet (9, 905 – 909). Ihr Vortrag ruft bei den Göttern Freude hervor (9, 996), während der Vortrag von Grammatik neutral zur Kenntnis genommen wird (3, 326) und der Vortrag von Dialektik aufgrund des Unwillens der Zuhörer sogar abgebrochen werden muss (4, 423). Vgl. Relihan 1987, 64, und Bovey 2003, 10, die von einem „parcours ascendant et cyclique“ spricht.  4, 423; 5, 565; 6, 723.

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unkritischen Umgang mit seinen Quellen.²⁸⁰ Meist liegt der Darstellung der Künste nicht jeweils eine Fachschrift zugrunde, sondern sind mehrere Werke herangezogen und zusammengestellt.²⁸¹ Die Auswahl der Fächer erfolgt nicht willkürlich. Die Tradition der umfassenden Bildung, die sich hinter dem Begriff der ἐγκύκλιος παιδεία verbirgt,²⁸² der von Martianus auch in lateinischer Übersetzung verwendet wird,²⁸³ umfasste im Laufe der Jahrhunderte einen wechselnden Fächerkanon. Im Kern waren jedoch immer sowohl sprachliche Fächer als auch im weiteren Sinne mathematische Fächer darin vertreten.²⁸⁴ Die Siebenzahl war dabei nicht kanonisch, es konnten auch neun Fächer (Varro) dazugehören oder ein nicht genau umrissener Fächerkanon (Boethius).²⁸⁵ Gegenüber der Tradition stellt Martianus’ Fächerauswahl keine grundlegende Neuerung dar. Grammatik, Rhetorik und Dialektik waren meist Bestandteil der umfassenden Bildung, und auch Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik gehörten häufig dazu.²⁸⁶ Der Ausschluss weiterer Künste wie der Medizin und der

 Vorlage ist an dieser Stelle Plinius (Plin. nat. 5, 24 f.). Vgl. Grebe 2000, 354. Typisch ist die Einschätzung Krapingers, der De nuptiis ein niedriges fachliches Niveau bescheinigt („evidente sachliche Defizite“; Krapinger 1999, 962). Vgl. auch die Anrufung Minervas zu Beginn des Quadriviums 6, 574, in der Martianus explizit um Inspiration in Bezug auf die griechischen Künste bittet.  Ein Blick in den Similienapparat zeigt, dass Martianus für das sechste Buch über die Geometrie hauptsächlich auf drei Autoren zurückgegriffen hat: Solinus, Plinius und Euklid. Vgl. auch Willis’ Anmerkung in seiner Ausgabe: non moris fuisse Martiano, ut per integrum librum unum sequeretur auctorem (309). Sehr aufschlussreich ist beispielsweise die Untersuchung von Barbara Ferré in der Einleitung zur Ausgabe (xxiv-xxvii). Vgl. auch die Beiträge von Schievenin (2009a und 2009b), die neben der unmittelbaren Fragestellung auch eine weitere Einordnung bieten.  Einen konzisen und modernen Überblick über die Entwicklung des Konzeptes bietet Rechenauer 1994. Die Monographie von Hadot (Hadot 2005) ist immer noch das Standardwerk.  9, 998 (disciplinae cyclicae).  Hadot 2005, 265 – 267; Marrou 1958a, 2. Teil, bes. die Übersicht 216 – 217; Rechenauer 1994; Grebe 1999, 37– 50.  Über die Siebenzahl, ihren Ursprung, ihre Festlegung sowie ihre endgültige inhaltliche Füllung ist bislang kein Konsens erzielt worden; deutlich ist aber, dass Martianus Capella und Augustin bei ihrer Kanonisierung und Ausgestaltung eine entscheidende Rolle gespielt haben: „La question de l’origine du cycle des sept arts libéraux est irrésolue et en partie insoluble, mais les deux auteurs d’origine africaine [Martianus Capella und Augustin] jouèrent un rôle considérable dans le triomphe de ce programme d’étude au moyen âge“ (Zelzer 2003, 249). – Zur Neunzahl der Fächer bei Varro als Anlehnung an die Musen vgl. Hübner 2004.  S. die in Anm. 284 genannte Literatur.

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Architektur wird mit Verweis auf den fortgeschrittenen Abend und die menschlichpraktische Seite der Fächer erklärt.²⁸⁷ Im Detail nimmt Martianus aber durchaus Änderungen vor. So geht es im neunten Buch von De nuptiis nicht um die Musik im Allgemeinen, sondern um die Harmonie. Diese Umgewichtung steht sicher in Zusammenhang mit der verbindenden und vereinigenden Grundkonzeption von De nuptiis, die zu Beginn des ersten Buches (1, 1) durch den Hymnus auf Hymenaeus, den verbindenden Hochzeitsgott, ausgedrückt wurde.²⁸⁸ Unterstützt wird diese Eigenwilligkeit durch die praktische Darbietung von harmonischem Gesang, der die theoretischen Ausführungen ergänzt und steigert (9, 911– 919; 9, 996). Auch bei der Behandlung der Geometrie in Buch 6 greift Martianus in die traditionelle Darstellung des Wissens ein. Anstatt die Ausführungen auf geometrische Fragen und Lehrsätze zu beschränken, erweitert Martianus sie um einen ausführlichen geographischen Teil, der um einiges länger ist als der geometrische (Geographie: 6, 586 – 703; Geometrie: 6, 705 – 723). Ferré erkennt dahinter vor allem ein literarisches Ziel: Die vorhandene Stoffmenge zur Geometrie sei zu klein gewesen, so dass Martianus sie habe erweitern müssen, damit das sechste Buch nicht bedeutend kürzer werde als die übrigen Bücher.²⁸⁹ Verändert Martianus also gelegentlich aus kompositorischen Gründen die traditionelle Darstellung der Künste, so kann man dies auch in der Zusammenführung der vielen Spezialschriften in einem Werk erkennen. Umfasst das Konzept der ἐγκύκλιος παιδεία zwar einen breiten Fächerkanon, an den sich Martianus auch weitgehend hält, so ist die Darstellung aller Fächer in nur einem Werk ungewöhnlich. Üblich war die Form der Abhandlung, der die Beschäftigung mit einer Disziplin zugrunde lag. Als Beispiele kann auf nahezu alle antiken fachwissenschaftlichen Schriften verwiesen werden. Ausnahmen sind allein die Sammelschriften, die aber explizit andere Ziele verfolgen und keinen Fachbereich gründlich bearbeiten. Diese Feststellung gilt auch für die anderen Autoren mit teilweise ‚enzyklopädischem‘ Programm, z. B. Augustin oder Boethius. Augustins „Bildungsprogramm“²⁹⁰ umfasste ähnliche Fächer wie Martianus sie versammelte, doch ver-

 9, 890 – 891. Hadot nimmt an, dass diese Disziplinen nicht per se als unwichtig angesehen oder in bewusster Abgrenzung von Varro ausgeschlossen worden seien, sondern weil sie nicht zur „Schau der göttlichen Weisheiten“ führen würden (Hadot 2009, 16).  Zu dieser Stelle und zu dem im Hymnus ausgedrückten philosophisch-poetischen Programm vgl. LeMoine 1972a, 14; Stahl 1971, 86; Relihan 1993, 61; Schievenin 2009c.  So Ferré im Vorwort ihrer Ausgabe, xlvi.  Den Begriff verwendet Studer 2007, 522.

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fasste Augustin zu den einzelnen Disziplinen jeweils eine eigene Schrift (mit der Folge, dass er nicht alle Fächer behandelt hatte, als er das Projekt aufgab, wohl aber einige Themen abgearbeitet und die Bücher erschienen waren).²⁹¹ Ähnlich verhält es sich mit Boethius, der sich etwa einhundert Jahre später ebenfalls mit verschiedenen Wissensbereichen beschäftigte. Trotz der Leistung des Martianus setzte Boethius sein Vorhaben aber so um, dass er den verschiedenen Disziplinen einzelne Abhandlungen widmete.²⁹² Allein Varro hat seinem breiten Œuvre an Spezialschriften auch noch ein im engeren Sinne enzyklopädisches Werk zugefügt, die Disciplinae. Darin beschäftigt sich Varro mit dem gleichen Fächerkanon wie Martianus (unter zusätzlicher Aufnahme der Medizin und Architektur). Da das Werk aber verloren ist und auch nur spärliche Testimonien vorhanden sind, lässt sich nicht abschätzen, inwiefern tatsächlich eine einheitliche Schrift vorgelegen hat und welches Ziel Varro mit ihr verfolgte.²⁹³ Martianus’ Werk De nuptiis ist die erste erhaltene Enzyklopädie der Antike und dürfte somit maßgeblich zum heutigen Verständnis des Begriffs der Enzyklopädie als eines einzigen Werkes, das alles Wissen enthält, beigetragen haben. Der Grund für Martianus’ ungewöhnliches Vorgehen dürfte in dem augenscheinlichen Plan der Verbindung aller Disziplinen liegen, der auch zu Beginn des Werkes durch die Preisung des Hymenaeus ausgedrückt wird.²⁹⁴

 Zu Augustins Plan vgl. retract. 1, 6 (Per idem tempus, quo Mediolani fui baptismum percepturus, etiam disciplinarum libros conatus sum scribere – ‚Zu der Zeit, als ich in Mailand bald die Taufe empfangen sollte, habe ich versucht, auch Bücher über die Fächer zu schreiben.‘); begonnen und teilweise erhalten sind gramm., mus., und evtl. dialect.  Neben den Schriften zur Theologie und zur Logik sind die Schriften zur Arithmetik (arithm.), zur Musik (mus.) und zur Rhetorik (in top.; divis.) zumindest teilweise erhalten. Hinzu kommen Übersetzungen astronomicher und geometrischer Fachschriften. Zu Boethius’ Fachschriften und seinem Programm vgl. Chadwick 1981, 69 – 107.  Das spärliche Wissen spiegelt auch die knappe Einführung von Cardauns 2001: Sie umfasst für die Disciplinae inklusive Literaturverweisen knapp zwei Seiten (77– 78) und bietet wenig sichere Informationen.  Eine interessante, gleichwohl stark negative Antwort auf die Zusammenstellung der Künste in einem Werk bietet Vössing, der damit gleichzeitig aber auch die Einzigartigkeit des Vorgehens herausstellt: „Was in den mittelalterlichen Klöstern als Summe antiker Bildung galt, war wohl nur das Resultat der Selbstdarstellung eines ehemaligen Advokaten, der dem gebildeten Publikum seiner Stadt demonstrieren wollte, dass er mehr konnte als plädieren und mehr wusste als der normale scholasticus: den überlieferten, prestigeträchtigen Bildungsstoff aller sieben artes – der üblicherweise nur in einzelnen Fachbüchern (und bezogen auf einzelne Disziplinen) präsentiert wurde – in einem Werk zusammenzufassen und einzubetten in ein ironisches, literarisches Spiel. So hoffte er beides zu haben: den Ruhm der Bildung und den der parodistischen Distanzierung. An eine spezifische Programmatik dachte er bei seiner Enzyklo-

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Welches (philosophische oder literarische) Konzept dahinterstand und inwieweit Martianus sein Vorhaben überzeugend umsetzen konnte, wird unterschiedlich bewertet.²⁹⁵ Wie das Urteil auch ausfällt, gilt es doch zu beachten, dass neben den enzyklopädischen Teilen mit ihrem traditionellen Inhalt in teils traditioneller, teils neuer Form auch andere narrative Strategien zum Einsatz kommen, die für eine umfassende Deutung und Bewertung ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Literarisches Symposion Eine andere Gattungstradition, die für die Anlage von De nuptiis genannt werden muss, ist die Form des literarischen Symposions. In diesem Punkt besteht eine Verbindung zu Macrobius’ Saturnalia, deren Symposionform im entsprechenden Kapitel untersucht worden ist.²⁹⁶ Auch in De nuptiis lassen sich einige konstitutive Merkmale eines literarischen Symposions aufzeigen. Das Geschehen in den Büchern 3 – 9 spielt anlässlich einer Feierlichkeit (der Hochzeit) an einem besonderen Ort (auf der Milchstraße)²⁹⁷, an dem sich geladene Gäste (Götter, Heroen etc.) versammeln. Den Vorsitz der Feierlichkeiten hat (gewissermaßen als Symposiarch) Jupiter inne. Es gibt zwar keine ungeladenen Gäste, doch Silen erfüllt die Rolle des Zechers, und er verlässt die Feier vorzeitig (8, 805). Auch die Liebe kommt nicht zu kurz, indem Venus ihre Reize spielen lässt (6, 704), Voluptas mit Merkur flirtet (7, 725 – 727) und Hymenaeus mit seinem anzüglichen Gesang das Geschehen der Hochzeitsnacht zu-

pädie ebenso wenig, wie er seinen Platz im ‚Lehrplan des Abendlandes‘ vorhersehen konnte“ (Vössing 2008, 404).  Weit verbreitet ist die Ansicht, Martianus habe eine Art Summe der antiken Gelehrsamkeit erstellt (Cristante im Vorwort seiner Ausgabe, 27; Ferrarino 1969, 2; Bovey 2003, 20; Cristante 2009, [3]; Schievenin 2009a, 77). Die gegensätzliche Position formuliert bereits Parker: „[I]t is clear that the seven arts were never supposed to include the whole circuit of human knowledge. Martianus Capella’s list was a reduction of Varro’s, and Varro’s was not supposed to include all knowledge“ (Parker 1890, 459).  S. o. Kap. II.4. Dort werden auch die typischen Merkmale dieser literarischen Form vorgestellt.  Die Milchstraße in der Darstellung bei Martianus greift zwei Aspekte auf, die allerdings schon lange vor ihm verbunden worden sind: Einerseits ist die Milchstraße der Ort, an den die außergewöhnlichen Menschen nach ihrem Tod gelangen (Cic. rep. 6, 16; Manil. 1, 758 – 800), andererseits ist auch die Vorstellung nicht ungewöhnlich, dass dort der Wohnsitz der Götter zu finden sei (Ov. met. 1, 170 – 176; Manil. 1, 801– 804). Bei Martianus versammeln sich dort die Götter; doch ist dies auch der Ort, an den die vergöttlichte Philologia gelangt – abgesehen von den übrigen herausragenden Menschen, die sich im Gefolge ‚ihrer‘ Brautjungfer dort versammeln.

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mindest andeutet (9, 902 f.), wenn die Ausführung auch nicht beschrieben wird (9, 996). Das auffälligste Merkmal sind aber die Reden, die gehalten werden. Sie ähneln zwar nicht dem Inhalt, wohl aber der Form nach der monologischen Anlage der Symposiongespräche bei Platon oder (stellenweise) Macrobius. Ebenso passt der Inhalt, Bildungswissen, an sich zu einem Symposion, auch wenn er hier sehr ausführlich und ohne Rücksicht auf die primären Adressaten, die Götter, präsentiert wird. Bei Platon sowie bei Martianus scheint der Inhalt der Gespräche im Vorfeld noch nicht festzustehen, wie die Auswahl der jeweils nächsten Rednerin durch Apoll (3, 223; 4, 328; 8, 810; 9, 891) bzw. Paidia (7, 728) oder die Diskussion um den Fortgang der Feier bzw. die noch folgenden und auszuschließenden Reden (= Künste) zu Beginn von Buch 9 zeigt.²⁹⁸ Die Anordnung der Redebeiträge nach steigender Relevanz und die unterbrechungsfreie Präsentation der Reden erinnert ebenfalls ans platonische Symposion. Schließlich nimmt das Spiel mit der Erzählinstanz (Satura oder Martianus) die verschachtelte Erzählsituation bei Platon oder Macrobius mit ihren verschiedenen Berichtsebenen auf und formt sie um.²⁹⁹

Mythisch-allegorische Erzählung Zu den bereits genannten literarischen Vorlagen von De nuptiis tritt ein weiteres Element hinzu, dessen Bedeutung und dessen eigene Vorlagen nur schwer zu bestimmen sind. Besonders Shanzer weist in ihrem Kommentar zum ersten Buch von De nuptiis wiederholt auf die orphischen, gnostischen und philosophisch-religiösen Elemente in den sehr bildhaften, aber streckenweise schwer verständlichen ersten beiden Büchern hin.³⁰⁰ Eine umfassende Interpretation des Mythos bietet sie jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sie sich auf Verweise zur Herkunft einzelner Motive und auf die Deutung kürzerer Passagen. Kupke kommt bei einer Musterung der verschiedenen mythischen Reminiszenzen im zweiten Buch von De nuptiis zu der Feststellung, dass eine eindeutige

 Ein zentraler Unterschied besteht jedoch darin, dass die Vorträge nicht von den Gästen gehalten werden, sondern dass die Gäste, also die Götter, nur Zuhörer sind, während die Künste reden. Hierin erinnert De nuptiis eher an Julians Caesares, in denen die versammelten Götter ja auch wenig sprechen, wohl aber die römischen Kaiser, die – wenn auch um einiges knapper – ihre Leistungen darstellen.  Ausführlicher dazu im weiter unten folgenden Abschnitt über die Erzählinstanzen.  Shanzer 1986c, passim.

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und kohärente Decodierung aller Verweise und Anspielungen nicht möglich sei.³⁰¹ Ihrer Ansicht nach ist es dem modernen Leser nurmehr möglich, einzelnen Verweisen nachzugehen und sie aufzuzeigen.³⁰² Trotz der benannten Schwierigkeiten darf bei allen Fragen nach literarischen Vorlagen nicht vergessen werden, dass De nuptiis vor allem (aber nicht ausschließlich) auch ein allegorisches Werk ist: Die imposante Schilderung der vier Flüsse in Buch 1, Apoll auf dem Parnass-Hügel, die allegorischen Figuren und viele weitere Elemente sind nicht nur kreative literarische Erfindungen, sondern fordern zu einer übertragenen Lesart des Werkes auf. Besonders die ersten beiden Bücher, die den Mythos enthalten, müssen aus diesem Blickwinkel gelesen und verstanden werden. Zu verweisen ist außerdem auf die Bezeichnung der Erzählung als fabula oder fabella. Neben der naheliegenden Bedeutung von ‚Erzählung, Geschichte‘ im allgemeinen Sinn ist sicher auch an die Diskussion um die Berechtigung von fabulae in Macrobius’ Somnium-Kommentar zu denken. Dort verteidigt Macrobius sowohl Platon als auch Cicero gegen den Vorwurf, fiktive Geschichten zu benutzen, um philosophische Wahrheiten zu verkünden: In bestimmten Fällen sei dieses Vorgehen gerechtfertigt, solange es sich um wahrhaftige und belehrende Erzählungen handle.³⁰³ Diese Voraussetzung kann man auch für De nuptiis als erfüllt ansehen. Da Martianus zudem dem Neuplatonismus ähnlich nahesteht wie Macrobius,³⁰⁴ ist von einer bewussten Entscheidung zugunsten einer literarischen Darstellung auszugehen. Den einzigen Versuch einer umfassenden Deutung verschiedener Elemente des Mythos und der allegorischen Darstellung hat – unter Vernachlässigung einiger Details – bislang Lenaz unternommen. In der ausführlichen Einleitung seines Kommentars zum zweiten Buch von De nuptiis untersucht er die philosophisch-religiösen Motive in diesem Buch und kann Verbindungen zur Myste-

 Kupke 1998, 154.  Kupke 1998, 159. Für den spätantiken und den mittelalterlichen Leser glaubt sie jedoch an die Möglichkeit der problemlosen Dekodierung.  Macr. somn. 1, 2, 21; vgl. oben Anm. 45.  Gerade die neuplatonischen Elemente von De nuptiis sind verschiedentlich benannt worden, auch wenn nicht immer eine einheitliche Deutung geboten wird. Häufig genannt wird der Aufstieg Philologias in den Himmel über die Sphärenstufen, der mit einer „Rückkehr der Seele“ gleichgesetzt wird (z. B. Bovey 2003, 11; Lenaz 1975, 113; vgl. auch Guillaumin 2008). Hingewiesen wird auch auf die drei Frauen, die Merkur nicht heiraten wollen (Sophia, Mantike und Psyche, 1, 6 – 7) und die drei Seelenteile darstellen sollen, deren Summe aber letztlich Philologia ist (Lenaz 1975, 107– 110). Dagegen vertritt Kupke die These, die neuplatonischen Elemente trügen keine zusätzliche Sinnebene bei (Kupke 1998, 153); kritisch äußern sich Bednaříková/ Petrovićová 2010, 7.

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rieninitiation, zu platonischen Mysterien, chaldäischen Orakeln, magischen Praktiken und zur Theurgie nachweisen. Im Deutungsteil verwirft er die Thesen Nuchelmans’ und Mathons³⁰⁵ als zu kurz greifend. Nuchelmans hatte in der Hochzeit Philologias und Merkurs (mittelalterlicher Kommentar-Tradition folgend) eine Forderung von Martianus nach der Vereinigung von Wissen (Philologia) und Rhetorik (Merkur) gesehen. Mathons Ansatz führte den Verweis auf die neuplatonische Wieder-Erinnerung und die Rückkehr der Seele in dieses Modell ein. Ebenso wie bei Nuchelmans werden auch hier nur wenige Elemente des Mythos interpretiert.³⁰⁶ Lenaz’ eigener Ansatz³⁰⁷ folgt den Überlegungen Ferrarinos³⁰⁸ und ergänzt sie mit einigen Hypothesen. Im Kern kreise der Mythos des zweiten Buches um eine doppelte Vereinigung: die (horizontale) Vereinigung allen irdischen Wissens in Philologia mit Hilfe von Hymenaeus und die (vertikale) Vereinigung der göttlichen und menschlichen Sphäre mit Hilfe von Eros. Hinzu treten Überlegungen, ob es sich bei Philologia und Merkur eventuell um nur eine Entität handle, die Seele, welche getrennt worden sei und nun wieder zusammenfinde. Diese Lesart integriert die meisten der mythischen und allegorischen Elemente und verbindet sie weitgehend schlüssig zu einem umfassenden Konzept. Allerdings vernachlässigt sie auch bestimmte Einzelbeobachtungen: Wieso steigt Philologia vom Sphärenrand wieder auf die Milchstraße hinab (2, 200; 2, 206)? Wieso werden ihr auf der Milchstraße die irdischen Künste vorgeführt, die sie erbrechen musste, damit sie in den Himmel aufsteigen konnte (2, 135 f.)?³⁰⁹ Bereits diese Fragen zeigen deutlich, dass eine kohärente plausible Auflösung des Mythos nicht leicht möglich ist.

 Nuchelmans 1950; Mathon 1969.  Lenaz 1975, 105. Ähnliches gilt auch für Hadots Deutung: Sie identifiziert Merkur mit dem ägyptischen Gott Theuth, auf den in De nuptiis 2, 102 f. angespielt wird, und nennt ihn die „Personifizierung der göttlichen Vernunft“, während Philologia die Personifizierung der menschlichen Vernunftseele in deren idealem Zustand darstelle. Die sieben Wissenschaften und die sieben mantischen Künste ermöglichten es der Seele, „zu ihrem Ursprung, dem intelligiblen Bereich, oder zu Gott“ zurückzukehren (Hadot 2009, 21 f.).  Lenaz 1975, 106 – 119.  Ferrarino 1969.  Dieses Problem entfiele, wenn man annähme, dass Martianus die Erzählung nur auf die ersten zwei Bücher angelegt habe und erst danach die Möglichkeit einer Verbindung mit der in den Büchern 3 bis 9 folgenden Enzyklopädie erkannt habe. Dafür gibt es zwar Hinweise (bes. die Diskussion um die Fiktionalität/Unterhaltung) am Ende von Buch 2 und zu Beginn von Buch 3, doch dürfte man annehmen, dass Martianus den Grundkonflikt von zurückgelassenem Wissen und erneut geschenktem Wissen erkannt und behoben hätte.

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Weiterhin überbetont der Versuch, den Mythos allein aus sich heraus zu erklären, den Stellenwert des zweiten Buches im Gesamtwerk. Als Interpretationsrahmen zwar wichtig, tritt er bei fortschreitender Lektüre hinter die praktische Darstellung der sieben Künste zurück. Diese nehmen nicht nur mehr Raum ein, sondern überlagern die Darstellung im zweiten Buch und reduzieren somit auch deren Bedeutung. Der Mythos ist also ein wichtiger, keineswegs jedoch der einzige Bestandteil von De nuptiis.

Menippeische Satire Das auffälligste literarische Kompositionselement von De nuptiis ist jedoch zweifellos die Wahl des Prosimetrums, die Mischung von Prosapartien mit metrischen Einheiten. Der überwiegende Teil des Werks ist in Prosa gehalten, in welchen 33³¹⁰ metrische Partien eingelegt sind. Dabei sind die Gedichte nicht regelmäßig über das gesamte Werk verteilt; sie finden sich überwiegend an exponierten Stellen, besonders an den Buchanfängen und Buchenden. Bei den metrischen Partien innerhalb eines Buches handelt es sich fast ausschließlich um Götterreden. Die beobachtete unregelmäßige Verteilung der metrischen Partien unterscheidet sich deutlich von der Gestaltung, wie sie Boethius wenige Jahrzehnte später in De consolatione Philosophiae einsetzt: Dort sind die metrischen Partien in Hinblick auf die Gesamttextmenge häufiger und zudem gleichmäßiger verteilt.³¹¹ Damit hängt zusammen, dass auch die literarisch-argumentative Funktion der metrischen Teile z. T. von derjenigen bei Boethius abweicht. Bei Boethius stehen die Gedichte im Argumentationszusammenhang und führen Gedanken fort oder bündeln sie in prägnanter Ausdrucksweise.³¹² Ein gutes Beispiel dafür ist eine

 Die Zählung umfasst die zusammenhängenden metrischen Partien und zählt auch Gedichte mit unterschiedlichem Versmaß (z. B. die Gedichte der Musen) als eine Partie.  Vgl. dazu besonders O’Daly 1991, Kap. 1 („The poetics of the Consolation“); darin 19 – 22 zu Martianus. Sprachliche Parallelen sind zusammengestellt im Index der Boethius-Ausgabe von Bieler (CCSL 94, 116); diskutiert werden sie bei Pabst 1994, 163 – 168. Da Boethius das Werk des Martianus kannte, kann man von einer gelungeneren Ausdifferenzierung der Ansätze des Martianus sprechen. Der Vergleich des Einsatzes der prosimetrischen Form bei Boethius gewinnt dadurch an Gewicht. Eine Mischung von Prosa und Poesie findet sich weiterhin bei Fulgentius in den Mythologiae. – Zu Parallelen in den Werkanfängen bei Martianus, Fulgentius und Boethius vgl. Klingner 1921, 114; Pabst 1994, der Fulgentius’ Vorgehen durchaus als „imitatio Martiana“ versteht (162; 134– 137), für Boethius in Martianus allerdings nur eine Quelle sieht.  „They contribute to the argument as it proceeds, yet take a wider view, with an authority outside and above the adjacent prose. They possess their own thematic design which spans the entire work“ (Crabbe 1981, 260). „Die Metra bilden Ruhe- und Höhepunkte im Werk; häufig

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Stelle zu Beginn des vierten Buches: Nachdem zunächst allgemein erläutert wird, dass die Weisen vermögen, was sie wollen, die Schlechten jedoch nicht (cons. 4, 1, 131– 140), folgt in Versen eine Reihe plastischer Beispiele für die These (cons. 4, carm. 2), bevor der Gedanke fortgesponnen wird (cons. 4, 3, 1– 4). An anderen Stellen übernehmen die metrischen Partien eine Gliederungsfunktion, indem sie Gedanken abschließen und durch die Unterbrechung Zeit zur Erholung bieten. So sagt Philosophia zu ihrem Schüler Boethius: „sed uideo te iam dudum et pondere quaestionis oneratum et rationis prolixitate fatigatum aliquam carminis exspectare dulcedinem; accipe igitur haustum quo refectus firmior in ulteriora contendas.“ (Boeth. cons. 4, 6, 200‐203) „Aber ich sehe, dass du, bereits vom Gewicht der Untersuchung belastet und von der Breite der Beweisführung erschöpft, auf die süße Erholung eines Liedes wartest; nimm also den Trank, damit du, solchermaßen erfrischt, kräftiger zu den weiteren Themen eilen kannst.“

In dieser zweiten Funktion setzt auch Martianus die metrischen Partien ein. Dabei sind sie nicht in die Prosadarstellung eingeschoben, sondern markieren fast ausschließlich die Buchanfänge und Buchenden. Explizites Ziel ist die Belebung des Werkes, um eine angenehme Lektüre zu erleichtern.³¹³ Dies widerspricht Martianus’ Ankündigung, nach der hinleitenden Erzählung in den Büchern 1 und 2 keine fiktionalen Erzählungen mehr einfügen zu wollen; die Darstellung solle ernst und dem Gegenstand angemessen sein. nunc ergo mythos terminatur; infiunt artes libelli qui sequentes asserent. nam fruge vera omne fictum dimovent et disciplinas annotabunt sobrias pro parte multa nec vetabunt ludicra. (2, 220) Nun also hat der Mythos sein Ende erreicht; es beginnen die Bücher, die die nun anschließenden Künste darbieten. Denn mit wahrhaftiger Ernte entfernen sie alles Erdichtete und zeichnen die Künste nüchtern auf, verbieten jedoch nicht gelegentliche Unterhaltung.

stehen sie am Ende von Einzelabschnitten, wo sie diese dann rekapitulieren und für den ‚Schüler‘ zusammenfassen. Bisweilen kommt ihnen auch eine Überleitungsfunktion zu“ (Kindermann 1969, 63). – Zur Gattung allgemein, allerdings mit besonderem Fokus auf die mittelalterliche Literatur, vgl. Pabst 1994, bes. 105 – 133 zum Prosimetrum bei Martianus und 158 – 195 bei Boethius, sowie Dronke 1994, bes. Kap. 2 („Allegory and the mixed form“).  So auch McDonough, der im Kapitel „The function of the poetry“ zu Recht (aber zu kurz greifend) formuliert: „In undertaking the compilation of his encyclopedia, the main challenge to Martianus lay in maintaining the interest of his readers (and himself), in making palatable the arid factual account of the various disciplines“ (McDonough 1968, 37).

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Scheint es an dieser Stelle so, als ob Mythos und Heiteres getrennte Dinge wären, zeigt der unmittelbare Fortgang zu Beginn von Buch 3, dass beide Begriffe letztlich Ähnliches bezeichnen. Hier, am Beginn der Schilderung der freien Künste (3, 221 f.), erläutert Martianus in einem weiteren Gedicht, das als Dialog gestaltet ist, warum er von seinem Plan abweicht: Camena bringt Schmuck für das Werk mit (amicta fictis commenta ferre). Auf Martianus’ Einwand, keine Mythen mehr vorbringen zu wollen (mythi pulsi), erwidert sie, es gehe nicht um Lüge (nil mentiamur), sondern um Einkleidung (vestiantur Artes) – man könne die Brautjungfern, also die Allegorien der freien Künste, doch nicht nackt vorführen. Daraufhin gibt sich Martianus geschlagen, und die Handlung von Buch 3 beginnt. Abgesehen von der unterhaltenden Funktion, die besonders durch die Gedichte an den Buchenden gewährleistet wird, scheinen die metrischen Passagen für viele Forscher wahllos in das Werk eingestreut. Typisch ist eine Aussage, wie Crabbe sie trifft: „Martianus uses verse frequently at the beginning, sometimes at the end of books and erratically throughout.“³¹⁴ Natürlich kann von einer systematischen Verteilung und einer argumentationslogischen Anordnung wie bei Boethius nicht gesprochen werden. Bei genauerem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass die metrischen Abschnitte nicht willkürlich über das Werk verstreut sind.³¹⁵ Die meisten metrischen Passagen finden sich in den Büchern 1 und 2 von De nuptiis. Diese Bücher enthalten die einleitende Handlung, die als fiktionale Erzählung dargeboten wird. Im Bericht von der Suche Merkurs nach der richtigen Ehefrau und von Philologias Aufstieg in den Himmel finden sich neun metrische Passagen. Es handelt sich dabei bis auf die drei Fälle der an den Buchanfängen (Buch 1) und Buchenden (Buch 1 und 2) stehenden Gedichte um Reden von Göttern. Diese führen die Handlung fort und dienen also nicht der Bündelung der Gedanken oder der Erholung des Lesers. Stattdessen scheint es Martianus darum zu gehen, das Sprechen der Götter durch die metrische Gebundenheit als be-

 Crabbe 1981, 264. Eine Typisierung, die z. T. von der Position der metrischen Passagen losgelöst ist, bietet McDonough; seiner Ansicht nach sind die metrischen Partien hauptsächlich funktional: „The poetry, thus, is primarily functional, although this function varies from book to book“ (McDonough 1968, 38). Als Funktionen benennt er für Buch 1: Handlungsfortführung; für Buch 2: Schmuck; für Buch 3: Belehrung; für den Rest: Einführung oder Entlassung der Brautjungfern oder Unmut über Verzögerung der Hochzeit. Der Rest seien „occasional pieces“ (ibid. 40). – Verspartien finden sich am Anfang der Bücher 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 9, sowie am Ende der Bücher 2, 4, 5, 7 und 9.  Die ungleiche Verwendung der Metra bei Boethius und Martianus lässt sich am besten als Entwicklung verstehen, wie es beispielsweise Kindermann (1969, 60) tut. Zur Kenntnis des Martianus bei Boethius vgl. oben Anm. 311.

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sonders zu markieren. Dies gilt vor allem für markante Szenen, zum Beispiel die Rede Jupiters in der Götterversammlung gegen Ende des ersten Buches (1, 91– 93) oder die orakelartige Auskunft Apolls (1, 21 f.). Diese Beobachtung gilt darüber hinaus ebenso für die genannten Stellen in Buch 9, auch wenn es sich dort nicht um die Vorgeschichte oder einen weiteren literarischen Rahmen handelt. Jedoch ist eine Szene mit Göttergesprächen eingeschoben, in der die Götter unter anderem auch Verse verwenden. Durch diese Reden in metrisch gebundener Form soll den entsprechenden Büchern also eine höhere Würde verliehen werden. Einen zweiten Fall stellen die Gedichte zu Beginn oder zu Ende eines Buches in den Büchern 3 bis 9 dar. In diesen Büchern präsentieren die Freien Künste in geschlossenem Vortrag die Inhalte ihrer Wissenschaft. Die Gedichte, in einigen Fällen in auktorialer Erzählhaltung gestaltet, überbrücken die Fuge zwischen den Büchern und bieten eine Pause zwischen den langen Vortragspartien; der Leser kann sich erholen. Die Inhalte der Verspartien sind unterschiedlich; es handelt sich zumeist um den Ein- oder Auszug einer Brautjungfer (4, 327; 4, 423 f.; 8, 802; 8, 808; 9, 911– 919), um die Fortführung der Hochzeitshandlung (5, 425; 8, 805; 9, 888), um die Anrufung eines Gottes (6, 567– 574) oder um eine Wendung des Autors an den Leser (5, 566; 9, 997– 1000). Dieser Einsatz der Verspartien ist jedoch noch keine hinreichende Erklärung für die Wahl des Prosimetrums. Sie erklärt sich besonders dadurch, dass Martianus auf diese Weise sein Werk in die Traditionslinie von Texten einreiht, die als menippeische Satiren bezeichnet werden.³¹⁶ Charakteristisch für diese spezielle Form der römischen Satire ist der Wechsel von metrischen und prosaischen Partien.³¹⁷ Klassische lateinischsprachige Vertreter der menippeischen Satire sind Varro (Saturae Menippeae), Seneca (Apocolocyntosis) und Petron (Satyrikon); in der griechischen Literatur nutzen Lukian und Julian (Caesares) diese Form. Inhaltlich lassen sich nur wenige Verbindungen zwischen den Werken ziehen, und auch die Umsetzung der formalen Elemente ist unterschiedlich. Dies führt sogar so weit, dass sich moderne Forscher trotz der bereits antik bezeugten Bezeichnung der Gattung teilweise außerstande sehen, die Gattung genauer zu definieren, oder dass sie ihre Fragestellung losgelöst von der Gattungstradition verfolgen.³¹⁸ Dies macht die Verortung von De nuptiis in diesem Genre nicht leichter.

 Zur menippeischen Satire vgl. Relihan 1993; Coffey 1996.  Im Gegensatz dazu beschränkt sich die Verssatire seit Horaz auf die Verwendung des Hexameters.  So betont Scheible im Vorwort ihrer Studie zu den Gedichten in Boethius’ de consolatione, dass sie Vorgaben der Tradition in Hinblick auf die Gedichte nicht berücksichtige – sie ließen

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Gelegentlich wird sogar die These vertreten, dass sich das satirische Element in De nuptiis in dieser formalen Verbindung von Prosa und Poesie erschöpfe.³¹⁹ Der Gattungsbegriff ‚menippeische Satire‘ wäre dann identisch mit der Bezeichnung ‚Prosimetrum‘. Dem widersprechen jedoch verschiedene Beobachtungen: der Rückgriff auf die Etymologie des Wortes satura, die Bezugnahme auf Vertreter der Gattung und das Auftreten einer Figur namens Satura sowie deren Agieren, das über die rein formale, äußerliche Satireform hinausweist; schließlich die besondere Gestaltung der Erzählsituation. Diese vier Elemente sollen im Folgenden herausgearbeitet werden. Etymologie – Dass Martianus sein Werk sehr wohl als Satire verstanden wissen will, wird an verschiedenen Stellen deutlich. Dies geschieht zum Beispiel durch gelehrte Anspielungen auf die Terminologie der antiken Satire an prominenter Stelle. So heißt es in 9, 998: [Satura] haec quippe loquax docta doctis aggerans fandis tacenda farcinat, immiscuit Musas deosque, disciplinas cyclicas garrire agresti cruda finxit plasmate. So häuft sie plappernd Gelehrtes auf Gelehrtes und stopft geheimes und bekanntes Wissen zusammen, hat Musen und Götter vermischt und hat sich erdacht, dass die enzyklopädischen Disziplinen in einem bäurischen Machwerk unreifes Zeug daherplappern.

Die Wörter farcinat und immiscuit verweisen auf das Zusammenstopfen und Vermischen verschiedener Zutaten, z. B. in einer Wurst oder Pastete; Gleiches gilt für die Wörter miscillo und aggerans. ³²⁰ Ausgangspunkt für diese Terminologie ist die Etymologie des Wortes: ‚Satire‘ an sich bedeutet ursprünglich etwas wie ‚bunte Mischung‘.³²¹ Traditionell sind Anspielungen auf diese Etymologie in der satiri-

sich nicht feststellen (Scheible 1972, 8). Vorhandene Untersuchungen beschreiben in der Regel die Konstituenten der einzelnen Werke. Aufgrund der geringen Zahl überlieferter Werke und der großen Unterschiede zwischen ihnen ist es jedoch schwierig, die typischen Elemente der Gattung zu benennen. Auch diese Arbeit schließt sich dem beschreibenden Vorgehen an und vergleicht an einschlägigen Stellen, inwieweit die Beobachtungen auch für die Gattung typisch sind.  So z. B. Coffey, der die Mischung aus Prosa und Poesie bei Martianus als „miscellany“ bezeichnet und vor einer Verbindung von De nuptiis mit der Satire als problematisch warnt (Coffey 1996, 959).  Vgl. Relihan 1993, 14.  Ernout/Meillet, s. v. satur, -ra, -rum (2001, 596); Walde/Hofmann, s. v. satura (2007, II, 482 f.). Der zentrale Hinweis auf eine Ableitung des Wortes aus dem kulinarischen Bereich findet

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schen Literatur selten. Allein in Juvenal findet sich ein Hinweis darauf, gleichwohl mit leicht anderem Verständnis: Er betrachtet die Zusammenstellung der Satiren als farrago, also als Mischgericht, nicht die einzelne Satire.³²² In diesen sehr bildlichen Wendungen trifft Martianus gleichzeitig eine Aussage über sein Verständnis der Darstellung von Bildungswissen. Bei ihm gibt es keine vorverdauten und mundgerecht aufbereiteten Wissenspäckchen (wie Macrobius sie bietet)³²³, sondern rohe Kost (cruda), die ihre Zutaten, d. h. die literarischen oder inhaltlichen Ursprünge, nicht leugnet. LeMoine formuliert prägnant: „By calling attention to the literary functions these metaphors fulfill, Martianus … raises questions about the principles of seamless synthesis and verbal regurgitation which Macrobius so effectively demonstrates.“³²⁴ Dass Martianus durch diese Art der Darstellung seine Autorität infrage stelle („… reveal doubts about the competence of the cook and the quality of the educational feast“),³²⁵ lässt sich jedoch nicht erkennen. Schließlich benennt er sein Vorgehen explizit (scheitert also nicht an einem gesteckten Plan) und bietet gleichzeitig mit der Kritik an der klassischen Form der Wissensvermittlung eine Möglichkeit an, wie nicht-vereinheitlichte Wissensvermittlung aussehen kann. Beeinträchtigungen des Vertrauens zum Erzähler und zu den Inhalten gibt es allerdings – jedoch aufgrund anderer Faktoren.³²⁶ Bezug auf andere Satiriker – Neben den Anspielungen auf die Etymologie der Gattung Satire treten explizite Bezüge auf andere Autoren menippeischer Satiren auf. Namentlich wird jedoch keiner der Vorgänger genannt; die Nennung Varros erfolgt ausschließlich in den Vorträgen der Brautjungfern und bezieht sich überwiegend auf Varros fachschriftstellerische Werke oder seinen Ruf als Enzyklopädist.³²⁷

sich beim Grammatiker Diomedes (Grammatici Latini, 1, 485). Ausgehend von dieser Passage erörtert Petersmann die Etymologie mit besonderer Berücksichtigung des Ursprungs des Wortes satura aus dem Küchenbereich (Petersmann 1986).  Iuv. 1, 86: nostri farrago libelli. Vgl. die Kommentare: Morton Braund 1996, 95 f., und Courtney 1980, 103.  Vgl. die Gleichnisse in der praefatio zu den Saturnalia (Sat. praef. 5 – 9) und die Ausführungen in Kap. II.1. sowie die dort aufgeführte Literatur.  LeMoine 1991, 360.  ibid.  S. u. die Abschnitte „Erzählinstanzen“ und „Deutungen der komplexen literarischen Form“.  4, 335 (die Gelehrsamkeit Varros, vgl. Cic. ac. 1, 9; Aug. civ. 6, 2); 5, 517 (Nennung in einem Zitat); 6, 639 und 6, 662 (Fragen der Geographie; die Varro-Vorlage ist nicht bekannt); 9, 928 (cf. Varro rust. 3, 17, 4). Vgl. zum Verhältnis von Martianus und Varro bes. Bovey 2003, Kap. 2 („La question varronienne“), und Schievenin 2009 f.

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Allerdings zitiert die Wendung ὄνος λύρας in 8, 807 den Titel einer menippeischen Satire Varros.³²⁸ Die Wendung ist in der lateinischen Literatur anderweitig nicht belegt, weshalb davon auszugehen ist, dass Martianus hier auf den republikanischen Satiriker direkt zurückgriff. Da die Wendung zudem im Streitgespräch zwischen Martianus und Satura über die angemessene Art des Erzählens der Geschichte fällt, kommt ihrer Verwendung eine programmatische Aussage zu. Martianus stellt sich und sein Werk also in die Nachfolge Varros und seiner Satiren. Ein Bezug auf Lukian ist weniger sicher nachzuweisen.³²⁹ Allerdings gibt es eine motivische Übernahme im zweiten Buch von De nuptiis: Philologias Erbrechen des Wissens, das der Hochzeit vorausgeht, hat eine Parallele in Lukians Dialog Lexiphanes: Der allzu (ein)gebildete Lexiphanes nimmt auf Drängen von Lycinus ein Brechmittel ein, das ihm der Arzt Sopolis gibt. Daraufhin erbricht er alle Wörter, die er gelernt hat; dies ist die Voraussetzung dafür, dass er nun angemessen belehrt werden kann.³³⁰

 Es handelt sich um die Fragmente Varro Men. 348 – 369. In Fragment 349 findet sich die Wendung auch im Vers (si quis μελωδεῖν est ὄνος λύρας / praesepibus se retineat forensibus. – ‚wer beim Gesang wie’n Esel an der Harfe blöd / der bleib getrost im Stallmief seines Forums dort‘ [Übs. Krenkel]). Die Bezugnahme auf Varro ist umso wahrscheinlicher, da Satura unmittelbar zuvor sowohl Martianus’ berufliche Aufenthalte auf dem Forum erwähnt und ein Wortspiel mit seinem Namen Capella angestellt hat – der zwar nicht ‚Esel‘ bedeutet, wohl aber ein Haustier (‚Ziege‘). Vgl. dazu Shanzer 1968c, 38 – 40; Shanzer 1986a; kritisch dazu Pabst 1994, 168 (m. Lit.). Folgt man Bovey, handelt es sich bei der unmittelbar folgenden Wendung καιρὸν γνῶθι um einen weiteren Verweis auf den Titel einer Varro-Satire: γνῶθι σεαυτόν (= Varr. Men. 199 – 210; vgl. Bovey 2003, 282– 284). Näher liegt wohl, dass Martianus Capella diese eigenständige Sentenz (vgl. Diogenes Laertios, I 79, der sie als Sentenz des Pittakos ausweist) aus einer anderen Quelle übernommen hat.  Kindermann 1969, 60. Shanzer geht davon aus, dass Martianus Lukian kannte (Shanzer 1986c, 36). Zur Diskussion um Martianus’ Griechischkenntnisse vgl. Cristante 2009, [5], und Shanzer 1986c, 4, die beide annehmen, dass Martianus durchaus Griechisch beherrschte. Shanzer weist einige Stellen auf, an denen Martianus wörtlich übersetzt, und schließt aus der Beherrschung des Griechischen zu Recht auf einen gebildeten, möglicherweise sogar akademischen Hintergrund von Martianus.  Lucian. Lex. 20 f. Andere antike Texte, die das Erbrechen von Wissen als Teil des Reinigungsprozesses beschreiben oder als Bild tradieren, sind mir nicht bekannt. Daher ist es wahrscheinlicher, dass Martianus auf Lukian im Original zurückgegriffen hat. Zur vorbyzantinischen Rezeption Lukians vgl. Nesselrath 1994, der spätantike Bezüge auf Lukian, u. a. bei Julian und Claudian, aufzeigt. – Einen Bezug auf Lukians Concilium deorum für möglich hält Krapinger 1999, 962. – Anders gelagert sind Lucian. cont. 7, und Aug. in Joh. ev. tract. 36, 1: Dort geht es darum, dass durch das Ausspeien Wissen weitergegeben wird, was zum Bild der das erbrochene Wissen aufsammelnden Artes passt, nicht jedoch zum Motiv der Reinigung.

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Bezüge außerhalb der Übernahme üblicher Gattungselemente lassen sich für Senecas Apocolocyntosis, Petrons Satyricon oder Julians Caesares nicht konstatieren.³³¹ Die Figur der Satura und ihr Handeln – Einer der deutlichsten Hinweise auf die Form der Satire liegt im Auftreten einer Figur namens Satura. Diese Figur wird zunächst von Martianus als Erzählinstanz eingeführt (1, 2), von der er den Inhalt von De nuptiis erfahren haben will. Im Laufe des Werks gewinnt Satura aber an Profil und agiert zunehmend autonom. Aussagen über Satura beruhen letztlich auf drei Stellen in De nuptiis (6, 576 – 579; 8, 806 – 810; 9, 997– 999) und können fast ausschließlich aus der Form und der Botschaft ihrer eigenen Äußerungen gewonnen werden. An allen drei Stellen diskutiert Satura mit Martianus. Ansonsten ist Satura zwar als präsent zu denken, wird aber nicht weiter thematisiert. Nach Martianus’ Anrufung Minervas zu Beginn des sechsten Buches mischt sich Satura in seine Überlegungen ein, welche Frauen er vor sich sehe. Die Einmischung wird von Martianus als scherzend bezeichnet (iocabunda; 6, 576), die Einmischung an sich als typisch für das Scherzen Saturas (ut lepidula est; 6, 576). Die Äußerung Saturas beginnt mit Spott über Martianus’ nur scheinbare Klugheit: Durch falsche nächtliche Studien und besonders seine Anwaltstätigkeit habe er den Blick auf das Wichtige verloren und erkenne nun nicht einmal mehr Philosophia und Paideia. Der Scherz wird jedoch alsbald von einem belehrenden Tonfall abgelöst, in dem Satura Martianus über das Wesen der beiden Frauen aufklärt. Satura tritt als Nächstes zu Beginn des achten Buches auf, in der Folge der Silen-Szene: Der angetrunkene Silen war eingeschlafen und durch Amor aufgeschreckt worden, was die übrigen Götter laut lachen ließ (8, 803 – 805). Diese Schilderung provoziert bei Satura Widerspruch, da sie das Erzählte als unpassend für die Götterversammlung empfindet. Ihre Kritik beginnt wieder bei der Person des Martianus, dessen Namen sie als passend zu seinem Wesen deutet (Capella ~ ‚Ziege‘; 8, 806). Sodann fordert sie Martianus auf, seine Possen zu unterlassen. Martianus fühlt sich gehörig von Satura gemaßregelt und gibt klein bei, bemerkt aber, dass sie ansonsten mehr von Scherzen halte (alioquin lepidula; 8, 807). Als Satura dann die Einführung der eintretenden Brautjungfer in Versen vorbringt und Martianus wiederum seine Scherze (ludicra; 8, 808) vorhält, kann dieser nicht

 Mit Julian verbindet Martianus immerhin die Ansiedlung der Götterversammlung auf der Milchstraße. – Zur Rolle der Saturnalien vgl. den Abschnitt „Deutungen der komplexen literarischen Form“.

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mehr an sich halten und zahlt Satura ihre Kritik in gleicher Münze heim: Nach einigem Spott über Saturas Verse verteidigt nun Martianus das Recht auf Scherz gegen sie, die an sich – nicht aber in De nuptiis, wie es scheint – eigentlich für den Scherz zuständig wäre, und gibt ihr mit Martial (2, 41, 1) den Rat, auch einmal zu lachen.³³² Ein letzter Schlagabtausch von Satura und Martianus erfolgt schließlich am Ende des Werkes. Wiederum streiten beide Figuren miteinander und halten sich mit Spott über das Wesen des anderen nicht zurück. Die Einführung Saturas, die ja nur in Verbindung – und das heißt Auseinandersetzung – mit Martianus erscheint, dient vornehmlich der deutlichen Benennung der Gattung und der Verständigung darüber, was den Charakter eines satirischen bzw. des vorliegenden Werkes ausmache. Erstaunlich ist dabei Martianus’ Entwicklung, der sich zunächst gegen Unterhaltung im artes-Teil ausgesprochen hatte, diese später aber gegen den censorischen Eingriff Saturas im achten Buch verteidigt. Noch erstaunlicher ist aber, dass es gerade Satura ist, die zur Beachtung des Decorums auffordert und Martianus’ vergleichsweise milden Scherz scharf tadelt. Erzählinstanzen – Die Frage nach der Erzählsituation bzw. der Erzählerfigur gehört zu den grundlegenden Analysekriterien eines literarischen Werkes, ebenso wie die Konzipierung von Raum und Zeit. Lassen sich die letzten beiden Punkte im Hinblick auf De nuptiis hinreichend klären,³³³ so bietet die Erzählerfigur größere Schwierigkeiten. Dass De nuptiis zwei Erzählinstanzen hat, scheint zu Beginn des Werkes wenig dramatisch. In 1, 2 verweist der Erzähler Martianus gegenüber seinem Sohn darauf, dass die folgende Geschichte (also der überwiegende Teil von De nuptiis) ihm

 Ride, si sapis, o puella, ride. Schievenin bietet eine gründliche Analyse dieser Stelle auch mit Blick auf die inverse Vorlage Martials (plora, si sapis, o puella, plora; Mart. 2, 41), der wiederum auf Ovid (Ov. ars, 3, 281 f.) zurückgreift (Schievenin 1984, bes. 136; ausführlich auch Bovey 2003, 275 – 288).  Die Rahmenhandlung spielt in der erzählerischen Gegenwart und in einem unbestimmten Raum, der jedoch nicht außergewöhnlich ist; es liegt nahe, an Karthago und das Haus des Martianus Capella zu denken. Die eigentliche Handlung spielt an z. T. unwirklichen Orten auf der Erde, die zumeist nicht näher bestimmt sind (z. B. Philologias Herkunft), und auf der Milchstraße, wobei die absolute Zeit nicht genannt wird, aber aufeinanderfolgende Tage in ihrem Ablauf erkannt werden können. Die Phantastik einzelner Szenen, die meist auf allegorische Darstellungsweisen zurückgeht, verletzt jedoch nicht die räumliche oder zeitliche Plausibilität des Dargestellten. Vgl. dazu auch die Ausführungen und grafischen Veranschaulichungen LeMoines (1972a).

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während langer Winternächte (eine Anspielung auf Gellius)³³⁴ von Satura berichtet wurde. Der antike wie moderne Leser dürfte sich wohl kaum daran stoßen, sondern wird darin vor allem eine Inspiration des Autors durch Satura (auch wenn es das zuvor noch nicht gab) erkennen. Bei der Erwähnung von Satura könnte er Heiteres erwarten oder bunt gemischte Geschichten. Vollkommen verwirrt wird der Leser hingegen spätestens dann, wenn er am Ende des Werkes in der Sphragis angekommen ist (9, 997– 1000). Dort reflektiert Martianus sein literarisches Vorgehen in den vorausgegangenen neun Büchern; genauer gesagt distanziert er sich von der Form der Darstellung (Umfang, Buntheit) und verweist auf die Verantwortung Saturas, die die Geschichte erzählt habe: Habes anilem, Martiane, fabulam, Miscillo lusit quam lucernis flamine Satura, Pelasgos dum docere nititur Artes †cagris vix amicas Atticis. Sic in novena decidit volumina haec quippe loquax docta doctis aggerans fandis tacenda farcinat, immiscuit Musas deosque, disciplinas cyclicas garrire agresti cruda finxit plasmate. (9, 997 f.)

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Da hast du, Martianus, eine Altweibergeschichte; sie verfertigte im Spiel mit vermischter Inspiration [d. h. in Prosa und Vers] bei Kerzenschein Satura, während sie sich bemühte, die Pelasger zu lehren die Künste, die den Griechen kaum freundlich [d. h. neu] sind. So gelangte sie hinab bis zum neunten Buch, häuft plappernd Gelehrtes auf Gelehrtes und stopft geheimes und bekanntes Wissen zusammen, hat Musen und Götter vermischt und hat sich erdacht, dass die enzyklopädischen Disziplinen in einem bäurischen Machwerk unreifes Zeug daherplappern.

So ungewöhnlich dieses Vorgehen auch ist – Martianus hätte ja den Bericht Saturas als Grundlage nehmen und dann nach eigenem Geschmack umgestalten können –, wird es übertroffen durch die Verteidigung Saturas: Sie weist die Verantwortung für die Art der Erzählung von sich und verteidigt sich mit dem Hinweis auf Martianus’ intellektuelle Schwäche, der sie die Ausführungen habe anpassen müssen.

 Vgl. Gell. praef. 4 zur Erklärung der Wahl des Titels Noctes Atticae für sein Werk: Sed quoniam longinquis per hiemem noctibus in agro, sicuti dixi, terrae Atticae commentationes hasce ludere ac facere exorsi sumus, idcirco eas inscripsimus noctium esse Atticarum … Aber weil wir in langen Nächten den Winter über in Attika auf dem Land, wie schon gesagt, diese Anmerkungen im Spiel und dann ernsthaft begonnen haben, daher haben wir ihnen den Namen Attische Nächte gegeben …

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haec ipsa nauci rupta conscientia turgensque felle ac bili, „multa chlamyde prodire doctis approbanda cultibus possemque comis utque e Martis curia; […] ab hoc creatum Pegaseum gurgitem decente quando possem haurire poculo?“ (9, 999 f.)

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Sie sagte, aufgrund ihres Wissens um die Nichtigkeit (dieser Ausführungen) verletzt, schwellend vor Bitterkeit und Zorn: „Ich könnte hier freundlich auftreten, mit einem Gewand bekleidet, lobenswert durch gelehrtes Verhalten,wie aus der Versammlung des Mars; [Es folgt die Schilderung der ungünstigen Anlagen von Martianus.] – Wann könnte ich mit angemessenem Becher aus einem pegasischen Strom, von ihm erschaffen, schöpfen?“

Somit hat das Werk, das zu Beginn zwei hierarchisch geschiedene Erzähler zu haben scheint, am Ende zwei Erzähler, die sich gleichberechtigt über die Form der erzählten Geschichte streiten.³³⁵ Die Inkonsistenzen auf der Erzählebene setzen sich darüber hinaus fort. Hatte Martianus zu Beginn des Werks gesagt, Satura habe ihm die Geschichte während langer Winternächte erzählt, so treten Satura und Martianus am Ende des Werks in der erzählerischen Gegenwart gemeinsam auf und sprechen beide nacheinander zu Martianus’ Sohn. Weiterhin erscheinen Satura und Martianus innerhalb der Geschichte, die Martianus angeblich von Satura gehört hat.Während die Götter den verschiedenen Brautjungfern lauschen, wohnen auch Satura und Martianus der Versammlung bei und betrachten sie als unbeteiligte Zuschauer. Wie aus einer Theaterloge heraus kommentieren und diskutieren sie das Geschehen, das auf der „Götterbühne“ stattfindet.³³⁶ Noch einen weitergehenden Schritt stellt die Silen-Szene zu Beginn des achten Buches dar. Im Anschluss an diese Szene beschwert sich Satura bei Martianus, er könne die Götter nicht auf diese Weise agieren lassen. In der Folge entspinnt sich ein Gespräch, in dem Martianus seine Art des Erzählens gegen Satura verteidigt, die für eine zurückhaltendere Darstellung plädiert (s. o.). Von der Fiktion, dass Martianus seinem Sohn bloß wiedergibt, was Satura ihm erzählt hat, bleibt nicht mehr viel; die ganze Szenerie ist ein Produkt der Erfindung des Martianus, gleichzeitig wohnt er ihr aber gemeinsam mit Satura bei, ist also Teil der Handlung.

 So bereits Pabst 1994, 120, Anm. 119, der allerdings auf eine Diskussion der Beobachtung verzichtet.  Es handelt sich um die Stellen zu Beginn des sechsten und des achten Buches, die im vorigen Abschnitt bereits paraphrasiert wurden.

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Diese Art der Spiels mit der Erzählerrolle wird von manchen modernen Forschern als ein wichtiges Merkmal der menippeischen Satire angesehen. Hinzutreten kann die Selbstherabsetzung des Erzählers, die sich an seinem mangelnden Wissen, Stilbewusstsein, Traditionsempfinden o. ä. entzündet.³³⁷ Folglich kann die zunächst befremdliche Brechung und Verzerrung als weiteres Merkmal der Gattung menippeische Satire bestimmt werden. Aufgrund dieser Beobachtungen ist es zwingend, in De nuptiis vor allem eine Satire zu sehen. Auch der heiter-spöttische Charakter einiger Passagen zwischen den Vorträgen der Brautjungfern passt zum satirischen Anspruch. Gelegentlich erscheint es jedoch fraglich, ob es sich wirklich um satirische und nicht eher um komische oder derbe Späße handelt. Die Szene, in der Silen betrunken einschläft und von den anderen Göttern verspottet wird (8, 803 – 805), erinnert mit ihrem Slapstick eher an den derben Spott der Komödie als an die Satire eines Varro.³³⁸

2.2 Deutungen der komplexen literarischen Form Wie lässt sich das Werk De nuptiis nun also formal beschreiben, oder anders gefasst: Wie lassen sich die vier literarischen Traditionsstränge zusammenführen? Dass eine einheitliche Lesung zumindest versucht werden muss, zeigt bereits das Leitmotiv der Hochzeit an.³³⁹ Im Kern handelt es sich bei Martianus’ Werk um eine Sammlung bedeutender Wissensschätze in einem einzigen Werk, die darin systematisch ausgebreitet werden. Dies zeigt die Einteilung in verschiedene Disziplinen, die ein ver-

 Zur Erzählerrolle in der menippeischen Satire vgl. u. a. Relihan 1993, und darin bes. S. 35.  Mit der Aufnahme unterhaltsamer Elemente ginge Martianus sogar noch über die Erwartungen an ein ‚satirisches‘ Werk hinaus: Auch Boethius wird bescheinigt, er erzähle seine Consolatio „per satiram“, auch wenn bei ihm weder eine Figur Satura auftritt noch allzu viel Heiterkeit herrscht (Peiper zitiert in der Einleitung zu seiner Ausgabe, S. xxxi, eine mittelalterliche Boethius-Vita; vgl. Kindermann 1969, 61): hos libros [scil. de consolatione Philosophiae] per satiram edidit imitatus videlicet marcianum felicem capellam qui prius libros De nuptiis philologiae et mercurii eadem specie poematis conscripserat… Diese Bücher schrieb er als Satire, freilich in Nachahmung des Marcianus Felix Capella, der zuvor die Bücher über die Hochzeit der Philologie mit Merkur in der gleichen Art von Gedicht verfasst hatte.  Zum Motiv der Hochzeit, das bereits programmatisch im eröffnenden Hymnus an Hymenaeus erscheint, vgl. Schievenin 2009c und Cristante in der Einleitung seiner Ausgabe 1987, 3 – 10.

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gleichsweise leichtes Auffinden der Informationen erlaubt;³⁴⁰ die Bedeutung wird angesichts der Präsentation vor den Göttern auf der Milchstraße deutlich. Allein der Umfang dieser Vorträge, die in sich auch nicht gestört oder gebrochen werden, markiert, dass es sich hier um das zentrale Charakteristikum des Werkes handelt. Den erzählerischen Anlass für diese Präsentation bietet eine Hochzeitsfeier, also ein Symposion; hier ist die Gelegenheit für die großen Redebeiträge gegeben. Zudem bietet die Symposionform Anknüpfungspunkte für eine Rahmenhandlung, die zur Auflockerung der ebenso ausführlichen wie trockenen Einzelreden genutzt wird. Doch bleibt es – im Gegensatz z. B. zu Macrobius – nicht bei der bloßen Darstellung der Wissensinhalte. Hinzu tritt die allegorische Darstellung der Bedeutung von Wissen und von Fleiß beim Wissenserwerb in den ersten beiden Büchern: Die präsentierten Inhalte der Bücher 3 – 9 (die Philologia ja bereits auf der Erde, in Buch 2, besitzt) sind wichtig. Sie sind nicht nur wichtig für das irdische Leben (das wird nicht weiter thematisiert; die explizit irdischen Wissenschaften wie Architektur und Medizin werden sogar ausgeschlossen) – die Inhalte sind auch wichtig für die menschliche Vervollkommnung. Durch das angesammelte Wissen erreicht der Mensch zwar nicht die vollkommene Erkenntnis (die erhält auch Philologia nur ohne eigenes Zutun, als sie, auf der höchsten Himmelssphäre angekommen, zum Vatergott in der jenseitigen Glückseligkeit betet), wohl aber ein göttergleiches Wissen.³⁴¹ Der Wissenserwerb ist gewissermaßen die Voraussetzung dafür, dass der Mensch mit Hilfe eines göttlichen Begleiters in den Himmel aufsteigen kann, unsterblich wird und vollkommene Einsicht erlangt. Die so weit kohärente Verbindung der literarischen Traditionen lässt allerdings den explizit satirischen Anspruch von De nuptiis außer Betracht, durch den Martianus selbst das Werk primär in die Gattung der Satire einordnet, während vergleichbare Bezüge zu anderen Gattungen fehlen. Natürlich ließe sich dieser programmatische Anspruch mit einem Verweis auf die Verwendung des Begriffs zur Bezeichnung einer inhaltlich wie literarisch gemischten Form erklären. Doch greift diese Erklärung zu kurz, da das Agieren Saturas die literarischen Passagen des Werks beinahe als Travestie erscheinen lässt (vgl. oben zur Erzählerfigur). Ein bildend-enzyklopädisches Werk kann sich allerdings nicht gefahrlos als Satire

 So auch Englisch 1994, 56: Die „Systematik bei der Präsentation“ erlaube einen leichten Zugriff auf die Informationen.  Mart. Cap. 2, 201– 205.

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präsentieren, ohne Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Werkes und der präsentierten Inhalte zu wecken.³⁴² Wenn Martianus auch die Konventionen der Gattung menippeische Satire aufnimmt und sein Werk also nur folgerichtig unter anderem eine unzuverlässige Erzählsituation aufweist, ist dies noch keine Erklärung an sich. Die regelkonforme Umsetzung gattungstypischer Ansprüche erklärt noch nicht die Wahl der Gattung an sich – einer Gattung, die trotz ihrer Benennung als solche nicht zu den Standardformen und akzeptierten Gattungen zählte, insbesondere nicht für Lehrwerke.³⁴³ Auch Martianus’ Verweis auf etwas bislang noch nicht Unternommenes (nescioquid inopinum intactumque; 1, 2) vermag den Widerspruch nicht zu lösen. Die Wendung zeigt zwar, dass Martianus die Ungewöhnlichkeit seines Ansatzes bewusst war (sofern sich die Phrase überhaupt auf die Komposition des Werkes bezieht)³⁴⁴, beseitigt aber nicht das interpretatorische Problem. Zu welchem Zweck verbindet Martianus also zwei so widersprüchliche Gattungen wie Enzyklopädie und Satire?³⁴⁵ Drei Antwortansätze lassen sich grob umreißen: 1. Die Verbindung ist nur äußerlich bzw. oberflächlich; 2. durch die Verbindung soll ein bestimmter Aspekt parodiert und somit Spott und Kritik ausgesetzt werden; 3. die Verbindung erfüllt

 Dieses Problem hat bereits Westra in seinem Aufsatz „The juxtaposition of the ridiculous and the sublime in Martianus Capella“ benannt (Westra 1981). Allerdings beschränkt sich auch dieser Aufsatz auf die Darstellung des Problems und die Zusammenstellung der Belege. Eine Lösung hat Westra nicht anzubieten – sein Aufsatz endet mit der eher apologetischen Bemerkung, das Eingeständnis der Unvereinbarkeit von Satire und Lehrwerk durch Martianus in 9, 997 sei prima facie ein Spiel, dahinter stecke jedoch die Absicht, Problembewusstsein zu demonstrieren und Verantwortung für die unterlassene Lösung zu negieren.  „Even though I would claim that prose and verse must be present in an ancient Menippean satire, it must be seen as one of a number of shocking juxtapositions of opposites“ (Relihan 1987, 60). – In der Folge kann die prosimetrische Form durchaus auch Mittel belehrender Werke werden; vgl. Pabst 1994, 133.  Denkbar (und wohl wahrscheinlich) wäre auch, dass damit die Inhalte, besonders des Mythos, gemeint sind.  Der Verweis auf Unterhaltung führt nicht zum Kern der Frage, denn die satirische Form stellt mehr dar als reine Unterhaltung. Auch das horazische Diktum ridentem dicere verum / quid vetat –‚lachend das Wahre zu sagen – was spricht dagegen?‘ (Hor. serm. 1, 1, 23) als Kern von Martianus’ Satireverständnisses greift zu kurz, ebenso wie vergleichbare Konzeptionen in der Literatur: Dort geht es bei Belehrung immer um einzelne philosophische Sätze (nie beispielsweise um die Vermittlung von Philosophie an sich). Folglich bezeichnet das „verum“ nicht kognitives Lernen, sondern moralisches. Der grundlegende Unterschied zur Konzeption des Martianus liegt somit auf der Hand. Vgl. zu diesem Aspekt im Allgemeinen z. B. Shanzer 1986c, 42, und im Speziellen u. a. Woytek 1986, 339 – 345; Keulen 2009, bes. Kap. 2 und 3.

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einen literarischen und belehrenden Zweck zugleich. Aufgrund der komplexen Sachlage und der unmittelbaren Bedeutung der Beantwortung der Frage nach dieser Verbindung für das Gesamtverständnis von De nuptiis werden alle Alternativen vorgestellt und bewertet.

Rein formale Verbindung von Satire und Enzyklopädie Eventuell lässt sich die Mischung aus enzyklopädischen und satirischen Elementen (mit den zur Satire gehörigen Verspartien) als Sonderform der Varro-Rezeption bei Martianus auffassen. Varro von Reate verfasste sowohl umfangreiche Fachliteratur als auch menippeische Satiren. Für beides war er in der Antike bekannt und berühmt – doch ist es wahrscheinlich, dass Martianus die Werke bereits nicht mehr – oder allenfalls nur in Auszügen – vorliegen hatte.³⁴⁶ Aus dem Wissen um die beiden Schaffensbereiche des republikanischen Autors, die beide der Unterweisung dienen sollten,³⁴⁷ könnte Martianus auf den Gedanken verfallen sein, die literarischen Formen und Inhalte in seinem Werk zu verbinden.³⁴⁸ Vielleicht saß er auch einem Missverständnis auf, indem er meinte, dass Varro sein satirisches wie enzyklopädisches Können in nur einem Werk demonstriert habe. Dies hieße jedoch, dass Martianus sich der Problematik dieser Verbindung nicht

 So äußert sich beispielsweise Kindermann in den Vorstudien seiner Ausgabe der Consolatio des Laurentius von Durham. Er billigt Martianus nur eine sekundäre Varro-Kenntnis zu (Kindermann 1969, 60). Entschieden verneint wird die Frage von Schievenin (2009 f) und Hadot, die vor allem neuplatonische Quellen vermutet (Hadot 2005, 149). Schneider jedoch nimmt an, dass sowohl Augustin als auch Martianus die Disciplinae noch vorliegen hatten (Schneider 1999, 109 f.) und dass die Satiren-Exzerpte des Nonius Marcellus (fl. um 400 in Afrika) ebenfalls aus dem Originaltext Varros angefertigt wurden (ibid. 96, Anm. 12). Abwägend äußert sich Hübner 2004, passim.  Vgl. Cic. ac. 1, 8 (es spricht Varro): et tamen in illis veteribus nostris, quae Menippum imitati non interpretati quadam hilaritate conspersimus, multa admixta ex intima philosophia, multa dicta dialectice, quae quo facilius minus docti intellegerent, iucunditate quadam ad legendum invitati Jedoch findet sich in meinen frühen Schriften, die ich in kreativer Nachfolge (und nicht nur Übersetzung) Menipps mit einer gewissen Heiterkeit benetzt habe, vieles aus den Kernbereichen der Philosophie beigemengt und vieles, das nach Art der Dialektiker gesagt ist, damit die weniger Gelehrten es leichter verstünden, nachdem sie durch eine Art von Scherz zur Lektüre ermuntert worden sind. Vielleicht hatte Martianus diese Stelle sogar im Kopf, als er die Anlage von De nuptiis plante.  So z. B. Weinreich in der Einleitung zu seiner Übersetzung römischer Satiren: „Martianus Capella glaubte gewiß ein Varro redivivus zu sein, sozusagen die Quintessenz des Gelehrten und des Satirikers“ (Weinreich 1962, XCIII). Ebenso Shanzer 1986c, 42.

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bewusst gewesen sei – was ihm sicher nicht gerecht wird. Außerdem wird so die Bezugnahme auf weitere formale Elemente der menippeischen Tradition und die übrigen Vorläufer der Gattung mit anderer Konzeption (Lukian, Julian) nicht ausreichend berücksichtigt. Ebenfalls beim Autor könnte eine zweite Erklärung ansetzen: Im Zuge der Abfassung seiner Enzyklopädie hat sich Martianus nach horazischer Vorgabe (und dem Beispiel Varros)³⁴⁹ um Auflockerung und heitere Elemente bemüht. Die spontanen Einfälle wurden ins Werk integriert und die sich daraus ergebenden Inkonsistenzen entweder übersehen oder billigend in Kauf genommen. Beides würde gut zum klassisch negativen Martian-Bild in der Forschung passen.³⁵⁰ Abgesehen davon, dass Annahmen über das Vorgehen beim Schreiben weitgehend auf Spekulation beruhen,³⁵¹ widersprechen drei Beobachtungen dieser Erklärung. Erstens gelingt es Martianus, De nuptiis über neun Bücher vorauszuplanen, so dass am Ende ein – zunächst abgesehen von der Satire-Problematik – kohärentes Werk entsteht. Die Fülle der behandelten Themen, Motive und literarischen Elemente weist eher auf ein planvolles Arbeiten hin und macht es unwahrscheinlich, dass Martianus Probleme an dieser Stelle nicht wahrgenommen bzw. nicht korrigiert hätte. Zweitens ist die Verbindung von Satire und den anderen Elementen nicht nur oberflächlich, so dass sie nachträglich eingefügt sein könnte oder sich im Schreibprozess so ergeben haben könnte. Da bereits im zweiten Kapitel des ersten Buches Satura eingeführt wird, war sie von vornherein Teil des

 Gemeint ist das berühmte, zunächst nur für die Dichtung relevante prodesse aut delectare (Hor. ars 333 f.); zu Varro vgl. die schon angeführte Stelle aus Cic. ac.  Vgl. z. B. die sehr bildliche Beschreibung von C. S. Lewis: „[…] this universe, which has produced the bee-orchid and the giraffe, has produced nothing stranger than Martianus Capella. […] the curiosity shop of his mind […] a chaos beside which the work of Rabelais has unity and that of Mandeville probability“ (Lewis 1936, 78 f.).  Gleiches gilt für Spekulationen über eine andere Auffassung von Literatur und ihren Regeln in Martianus’ Zeit oder Umfeld. Einerseits kennen wir keine Texte, die sich mit De nuptiis vergleichen ließen (was per se nichts beweist, aber doch Indiziencharakter hat), andererseits hielten sich auch die spätantiken Autoren üblicherweise an die klassischen Vorgaben. Ich teile daher auch Schneiders Ansicht nicht, der die Skepsis an dieser Verbindung allein der modernen Leseerfahrung zuschreibt: „Wenn den Heutigen diese Kombination der forcierten Gelehrsamkeit eines Curriculums und der spielerisch-saloppen Causerie seltsam berühren mag, so wäre dazu immerhin schon an ein ciceronisches Dictum zu erinnern: non est enim seiunctus iocus a philologia (ad. fam. 16,21,4) – ‚Spieltrieb und Pedanterie diktieren und widersprechen sich nicht‘ (‚Erste Frühschicht‘ aus Grass’ ‚Hundejahre‘)“ (Schneider 1999, 94, Anm. 2). Der Verweis auf Cicero trägt nichts zum Verständnis von Martianus bei: Cicero geht es an der zitierten Stelle um den Ablauf des Tages mit seinem Schüler, der aus ernsteren und heitereren Abschnitten besteht. Daraus folgt nicht, dass das Lernen mit Scherz verbunden ist – außerdem dürfte Cicero unter iocus (‚[urbaner] Scherz‘) anderes verstanden haben, als Martianus in seiner Satura bietet.

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Kompositionsplans. Drittens hat Schievenin gezeigt, dass Martianus keineswegs oberflächlich und eigenwillig arbeitet. Durch eine gründliche Untersuchung der Silen-Passage (8, 803 – 805) kann er nachweisen, dass Martianus – wie viele Autoren vor ihm – über ein umfangreiches literarisches Wissen verfügte, darauf bei der Abfassung seines Werkes zugreifen konnte und durch gezielte Anspielungen neue Bezüge herstellte.³⁵²

Satire als Mittel der Kritik Während die antike Satire (im Gegensatz zur modernen) nicht zwangsläufig Kritik an Missständen üben wollte, ist diese Möglichkeit umgekehrt auch nicht auszuschließen. Martianus könnte also bewusst eine solide Darstellung der Künste in literarischem Gewand mit der Gattung der Satire verbunden haben, um Zweifel an der Ernsthaftigkeit der übrigen Teile des Werkes zu wecken. Er würde somit ein aufklärerisches Interesse verfolgen, das zugleich auch unterhaltsame Züge trägt. Eine erste Schwierigkeit dieser Lesart von De nuptiis ergibt sich bereits bei der Frage nach dem Objekt der Satire. Werden die Wissensinhalte in Zweifel gezogen oder nur die Art ihrer Vermittlung in langen Reden bzw. Traktaten? Soll der Glaube an die umfassende Einheit des Wissens kritisiert werden oder die Vorstellung, sämtliches Wissen lasse sich vermitteln, gar kohärent in einem Werk?³⁵³ Ist die Vorstellung, dass Wissen göttlich mache, parodiert oder nur die abwegige Vorstellung, dass auf einer Hochzeit solche Reden gehalten werden? Oder richtet sich die Kritik letztlich gegen die Auffassung, Philologia als Vorbild zu sehen oder gar als Mittlerin alles Wissens, ja sogar als Mittlerin zwischen Menschen und Göttern? Aus der Tatsache, dass das Objekt der Satire keineswegs leicht zu bestimmen ist, kann nicht gefolgert werden, dass in De nuptiis keine Satire vorliege, die bestimmte Sachverhalte kritisiere. Aber es kann durchaus gefolgert werden, dass es keine expliziten textinternen Merkmale gibt, die das Lesen steuern und den Gegenstand der Kritik deutlich hervortreten lassen. Die Deutungen gehen also von modernen Annahmen über das Umfeld bzw. die Gedankenwelt von Martianus aus  Im Kern handle es sich um „una narrazione tersa e brillante“, verbunden mit einem Dickicht an Verweisen. Die Silen-Szene habe einen „carattere colto, e della dottrina e della lingua“ (Schievenin 1984, 132). Das Fazit seiner Untersuchung formuliert Schievenin folgendermaßen: „Il De nuptiis si rivela dunque opera di vasti orizzonti non solo per l’intento didascalico che la pervade e che ne determinerà la fortuna, ma anche per la costante presenza, nella fabula, della tradizione classica e dei suoi echi“ (ibid., 136). Vgl. zu dieser Stelle auch Bovey 2003, 275 – 288. – Den geschickten Umgang mit mehreren Quellen – erzählerisch wie semantisch – kann Schievenin auch für 7, 725 – 727 nachweisen (Schievenin 2009e).  So z. B. Relihan 1993, 138: „Martianus writes not an encyclopedia but a Menippean satire that parodies encyclopedic knowledge.“

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und weisen zudem meist nicht kleinschrittig auf, wie der Interpret zu seiner (oft apodiktisch dargelegten) Ansicht gelangt. Nun folgt daraus noch nicht, dass Martianus De nuptiis nicht als kritisierende Satire konzipiert hätte; die Vielzahl der (wenn auch differierenden) modernen Deutungen weist ja darauf hin. Zwei Überlegungen, wenn auch keine schlagenden Beweise, lassen die Hypothese der parodierenden Satire unwahrscheinlich werden: der Umfang von De nuptiis und seine Rezeption. Eine Satire, die beispielsweise die Verbindung von Weltwissen und menschlicher Vervollkommnung infrage stellt, benötigt nicht noch eine umfassende Darlegung eben diesen Wissens. Dies gilt besonders, da diese Darlegung den Hauptteil des Werks ausmacht und – zumindest dem Umfang nach – die übrigen Partien weit überragt. Eine Deutung von De nuptiis als kritischer Satire müsste also besonders die Frage beantworten, zu welchem Zweck die umfangreichen Darstellungen der Freien Künste aufgenommen sind (und nicht nur angedeutet werden). Die Rezeption eignet sich zwar ebenfalls nicht zu sicheren Rückschlüssen auf die originale Intention eines Werkes, häufig bietet sie aber interessante Einblicke. Die Martianus-Rezeption stellt sich bald ein; Cassiodor beruft sich in seinen Institutiones auf ihn. Dort erscheint Martianus nicht als Satiriker oder Zeitkritiker, sondern als Gelehrter.³⁵⁴ In dieser Tradition wird Martianus auch im Mittelalter gelesen und rezipiert.³⁵⁵ Ähnliches lässt sich für Boethius’ Anknüpfen an die prosimetrische Form in der Ausgestaltung von Martianus sagen. Boethius verfasst zweifelsfrei keine kritische Satire, kann aber trotzdem an die Form und den Inhalt von De nuptiis problemlos anknüpfen. Sowohl der Form nach wie auch durch einzelne Zitate macht er deutlich, dass er De nuptiis kennt und als eine seiner Vorlagen benutzt. Es ist zu bezweifeln, dass Boethius in seinem Bemühen um eine adäquate, werbende Darstellung der Philosophie auf Form und Zitate des Martianus zurückgegriffen hätte, hätte er nicht die Möglichkeit der gefahrlosen Übernahme gesehen.

Satirische Elemente als Mittel der Belehrung Der dritte Erklärungsansatz für die Verbindung von Satire und Belehrung betrachtet die Wahl Saturas als Figur und die Bezugnahme auf die Gattung zunächst

 Cassiod. inst. 2, 2, 17.  Zur mittelalterlichen Martianus-Rezeption vgl. bes. Nuchelmans 1950; Lutz 1971 und 1976; Willis 1973; sowie die Ausgaben und Literatur u. a. zu folgenden Werken: Konrad von Mure, Fabularius; Hugo von Sankt Victor, Didascalicon de studio legendi; Johannes von Salisbury, Metalogicon. Kindermann kann weiterhin nachweisen, dass De nuptiis auch durch seine Form inspirierend gewirkt hat (Kindermann 1969, 61 f.).

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als reine Fortsetzung der literarischen Form. Für diese spezielle Form der Literatur, die menippeische Satire, hat der russische Literaturwissenschaftler Michail Bachtin Beobachtungen aufgestellt, die auch für De nuptiis zutreffen. Durch den Rückgriff auf zwei zentrale Konzepte Bachtins, das Karnevaleske und die Dialogizität, wird ein Verständnis von De nuptiis ermöglicht. Auf der Suche nach Vorlagen und Urformen der Gattung des Romans, insbesondere in der Form von Dostojewskis Romanen, stieß Bachtin unter anderem auch auf die menippeische Satire, die er bis in die Antike zurückverfolgte.³⁵⁶ Zu ihren Vertretern zählt er unter anderem Varro, Apuleius, Petron, Seneca oder Lukian.³⁵⁷ Martianus Capella wird nicht erwähnt, was aber nicht verwundern muss, da Bachtin keine Literaturgeschichte der menippeischen Satire schrieb.³⁵⁸ Kern der Überlegungen Bachtins zur menippeischen Satire ist das Konzept des Karnevals. Unter Karneval versteht er folkloristische Feste, während deren die bestehende Ordnung verkehrt wird, übliche Regeln nicht mehr gelten, Herrschende gestürzt und Machtlose mächtig werden – auf Zeit. Die Karnevalisierung, also die Übernahme der Kennzeichen dieses Festes in neue oder bestehende literarische Formen, institutionalisiert diese Ausnahmesituation und löst sie vom konkreten Fest. Der so entstandene Text wird „zum karnevalesken Spiel, an dem der Autor und sein Publikum einverständlich teilhaben und das keines kalendarisch oder institutionell abgesicherten Karnevalsrahmens mehr bedarf.“³⁵⁹ Diese Karnevalisierung führt unter anderem zu einer Vielstimmigkeit von Meinungen und Positionen im Text, z. B. durch mehrere Figuren, von denen keine bevorzugt oder gar als autoritativ gekennzeichnet wird. In dieser Dialogizität wird kein allgemein gültiger Sinn mehr vermittelt, sondern die Wahrheit suspendiert.³⁶⁰ Dass der Bezug auf karnevalsartige Feste der Gattung menippeische Satire (in Teilen auch der Verssatire) eignet, zeigt ein kurzer Blick auf wichtige Vertreter der Tradition: Julians Symposion Caesares spielt zur Zeit der Saturnalien. Die Bedeutung dieses Festes für das Werk wird dadurch verdeutlicht, dass es den Handlungs-

 Bachtin 1971, 126 – 135.  Bachtin 1971, 126; 128; 132 f.  Kritik an den z. T. pauschalisierenden und verfälschenden Aussagen Bachtins über antike Literatur oder an der ununterbrochenen Traditionslinie von der Antike bis in die Moderne (z. B. Relihan 1987, 59; Lachmann 2006, 23 – 25) müsste auch auf manche moderne Literaturwissenschaftler in der Nachfolge Bachtins angewandt werden (vgl. Branham 2005, 6, wo es über Senecas Apocolocyntosis heißt: „our only extant Menippean satire in Latin“).  Teuber 1993, 182.  Eine gut verständliche Einführung in das Konzept der Dialogizität im Sinne der bachtinschen Terminologie bietet Sharland 2010, Einführung (1– 51).

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rahmen für den in der Folge erzählten Mythos bildet. Bereits im ersten Satz wird auf das Fest und die Tradition, Heiteres frei zu erzählen, Bezug genommen.³⁶¹ Auch Senecas Apocolocyntosis stellt einen engen Bezug zum Saturnalienfest her. Das Werk spielt zwar nicht an den Saturnalien, sondern am Todestag des Claudius im Oktober, doch wird an zwei Stellen eine Verbindung zwischen der Herrschaft des verstorbenen Kaisers und den dargestellten Sitten während der Regierungszeit mit dem Saturnalienfest gezogen.³⁶² Manche Interpreten gehen sogar davon aus, dass die Apocolocyntosis an den Saturnalien des Jahres 54 vorgetragen wurde.³⁶³ Auch bei Petron und Horaz finden sich Bezugnahmen auf die Saturnalien.³⁶⁴ Ein zentrales Element des Saturnalienfestes liegt in der Suspension der üblicherweise geltenden Normen und Werte.³⁶⁵ Neben den anderen Elementen des Festes, wie sie z. B. in Macrobius’ Saturnalia (1, 7– 10; 1, 24, 22 f.) beschrieben werden (traditionelle Geschenke, Festmahl für die Sklaven etc.), hat gerade die Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse im Haus Niederschlag in der Literatur gefunden. Gerade durch diese Rolleninversion treten einige wichtige gesellschaftliche Normvorstellungen und Grundannahmen prominent hervor. Dazu zählt das Bewusstsein, dass es eine befehlende und eine ausführende Gruppe von Menschen gibt oder dass im Prinzip ein Rollenwechsel möglich sein kann. Alle Beteiligten,

 Ἐπειδὴ δίδωσιν ὁ θεὸς παίζειν – ἔστι γὰρ Κρόνια – … (‚Da der Gott das Scherzen erlaubt – es sind ja die Kronia …‘; Caes. 1 = 306a Spanheim). Zur Frage, ob es sich bei Caesares auch um das Werk handle, auf das zu Ende der Rede auf König Helios verwiesen wird (Or. in Sol. reg. 44; = 157c Spanheim), vgl. Müller in seiner Übersetzung (39; ablehnend), und Lacombrade im Vorwort seiner Budé-Ausgabe (3 und 18, Anm. 3), der aufgrund des Handschriftenbefundes Kronia auch als Titelbestandteil für die Caesares übernimmt.  Es handelt sich um Sen. apocol. 8, 1 (Claudius als Saturnalienprinz) und 12, 2 (Herrschaft des Claudius als andauerndes Saturnalienfest). – Dass Lukian nicht auf die Saturnalien als Rahmen für seine Werke zurückgreift, entwertet die Beobachtungen nicht. Lukian musste aufgrund seines Selbstbewusstseins als satirischer Schriftsteller und aufgrund der Menge seiner satirischen Schriften nicht jedes Mal einen eigenen literarischen Rahmen herstellen, in dem einzelne Dialoge stattfinden konnten. Das Saturnalienfest selbst erscheint bei Lukian als Gegenstand der Satire, nicht als deren literarische Rahmung (Τὰ πρὸς Κρόνον).  Zuerst bei Furneaux 1896, 23, Anm. 11. In der neueren Forschung vgl. bes. Nauta 1987. Kritisch dazu u. a. Döpp 1993, 159 f.  Petron. 44, 3; 58, 2; 69, 9; zu Horaz vgl. z. B. serm. 2, 7 (libertas Decembris). Ein gelungenes Beispiel der Anpassung und Anwendung der bachtinschen Konzepte mit Ertrag für die Interpretation unter Einbezug von serm. 2, 7 bietet Sharland 2010.  Distelrath 1999, 114. Vgl. weiterhin Versnel 1993, 136 – 227, und Döpp 1993. Eine plastische Schilderung der Rollenvertauschung, bei der der Sklave dem Herrn die Leviten liest, bietet Hor. serm. 2, 7.

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Herren wie Sklaven, spielen also mit den Möglichkeiten einer alternativen Wirklichkeit. Das Besondere im Spiel mit den Möglichkeiten liegt aber in seiner zeitlichen Begrenzung. Nach der Zeit des Ausnahmezustands gelten wieder die normalen, immer gültigen Regeln. Die Rolleninversion erlaubt also – oder erzwingt geradezu – das Nachdenken über bestimmte gesellschaftliche Normen und Wertvorstellungen. Durch die Ritualisierung und enge zeitliche Begrenzung ist daraus jedoch keineswegs die Notwendigkeit entstanden, die Verhältnisse tatsächlich zu hinterfragen oder gar zu ändern. Daher lassen sich die Saturnalien auch als ein die Konventionen bestärkendes Fest verstehen. Das Spiel mit der Möglichkeit einer anderen Gesellschaftsordnung hat durch seine Ritualisierung letztlich eine die Tradition legitimierende Funktion bekommen. In De nuptiis finden sich jedoch höchstens spärliche Hinweise auf das Saturnalienfest. Am ehesten weist das grob scherzende Agieren Saturas in diesen Bereich. Die „langen Winternächte“ (1, 2) könnten (statt als Bezug auf Gellius) als Anspielung auf das Saturnalienfest verstanden werden – die Saturnalien finden in den längsten Nächten überhaupt statt, seit der Kaiserzeit vom 17. bis 23. Dezember. Dies – wie die Spekulation über eine spielerische etymologische Verbindung von Satura und Saturnalien³⁶⁶ – ist aber insofern nicht von Belang, da die Gattung als Ganze karnevaleske Züge trägt und als gewissermaßen institutionalisierter Karneval vom eigentlichen Fest losgelöst ist.³⁶⁷ Die Aufhebung der üblichen Ordnung (was Teuber im Rückgriff auf Liminalitätskonzepte als präliminale Phase bezeichnet)³⁶⁸ beginnt mit der Vorbereitung Philologias zum Aufstieg in den Himmel. Bereits das Erbrechen stellt eine markante Umkehrung der alltäglichen Welt dar: Statt sich Wissen anzueignen, erbricht Philologia es nun. In der Götterversammlung auf der Milchstraße ist die Ordnung sodann völlig verkehrt: Philologia als Meisterin aller Disziplinen und

 Zwar sind die einschlägigen etymologischen Wörterbücher skeptisch (v. a. Walde/Hofmann 2007, II, 482; neutral Ernout/Meillet, 2001, 596), jedoch gibt es dahin gehende moderne Deutungen (aufgeführt bei Walde/Hofmann 2007, II, 482) und auch antike Parallelisierungen: Cic. nat. deor. 2, 64: Saturnus … est appellatus quod saturaretur annis (‚Saturn … wurde er genannt, weil er an Jahren gesättigt ist‘); Fulg. myth. 1, 2 (p. 17, 16): a saturando Saturnus dictus est (‚Da er (die Menschen) sättigt, wurde er Saturn genannt‘); Aug. cons. euang. 1, 23, 35: Saturnus, tamquam satur … νοῦς (‚Saturn, gleichsam der gesättigte … νοῦς‘). Vgl. auch Gowers, die die etymologischen Verbindungen von satura, Satyrspiel und Saturnalien untersucht (Gowers 1993, 109 – 117). Sie kommt zu dem Befund, dass keine Verbindung bestehe, wohl aber verbindende Elemente identifiziert werden könnten: „carnival licence, parody, uninhibited mockery, and excessive consumption“ (ibid., 117).  Vgl. z. B. Teuber 1993, 183 f.  Teuber 1993, 183.

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bedeutende Lehrinstanz muss sich ihrerseits belehren lassen – mit dem Wissen, das ursprünglich ihres war. Durch die Inversion wird die (vielleicht üblicherweise nicht prominente) Philologia in den Mittelpunkt gerückt, und ihre zentrale Rolle im Wissenssystem tritt markant vor Augen. Gleichzeitig kann darin eine leise Anfrage an ihre Lehrautorität und eventuell auch ihre Eignung zur Lehre gesehen werden. Aufgrund des zeitlich begrenzten Rahmens der Verkehrung (die mit dem Ende der Vorträge vorüber ist, aber nicht explizit zurückverwandelt wird), dessen Begrenztheit durch Bezug auf die Form der menippeischen Satire ergänzt werden kann, wird das System der Bildung und der Bildungsvermittlung jedoch nicht grundsätzlich infrage gestellt. Die Suspendierung Philologias ist temporär. Dem Konzept der Dialogizität oder Mehrstimmigkeit folgend, erklärt sich auch die Doppelung und Verunklarung der Erzählinstanz. In den drei Dialogen, in denen Satura und Martianus aufeinandertreffen, behandeln sie die Frage des richtigen Erzählens. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Satire, sondern umfasst alle auftretenden literarischen Formen. Martianus und Satura sind sich uneins, wie weit der Mythos reichen soll und ob eine Enzyklopädie trocken oder auch unterhaltsam erzählt werden soll (2, 219 – 3, 222), ob ein Symposion auch Zechen und Spaß verträgt (8, 803 – 810) oder ob und wie stark Satire Dinge vermischen darf (9, 997– 1000). Die unterschiedlichen Meinungen zu den Fragen werden zwar diskutiert und führen zu einem Ergebnis – der Erzählfluss versiegt ja an keiner Stelle oder setzt neu an. Allerdings entsteht in der Folge kein homogenes Werk, und am Schluss mag keiner der beiden Erzähler dafür die Verantwortung übernehmen. Der Widerwillen, sich zu dem Werk zu bekennen, bedeutet aber gleichzeitig auch, dass Martianus sich nicht festlegt, welche Position er für die richtige hält. Die Frage nach der rechten Art der Wissensvermittlung, die auch in der Ent- und Inthronisierung Philologias anklang, bleibt unbeantwortet. Schließlich bringt der Blick auf die Aurelian-Vita aus der Historia Augusta noch einen weiteren Aspekt ein. Parallel zur Aufteilung der Erzählinstanzen in De nuptiis wird der Erzählprozess in der Historia Augusta auf mehrere Autoren verteilt. Wie zuerst Hermann Dessau und in der Folge Ronald Syme nachdrücklich gezeigt haben, handelt es sich allerdings um nur einen Verfasser, der überdies auch in Bezug auf die Abfassungszeit falsche Angaben gemacht hat und Quellen erfunden hat.³⁶⁹ Insofern lässt sich der in der Historia Augusta geprägte Begriff der  Auf den Charakter der Sammlung, die Syme u. a. als „hoax“ bezeichnet (1983a, 11; 1983b, 13; 1983c, 219), die fingierten Autoren, die manipulierten Quellen etc. soll an dieser Stelle nur hingewiesen werden. Vgl. auch Cameron 2011, Kap. 20 mit ausführlicher Diskussion relevanter Fragen.

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mythistoria, der Vermischung von Mythischem und Historischem, auch auf die Sammlung selbst anwenden.³⁷⁰ Als Menippee im engeren Sinne lässt sich weiterhin die Aurelian-Vita, die 26. Vita der Sammlung, fassen, und bezeichnenderweise spielt die Rahmenhandlung an den Hilaria.³⁷¹ Wie zu den Saturnalien gehören zu diesem Fest Scherze und – im Rahmen von Maskierungen – Rollenwechsel.³⁷² Noch in der rahmenden Einleitung zur Vita spielt sich folgender Dialog ab: 1 et quoniam sermo nobis de Trebio Pollione, qui a duobus Philippis usque ad divum Claudium et eius fratrem Quintillum imperatores tam claros quam obscuros memoriae prodidit, in eodem vehiculo fuit adserente Tiberiano, quod Pollio multa incuriose, multa breviter prodidisset, me contra dicente neminem scriptorum, quantum ad historiam pertinet, non aliquid esse mentitum, prodente quin etiam, in quo Livius, in quo Sallustius, in quo Cornelius Tacitus, in quo denique Trogus manifestis testibus convincerentur, pedibus in sententiam transitum faciens ac manum porrigens iocando[m] praeterea: ‚scribe‘, inquit, ‚ut

 quae ille [scil. Iunius Cordus] omnia exsequendo libros mythistoriis replevit talia scribendo, cum omnino rerum vilium aut nulla scribenda sint aut nimis pauca, si tamen ex his mores possint animadverti, qui re vera sciendi sunt, … sed ex parte, ut ex ea cetera colligantur. (SHA, Opil. 1, 5) Bei der Anführung von all diesen Informationen hat er die Bücher mit fabulösen Geschichten angefüllt, indem er Dinge von dieser Art schrieb, wo doch überhaupt keine nutzlosen Dinge geschrieben werden dürfen oder nur sehr wenige, sofern daraus Verhaltensweisen erkannt werden können, die wirklich wissenswert sind, … aber zum Teil (schreibe ich), damit daraus das Andere gefolgert werden kann. quid? Marius Maximus, homo omnium verbosissimus, qui et mythist[h]oricis se voluminibus inplicavit, num ad istam descriptionem curamque descendit? (SHA, Quadr. tyr., 1, 2) Wie? Hat sich Marius Maximus, der größte Schwätzer vor dem Herrn, der sich in seinen mythistorischen Werken verfangen hat, etwa zu dieser Art der Darstellung und des sorgfältigen Arbeitens herabgelassen?  Hilaribus, quibus omnia festa et fieri debere scimus et dici, impletis sollemnibus vehiculo suo me … Iunius Tiberianus accepit. (SHA, Aurelian. 1, 1) An den Hilaria, an denen alles zum Fest Gehörende getan und gesagt werden muss, wie man weiß, empfing mich nach Erledigung der Zeremonien Iunius Tiberianus in seinem Gefährt. Pausch bemerkt dieses besondere Datum zwar und erwägt, ob es sich um ein „weitergehendes Lesesignal“, beispielsweise im Sinne karnevalesker Literatur, handeln könne, verfolgt diese Spur aber nicht weiter (Pausch 2011, 130, Anm. 1).  Herodian 1, 10, 5. – Einige Hinweise auf die Hilaria, die im Kontext des Magna Mater-Festes am 25. März gefeiert wurden, bietet Fraser in seinem Kommentar zu Ovids Fasti (Fraser 1929, 244– 248).

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libet. 2 securus, quod velis, dices, habiturus mendaciorum comites, quos historicae eloquentiae miramur auctores.‘ (SHA, Aurelian. 2, 1– 2) 1 Und weil unser Gespräch über Trebellius Pollio, der von den beiden Philippi bis zum vergöttlichten Claudius und dessen Bruder Quintillus gleichermaßen über berühmte wie unbekannte Kaiser für die Nachwelt schrieb, in derselben Sänfte stattfand, behauptete er, dass Pollio vieles ohne Sorgfalt und nur kurz dargelegt habe. Ich erwiderte, dass kein Schriftsteller, sofern es um die Geschichte gehe, nicht irgendwo gelogen habe und legte sodann dar, worin sogar Livius, Sallust, Tacitus, schließlich sogar Trogus mit eindeutigen Belegen überführt werden könnten. Darauf sagte Tiberianus schließlich scherzend, indem er meiner Meinung beipflichtete und mir seine Hand darbot: „Schreibe so, wie du es für richtig hältst. 2 Sage unbesorgt, was du willst, du wirst diejenigen als Gefährten für deine Täuschungen haben, die wir als Schöpfer historiographischer Beredsamkeit bewundern.“

So sympathisch dieser Anspruch auch erscheinen mag, ist er doch für das Vertrauen in die Gattung der Geschichtsschreibung fatal. Gerade in der Einleitung einer Vita jedoch – zumal es der Fiktion nach die erste des Flavius Vopiscus Syracusius im Corpus der Historia Augusta ist – kann eine solche Anekdote eigentlich keinen Platz haben. Sie erweckt beim Leser den Eindruck, dass er den nachfolgend dargebotenen Informationen kein Vertrauen schenken dürfe.³⁷³ Die Parallelen zwischen der Historia Augusta, insbesondere dem Vorgehen in der Vita Aureliani, und De nuptiis liegen auf der Hand: Verunklarung der Autorschaft bzw. der Erzählhaltung einerseits, Erwecken von Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Dargebotenen andererseits. In der Historia Augusta sind die Inkongruenzen mit der Freude des Autors am literarischen Spiel erklärt worden: Der Autor habe aus Freude am Fabulieren (vielleicht auch, um ein dafür empfängliches Publikum zu befriedigen) die Viten in dieser Form verfasst.³⁷⁴ Mag man dies für die Historia Augusta noch zugestehen, deren Text über einen längeren Zeitraum, vielleicht zunächst ohne eine Gesamtkonzeption entstanden ist und auch sprachlich nicht herausragt, stellt sich der Sachverhalt für Martianus’ De nuptiis anders dar. Das Werk hat durchaus einen literarischen Anspruch, und es folgt eindeutig einer vorab geplanten Gesamtanlage. Die Freude am Spiel mag vielleicht manches Detail beigesteuert haben, für die verschränkte Anlage des Textes ist sie aber keine Erklärung.

 Ganz anders ist der Anspruch zum Ende der Darstellung der Viten der „Dreißig Tyrannen“, in dem der Autor beteuert, seinem Werk mangele es zwar an literarischer Ausgefeiltheit, nicht jedoch an Faktentreue: da nunc cuivis libellum non tam diserte quam fideliter scriptum. – ‚Gib nun dieses Büchlein, wem du magst; es ist nicht so sehr kunstvoll geschrieben wie es sachgetreu ist‘ (SHA, Quadr. tyr. 33, 8).  Syme nennt dies „deceit for its own sweet sake“ (1983c, 217). Im gleichen Aufsatz spekuliert er auch über das Interesse des Publikums an einer solchen Art von geistigem Spiel (ibid. 221).

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Es lohnt sich jedoch, auch für die Historia Augusta einen Schritt weiter zu gehen. Ausgangspunkt dafür ist die obige Beobachtung, dass das literarische Spiel der Historia Augusta nur durchschaut, wer die Werke der historischen Literatur kennt. Durch die Lektüre historiographischer Biographien bringt der Leser eine bestimmte Leseerwartung, also implizite Vorstellungen, mit, wie das Werk aussehen soll und wird. Diese Erwartungen werden aber nicht oder nur teilweise bedient. Formal gesehen weisen die Viten in der Historia Augusta zwar die Charakteristika der Gattung auf – doch indem sie sie inhaltlich nicht adäquat ausfüllen, treten deren Konventionen vor Augen. Durch die übermäßige Verwendung falscher Verweise und erfundener Quellen gerät zudem das Beglaubigungsverfahren historischer Texte in den Blickpunkt. Der Leser erkennt, an welchen Stellen welche Beglaubigungsmechanismen ansetzen und auf welche Weise sie unterlaufen werden können. Überspitzt ließe sich behaupten: Die Historia Augusta verfolgt ein aufklärerisches Interesse, indem sie (spielerisch) aufzeigt, welche Beglaubigungsverfahren die Geschichtsschreibung nutzt und wie sie manipuliert werden können; dadurch wird auch die Manipulierbarkeit von Geschichte und Leser deutlich. In De nuptiis werden ebenfalls die Konventionen der Einzelgattungen – zumindest ansatzweise – hervorgehoben. Dass kein perfektes Musterbeispiel der jeweiligen Einzelgattung entstehen kann, liegt darin begründet, dass durch die Verbindung der vier literarischen Genres keine oberflächliche Konsistenz der Fiktion entstehen kann. Vielmehr entstehen Brüche, die – ebenso wie die Brüche in der Erzählhaltung – auch die Gattungskonventionen und ihre Annahmen deutlich werden lassen. Dies gilt besonders für die Satire, deren Vorgehen im Kontrast zur eigentlichen Hochzeitshandlung aus dem Rahmen fällt und somit besonderes Augenmerk erhält. Hinzu tritt mit der Figur Satura auch eine Personifikation der Gattung, die in theoretischen Diskussionen Annahmen und Vorgehen mit Martianus erörtert. Grundüberlegungen der Gattung Satire werden so theoretisch erörtert und praktisch erprobt. Gleiches gilt, wenn auch z. T. in weniger deutlicher Form, auch für die anderen Formen. Die Enzyklopädie in ihren langen Monologen wird durch Spott markiert, die trockenen Künste werden probeweise durch Allegorien zugänglicher gemacht; im Symposiondialog wird überlegt, inwieweit übliche Rollenmuster (der Zecher) einen Platz haben oder wie weit man die für die Feier typischen Reden führen kann; und im mythischen Teil wird durch die Gegenüberstellung mit dem handfesten Wissensbetrieb die Andersartigkeit des Erzählens deutlich. So werden neben den Inhalten der Wissenschaften auch verschiedene literarische Formen bewahrt. Neben der reinen Anwendung und somit Tradierung werden gleichzeitig auch die Mechanismen verdeutlicht, deren sich die jeweilige

3 Zusammenfassung

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Gattung bedient. Somit wird ihr Funktionieren nachvollziehbar und in der Folge auch nachahmbar.

3 Zusammenfassung Martianus weckt also durch die Wahl mehrerer gleichberechtigter Erzähler, die somit das Erzählen unzuverlässig werden lassen, besonders aber durch die Übernahme satirischer Gattungselemente, ein Bewusstsein für die traditionellen Grundlagen des Wissens- und Lehrsystems seiner Zeit. Im Gegensatz zur Satire, die diese Fragen kategorisch stellt, handelt es sich in De nuptiis um ein Spiel damit. Der Satirebezug dient als Anknüpfung an die traditionellen Gattungsmerkmale der menippeischen Satire: Karnevaleske und Dialogizität. Durch die (temporäre) Rolleninversion richtet sich das Augenmerk auf Philologia als Wissenszentrum und Wissensmittlerin und fordert zum Nachdenken darüber heraus. Im Kern hinterfragt das Werk alle Bereiche, die mit Bildung und Bildungsvermittlung zu tun haben: Was sind die Inhalte wahrer Bildung? Gibt es eine Einheit von Bildung? Wie kann sie vermittelt werden? Allerdings zielt die Kritik nicht auf eine Auflösung klassischer Bildungsinhalte und Vermittlungsformen. Sie regt vielmehr durch Scherz und Brüche zum Nachdenken über diese Fragen an. Dabei verzichtet Martianus auf eigene Vorschläge und Konzepte und festigt so gleichsam den traditionellen Bildungsbetrieb. Das von ihm dargestellte Wissen wird kanonisiert, und die Darstellungsform in langen Reden wird es auch. Die mittelalterliche Rezeption von De nuptiis zeigt dies eindrucksvoll. Wissen umfasst dabei nicht nur das Faktenwissen der Vorträge, sondern auch das Wissen um bestimmte literarische Formen. Durch die Verbindung von vier Gattungen und die Doppelung der Erzählerfigur mit Reflexion über angemessenes Erzählen entstehen Inkonsistenzen, die die Konventionen der einzelnen Gattungen hervortreten lassen. Nicht alle Elemente werden auf diese Weise deutlich, aber Martianus bietet einen Ansatzpunkt, die Fiktion auch unter der Fragestellung zu lesen, was einen Text der jeweiligen Gattung ausmacht – sowohl positiv wie negativ formuliert. Mit seiner kreativen Konzeption und ihrer literarischen Umsetzung gelingt es Martianus eindrucksvoll, Heiteres und Belehrendes zu verbinden, womit er an die Tradition Varros und die klassische antike Poetik anknüpft. Es gelingt ihm darüber hinaus aber auch, Wissen zu vermitteln und die traditionellen Vorstellungen von der Bedeutung dieses Wissens wie der Form seiner Vermittlung herauszustellen. Spielerisch wird also gelehrt und hinterfragt, nicht jedoch kategorisch kritisiert oder kühn neu entworfen. Gerade dadurch zeichnet sich Martianus’ De nuptiis

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tatsächlich als nescioquid inopinum intactumque (‚etwas Ungewohntes und noch nie Gewagtes‘, 1, 2) aus und macht es zu einem der bedeutendsten Bücher der Spätantike und zu einer interessanten Quelle für die Frage nach Bildungsvorstellungen im fünften Jahrhundert.

IV Sidonius Apollinaris 1 Vita C. Sollius Apollinaris Sidonius,³⁷⁵ der meist Sidonius Apollinaris genannt wird, lebte um die Mitte des fünften Jahrhunderts (ca. 430 – 473) in Südgallien.³⁷⁶ Somit war er ein jüngerer Zeitgenosse sowohl von Macrobius als auch von Martianus Capella, ohne Kontakt mit einem von beiden zu haben. Zugleich vertritt er mit seinem Werk, einem Œuvre von 147 Briefen in neun Büchern und einer separat herausgegebenen³⁷⁷ Sammlung von drei Panegyriken und 21 Gedichten inklusive Widmungen und Begleitgedichten, in dieser Arbeit eine weitere Region des weströmischen Reiches und damit auch andere politische und gesellschaftliche Umstände. Gallien erlebt zur Zeit des Sidonius große Umwälzungen. Nur geringen Anteil daran hat die Christianisierung. Die Frage nach Religion und Konversion spielt im öffentlichen Leben und in der Diskussion bei Sidonius keine große Rolle. Ein steter Wechsel auf dem Kaiserthron ist ebenfalls keine große Neuigkeit.³⁷⁸ Von weitaus größerer Bedeutung sind die ständigen Kämpfe und Verhandlungen mit einfallenden, durchziehenden oder sesshaft werdenden Völkern (Westgoten, Burgunder). Das Römische Reich war schon zuvor dazu übergegangen, mit den eingewanderten Völkern Verträge über die Anerkennung römischer Macht oder Tributzahlungen einzugehen, anstatt sie militärisch von Gallien fernzuhalten.³⁷⁹ Im Laufe des fünften Jahrhunderts vermag Rom jedoch nicht mehr, seine Macht in gleichem Umfang aufrechtzuerhalten. In der Folge wandern verschiedene Völker ein, die immer wieder gegeneinander und gegen Rom Krieg führen. Sidonius ist von diesen Entwicklungen einige Male ganz elementar betroffen. Aufgrund von Abstammung und Ausbildung zu höchsten Staatsämtern prä-

 Einige Handschriften bieten in Subskriptionen noch den Beinamen Modestus. Vgl. Mommsen in seiner Praefatio zur Sidonius-Ausgabe Luetjohanns (MGH AA 8, S. XLVI) sowie Köhler 1995, 101, zu weiterer Literatur zur Namensform und zu spätantiker Namensgestaltung.  Sidonius’ Leben ist ausführlich dargestellt in Stevens 1933 und jünger bei Kaufmann 1995; die Übersetzungen und Kommentare (Anderson et al.; Loyen; Delhey 1993; Köhler 1995; Amherdt 1999; Santelia 2002a) bieten jeweils eine knappe Einführung und die neueste Literatur.  Vgl. epist. 1, 1, 4, sowie Kaufmann 1995, 65.  Während seiner Lebenszeit regierten etwa zehn Kaiser, von denen nur wenige eines natürlichen Todes starben.  Vgl. Goffart 1980; Thompson 1982, 23 – 60; Mitchell 2007, 203 f.

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destiniert,³⁸⁰ gelangt er zu besonderen Ehren am Hofe,³⁸¹ muss sich dann aber für knapp sieben Jahre (461– 467) auf sein Landgut Avitacum³⁸² zurückziehen, erreicht unter Anthemius 468 noch einmal höchste Ehren als Stadtpräfekt von Rom und mit der Ehrung als patricius (471), bevor er dann Bischof von Clermont wird. Dieses Amt bedeutet keineswegs einen Abstieg; Sidonius kann nun relativ frei ohne Rücksicht auf kaiserliche Befindlichkeiten und höfische Intrigen schalten und walten, und er übernimmt mit dem Bischofsamt gleichzeitig auch Aufgaben für seine Heimatstadt, z. B. die Verteidigung der Stadt gegen die Westgoten.³⁸³ Dies führt schließlich nach dem Fall Clermonts dazu, dass Sidonius unter dem Westgotenkönig Eurich seinen Bischofssitz verlassen und ins Exil gehen muss. Nach zwei Jahren darf er jedoch auf seinen Bischofsstuhl zurückkehren.³⁸⁴ In die letzte Phase seines Lebens fällt die Überarbeitung und Veröffentlichung³⁸⁵ seiner Briefe. Auf den Aufbau der Sammlung³⁸⁶ soll nur kurz einge-

 Sidonius stammte aus einer der vornehmsten gallo-römischen Familien: Sein Vater war praefectus praetorio von Gallien gewesen, und seine Frau Papianilla war die Tochter von Avitus, des Kaisers von 455/456. Zu seiner Bildung s. die folgenden Kapitel.  Unter Avitus und seinem Nachfolger Majorian, auf die er Panegyriken hält (carm. 7 und 5). Welche Ämter oder Funktion Sidonius genau versah, bleibt unklar.  Eine eindrückliche Schilderung seines Landgutes, das seine Frau mit in die Ehe eingebracht hatte, findet sich in epist. 2, 2.  Vgl. die Schilderung der Verteidigung in epist. 7, 6 sowie die Unterstützung durch Avitus (einem Vertrauten des Kaisers Avitus) bei den Verhandlungen mit den Goten 471 (epist. 3, 1, 5).  Die Verbannung erwähnt Sidonius knapp in epist. 4, 10, 1 (me soli patrii finibus eliminatum peregrinationis adversa fregerunt – ‚mich brachen die Widrigkeiten des Exils, nachdem ich aus dem Land meiner Heimaterde vertrieben worden war‘) und epist. 8, 9, 5 (exul – ‚als Verbannter‘). Als Zeichen des guten Willens und der Unterwerfung wird Eurich verschiedentlich positiv gezeichnet, so z. B. epist. 8, 9, 5, vers. 42– 44 (Eorice, tuae manus rogantur, / ut Martem validus per inquilinum / defendat tenuem Garumna Thybrim. – ‚Eurich, deine Hände werden gebraucht, damit die durch kämpferische Bewohner mächtige Garonne den zarten Tiber verteidigt‘).  Wie Veröffentlichung und Verbreitung zu verstehen sind, zeigt besonders carm. 24: Sidonius schickt die Sammlung aus Panegyriken und Gedichten an seine Freunde mit dem Auftrag, sie an bestimmte Personen weiterzuschicken. Es ist davon auszugehen, dass die Freunde jeweils für eine private Abschrift sorgten. Auch an anderen Stellen geht Sidonius auf die Verbreitung von Büchern und Werken ein, sei es, dass sie ihm zugeschickt wurden (epist. 4, 3, 2; 5, 8), sei es, dass sie nicht auch an ihn gerichtet wurden und er sie auf andere Weise erhielt (epist. 2, 13, 1; 9, 7, 1; 9, 9, 3), sei es, dass er sie selbst verschickt (epist. 5, 1, 1; 5, 17, 11; 7, 3; 7, 18, 1; 8, 3, 18; 9, 11, 6). Während Sidonius in epist. 4, 16 einem Freund den Buchdiebstahl (furtum) verzeiht, der zwecks Abschreibens erfolgte, schilt er in epist. 5, 2 den Adressaten des Briefes, dieser habe sich ein Werk des Claudianus Mamertus zum Abschreiben ausgeliehen, es aber noch nicht zurückgegeben. Auch den Beruf des Buchhändlers (bybliopola) kennt Sidonius (epist. 5, 15, 1). Vgl. aber Santelia 2000b, die versucht, bei Sidonius eine Verwendung des Wortes im Sinne von ‚Kopist‘ nachzuweisen.

1 Vita

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gangen werden: Buch 1 behandelt die Zeit von Sidonius’ weltlicher Karriere, die Bücher 2– 9 decken die Zeit nach der Bischofsweihe ab. Gewidmet sind die Bücher 1– 8 Constantius, das neunte Buch Firminus.Vorbilder für die Sammlung sind vor allem Plinius und Symmachus, wie Sidonius epist. 1, 1, 1 erläutert.³⁸⁷ In den Briefen wird für uns die Welt des gallischen Adels im fünften Jahrhundert lebendig.³⁸⁸ Auf der Suche nach harten historischen Fakten oder lebensweltlichen Problemen wird man bei Sidonius leicht enttäuscht werden. Der Natur des (spätantiken) Privat- und Freundschaftsbriefes gemäß³⁸⁹ sind die Briefe häufig in einem Plauderton gehalten. Diese sind zudem für die Veröffentlichung überarbeitet worden, so dass aus Briefen mit potenziell konkretem Anlass und pragmatischer Funktion nunmehr Schaustücke geworden sind.³⁹⁰ Nichtsdestotrotz vermitteln auch – oder gerade – diese Briefe einen Einblick in das Funktionieren der gallischen Oberschicht und die Themen, die dort von Belang waren. Dies ist insofern von besonderem Interesse, da Bildung und Literatur sowie die gegenseitige Vergewisserung dieser Bildung elementarer Bestandteil der Identität der Oberschicht waren. Der Brief war dabei Mittel und die Briefsammlung Zeugnis dieser Bildung. Somit stellt das Corpus Sidonianum eine bedeutende Quelle für die Frage nach der Bildung der gallischen Oberschicht im fünften Jahrhundert dar. Um aus der Fülle der Briefe, Themen und Personenkreise ein kontrastreiches Bild von Bildung und besonders Bildungsaneignung und -tradierung entstehen zu lassen, sollen schlaglichtartig vier Bereiche herausgegriffen werden: die Erziehung des Sohnes Apollinaris; die Korrespondenz mit Claudianus Mamertus und

 Vgl. dazu z. B. Kaufmann 1995, 66 f., und Köhler 1995, 7– 10, mit einleitenden Überlegungen. Größer angelegte Untersuchungen zum Werk des Sidonius stehen noch aus.  Zur Komposition und den Phasen der Veröffentlichung ist bislang nur stichpunktartig gearbeitet worden (vgl. z. B. Kaufmann 1995 und Köhler 1995). Wichtig ist der Hinweis Gualandris, dass die Briefsammlung einige Zeit nach der ursprünglichen Abfassung der Briefe überarbeitet wurde, so dass eine genaue Datierung und Chronologie einerseits schwierig ist, diese andererseits aber auch nicht von allzu großer Bedeutung ist, da der historische Quellenwert der Briefe durch die Bearbeitung stark gesunken ist (Gualandri 1979, 28 f.; ebenso Köhler 1995, 12).  Natürlich handelt es sich um ein einseitiges und vor allem um ein konstruiertes Bild der gallo-römischen Oberschicht. Durch die ausschließlich binnenaristokratische Kommunikation („lettres ‚circulaires‘“) und die Überarbeitung der Briefe ist die Grenze zwischen Realität und literarischer Fiktion nicht mehr genau zu bestimmen (Amherdt 2004, 374).  Zu Freundschaftsbriefen vgl. v. a. Cugusi 1983, Thraede 1970, und Koskenniemi 1956.  Inwieweit die Briefe als Quelle dienen und autobiographisch gelesen werden können, untersucht Küppers 2005.

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IV Sidonius Apollinaris

Sapaudus über das Thema Bildung; Bildungsverfall und Bildungsförderung; sowie die Einschätzung von Bildung mit Blick auf Christen und ‚Barbaren‘.

2 Die Erziehung von Sidonius’ Sohn Apollinaris Wie für Macrobius oder Martianus Capella ist auch für Sidonius die Erziehung seines Sohnes Apollinaris von großer Bedeutung. Im Gegensatz zu den beiden genannten Autoren verfolgt Sidonius sein Ziel aber nicht dadurch, dass er ein Unterweisungswerk verfasst. Programmatische Aussagen über Erziehung allgemein oder Reflexionen über Inhalte von Bildung finden sich ebenso wenig. Trotzdem äußert sich Sidonius in einigen Briefen explizit über die Erziehung seines Sohnes Apollinaris.³⁹¹ Dabei schildert er Situationen der Ausbildung des eigenen Sohnes und vergleicht sie lobend oder tadelnd mit der Bildung anderer, indem er deren erfolgreichen Werdegang reflektiert.³⁹² Die expliziten wie impliziten Aussagen über die Erziehung des Apollinaris werden daraufhin geprüft, inwiefern sie auch die Erziehungspraktiken von Sidonius’ Korrespondenten entsprechen, also als exemplarisch anzusehen sind.

epist. 4, 12 Die pragmatische Aussage des Briefes liegt in der Aufforderung an die Adressaten Simplicius und Apollinaris, ihren letzten Brief an Sidonius erneut zu senden, da der Bote diesen unterwegs verloren habe. Dem Wunsch voraus geht die Schilderung vom Eintreffen des Boten, der sehr bildlich gestaltet ist. Dieser hatte sich kaum einzutreten getraut, da er Tadel und Strafe fürchtete und Sidonius nicht auch noch bei seiner Beschäftigung unterbrechen wollte. Sidonius war nämlich mit einer angenehmen Aufgabe beschäftigt: Er unterstützte seinen Sohn Apollinaris bei der Lektüre eines Terenz-Stücks, der Hecyra. Nuper ego filiusque communis Terentianae Hecyrae sales ruminabamus; studenti assidebam naturae meminens et professionis oblitus quoque absolutius rhythmos comicos incitata

 Informationen zum Leben des Apollinaris bieten neben den hier behandelten Briefen die Schriften Gregors von Tours: Greg. Tur. Franc. 2, 37; 3, 2; glor. mart. 44; vit. patr. 4, 1. Kaufmann 1995, 279 f., stellt die wichtigsten prosopographischen Informationen aus Sidonius zusammen und bietet weitere Literaturhinweise.  Über die Töchter und ihre Erziehung erfahren wir hingegen kaum etwas. In epist. 5, 16, 5 berichtet Sidonius, Roscia werde von Tanten und der Großmutter erzogen, und zwar mit gütiger Strenge (seueritas tenera), so dass das Kind keinen Schaden erleide, sondern geistig geschult werde. – Zur Darstellung von Frauenfiguren in Sidonius’ Briefen vgl. Mascoli 2000.

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docilitate sequeretur, ipse etiam fabulam similis argumenti id est Epitrepontem Menandri, in manibus habebam. 2 legebamus pariter, laudabamus iocabamurque et, quae uota communia sunt, illum lectio, me ille capiebat, cum repente puer familiaris adstitit uultuosus. (epist. 4, 12, 1 f.) Neulich genossen mein Sohn und ich gemeinsam wieder einmal den Witz von Terenzens Hecyra. Ich saß neben dem eifrigen Leser, denn ich erinnerte mich an meine natürlichen Bindungen und dachte nicht weiter an meine Aufgaben. Und damit er umso freier die Komödienverse³⁹³ verfolgen könne, nachdem die Gelehrsamkeit geweckt war, hatte ich selbst auch ein Stück mit ähnlichem Plot in der Hand, nämlich die Epitrepontes Menanders. 2 Wir lasen gemeinsam, lobten bestimmte Stellen und scherzten; dabei hatte er Freude am Lesen und ich an ihm (etwas, das sich alle wünschen) – als auf einmal ein Hausdiener mit bedeutungsschwerer Miene herantrat.

Das gemeinsame Lesen empfand Sidonius keineswegs als Pflicht – er hatte vielmehr Spaß daran, zusammen mit seinem Sohn die Scherze der Komödie zu genießen. Doch bleibt es nicht bei der bloßen Freude an der Lektüre. Sidonius unterstützt seinen Sohn beim Lesen, das hier als ernsthafte Beschäftigung (studere) bezeichnet wird: Er fördert seine „Gelehrigkeit“ (docilitas), damit dieser den Versen besser folgen könne. Anscheinend war es auch für junge Adlige in spätantiker Zeit in der gallischen Provinz nicht mehr ganz einfach, die Verse des Terenz zu lesen und vor allem die Pointen zu verstehen.³⁹⁴ Doch beschränkt sich die Unterstützung nicht auf das gemeinsame Lesen. Vielmehr wird der literarische Horizont des Sohnes dadurch erweitert, dass Sidonius als Paralleltext³⁹⁵ das menandrische Stück Epitrepontes vor sich liegen hat und aus ihm Parallelen zitiert.³⁹⁶ Diese gemeinsame Beschäftigung läuft in drei

 Amherdt (1999), denkt bei rhythmos zunächst an das Metrum und erkennt den Inhalt der vergleichenden Lektüre von Menander und Terenz in der Beschäftigung mit der Metrik.  Von der Relevanz des Komödiendichters in der Ausbildung (und wohl auch von den Schwierigkeiten, die er bot) zeugt auch die Tatsache, dass Aelius Donat einen (uns weitgehend erhaltenen) Kommentar zu den Komödien des Terenz verfasste.  Als unmittelbare griechische Vorlage für die Hecyra gilt die gleichnamige, verschollene Komödie des Apollodor von Karystos, deren Bezug zu Menanders Epitrepontes umstritten ist (vgl. zur Diskussion Lefèvre 1999, 14 f.).  Nimmt man die Nachricht für bare Münze, so stellt diese Stelle einen Beleg für das Vorhandensein griechischer Handschriften im Gallien des fünften Jahrhunderts dar und belegt darüber hinaus Griechischkenntnisse bei Sidonius und anscheinend auch bei seinem Sohn. Diese These würde auch von einer anderen Stelle gestützt werden: In epist. 8, 6, 18 erwähnt Sidonius die Übersendung einiger Werke Eusebs an Namatius, der mit seiner vorausgehenden Bitte sein Wissen darum zeigt, dass Sidonius diese griechischen Schriften besaß, geht man nicht davon aus, es gehe um die lateinischen Übersetzungen. Nur oberflächliche Kenntnis des Griechischen gesteht Hagendahl (1983, 98) Sidonius zu; ähnlich kritisch mustert Loyen die Stellen,

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Schritten ab: Lesen, Loben, Scherzen (legebamus pariter, laudabamus iocabamurque). Zunächst wird der Text laut vorgelesen. Darauf folgt eine kritische literarische Würdigung der Partie (vielleicht in ähnlicher Form, wie wir sie bei Macrobius finden), bevor am Schluss die Freude über den Witz des Dichters genossen werden kann. Das gemeinsame Lesen, das Sidonius nicht mit einer elterlichen Pflichtaufgabe in Verbindung bringt, lässt Sidonius seine beruflichen Verpflichtungen vergessen (professionis oblitus) – und das, obwohl er bereits Bischof ist. Das natürliche Band zwischen Vater und Sohn (naturae meminens) wirkt stärker als die Pflicht und ermöglicht das Lesen, für Sidonius eine natürliche und freudige Beschäftigung, hinter der die Arbeit zurückstehen muss. Mit seiner Begeisterung für die Literatur steht Sidonius nach eigener Aussage an anderer Stelle aber recht allein. Nur wenige bemühten sich, so schreibt er an Hesperius, um das Studium der Literatur.³⁹⁷ Neben der Selbststilisierung als enthusiastischer Leser zeigt sich Sidonius aber auch als Vermittler dieser Freude am Lesen. Indem er gemeinsam mit dem Sohn den rechten Umgang mit Literatur einübt und dabei die Lese- und Verständnisschwierigkeiten ausräumt, führt er ihn an ein eigenständiges Lesen heran, das Freude bereitet. Sidonius selbst schöpft wiederum Freude aus der Begeisterung seines Sohnes (illum lectio, me ille capiebat). Das Bild, das Sidonius hier evoziert, soll natürlich weder den Eindruck einer Vater-Sohn-Kameradschaft erzeugen noch ist es als didaktisches Musterkonzept gedacht. Vielmehr wird eine idyllische ‚Sonntagsnachmittagsszenerie‘ evoziert – wobei die Imperfecta die gemütliche Dauer des Lesens unterstreichen –, in die plötzlich die tragische Nachricht des Boten und des verlorenen Briefes einbricht. Auf diese Weise wird aus einer nicht als exemplum intendierten Schilderung doch ein Vorbild: Die gemeinsame angeleitete Lektüre scheint in der Familie des Sidonius eine übliche und angenehme (und somit auch erstrebenswerte) Beschäftigung zu sein.³⁹⁸ die auf Griechischkenntnisse bei Sidonius hinweisen (Loyen 1943, 26 – 30). Courcelle betont jedoch, dass zumindest allgemeine Griechischkenntnisse nicht erstaunen dürften und die Präsenz der griechischen Kultur in Gallien erst im 6. Jahrhundert abbreche (Courcelle 1948, 240 – 246).  Vgl. epist. 2, 10 und dazu Kap. IV.3.  Vgl. zu diesem Bild auch Symm. epist. 4, 20, 2, in der sich Symmachus seinem Sohn bei dessen Griechisch-Studien anschließt: Dum filius meus Graecis litteris initiatur, ego me denuo studiis eius uelud aequalis adiunxi. Während mein Sohn anfing, die griechischen Buchstaben kennenzulernen, habe ich mich ihm wie ein Altersgenosse angeschlossen, um sie erneut zu lernen.

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epist. 5, 11 Wie stellt sich Sidonius die erfolgreiche Erziehung seines Sohnes neben der literarischen Bildung vor? Eine Antwort bietet epist. 5, 11, die an Potentinus gerichtet ist. Im ersten Teil des Briefes werden die Vorzüge des Adressaten in überschwänglichem Ton herausgestellt, nachdem Sidonius klargestellt hat, dass er sich Potentinus als Freund bewusst ausgewählt habe: Multum te amamus; et quidem huiusce dilectionis non est erroneus aut fortuitus affectus. Namque ut sodalis tibi deuinctior fierem, iudicavi. Est enim consuetudinis meae, ut eligam ante, post diligam. (epist. 5, 11, 1) Ich liebe dich sehr; der Grund dieser Zuneigung ist freilich kein verirrtes oder zufälliges Gefühl. Denn dass ich dir als Freund enger verbunden sein will, habe ich beschlossen. Es ist nämlich meine Gewohnheit, erst mit dem Kopf auszuwählen und danach ins Herz zu schließen.

Die Gründe für die bewusste Auswahl von Potentinus sind vielfältig. Seine Stärken liegen vor allem im praktischen und gesellschaftlichen Bereich: im kundigen Ackerbau, methodischen Bauen, erfolgreichen Jagen, unterhaltsamen Plaudern, lustigen Scherzen, gerechten Urteilen, klugen Beraten – dies alles beherrscht er im höchsten Maß. Schließlich mangelt es ihm auch nicht an Tugend, namentlich Langmut, Sanftmut und Treue (epist. 5, 11, 2). Diese Fähigkeiten und Eigenschaften wünscht sich Sidonius ebenfalls für seinen Sohn (womit er nicht sagt, dass dieser sie zurzeit überhaupt nicht besitze). Doch sieht er, dass sein jugendlicher Sohn ein Vorbild benötigt, und in seinem Freund sieht Sidonius dafür eine ideale Figur. Er würde sich darüber freuen, wenn Apollinaris Potentinus ähnlich würde und bereits in jungen Jahren (iam hinc ab annis puberibus) dem Beispiel des Freundes folgen würde. Er selbst werde sich sehr dafür einsetzen, indem er ihm Potentinus’ Wesen vor Augen stelle: Er werde sich vom Freund dessen formula vitae ausborgen (mutuari). An sich hat Sidonius aber Freude an der Erziehung seines Sohnes, wie er betont. Mit einem solchen Freund als leuchtendem Beispiel und Christi Hilfe werde es ihm gelingen, aus Apollinaris einen tüchtigen Mann zu machen.³⁹⁹

Trotz der inhaltlichen Parallele sieht Amherdt (1999) im Kommentar zur Stelle es als wahrscheinlich an, dass die Szene, die Sidonius schildert, nicht nach dem Vorbild gestaltet ist, sondern tatsächlich so stattgefunden habe.  Der Text dieses letzten Abschnitts (epist. 5, 11, 3) lautet: Haec omnia exempla uiuendi iam hinc ab annis puberibus meus Apollinaris si sequitur, gaudeo; certe ut sequatur, admoneo. In quo docendo instituendoque, modo sub ope Christi

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epist. 3, 13 Neben Aussagen über seinen Sohn gegenüber anderen wendet sich Sidonius auch brieflich direkt an ihn. Der Brief 3, 13 ist der einzige in der Sammlung der neun Bücher, der an Apollinaris selbst gerichtet ist. Er ist zugleich einer der längsten im ganzen Corpus. Auffällig ist außerdem, dass dieser Brief im Kern Gedanken der Erziehung gewidmet ist. Im Hauptteil des Briefes wird ein gewisser Gnatho, der von Warmington nicht als reale Person aufgefasst wird,⁴⁰⁰ als Negativbeispiel grotesk schlechten Verhaltens entworfen. Der Name Gnatho ist bewusst gewählt, auch wenn der Bezug auf Terenz nicht deutlich markiert wird. Bei Gnatho handelt es sich um eine Figur, die im Stück Eunuchus den Parasiten darstellt, der sich in jeder Hinsicht unangemessen verhält und allerlei Verwicklungen verursacht.⁴⁰¹ Diese Figur eignet sich für Sidonius, um seinem Sohn einen schlechten Menschen par excellence vorzuführen; er sieht Gnatho gewissermaßen als den Prototyp eines schlechten Menschen an: Cuius uilitatis esse signiferum Gnathonem patriae nostrae uel maxumum intellege. (epist. 3, 13, 1) Erkenne, dass Gnatho ein Bannerträger dieser Sittenlosigkeit in unserem Staat ist, noch dazu der größte.

Sidonius nutzt in der Folge alle Aspekte, die die Rhetorik für einen solchen Anlass anrät. Getadelt bzw. lächerlich gemacht werden Gnathos persönliche Fähigkeiten (er besitzt keinen Witz etc.), seine Schamlosigkeit, seine offene Bettelei, seine Knausrigkeit, seine Prahlerei, besonders aber sein abstoßendes Äußeres. Als

disposita succedant, plurimum laetor maximam me formulam uitae de moribus tuis mutuaturum. Wenn mein Apollinaris all diese Beispiele deiner Lebensführung schon von den Jahren seiner Jugend an verfolgt, freue ich mich; ganz sicher ermahne ich ihn dazu. Bei seiner Unterweisung und Erziehung (sofern nur die Pläne unter Mithilfe Christi gelingen) freue ich mich besonders, dass ich die großartige Lebensformel aus deinem ethischen Verhalten entlehnen darf. Auffällig ist die Bezugnahme auf Christus: Seine Hilfe bei der Erziehung des Sohnes nach klassischen (und bei Sidonius nicht weiter hinterfragten) Bildungsinhalten wird stillschweigend vorausgesetzt.  In seiner Übersetzung (Bd. 2, 47, Anm. zur Empfängerzeile).  Zu den satirischen Elementen dieses Briefes vgl. Blänsdorf 1993. Interessant ist auch die Beobachtung Köhlers, dass die Figur des Gnatho als Gegenstück zu Theoderich konzipiert ist, der überaus positiv gezeichnet ist (Köhler 1998, 333 f.).

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‚Krönung‘ wird seine Wendigkeit hervorgehoben, durch die er Leute so lange als enge Freunde behandelt, wie sie ihm nützen, um sie einfach fallen zu lassen, sobald sie ihm nichts mehr einbringen. Anlass und Kern des Schreibens ist die Ermahnung des Sohnes, sich anständig zu verhalten, die Verhaltensweisen eines Gnatho also nicht nachzuahmen⁴⁰² und überhaupt eine Gesellschaft mit Menschen wie Gnatho zu meiden: Unice probo, gaudeo, admiror, quod castitatis affectu contubernia fugis impudicorum, praesertim quibus nihil pensi, nihil sancti est in appetendis garriendisque turpitudinibus quique, quod uerbis inuerecundis aurium publicarum reuerentiam incestant, granditer sibi uidentur facetiari. (epist. 3, 13, 1) Einzig billige ich, sehe ich gern und bewundere ich, dass du aus Liebe zur Reinheit die Gemeinschaft mit Unanständigen meidest, besonders mit denen, denen nichts wichtig, nichts heilig ist in ihrem Streben nach und Frohlocken über Schändlichkeiten, und die von sich meinen, dadurch großartig vor Esprit zu sprühen, dass sie mit unehrenhaften Worten den Anstand der Ohren der Zuhörer beflecken.

Das negative Bild, das Sidonius von Gnatho zeichnet, impliziert umgekehrt natürlich ein Ideal, das Apollinaris anstreben soll. Sidonius erwartet von ihm angemessene gesellschaftliche Umgangsformen, Bewusstsein für das richtige Auftreten, Freigiebigkeit, Konstanz in den persönlichen Überzeugungen und eine behutsame Auswahl des Freundeskreises. Durch die Verwendung einer Figur aus einer terenzischen Komödie versucht Sidonius, an Apollinaris’ Begeisterung für diesen republikanischen Autor anzuknüpfen und auf diese Weise seiner Mahnung erfolgreich Gehör zu verschaffen. Der Brief endet mit einer erneuten Aufforderung (igitur ex uoto meo feceris si … – ‚deshalb wirst du nach meinem Willen handeln, wenn …‘) an Apollinaris, nicht wie ein Gnatho zu werden und Menschen vom Kaliber eines Gnatho zu meiden. Interessant ist die Begründung, mit der Sidonius den Brief beendet. Nam quibus citra honestatis nitorem iactitabundis loquacis faece petulantiae lingua polluitur infrenis, his conscientia quoque sordidatissima est. Denique facilius obtingit ut quispiam seria loquens vivat obscene, quam ualeat ostendi qui pariter existat improbus dictis et probus moribus. (epist. 3, 13, 11) Wer damit prahlt, im Glanz der Aufrichtigkeit zu stehen, dabei aber durch den Schmutz frecher Geschwätzigkeit seine ungezügelte Zunge befleckt, der hat auch ein zutiefst dreckiges Gewissen. Infolgedessen ereignet es sich leichter, dass jemand unsittlich lebt, obwohl er anständig spricht, als dass man jemanden findet, der gleichzeitig schlecht redet und gut lebt.



Also kein Gnathonicus zu werden, wovon der terenzische Gnatho träumt (Ter. Eun. 264).

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IV Sidonius Apollinaris

Hier manifestiert sich ein charakteristischer Zug des sidonischen Denkens: Sprachbeherrschung und Bemühen um die Sprache drücken die innere Haltung und den Charakter eines Menschen aus. In der griechischen Klassik wurde das Äußere als mit dem Wesen eines Menschen verbunden gedacht (Kalokagathie); für Sidonius besteht ein ähnlicher Zusammenhang zwischen sprachlicher Äußerung und dem Wesen. Wer entweder nicht gebildet ist und daher schlecht spricht oder gar aus Nachlässigkeit oder Affektiertheit sich im sprachlichen Ausdruck gehen lässt, zeigt einen schwachen Charakter. Aus diesen Überlegungen ergeht die Aufforderung an den Sohn (und damit implizit an andere Jugendliche), Menschen zu meiden, die im Komikerjargon sprechen.

carm. 17; epist. 5, 9 Im Rahmen der Erziehung Apollinaris’ tritt neben die kognitiv-literarische und ethische Ausbildung auch das Bemühen um die Integration des Sohnes in die gallo-römische Gesellschaft. Zu diesem Zweck veranstaltet Sidonius zum Beispiel eine Feier zum 16. Geburtstag des Sohnes, also einem Alter, mit dem der Sohn erwachsen wird.⁴⁰³ Zu dieser Feier lädt Sidonius im Namen seines Sohnes Freunde aus der oberen Gesellschaftsschicht ein, so z. B. den Senator Ommatius: Quattuor ante dies quam lux Sextilis adusti prima spiciferum proferat orbe caput, natalis nostris decimus sextusque coletur, aduentu felix qui petit esse tuo. (carm. 17, vers. 1– 4) Vier Tage, bevor das erste Licht des sonnenverbrannten August sein Ähren tragendes Haupt über die Erde erhebt, wird bei uns der sechzehnte Geburtstag gefeiert werden, der darum bittet, durch deine Anwesenheit beglückt zu werden.

Der Einladungstext ist relativ kurz und benennt den Anlass (den Geburtstag) nur knapp; in der Folge (vers. 5 – 20) berichtet Sidonius hingegen ausführlich, was es auf der Feier alles nicht geben wird, da sie bescheiden ausfallen soll. Trotzdem stellt die Einladung das Zentrum des Briefes dar und zeigt Sidonius’ Bemühen auf, seinen Sohn in die Gesellschaft zu initiieren. Ein ähnliches Bild entwirft Sidonius in epist. 5, 9, die an Aquilinus gerichtet ist. Der Hauptteil des Briefes reflektiert die Beziehung zwischen Empfänger und

 In diesem Alter fand klassischerweise das erstmalige Anlegen der toga virilis statt. Diese Zeremonie lässt sich zwar nicht auf ein bestimmtes Alter fixieren, das Alter von 14 bis 17 Jahren, das Binder/Saiko (1999, 1210 f.) nennen, passt freilich gut zu dem von Sidonius genannten Alter.

2 Die Erziehung von Sidonius’ Sohn Apollinaris

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Absender des Briefes und endet mit der Versicherung, dass sie von nun an „zwei Seelen und doch eins im Denken“ (duae animae, unus animus) sein wollten. Unterpfand – oder besser: Fortführer dieser innigen Nähe sollen die Söhne beider sein, Rusticus und Apollinaris. Für Sidonius gibt es nichts Schöneres, als wenn beide in allen Bereichen gleichermaßen urteilten.⁴⁰⁴ imbuamusque liberos inuicem diligentes idem uelle, nolle, refugere, sectari. Hoc patrum uero iam supra uota, si per Rusticum Apollinaremque, proauorum praedicabilium tam reformentur corda quam nomina. (epist. 5, 9, 4) Wir wollen unsere Kinder dazu bringen, sich gegenseitig zu schätzen, das Gleiche zu wollen und abzulehnen, das Gleiche zu meiden und anzustreben. Dies wäre mehr, als sich die Väter wünschen, wenn durch Rusticus und Apollinaris die Gesinnungen der ehrenvollen Vorfahren wiederhergestellt werden, wie es deren Namen werden.

Negative Einschätzung des Bildungsweges (epist. 9, 1) Sidonius ist sich jedoch keineswegs immer sicher, dass sein Sohn den vorgezeichneten Weg mit dem gebotenen Eifer verfolgt. In epist. 9, 1 äußert er sich gegenüber Firminus folgendermaßen über seinen Sohn: Etsi Apollinaris tuus cum in ceteris rebus tum ⁴⁰⁵ in hac certe neglegentissimus, quippe qui perexiguum lectione teneatur vel coactus uel uoluntarius, quantum tamen mihi uidetur, qui

 Ein ähnlicher Gedanke findet sich in epist. 5, 16, 4: Sidonius drückt gegenüber Papianilla seine Hoffnung aus, dass der Sohn ihres Bruders Ecdicius und sein Sohn die Freundschaft der Familien fortsetzen würden und beide das Amt des Konsuls erreichen würden.  Mein Text weicht an dieser Stelle vom Haupttext Loyens ab und bietet die Variante der Handschriften P und M² (der Brief ist in den zuverlässigen Handschriften LNTV nicht enthalten). Die beiden übrigen Lesarten F und C lassen sich bei verändertem Sinn ebenfalls auflösen. Sie lauten: etsi Apollinaris tuus cui studium in ceteris rebus est F: etsi Apollinaris tuus cui animus cum in ceteris rebus est C. Die F-Version ergäbe etwa folgenden Sinn: ‚auch wenn dein Apollinaris, der Eifer in allen anderen Dingen zeigt, in dieser einen Sache aber sicher sehr nachlässig ist‘; die CFassung dagegen bliebe trotz des Einschubs sinngemäß nahe bei der P-Version: ‚Auch wenn dein Apollinaris sowohl in vielen übrigen Dingen, ganz besonders aber darin nachlässig ist, dass er …‘ Die Einfügung von (cui) studium / animus … est in F/C könnte vereinfachend interpoliert sein. Demgegenüber wird die P-Version (etsi Apollinaris tuus cum in ceteris rebus tum in hac certe neglegentissimus, quippe qui perexiguum lectione teneatur) durch epist. 9, 11, 8 (quia cum in ceteris rebus tum foedissimum perquam est in dilectione superari) gestützt. – Der ganze Satz ist nicht ohne Probleme und gewisse Lizenzen zu übertragen. Warmington spekuliert in einer Anmerkung zur Übersetzung (Bd. 2, 616), ob eventuell zu Lebzeiten des Apollinaris diese Stelle bewusst verändert worden sei. Zu überlegen ist auch, ob dieser Satz, der den Schluss von epist. 9, 1 bildet, überhaupt mit dem Brief zusammengehört oder ob hier nicht zwei Briefe über

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IV Sidonius Apollinaris

patribus his iungi non recusauerim, quorum studio, uoto, timori laudabile aliquid in filiis, licet difficile persuadeatur, difficilius sufficit. (epist. 9, 1, 5) Gleichwohl ist dein⁴⁰⁶ Apollinaris, der schon in den übrigen Dingen recht nachlässig ist, in dieser einen Sache aber sicher ganz besonders nachlässig, da er nur sehr wenig vom Lesen begeistert ist, sei es beim erzwungenen oder beim freiwilligen; so erscheint er mir trotzdem, obwohl ich mich nicht dagegen wehre, zu den Vätern gezählt zu werden, die angesichts ihrer Bemühung, ihres Eifers und ihrer Sorge kaum davon überzeugt werden können, an ihren Söhnen sei etwas lobenswert – geschweige denn, dass es ihnen genüge, [scil. sollten sie sehen, dass es etwas Lobenswertes gibt.]

Die Klage über seinen Sohn klingt an dieser Stelle sehr harsch. Vielleicht ist es Cicero, wenn er als Vorlage für diese Stelle betrachtet werden kann, der mit seiner Klage über den Sohn Marcus den Ton vorgegeben hat.⁴⁰⁷ Trotz des Rückgriffs auf eine literarische Vorlage bleibt Sidonius’ Kritik am nachlässigen Verhalten seines Sohnes bestehen. Sie entzündet sich neben anderen Punkten besonders daran, dass Apollinaris sich nicht sonderlich für das Lesen interessiere – selbst wenn man ihn dazu zwinge. Die Begeisterung über das gemeinsame Lesen ist anscheinend der Gleichgültigkeit den Büchern gegenüber gewichen, und die Freude an der Erziehung des Sohnes macht dem Klagen über dessen mangelndes Interesse Platz. Zu beachten ist allerdings, dass dieser Satz den Abschluss eines Briefes bildet, in dem Sidonius unter geschickter Ausnutzung der recusatio-Topik Gründe abwägt, dem Wunsch des Adressaten nachzukommen und ein neuntes Briefbuch zusammenzustellen. Die Kritik am Sohn Apollinaris lässt sich folglich auch als ein weiterer, augenzwinkernd vorgetragener Einwand verstehen: Warum sollte Sidonius ein Buch zusammenstellen, wo doch schon sein Sohn, der die Veröffentlichung eines neunten Briefbuches unterstützt, keine Lust am Lesen habe? Dazu passt auch die Abschwächung der Kritik am Ende des Briefes. Sidonius begründet seine Einlassungen gegenüber Firminus mit der übertriebenen Sorge der Eltern um ihre Söhne. Väter könnten die Leistungen der Kinder, und seien sie noch so groß, nicht angemessen würdigen. Weder schätzten sie die Leistung realistisch ein noch genüge sie ihnen. Die objektiv klingende Kritik wird durch die

eine Lücke in der Handschrift hinweg verbunden wurden (vgl. epist. 1, 4; zum Bruch zwischen § 2 und § 3 Köhler 1995, 175).  Der Gedanke ist folgender: Firminus bittet Sidonius Apollinaris um die Veröffentlichung des neunten Gedichtbuches und wird dabei von Apollinaris unterstützt, der deshalb von seinem Vater als auf der Seite des Adressaten stehend (‚dein Verbündeter, Apollinaris‘) bezeichnet wird.  Dies schlägt beispielsweise Warmington zur Erklärung dieser Stelle vor (Bd. 2, 616): „This is an emotional and sweeping statement such as anyone might make on anyone, though we must not overlook the possibility that Sidonius was so influenced by his predecessor in correspondence Cicero as to write of Apollinaris as Cicero did of his own son.“

2 Die Erziehung von Sidonius’ Sohn Apollinaris

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Einräumung der Möglichkeit einer subjektiv verzerrten Wahrnehmung also abgemildert – und Sidonius hat einen Weg gefunden, dank der Korrektur seines vorschnellen negativen Urteils über Apollinaris seinen Scheineinwand gegen das neunte Briefbuch zu entkräften.

Avitus epist. 51, Ruricius epist. 26 Sidonius’ Sorge um den Sohn zahlt sich jedenfalls aus, wie zeitgenössische Quellen zeigen. Dieser erreicht den Titel eines vir illustris ⁴⁰⁸ und stirbt schließlich sogar als Bischof von Clermont, wenn auch nach nur kurzer Amtszeit.⁴⁰⁹ Auch er verfügt über weitreichende Beziehungen und verkehrt brieflich mit einer Vielzahl von Personen. Briefe von Apollinaris sind zwar nicht erhalten, wohl aber eine Reihe von Briefen an ihn. Zwei wichtige Korrespondenten sind Alcimus Ecdicius Avitus, Bischof von Vienne, und Ruricius, Bischof von Limoges.⁴¹⁰ In epist. 51 bezeugt Avitus, dass Apollinaris sich militärisch ausgezeichnet habe, und konstatiert eine Ähnlichkeit mit dem Vater im Hinblick auf Rhetorik und Freundlichkeit: … vobis favente Christo militari actu magis magisque florentibus … (Alc. Avit. epist. 51, p. 81, l. 1f.) … während ihr durch Christi Gunst im militärischen Bereich mehr und mehr erblüht … Recognovi illic [scil. in epistula vestra], qua satis delectatus sum, manum vestram, quam plus paternam declamationem, quam maxime hereditariam benignitatem. (Alc. Avit. epist. 51, p. 79, l. 31– 33) Ich habe dort [scil. in eurem Brief], der mich sehr erfreut hat, eure Handschrift wiedererkannt, die die vom Vater ererbte Sprachfertigkeit deutlich und die vererbte Güte in besonderem Maße übersteigt.⁴¹¹

Unter den drei Briefen des Ruricius an Apollinaris ist besonders epist. 26 von Interesse. Ruricius hatte eine Zusammenstellung der Briefe des Sidonius erhalten, und seine Freude beim Lesen mischt sich mit der Trauer über den Verlust des

 Alc. Avit. epist. 24 und 36 (illustrissimus).  Greg. Tur. Franc. 3, 2.  Ruricius’ Briefe an Apollinaris: 26, 27 und 41; Avitus’ Briefe an Apollinaris: 24, 36, 51 und 52.  Vgl. auch Shanzer/Wood in der Auswahlübersetzung der Werke des Avitus, mit ihrer Erklärung zur Stelle (S. 343, Anm. 6): „Goelzer, p. 658, takes this as an anomalous formation for plus quam paternam declamationem: ‚your declamation that is more than like your father’s.‘ But he cites no parallels for quam plus instead of plus quam. It may well be a textual error, an Antizipationsfehler, based on quam maxime.“

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IV Sidonius Apollinaris

Freundes. Die Lektüre der Briefe hat in Ruricius sodann den Ehrgeiz geweckt, seinen schriftlichen Ausdruck zu verbessern. Zu diesem Zweck will er sich bei Apollinaris in die Lehre begeben, denn es verdrieße ihn nicht, in seinem Alter noch einmal die ‚Schulbank‘ zu drücken. Jeder müsse schließlich lernen, bevor er lehren könne. … non me pudet in hac aetate nec piget discipuli arripere industriam, dummodo affectatae artis consequar disciplinam. prius enim quilibet debet discere quam docere. (Ruric. epist. 26, 5 f.) … und es beschämt und verdrießt mich auch in meinem Alter nicht, den Fleiß eines Schülers zu ergreifen, sofern ich die Kunst der begehrten Fertigkeit erlerne. Zunächst nämlich muss ein jeder lernen, bevor er lehren kann.

Dieses implizite Lob des Sohnes seines verstorbenen Freundes wird durch ein direktes Lob am Ende des Briefes ergänzt: quem si divina clementia usque ad hoc tempus superesse voluisset, sicut iam tum de vestra imitatione laetabatur, ita nunc de perfectione gauderet, cum spem ad rem cerneret pervenisse, nec sibi invideret aequalem, quem optaverat esse meliorem. (Ruric. epist. 26, 9) Wenn die göttliche Gnade gewollt hätte, dass er heute noch am Leben ist, dann würde er sich nun über die Vollendung freuen, wie er bereits damals über die Nachahmung entzückt war, weil er sähe, dass sich die Hoffnung bewahrheitet hat. Und er würde keinen Neid gegen einen Ebenbürtigen empfinden, von dem er gewünscht hatte, dass er besser sein werde.

Der Vergleich mit dem Vater fällt für Apollinaris positiv aus: Der Sohn sei dem Vater gleichgekommen, seine Stilistik sei vollkommen. Der Schlusssatz des Briefes bezeugt zudem das Bemühen des Sidonius um die Ausbildung seines Sohnes, indem sie die Einführung in die Literatur und die Hoffnung auf Vollendung der Bildung benennt. Sowohl Nachahmung als auch Vollendung des Vaters werden nicht weiter qualifiziert, so dass alle Wesensmerkmale des Sidonius ergänzt werden können; der Kontext des Briefes mit der Bitte um Belehrung in sprachlichen Fragen legt jedoch eine Betonung der stilistischen Vollkommenheit nahe. In dieser Wertschätzung des Apollinaris durch einen Freund des Sidonius beweist sich, dass die Sorge des Vaters um die rechte literarische Bildung, um ethische Erziehung und die gesellschaftliche Integration des Sohnes Erfolg gehabt hat.

Fazit Die Erziehung seines Sohnes liegt Sidonius am Herzen. Über die Grundlagenbildung (Lesen, Schreiben etc.) äußert er sich nicht. Deutlich wird jedoch,

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus

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dass er sich besonders um die literarische Ausbildung seines Sohnes bemüht, wobei er sich auch selbst einbringt. Daneben sucht er nach charakterlichen Vorbildern für seinen Sohn, denen dieser nacheifern könne. Die Eigenschaften, die Potentinus zu einem Vorbild machen, umfassen die praktische Lebensführung ebenso wie das öffentliche Auftreten und das private Verhalten. Dies betont Sidonius auch gegenüber Apollinaris, indem er ihn anhand eines komischen Negativbeispiels auf diese Eigenschaften und Fähigkeiten hinweist. Die kognitive wie charakterliche Erziehung wird schließlich ergänzt um das Bemühen des Sidonius, seinen Sohn in die Gesellschaft einzuführen. Über Geburtstagsfeiern wie über freundschaftliche Verbindung der Familien durch die Söhne soll ein Netz geschaffen werden, in dem der erwachsene (und gut ausgebildete) Apollinaris sich sicher bewegen kann. Dass Apollinaris erfolgreich in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist, belegen die Aussagen von Zeitgenossen.

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus Mit der Korrespondenz zwischen Sidonius Apollinaris und Claudianus Mamertus hat sich ein Briefwechsel zwischen zwei Literaten im weiteren Sinne erhalten. Claudianus Mamertus bekleidete das kirchliche Amt eines antistes und unterstützte seinen Bruder, der Bischof von Vienne war, bei der Ausführung des Amtes. Er stand mit vielen hochstehenden Persönlichkeiten in der Provinz Gallien in Kontakt. Sidonius Apollinaris würdigt ihn als einzigen Briefpartner durch eine Aufnahme eines Briefes in seine Sammlung. Keinem anderen Schreiber war eine solche Aufnahme vergönnt. Dies dürfte wohl auf persönliche Wertschätzung zurückgehen, die sich besonders in der Trauer über den Tod von Claudianus Mamertus fassen lässt (epist. 4, 11), und stellt vielleicht einen Dank für die Widmung von De statu animae dar. Sapaudus ist uns nur als Empfänger zweier Briefe bekannt (Sidon. epist. 5, 10 und Claud. Mam. epist. 2), Schriften von ihm selbst besitzen wir nicht. Sidonius lobt seine Bildung, während Claudianus Mamertus sich eher kritisch an ihn wendet. Mit dem brieflichen Austausch zwischen diesen drei Personen erschließt sich ein Einblick in eine Gruppe, die sich selbst (wenn auch meist unausgesprochen) als Geisteselite versteht. In den Briefen zeigen sich Umgangsformen in diesem Kreis ebenso wie Themen, die diese Personen bewegt haben.

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IV Sidonius Apollinaris

Der Briefwechsel epist. 4, 2 und epist. 4, 3 Für die Frage nach dem zeitgenössischen gallischen Bildungsstand ist epist. 4, 2 weniger von Interesse. Es handelt sich um einen klassischen Freundschaftsbrief, in dem Claudianus Mamertus Sidonius Apollinaris um einen Antwortbrief bittet.⁴¹² Auch wenn der Brief innerhalb der Grenzen seines Genus kunstvoll gestaltet und argumentativ innovativ ist,verrät er wenig über die Bildungsauffassungen des Absenders. Interessant ist er jedoch vor allem deshalb, weil dieser Brief als einziger Brief in die Sammlung des Sidonius eingegangen ist, der nicht von ihm selbst verfasst wurde. Dadurch wird einerseits eine Wertschätzung gegenüber dem Absender ausgedrückt (s. o.); doch fungiert der Brief andererseits zugleich als Formular eines gelungenen Aufforderungsbriefs, da Sidonius seine Antwort unmittelbar folgen lässt. Im Antwortbrief geht Sidonius auf den Vorwurf nur knapp ein, dass er zu selten schreibe und verweist auf seine Angst angesichts des zu befürchtenden Urteils des Freundes: Praeter aequum ista coniectas, si reare mortalium quempiam, cui tamen sermocinari Latialiter cordi est, non pauere, cum in examen aurium tuarum quippe scriptus adducitur. (epist. 4, 3, 1) Du beurteilst die Lage falsch, wenn du meinst, dass nicht jeder Sterbliche Angst bekommt, (jedenfalls derjenige, dem daran gelegen ist, Latein zu sprechen), wenn er – selbst wenn nur in schriftlicher Form – der Prüfung durch deine Ohren zugeführt wird.

Stattdessen folgt eine ausführlich lobende ‚Besprechung‘ von Claudianus Mamertus’ zwei Werken, die dieser Sidonius wohl zugeschickt hatte. Es handelt sich zum einen um das noch erhaltene Werk De statu animae,⁴¹³ zum anderen um nicht mehr erhaltene trochäische Hymnen.⁴¹⁴ Sidonius preist den Freund sowohl für die Wahl des Themas wie auch für die Ausführung, wobei er alle Möglichkeiten nutzt, die die Rhetorik ihm dafür zur Verfügung stellt. Die theologischen Positionen und Implikationen von De statu animae finden hingegen kaum Beachtung.

 Zum Genus der Aufforderungsbriefe vgl. z. B. Koskenniemi, Studien, 67– 69.  epist. 4, 3, 2. Im Vorwort zu dieser Schrift, die „dem höchstgelehrten und besten Manne Sidonius“ (doctissimo et optimo viro Sollio Sidonio, Claud. Mam. anim. praef., p. 18, l. 2 f.) gewidmet ist, drückt Claudianus Mamertus seine enge freundschaftliche Verbundenheit mit Sidonius aus und hebt besonders dessen Bildung hervor.  Iam uero de hymno tuo si percontere quid sentiam, … (‚Wenn du nun aber fragst, wie ich über deinen Hymnus denke, …‘, epist. 4, 3, 8) – es folgt eine knappe lobende Würdigung der metrischen Gewandtheit des Freundes.

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus

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Interessant ist die Liste der Autoritäten, denen Claudianus Mamertus in seinem literarischen Schaffen gleichkommen soll. Genannt werden Orpheus, Äskulap, Archimedes, Euphrates, Perdix, Vitruv, Thales, Atlas, Zetus, Chrysipp, Euklid, Pythagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles, Aischines, Demosthenes, Hortensius, Cethegus, Curio, Fabius, Crassus, Caesar, Cato, Appius, Cicero, Hieronymus, Laktanz, Augustin, Hilarius, Johannes, Basilius, Gregor, Orosius, Rufinus, Eusebius, Eucherius, Paulinus und Ambrosius.⁴¹⁵ Abgesehen von der Fülle der Namen bilden die Autoritäten ein breites Spektrum ab, das sich in drei Bereiche abgrenzen lässt: Die erste Gruppe besteht aus Personen, die für das Fach- oder Weltwissen stehen, also für Wissenschaften wie Musik, Mathematik oder Architektur. Ihre Fachbereiche sind mit den charakteristischen Werkzeugen bezeichnet. Neben dem nötigen Fachwissen besitzt Claudianus Mamertus nach Sidonius aber auch rhetorische Fähigkeiten, die den Leistungen eines Hortensius’, Demosthenes’ oder Ciceros gleichkommen.⁴¹⁶ Diese Fähigkeiten werden mit Verben beschrieben, die teils der rhetorischen Terminologie entnommen sind (diuidit, epist. 4, 3, 6), teils aber auch Sidonius’ eigener Prägung entstammen, darunter besonders die eingängigen Reihen von Verben mit unterschiedlichen Präfixen (z. B. suadet, dissuadet, persuadet, epist. 4, 3, 6). Schließlich zeigt Claudianus Mamertus auch die Fähigkeiten von kirchlichen Autoritäten in seinem Werk, da es Passagen enthält, die an die Ermahnungen eines Basilius oder den Trostzuspruch eines Gregors erinnern. Fragt man nach der Wertigkeit der drei Autoritätengruppen, so ergibt sich aufgrund der Anordnung eine besondere Stellung der christlichen Autoritäten, da sie am Ende der Reihe stehen. Doch kann sich die Anordnung auch chronologisch herleiten, da die meisten aufgeführten Fachwissenschaftler weit vor Christus gelebt haben, während die Personen in der Rednergruppe bis zu Cicero reichen und die christlichen Autoritäten naturgemäß als letzte folgen. Betrachtet man die Anzahl der genannten Namen, werden 11 ‚Wissenschaftler‘, 15 Redner und 13 christliche Autoritäten genannt. Die Zahlen werden kaum zufällig gewählt sein, da die Differenz jeweils genau zwei beträgt. Betrachtet man allein die Zahlen, so überwiegt das Lob der rhetorischen Fähigkeiten, und das Wissen des Autors kommt an letzter Stelle.

 epist. 4, 3, 5 – 7. Einige Überlegungen zur Identifizierung von Caesar und Crassus und zur Deutung ihrer Charaktermerkmale (simulatio, dissimulatio) stellt Hirschberg an (Hirschberg 1992).  Der Sprache des Claudianus Mamertus sind gleich zwei Studien gewidmet: Engelbrecht 1885 und Hårleman 1938. Auch Loyen (1943) beschäftigt sich in Appendix II knapp damit und erkennt in ihr ein Gegenkonzept zu Sidonius’ Sprachgebrauch.

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IV Sidonius Apollinaris

Hinsichtlich der Vergleichspunkte mit den jeweiligen Personen ist ein qualitativer Unterschied zwischen der ersten Gruppe und den beiden folgenden auszumachen: Die Wissenschaftler werden mit ihren Hilfsmitteln charakterisiert (Stab, Lot etc.), Redner und christliche Lehrer durch ihre Handlungen. Die Handlungen der letzten beiden Gruppen unterscheiden sich nur wenig: Für die Redner ist besonders das Vokabular der Rhetorik verwendet, während bei den christlichen Autoritäten verschiedene Tätigkeiten hervorgehoben werden. Eine klare Hierarchisierung der drei Personengruppen lässt sich also nicht ausmachen. Auffällig ist aber, dass der klassische Zweischritt Wissen – Rhetorik (mit höherer Wertschätzung der Rhetorik) mit den christlichen Autoritäten auf drei Gruppen erweitert wird. Weiterhin ist auffällig, dass Sidonius sich hier einer Einordnung enthält, so dass die christliche Seite recht unverbunden neben den beiden klassischen Vergleichsgruppen steht. Auch die zur Charakterisierung hinzugefügten Verben weisen darauf hin, dass Sidonius bei der Aufzählung das Christentum zwar aufnehmen wollte, doch über die spezifische Kategorie des Christlichen unsicher war. Die Reihe der Christen wird thematisch nur dadurch zusammengehalten, dass alle genannten Personen Christen waren.

epist. 4, 11; epist. 5, 2 Epist. 4, 11 ist nicht an Claudianus Mamertus gerichtet, sondern an Petreius. Nach dem Tod des befreundeten Rhetors wendet sich Sidonius nun an dessen Neffen, um seine Eindrücke und Erinnerungen an den Onkel mit ihm zu teilen. Beigefügt ist ein Gedicht von 25 Hendecasyllaben. In drei Abschnitten erinnert Sidonius besonders an die Bildung des Freundes. Sidonius hebt zunächst die Verbindung von Gelehrtheit und Sprachbegabung hervor,⁴¹⁷ die er schon in der Würdigung von dessen Schrift De statu animae in epist. 4, 3, 2 betont hatte. Sein Wissen habe ihn gegenüber seiner (zeitlichen wie räumlichen) Umwelt eindeutig ausgezeichnet. Angit me nimis damnum saeculi mei nuper erepto auunculo tuo Claudiano oculis nostris, ambigo an quempiam deinceps parem conspicaturis. Vir siquidem fuit prouidus, prudens, doctus, eloquens, acer et hominum aeui, loci, populi sui ingeniosissimus quique indesinenter salua religione philosopharetur. (epist. 4, 11, 1) Sehr bedrückt mich der Verlust meines Jahrhunderts, nun, da vor Kurzem dein Onkel Claudianus unseren Augen entzogen wurde, und ich zweifle, ob wir noch einmal jemanden wie ihn sehen werden. Er war ja klug und weise, gelehrt und redegewandt, scharfsinnig und

 doctus, eloquens (epist. 4, 11, 1).

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus

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der geistreichste Mensch seiner Zeit, seines Ortes und seines Volkes, zudem jemand, der ohne Unterlass philosophische Überlegungen anstellte, ohne religiöse Grenzen zu verletzen.

Besondere Bewunderung rief Claudianus Mamertus bei Sidonius allerdings durch die gelehrten Gespräche hervor, die er mit kleineren Gruppen Gleichgesinnter abhielt. Zu diesen Runden fand sich ein Kreis von Freunden zusammen, der ein bestimmtes Thema diskutierte. Dabei ging die Diskussion allerdings nicht völlig durcheinander; vielmehr waren Reihenfolge und Ablauf des Gesprächs genau vorgegeben: Iam si frequentes consederamus, officium audiendi omnibus, uni solum quem forsitan elegissemus deputans ius loquendi, uiritim uicissimque, non tumultuatim nec sine schematis cuiuspiam gestu artificioso doctrinae suae opes erogaturus. 3 dein quaecumque dixisset protinus reluctantium syllogismorum contrarietatibus excipiebamus; sed repellebat omnium nostrum temerarias oppositiones: itaque nihil non perpensum probatumque recipiebatur. (epist. 4, 11, 2 f.) Wenn wir dann zahlreich beisammen saßen, legte er⁴¹⁸ einem jedem die Pflicht zuzuhören auf, einem allein jedoch, den auch wir wohl ausgewählt hätten, gewährte er das Recht zu sprechen. Im Anschluss goss er die Schätze seines eigenen Wissens über uns aus, und zwar über einen jeden von uns der Reihe nach, nicht über alle gleichzeitig, und nicht ohne die kunstvolle Geste nach dem jeweiligen Schema. 3 Dann widersprachen wir dem, was er gesagt hatte, sogleich den gegenteiligen Argumenten; aber er widerlegte die unbedachten Einwendungen von uns allen: So nahm niemand etwas auf, was nicht geprüft und gebilligt worden war.

Aus dieser Form des gelehrten Gesprächs erwuchs bei Sidonius und den anderen regelmäßigen Teilnehmern die Wertschätzung gegenüber Claudianus Mamertus. Das Lernen konnte auch deshalb erfolgreich sein, weil Claudianus Mamertus alle Arten von Fragen zuließ und keine Frage für unangemessen hielt. Neben der Gelehrsamkeit zeichnete sich Claudianus Mamertus zudem durch eine einzigartige Menschlichkeit aus. Obwohl nicht besonders als christlich markiert, zeigen sich hier gerade christliche Tugenden: Sorge um Kleriker und Nichtkleriker, Begleitung Trauernder und praktische Hilfe in Notlagen (epist. 4, 11, 4). Schließlich ist dem Brief noch ein Nachruf in Versform beigefügt, in dem Sidonius in 25 Versen das Wesen und Wirken von Claudianus Mamertus, wie im Brief bereits ausführlicher beschrieben, prägnant zusammenfasst. An erster Stelle steht für Sidonius der Preis der Bildung des Verstorbenen, der eine „dreifache

 Luetjohanns Konjektur von iniungebat ist verzichtbar, wenn deputans (parallel zu reputans) als abhängig vom vorausgehenden Prädikat aperiebat aufgefasst wird.

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Bibliothek“ (triplex bybliotheca, vers. 4) besaß. Mit dieser Bezeichnung fasst Sidonius griechisch- wie lateinischsprachige Schriften, die um den Bereich „Christliches“ erweitert werden. Zwar liegt streng genommen keine Dreigliedrigkeit vor (entweder könnte man profane und christliche oder griechische und lateinische Schriften unterscheiden), doch erscheint Sidonius die Betonung wichtig, dass hier alle drei Bereiche versammelt waren. Weiterhin pflegte Claudianus Mamertus diese Bibliothek nicht nur, er nutzte sie auch rege, so dass Sidonius ihn als einen „Redner, Dialektiker, Dichter, Erklärer,⁴¹⁹ Geometer und Musikkundigen“⁴²⁰ bezeichnen kann, also einen rundum gebildeten Mann. Doch Claudianus Mamertus verstand es ebenfalls, das Wissen nutzbringend anzuwenden; dies ist die Scharnierstelle im Gedicht, die den Übergang in der Darstellung von Weltwissen zu christlicher Lebensführung markiert. Sein solchermaßen ausgebildeter scharfer Verstand ermöglichte es dem Freund, „die uns in Bedrängnis bringenden Fragen zu lösen / und mit dem Schwert des Wortes die Häretiker zu vernichten, / wenn sie den katholischen Glauben herausfordern.“⁴²¹ Das bereits an sich erstrebenswerte Weltwissen wird so zu einer Waffe im Kampf um den rechten Glauben. Dies ist ein argumentativer Fortschritt gegenüber dem Beginn des Briefes, wo Sidonius die Gelehrsamkeit stärker betont und nur kurz auf die Religion zu sprechen kommt. Während dort die salua religio nur unverbunden am Schluss steht und eine (weitere) Betätigung des verstorbenen Freundes darstellt, ist sie am Ende des Gedichtes zu einem Instrument geworden, mag sein, lediglich zu einem Instrument, doch immerhin zu einem kraftvollen, das den Kampf für den wahren und damit heilbringenden Glauben ermöglicht. Epist. 5, 2, 1 (an Nymphidius) richtet das Augenmerk vor allem auf die christliche Seite der Bildung und des literarischen Schaffens des Claudianus Mamertus. Sidonius betont an dieser Stelle, dass der Freund der kundigste christliche Philosoph sei und er die wahre Natur der Musen dargestellt habe: Sie seien keine Frauen, sondern Wissensgebiete (disciplinae).⁴²² Über die Verbindung von Christentum und Philosophie (Neuplatonismus) bei Claudianus Mamertus

 tractator. Amherdt (1999) umschreibt in seinem Kommentar zur Stelle das Bedeutungsspektrum mit „celui qui traite d’une chose littéraire“ und versteht darunter einen „orateur“, „exégète“ oder einfach einen „auteur“.  orator, dialecticus, poeta, / tractator, geometra, musicusque (epist. 4, 11, 6, vers. 8 f.).  doctus soluere vincla quaestionum / et uerbi gladio secare sectas, / si quae catholicam fidem lacessunt (epist. 4, 11, 6, vers. 10 – 12).  Die neun Musen des Claudianus Mamertus sind: Grammatik, Rhetorik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Dialektik, Astronomie, Architektur und Metrik (epist. 5, 2, 1).

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verliert Sidonius allerdings kein Wort;⁴²³ beide Konzepte stehen nebeneinander, und ihr Verhältnis scheint für Sidonius auch keine Klärung zu fordern.

carm. 23 Während im Nachhinein also die gemeinsamen Gesprächsrunden eine Deutung erfahren, die sie als nutzbringend für den christlichen Glauben erweisen, scheinen sie für Sidonius zunächst eine Form des kultivierten gesellschaftlichen Umgangs dargestellt zu haben. Die Schilderung im Briefteil weist nicht auf religiöse Themen und eine auf den praktischen, d. h. theologischen Gebrauch zielende Zusammenkunft hin. Ein ähnliches Bild solcher Treffen entwirft carm. 23. Hier rühmt Sidonius gegenüber Consentius, an den das carmen gerichtet ist, den angenehmen Umgang mit den Freunden: O dulcis domus, o pii penates, quos (res difficilis sibique discors) libertas simul excolit pudorque! o conuiuia, fabulae, libelli, risus, serietas, dicacitates, occursus, comitatus unus idem … (carm. 23, 436 – 441) Geliebtes Haus, ihr treuen Penaten, die (was schwer ist und ein Widerspruch in sich) Freimütigkeit und Anstand gleichermaßen zieren! Ihr Festmähler, Geschichten und Schriften, Lachen, Ernst und Sticheleien, Zusammentreffen, die immer gleiche Gesellschaft …

Es entsteht ebenfalls der Eindruck sich regelmäßig versammelnder Freundeskreise, deren Gespräche sich im Kern auch um geistig anspruchsvolle Themen drehen (serietas) – wobei die Gespräche durchaus gelöst sein können und auch der Spaß seinen Platz hat (risus, dicacitates).

Claudianus Mamertus epist. 2 Der zweite von Claudianus Mamertus überlieferte Brief ist an Sapaudus gerichtet, einen Bekannten, mit dem auch Sidonius korrespondierte (epist. 5, 10). In diesem Brief wird ein Bogen geschlagen vom Anfang des Briefes und den Anfängen der Wissenschaft in Griechenland (p. 203, l. 3) bis zu ihrem drohenden Ende in der Gegenwart Galliens gegen Ende des Briefes (p. 205, l. 19).

 Mit dem Neuplatonismus des Claudianus Mamertus und seinen Quellen beschäftigt sich Bömer 1936.

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Der Zweck des Briefes scheint, wie auch die wenigen Aussagen über den Brief konstatieren,⁴²⁴ zunächst im Lob des Adressaten zu liegen: eadem venerabili professione, laudabili sollertia, acri ingenio, profluente eloquio (es) (epist. p. 204, ll. 19 f.) (du besitzt) den gleichen, Ehrfurcht gebietenden Beruf, lobenswerte Geschicklichkeit, scharfen Verstand, sprudelnde Redegabe

Dieses Lob gipfelt in einem ausführlichen Vergleich der Leistung des Sapaudus mit dem segensreichen Werk der Bienen (p. 205, ll. 7– 19): Wie die Bienen unermüdlich von den höchsten Bergen aus verschiedenen Quellen zur Aufzucht ihrer Jungen Nektar sammelten, so sammle Sapaudus aus den Werken der Autoritäten fleißig Nektar, den er – durch eigene Leistung zu Honig geworden – den Schülern verabreiche, damit auch sie ‚flügge‘ würden. Zuvor wird allerdings die bedenkliche Lage der Wissenschaften im zeitgenössischen Gallien in düsteren Farben gezeichnet: Der Niedergang, der schon zur Zeit der Vorväter eingesetzt habe, sei nun beschleunigt worden. Niemand bemühe sich mehr um geistige Leistung, so dass die Grenze zwischen Mensch und Tier sich auflöse. Seine Meinung bringt Claudianus Mamertus pointiert in folgender Aussage zum Ausdruck: unum illud procul ambiguo dixerim nostro saeculo non ingenia deesse, sed studia. (p. 204, ll. 16 f.) Jenes eine will ich unmissverständlich sagen: dass unserer Zeit nicht die Begabung abgeht, sondern die Anstrengung.

Die Passage mündet darin, dass Claudianus Mamertus beinahe schon ein Epitaph auf die Bildung verfasst hätte, gäbe es nicht die Hoffnung, dass sich die Lage mit Sapaudus’ Wirken ändere. Die Lage stelle sich nämlich als sehr bedrückend dar: Video enim os Romanum non modo neglegentiae, sed pudori esse Romanis, grammaticam uti quandam barbaram barbarismi et soloecismi pugno et calce propelli, dialecticen tamquam Amazonem stricto decertaturam gladio formidari, rhetoricam acsi grandem dominam in angusto non recipi, musicen uero et geometricam atque arithmeticam tres quasi furias despui, posthinc philosophiam [atque] uti quoddam ominosum bestiale numerari. (p. 204, ll. 22– 29). Denn ich sehe, dass die römische Sprache den Römern nicht nur zu umständlich, sondern sogar peinlich ist, dass die Grammatik wie irgendeine Barbarin mit Schlägen und Tritten

 Vgl. z. B. PLRE 2, 976: „addressee of a letter from Claudianus Mamertus, full of praise for his learning and his literary skills.“

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus

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eines Barbarismus und Soloezismus abgewehrt wird, dass die Dialektik gefürchtet wird wie eine Amazone, die mit gezogenem Schwert sich zum Kampf fertig macht, dass die Rhetorik wie eine große Herrin nicht in enger Hütte aufgenommen wird, dass die Musik aber, die Geometrie und die Arithmetik gleichsam als die drei Furien verachtet werden, schließlich, dass die Philosophie für ein unheilkündendes Untier gehalten wird.

Vor diesem Hintergrund scheinen die Verdienste des Empfängers umso bedeutender, wie auch Claudianus Mamertus konstatiert,⁴²⁵ bevor er sie umfassend würdigt. Es entsteht also der Eindruck, als sei Sapaudus der letzte, der den Bildungsverfall in Gallien noch aufhalten könne (unus et solus, p. 205, l. 3), der durch die Trägheit der Menschen um sich greife. Ganz so aussichtslos, wie sich die Sache zunächst präsentiert, kann sie jedoch nicht gewesen sein, da er die Schüler des Sapaudus hervorhebt, die sich durch seine bienengleiche ‚Pflege‘ gut entwickeln könnten. Auf den zweiten Blick muss das Bild aber korrigiert werden. Auch wenn der Brief suggeriert, dass alle Anstrengung von Sapaudus ausgehen müsse, da Claudianus Mamertus sonst nur noch ein Epitaph schreiben könne, ihm selbst also die Kraft fehle, den Lauf der Dinge umzukehren, erscheint der gepriesene Retter doch als jüngerer ‚Schüler‘, der durch seinen Lehrmeister Claudianus Mamertus erst zum Einsatz aller Kräfte bewegt werden muss. Zunächst ist die Aussage wenig schmeichelhaft, dass Sapaudus nur einer unter vielen Kundigen wäre, wenn es mehr Lehrer gäbe. Der Ausdruck non omnium potior, unus ex multis (‚nicht mächtiger als alle, einer unter vielen‘, p. 205, l. 1) stellt nicht unbedingt ein Lob dar. Auch der so überschwängliche Bienenvergleich erscheint in anderem Licht, wenn man den folgenden Satz in die Betrachtung einbezieht: Admonitus quoque sis oportet Viennensis urbis nobilitatis antiquae, cuius tu ciuis et doctor non otio duplex debitum solues, a quo bifariam quaeritur uel patribus respondere uel patriae. (p. 205, 23 – 26) Erinnert seist du notwendigerweise auch an die Altehrwürdigkeit der Stadt Vienne, der du als Bürger und Lehrer nicht durch Faulenzen den doppelten Kredit zurückzahlst, von dem Doppeltes verlangt wird: sich der Vorväter und der Heimatstadt würdig zu erweisen.

Die Vorfahren und die Verpflichtung gegenüber der Heimatstadt werden evoziert, um Sapaudus zum tatkräftigen Handeln zu ermuntern. Der Tonfall dieser Er-

 quod equidem bonum eo admirabilius est mihi quo desperatius fuit. (‚Dieses Gut freilich ist für mich umso bewundernswerter je verlorener es war‘, p. 204, ll. 20 f.).

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mahnungen (modo tu fac memineris; admonitus quoque sis oportet) weist darauf hin, dass Sapaudus wohl mehr Freude am otium hatte als am negotium, weshalb Claudianus Mamertus betont, dass durch otium den Familien- wie Bürgerpflichten nicht Genüge getan werde.⁴²⁶ Weiterhin markiert der Tonfall auch einen Rangunterschied zwischen den beiden Bildungsakteuren. Trotz Claudianus Mamertus’ angeblicher Schwäche ist er derjenige, der Sapaudus in deutlichen Worten ermahnen kann. Dies deutet auf einen Alters- oder Rangunterschied hin, sicher aber auch auf einen Unterschied im Bildungsstand. Dazu passt ebenfalls, dass der Brief in einer Empfehlung endet, welche Autoren zur Lektüre geeignet seien und welche weniger. Es erstaunt dabei nicht, dass Claudianus Mamertus allein die alten Autoren gelten lässt, denn auf sie bezögen sich ja auch alle halbwegs namhaften neueren Autoren. Daher müsse man sie gründlich studieren und auswendig lernen. Natürlich macht Claudianus Mamertus diese Bemerkungen „in aller Freundschaft“ und ist sich ihrer audacia bewusst;⁴²⁷ er verzichtet jedoch nicht darauf. Es zeigt sich also, dass das Bildungsbemühen in Gallien aus Sicht des Claudianus Mamertus ein schwieriges Unterfangen war, zu dem auch eigentlich Gleichgesinnte und Gleichgebildete bisweilen ermuntert werden wollten.

Sidon. epist. 5, 10 Auch Sidonius wendet sich brieflich an Sapaudus. In diesem (im Vergleich mit Claudianus Mamertus deutlich kürzeren) Brief lobt auch er den Rhetor und stellt ihm zugleich den Werdegang des Pragmatius vor Augen. Pragmatius war aufgrund seiner Redegabe von Priscus Valerianus in die Familie aufgenommen worden und wurde in der Folge sein enger Vertrauter und Berater, schließlich sogar sein Schwiegersohn.⁴²⁸

 Einen ähnlichen Ton schlägt Sidonius in epist. 3, 3 an. Er wendet sich an Ecdicius, seinen Schwager und Sohn von Kaiser Avitus, und führt ihm seine Kindheit und sein Wirken für eine lateinische Bildung in der gallischen Provinz vor Augen. Das Schreiben endet in der Aufforderung, vom Hof in die Heimat zurückzukehren. – Zur Rolle und Bewertung von otium und negotium, bes. bei Symmachus, vgl. Roda 1985.  p. 206, l. 7– 9.  Dass in Sidonius’ Bericht der fähigere Schwiegersohn allenfalls Berater von Priscus Valerianus während dessen Präfektur wird, zeigt deutlich, dass die Ämter nicht zwangsläufig nach Eignung vergeben wurden. Diese für die Zeit an sich nicht weiter bemerkenswerte Tatsache nimmt Sidonius auch gar nicht wahr, obwohl sich daraus direkte Konsequenzen für die Bildungsbestrebungen der alten Familien ergeben: Wenn Ämter nicht nach Leistung vergeben werden und es immer fähige Aufsteiger als Berater gibt, wozu dient dann die gründliche Beschäftigung mit den Studien?

3 Ein Dreiecksverhältnis? Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus

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Bei der Aufzählung der Charakteristika, die an Sapaudus zu loben seien, beschränkt sich Sidonius überwiegend auf das Berichten der Urteile anderer. Pragmatius liebe Sapaudus „aufgrund der Liebe zu den Studien“, da in ihm „allein und in besonderem Maße, wie er merkt, die Spuren alter Kunde und Sorgfalt einen Ruheort gefunden haben“.⁴²⁹ Auch bei dem allfälligen Vergleich der rhetorischen Vorbilder greift Sidonius auf Urteile anderer zurück, die er nicht einmal benennt (illi). Jene verglichen ihn mit Palaemon, Gallio, Delphidius, Agroecius, Alcimus, Adelphius, Magnus und Victorius. Auffällig ist dabei, dass es sich nicht um die ‚großen‘ Namen handelt, sondern überwiegend vergleichsweise junge und lokal bedeutende Autoren zum Vergleich herangezogen werden.⁴³⁰ Sidonius’ Urteil fällt dagegen einerseits bescheidener aus, indem er nur zwei Namen nennt: Quintilian und Palladius. Auf der anderen Seite gewinnt seine Aussage dadurch an Gewicht, denn sie nimmt zwei recht bedeutende Autoren als Vergleichspunkte in den Blick. Mit ihnen deckt er zudem die lateinische und  Si quid omnino Pragmatius illustris, hoc inter reliquas animi uirtutes optime facit, quod amore studiorum te singulariter amat, in quo solo uel maxume animum aduertit veteris peritiae diligentiaeque resedisse uestigia. (epist. 5, 10, 1) Wenn der angesehene Pragmatius etwas völlig gut macht, so handelt er neben den übrigen Leistungen seines Geistes besonders gut darin, dass er dich wegen deiner Liebe zu den Studien auf einzigartige Weise liebt; denn er erkennt, dass in dir allein bzw. in höchstem Grade die Spuren alten Wissens und alter Sorgfalt Zuflucht gefunden haben.  Eine sichere Identifizierung Palaemons ist nicht möglich; wahrscheinlich handelt es sich um Q. Remmius Palaemon, der unter Tiberius und Claudius ein (verlorenes) Werk über Grammatik schrieb; Warmington (z. St.) verweist aber auch auf einen hadrianischen Schreiber. Iunius Gallio war ein Bruder Senecas des Jüngeren. Von seinen Schriften hat sich nichts erhalten, aber Quintilian bezeugt eine rhetorische Schrift (Quint. inst. 3, 1, 21), und Hieronymus nennt ihn in einer Reihe mit Cicero und Quintilian (Hier. in Is. lib. 8, praef.). Attius Tiro Delphidius lebte in der Mitte des 4. Jahrhunderts und war u. a. Rhetor in Burdigala (Bordeaux) (Auson. prof. Burd. 5 und 6; Hier. epist. 120 praef.; Hier. chron. p. 239, l. 18 zum Jahr 355). Von Censorius Atticus Agroecius ist nichts weiter bekannt, als dass er in der Mitte des vierten Jahrhunderts in Bordeaux war (Auson. prof. Burd. 15). Alcimus war ein aquitanischer Lehrer der Rhetorik (Hier. chron. p. 239, l. 18 zum Jahr 355; Auson. prof. Burd. 2, 21). Adelphius ist nicht weiter bekannt; weder Loyen noch Warmington gehen weiter auf ihn ein; vgl. PLRE 2, 14: „rhetor of uncertain date“. Magnus ist Adressat eines Briefes von Hieronymus, in dessen Anredezeile er als orator urbis Romae bezeichnet wird (Hier. epist. 70). Loyen identifiziert in einer Anmerkung zur Übersetzung Victorius zwar als Victorius Marcellus, dem Quintilian seine Institutio oratoria widmete, doch ist angesichts der anscheinend chrononologischen Anordnung der Redner eher von einem sonst nicht bekannten gallischen Autor auszugehen (so Warmington in einer Anmerkung zu seiner Übersetzung).

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IV Sidonius Apollinaris

griechische Sprache ab, sofern mit Palladius der Rhetor aus dem vierten Jahrhundert n. Chr. gemeint ist.⁴³¹ Zum Abschluss verweist auch Sidonius auf die geringe Zahl derer, die sich überhaupt für die Bildung interessieren würden.⁴³² Aus diesem Grunde werde Sapaudus auch nichts einzuwenden haben, wenn sich ihm jemand anschließe. Quamquam, quod est gravius, non sit satis ambitus iste fastidium uobis excitaturus, quia pauci studia nunc honorant. (epist. 5, 10, 4) Trotzdem möge diese Bitte [scil. um Aufnahme in deinen Kreis] in dir keinen Widerwillen hervorrufen, weil ja heutzutage nur sehr wenige die Studien in Ehren halten.

Die Betonung der geringen Zahl an Interessenten soll anscheinend mögliche Aversionen des Sapaudus gegenüber einer Beschäftigung als Lehrer ausräumen. Im Gegensatz zum Brief des Claudianus Mamertus erscheint Sapaudus bei Sidonius positiver gezeichnet. Der Hierarchieunterschied ist ebenfalls nicht so deutlich ausgeprägt. Doch durch die Korrektur der rhetorischen Vergleichsautoren, besonders aber durch die Schilderung der Karriere des Pragmatius zeichnet auch Sidonius ein alternatives Bild für den Adressaten. Statt mit gegenwärtigen Autoren vergleicht er ihn mit klassischen (auch Claudianus Mamertus hatte Sapaudus zu einer Ausrichtung auf diese Epoche geraten), und die Schilderung der Verbindung des Pragmatius mit einer alten Familie kann auch als unterschwellige Aufforderung an den Freund zu verstehen sein, sich ebenfalls einen derartigen ‚Patron‘ zu suchen.

Fazit In dem literarischen Dreieck zwischen Sidonius, Claudianus Mamertus und Sapaudus lässt sich eine klare Rollenverteilung erkennen. Sapaudus wird von den beiden Älteren geschätzt und vor allem für sein Bildungsinteresse gelobt. Er bleibt dabei aber der Junior, dem wohlwollende Ratschläge gegeben werden, der aber auch zum Handeln ermuntert werden kann. Ein deutlicher Hierarchieunterschied zwischen Sidonius und Claudianus Mamertus lässt sich nicht ausmachen. Es erscheint in dieser Beziehung tatsächlich so, dass die Kommunikation auf Augenhöhe verläuft – und das, obwohl

 Sohn des Palladios von Methone, der neben Musterreden eine Schrift Περὶ τῶν παρὰ Ῥωμαίοις ἑορτῶν verfasste.  Aussichtslos scheint die Lage aber auch für Sidonius nicht zu sein, denn der Gedanke wird nicht weiter ausgeführt, und mit Pragmatius ist ja zumindest ein weiterer Gelehrter zu nennen.

4 Sidonius’ Rede vom allgemeinen Verfall und die leuchtenden Ausnahmen

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Sidonius als Bischof einen höheren Rang als Claudianus Mamertus bekleidet, der nur antistes ist. Zusammengehalten wird diese Dreiergruppe durch das (unterstellte) Interesse am Fortleben der Wissenschaft und der Rhetorik. Während Sidonius nur darauf hinweist, dass Sapaudus sich Schülern nicht verschließen werde (und damit nicht verschließen soll), da es so wenige seien, beschwört Claudianus Mamertus die Pflicht des Sapaudus, als Lehrer tätig zu sein. Gleichzeitig haben die beiden ‚Seniores‘ anscheinend nur den betrüblichen Stand der Dinge vor Augen, sehen sich aber nicht in der Lage oder in der Pflicht, ihm anders als durch Ermahnungen abzuhelfen. Sidonius äußert sich hier nicht ausführlich zum Thema, und Claudianus Mamertus beschränkt sich auf das Verfassen von Klagen. Auch wenn keine Zeugnisse direkter Kommunikation zwischen Sidonius und Claudianus Mamertus über dieses Thema erhalten sind, so ähneln sich doch beide Schreiben an Sapaudus, was auf gedankliche Übereinstimmung hindeutet. Vielleicht war der Bildungsverfall auch Thema in einer der Gesprächsrunden, an die Sidonius in epist. 4, 11 erinnert. Diese gebildeten Gespräche sind an mindestens zwei Stellen im sidonischen Œuvre geschildert. Bei Claudianus Mamertus traf sich gelegentlich eine gemischte Runde, um über verschiedene Themen zu diskutieren und gleichzeitig belehrt zu werden. In carm. 23 bezeugt Sidonius dies auch für das Haus des Consentius im Rahmen einer kurzen Apostrophe. In der Frage des Verhältnisses von Christentum und klassischem Sprechen über Bildung offenbart Sidonius eine gewisse Unsicherheit. Während im Epitaph auf Claudianus Mamertus die „dreifache Bibliothek“ als Grundlage dafür diente, dass der Freund die Häretiker bekämpfen konnte, steht an anderen Stellen das Christentum etwas verloren als etwas Eigenes neben den klassischen Aufzählungen. Sidonius bemerkt, dass er auf Gedanken und Schriften sui generis anspielt, vermag ihnen aber noch nicht sicher einen klaren Ort zuzuweisen.

4 Sidonius’ Rede vom allgemeinen Verfall und die leuchtenden Ausnahmen In der Forschung zu Sidonius wird gelegentlich auf dessen negative Einschätzung des allgemeinen Bildungsstandes und der literarischen Kultur hingewiesen. Dem gegenüber stehen Aussagen, die ein anderes Bild evozieren: Viele Empfänger der Briefe werden als hochgebildet bezeichnet und als bemüht um die Aufrechterhaltung der lateinischen Kultur. Wie passen diese Aussagen zusammen?

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Um den scheinbaren Widerspruch dieser Beobachtungen zu lösen, sollen zunächst Aussagen zusammengestellt werden, aus denen Sidonius’ negative Beurteilung der Bildungslage im zeitgenössischen Gallien deutlich wird. Dabei muss auf die beschriebenen Aspekte des Verfalls ebenso eingegangen werden wie auf die Kontexte, in denen diese Aussagen stehen. Gleichermaßen müssen sodann die Stellen, an denen der Empfänger von Sidonius gelobt wird, daraufhin untersucht werden, welche Aspekte hervorgehoben werden und in welchem Kontext die Aussagen zu verorten sind. Schließlich werden Aussagen vorgestellt, in denen sich Sidonius über Ursachen für den Verfall äußert.

Implizite Aussagen über den Verfall (epist. 5, 10; 9, 7; 9, 9; 1, 9) Bei genauerer Lektüre der Briefe des Sidonius fällt auf, dass nur eine Handvoll Stellen das Thema ‚Verfall der Bildung und Kultur‘ behandeln. Nur ein einziger der 147 Briefe (epist. 8, 2) ist allein diesem Thema gewidmet. In der Regel sind es einzelne Sätze, z. T. auch nur Teilsätze, die das Thema bezeichnen. Ein klassisches Beispiel für den Verfall der Bildung findet sich in epist. 5, 10, die an Sapaudus gerichtet ist. Nach dem Lob des Pragmatius⁴³³ und des Adressaten endet der Brief in der pessimistischen Aussage: Quamquam, quod est gravius, non sit satis ambitus iste fastidium uobis excitaturus, quia pauci studia nunc honorant, simul et naturali uitio fixum est radicatumque pectoribus humanis, ut qui non intelligunt artes non mirentur artifices. (epist. 5, 10, 4). Trotzdem – was schwerer wiegt – soll dieses Streben (von dir aufgenommen zu werden) bei dir nicht allzu viel Hochmut erregen, weil heutzutage nur sehr wenige die Studien in Ehren halten; zugleich ist es aufgrund eines Fehlers der Natur im Herzen des Menschen verankert und verwurzelt, dass, wer die Künste nicht versteht, auch den Künstler nicht bewundert.

Zudem sei Sapaudus der Einzige (solus), der die alten Studien noch beherrsche (epist. 5, 10, 1). Remigius gegenüber erklärt Sidonius in epist. 9, 7, dass unter den Zeitgenossen kaum Werke wie die Deklamationen des Adressaten entstehen könnten. Nur noch wenige seien in der Lage, ein Werk zu verfassen, das sprachlich, inhaltlich und logisch mit diesem verglichen werden könne. Darin seien sich alle einig: Omnium assensu pronuntiatum pauca nunc posse similia dictari. Etenim rarus aut nullus est, cui meditaturo par affatim assistat dispositio per causas, positio per litteras, compositio per syllabas, ad hoc opportunitas in exemplis, fides in testimoniis, proprietas in epithetis,

 Dazu vgl. auch oben S. 180 – 182.

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urbanitas in figuris, uirtus in argumentis, pondus in sensibus, flumen in uerbis, fulmen in clausulis. (epist. 9, 7, 2) Nach der Übereinstimmung aller ist das öffentliche Urteil, dass heutzutage kaum etwas Ähnliches diktiert werden kann. Denn es gibt kaum einen oder überhaupt keinen, dem, wenn er etwas ersinnen will, eine hinreichend ähnliche Fähigkeit zur Gliederung nach Argumenten zu Gebote steht, zum Setzen der Wörter, zur Komposition nach (Klingen der) Silben; dazu eine glückliche Auswahl der Beispiele und Zuverlässigkeit in den Quellen, Angemessenheit in den Epitheta und Meisterschaft bei den Stilmitteln, Kraft in den Argumenten und Gewicht in den Gedanken, breites Strömen in der Rede und Glanz in den Klauseln.

Ähnlich stellt sich die Lage in epist. 9, 9 dar, die an Bischof Faustus (von Riez) gerichtet ist. Der Brief mündet in der Aussage, niemand vermöge heutzutage Gleiches zu erreichen, nämlich Gelehrsamkeit, Glaube und sprachliche Meisterschaft zu verbinden: Sed hoc temporibus istis sub tuae tantum uel contemplatione conscientiae vel uirtute doctrinae. Nam quis aequali uestigia tua gressu sequatur, cui datum est soli loqui melius quam didiceris, uiuere melius quam loquaris? (epist. 9, 9, 16) Aber in diesen Zeiten vermag dies nur zu geschehen durch die Erwägungen allein deines Gewissens und die Stärke allein deiner Gelehrsamkeit. Denn wer vermöchte wohl in ähnlichem Schritt deiner Spur zu folgen, dem es als Einzigem gegeben ist, besser zu sprechen als du gelernt hast, und besser zu leben als du sprichst?

Auch über Paulus heißt es in einem Brief an Heronius (epist. 1, 9): Porro non isto quisquam uiro est in omni artium genere praestantior. (epist. 1, 9 1) Weiterhin gibt es niemanden, der in jedem Gebiet der Künste bedeutender wäre als dieser Mann.

Die Parallelen zwischen den vier vorgestellten Stellen sind offensichtlich: Die vier Personen haben in der öffentlichen Demonstration ihrer Bildung (Reden, Publikation) Großartiges geleistet und gehören zu den wenigen, die zu solchen Leistungen überhaupt noch fähig sind. Der einzige Unterschied in dieser Würdigung der Adressaten liegt in der Zahl derer, die etwas Vergleichbares zustande bringen könnten: Waren es bei Sapaudus wenige, so kann sich Sidonius bei Faustus, Remigius und Paulus kaum einen oder gar niemanden vorstellen, der zu einer ähnlichen Leistung fähig wäre. Nimmt man die Aussage unbedacht für bare Münze, muss es um die gallische Literatur und die Kultur des fünften Jahrhunderts schlecht bestellt gewesen sein. Zwei Aspekte sollten allerdings stutzig machen:

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1. Wenn Sapaudus der Einzige ist, der die alte Bildung noch beherrscht und hochhält, außer Remigius niemand (oder nur Einzelne) gefunden werden kann, der Gleiches vollbringen kann, und Faustus niemand an die Seite gestellt werden kann, der wie er gebildet zu schreiben vermag, sowie Paulus unübertroffen ist, dann gibt es bereits vier leuchtende Sonnen in Galliens Literatenwelt. Dabei liegen die Bereiche, für die die vier Personen gelobt werden, zwar in den zitierten Passagen jeweils leicht anders (Lob für die Bildung hier, Lob für eine Publikation dort), doch reihen sie sich alle ein in den Komplex ‚Bildung und Sprache‘. Somit ist zumindest die extreme Zuspitzung, dass es nur eine Handvoll Literaten gebe, hinfällig; es handelt sich um nicht mehr als einen Topos. Unterstellt man, dass Sidonius nur diese vier als wirklich exzellente Spitzenautoren bezeichnen will, dann ist die Aussage wiederum nicht weiter auffällig: Schöpfer großer Literatur gab es in allen Zeiten nur wenige – da erscheint die Zahl von vier Personen in Südgallien im fünften Jahrhundert sogar eher groß.⁴³⁴ 2. Nimmt man die unmittelbaren Kontexte hinzu, in denen diese Aussagen stehen, so nivelliert sich zum einen die zunächst unterschiedliche Akzentuierung der Leistung der vier Personen. Ihre herausgehobene Bedeutung wird in den Abschnitten davor oder danach auch für andere Gebiete aufgezeigt, wodurch am Ende das Gesamtbild bei allen jeweils recht ähnlich aussieht. Zum anderen aber ist der unmittelbare Kontext in allen vier Fällen der gleiche: In den Briefen drückt Sidonius seine Wertschätzung gegenüber dem Adressaten durch ein umfassendes Lob der Person oder/und des jüngsten Werkes aus. Das Lob der Fähigkeiten nimmt dabei (wie in vielen anderen Briefen ebenfalls) einen großen Teil ein, an dessen Ende dann die Aussage zur Einzigartigkeit der Leistung des Adressaten fällt. Daher erscheint es so, als ob die Betonung der allgemein schlechten Bildungslage ein literarischer Kniff sei, die Verdienste des Adressaten besonders zu betonen. Es scheint also so zu sein, dass die ‚Einzigartigkeit‘ eher als lobendes Epitheton der Adressaten zu betrachten ist denn als Aussage über einen allgemeinen Bildungsverfall in Gallien, dem sich nur diese vier Personen widersetzen können.

 Dies gilt noch stärker, wenn man den Literaten noch die anderweitig Gebildeten an die Seite stellt: Nicetius ist einer der besten Gelehrten (studiorum omnium caput est litterarumque, epist. 8, 6, 4); Gleiches gilt für Claudianus Mamertus (siehe voriges Kapitel). Bei genauerem Hinsehen wächst also der Kreis der „wenigen Gebildeten/Literaten“ bei Sidonius durchaus.

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Gründe für den Verfall (epist. 8, 6; 8, 2; 4, 17; 2, 10) Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass Sidonius nicht von einem Verfall im engeren Sinne des Wortes spricht oder ein solcher nicht stattgefunden habe.⁴³⁵ Dem stehen andere Aussagen im sidonischen Œuvre entgegen. In drei Briefen geht Sidonius auch auf Gründe für den Niedergang ein, allerdings ohne dabei eine kohärente Theorie aufzustellen. Im Vergleich mit vorigen Zeiten sieht Sidonius seine Gegenwart als in allen Bereichen schlechter an (epist. 8, 6, 3). Ist der Verfallsgedanke nichts Außergewöhnliches – er findet sich bereits in der klassischen Zeit⁴³⁶ –, so ist es doch die Begründung:  Die einzige zuversichtliche Äußerung über den Bildungszustand in Gallien findet sich bei Sidonius in epist. 2, 10, 1: Nam cum uidemus in huiusmodi disciplinam iuniorum ingenia succrescere … (‚Denn wenn wir sehen, dass die Anlagen der jüngeren Generation in diesem Bereich sich gut entwickeln …‘).  Ein klassisches Beispiel stellt die Passage aus der Vorrede zur ersten Kontroversie des älteren Seneca dar. Für ihn sind drei Theorien für den Verfall denkbar: der lähmende Luxus, die mangelnde Belohnung und ein Naturgesetz. Der Text lautet: Deinde, ut possitis aestimare, in quantum cotidie ingenia decrescant et nescio qua iniquitate naturae eloquentia se retro tulerit. quidquid Romana facundia habet, quod insolenti Graeciae aut opponat aut praeferat, circa Ciceronem effloruit; omnia ingenia, quae lucem studiis nostris attulerunt, tunc nata sunt. In deterius deinde cotidie data res est sive luxu temporum – nihil enim tam mortiferum ingeniis quam luxuria est – sive, cum pretium pulcherrimae rei cecidisset, translatum est omne certamen ad turpia multo honore quaestuque vigentia, sive fato quodam, cuius maligna perpetuaque in rebus omnibus lex est, ut ad summum perducta rursus ad infimum velocius quidem quam ascenderant relabantur. (Sen. contr. 1, praef. 6 f.) Damit ihr schließlich ermessen könnt, wie sehr täglich die Begabungen nachlassen und die Beredsamkeit durch irgendeine ungünstige Anlage der Natur sich zurückgezogen hat: Was auch immer die römische Beredsamkeit besitzt, das sie dem überheblichen Griechenland entgegenhalten oder zur Schau tragen kann, erblühte zur Zeit Ciceros; alle Geistesgrößen, die unseren Studien Licht brachten, sind zu dieser Zeit geboren worden. Seitdem ist die Sache im Verfall begriffen, sei es aus der Verschwendungssucht unserer Zeit – denn nichts ist so tödlich für geistige Arbeit wie Luxus – sei es, dass, weil der Lohn für diese so schöne Sache verfallen ist, jeglicher Wetteifer übergegangen ist zu den schändlichen Dingen, die durch viele Möglichkeiten, Ehren und Geld zu verdienen, florieren, sei es durch irgendeine Notwendigkeit, deren bösartiges und ewiges Gesetz in allen Dingen es ist, dass, was zur Vollendung gebracht wurde, wieder in die Bedeutungslosigkeit abgleitet, und zwar schneller, als es zuvor hinaufgestiegen war. Heldmann arbeitet zwei Grundformen des antiken Verfallsdenkens heraus, die er unter den Überschriften „Naturgesetze als Modelle der Kulturentstehung“ und „Niedergangsgefühl und moralischer Verfall“ weiter ausdifferenziert (Heldmann 1982, 60 – 97). Bracher (1987) streift das Thema des Bildungsverfalls nur, um im Hauptteil seiner Studie auf Theorien zum politischen Denken von Verfall und Fortschritt einzugehen.

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Namque uirtutes artium istarum saeculis potius priscis saeculorum rector ingenuit, quae per aetatem mundi iam senescentis lassatis ueluti seminibus emedullatae parum aliquid hoc tempore in quibuscumque, atque id in paucis, mirandum ac memorabile ostentant. (epist. 8, 6, 3). Denn diese Künste in ihrer vollen Kraft pflanzte der Gebieter über die Zeit lieber den vergangenen Zeiten ein; durch das Alter der schon vergreisenden Welt – erschöpften Samen gleich – ausgezehrt, lassen sie in unserer Zeit kaum etwas Bewundernswertes und Erinnernswertes bei irgendjemandem erkennen, und wenn, dann nur bei ganz wenigen.

Das Wissen um die Künste und die Befähigung zu ihrer Ausübung seien in vorigen Jahrhunderten gegeben worden; nun befinde sich die Welt, und damit auch die Künste, am Lebensende. Alle Kräfte seien erschöpft, so dass nun nichts Bedeutendes mehr hervorgebracht werden könne. Auffällig ist, dass die Menschen und ihr Einsatz und Vermögen bei dem Gedanken keine Rolle spielen: Weder sind sie schuld, dass nichts mehr geschaffen werden könne (die den Künsten innewohnende Kraft sei erschöpft), noch haben die Menschen die Künste überhaupt geschaffen: Sie wurden ihnen von einem rector saeculorum gegeben, den Sidonius nicht näher bestimmt. Vielleicht denkt er an eine klassische Inspirationsgottheit, die er nicht benennen will, vielleicht aber auch an den christlichen Gott, der aufgrund der Unbestimmtheit der Bezeichnung auch für Nicht-Christen anschlussfähig bleibt bzw. dem so ein nachlassendes Interesse um die Künste und die Welt an sich nicht offensichtlich unterstellt wird.⁴³⁷ Sehr stark vom Menschen geht hingegen die Argumentation in epist. 8, 2 aus. Der Lehrer Johannes (von dem sonst nichts weiter bekannt ist) wird von Sidonius für seinen Einsatz um den Erhalt, eher noch die Wiederbelebung der lateinischen Sprache, überschwänglich gelobt. Es sei ihm zu verdanken, dass in Gallien noch Latein gesprochen werde, da zwar die römische Armee unterlegen sei (naufragium pertulerunt, § 1), nicht aber auch die lateinische Bildung und Sprache (portum tenuerunt). Dies stelle jedoch nur einen Aufschub (differre), nicht aber die Rettung

Die Verfallstheorie des Lukrez am Ende des zweiten Buches (Lucr. 2, 1144– 1174) hat zwar nicht die Bildung zum Thema, sondern den allgemeinen Verfall. Hier ist das Argument jedoch identisch mit dem bei Sidonius an dieser Stelle geäußerten, denn auch für Lukrez ist die Welt alt und schwach geworden: omnia … spatio aetatis defessa vetusto (‚Alles … ist aufgrund seines hohen Alters ermattet‘, Lucr. 2, 1173 f.).  Die zwei sprachlichen Parallelen aus der antiken lateinischen Literatur tragen wenig zum Verständnis bei: Bei Manilius findet sich die Aussage zu Erigone, sie habe ‚über frühe Zeitalter geherrscht‘ (rexit saecula prisa, Manil. 4, 542), was für diese Stelle nichts einbringt. Ambrosius verwendet den Ausdruck saeculi rector (virg. 1, 4, 19) unter Rückgriff auf Eph. 6, 12 (mundi rectores), Joh. 12, 31 und Joh. 16, 11 (jeweils princeps mundi) als Synonym für den Teufel (diabolus).

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dar. Die Römer seien zwar unterlegen, könnten nun aber in der Bildung ihre Identität aufrechterhalten (natalium uetustorum signa retinebunt, § 2). Zudem sei die Bildung das einzige Distinktionskriterium der Oberschicht geworden (solum erit posthac nobilitatis indicium litteras nosse), da mit den neuen Herrschern auch die alten Ämter (gradus dignitatum) ausgefallen seien. Der Brief endet mit einem Augenzwinkern, wohl um den Ernst des Briefes etwas abzufedern: Sidonius dankt Johannes dafür, dass er seine Schüler das Lesen lehre, denn nur so könne sichergestellt werden, dass es genügend Leser für seine Briefe gebe (competens lectorum turba, § 3). Die Lage für die Bildung in Gallien wird in diesem Brief also vornehmlich deshalb als schlimm empfunden, weil Barbaren (die hier nicht so genannt werden) die Herrschaft übernommen haben und eine Bedrohung für die lateinische Sprache und romanische Kultur darstellen. Die Schule bzw. der Lehrer hat hier für Sidonius eine doppelte Funktion. Sein Unterricht stellt zum einen sicher, dass die lateinische Sprache weiter fortlebt und damit ein Stück Identität erhalten bleibt in einem Reich, das von einem anderssprachigen Volk geführt wird.⁴³⁸ Zum anderen ist es aber auch die Bildung, die als Mittel der Abgrenzung gegenüber anderen sozialen wie ethnischen Gruppen dient. Da eine Karriere im Reich als Auszeichnung für besondere Fähigkeiten (aber auch für die adlige Herkunft) nicht mehr möglich ist, sieht Sidonius die Gefahr einer grundlegenden gesellschaftlichen Umwälzung, bei der die Standesunterschiede in Gefahr geraten würden. Nur Bildung könne hier Abhilfe schaffen und die Grenzen aufrechterhalten. Noch schlimmer verhält es sich in den nordöstlichen Gebieten Galliens. Gegenüber Arbogast, einem fränkischen Adligen, beklagt sich Sidonius darüber, dass der Glanz der lateinischen Sprache in belgischen und rheinischen Landen erloschen sei und, sofern überhaupt noch irgendwo vorhanden, nur in Arbogast weiterlebe.⁴³⁹ Quocirca sermonis pompa Romani, si qua adhuc uspiam est, Belgicis olim siue Rhenanis abolita terris in te resedit, quo uel incolumi uel perorante, etsi apud limitem ipsum Latina iura ceciderunt, uerba non titubant. Quapropter alternum salue rependens granditer laetor

 Versteht man den Ausdruck „lateinische Sprache“, der auch bei Sidonius mehrfach so erscheint, als Synonym für „lateinische Hochsprache“, so verschiebt sich der Fokus: Statt einer allgemeinen Angst vor dem Niedergang der eigenen Sprache und in der Folge der eigenen Identität würde sich Sidonius stärker um die Aufrechterhaltung von Standesgrenzen sorgen, die sich auch in der Wahl der Sprachebene manifestieren. Mit dem Rückgang der Verwendung der Hochsprache schwände ihr Prestige und entfiele ein Distinktionskriterium der (gebildeten) Oberschicht.  Vgl. für diesen Brief auch unten S. 218.

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saltim in inlustri pectore tuo uanescentium litterarum remansisse uestigia, quae si frequenti lectione continuas, experiere per dies, quanto antecellunt beluis homines, tanto anteferri rusticis institutos. (epist. 4, 17, 2) Deshalb blieb der Prunk der lateinischen Sprache, wenn überhaupt noch vorhanden, nachdem er schon vor geraumer Zeit in den belgischen und rheinischen Gebieten vernichtet wurde, in dir zurück; auch wenn selbst bei den Grenzen das lateinische Gesetz gefallen ist, straucheln die Worte nicht dank dir, denn du bist rührig und sprichst weiterhin öffentlich. Wenn ich deinen Gruß meinerseits erwidere, freue ich mich also sehr, dass Spuren der verblassenden Wissenschaften wenigstens in deiner ruhmreichen Brust übrig geblieben sind. Wenn du sie durch häufige Lektüre fortführst, wirst du jeden Tag erfahren, dass, wie die Menschen die Tiere übertreffen, so auch die Gebildeten die Ungebildeten überragen.

Die Einschätzung, dass nur noch Spuren der lateinischen Sprache vorhanden seien, findet sich in beiden Briefen. Ebenso erscheint die Gegenüberstellung von Gebildeten und Ungebildeten erneut, jedoch hier in pointierter Form: Der Unterschied von Gebildeten und Ungebildeten wird verglichen mit der Unterscheidung von Mensch und (wildem) Tier. Besserung sei dort nicht in Sicht, wo auch die römische Kultur (hier zusammengefasst im römischen Recht) untergegangen sei.⁴⁴⁰ Doch stehe es schlecht um sie, wenn es nur wenige Interessierte an dieser Bildung gebe, wie epist. 2, 10 beklagt. Dort ist die Rede davon, dass die lateinische Sprache in Gefahr sei auszusterben, weil die Masse der Menschen sich nicht für ihre Pflege interessiere – aus Faulheit (desidiosi). Die Verwendung des Verbs increbruit mit Blick auf die Masse der Faulen zeigt an, dass sich die Situation in jüngster Zeit verändert hat und zuvor ein größerer Teil der Menschen durchaus einem Interesse an Bildung nachging. Für die (nun barbarischen) Teile Galliens stellt sich die Situation so dar, dass aufgrund der veränderten Herrschaftsverhältnisse die römische Kultur zurückgedrängt wird und die lateinische Sprache an Bedeutung verliert.

Strategien der ‚Bildungsförderung‘ Angesichts dieser (von Sidonius als bedrohlich empfundenen) Lage wird Sidonius nicht müde, seinen Briefpartnern erstens das Lesen schmackhaft zu machen und sie für das Studium der Literatur zu gewinnen. Als zweites Mittel im Zuge der ‚Literaturförderung‘ findet sich bei Sidonius das Lob derjenigen, die tatsächlich  Dass auch die Westgoten und später die Burgunder kodifiziertes Recht kannten, das sich z. T. stark an das römische Recht anlehnte oder gar aus ihm entwickelt wurde (vgl. Codex Euricianus, um 475; sowie später Lex Breviarium Alarici, vor 506; Burgundionum, vor 516), weiß Sidonius nicht oder übergeht es stillschweigend.

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eine gewisse Kultur besitzen und die literarische Betätigung pflegen. Drittens zeigt Sidonius implizit durch die Schilderung von erfolgreichen Karrieren aufgrund von Bildung ihren praktischen Wert auf.

Leseförderung Ein (etwas ungewöhnliches) Beispiel für die Aufforderung zum Lesen findet sich in epist. 2, 10. Sidonius wendet sich an Hesperius, lobt dessen Fleiß und ermahnt ihn am Ende des Briefes: tu modo fac memineris multiplicato me faenore remunerandum, quoque id facilius possis voluptuosiusque, opus est ut sine dissimulatione lectites, sine fine lecturias; neque patiaris ut te ab hoc proposito propediem coniunx domum feliciter ducenda deflectat, sisque oppido meminens quod olim Marcia Hortensio, Terentia Tullio, Calpurnia Plinio, Pudentilla Apuleio, Rusticiana Symmacho legentibus meditantibusque candelas et candelabra tenuerunt. 6 … Proinde liquido claret studentibus discendi per nuptias occasionem tribui, desidibus excusationem. (epist. 2, 10, 5 f.) Denke du nur daran, dass du mir (das beiliegende Gedicht) mit Zinseszins zurückzahlen musst. Damit dir dies leichter und lieber von der Hand geht, ist es unumgänglich, dass du ohne Nachlässigkeit liest und ohne Ende lesen willst. Und dulde nicht, dass dich dann deine Frau, die du erfolgreich heimführen willst, von diesem Vorhaben abbringt. Behalte fest im Gedächtnis, dass einst Marcia für Hortensius, Terentia für Tullius, Calpurnia für Plinius, Pudentilla für Apuleius und Rusticiana für Symmachus beim Lesen und Nachdenken die Kerzen und Kerzenleuchter gehalten haben. 6 … Daher liegt es glasklar auf der Hand, dass den Eifrigen durch die Hochzeit eine Gelegenheit zu lernen zuwächst, den Faulen eine Ausrede, es nicht zu tun.

Hesperius hatte um die Übersendung eines Gedichtes gebeten; doch zusammen mit dem Gedicht erhält er die Aufforderung, zur Vorbereitung eines Antwortgedichtes ausreichend zu lesen. Bei dieser Aufgabe dürfe eine Ehe nicht als Ausrede für Faulheit dienen, sondern könne im Gegenteil noch für einen größeren Ertrag beim Lesen genutzt werden. Sidonius verknüpft in diesem Fall also die Gratulation zur Hochzeit, die in dem gewünschten Begleitgedicht ausgedrückt wird, mit der Aufforderung zur eifrigen Lektüre. Durch historische Exempla versucht er dem Bräutigam die Pflicht schmackhaft zu machen und ködert ihn gewissermaßen mit dem schmeichelhaften Vergleich mit Hortensius, Cicero oder Symmachus.

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Bildungslob Da Passagen des Lobs recht häufig sind, sollen nur zwei repräsentative Briefe herangezogen werden. Im Anschluss werden einige summarische Überlegungen zum Ideal des gebildeten Adressaten bei Sidonius vorgestellt. Prototypisch ist das Lob, das in epist. 4, 1 ausgedrückt wird. Der Brief ist an Probus gerichtet, dem auch in carm. 24, 94 ein treffendes Urteil in literarischen Fragen bescheinigt wird.⁴⁴¹ Zunächst (epist. 4, 1, 1) betont Sidonius die Nähe⁴⁴² zwischen sich und Probus, die zum einen aus der familiären Verwandtschaft (fraternitas) herrühre, zum anderen aber in der Gleichheit der intellektuellen Interessen (parilitas studiorum) begründet liege. Diese äußere sich besonders im gleichen literarischen Geschmack: Immer stimme man überein, sogar wenn es um die Beurteilung einzelner Wendungen gehe. Sodann (epist. 4, 1, 2) erinnert Sidonius an die gemeinsame Schulzeit,während deren es der Freund gewesen sei, der ihm (und den anderen ‚Klassenkameraden‘) die Leistungen der zu lesenden Autoren vermittelt habe. Dabei habe er es vermocht, das Eigentümliche einer jeden Gattung der lateinischen Literatur herauszustellen, was sich sogar auf die Grammatiker und Juristen erstreckt habe. Das Lehren habe Probus dabei viel Freude gemacht, während Sidonius seinerseits mit Begeisterung gelernt habe. Weiterhin (epist. 4, 1, 3) habe Probus in den ‚Unterricht‘ seine frisch gelernten Kenntnisse in der Philosophie bzw. Dialektik eingebracht.Während er selbst noch seinen Lehrer Eusebius besucht habe, habe er die Sachverhalte so treffend wiederzugeben vermocht, dass selbst Eusebius nichts daran auszusetzen gehabt habe. Dieses Wissen erscheint Sidonius so wertvoll, dass er der Auffassung ist, sogar die Barbaren könnten dadurch zu kultivierten Menschen werden. Zum Abschluss (epist. 4, 1, 5) betont Sidonius den Wert der gemeinsamen Freundschaft und verspricht, sie bis zum Tode in Ehren zu halten. Neben den historisch-biographischen Aussagen⁴⁴³ zeigt der Brief auch Kriterien für Freundschaft bzw. Bildung auf. Als gebildet sieht Sidonius den Freund

 admitti faciet Probus probatum (‚Probus wird dafür sorgen, dass du [scil. das Buch] gutgeheißen und (in die Bibliothek) aufgenommen wirst‘). Zu carm. 24 vgl. die Monographie von Santelia, die Übersetzung und Kommentar bietet (Santelia 2002a).  Sidonius benutzt an dieser Stelle zwei verschiedene Wörter für ‚Nähe‘ bzw. ‚Verbindung‘. Den familiären Aspekt bezeichnet er als necessitudo, den geistigen Aspekt als nexus. Ausgehend von der (zumindest klanglichen) Verwandtschaft der beiden Wörter differenziert Sidonius die Beziehungsebenen, indem er der naturgegebenen Nähe zwischen sich und Probus eine kognitive Dimension beilegt.  Sidonius wurde zusammen mit mehreren weiteren Jungen ausgebildet; der Unterricht war relativ frei, so dass auch ein älterer Mitschüler substanziell dazu beitragen konnte; Dialektik wurde von anderen Lehrern unterrichtet; etc.

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an, weil er die Besonderheiten der lateinischen Literatur- und Fachsprache kennt und zudem philosophisch (d. h. dialektisch) ausgebildet wurde. Dadurch verliere der Mensch seine Ecken und Kanten, wie Sidonius gleich zweifach behauptet: Er selbst sei noch roh und unfertig gewesen … cum ille adhuc aetatulam nostram mobilem, teneram, crudam modo castigatoria seueritate decoqueret, modo mandatorum salubritate condiret … (epist. 4, 1, 3) … während jener unser noch biegsames, zartes, rohes junges Alter bald mit strafender Härte gar kochte, bald mit heilsamen Befehlen verfeinerte, …

und die Philosophie vermöge es, den Menschen, ja sogar die rohesten Barbaren zu kultivieren:⁴⁴⁴ At qualium, deus bone, quamque pretiosorum, quae si quis deportaret philosophaturus aut ad paludicolas Sygambros aut ad Caucasigenas Alanos aut ad equimulgas Gelonos, bestialium rigidarumque nationum corda cornea fibraeque glaciales procul dubio emollirentur egelidarentur neque illorum ferociam stoliditatemque, quae secundum beluas ineptit, brutescit, accenditur, rideremus, contemneremus, pertimesceremus. (epist. 4, 1, 4) Guter Gott, was für Lehren waren das, und wie wertvolle! Wenn jemand diese zu den sumpfbewohnenden Sygambrern oder den kaukasusgeborenen Alanen oder den pferdemelkenden Gelonen brächte, um bei ihnen Philosophie zu betreiben, würden die verhornten Herzen zweifelsohne wieder weich werden und ihr eisiges Fleisch wieder auftauen, und wir würden ihre Rohheit und Tölpelhaftigkeit, die sie nach Art von Tieren dumm daherreden lässt, unvernünftig und leicht erregbar macht, nicht mehr belachen, verachten und fürchten.

Aufgrund der Bildung des Freundes, verstärkt durch dessen Begeisterung an der Weitergabe seines Wissens an den jungen Sidonius, entsteht in Sidonius eine Zuneigung, die in die lebenslange Freundschaft mündet, deren Ausdruck und Versprechen epist. 4, 1 darstellt. Dass Bildung und Freundschaft eng zusammengehören, zeigt auch das Beispiel des Potentinus (epist. 5, 11, 1), das bereits zitiert worden ist:⁴⁴⁵ Est enim consuetudinis meae, ut eligam ante, post diligam. Es ist nämlich meine Gewohnheit, erst mit dem Kopf auszuwählen und danach ins Herz zu schließen.

 Dies gilt natürlich nur für diejenigen, die willens und fähig sind, dieses Wissen zu erlernen. An allen anderen geht bereits die Unterweisung in der Literatur vorbei, wie Sidonius in einem Nebensatz lakonisch bemerkt: … nisi cui ingenium sibique quis defuit … (‚es sei denn, ihnen fehlte die Begabung oder sie standen sich selbst im Weg [d. h. hatten kein Interesse daran]‘, epist. 4, 1, 2).  S. 163.

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Als zweites Beispiel soll auf epist. 4, 17 kurz eingegangen werden, die weiter oben bereits zitiert worden ist.⁴⁴⁶ Er habe sich sehr über den Brief gefreut, schreibt Sidonius an Arbogast, wofür er drei Argumente nennt: Er sei zurzeit gewissermaßen ‚untergetaucht‘ (weshalb ihn ein Brief sehr freue), der Tonfall des Arbogast sei sehr bescheiden und seine Sprache sei besonders kultiviert.⁴⁴⁷ Das dritte Argument ist der Ausgangspunkt für die folgenden lobenden Ausführungen über das sprachliche Ausdrucksvermögen des Adressaten. Dieser vermöge es, korrekt und ansprechend lateinisch zu schreiben, obwohl er ein gebürtiger Franke sei. Die ehemals lateinischsprachigen Gebiete würden die Sprache nicht mehr kennen, und allein Arbogast beherrsche die Sprache noch tadellos. Sein besonderes Verdienst sei es, angesichts des allgemeinen Niedergangs die letzten Reste der lateinischen Kultur aufrechtzuerhalten. Die Bildung, von der Sidonius ausgeht, ist überwiegend literarisch geprägt. Dies wird an vielen Stellen deutlich, typisch ist die Würdigung in epist. 8, 11. Angesichts des Todes von Lampridius, einem Dichter und Lehrer in Bordeaux, würdigt Sidonius dessen Verdienste. Die Bereiche, die er nennt, sind: Lampridius konnte gut schreiben (epist. 8, 11, 5), er richtete sich in seinem Stil nach dem Empfänger (epist. 8, 11, 6), er dichtete kunstvolle Epigramme (epist. 8, 11, 7), er las viel und schätzte alte wie junge Literatur (epist. 8, 11, 8). Offensichtliche Charakterschwächen werden zwar berichtet, aber entschuldigt oder zu einer besonderen Eigenschaft erklärt (epist. 8, 11, 4): Jähzorn tritt nur selten auf und ist eher eine Prüfung für ihn; Sorglosigkeit zeigt sich in Gutgläubigkeit etc. So typisch diese Passage ist, finden sich jedoch auch andere Akzentuierungen bei Sidonius. Zum einen ist der Inhalt des Wissens nicht allein auf die Literatur beschränkt. In carm. 22 rühmt Sidonius seinen Freund Anthedius.⁴⁴⁸ Dieser versteht sich auf das Wissen um die Sterne und die Weitergabe dieses Wissens. In diesen Bereich zählt Sidonius Musik, Geometrie, Arithmetik und Astronomie, also die Fächer des späteren Quadriviums. Auf besondere literarische Fähigkeiten des Anthedius geht Sidonius nicht ein, auch findet bei der Beschreibung seines Hauses keine Bibliothek Erwähnung.⁴⁴⁹

 S. 189 f.  Die Wörter, die Sidonius verwendet, sind: caritas, uerecundia und urbanitas (§ 1).  Diese Stelle ist eine der wenigen, an denen naturwissenschaftliche Kenntnis festgestellt und gelobt wird. – Zu carm. 22 liegt ein ausführlich eingeleiteter Kommentar von Delhey vor (Delhey 1993).  Dies ist aber nicht unbedingt auffällig, auch wenn Sidonius bei anderen Beschreibungen z. T. darauf hinweist: In epist. 8, 4, 1 beschreibt Sidonius knapp das Haus des Consentius und nennt dabei auch eine Bibliothek. Bei seinem eigenen Haus geht Sidonius jedoch nicht darauf ein, wie gut seine Bibliothek ausgestattet ist.

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Zum anderen tritt neben die Bildung (die mit Ausnahme von carm. 22 doch meist literarisch aufzufassen ist) anderes. Gelegentlich ist dies richtiges ethisches Urteilen, wie Sidonius es beispielsweise in epist. 1, 9 an Heronius über Paulus in einer knappen Formel beschreibt: nos Pauli … tam doctrina quam sanctitate venerandis Laribus excepti. (epist. 1, 9, 1) Wir wurden im Haus des Paulus aufgenommen, das ehrwürdig ist durch Gelehrsamkeit und Rechtschaffenheit.

Diese Formel wird kurz darauf noch einmal bewundernd erweitert: Illud tamen in eodem studiorum omnium culmen anteuenit, quod habet huic eminenti scientiae conscientiam superiorem. (epist. 1, 9, 1) Und trotzdem übertrifft bei ihm die Tatsache die Vollendung aller Gelehrsamkeit, dass er ein Gewissen hat, das dieses herausragende Wissen noch übertrifft.

In anderen Fällen ist es die Praxis, die ein Komplement zur theoretischen Bildung darstellt. In epist. 8, 4 hält Sidonius es für lobenswert, dass der Freund sich gleichermaßen um Bildung wie um erfolgreiche landwirtschaftliche Betätigung bemüht, so dass er sich am Ende um Feld als auch Geist zu kümmern scheine: iam super penum uel supellectilem copiosam thesauris bibliothecalibus large refertus, ubi ipse dum non minus stilo quam uomeri incumbis, difficile discernitur domini plusne sit cultum rus an ingenium. (epist. 8, 4, 1) Denn neben Vorräten und reichlich Möbeln ist das Haus mit Bücherschätzen richtiggehend vollgestopft, wo du nicht nur mit dem Griffel, sondern auch mit dem Pflug eigenhändig Furchen ziehst; es ist schwer zu entscheiden, ob das Land oder der Geist des Hausherrn kultivierter ist.

Ein ähnlicher Gedanke war bereits in epist. 5, 11 begegnet, wo Sidonius Potentinus für seine umgängliche Art (= Bildung) wie für seine praktischen Fähigkeiten lobt.⁴⁵⁰

Bildung und Karriere Bildung ist auch attraktiv, weil sie karrierefördernd wirkt, wie Sidonius in epist. 5, 10 berichtet: Priscus Valerianus wurde auf die Bildung und rhetorischen Fähigkeiten des Pragmatius aufmerksam, nahm ihn in sein Haus auf, gab ihm

 Vgl. oben S. 163.

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schließlich seine Tochter zur Frau und machte ihn zum Berater, als er selbst die Verwaltung Galliens übernahm.⁴⁵¹ Ein anderes Beispiel schildert Sidonius in epist. 1, 4: Gaudentius ist vor Kurzem in ein wichtiges Amt aufgerückt, wobei unklar ist, um welches Amt genau es sich handelt. Aus diesem Anlass gratuliert ihm Sidonius brieflich. Im Brief hebt er hervor, dass Gaudentius dieses Amt allein durch seine Verdienste erworben habe und keineswegs seine Familie habe in Anspruch nehmen müssen: Macte esto, vir amplissime, fascibus partis dote meritorum; quorum ut titulis apicibusque potiare, non maternos reditus, non avitas largitiones, non uxorias gemmas, non paternas pecunias numerauisti, quia tibi e contrario apud principis domum inspecta sinceritas, spectata sedulitas, admissa sodalitas laudi fuere. (epist. 1, 4, 1) Glückwunsch, mein hochgeehrter Freund, zum Amt, das du Kraft deiner Verdienste erlangt hast; um Titel und Ehrenstellung dieses Amtes zu erringen, hast du weder die Einkünfte mütterlicherseits noch die Freigiebigkeiten des Großvaters, weder den Schmuck deiner Frau noch das Geld deines Vaters hingezählt, weil dir im Gegenteil die im Hause des Kaisers geprüfte Aufrichtigkeit, der offensichtliche Fleiß und der freundschaftliche, vertraute Umgang mit ihm zur Auszeichnung genügten.

In dieser Aussage wird deutlich, dass Sidonius behauptet oder zumindest fingiert, dass ein Einstieg in die obere Reichsverwaltung durchaus auf persönlicher Leistung beruht. Natürlich kennt er auch die Gegenbeispiele (die genannten Aufwendungen), vor welchem Hintergrund auch diese Beförderung steht. Doch wirkt das Erreichte dadurch umso bedeutender, da der Freund eben nicht durch persönliche Beziehungen ins Amt gekommen ist. Die Verdienste des Gaudentius werden nicht explizit benannt, dafür aber auszeichnende Eigenschaften, die den Kaiser für ihn eingenommen haben (sinceritas, sedulitas, sodalitas). Gerade das dritte Element relativiert jedoch die Fiktion von der Beförderung aufgrund der Verdienste: Enge Vertrautheit mit dem Kaiser ist zwar sicher erstrebenswert, doch nicht zwangsläufig eine besonders lobenswerte Charaktereigenschaft. Trotz dieser (unbeabsichtigten) Offenbarung hält Sidonius den Aufstieg seines Freundes für vorbildlich (exemplum). Es trete klar vor Augen, dass Fleiß Erfolg einbringe. Kritik an seiner Person sei nur allgemeiner Verachtung gegenüber dem Staatsdienst geschuldet. In solchen Kreisen philosophiere man träge über den

 Ausführlicher zu diesem Brief vgl. S. 180 – 182.

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Staat und lasse ihn in schlechtem Licht erscheinen, damit man von eigenem öffentlichem Engagement absehen könne.⁴⁵² Bildung und Philosophiestudium sind zwar wichtig, doch dürfen sie nicht der zentrale Lebensinhalt werden. In epist. 3, 6 lobt Sidonius ebenfalls den Aufstieg eines Freundes, Eutropius, in die Provinzverwaltung. Doch stellt er ihm seine früheren Ansichten kritisch vor Augen: Aus seiner Beschäftigung mit dem Platonismus heraus habe sich Eutropius zunächst für ein weltabgewandtes Leben entschieden. Sidonius erinnert daran, dass er dem Freund die familiären Pflichten einer Ämterkarriere aufgezeigt habe und ihn darauf hingewiesen habe, welche Außenwirkung sein zurückgezogenes Leben habe:⁴⁵³ Quibus vix potuistis adduci ut praefecturam philosophiae iungeretis, cum uos consectanei uestri Plotini dogmatibus inhaerentes ad profundum intempestiuae quietis otium Platonicorum palaestra rapuisset, cuius disciplinae tunc fore adstruxi liberam professionem, cum nil familiae debuisses. Porro autem desidiae uicinior putabatur contemptus ille militiae, ad quam iactitant liuidi bonarum partium viros non posse potius quam nolle conscendere. (epist. 3, 6, 2) Dadurch konnte man euch kaum dazu bringen, Präfektur und Philosophie zu verbinden, weil die Schule der Platoniker euch in die Tiefen eines unzeitgemäßen zurückgezogenen Lebens gezerrt hatte, als ihr den Lehren eures Plotin anhingt, dessen Lehre du dann frei zu einer dauerhaften Beschäftigung machen kannst, wie ich bekräftigte, sobald du der Familie nichts mehr schuldest. Ferner wurde jene Verachtung staatlicher Ämter eher für Faulheit gehalten, denn die Neider verbreiteten, dass Männer der besseren Gesellschaft sie eher nicht erreichen können als wollen.

Scheint Sidonius also Bildung als geeignete Voraussetzung für die Erlangung eines Reichsamtes zu betrachten, so finden sich auch Gegenbeispiele. Dabei geht es nicht darum, dass manche Personen die zuständigen Stellen bestechen, wie im

 Spectare mihi uideor bonorum pace praefata illam in inuidis ignauiam superbientem et illud militandi inertibus familiare fastidium, cum a desperatione crescendi inter bibendum philosophantes ferias inhonoratorum laudant, uitio desidiae, non studio perfectionis. (epist. 1, 4, 2) Mir scheint, ich schaue auf jene überhebliche Trägheit bei deinen Neidern – dabei nehme ich die Guten aus – und auf jene Verachtung des Staatsdienstes, die typisch ist für die Trägen, während sie, die die Hoffnung auf Karriere aufgegeben haben, beim Trinken philosophieren und die freie Zeit derer preisen, die kein Amt ausüben – und zwar aus Faulheit und nicht dem Streben nach Vollkommenheit.  Den gleichen Gedanken hatte Sidonius Eutropius gegenüber bereits in epist. 1, 6 ausgesprochen: Er warb für die Ämterlaufbahn und verknüpfte dieses Werben ebenfalls mit der Familie: Wenn Eutropius keine Ämter bekleiden wolle, würden seine Söhne ihn bald an Bedeutung übertreffen, und er müsse ein Hinterbänklerdasein fristen, während sie als Amtsträger im Rampenlicht stünden.

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Umkehrschluss aus dem Lob hervorgeht, dass Gaudentius eben nicht auf dieses Mittel zurückgreifen musste (epist. 1, 4). Vielmehr kennt Sidonius eine Reihe von Personen, bei denen er keineswegs die Bildung als ausschlaggebendes Beförderungskriterium benennt. Unter diesem Gesichtspunkt bildet der eingangs vorgestellte Brief epist. 5, 10 eine gegenteilige Situation ab: Natürlich ist der junge Pragmatius aufgestiegen und mit seiner Heirat Teil einer ehrwürdigen Familie geworden; doch ist es sein Schwiegervater Priscus Valerianus, der aufgrund seiner Herkunft das offizielle Amt des Präfekten von Gallien antritt. Von seiner Bildung ist nicht die Rede – sie wird entweder stillschweigend vorausgesetzt oder war nicht weiter außergewöhnlich. Letzteres erscheint plausibler, wenn er seinen Schwiegersohn aufgrund dessen intellektueller Fähigkeiten als Berater mit sich nimmt. Eine Beförderung muss dabei nicht unbedingt aus schlechten Gründen erfolgen. Gegenüber Eucherius betont Sidonius (epist. 3, 8), dass dieser ein Anrecht auf ein angemessenes Amt erworben habe, und zwar qua Abstammung und militärischer Leistung (uir nobilis militarisque). Angesichts der politischen Lage sei zurzeit aber nicht davon auszugehen, dass er dieses auch erhalten werde. Ähnlich stellt sich die Situation bei Ecdicius dar (epist. 5, 16): Er hat sich Verdienste um das Reich erworben und wurde nun aus diesem Grund befördert. Sidonius bemerkt dazu, dass es nur angemessen sei, wenn zur Belohnung größter Anstrengungen den besten Männern vom Kaiser ein Amt zugewiesen werde, von Bildung als Voraussetzung dafür spricht er aber nicht. In Bezug auf Ämter wird also deutlich, dass Sidonius Bildung als eine Voraussetzung für die Übernahme eines Amtes ansieht. Sie ist jedoch nicht das einzige Kriterium, hinzu tritt die adlige Abstammung, und Bildung kann auch durch besondere Leistungen ersetzt werden. Als Strategie der Bildungsförderung kann man Sidonius’ Darstellung von Karrierewegen also nicht bezeichnen: Er hebt sie lobend hervor, wenn bei einem Adressaten Bildung eine Rolle spielt, geht aber nicht weiter darauf ein, wenn sie fehlt oder nur durchschnittlich ist.

Fazit Die dargelegten Strategien der Bildungsförderung zeigen, dass für Sidonius Bildung tatsächlich im Niedergang begriffen war. Dabei ist bei Sidonius mit ‚Niedergang‘ ein quantitativer Rückgang der Literaturproduktion gemeint, nicht ein Verlust an Qualität.⁴⁵⁴

 Vgl. Mathisens Aufsätze (1988, 49 – 51, und 1993, 107 f.), in denen er auch über mögliche Ursachen eines solchen Rückgangs (u. a. Verlust von Land und Ämtern) spekuliert.

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Natürlich kann er diese Auffassung als Topos nutzen, um an einzelnen Stellen einem Empfänger seiner Briefe oder einem Verfasser eines literarischen Werkes seine Einzigartigkeit zu demonstrieren. Doch funktioniert dieser Topos, wie viele andere Topoi auch, nur dann, wenn sich darin auch ein Stück persönliche wie allgemeine Weltauffassung widerspiegelt. Auch dadurch, dass der Gedanke (in abgewandelter Form) häufiger erscheint, wird wahrscheinlicher, dass er Sidonius auf längere Zeit beschäftigte. Wie aus den direkten Aussagen über den Verfall weiterhin deutlich wird, handelt es sich dabei um einen Verfall der lateinischen Sprache und Literatur in der Oberschicht Galliens. Andere Wissen(schaft)sgebiete finden nur gelegentlich Erwähnung; die literarische Bildung ist jedoch das kontinuierlich wiederkehrende Thema der Briefsammlung. In der Regel ist die Bildung Teil einer aristokratischen Lebensweise, die sich in ethischem Handeln und Urteilen, im kundigen praktischen Wirken (z. B. in der Landwirtschaft; in einer Zeit, in der viele Adlige auf ihren Landgütern lebten, ein an Bedeutung gewinnender Aspekt), in der Übernahme von Ämtern und in der Weitergabe von Familientraditionen und Bildung manifestierte. Demzufolge gerät Sidonius’ Weltbild in Gefahr, wenn die Unterscheidung von Gesellschaftsklassen durch Bildung entfällt. Den Niedergang der Kultur macht er an verschiedenen Faktoren fest; doch setzt er zur Heilung an nur einem Punkt an: den Menschen. Er versucht seine Briefleser durch Aufforderungen zur Bemühung um Literatur und Kultur direkt zu beeinflussen oder indirekt durch die Hervorhebung Einzelner aufgrund ihrer Bildung oder aufgrund der durch ihre Bildung erlangten Karriere. Wie man den Erfolg und die Zielsetzung des Sidonius auch einschätzen mag, gilt es doch zu bedenken, dass es ihm nicht allein um die Bildung an sich ging. Mit der Bildung verknüpften sich für ihn auch Fragen der Gesellschaftsordnung, Tradition und Politik. Bildung war ein Element unter vielen, die im Denken des Sidonius ineinandergriffen. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass mit dem Verfall der Bildung auch die anderen Bereiche der sidonischen Gedankenwelt aus dem Gleichgewicht gebracht wurden – oder zumindest gleichzeitig mit ihnen ebenfalls aus dem Gleichgewicht kamen. In dieser Lage setzte Sidonius bei der ‚Rettung‘ der Bildung an, wobei unklar bleibt, ob dies als Versuch gedacht ist, die sich verändernde Welt durch den Eingriff an einer bestimmten Stelle (eben der Stelle der Bildung) zu stabilisieren, oder ob es sich um die hilflose Bemühung handelt, wenigstens an einer Sache festzuhalten, nämlich an der einzigen, auf die Sidonius einwirken zu können glaubte.

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5 Christen und ‚Barbaren‘ Bislang war fast ausschließlich von reichsrömischen Korrespondenten des Sidonius die Rede, und die Frage nach der Darstellung von Bildung wurde losgelöst von zeitlichen und religiösen Fragen betrachtet. In diesem Kapitel soll eine Differenzierung der Einschätzung und Bewertung des entworfenen Bildes zum Thema Bildung erfolgen. Zwei Bereiche müssen dabei getrennt untersucht werden: (a) Sidonius und das Christentum. Ein wesentlicher Faktor, der das Wesen der spätantiken Kultur in Gallien geprägt und verändert hat, ist das Christentum, das ‚in der Welt heimisch wird‘. Welche Auswirkungen hatte dies auf den Bildungsbetrieb und die gesellschaftliche Sicht auf Bildung aus der Perspektive des Sidonius? Weiterhin ist von Interesse, welche Auswirkungen seine Konversion auf die Beurteilung des Bildungsinhaltes und des Stellenwertes von Bildung hatte. (b) Sidonius und die ‚Barbaren‘. ⁴⁵⁵ Ein weiterer signifikanter Faktor der Veränderung der spätantiken Kultur in Gallien waren die Einfälle und die Sesshaftwerdung auswärtiger Völker. Um ihre Rolle im sidonischen Denken vom Verfall der Bildung zu klären, werden direkte und indirekte Aussagen des Sidonius untersucht. Ziel ist es, den Eindruck zu beschreiben, den Sidonius angesichts der ‚Einwanderer‘ verspürte, und zu prüfen, wie dieser sich auf den Bereich Bildung und Kultur auswirkte. Natürlich waren auch die Westgoten und Burgunder (nicht jedoch die Franken) überwiegend Christen, wie umgekehrt nicht alle Christen in Gallien Bürger der römischen Provinz waren: Die beiden Kategorien liegen quer zueinander. In der vorliegenden Fragestellung bezeichnen diese Begriffe also keine konkurrierenden oder komplementären Gruppen, sondern fassen Aussagen zusammen, die Sidonius für die jeweilige Gruppe trifft.

 Der Begriff ‚Barbaren‘ wird in diesem Kapitel als Sammelbegriff für die Völker verwendet, die – auf welcher völkerrechtlichen Basis auch immer – in die römische Provinz kommen und dort auch sesshaft werden. Es handelt sich bei Sidonius v. a. um die Westgoten, Burgunder, Franken und Sachsen. Zur Verwendung der Wortfamilie barbarus bei Sidonius vgl. Anm. 482 auf S. 212.

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5.1 Christentum Programmatische Aussagen über das Verhältnis von Christentum und Bildung finden sich bei Sidonius nicht. Eine Reflexion über das Wesen des Christentums oder die Auswirkungen christlicher Theologie auf die zeitgenössische Kultur und Gesellschaft unterbleibt, und es ist fraglich, ob Sidonius überhaupt ein Gespür dafür hatte, dass die Selbstverständlichkeit, mit der er beide Bereiche zusammenbrachte, für Theologen früherer wie auch seiner eigenen Zeit keineswegs so evident war.⁴⁵⁶

Direkte Auswirkungen auf Sidonius’ Schreiben (epist. 8, 4; 7, 12) Mindestens eine unmittelbare Auswirkung hat die Wahl in die herausgehobene Stellung eines Bischofs für Sidonius doch: die Abwendung von der Dichtung. An einigen Stellen äußert er sich ausführlicher dazu. In epist. 8, 4, die an seinen Freund Consentius gerichtet ist, lobt Sidonius zunächst die Anlage von dessen Haus (inklusive Bibliothek) und geht dann dazu über, auch die dichterischen Fähigkeiten des Freundes hervorzuheben.⁴⁵⁷ Daran schließt Sidonius sein ‚Bekenntnis‘ an, nun selbst nicht mehr, wie früher, dichten zu wollen: Sed, quod fatendum est, talibus studiis anterior aetas iuste uacabat seu, quod est uerius, occupabatur; modo tempus est seria legi, seria scribi deque perpetua vita potius quam memoria cogitari nimiumque meminisse nostra post mortem non opuscula sed opera pensanda. (epist. 8, 4, 3) Aber was man einräumen muss: Der vergangene Lebensabschnitt gab nicht zu Unrecht Zeit für solche Beschäftigungen oder – richtiger – wurde von ihnen in Beschlag genommen; nun ist es Zeit, Ernsthaftes zu lesen und zu schreiben, sich eher um das ewige Leben als um das irdische Nachleben Gedanken zu machen, sowie beständig daran zu denken, dass nach dem Tod unsere guten Werke, nicht unsere unbedeutenden Schreibereien⁴⁵⁸ beurteilt werden.

 So schon Rousseau: „To become a bishop was not to repudiate such a role [scil. als Aristokrat], but to translate it into a new language“ (Rousseau 1976, 361).  S. oben S. 195.  Bei opera und opuscula liegt im Lateinischen ein Wortspiel vor, das sich im Deutschen schwer wiedergeben lässt: Sidonius betont, dass nach dem Tod auf die Werke (opera) geschaut werde, nicht auf die unbedeutenden Beschäftigungen (opuscula); dieser Gedanke bezieht sich evtl. auf Lk. 6, 38; vgl. die Auslegung des Ambrosius: similiter in statera singulorum opera pensantur (‚in gleicher Weise werden auf der Waage die Werke eines jeden Einzelnen abgewogen‘; Ambr. in psalm. 118, 20, 40 [CSEL 62, p. 464, l. 15 f.]). Danach wären schriftstellerische Leistungen wohl nur opuscula. Gleichzeitig liegt auch eine Anspielung auf den Literaturbetrieb

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Die Zeit sei gekommen, sich mit ernsthaften Dingen (seria) zu befassen und sich nicht weiter mit Dichtereien (die er mehrfach als nugae bezeichnet)⁴⁵⁹ abzugeben. Unter ernsthaften Dingen versteht Sidonius die Sorge um das ewige Leben, das durch Werke erworben werde, nicht durch das Verfassen von Schriftwerken.⁴⁶⁰ Sieht Sidonius also in Dichtung und christlicher Beschäftigung einen Gegensatz, so hindert dies ihn aber nicht, auch weiteren Briefen Gedichte beizulegen. Er verweist jedoch darauf, dass die Gedichte bereits älter seien und – gewissermaßen aus der Schublade genommen – in den Brief übernommen würden.⁴⁶¹ Den Abschluss des Briefes 8, 4 bildet die Aufforderung an den Freund, sich der heilsamen Religion zu unterwerfen und die bisherige gute Lebensführung im Verborgenen nun durch die Konversion öffentlich zu machen. Darauf folgen müsse eine Hinwendung zu himmlischem Lob, Nachdenken über das Göttliche und besonders das Almosengeben. Christlicher Ernst hindert Sidonius also an der Fortsetzung seiner dichterischen Spielereien; er hindert ihn aber nicht daran, weiterhin mit seinen Freunden brieflich zu kommunizieren.⁴⁶² Auch der Adressatenkreis lässt keinen Wandel vor: Sidonius vertritt die Auffassung, man solle ernste Schriften (opera) dem literarischen Spiel (opuscula) vorziehen.  carm. 9, 9; epist. 3, 14, 1; 4, 8, 5; 4, 18, 3; 9, 13, 6. – Überhaupt wertet Sidonius seine Werke oft affektiert ab, besonders gern als ‚geschwätzig‘ (garrulus, garrire etc.; loquax etc.).  Ebenso epist. 8, 16, 2: Non hic ego commenticiam Terpsichoren more studii ueteris adsciui nec iuxta scaturriginem fontis Aganippici per roscidas ripas et pumices muscidos stilum traxi. Ich habe hier nicht nach der Gewohnheit älterer Studien eine erdachte Muse aufgenommen noch den Griffel durch benetzte Böschungen und moosbewachsene Steine nahe dem sprudelnden Wasser der Aganippequelle [im Helikon] geführt.  suscipe libens quod temporibus Augusti Maioriani … subitus effudi … 6 Tales enim nugas in imo scrinii fundo muribus perforatas post annos circiter uiginti profero in lucem, quales pari tempore absentans, cum domum rediit, Vlixes invenire potuisset. (epist. 9, 13, 4.6) So nimm gern entgegen, was ich zur Zeit von Kaiser Maiorian … aus dem Stegreif gedichtet habe. … 6 Denn solche Spielereien hole ich nach etwa 20 Jahren wieder hervor, nachdem sie ganz unten in der Buchkapsel von Mäusen angeknabbert wurden, wie sie ein Odysseus, der etwa ebenso lange von zu Hause fort war, bei seiner Rückkehr hätte finden können. Eine Ausnahme stellt das erste Gedicht in epist. 9, 13 dar, das er neu dichtet. Sidonius leitet es mit den Worten ein, es sei offensichtlich, dass „die Studien der Metren teilweise einrosten; denn es ist nicht leicht für ein und denselben, etwas zugleich gut und selten zu machen“ (ex parte metrorum studia refrigescere; non enim promptum est unum eundemque probe facere aliquid et raro, epist. 9, 13, 2).  Eine Ausnahme bildet der Abschluss von epist. 8, 10, in der Sidonius betont, die Fürbitte des Freundes Ruricius sei ihm wichtiger als weitere Briefe aus seiner Feder. Dies lässt sich

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erkennen, sieht man von der besonderen Anordnung und Markierung der Briefe an Bischofskollegen vor allem im siebten Buch ab. In diesem siebten Buch ist erst der zwölfte Brief an einen Nicht-Geistlichen gerichtet, den Freund und Verwandten Ferreolus. In diesem Brief erläutert Sidonius,warum Ferreolus erst an dieser Stelle des Buches Berücksichtigung finde: Die Bischöfe als Vertreter des Glaubens besäßen eine noch größere Würde als die klassischen Eliten (Ferreolus war immerhin praefectus praetorio in Gallien). Si amicitiae nostrae potius affinitatisque quam personae tuae tempus, ordinem, statum cogitaremus, iure uobis in hoc opere, quantulumcumque est, primae titulorum rubricae, prima sermonum officia dedicarentur. (epist. 7, 12, 1) Wenn wir Zeit, Stellung und Status unserer Freundschaft und mehr noch der Verwandtschaft als deiner Person berücksichtigen würden, würden dir zu Recht in diesem Werk, so bescheiden es auch ist, die ersten roten Markierungen der Titel und die ersten Ehrenbezeugungen der Gespräche⁴⁶³ gewidmet werden.

Ein Platz am Ende dieser ehrenvollen Reihe der Bischöfe sei immer noch besser als ein Platz zu Beginn einer Reihe weltlicher Persönlichkeiten, lautet auch das Fazit des Briefes: censuitque iustius fieri, si inter perfectos Christi quam si inter praefectos Valentiniani constituerere. Neque te sacerdotibus potius admixtum uitio uertat malignus interpres; nam grandis ordinum ignorantia tenet hinc aliquid derogaturos, quia, sicuti cum epulum festiuitas publica facit, prior est in prima mensa conuiua postremus ei, qui primus fuerit in secunda, sic absque conflictatione praestantior secundum bonorum sententiam computatur honorato maximo minimus religiosus. (epist. 7, 12, 4) Und sie [scil. die Feder] hielt es für richtiger, wenn du unter den besten Sachwaltern Christi als unter den Verwaltern Valentinians eingefügt würdest. Und kein böswilliger Betrachter soll es als Fehler ansehen, dass du unter die Bischöfe gemischt wurdest; denn eine große Unkenntnis über die Stände hat diejenigen ergriffen, die daraus eine Herabsetzung ablesen wollen; denn wie bei einem Gastmahl bei einer öffentlichen Feierlichkeit einer, der am ersten Tisch ganz unten sitzt, bedeutender ist, als wer am zweiten Tisch an erster Stelle sitzt, so wird

vielleicht erklären als Versuch, dem Freund die Möglichkeit zu geben, den schriftlichen Kontakt mit dem zurzeit exilierten Sidonius einzufrieren.  Mit ‚Gespräch‘ sind die Briefe gemeint, die mit einem klassischen Topos als ‚Gespräch unter Abwesenden‘ (sermo absentium) bezeichnet werden können. Vgl. Thraede 1970, Cugusi 1983, 73 f. sowie die Eröffnung der ambrosianischen Briefsammlung: Pulchre admones, frater, ut epistulares fabulas et sermonem absentium ad interpraetationem conferamus oraculi caelestis. (Ambr. epist. 1, 1) Zu Recht ermahnst du mich, mein Bruder, Briefgeschichten und das Gespräch unter Abwesenden zur Erklärung der himmlischen Aussprüche heranzuziehen.

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nach der Meinung aller angesehenen Männer zweifellos der kleinste unter den Geistlichen für vortrefflicher gehalten als der größte weltliche Ehrenträger.

In den zwei Abschnitten zwischen den beiden hier zitierten nennt Sidonius in Form einer praeteritio die rühmlichen Leistungen des Adressaten. Diese unterscheidet sich keineswegs von anderen rühmenden Passagen. Es ist die Rede von adliger Abstammung, Verdiensten der Vorfahren, eigenen Verdiensten des Ferreolus, besonderen Leistungen während der Präfektur, militärischen Erfolgen und Verhandlungsgeschick, das auf eine gute Ausbildung weist. Das Koordinatensystem der Werte des Sidonius hat sich also – zumindest in der brieflichen Darstellung – nicht sonderlich verschoben. Auch die Briefe an die Bischofskollegen unterscheiden sich nicht grundsätzlich von den übrigen Briefen in der Sammlung des Sidonius.⁴⁶⁴ Die Schlussformel ist eine andere; statt einem einfachen uale schreibt Sidonius nun memor nostri esse dignare, domine papa (‚Geruhe, dich meiner zu erinnern, mein Herr und Bischof‘).⁴⁶⁵ Auch die Anreden sind unterwürfiger, und der Stil scheint überhaupt ein wenig gedämpft zu sein.⁴⁶⁶ Der Inhalt dieser Briefe fällt jedoch kaum aus dem Rahmen der anderen Briefe; vielleicht lassen sich in diesen Briefen stärker eine Kommunikation und ein pragmatischer Zweck feststellen als in den übrigen Briefen. Darin sind sie den Briefen des ersten Buches ähnlich.

Sidonius über christliche Laien (epist. 4, 9; 2, 9) Ein Beispiel christlicher Lebensführung stellt Vettius dar, den Sidonius explizit zum Vorbild erklärt. Industrius gegenüber (epist. 4, 9) berichtet Sidonius, er habe Vettius kennengelernt und genau geprüft (inspexi, § 1). An erster Stelle und bewusst herausgehoben nennt Sidonius die pudicitia des Vettius wie die seines Hauses. Diese äußere sich im geschickten und hilfsbereiten Verhalten seiner Sklaven, der Freundlichkeit gegenüber Gästen und seiner persönlichen Selbstbescheidung (sobrietas). Es folgt eine Liste lobenswerter Fähigkeiten und Eigen Es findet sich naturgemäß kein Unterschied in den Briefen des Sidonius, die vor seiner Bischofsweihe entstanden sind, und denen danach. Die Weihe hat zum einen keinen einschneidenden Effekt auf das Schaffen des Sidonius gehabt, zum anderen sind die Briefe alle in einer Zeit überarbeitet und herausgegeben worden, als Sidonius schon lange Zeit auf dem Bischofsstuhl saß. Falls sich Unebenheiten und Brüche in seinen Briefen befunden hätten, wären sie der Überarbeitung zum Opfer gefallen.  Zu dieser Wendung vgl. van Waarden 2010, 45 f.  Eine Untersuchung des Stils des Sidonius mit Verfolgung des Wandels in den Briefen an Bischofskollegen bietet Loyen 1943, Kap. VIII: Orientalisme biblique. Vgl. auch van Waarden 2010, 55 – 66.

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schaften, nämlich der Umgang mit Tieren, Ernsthaftigkeit, Milde und Konsequenz (§ 2). Sodann lese Vettius gern, und zwar besonders die Psalmen, die er sogar gelegentlich singe (§ 3). Schließlich kümmere er sich um seine Tochter mit „der Milde eines Großvaters, der Sorgfalt einer Mutter und der Güte eines Vaters“⁴⁶⁷ und verhalte sich im Umgang mit jedermann in seinem Haus überaus maßvoll. Am Ende des Briefes verkündet Sidonius sein Urteil: Qua industria uiri ac temperantia inspecta ad reliquorum quoque censui pertinere informationem, si uel summotenus uita ceteris talis publicaretur, ad quam sequendam praeter habitum, quo interim praesenti saeculo imponitur, omnes nostrae professionis homines utilissime incitarentur, quia, quod pace ordinis mei dixerim, si tantum bona singula in singulis erunt, plus ego admiror sacerdotalem uirum quam sacerdotem. (epist. 4, 9, 5) Nachdem ich den Fleiß und die Beherrschung des Mannes geprüft hatte, beschloss ich, dass es auch zur Unterweisung aller anderen diene, wenn eine solche Lebensweise zum Nutzen aller Menschen bis ganz nach oben hinauf verkündet würde, zu deren Nachahmung alle Menschen unseres Berufsstandes zum allgemeinen Nutzen angeregt werden sollen – über die äußerlichen Attribute hinaus, durch die mancher die heutigen Laien gelegentlich täuscht; denn (was ich ohne Bösartigkeit gegen meinen eigenen Stand sagen will): Wenn die Menschen sich nur durch einen einzigen Vorzug auszeichnen können, dann bewundere ich einen priesterlich lebenden Menschen mehr als einen Priester.

Auffällig ist, dass Sidonius das Verhalten des Vettius bewusst unter die Lupe genommen hat (inspicere, § 5; ebenso § 1). Gründe dafür nennt er nicht, und von einer bewussten Prüfung anderer Personen spricht Sidonius sonst nicht.Vielleicht kann man davon ausgehen, dass Vettius ihm empfohlen worden war oder er einen Hinweis auf diesen besonderen Mann erhalten hatte. Jedenfalls wird es sich nicht um ein Mitglied der gallo-römischen Oberschicht gehandelt haben – als einen solchen hätte Sidonius Vettius bestimmt gekannt oder zumindest nicht so öffentlich überprüft.⁴⁶⁸ Daraus ergibt sich, dass Sidonius eine Figur zum Vorbild aufbaut, die evtl. nicht aus dem eigenen aristokratischen Kreis stammte. Vettius ist nachahmenswert aufgrund seiner moralischen Verdienste und seines Handelns. Seine Maxime, die sich aus den vorgestellten Situationen ableiten lässt, ist das maßvolle Handeln in allen Bereichen: Umgang mit den Mitmenschen, Interesse an Hobbies, Anlei-

 Filiam unicam paruam … alit auita teneritudine, materna diligentia, paterna benignitate (epist. 4, 9, 4).  Dazu passt auch der Befund, dass ein Vettius außerhalb der Briefe des Sidonius nicht über andere Quellen fassbar ist. Dagegen würde sprechen, dass Sidonius von ihm als einem uir illustris spricht (epist. 4, 9, 1) – es sei denn, man versteht dies nicht als Titel, sondern als auszeichnende Charakterisierung.

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tung der Sklaven, Liebe und Erziehung der Tochter. Das einzige christliche Element ist die Lektüre biblischer Texte, die ihn zwar nicht zu einem Gebildeten im Sinne des Sidonius macht (dieser Aspekt wird ihm weder zu- noch abgesprochen), wohl aber zu einem guten Christen. Daher empfiehlt Sidonius die Nachahmung dieses Vorbildes vor allem seinen Kollegen, auch wenn er Vettius als ein Vorbild für jedermann darstellt. In der Schilderung und Herausstellung des Vorbildes zeigt sich, dass für Sidonius seine Kollegen dieses Ideal bislang nicht (oder nicht vollständig) erfüllen. Die Aussage wird im letzten Teil des Satzes sogar noch pointierter formuliert: Sidonius sind Männer wie Vettius um einiges lieber, die zwar christlich leben, aber keine Geistlichen sind, als Geistliche, die nicht leben wie ein Vettius.⁴⁶⁹ Weit geringeren Einfluss haben Ideale christlicher Lebensführung für die Gastgeber des Sidonius in epist. 2, 9. Ferreolus und Apollinaris (ein Onkel des Sidonius) besitzen zwei benachbarte Landgüter und bemühen sich intensiv um ihren Gast. Nach der Schilderung der Einladung auf die Güter und der Anlage der Häuser kommt Sidonius auch auf die Annehmlichkeiten zu sprechen. Er habe die Gelegenheit zu Spielen mit Ball oder Würfel, zu Lektüre und Diskussionen, zum Essen und zum Baden. Die Bibliotheken der beiden Häuser beschreibt Sidonius folgendermaßen: Huc libri adfatim in promptu (uidere te crederes aut grammaticales pluteos aut Athenaei cuneos aut armaria exstructa bybliopolarum): sic tamen quod, qui inter matronarum cathedras codices erant, stilus his religiosus inueniebatur, qui uero per subsellia patrumfamilias, hi coturno Latiaris eloquii nobilitabantur; licet quaepiam volumina quorumpiam auctorum seruarent in causis disparibus dicendi parilitatem: nam similis scientiae uiri, hinc Augustinus, hinc Varro, hinc Horatius, hinc Prudentius lectitabantur. (epist. 2, 9, 4) Sodann waren mehr als genug Bücher zur Hand – du würdest glauben, die Bücherborde eines Lehrers zu erblicken oder die Ränge des Athenaeums oder die hochragenden Schränke der Buchhändler; sie waren jedoch so angeordnet, dass in den Büchern, die zwischen den Damensesseln standen, die religiöse Literatur anzutreffen war, die Bücher bei den Bänken der Männer sich aber durch die Erhabenheit lateinischer Beredsamkeit auszeichneten; gleichwohl bewahrten manche Werke mancher dieser Autoren bei unterschiedlichem Thema eine ähnliche Ausdrucksweise: Denn es wurden Männer von vergleichbarer Meisterschaft⁴⁷⁰ gelesen, Augustin und Varro, Horaz und Prudentius.

 Ähnlich gelagert ist der Schlusssatz des Briefes 7, 12: praestantior secundum bonorum sententiam computatur honorato maximo minimus religiosus. (‚Vorzüglicher als die höchsten Würdenträger ist nach der Meinung der Anständigen der niedrigste Geistliche.‘).  Die Bedeutung von scientia ist nicht klar zu fassen, wenn sie beide Vergleichspaare umfassen soll: Varro und Augustin ähneln sich in ihrem enzyklopädischen Wissen und seiner Darlegung, Horaz und Prudentius in ihrem dichterischen Talent (zu Prudentius’ Rekurs auf

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Es sind also überwiegend die Frauen, die sich der religiösen Literatur widmen, während die Männer sich stärker für Literatur interessieren, in der die lateinische Sprache kunstvoll gestaltet ist. Das Kriterium für die Anordnung dieser Bücher ist die Stilähnlichkeit (dicendi parilitas), ungeachtet der theologischen Ausrichtung. Für die Lektüre ausschlaggebend ist also nicht (allein) der Inhalt der Werke oder ihre ‚Orthodoxie‘, sondern vor allem die Eleganz der Sprache: Augustin hätte sicher keine Einwände dagegen gehabt, für seinen lateinischen Stil gelobt zu werden; doch die unterstellte unmittelbare Nähe zu Varro und die gleichberechtigte Lektüre hätte ihn wohl weniger erfreut, betrachtet man zum Beispiel die intensiven Auseinandersetzungen Augustins mit dem republikanischen Universalgelehrten in den ersten Büchern von De civitate dei. ⁴⁷¹ Die gallischen Adligen hingegen lesen Sidonius zufolge Varro und Augustin gleichermaßen, als ob es keinerlei Schwierigkeiten damit gäbe. Im gemeinsamen Gespräch diskutiert man sodann Rufins lateinische Übersetzung von Origenes’ Werken. Natürlich spricht man über die dogmatischen Fragen, die zu Origenes’ Ablehnung geführt haben (wobei die Anwesenden zur Rechtmäßigkeit dieser Ablehnung unterschiedliche Meinungen haben), doch sind alle stärker an der Frage interessiert, warum Rufin eine so gelungene Übersetzung eines Schriftstellers angefertigt habe, der doch als gefährlich eingeschätzt werde. Weitere literarische Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische werden zum Vergleich herangezogen (Apuleius’ Übersetzung von Platons Phaidon und Ciceros Übersetzung von Demosthenes’ Kranzrede), können gegen Rufins Leistung aber nicht bestehen. Kriterium für die Übersetzungsleistung und Wertschätzung der Werke sind usus regulaque Romani sermonis, Gebrauch und Regeln der lateinischen Sprache (§ 5). Insgesamt nimmt aber die Beschäftigung mit solchen gelehrten Fragen und stärker noch die Diskussion christlicher Themen und Autoren dem Brief nach nur wenig Raum in der gemeinsam verbrachten Zeit ein. Nach dem Frühstück und eventuell dem Ballspiel widmet man sich diesen Gesprächen bis zum zeitigen Mittagessen. Dort spricht man dann über Lehrreiches wie Unterhaltsames (narratiunculae, quarum cognitu hilararemur, institueremur; § 6)⁴⁷², wie es sich für gemeinsame Essen gehört.⁴⁷³ Danach aber genießt man ausführlich die Zeit in

Horaz vgl. bes. Lühken 2002). Vielleicht ist auch an ‚Wissen, Ausbildung‘ zu denken, woraus für Sidonius (unausgesprochen) auch eine Ähnlichkeit im Stil folgt.  Das Varro-Bild Augustins untersuchen u. a. Barra 1996 und Rousseau 2009. Vgl. auch Cameron 2011, 620.  ‚Geschichtchen, durch deren Kenntnis wir erfreut und gebildet werden.‘  Vgl. die Ausführungen des Macrobius über Ernst und Scherz (Macr. Sat. 1, 1, 2– 4) und dazu Kap. II.1.

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Sauna und Bad mit Plaudereien (hic nobis trahebantur horae non absque sermonibus salsis iocularibusque, § 9)⁴⁷⁴, bis es zum Abendessen geht. Und gerade das Essen ist es, über das Sidonius seinem Korrespondenten Donidius bei seinem nächsten Besuch ausführlich berichten will – und nicht über die gelehrten Gespräche, die Bücher oder die christliche Lebensführung der Gastgeber.

Sidonius über christliche Amtsträger (epist. 9, 9; 7, 13) An seinen Amtskollegen Faustus, Bischof von Riez und zuvor Abt von Lérins, ist epist. 9, 9 gerichtet. In diesem umfangreichen Brief berichtet Sidonius,wie er durch Zufall auf ein Werk des Faustus gestoßen sei, das dieser ihm nicht geschickt hätte (§§ 1– 8). Sodann schließt sich eine literarische Würdigung der Schrift an (§§ 9 – 12), die in einem ausführlichen Lob des Autors mündet (§§ 13 – 16). Das Buch des Faustus ist nicht genannt, es wird von Sidonius aber als reich „an Schätzen mystischer Reichtümer“ (mysticae gazae … thesauros, epist. 9, 9, 7) bezeichnet, und er kann es „beladen mit erbeuteter Liebe und im Besitz geistiger Beute“ (spoliis onustus caritatis et spiritalis compos praedae, epist. 9, 9, 8) heimtragen. Man irrt also sicher nicht, wenn man an ein theologisches Werk denkt. Zunächst folgt das Lob des Buches dem Muster, das Sidonius schon bei Claudianus Mamertus angewendet hatte: Sidonius spricht von der Spracheleganz (eloquentia) des Faustus (§ 9), um dann in einer langen, variierenden Aufzählung die Stärken des Werkes zu benennen: Gelehrtheit, Gliederung, Belege, Ernst etc. Zusammengefasst wird das Lob in der Wendung „alles moralisch vortrefflich und mit Kraft und Würde im Ausdruck“ (cuncta moraliter lecte, potenter eloquentissime, § 10). Sodann geht Sidonius – im Unterschied zu der Besprechung des Werks des Claudianus Mamertus in epist. 4, 3 – auf die besonderen persönlichen Fähigkeiten des Autors ein: Faustus habe sich von jungen Jahren an mit der Philosophie beschäftigt. Diese Verbindung malt Sidonius in einer längeren Passage als Liebesbeziehung zwischen Faustus und der personifizierten Philosophie aus, die schließlich auch in einer Hochzeit mündet.⁴⁷⁵ Nun stehe ihm die Philosophie zu Diensten, um „die himmlischen Lehren zu verkünden“ (supernas praedicat disciplinas, § 13); Platons Akademie sei nunmehr

 ‚Hier verstrichen unsere Stunden nicht ohne witzige und mit Scherzen gewürzte Gespräche.‘  Die Szene lehnt sich an die Bestimmungen über die Ehe mit kriegsgefangenen Frauen in Dtn. 21, 11– 13 an. Semple bewertet die Übernahme der Motivik durch Sidonius als „adapted very cumbrously“ (in einer Anmerkung zur Übersetzung der Stelle). Eine Auslegung der Stelle bietet Hieronymus (epist. 21, 13, 5 – 9; vgl. dazu Gemeinhardt 2007, 474 f., mit weiterer Literatur).

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Teil der christlichen Kirche geworden. So könne Faustus Einwände von nichtchristlichen Philosophen entkräften und widerlegen, er vermöge sogar, sie in ihre eigenen Widersprüche zu verwickeln. Aus seiner Kenntnis der philosophischen Schulen heraus könne er die Philosophen widerlegen – wie der Arzt aus Schlangengift ein Gegenmittel gegen Vergiftungen herstelle. Es ergibt sich also ein zweigeteiltes Bild: Einerseits nutzt Sidonius gegenüber dem Bischofskollegen das gleiche Vorgehen wie bei Claudianus Mamertus, um sein Werk zu loben, d. h. er verkehrt mit ihm sprachlich wie inhaltlich wie mit anderen gelehrten Mitgliedern der eigenen sozialen Schicht. Andererseits spricht sich Sidonius gegen die klassische Philosophie aus und sieht den Nutzen ihres Erwerbs nur darin, ihre Anhänger zu widerlegen. Philosophie an sich hat für Sidonius also keine Bedeutung und wird nur im christlichen Gebrauch nützlich. Ebenfalls positiv, wenn nicht begeistert, äußert sich Sidonius über Himerius, auch wenn dieser sich von Faustus sehr unterscheidet. In epist. 7, 13, die an Himerius’ Vater Sulpicius gerichtet ist, beschreibt Sidonius das Wesen des jungen Geistlichen. Die Charakterschilderung kann gewissermaßen als Gegenbeispiel zu Gnatho gelesen werden, der in epist. 3, 13 als warnendes Beispiel für den Sohn Apollinaris vorgeführt wird.⁴⁷⁶ Wesenskern des Himerius ist die Mäßigung. Diese äußert sich beispielhaft in seinem Umgang mit dem Essen: Ieiuniis delectatur, edulibus adquiescit; illis adhaeret propter consuetudinem crucis, istis flectitur propter gratiam caritatis: summo utrumque moderamine, quia comprimit, quotiens prandere statuit, gulam, quotiens abstinere, iactantiam. (epist. 7, 13, 3) Er hat Freude am Fasten, lehnt aber auch das Essen nicht ab; das eine tut er aus der Gewohnheit des Kreuzes heraus, zum anderen lässt er sich aus Dienst an der Freundschaft bewegen: Beides tut er höchst maßvoll, weil er seinen Schlund zügelt, wenn er sich vorgenommen hat zu essen, und das Zurschautragen, wenn er sich vorgenommen hat zu fasten.

Weiterhin verhält er sich laut Sidonius gegenüber jedermann anständig und angemessen, so dass sich alle von ihm gut und gerecht behandelt fühlen. In jeder Situation vermöge Himerius sich perfekt zu verhalten, er sei in der Kirche ebenso friedfertig, wie er vor Gericht kampfeslustig sei. Hinzu kämen Urteilsschärfe und Liebe zur Literatur, besonders zu christlicher Literatur. Bei der Lektüre der Texte achte Himerius vor allem auf den Inhalt, nicht auf die sprachliche Einkleidung, die Sidonius an dieser Stelle „Wortschaum“ (spuma uerborum, § 2) nennt. Gegenüber Faustus hatte er noch dessen Spracheleganz gelobt, die er gleichberechtigt neben die moralische Integrität des Schreibers gestellt hatte.

 Vgl. S. 164 f.

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Zusammenfassend charakterisiert Sidonius das Denken und Handeln des Himerius folgendermaßen: Seine alleinige Richtschnur sei Christus, und er sei in allem ruhig, in nichts müßig. illi actionum suarum intentio celeritas mora Christus est … nihil otiosum facit, cum nihil facit non quietum (epist. 7, 13, 2) Urheber, Antreiber und Bremser seines Handelns ist Christus. … Nichts Müßiges tut er, indem er alles, was er tut, in Ruhe tut.

Das leuchtende Beispiel, der antistes Himerius, verbindet in seiner Person aufrichtiges Handeln mit gesellschaftlichem Comment. Die zugewiesenen Eigenschaften und Verhaltensweisen lassen ihn sicher als guten Christen erkennen. Umgekehrt handelt es sich aber nicht um exklusiv christliches Denken und Handeln, das Himerius als kirchlichen Amtsträger ausweist. Dies zeigt deutlich der Schluss des Briefes. Himerius, so schreibt Sidonius, sei ein Ebenbild seines Vaters (also des Sulpicius, des Adressaten des Briefes): totum te nobis ille iam reddidit; totam tuam temperantiam, religionem, libertatem, uerecundiam et illam delicatae mentis pudicissimam teneritudinem iucunda similitudine exscripsit. (epist. 7, 13, 5) Er hat dafür gesorgt, dass wir dich in ihm unverändert wiedererkennen können: deine ganze Mäßigung und Gottesliebe, deine Freimütigkeit und Zurückhaltung, und jene höchst ehrbare Zartheit deiner verfeinerten Gesinnung kopierte er durch erfreuliche Ähnlichkeit im Wesen.

Dass dieser Sulpicius ein kirchliches Amt bekleidet hätte, ist nicht bekannt, und es ist auch wenig wahrscheinlich. Ganz am Ende des Briefes unterstützt Sidonius ihn in seiner Entscheidung, sich auf sein Landgut zurückzuziehen. Ein Geistlicher würde dies kaum tun, sondern bis zu seinem Tode sein Amt bekleiden.⁴⁷⁷

Fazit Das Christentum sowie die christliche Literatur und Lebensführung stellen für Sidonius nur eine weitere Spielart von Bildung und Kultur dar. Was einen Menschen als gebildet auszeichnet, gilt immer noch und kann auch bei einem Kleriker in gleichen Worten gelobt werden. Probleme im Zusammendenken verschiedener Aspekte und Ausprägungen von Bildung und Religion hat Sidonius nicht; er re Vgl. z. B. Sidonius selbst, der bis zu seinem Tod Bischof von Clermont bleibt. – Ein weiteres, formales Element ist die Abschlussformel des Briefes. Sidonius beendet den Brief mit einem einfachen uale, wie er es üblicherweise tut; von Bischofskollegen verabschiedet er sich anders (s. o.).

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flektiert sie nicht und scheint sich ihrer nicht einmal bewusst zu sein. Das Christentum ist ein Bereich der Kultur, der neben die herkömmlichen tritt und einfach integriert wird, ohne dass eine analytische Untersuchung angestellt würde, wie das Beispiel der „dreifachen Bibliothek“ des Claudianus Mamertus zeigt.⁴⁷⁸ Klar ausgeprägte Vorstellungen von christlicher Ethik und Lebensführung scheint Sidonius nicht zu haben, insofern er verschiedene Personen für höchst unterschiedliche Lebensweisen loben kann. Einen gebildeten Bischof lobt Sidonius für seine Werke, und an einem einfachen Mann lobt er sein tugendhaftes Verhalten. Es scheint, dass für Sidonius eine Art Kontinuum von ethischen Maximen, Glaubensvorstellungen und klassischer Kultur besteht, das sich vor allem aus der Tradition und einer philosophisch-religiösen Allgemeinethik speist.

5.2 ‚Barbaren‘ Bei einer flüchtigen Lektüre des sidonischen Œuvres entsteht der Eindruck, dass ‚Barbaren‘ einen bedeutenden Platz in der Wahrnehmung des Autors einnahmen. Eine Vielzahl von fremden Völkern wird genannt, und häufig ist die Nennung mit einem negativen Werturteil verbunden. Dieser erste Eindruck muss jedoch korrigiert werden. Kaufmann⁴⁷⁹ zeigt, dass Sidonius nicht-römische Völker und Stämme benennt, von denen er die meisten gar nicht kannte, zum Teil nicht einmal gekannt haben kann. Es handelt sich meist um literarische Reminiszenzen, nicht um Urteile, die der Lebenswelt des Autors entsprangen. Viele Stämme und Völker werden auch nur ein- oder zweimal katalogartig erwähnt, was ihre eher geringe Bedeutung für Sidonius unterstreicht.⁴⁸⁰

 Dies formuliert auch passend Sivonen, der feststellt, Sidonius folge zwei gesellschaftlichen Codes gleichzeitig: „In this text [Sid. epist. 7, 12, 4], there can be seen a collision between two different kinds of world views. As a bishop, Sidonius has adopted Christian teachings and considers the religious community around him more important than worldly honour. As an aristocrat, he at the same time could not refrain from giving scrupulous attention to the offices, which Ferreolus and his family had taken care of. In other words, he is interpreting the symbols of Roman elite culture through two different codes: on the one hand, an aristocratic code valuing it, and on the other, a Christian code despising it. Although these codes contradict, Sidonius simultaneously used them both“ (Sivonen 2006, 142).  Kaufmann 1995, 106, Anm. 257.  Dazu passt auch, dass für Barbaren von Sidonius häufig stereotype Epitheta gebraucht werden, wie etwa ferox (z. B. epist. 7, 12, 3), oder auf topische Merkmale wie ihre Körpergröße verwiesen wird (z. B. carm. 12, 11). Nur gelegentlich bringt Sidonius Informationen aus erster Hand ein.

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Reicher hingegen sind Quellen und Aussagen über die Völker, mit denen Sidonius in Kontakt kam oder von denen er über Hörensagen erfuhr. Besonders sind dies die Westgoten, die Burgunder, die Franken und die Sachsen. Für die Geschichte dieser Völker stellen die Briefe – und gelegentlich auch die carmina – des Sidonius eine bedeutende Quelle dar, auch wenn immer bedacht werden muss, dass Sidonius kein unbeteiligter Historiograph, sondern eine zeitgenössische Person mit eingeschränktem Überblick und mit eigenen Überzeugungen war, die er durch seine Briefe zu verbreiten wünschte.⁴⁸¹ Da Sidonius kaum Aussagen über die ‚Barbaren‘ allgemein trifft,⁴⁸² sondern zumeist im konkreten Fall ein bestimmtes Volk vor Augen hat, sollen im Folgenden die einschlägigen Einschätzungen zum Bildungsstand der jeweiligen Völker dargestellt werden und welche Auswirkungen Sidonius ihnen auf die reichsrömische Bildung attestiert. Dass es einen Austausch zwischen den Völkern gegeben hat und auch Kontakte mit den Bürgern der römischen Provinz, soll dabei nicht geleugnet werden. Diese Verbindungen lassen sich allerdings aus den Briefen des Sidonius heraus kaum erschließen. Aus Gründen der Klarheit der Darstellung sei daher hier darauf verzichtet.⁴⁸³

 Den Stellenwert der literarischen Überformung, der nachträglichen Überarbeitung oder der politisch motivierten, abweichenden Darstellung zu bestimmen, ist in den meisten Fällen schlicht unmöglich. Die Folge sind Forschungskontroversen, in denen mit Hilfe von Plausibilitätsüberlegungen eindeutige Interpretationen angestrebt werden, die jedoch nie abschließend geleistet werden können. Ein klassisches Beispiel ist die Schilderung Theoderichs II. in epist. 1, 2: Ist sie Ausdruck persönlicher Wertschätzung des Sidonius oder politisches Manöver? Vgl. zu dieser Stelle die abwägende Diskussion bei Kaufmann 1995, 121– 123, mit der einschlägigen Literatur.  Wörter aus der Wortfamilie barbarus erscheinen 26-mal in den Briefen, fünf Stellen bezeichnen Barbarismen (barbarismus), an drei Stellen wird barbarus übertragen als ‚unmenschlich‘ gebraucht (epist. 1, 7, 6; 4, 24, 5; 7, 7, 5). Gelegentlich wird ein bestimmtes Volk mit barbarus bezeichnet (z. B. epist. 3, 2, 2), in anderen Fällen meint Sidonius die Barbaren allgemein. In diesem letzten Zusammenhang ist eine Stelle von Interesse, aus der Sidonius’ Sicht auf die Bildung der Barbaren allgemein deutlich wird: Seronatus’ Amtsgebrauch wird als verkehrte Welt dargestellt, und darunter fällt für Sidonius auch, dass er vor den Bürgern von Kämpfen spricht und vor den Barbaren von Literatur (epist. 2, 1, 2). Im Umkehrschluss heißt dies, dass Barbaren mit Literatur nichts anfangen können.  Eine gute Darstellung der komplexen Situation in Gallien im fünften Jahrhundert und der Beziehungen zwischen den einzelnen Volksgruppen bietet Barnwell 1992, 71– 113.

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Westgoten Das Bild, das Sidonius von den Westgoten zeichnet, ist im Ganzen negativ geprägt.⁴⁸⁴ Grund dafür ist zunächst sicher ihre militärische Dominanz gewesen, die die Macht Roms infrage stellte, später der offene Vertragsbruch, der unter anderem die Belagerung Clermonts zur Folge hatte. Trotzdem vermeidet es Sidonius, die Westgoten als tumbe Barbaren zu bezeichnen. Daraus folgt nicht automatisch, dass der Gotenhof ein Hort der Bildung gewesen wäre, wie Haarhoff behauptet hat.⁴⁸⁵ Doch sind Bildung und Kultur nicht die Bereiche, mit denen Sidonius die Westgoten kritisiert. Zwei Gründe spielen dafür wohl eine Rolle: 1. Die Westgoten griffen nicht grundlegend in das Funktionieren der Provinz ein, d. h. das alte Recht galt weiter, das Steuersystem lief (bei nunmehr anderem Empfänger) unverändert weiter, und die aristokratischen Familien übernahmen weiter administrative Aufgaben.⁴⁸⁶ Somit konnten Sozialstrukturen und in der Folge das Wertesystem (z. B. Bildung als Distinktionskriterium) zunächst bestehen bleiben. 2. Die Westgoten waren zumindest grundlegend an der römischen Kultur interessiert und übernahmen gewisse Verhaltens- und Verfahrensformen. Aussagen dazu sind jedoch spärlich und vermitteln keinen Eindruck von einer (eventuell vorhandenen) Bildungskultur am westgotischen Hof. Die panegyrische Schilderung Theoderichs II. in epist. 1, 2 ist auf sein Äußeres beschränkt, da seine civilitas bereits in aller Munde sei: … quia Theodorici regis Gothorum commendat populis fama ciuilitatem (epist. 1, 2, 1) … weil die öffentliche Meinung dem Volk das gewinnende Verhalten des Gotenkönigs Theoderich empfiehlt.

 Vgl. Kaufmann 1995, 138 f. Über die politischen Beziehungen zu den Barbaren äußert Sidonius sich meist nicht: „They [scil. Sidonius’ Briefe] offer a sanitized view of the often tense relations between Goths and Romans“ (Mitchell 2007, 205). – Goldbergs Versuch (1995, [3 f.]), die wechselnde Beurteilung der Westgoten chronologisch zu erklären (Lob des Theoderich in epist. 1, 2 zu Zeiten der funktionierenden Kooperation zwischen Rom und Toulouse vs. Kritik in den Büchern 2– 9 zur Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen), ist zu schematisch.  „In fact, the Visigothic court became the last refuge of Roman letters“ (Haarhoff 1920, 24). Differenzierter urteilt Gualandri 1979, 23: Das Bild von der Größe der Bildung Theoderichs sei anzupassen („ridimensionare“). Trotzdem führen ihre Zweifel am Bildungsinteresse des westgotischen Hofes („un reale interesse per la cultura classica, è per lo meno dubbio“) über das Ziel hinaus.  Vgl. Mitchell 2007, 205; Jones 1973, 257 f.

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Der Inhalt des Wortes civilitas ist schwer wiederzugeben; er vereint im Prinzip Verhaltens- und Denkweisen, die einen (römischen) Bürger auszeichnen. Bildung gehörte sicher dazu.⁴⁸⁷ In der Folge soll der Eindruck von Theoderich vermittelt werden, dass er trotz barbarischer Abstammung ein guter, weil selbstbeherrschter Anführer ist, der also nur mäßig spielt, einen festen Tagesablauf befolgt und trotzdem körperlich stark ist. Weiter unten im Brief bescheinigt Sidonius Theoderich „griechische Eleganz, gallische Fülle, italische Schnelligkeit, Prunk in der Öffentlichkeit, Sorgfalt im Privaten, Disziplin auf dem Thron“.⁴⁸⁸ Quelle dieser Einstellungen könnte ein längerer Aufenthalt von Avitus am Westgotenhofe sein, wie carm. 7, 495 – 499 nahelegt: … Mihi Romula dudum per te iura placent, paruumque ediscere iussit ad tua uerba pater, docili quo prisca Maronis carmine molliret Scythicos mihi pagina mores; iam pacem tum uelle doces. Schon lange gefallen mir die römischen Gesetze dank dir, und als Knabe hat mir der Vater befohlen, deine Worte auswendig zu lernen, damit mir so das ehrwürdige Buch mit dem leicht fassbaren Lied Vergils meine skythischen Sitten aufpoliere; und schon damals lehrtest du mich die Liebe zum Frieden.

Die Verse zeigen zudem, dass Theoderichs Vater ein Interesse daran hatte, dass sein Sohn ausgebildet wurde (ohne selbst ausreichend dafür sorgen zu können). Einzelheiten erfahren wir nicht, aber mit dem späteren Kaiser Avitus hatte Theoderich immerhin einen besonders hochstehenden Lehrer, der ihm für eine gewisse Zeit das römische Recht und die lateinische Literatur (vielleicht auch erst die lateinische Sprache) nahebrachte. Diese zweite Stelle entkräftet den Eindruck,

 Wes 1967, 45 f., Reydellet 1981, 70 – 72, und Köhler 1995, 124 f., stellen unter Berücksichtigung von Parallelstellen wichtige Beobachtungen auf. Zwei Bedeutungsstränge scheinen auf: Besonders in den Variae Cassiodors erscheint civilitas als Begriff für die Ordnung (durch die Gesetze), dem die tierische Wildheit gegenübersteht (Cassiod. var. 4, 33, 1); für ihn haben die Goten Recht und Gesetz bewahrt: Gothorum laus est civilitas custodita (Cassiod. var. 9, 14, 8). Eine zweite Bedeutung erscheint häufig in der Historia Augusta; sie bezeichnet die Fähigkeit des Kaisers, sich als einfacher Bürger zu benehmen (z. B. SHA Pius 6, 4; SHA Alex. 20, 3); Gegenbegriffe sind z. B. superbia (Claud. 22, 160) oder tyrannis (Plin. paneg. 2, 3). Beide Begriffstraditionen legen nahe, dass „Sidoine veut signifier là que le Visigot a fait la preuve de son assimilation au monde romain. […] le rex n’est plus senti comme étranger à la mentalité romaine“ (Reydellet 1981, 71). Vgl. auch die Beschreibung der civilitas Trajans bei Eutrop (8, 4– 5).  elegantiam Graecam, abundantiam Gallicanam, celeritatem Italam, publicam pompam, priuatam diligentiam, regiam disciplinam (§ 6).

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Sidonius habe mit dem Verweis auf die Bildung Theoderichs im Rahmen des Avitus-Panegyricus dem Westgoten ausschließlich schmeicheln wollen;⁴⁸⁹ der Aufenthalt von Avitus am Hof in Toulouse wird sicher nicht von Sidonius erfunden worden sein. Über die Bildung von Theoderichs Bruder Eurich verliert Sidonius kein Wort, wohl aus Verärgerung über dessen Vertragsbruch und den daraus resultierenden Kampf um Clermont. Immerhin unterstützt er seinen Freund Euodius mit einem Gedicht, das auf ein Geschenk (eine silberne Schale) für den gotischen Hof aufgebracht werden soll (epist. 4, 8). Also werden die unmittelbare Empfängerin, Königin Ragnahild, und wohl auch ihr Mann hinreichend Latein verstanden haben, um den Wert des Geschenks und der Widmung schätzen zu können.⁴⁹⁰

Burgunder Auch die Burgunder sind im Werk des Sidonius nur schwach vertreten. Es dominiert ein Bild der Burgunder, das an ihrem Äußeren ausgerichtet ist, insbesondere an ihrer Größe (septipedes, ‚sieben Fuß groß‘, carm. 12, 11). Aus dem persönlichen Kontakt des Königs Chilperich mit Bischof Patiens folgert Kaufmann, dass der König zumindest Latein gesprochen habe, da es unwahrscheinlich sei anzunehmen, Patiens habe sich auf Burgundisch mit ihm unterhalten.⁴⁹¹ Er nimmt weiterhin an, dass Sidonius selbst persönlich mit Chilperich in Kontakt gestanden habe, da er einem Verwandten seine Vermittlung am Hofe anbieten konnte (epist. 5, 6).⁴⁹² Neben diesen spärlichen Informationen über den Bildungsstand der Burgunder berichtet Sidonius ausführlicher von dem umgekehrten Fall: Syagrius, Empfänger von epist. 5, 5, hat die Sprache der Burgunder gelernt und beherrscht

 Wie beispielsweise Sivan (1989) behauptet, die daraus folgert, dass die Inhalte des Panegyricus auf aktuelle politische Entscheidungen einwirken sollten. Ausgeschlossen ist damit aber keineswegs, dass Sidonius in schmeichlerischer Absicht die Bildung des Königs thematisiert oder auch überbetont hat.  So auch Kaufmann 1995, 124 f. – Dass aus der Stelle ad interpretem rex locutus (‚der König sprach zum Dolmetscher‘) in Ennodius’ Epiphanius-Vita (Ennod. opusc. 3 § 90, p. 95 l. 20 f.) nicht notwendig folgt, Eurich habe Latein nicht sprechen und verstehen können, betont Kaufmann (1995, 126) zu Recht: Hier handelt es sich wohl um ein Zeichen der Souveränität gegenüber dem Bischof. Zudem wäre eine derart ungleiche Erziehung der Brüder Theoderich und Eurich unwahrscheinlich (wie Gualandri 1979, 23, Anm. 80, zu Recht feststellt, auch wenn sie fälschlich im Umkehrschluss aus Eurichs Unbildung folgert, auch Theoderich könne nicht gebildet gewesen sein).  Kaufmann 1995, 149 f.  Kaufmann 1995, 147.

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sie zur Perfektion. Darüber ist Sidonius sehr erstaunt,⁴⁹³ denn Syagrius hat eine klassische Ausbildung erhalten, die die „freien Studien“ (liberales scholae, § 2) und eine gründliche und erfolgreiche rhetorische Ausbildung umfasste. Seine Sprachkenntnisse machen Syagrius zu einem gefragten Mann bei den Burgundern: In ironischer Form malt sich Sidonius aus, wie der Freund Briefe übersetzt, Gesetze formuliert wie Solon, die Lyra spielt wie Amphion⁴⁹⁴ und sich vor Besuch kaum retten kann (§ 3). Seine Sprachkompetenz lasse die Barbaren sogar fürchten, aus Angst vor Barbarismen in ihrer eigenen Sprache vor ihm zu sprechen. Trotz dieser für Sidonius staunenswerten Leistung des Freundes und des Einflusses, den Syagrius daraus bei den Burgundern gewinnt (und der nach Abzug der Ironie immer noch durchscheint), endet der Brief mit der ausführlichen Aufforderung, Syagrius möge nicht vergessen zu lesen. Sein Latein dürfe nicht einrosten, sonst werde es ihm ergehen, wie den Burgundern ihm gegenüber: Man würde ihn wegen der Sprachfehler auslachen. Restat hoc unum, vir facetissime, ut nihilo segnius, vel cum uacabit, aliquid lectioni operae impendas custodiasque hoc, prout es elegantissimus, temperamentum, ut ista tibi lingua teneatur, ne ridearis, illa exerceatur, ut rideas. (epist. 5, 5, 4) Eins noch, du Redetalent: Verwende um nichts träger, gerade wenn du freie Zeit hast, etwas Mühe auf das Lesen und bewahre das rechte Maß [scil. zwischen den Sprachen], wie es sich für einen so vornehmen Mann wie dich gehört, so dass du dir diese Sprache erhältst, damit du nicht ausgelacht wirst, und jene einübst, damit du selbst etwas zu lachen hast.

Die Burgunder an sich besaßen also nur eine geringe Bildung, mindestens der Hof scheint aber von dem allgemein eher schlechten Bildungsstand ausgenommen gewesen zu sein. Vor allem achteten sie nicht besonders auf ihre Sprache, bis sie von Syagrius erfuhren, wie richtig zu sprechen sei. Sidonius achtet zwar die Leistung des Freundes, die fremde Sprache gelernt zu haben, doch ist dies für ihn nur ein kurioses ‚Hobby‘; wenn Syagrius sich nicht aus der Gesellschaft, also der provinzrömischen Gesellschaft, ausschließen möchte, müsse sein Augenmerk auf der Bewahrung seines Lateins liegen.

 Sidonius könnte an dieser Stelle auf berühmte Personen der klassischen Zeit verweisen, die ebenfalls ‚barbarische‘ Sprachen gelernt hatten (z. B. Sertorius, vgl. Plu. Sert. 3, 3) – dass er dies nicht tut, zeigt vielleicht, dass es ihm vor allem darauf ankam, das Ungewohnte der Sache zu markieren.  Solon und Amphion bezeichnen zum einen bedeutende Vertreter ihrer Disziplinen, zum anderen gehören sie auch zu den Urhebern dieser Disziplinen: Syagrius ist also auch der (zeitlich) erste Gesetzgeber und Musiker bei den Burgundern.

5 Christen und ‚Barbaren‘

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Sachsen und Franken Von den Sachsen und Franken hat Sidonius zwar auch ein recht genaues Bild,⁴⁹⁵ doch beschränken sich seine Aussagen über sie auf ihr Aussehen und ihr (militärisches) Verhalten. Ihre (Un)Bildung ist für Sidonius kein Thema. Seinen Freund Namatius hingegen warnt er neben den Gefahren des Krieges, besonders eines Krieges gegen die Sachsen, auch davor, seine Sprache einrosten zu lassen. Sidonius drückt seine Sorge um das Wohlergehen des Freundes aus und ermahnt ihn, nach den notwendigen Aufgaben als Soldat auch seine Beschäftigung mit der Literatur nicht zu vergessen, auch wenn er nun Soldat sei. Varronem logistoricum, sicut poposceras, et Eusebium chronographum misi, quorum si ad te lima pervenerit, si quid inter excubiales curas, utpote in castris, saltim sortito vacabis, poteris, postquam arma deterseris, ori quoque tuo loquendi robiginem summouere. (epist. 8, 6, 18) Wie du es erbeten hast, schicke ich dir den Logistoricus Varros und die historischen Werke⁴⁹⁶ Eusebs. Wenn ihre Feile zu dir gelangt ist, wirst du, wenn du zwischen den Wachpflichten im Lager wenigstens durch das Los ein wenig Zeit hast, nach der Pflege der Waffen auch von deiner Redeweise den Rost entfernen können.

Die Sorge um den Freund zeigt also zwei Aspekte: dass er heil zurückkommen möge und dass er – wenn auch weniger wichtig – seine gepflegte Sprache nicht verlerne. Bei der Bitte um Übersendung der Bücher hatte Namatius vielleicht eher an eine praktische Verwendung gedacht: Varro und Euseb wird man Sprachbeherrschung nicht absprechen, doch erweckt die Bitte um Übersendung von zwei Fachschriften den Eindruck, dass Namatius eher am Inhalt ihrer Ausführungen denn an der Sprache Interesse hatte. Die Sachsen interessieren Sidonius hier nur am Rande, nämlich weil sie eine Gefahr für den Freund darstellen und der ethnographische Exkurs ein spannendes Thema ist. Hoffnung auf glänzenden Ruhm des Freundes, Sicherung des Meeres und ein Zurückdrängen des Volkes hegt Sidonius anscheinend nicht.

 Sachsen: carm. 7, 369 – 371; epist. 8, 6, 13 – 15; 8, 9, 5, vers. 20 – 27; Franken: bes. carm. 5, 218 – 227; 235 – 253; epist. 4, 20. Dazu die Ausführungen bei Kaufmann 1995, 151– 168, der die Stellen gründlich auswertet und interpretiert.  Entweder die Χρονικοὶ κανόνες oder die Ἐκκλησιαστικὴ ἱστορία; wahrscheinlich ist davon auszugehen, dass Sidonius die lateinische Übersetzung (des Hieronymus bzw. des Rufinus) schickte.

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Als Korrespondent bei den Franken kennt Sidonius Arbogast, der dem Namen nach wohl ein Franke ist (epist. 4, 17).⁴⁹⁷ Auf seine fremde Abstammung geht Sidonius nicht weiter ein; sieht man vom ungewöhnlichen Namen des Adressaten ab, entsteht der Eindruck, Sidonius kommuniziere mit einem ebenbürtigen Mitglied seiner sozialen Gruppe. Auffällig ist, dass Sidonius in diesem Fall einer nichtrömischen Person das Interesse und die Fähigkeit zuspricht, die römische Kultur in den fränkischen Gebieten zu bewahren. Solche Einschätzungen äußert Sidonius sonst nur gegenüber (gallo‐)römischen Mitbürgern. Dieser Sachverhalt zeigt zudem, dass es in der fränkischen Oberschicht (und bestimmt auch in entsprechenden Gruppen der anderen Völker) gut gebildete, römisch ausgerichtete und auch für Menschen wie Sidonius satisfaktionsfähige Personen gab.

Fazit Angesichts der vielen Erwähnungen barbarischer Völker und des unmittelbaren Kontakts, den Sidonius zumindest mit Westgoten und Burgundern hatte, verwundert es, dass er sich meist nicht über Stereotype hinaus über diese Völker äußert. Dem Namen nach differenziert er dabei gelegentlich sehr wohl zwischen den Völkern; über die, die er aus eigenem Erleben kennt, Westgoten, Burgunder, Franken und Sachsen, kann er detaillierter berichten. Doch nur bei den Westgoten und Burgundern äußert er sich über Aspekte, die in den Bereich Bildung fallen. Dies ist sicher dem Umstand geschuldet, dass die beiden Völker sein Leben stärker beeinflusst haben und er häufigen Umgang mit ihnen pflegte (pflegen musste). Die einfache westgotische Bevölkerung erscheint nicht der Rede wert (wahrscheinlich hatte Sidonius überhaupt keine Kontakte mit ihr), nur über den Hof berichtet Sidonius. Theoderich II. wird als gebildeter Mann dargestellt, die Ausbildung gewinnt durch die Verbindung mit dem Namen des Avitus ein größeres Ansehen. Eurichs wohl ähnliche Bildung wird nicht erwähnt, weil er Sidonius’ Gegner bei Clermont war. Ähnlich stellt sich die Lage bei den Burgundern dar: Sidonius verkehrt mit dem Hof, der über hinreichende Bildung und Sprachkompetenz verfügt, wie er zwischen den Zeilen bezeugt. Die Masse der Burgunder spricht aber kein Latein und hat wenig Kultur, wie das im Vergleich dazu so herausgehobene Auftreten des

 Arbogast war Sohn des Arigius und Nachfahre von Arbogast, magister militum unter Theodosius I. und Urheber der Proklamation des Eugenius (vgl. PLRE 2, 128 f.). Vgl. zu diesem Brief auch S. 189 f.

6 Zusammenfassung

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Syagrius zeigt. Und auch im Frankenreich finden sich lateinisch-römisch gebildete Adlige. Ein verallgemeinerndes ‚Barbaren‘ benutzt Sidonius nur sehr selten, auch wenn es seiner Ansicht nach vielleicht angemessen gewesen wäre und die Unterschiede zwischen Westgoten, Burgundern und Franken – zumindest im Bildungsstand – nur gering ausgeprägt zu sein scheinen: Die Führungsschicht ist gebildet, die Masse ist es nicht. Darin entspricht die Darstellung der eingewanderten Völker sogar der Schilderung der Situation in der römischen Provinz. Diese Bildung zu bewahren ist Aufgabe aller, auch wenn sie unter der Herrschaft fremder Völker leben. Unabhängig von den Aufgaben und ihrer Stellung dort sieht Sidonius in ihnen weiterhin den römischen Aristokraten, der Römer bleiben soll. Dies kann er erreichen, indem er sich weiter um seine eigene, also die lateinische Sprache bemüht und seinen Ausdruck ständig durch Lektüre schult. Dies gilt für alle Bereiche, wo das Sprachtraining leiden könnte: im Burgunderreich wie an der westgotischen Küste, als Privatmann wie als Soldat. Harries formuliert pointiert: „the perpetuation of Latin letters became his last bastion of romanitas, his cultural ‚final frontier‘.“⁴⁹⁸ Die auffälligste Beobachtung ist schließlich, dass Sidonius den eingewanderten Völkern kaum Schuld am Bildungsverfall in der römischen Provinz gibt. Es finden sich wenige Aussagen, dass ihre Anwesenheit, ständige Kämpfe oder eine erzwungene Schließung von Schulen o. ä. am Niedergang der römischen Kultur schuld oder auch nur daran beteiligt seien (z. B. epist. 8, 2, vgl. S. 188 f.). Die Gründe für den Verfall werden nicht konsequent entwickelt und die naheliegende, einfache und entlastende Erklärung, die Barbareneinfälle seien an allem schuld, ist nur ein Erklärungsansatz.

6 Zusammenfassung Sidonius Apollinaris lebt in einer sich rasant wandelnden Welt, und er berichtet über verschiedenste Ereignisse. Sein Denken, sein Schreiben und sein Adressatenkreis ist dabei gleichermaßen konstant wie flexibel: Bei einem fest gefügten Denk- und Werteschema vermag es Sidonius, sich an die verschiedensten Situationen anzupassen und höchst unterschiedliche Rollen einzunehmen.⁴⁹⁹ Grundlage dieses Denkens ist die Ausrichtung und Schulung des Geistes an latei Harries 1996, 35. So auch Mratschek: „Denn Bildung (litterae) war im spätantiken Gallien als einziges Kriterium für die Zugehörigkeit zum Adel (solum indicium nobilitatis) übriggeblieben“ (Mratschek 2008, 376).  Vgl. bes. Rousseau 1976.

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nischsprachigen (und ggf. auch griechischsprachigen) Werken der klassischen Literatur. Vermittelt wurde diese Kenntnis sowohl in der Schule, wie Sidonius von sich selbst und auch über andere berichtet, als auch zu Hause, wie Sidonius am Beispiel seines Sohnes zeigt. Kern der Ausbildung war vor allem die Lektüre literarischer Werke; Sidonius erwähnt neben den einschlägigen Autoren auch nicht unbedingt schultypische Texte (z. B. Juristen). Hinzutreten konnte gelegentlich ein Seitenblick auf die Philosophie, die Sidonius aber nicht besonders wichtig war. Es schloss sich eine rhetorische Ausbildung an, die auf die aktive Verwendung der Sprache und den Auftritt in der Öffentlichkeit vorbereitete. Einsatzbereiche des Gelernten waren im rednerischen Bereich Auftritte vor Gericht, wie Sidonius sie gelegentlich erwähnt, sicher auch öffentliche Reden. Diese konnten als besondere Auszeichnung auch vor wichtigen Amtsträgern gehalten werden; Sidonius selbst war es vergönnt, drei Reden auf amtierende Kaiser zu halten. Neben der öffentlichen Auszeichnung, die dies mit sich brachte, konnte diese Fähigkeit auch ganz handfeste Vorteile einbringen: Nach seinem Panegyricus auf Anthemius wurde Sidonius zum praefectus urbi Romae ernannt. Anwendungsmöglichkeiten der literarischen Kenntnisse und Fähigkeiten bot vor allem die literarische Betätigung. Sidonius berichtet mehrfach von Werken von Freunden, die er gelesen hat und rühmt dabei auffallend oft deren Sprachgebrauch. Sidonius verwendet sein Können ausschließlich auf kleinere Formen: Panegyriken, Gedichte und Briefe. Die Abfassung größerer Werke lehnt er für sich ab. Der Brief als Ausdrucksform hat dabei zwei Funktionen: Er ermöglicht die Darstellung der eigenen literarischen Fähigkeiten,⁵⁰⁰ erlaubt zum anderen aber auch die individuelle Kommunikation und Versicherung der Freundschaft über große Strecken hinweg, wie es in Gallien nötig war. Die Korrespondenten lebten oft weit voneinander entfernt, und Reisen war umständlich, bisweilen sogar gefährlich. Dabei bildete gerade die kunstvoll verwendete Sprache, die ein Zeichen von Bildung war, das Erkennungsmerkmal von Gleichgesinnten oder zumindest von an gleichen Ideen und Texten Ausgebildeten. Somit war Sprachbeherrschung, als signum für Bildung, das Distinktionskriterium schlechthin. Wer die Kunst des Schreibens beherrschte, zeigte so seine Zugehörigkeit zur Elite; ein entscheidendes Kriterium neben der familiären Abstammung, die für Sidonius weiterhin eine wichtige Rolle spielte. Im Umkehr Dies muss nicht notwendigerweise negativ gesehen werden: Eine Demonstration der eigenen literarischen Fähigkeiten bedeutet gleichfalls, dass der Absender sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht hat, am Brief ausführlich zu feilen – was gegenüber dem Adressaten eine besondere Wertschätzung ausdrückt.

6 Zusammenfassung

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schluss war die (schulische) Ausbildung derart stark auf die Sprach- und Literaturvermittlung ausgerichtet, dass andere Wissensgebiete wie Philosophie oder Naturwissenschaften weitgehend unberücksichtigt blieben. Dies findet seinen Niederschlag bei Sidonius darin, dass er auf solche Fragen nicht zu sprechen kommt und sie auch in der Beurteilung der literarischen Werke anderer nur selten ein Kriterium sind. Neben dem Wert, welcher die Bildung an sich auszeichnet, vermittelt sie für Sidonius aber auch Tradition und Sicherheit. Sie ist für ihn das konservierende Element in den bewegten Zeiten, in denen viele Bereiche einem grundlegenden Wandel unterworfen sind. Hier sieht Sidonius das einzige Element, das den Unterschied zwischen den Aristokraten und der einfachen Bevölkerung noch kenntlich macht. Er geht sogar so weit, eine kategorielle (keine graduelle) Unterscheidung zwischen Gebildeten und Ungebildeten zu machen: Wer ungebildet ist, ist wie ein Tier. Umso drängender ist für ihn der Umstand, dass sich immer weniger Personen um die korrekte und schmuckvolle Beherrschung ihrer lateinischen Muttersprache bemühen. Daher wirbt er in vielen seiner Briefe dafür, dass die Adressaten lesen; gelegentlich schlägt er ihnen sogar gleich ein Lektürepensum vor. Andere preist er für ihre literarischen Versuche, dritte werden an ihre ‚Pflichten‘ in der Weitergabe ihres Wissens erinnert. Konkrete Gründe für den Rückgang an literarischer Betätigung kann Sidonius nicht nennen, er sucht aber auch nicht danach. Stattdessen nennt er drei (z. T. topische) Erklärungsansätze, die er nicht auf Konsistenz und Kompatibilität prüft: Vergreisung der Welt; politische Umwälzungen (Fremdherrschaft) und nachlassendes Interesse der Menschen. Neben einem Kern an persönlicher Betroffenheit über den Rückgang der Bildung, den man Sidonius nicht absprechen wird, scheint aber gerade an dieser Stelle das Topische an der Klage über den ‚Niedergang der Kultur‘ durch. Den teilweise topischen Charakter der Klage unterstützt auch der Fall, dass Sidonius Personen zu einer Beförderung gratuliert, die sich gar nicht intellektuell oder fachlich dafür qualifiziert haben. Natürlich lobt er die Bildung der Beförderten, wenn sie vorhanden ist; er klagt aber nicht (auch nicht an anderer Stelle oder verdeckt) darüber, dass schlecht ausgebildete Personen befördert werden. Ebenso erstaunt es, dass Sidonius, im Haus eines Freundes zu Gast, zwar dessen Bibliothek lobend schildert, die gemeinsame Zeit dann aber doch größtenteils lieber im Bad oder beim Spielen verbringt. Die Bildungssorge steht hinter den Annehmlichkeiten und Gepflogenheiten des aristokratischen Lebens zurück. Die Folgerung aus diesen Beobachtungen ist, dass Sidonius sich nicht um die Bildung an sich sorgt, sondern um die Bildung als Teil und Ausdruck der Kultur und Umgangsformen seiner gesellschaftlichen Umgebung. Dazu gehören neben

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einer gepflegten Ausdrucksweise und einem literarischen Geisteshintergrund persönliche Besuche, freundschaftlicher Umgang miteinander, gepflegte Konversation etc. (vgl. epist. 8, 5). Dies entspricht auch Sidonius’ literarischem Auftreten als Bischof. Eine Verschiebung der Werte oder eine Änderung der Umgangsformen lässt sich (mit Ausnahme der Absage an das Dichten) nämlich nicht beobachten. Sidonius führt sein gewohntes Leben weiter, korrespondiert mit den gleichen Personen und orientiert sich an den gleichen kulturellen Vorstellungen, die ggf. leicht ergänzt oder adaptiert werden. Insgesamt verträgt sich auch die klassische Ausbildung gut mit den Ansprüchen, vor die sich Sidonius gestellt sieht: Gerade für die schwierige Bischofswahl in Bourges (epist. 7, 9) dürfte ihm seine rhetorische Erfahrung mehr genützt haben, als es eine gründliche theologisch-bibelkundlich-dogmatische Schulung vermocht hätte. Und letztlich fügen sich auch die wenigen Einlassungen zu den nicht-gallischen Völkern in dieses Bild: Die breite Masse interessiert ihn ebenso wenig, wie ihn die einfachen Leute in der Provinz nach dem Zeugnis der Briefe interessierten. Die Führungsschicht am Hofe hingegen ist ansatzweise bis gut gebildet, was für den notwendigen Umgang ausreicht.⁵⁰¹ Zu bestimmten Anlässen betont Sidonius die Bildung eines Theoderich, um ihn durch die ‚Romanisierung‘ als Herrscher akzeptabel erscheinen zu lassen.Wie es wirklich um die Bildung des Westgotenkönigs stand, kann aus Sidonius’ Zeugnissen nicht genau erschlossen werden; die Bewertung bei ihm folgt pragmatischer Tagespolitik. Daneben gibt es jedoch auch Personen wie Arbogast, die trotz ihrer nicht-römischen Abstammung gebildet sind und mit denen Sidonius auf Augenhöhe verkehrt. Gerade in Arbogast kann Sidonius sogar einen Verteidiger der lateinisch-römischen Welt und Literatur sehen. Bildung und allgemeiner Bildungsverlust sind also nicht nur für Macrobius wichtige Themen in seiner Zeit, sondern auch im „idyllisch“⁵⁰² anmutenden Werk des Sidonius. Für Sidonius stehen aber die Folgen stärker im Mittelpunkt des Denkens, nämlich was es bedeuten und wozu es führen kann, wenn die gesellschaftliche Elite in Gallien nicht mehr liest und schreibt. Seine Strategie dagegen, wenn man es so nennen kann, besteht in der konsequenten Fortsetzung seiner Lebensweise und Kultur und in der Aufforderung an andere, sich ebenfalls nach Tradition und Etikette zu verhalten. Um Wissen und Bildung geht es dabei nicht, zumindest nicht im Vordergrund, sondern um die Bewahrung der alten Kultur und  Kaufmann bilanziert: „Sidonius [zieht] keinen vertikalen Trennungsstrich zwischen Römern und Barbaren, sondern einen horizontalen zwischen Gebildeten und Ungebildeten“ (Kaufmann 1995, 274).  Gualandri 1979, 28.

6 Zusammenfassung

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Gesellschaftsform. Bildungsverfall ist nur dann von Bedeutung, wenn er beides bedroht. Sidonius’ Briefe eröffnen also einen wichtigen Einblick in das Funktionieren und vor allem das Denken der gallischen Oberschicht. Während bei Macrobius zu erkennen war, was als relevantes Lehrbuchwissen und literarisch vermittelbares Handbuchwissen angesehen wurde, vermittelt Sidonius, wie dieses Wissen und Handeln außerhalb Roms aussahen. Sidonius theoretisiert nicht über Bildung und Erziehung, und er will durch seine Briefe auch keine Bildung vermitteln. Gleichwohl scheint sein Verständnis von Bildung jedoch durch, so dass ein Bild von Bildung und ihrer Bedeutung entsteht, das sich in Teilen mit dem vermittelten Wissen und den Werten bei Macrobius deckt, in seiner (partiellen) Ehrlichkeit und unmittelbaren Bezogenheit auf das aristokratische Alltagsleben aber vom optimistischen und individualistischen Weltbild der Saturnalia abweicht.

V Schluss Bildung ist im fünften Jahrhundert nach Christus ein bedeutendes Thema der lateinischen Literatur, mit dem sich unterschiedliche Autoren bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung beschäftigen. Diese Autoren bezeugen keine neue Denkweise, sondern greifen eine alte römische Tradition auf. Bildungsbestrebungen gehörten seit jeher zum Kern der römischen Oberschicht, zu dem auch das Verfassen von didaktischen Werken gehörte.⁵⁰³ Besteht eine Kontinuität in der Beschäftigung mit Bildung, so bleiben auch die Inhalte dessen, was Bildung ausmacht, konstant. Das verwundert nicht, denn das römische Denken war konservativ geprägt, und sämtliche Wissenssammlung und Wissensvermittlung, gerade im Bereich von Bunt- und Fachschriftstellerei oder Enzyklopädie im weiteren Sinne, bestand in der Tradierung, nicht in der Überprüfung oder Neukonzeption. Dies ist auch Ausdruck der Einstellung, die gerade die Römer den Fächern der späteren Freien Künste entgegenbrachten. Angesehene, zumindest öffentlich auftretende Römer sollten sich in allen Fächern auskennen (vgl. z. B. Ciceros Bild des idealen Redners),⁵⁰⁴ doch genügten dafür gute Grundlagenkenntnisse. Allzu tief einzudringen in die Tiefen der Philosophie oder Architektur war hingegen verpönt – dafür gab es schließlich Fachleute, die darauf angewiesen waren, durch ihr Fachwissen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Für den gebildeten Römer kam es hingegen darauf an, ein wenig von allen Fächern zu verstehen, um gegebenenfalls über einen Gegenstand reden zu können oder zumindest eine Anekdote bereitzuhalten.⁵⁰⁵

 Mit negativer Bewertung kommentiert dies Stahl: „Bad [scil. von Laien verfasste] handbooks […] served the needs and desires of a pretentious society“ (Stahl 1964, 311). Vgl. auch Ax (2005) mit seiner Untersuchung der Typen grammatischer Unterweisungsschriften, u. a. nach dem sozialen Status der Verfasser. LeMoine betont das soziale Element der literarischen Bemühungen: „Ancient authors draw their didactic authority from the family relation and construct their works as celebratory monuments of that relationship. The works confirm the family’s identification with a cultured class in Roman society and stand as visible, public testimony of personal commitment to virtue and learning“ (LeMoine 1991, 166).  Die einschlägigen Stellen finden sich in de orat. (1, 69 – 73; 158 – 159).  Stahl bemerkt dazu: „The reader of a technical manual may have been working in the field or on a job. He and his author were not so much concerned with citing authorities on their subject as with achieving success in the performance of an operation. Compilers of handbooks […] were fond of impressing readers with their great learning“ (Stahl 1964, 315 f.). – Vgl. jedoch Diederich (2005), die für die römischen Agrarhandbücher zwar eine demonstrative Geringschätzung der Terminologie und auch der logischen Anordnung beobachtet, darin gleichzeitig aber auch persönliches wie gesellschaftliches Programm (z. B. Vermittlung eigener Wertvorstellungen) erkennt.

V Schluss

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Dieses Leitbild führte zu einer breiten Beschäftigung mit verschiedenen Fächern seitens der Angehörigen der Oberschicht, die auch in eigenen schriftlichen Beiträgen mündete, jedoch nicht zu substanziellem fachlichem Fortschritt. In der Folge bedeutete das aber auch, dass Heranwachsende sich ebenfalls mit diesen Fächern (und den vorhandenen Schriften) auseinandersetzen mussten. Unter anderem daraus erklärt sich die relative Konstanz des Fachwissens. Hinzu kommt die konservierende Funktion der Schule, die bestimmte Inhalte und Fächer kanonisierte. Die meisten römischen Jungen erhielten Unterricht, um Lesen und Schreiben zu lernen, und kamen dort mit literarischen Texten und Sacherklärungen dieser Texte in Berührung. Der konservative Zug der Unterweisung wurde verstärkt durch die gesellschaftliche Rolle der Schule und ihre organisatorischen Rahmenbedingungen. Da nämlich die Lehrer von den Eltern ihrer Schüler bezahlt wurden und es nur wenige öffentlich bezahlte Lehrer gab, folgten sie (und damit der ‚Lehrplan‘) den Wünschen und Vorstellungen der Eltern.⁵⁰⁶ Eine besondere Rolle nahmen dabei die Eltern der Oberschicht ein. Ihr Interesse bestand in der Vermittlung der Kenntnisse und Fertigkeiten, die für den Alltag und die Aufgaben als Mitglied der Oberschicht von Bedeutung waren. Ihre Ansichten von Bildung wurden für viele andere wiederum Vorbild, so dass die Schule in Rom am Statuserhalt einer bestimmten Gruppe mitwirken konnte.⁵⁰⁷ Das tat sie selbstverständlich nicht alleine; auch die anderen Bildungsstationen im Leben eines Jugendlichen waren auf dieses Ziel ausgerichtet. Sowohl die rhetorische Ausbildung als auch die praktische Einführung ins öffentliche Leben dienten diesem Zweck. Auch daraus erklärt sich die relative Konstanz des schulischen und außerschulischen Fächerkanons. Daher erstaunt es nicht, dass auch Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris auf diesen Fächerkanon zurückgreifen und verweisen. Jeder der drei Autoren betont zwar andere Bereiche aus dem Spektrum (Macrobius überwiegend Handbuchwissen, Sidonius Apollinaris literarische Bildung, Martianus Capella enzyklopädisches Wissen), doch bewegen sich alle drei in den Grenzen, die die Tradition vorgibt. Nicht nur die Auswahl der Themen ist traditionell, sondern auch die Inhalte dessen, was vermittelt wird. Keiner der drei Autoren ist selbst fachlich kreativ

 „Nicht die Schüler (bzw. ihre Eltern) richteten sich nach einem feststehenden Schulsystem, sondern die Schulen (bzw. die einzelnen Lehrer – denn jeder einzelne magister stand für sich und sein ‚Unternehmen‘) paßten sich dem jeweiligen Markt ihrer bildungssuchenden Klientel an“ (Vössing 2003, 476).  Vgl. u. a. Riché 1962, 45; Vössing 2003, 479 – 485; Kaster 1988, 14; Chin 2008, 40; Gemeinhardt 2007, 57– 61.

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V Schluss

geworden oder hat in größerem Umfange neue Erkenntnisse eingebracht. Die Inhalte von Macrobius’ Saturnalia finden sich in gleicher Form bei Gellius, Plutarch oder in Spezialschriften zu Vergil, und Martianus Capella hat den Inhalt seiner Enzyklopädie ebenfalls aus mehreren Quellen (Plinius, Solinus und andere) geschöpft. Dass Byzanz nicht mehr Byzanz heißt (vgl. Mart. Cap. 6, 670), spielt für Martianus dabei keine Rolle. Die literarische Bildung, die Sidonius Apollinaris betont, ist ebenfalls auf den klassischen Kanon bezogen. Es geht für ihn um die alten Autoren und die römische Gesellschaftsordnung in ihrer traditionellen Form. Diese Tradierung des Alten ist für alle drei Autoren so selbstverständlich, dass sie darüber nicht reflektieren oder die Inhalte rechtfertigen. Wenn in den Saturnalia der Satz fällt: vetustas quidem nobis semper, si sapimus, adoranda est,⁵⁰⁸ wird er nicht grundlegend hinterfragt. Zwar sieht Avienus nicht gleich ein, dass man auch alte Wendungen im Sprachgebrauch hochhalten soll,⁵⁰⁹ doch sind sich alle Teilnehmer am Symposion einig, dass die Inhalte, über die man spricht, würdig seien, ernsthaft besprochen und tradiert zu werden.⁵¹⁰ Das starre Bild der Tradition wird jedoch durch einige Neuerungen und Individualismen in Bewegung gebracht. Alle drei Autoren bringen zumindest in der Form der Präsentation und der Zusammenstellung der Inhalte eigene Konzepte und Vorstellungen in ihre Werke ein: 1. Alle drei Autoren betonen, wenn auch auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Zielsetzung, die gesellschaftliche Rolle und Relevanz von Bildung. 2. Alle drei Autoren setzen sich in literarischer Form mit dem Thema auseinander. 3. Alle drei Autoren verknüpfen eigene Vorstellungen und Ziele mit dem traditionellen Wissen, das sie weitergeben. 1. Die gesellschaftliche Relevanz der Bildung zeigt sich natürlich bereits in der Behandlung der Themen und Fragen durch die drei Autoren. Im Speziellen lässt sich die Bedeutung von Bildung bei Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris aber noch genauer feststellen. Macrobius erkennt in einer praktisch ausgerichteten Bildung einen wichtigen Ausgangspunkt für den gesellschaftlichen Erfolg. Dabei spielt es für die moderne Bewertung zunächst keine Rolle, dass es in den Saturnalia anscheinend nicht um umfassende oder grundlegende Bildung geht. Vielmehr gilt es zu betonen, dass zumindest die Kenntnis einzelner Sachverhalte und Informationen, besonders aber das Wissen um deren angemessene Präsentation als bedeutsam beurteilt werden. Für Sidonius liegt die gesellschaftliche Relevanz (literarischer) Bildung

 ‚Das Altertum freilich gilt es immer zu verehren, wenn wir vernünftig sind‘ (Sat. 3, 14, 2).  Macr. Sat. 1, 5, 1– 3.  Vgl. auch Felmy 2001, 212 f.; Liebeschuetz 1999, 202; Guittard 1975, 1028; Tornau 2008, 319.

V Schluss

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und ihrer Ausübung in der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und der Stiftung von kultureller Identität. Martianus Capellas Werk schließlich, das die Frage nach der Bedeutung und sozialen Relevanz von Wissen stellt, ist ohne einen gesellschaftlichen Kontext nicht denkbar, der die Bildung hoch schätzte. 2. Es fällt auf, dass alle drei Autoren im engeren Sinne des Wortes literarische Werke verfasst haben, um ihre Ideen zu präsentieren. Für Sidonius’ Briefe ist das nicht weiter erstaunlich; eine Briefsammlung galt in der Antike als literarisches Schaffen, und Sidonius beschäftigte sich auch nicht primär mit Fragen der Bildung – diese Frage wurde in der vorliegenden Untersuchung an seine Briefe herangetragen. Aber Macrobius und Martianus Capella allzumal hätten andere Formen der Darstellung zur Verfügung gehabt, insbesondere die Traktat- oder Dialogform. Macrobius hätte die fachlichen Inhalte der Saturnalia auch in einer Abhandlung darlegen können oder eine Aneinanderreihung von Einzelinformationen präsentieren können, wie es Gellius tat. Beide Formen erheben einen geringeren literarischen Anspruch und wären ebenfalls – oder vielleicht sogar besser – zur Präsentation von Fachinhalten geeignet gewesen. Weiterhin begnügt sich Macrobius nicht damit, eine einzige literarische Form als Vorbild zu nehmen und zu gestalten; er verbindet die Form des Symposiondialogs mit dem philosophischen Dialog, wie ihn Cicero pflegte, stellt sich aber gleichzeitig – wenn auch in Abgrenzung – in die Tradition der Buntschriftstellerei. Die Saturnalia sind somit neben einer reinen Wissensquelle auch ein besonderes literarisches Konstrukt. Für Martianus Capella lässt sich Ähnliches beobachten. Auch er hätte auf eine im engeren Sinne literarische Form von De nuptiis verzichten können: Varros Disciplinae bestanden aller Wahrscheinlichkeit nach allein aus fachwissenschaftlichen Abhandlungen, und Augustin oder spätere Enzyklopädisten wählten die einfache Form der Darstellung der Disziplinen. Außerdem begnügt sich auch Martianus nicht mit der Übernahme einer einzelnen literarischen Form, sondern er gestaltet De nuptiis in der Übernahme von Elementen aus gleich vier und zudem grundverschiedenen Genres. Der Grund für die Wahl der literarischen Form dürfte für Macrobius und Martianus Capella besonders darin gelegen haben, dass dieses Mittel ihnen besonders geeignet schien, ihre jeweiligen Ziele (s. Nr. 3) zu erreichen. Die literarische Ausrichtung ermöglichte es ihnen, individuelle Fragestellungen einzubringen oder bestimmte Sachverhalte hervorzuheben. 3. Trotz der weitgehenden inhaltlichen Konstanz dessen, was die drei Autoren als Bildung verstehen und besprechen bzw. weitergeben, lassen sich sehr individuelle und in Teilen unterschiedliche Zielsetzungen und Vorstellungen erkennen. Diese

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tragen neue Fragestellungen an die alten Inhalte heran und stellen somit eine neuartige Entwicklung dar. a) Macrobius sammelt nicht nur Wissen, das es zu kennen gilt, sondern er präsentiert gleichzeitig Vorbilder angemessenen Verhaltens. Die Belehrung reicht dabei über das reine Faktenwissen hinaus und erstreckt sich auch auf Bereiche des Auftretens und des gesellschaftlichen Agierens. Damit einher geht die Ausrichtung aller präsentierten Inhalte auf einen bestimmten Zweck: das erfolgreiche Auftreten bei einem Symposion in der römischen Oberschicht. Diese Präsentation von adäquatem Verhalten konnte Macrobius nur durch Rückgriff auf literarische Formen wie den Symposiondialog gelingen. In Traktatform hätte er zwar die Sachinformationen vermitteln können, doch eine Darstellung von angemessenem Verhalten hätte nicht – oder allenfalls theoretisch – stattfinden können.⁵¹¹ Macrobius’ Saturnalia bezeugen also ein stark funktionalisiertes Bild von Bildung; das Werk zielt nicht auf den rundum gebildeten Menschen ab, sondern versammelt in Kompendienform all die Informationen, die man in einer bestimmten Situation, z. B. bei einem Symposion, kennen muss. Gleiches gilt auch für die Umgangsformen: Vorgeführt wird, was für ein Symposion von Bedeutung ist, nicht, wie sich ein moralisch vollkommener (oder zumindest gesellschaftlich kompatibler) Römer im Allgemeinen verhält. Diese Aspekte lassen auf ein bestimmtes Entstehungsmilieu, zumindest aber auf eine intendierte Leserschaft schließen, für die der Umgang in der römischen Oberschicht von Bedeutung, nicht jedoch selbstverständlich war. Ein zweiter individueller Aspekt, den Macrobius einbringt, ist sein Wille, dieses Wissen in einer einheitlichen Form zu präsentieren. An die Stelle von kleineren Informationseinheiten setzt Macrobius ein Werk, das auf Einheit ausgerichtet ist. Diese Einheit ist zwar überwiegend nur formal gedacht und umgesetzt, stellt aber eine Neuerung gegenüber vergleichbaren früheren Werken dar. Im Ergebnis bringt Macrobius doch einige Neuerungen ein, die bei gleichbleibenden, traditionellen Inhalten eine Reflexion über den Nutzen bestimmten Wissens und die angemessene Darstellungsform erkennen lassen. b) Martianus Capella ist gleichzeitig der traditionellste und der innovativste der drei Autoren. Auf der einen Seite präsentiert er klassische Wissensbereiche der ἐγκύκλιος παιδεία und greift auch in der inhaltlichen wie formalen Umsetzung der Behandlung dieser Disziplinen auf kanonische Schriften zurück. Varros Discipli-

 Vgl. Cantó Llorca 1991, 32: „[E]l mérito de Macrobio está en renovar un material bien conocido, organizándolo en torno a la idea central de la tertulia entre personajes cultivados.“

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nae haben ihm wahrscheinlich formal als Vorlage gedient, auch wenn Martianus inhaltlich wohl aus anderen Quellen schöpfte.⁵¹² Auf der anderen Seite belässt es Martianus nicht bei dieser Wiedergabe traditioneller Inhalte in traditioneller Form. Die Einzelwissenschaften werden nicht nur aneinandergereiht, sondern auch durch einen erzählerischen Rahmen, die Hochzeitsfeier von Philologia und Merkur, miteinander verknüpft. In diesem literarischen Rahmen mischen sich Allegorie, Satire und Symposiondialog, so dass es mit den enzyklopädischen Partien zu einer bunten und paradoxen Melange von Belehrung und Verspottung kommt. Durch diesen Kunstgriff und mit Rückgriff auf verschiedenartige literarische Formen gelingt es Martianus Capella, klassisches Wissen in klassischer Form zu vermitteln und gleichzeitig ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass dieses Wissen und die Form seiner Tradierung nicht perfekt sind.⁵¹³ c) Für Sidonius Apollinaris ist Bildung ein Mittel der Identitätsstiftung und der sozialen Ordnung. Identitätsstiftend wirkt Bildung für ihn dadurch, dass sie das Römersein definiert, wodurch die Grenze zwischen Römern und Barbaren nicht aufgrund ethnischer Abstammung markiert wird. Gleichzeitig erfüllt Bildung für Sidonius den Zweck, die Grenzen innerhalb der Gesellschaft aufrechtzuerhalten: Die adlige Oberschicht zeichnet sich neben ihrer Abstammung auch und gerade durch ihre Bildung aus. Im Verzicht auf ein Bemühen um Bildung sieht Sidonius die Gefahr einer Vermischung an sich klar geschiedener gesellschaftlicher Gruppen; eine Vorstellung, die er verhindern möchte. Ist es auch kein neues Phänomen, dass Bildung unter anderem eine soziale Funktion besitzt, so ist es doch bemerkenswert, dass Sidonius dies erkennt und thematisiert. Bildung ist für Sidonius dabei primär literarisch bestimmt. Sie zeigt sich im korrekten Gebrauch des Lateinischen, allzumal in von Nicht-Römern verwalteten Gebieten. Besonders ist Sidonius aber an der literarischen Tätigkeit seiner Landsleute gelegen. Die Aufforderung, Briefe zu schreiben, ist mehr als ein literarischer Topos, denn sie drückt das Gefühl des Sidonius aus, durch den Austausch von Briefen und anderen Schriften die römische Kultur am Leben zu erhalten und zu bewahren. Selbst Abhandlungen zu verfassen oder Schriften von Freunden (natürlich positiv) zu begutachten, hält Sidonius für wichtig. Somit ist literarische Bildung, also die Kenntnis zentraler Autoren und die Auseinandersetzung mit bestimmten Themen für Sidonius wichtig. Ihre wahre Bedeutung erlangt sie aber erst in der Ausübung. Gerade im kundigen Schreiben und Lesen  Die Frage, ob Varro im fünften Jahrhundert noch gelesen wurde oder überhaupt noch gelesen werden konnte, ist umstritten. Vgl. dazu oben Anm. 346.  So schon Englisch 1994, 58, die von äußerlicher Innovation bei innerlicher Tradition spricht.

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definiert sich für Sidonius ein wahrer Angehöriger des gallischen Adels; für Sidonius liegt umfassende Bildung auch im Handeln. Überblickt man die aufgeführten Beobachtungen, entsteht ein Bild, das zweigeteilt ist. Auch im fünften Jahrhundert werden die klassischen Bildungsinhalte nahezu unverändert weiter tradiert. Autoren wie Macrobius, Martianus Capella oder Sidonius Apollinaris sehen sich zunächst in einer ununterbrochenen Traditionskette, die auf lateinischer Seite z. T. über mehr als 400 Jahre bis ins republikanische Rom zurückreicht. Aus dieser Tradition übernehmen sie Inhalte und auch Einstellungen nahezu unverändert in ihre Schriften. Diese unveränderte Übernahme ist häufig mit der Vorstellung eines kulturellen Niedergangs verbunden worden, gegen den diese Autoren mit ihren bescheidenen Mitteln anzukämpfen versuchen. Dies klingt angesichts der umwälzenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen auf den ersten Blick plausibel. Doch müssen drei Punkte bedacht werden: (a) Sidonius’ Rede vom kulturellen Verfall gibt nur eine persönliche Meinung wieder, die zudem durch seine Ausführungen an anderer Stelle infrage gestellt wird.⁵¹⁴ (b) Bei Macrobius oder Martianus Capella finden sich keine Hinweise darauf, dass diese Autoren gegen einen Bildungsverfall angeschrieben hätten. Weder finden sich Beschreibungen, die einen Niedergang schildern,⁵¹⁵ noch wird eine Auffassung greifbar, nach der sich die Schreiber als Retter der Bildung und Kultur verstehen. Die Tatsache allein, dass ihre Werke dem präsentierten Inhalt nach nicht originell sind, lässt sie vielleicht für die heutige Gegenwart als Kennzeichen des Verfalls erscheinen; dies gilt jedoch nicht für antike Maßstäbe. (c) Umgekehrt kann aus dem Anschluss an die römische Tradition – oder auch im erneuten Anknüpfen an die Tradition nach Jahrzehnten geringerer Beschäftigung mit der klassischen Bildung – auf ein gesundes Traditionsbewusstsein geschlossen werden. Die Autoren waren sich der Leistungen und der Auffassung ihrer Vorgänger bewusst und griffen vertrauensvoll auf deren Werke zurück. Die Wiederaufnahme der Vorstellung, dass ein römischer Vater für seinen Sohn ein belehrendes Werk schreibt, betont ein genaues Wissen um Konventionen und die fruchtbare Übernahme des Konzeptes in die Gegenwart des fünften Jahrhunderts. Dieses Aufgreifen der Tradition und die Tradierung klassischen Wissens erfolgt bei Macrobius und Martianus Capella jedoch in neu geschaffenen literarischen Formen (wie auch immer man diese Mischung bewerten mag) und bei

 S. o. S. 198 f.  Die Stellen, die Schievenin 2009d anführt, stellen höchstens versteckte Andeutungen dar, deren Bezug auf einen wirklichen Verfall des Bildungswesens nicht sicher zu leisten ist.

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allen drei Autoren dieser Untersuchung nach neuen, zumindest eigenen Zielvorstellungen. Somit bieten die Werke, die auf den ersten Blick nur altes Wissen und alte Einstellungen zu bewahren scheinen, auch etwas Neues: Das alte (z. T. auch veraltete) Wissen wird für die Gegenwart im 5. Jahrhundert herangezogen, dabei aber nicht aktualisiert; gleichzeitig wird es aber für die Vermittlung eigener Vorstellungen zum Thema Bildung eingesetzt. Neben die Funktion der reinen Weitergabe von Wissen tritt eine Funktionalisierung dieses Wissens, das situationsgerecht beherrscht werden soll und eine dezidierte gesellschaftliche Funktion besitzt, oder eine Problematisierung, die Aspekte der traditionellen antiken Wissenskultur hinterfragt. Anstatt eines Niedergangs der antiken Kultur kann man in Macrobius, Martianus Capella und Sidonius Apollinaris besser Vertreter eines selbstbewussten und aktiven Umgangs mit der klassischen Tradition sehen. Im Gegensatz zu Isidors reinen Sammlungen oder den zeitgenössischen Kommentaren (oder erst recht den mittelalterlichen Kommentaren zu ihren eigenen Werken) haben sich diese drei Autoren eigenständig mit dem klassischen Erbe auseinandergesetzt, eine Auswahl daraus getroffen und diese in literarischer Form nach eigenen Vorstellungen umgearbeitet. Dass die vermittelten Inhalte nicht aktualisiert wurden, sollte man eher als Zeichen der antiken Wissenskontinuität auffassen und nicht mit dem modernen Wissenschafts- oder Kreativitätsbegriff bewerten wollen. Oder, wie Averil Cameron es formuliert: „The literature of late antiquity shows, on the one hand, a strong sense of continuity with the past,yet it gives on the other hand a powerful impression of change.“⁵¹⁶

 Av. Cameron 1998, 705.

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Personen- und Sachindex Kursiv gesetzte Zahlen verweisen auf Fußnoten.

Adad 21, 24, 27 f. Adargatis 21, 24, 27 f. Adelphius 181 Adonis 21, 28 Afrika 4, 110, 111, 116, 118, 144 Agroecius 181 Ägypten, ägyptisch 25, 75, 84 f., 91, 93, 99, 129 Alcimus 181 Allegorie, allegorisch 24, 28, 31, 46, 49, 67, 89, 120, 127 – 129, 132, 138, 142, 154, 229 Allgemeinbildung 1, 104 Altertum s. vetustas Ambrosius 10, 89, 173, 188, 201 Ammianus Marcellinus 94 f. Amphion 216 Anthedius 194 Apoll 18, 21 – 28, 34 f., 119, 127, 128, 133 Apollinaris (Onkel des Sidonius) 206 Apollinaris (Sohn des Sidonius) 7, 159, 160 – 171, 209 Apollonius Rhodius 41 April 34 – 36 Apuleius 54, 116, 148, 191, 207 Arbogast 189, 194, 218, 222 Archilochus 22 Architektur 104, 124 f., 142, 173, 176, 224 Aristides Quintilianus 117 Aristophanes 41 Arithmetik, Mathematik 15, 104, 114, 122 f., 125, 173, 176, 178 f., 194 Arnobius 51 ars 82 artes (liberales) 104, 121, 125, 131, 132, 136, 138, 139, 184 – liberales scholae 216 – Freie Künste 1, 3, 5 f., 119, 121, 124, 130, 132, 147, 184 f., 188, 224 Äskulap 21, 27, 173 Astronomie 114, 122 f., 176, 194

Athenaios 61, 63 Attis 21, 28 Augustin 5 f., 25, 27, 30, 35, 46, 89, 113, 123, 124 f., 144, 173, 206, 207, 227 Ausbildung 1, 3, 7, 10, 81 f., 103, 106, 108, 110, 157, 160, 161, 166, 170 f., 204, 216, 218, 220 – 222, 225 Ausonius 94 Avienus (Figur in den Saturnalia) 18, 33, 40 f., 43, 66 – 68, 71 – 73, 75, 77 – 82, 85, 90 – 93, 97, 99 – 103, 105, 107 f., 226 Avitus (röm. Kaiser) 158, 180, 214 f., 218 Avitus (Bischof von Vienne) 169 Bachtin 148 f. ‚Barbaren‘ 178 f., 189 f., 192 f., 200, 211 – 219 Basilius 173 Belehrung, belehren 10, 12, 16 – 18, 30, 42, 57, 58, 62, 91, 92, 103, 106, 113, 120 f., 128, 132, 137, 143, 144, 147, 155, 170, 228 – 230 Bescheidenheit, bescheiden 66, 67, 68, 80 f., 99, 102, 105, 108, 116, 166, 181, 194, 203 Bibliothek 68, 70, 75, 109, 176, 183, 192, 194, 201, 206, 211, 221 Bildung 1 – 7, 44, 72, 81 – 83, 98, 99, 102, 104, 114, 123, 125, 142, 151, 155, 159, 160, 170 f., 172, 174 – 176, 178, 182 f., 185 f., 188, 189 – 195, 197 – 201, 210, 212, 213 – 231 – Allgemeinbildung 1, 104 – Bildungsakteure 180 – Bildungsaneignung 159 – Bildungsauffassung 172 – Bildungsbedürfnisse 109 – Bildungsbemühen 180 – Bildungsbestrebungen 180, 224 – Bildungsbetrieb 155, 200 – Bildungsförderung 160, 190, 198 – Bildungsgut 42

Personen- und Sachindex

– Bildungsinhalte 107, 155, 160, 164, 200, 230 – Bildungsinteressen 109, 182, 213 – Bildungskonzept(ion) 5, 114 – Bildungskultur 213 – Bildungslage 184, 186, 189 – Bildungslob 192 – Bildungsprogramm 109, 124 – Bildungsschrift 106, 114 – Bildungssorge 221 – Bildungsstand 7, 172, 180, 183, 212, 215, 216, 219 – bildungssuchend 225 – Bildungstradition 114 – Bildungsverfall 160, 179, 183, 184, 186, 187, 219, 223, 230 – Bildungsverlust 222 – Bildungsvermittlung 151, 155 – Bildungsvorstellungen 2, 3, 4, 7, 156 – Bildungsweg 167 – Bildungswesen 230 – Bildungswissen 127, 135 – Bildungszustand 187 – Grundlagen der Bildung 170 – literarische Bildung 116, 163, 170, 199, 225, 226, 229 – Unbildung 215, 217 Boethius 112, 122 – 125, 130 – 132, 133, 141, 147 Brautjungfer 119, 126, 132 f., 135, 137, 140, 141 Buch 11, 67, 110, 121, (156), 158, 168, 192, 195, 206, 207, 208, 214, 217 – Buchdiebstahl 158 – Buchhändler 158, 206 – Buchkapsel 202 – Handbuch 17, 224 – heiliges Buch 47 f. – Lehrbuch 109, 114, 120 – Schulbuch 108 Buntschriftstellerei 11, 32, 56, 113, 227 Burgunder 157, 190, 200, 212, 215 f., 218 f. Byzanz 117, 122, 226 Caecina Albinus (Figur in den Saturnalia) 32, 40 f., 43, 62, 66, 70, 72 f., 74, 77 f., 80 f., 90 – 92, 100

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Calcidius 15 f. Cassiodor 113, 114, 147, 214 Cato 10, 11, 106, 173 Ceres 25 – 28 Charakter 99, 171 – Charaktereigenschaften 196 – Charakterschilderung 209 – Charakterschwächen 194 Chilperich 215 christlich, Christentum 1, 5 f., 7, 8, 18, 30, 47, 49 f., 52 f., 61, 88, 89 f., 96 f., 110, 112, 157, 160, 173 – 177, 183, 188, 200 – 211 Christus 51, 52, 118, 163, 164, 169, 173, 203, 210 Cicero 1, 8, 10, 11, 17, 19, 20, 27, 29, 35, 36, 49, 54, 58 – 61, 63, 64 f., 70, 71, 78, 82, 90, 101, 111, 128, 145, 168, 173, 181, 187, 191, 207, 224, 227 civilitas 213 f. Claudian 94, 136 Claudianus Mamertus 158, 159, 171 – 183, 186, 208 f., 211 Codex Euricianus 190 Commodian 51 compendium s. Kompendium Compitalia 32, 73 Consentius 177, 183, 194, 201 convivium 77, 88, 89 Cornificius 35 Damasus 96 De nuptiis Philologiae et Mercurii 2 – 6, 104, 106, 113, 114 – 156, 227 Decius (Figur in den Saturnalia) 9, 17, 61, 73, 81 Decretum Gratiani 51 Delphidius 181 Demosthenes 173, 207 Dialektik, dialektisch 114, 122 f., 144, 176, 179, 192, 193 Dialog, dialogisch 8, 17, 58 – 61, 63 – 65, 73, 90, 93, 103 f., 109, 132, 136, 149, 151 f., 227 Dialogizität 148, 151, 155 Diana 26, 28, 34 f. didaktisch 3, 10, 30, 41, 103, 162, 224

254

Personen- und Sachindex

disciplina 44, 51, 66, 121, 123, 125, 131, 134, 139, 170, 176, 187, 197, 208, 214 disciplinae cyclicae 123, 134, 139 Distinktionskriterium 189, 213, 220 Disziplin 5 f., 42, 44, 104, 109, 122, 124 f., 134, 139, 141, 150, 214, 216, 227 f. Donat (Aelius) 54, 161 Donat (Tiberius Claudius) 11, 42, 50, 51, 106, 108 Dysarius (Figur in den Saturnalia) 70 – 73, 76, 80, 82 – 84, 86 – 88, 90 – 93, 98 – 101 effectus 20, 21, 26, 29 Einheit 13 – 18, 21, 31 f., 34, 38, 56 – 58, 61 – 63, 92, 102 f., 105, 125, 135, 146, 155, 228 Elite 76, 98, 104, 105, 108, 171, 203, 211, 220, 222 Eltern 10 f., 162, 168, 225 ἐγκύκλιος παιδεία 123 f., 228 Enzyklopädie, enzyklopädisch 3, 104, 120 – 126, 129, 134 f., 139, 142, 143 – 145, 151, 154, 206, 224 – 227, 229 Erzähler, Erzähl- 16, 31, 38, 57, 60 – 62, 68, 74, 77, 80, 82, 85, 114, 119 f., 135, 138, 140 – 142, 146, 151, 155, 229 Erziehung, erziehen 9 – 11, 16 f., 102 f., 105, 106, 113, 159 f., 163, 164, 166, 168, 170 f., 206, 215, 223 Ethik, ethisch 38, 50, 69, 75, 164, 166, 170, 195, 199, 211 Etymologie, etymologisch 21 – 23, 31 f., 35 f., 67, 134 f., 150 Eucherius 173, 198 Eurich 158, 215, 218 Euripides 22, 41 Euseb (Bischof von Caesarea) 161, 173, 217 Eusebius (Figur in den Saturnalia) 9, 40 f,, 61, 66, 70, 78, 81 f., 92 f., 98 f. Eusebius (gall. Lehrer) 192 Eustathius (Figur in den Saturnalia) 33, 40 f., 43, 45, 55, 62, 70, 72, 74 – 76, 78 f., 83 f., 87 f., 90 – 93, 97 f., 100, 107, 109 Eustathius (Sohn des Macrobius) 9 f., 17, 86, 103, 106

Eutrop (Historiker) 214 Eutropius (gall. Adliger) 197 Evangelus (Figur in den Saturnalia) 32 f., 39 – 41, 43 f., 51, 68, 71, 75, 80, 82 – 93, 99 – 103, 105, 107, 109 exemplum, exemplarisch 9, 16, 30, 42, 56 f., 109, 160, 162, 163, 184, 191, 196 fabula, fabella 19, 115, 120 f., 128, 139, 146, 161, 177, 203 Fach– fachlich 108, 123, 221, 225, 227 – Fachliteratur 112, 125, 144 – Fachschriftsteller 5, 120, 122 f., 125, 135, 217, 224 – Fachwissen 93, 109, 124, 173, 224, 225, 227 Faustus 185 f., 208 f. Ferreolus 203 f., 206, 211 Florus 44, 50, 99 Franken, fränkisch 189, 194, 212, 217 – 219 Frühzeit s. vetustas Fulgentius 49, 114, 117, 130 Funktionalisierung 132, 228, 231 Furius Albinus (Figur in den Saturnalia) 40 f., 43, 66, 73 f., 77, 92, 96 Gallien, gallisch, gallo-römisch 3 f., 7, 109, 157 – 159, 161, 162, 166, 171 f., 177 – 181, 184 – 190, 196, 198 – 200, 203, 205, 207, 212, 214, 218, 219, 220, 222 f., 230 Gallio 181 Gaudentius 196, 198 gebildet 12, 17, 23, 46, 51, 52, 53, 56, 66, 68 f., 73, 77, 81, 89, 91, 94, 96 – 98, 102, 109 f., 115, 116, 125, 136, 166, 176, 180, 183, 186, 189, 190, 192 f., 206, 207, 210 f., 215, 218 f., 221 f., 224, 228 gelehrt, Gelehrter 29, 49, 50, 62, 65, 67, 76, 78, 80, 91, 96, 112, 134, 139, 140, 144, 147, 155, 172, 174, 175, 182, 186, 207, 208, 209 – Gelehrsamkeit, Gelehrteit 49, 75, 80, 81, 88, 126, 135, 145, 161, 174, 175, 176, 185, 195, 208 Gellius 4, 9, 10, 11 – 14, 16, 56, 61, 63, 95, 103, 109, 139, 150, 226, 227

Personen- und Sachindex

Geometrie 114, 122, 123, 124, 176, 179, 194 Gesellschaft, gesellschaftlich 1, 2, 6, 11, 37, 55 f., 61, 66, 73, 94, 97, 98, 101 – 105, 109, 113, 149 f., 157, 163, 165 f., 170 f., 177, 189, 197, 199, 200 f., 210, 211, 216, 221 – 223, 224, 225 – 231 – Gesellschaftsordnung 150, 199 Gespräch 1, 9, 17 f., 29, 30, 32 – 34, 37 – 39, 42 – 44, 46, 48, 56 – 73, 75 – 77, 79 – 82, 85 f., 88, 91, 95 – 97, 99, 100 – 102, 105, 109, 127, 133, 136, 140, 153, 175, 177, 183, 203, 207 f. Gewissen 165, 185, 195 Gnatho (Figur in Terenz’ Eunuchus) 164 f., 165, 209 grammaticus, Grammatiker 76, 78, 79, 80, 81, 99, 107, 135, 108, 178, 192, 206 Grammatik 32, 114, 122, 123, 176, 178, 181 Griechisch 40, 67, 74, 111, 136, 161 f., 207 – grch. Beredsamkeit 86 – grch. Gelehrsamkeit 81 – grch. Kultur 162 – grch. Literatur 11, 14, 41 f., 52, 67, 76, 133, 176 Handbuch 17, 224 – Handbuchwissen 109, 223, 225 Harmonie, Musik 104, 114, 122 – 124, 125, 173, 176, 179, 194, 216 Heide, Heidentum, heidnisch s. pagan Herkules 21, 89 Heronius 185, 195 Hesperius 162, 191 Hestia 27 Hierarchie, hierarchisch 20, 21, 29, 93, 101, 140, 174, 182 Hieronymus 44, 51, 52, 88, 96, 173, 181, 208, 217 Himerius 209 f. Historia Augusta 151 – 154, 214 Hochzeit 119, 121 f., 124, 126, 129, 132, 133, 136, 141 f., 146, 154, 191, 208, 229 Homer 22, 36, 41, 44 f., 48, 50, 52, 53, 54, 55 f., 70, 74 f., 78 Horaz 44, 50, 54, 133, 143, 145, 149, 206 f. Hortensius 59, 173, 191

255

Horus (Figur in den Saturnalia) 32, 67, 71 – 75, 77, 84 f., 90 – 93, 98 Horus (Horusknabe) 21 Hygin 44 Hymenaeus 124 – 126, 129, 141 Ideal 1, 60, 69, 79, 81 f., 98 f., 106, 113, 129, 163, 165, 192, 206, 224 Identität 84, 101, 159, 189, 227, 229 Industrius 170, 204 f. Integration (gesellschaftlich) 101 – 103, 166, 170 Interesse 49, 109 f., 112 f., 121, 146, 153, 154, 168, 182 f., 188, 190, 192, 213, 214, 217 f., 221, 225 Isidor von Sevilla 25, 51, 52, 231 Isis 21, 25, 26, 27, 28 Italien, italisch 4, 34, 109, 110, 111, 122, 214 Janus 34 f., 36 f. Johannes (gall. Lehrer) 188 f. Julian 127, 133, 136, 137, 145, 148 Juno, Hera 24 – 27, 49 Jupiter 21, 23, 24, 27, 49, 89, 99, 126, 133 Jura 104 Kalender 18, 32 – 37, 67, 74 f., 84, 91 Karneval, karnevalesk 148 – 150, 152, 155 Kleanthes 22 Kommentar 3, 11, 42, 44, 46, 50, 54, 55, 102, 106, 108, 109, 112, 129, 161, 231 Komödie 141, 161, 165 Kompendium, compendium 2, 11, 42, 228 Komposition 6, 61, 130, 143, 146, 159, 185 Konstantin 52 Konstantinopel s. Byzanz Kult, kultisch 21 – 25, 27, 28, 30 f., 34 f., 37 f., 40, 42, 44 f., 55, 67, 69, 73, 77, 89, 91, 100, 103, 108 Kultur, kulturell 25, 56, 58, 59, 73 f., 84, 101, 109, 118, 162, 183 – 185, 187, 189 – 191, 194, 199 – 201, 210 f., 213, 218 f., 221 f., 227, 229 – 231 – kultiviert 177, 192 – 195 – Unkultiviertheit 102 Kunst (Geschick) 13, 16, 49, 51, 65, 81, 153, 172, 175, 194, 207, 220

256

Personen- und Sachindex

Künste (Freie Künste) 1, 3, 5 f., 76, 81, 84, 114, 119, 121 – 124, 125, 127, 129 – 133, 139, 146 f., 154, 170, 184 f., 188, 224 Lampridius 194 Latein 16, 67, 74, 76, 111, 172, 181, 188 – 190, 193 f., 199, 207, 214 – 217, 219, 221, 229 – lateinischsprachig 2, 133, 176, 189 – altlateinisch 40 – 42 – lat. Beredsamkeit 206 – lat. Bildung 180, 188, 218 – lat. Kultur 183, 194 – lat. Literatur 43, 44, 55, 74, 81, 115, 136, 188, 192, 199, 214, 222, 224 – lat. Übersetzung 161, 207, 217 Latona 27 lehren, belehren 51, 80, 91, 98, 103, 121 f., 136, 139, 151, 170, 183, 189, 214 – Lehrer 10, 11, 49, 81, 91, 99, 106 – 108, 174, 179, 181, 182 f., 188 f., 192, 194, 206, 214, 225 – Lehrbuch 4, 46, 109, 114, 120, 143, 223 – Lehrinstanz 151 – Lehrplan 53, 126, 225 – Lehrsatz 124 – Lehrstoff 58 – Lehrsystem 155 lernen, erlernen 12, 42 f., 49, 50, 51, 67, 74, 80, 91, 102, 104, 136, 143, 145, 162, 170, 175, 180, 185, 191 f., 193, 214 – 216, 220, 225 – kennenlernen 84, 90, 101, 162, 204 – verlernen 217 – Lerneffekt 61 Lex Breviarium Alarici 190 Lex Burgundionum 190 Liber pater 21, 24, 26 – 28 literarisch 67, 71, 94, 102, 119, 128, 130, 133, 139, 142, 146, 149, 153, 155, 173, 176, 182, 186, 191 f., 194, 212, 221 – 223, 226 f., 229 – lit. Absichten 37, 113, 124, 144 – lit. Anspruch 153 – lit. Bildung 1, 82, 116, 163, 166, 170 f., 194 f., 199, 225 f., 229 – lit. Fiktion 59, 67, 159

– lit. Form 3, 5 f., 16 f., 19, 45, 61, 63, 114, 119, 126, 130, 142 – lit. Genre 6, 126, 142, 144, 145, 148, 151, 154 f., 227 – 231 – lit. Kenntnisse 44, 104, 146, 161, 220 – lit. Konvention 93, 101, 114, 142 – lit. Kultur 183 – lit. Mittel 19, 58, 60 – lit. Programm 30 – lit. Spiel 125, 153, 154, 202 – lit. Stilisierung 59 – lit. Vergleich 103 – lit. Vorbild 17, 44, 60, 74, 102, 116, 127 f., 135, 168 – lit. Würdigung 59, 162, 208, 211 Literatur 19, 53 f., 56, 58 f., 61, 81, 94, 96, 110, 135, 143, 145, 148 f., 159, 162, 170, 186, 190, 193, 194, 199, 207, 209, 212, 217, 220, 231 – antike Lit. 14, 48, 148 – christliche Lit. 209, 210 – didaktische Lit. 10 – gallische Lit. 185 – griechische Lit. 11, 14, 41 f., 52, 67, 76, 133, 176 – heilige Lit. 99 – historische Lit. 154 – karnevaleske Lit. 152 – lateinische Lit. 43, 44, 55, 74, 81, 115, 136, 188, 192, 199, 214, 222, 224 – religiöse Lit. 206 f. – römische Lit. 10, 222 – Literaturbetrieb 201 – Literaturförderung 190 – Literaturkenntnis 52 – Literaturproduktion 198 – Literaturvergleich 55, 104 – Literaturvermittlung 221 Lukian 133, 136, 145, 148, 149 Macrobius 2 – 7, 8 – 113, 225 – 228, 230 f. Magnus 181 Manegold von Lautenbach 112 Mars 21, 23 f., 35 f., 140 Martianus (Sohn des Martianus Capella) 115, 140

Personen- und Sachindex

Martianus Capella (hist. Person) 2 – 7, 106, 157, 114 – 147, 154 f., 157, 160, 225 – 231 Martianus Capella (Erzählerfigur) 119 – 123, 127, 131 f., 137 – 140, 151 Mater Deum, Magna Mater 21, 25 – 28, 152 Mathematik s. Arithmetik Medizin 21, 42, 76, 82 f., 91, 98, 104, 123, 125, 142 Menander 161 menippeische Satire 120, 130 – 136, 141, 143 – 145, 146, 148, 151 f., 155 Merkur 21, 24 f., 49, 119, 121, 126, 128 f., 132, 229 Metrik 51, 130 – 133, 161, 172, 176 Mithras 25 Monotheismus 18, 26, 28, 30 Moral, moralisch 44, 105, 143, 187, 205, 208 f., 228 Musen 48, 95, 121, 123, 130, 134, 139, 176, 202 Musik s. Harmonie mythistoria 152 Mythos, mythisch 19, 24, 26, 28, 107, 119 f., 121, 127 – 132, 143, 149, 151 f., 154 Nachahmung 41, 75, 98, 130, 141, 155, 170, 205 f. Namatius 161, 217 Nemesis 21, 28 Neptun 25 f. Neuplatonismus 15, 18, 128 f., 144, 176, 177 Nicomachus Flavianus (Figur in den Saturnalia) 8, 39 f., 45, 62, 70, 72 – 74, 92 – 95, 97 f., 105 Niedergang 118, 178, 187, 189, 194, 198 f., 219, 221, 230 f. Nigidius 34 f. Nonius Marcellus 144 Nymphidius 176 Oberschicht 1 – 3, 53, 55 f., 93 – 100, 109, 159, 189, 199, 205, 218, 223 – 225, 228 f. Osiris 21, 25, 27 f. pagan, Paganismus, heidnisch 1, 6, 8, 18, 46, 47 f., 52 – 54, 89, 94, 96, 110, 112 – pagane Bibel 39, 46 – 54

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Paian 22 f. Palaemon 181 Palladios von Methone 182 Palladius 94, 181 f. Pan 21 Panegyricus, panegyrisch 157, 158, 213, 215, 220 Patiens 215 Paulus 185 f., 195 Petreius 174 Petron 133, 137, 148 f. Petrusakten 51 Philologia (Figur in De nuptiis) 114, 119, 126, 128, 129, 132, 136, 138, 142, 146, 150 f., 155, 229, Philosophia (Figur in De cons. phil.) 116, 131 Philosophie 19, 40, 45, 59, 67, 69, 74, 76, 83 f., 91, 98, 143, 144, 147, 176, 179, 192 f., 197, 208 f., 220 f., 224 Pindar 41 Platon 9, 17, 19, 22, 61, 62, 64 f., 75, 78, 83 f., 93, 97, 120, 127 – 129, 173, 197, 207 f. Plinius d. Ä. 123, 226 Plinius d. J. 159, 191 Plutarch 62, 63, 111, 226 Polytheismus 50 Postumianus (Figur in den Saturnalia) 9, 17, 61, 66, 68, 73, 81, 94 potentia 29 Potentinus 163, 171, 193, 195 potestas 20, 29 Praetextatus (Figur in den Saturnalia) 8, 18 – 26, 28 – 40, 43, 45, 48, 50, 54, 62, 65 – 86, 89 – 98, 100, 102 – 106, 109, 113 Pragmatius 180 – 182, 184, 195, 198 Priscus Valerianus 180, 195, 198 Proba 51 f. Probus 192 Proserpina 25 – 27, 29 Prosimetrum 130 f., 133 f., 143, 147 Prudentius 206 Python-Mythos 24, 26 Quadrivium 122, 123, 194 quaestiones convivales 32, 104

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Personen- und Sachindex

Quintilian 181 Quintillus 152 f. Ragnahild 215 Recht – Auguralrecht 39, 70 – Pontifikalrecht 39 f., 44, 67, 89 – göttliches Recht 40 – menschliches Recht 40 – römisches Recht 190, 214 Religion, religiös 5, 8, 18 f., 25, 30, 37, 40, 47 f., 50, 52, 53, 54, 64, 66 f., 69, 77, 85 f., 89, 96, 103, 107, 110, 112, 114, 127 f., 157, 175 – 177, 200, 202, 206 f., 210 f. Remigius 184 – 186 Rhetor 51, 81, 116, 118, 174, 180, 181, 182 Rhetorik, rhetorisch 1, 37, 40, 44, 51, 55, 71, 78, 81 – 83, 86, 100, 114, 118, 122 f., 125, 129, 164, 169, 172, 173, 174, 176, 179, 181 f., 183, 195, 216, 220, 222, 225 Rom 1, 25, 35 f., 45, 48, 52, 64, 67, 71, 79, 81 f., 88, 94, 96, 97, 104, 108 f., 111 f., 117 f., 157 f., 213, 223, 225, 230 – Römer 30, 35, 40, 49, 53, 64, 84, 111, 178, 189, 219, 222, 224, 228 f. – römisch 9, 18, 24 – 26, 27, 33, 37, 42, 45, 54, 62, 64, 67, 74 f., 84, 101 f., 109, 127, 133, 144, 157, 188, 200, 211, 214, 216, 218 f., 222, 224 – 226, 230 – römisch-italisch 4 – gallo-römisch 3, 158, 159, 166, 205, 218 – röm. Beredsamkeit 187 – röm. Bildung 212 – röm. Kult 27, 38, 42 – röm. Kultur 56, 190, 213, 218, 219, 229 – röm. Literatur 10, 11, 14, 52, 222 – röm. Oberschicht 1, 3, 52, 55, 73, 76, 94 – 98, 104, 108 f., 211, 224, 228 – röm. Recht 190, 214 – röm. Rel. 69 Roman 100, 120, 148 Romanisierung 222 – romanische Kultur 189 Ruricius 169 f., 202 Sachsen 200, 212, 217 f.

Salus 21, 25, 27 Sammlung, sammeln 11, 14, 15, 51, 55, 60, 119, 141, 142, 151, 152, 178, 224, 228, 231 – Sammelschriftstellerei 13, 124 – Sammelwerk 12, 61, 63, 103 – Sammler 70 Sapaudus 160, 171 – 186 Sarapis 21, 32 Satire, satirisch 95, 120, 130 – 151, 154 f., 164, 229 Satura (Figur in De nuptiis) 114, 116, 119, 121, 127, 134, 136 – 142, 145, 147, 150 f., 154 Saturn 21, 24, 32, 34, 37, 150 Saturnalia 2 – 4, 6, 8 – 113, 120, 126, 135, 149, 223, 226 – 228 Saturnalien 8 f., 18, 32 – 35, 37 f., 61, 65, 67, 70, 72, 77, 85 f., 96, 137, 148 – 150, 152 Schule 11, 49, 53, 75, 104, 107 f., 114, 189, 219 f., 225 – Schulausbildung 106 – Schulautor 42, 55 – Schüler 10, 42, 78, 81, 99, 108, 118, 131, 145, 170, 178 f., 183, 189, 192, 225 Seneca 14 – 16, 21, 69, 133, 137, 148 f., 181 Servius (hist. Autor) 42, 44, 45, 46, 50, 112 Servius (Figur in den Saturnalia) 40 f., 43, 66, 68, 70, 73, 75 – 81, 91 – 93, 98 – 100, 108 Sidonius Apollinaris 2 – 7, 157 – 223, 225 – 227, 229 – 231 Siricius 96 Sklave, Sklaverei 18, 32 – 34, 37 f., 68 f., 86, 89, 149 f., 204, 206 Sohn 3, 6 f., 9 – 12, 17, 67, 86, 103, 106, 108, 110, 115 f., 119 – 121, 138, 140, 159, 160 – 171, 197, 209, 214, 220, 230 Solin 123, 226 Solon 216 Somnium-Kommentar 20, 27, 44, 53, 110, 111 f., 128 ‚Sonnentheologie‘ 18 – 39, 53, 67, 71, 77, 86, 87, 102 sozial 50, 52, 53, 56, 61, 66, 79, 82 – 85, 91, 93, 95, 97, 98, 99, 101, 110, 189, 209, 213, 218, 224, 227, 229

Personen- und Sachindex

Sprache 13, 37, 42, 48, 50 f., 54, 59, 80, 166, 178, 182, 186, 188 – 190, 193 f., 199, 207, 214 – 217, 220 – sprachlich 1, 16, 23, 41 f., 48, 50, 63, 67, 72, 81, 122 f., 153, 166, 170, 184 f., 194, 209 – Sprachbeherrschung 166, 174, 216 – 220 – Sprachgebrauch 16, 32, 77, 104, 220, 226 – Sprachgewandtheit 73, 169, 208 f. – sprachhistorisch 32 – Sprachlehrer 81 – Sprachrichtigkeit 37, 73, 103, 216 – Sprachvermittlung 221 – Sprachwandel 80 Subskription 111, 116, 118, 157 Sulpicius 209 f. Syagrius 215 f., 219 Symmachus (hist. Person) 67, 88, 94, 95, 97, 108, 111, 159, 162, 180, 191 Symmachus (Figur in den Saturnalia) 8, 33, 39 f., 48, 51, 62, 66 f., 70 – 74, 76 f., 80, 82 – 84, 86, 90 – 92, 94, 97 f., 104 f., 107 ‚Symmachuskreis‘ 94, 95 Symposion 9, 14, 17, 39, 43, 56, 61, 63, 65, 78, 89, 93, 95, 100, 120, 126 f., 142, 148, 151, 226, 228 Symposionsdialog 8 f., 17, 60, 62, 84, 120, 121, 154, 227 – 229 Terenz 54, 160 f., 164 f. Theoderich 164, 212 – 215, 218, 222 Thomasakten 51 Tradierung, tradieren 1, 3, 6, 136, 154, 159, 224, 226, 229 f. Tradition 2 f., 13 f., 45, 66, 91, 101, 106, 114, 120, 123, 129, 133, 142, 145, 146, 147 – 150, 155, 199, 211, 221 f., 224 f., 227, 229, 230 f. – traditionell 45, 48, 89, 104, 114, 121, 124, 126, 134, 149, 155, 225 f., 228 f., 231 – Bildungstradition 114 – Traditionsbewusstsein 230 – Traditionsempfinden 141 – Traditionsstränge 120, 133, 141, 148, 230 Trajan-Legende 24

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Übersetzung 15, 67, 123, 125, 136, 144, 161, 207, 216, 217 Unterweisung, unterweisen 3 f., 47, 104, 113, 144, 160, 164, 193, 205, 224, 225 Vandalen, vandalisch 117 f. Varro 20, 25, 27, 35, 36, 40, 70, 73, 95, 123, 124, 125, 126, 133, 135 f., 141, 144 f., 148, 155, 206 f., 217, 227 f., 229 Vater 3, 10 f. , 16, 108, 162, 167 – 171, 196, 205, 210, 214, 230 Vegetius 94 Venus 25 – 29, 35 f., 49, 126 Verfall 1, 68, 118, 160, 179, 183 – 190, 199 f., 219, 223, 230 Vergil 11, 18, 20, 22, 27, 28, 36, 39 – 58, 61 f., 67, 70 – 72, 74 – 82, 86 f., 89, 92 f., 98 – 100, 107 f., 112, 214, 226 Verhalten, sich verhalten 48, 50, 60, 64, 69, 77, 79 f., 86, 88, 90 f., 93, 97 – 103, 105 f., 140, 164 f., 168, 171, 204 f., 209, 211, 213 f., 217, 222, 228 – Verhaltensänderung 100 – Verhaltensideal 98 – Verhaltensnormen 109 – Verhaltensweise 2, 57, 61, 65, 98, 101, 102, 109, 152, 165, 210, 213 Vermittlung, vermitteln 1 f., 7, 17, 38, 42, 49, 56 f., 92, 99, 104, 108, 109, 135, 143, 146, 148, 151, 155, 162, 192, 220 f., 223 – 225, 228 f., 231 Vettius 204 – 206 vetustas, Vorzeit, Altertum, Frühzeit 37, 41 f., 67 f., 72 – 74, 77, 80 f., 104 f., 226 Victorius 181 virtus 20 f., 23, 29 Virtus 119 vis 20, 21, 29 Voluptas 126 Vorbild 9, 16 f., 21, 44, 48, 50, 72, 94, 98, 101 f., 105 f., 120, 146, 159, 162 f., 171, 181, 204 – 206, 225, 227 f. – Vorbildfunktion 105 – vorbildhaft 16 – vorbildlich 50, 105, 196 Vorzeit s. vetustas

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Personen- und Sachindex

Weitergabe 193 f., 199, 221, 231 Werte 102 f., 149, 204, 222 f., 224 – Werteschema 219 – Wertesystem 213 – Wertvorstellungen 150 Westgoten 117, 157, 158, 190, 200, 212, 213 – 215, 218, 219, 222 Wissen 1, 2, 5 f., 12, 14 f., 19, 30, 37, 42, 44 – 46, 48, 52 f., 56 f., 59, 61, 62, 66 f., 69, 71, 73 f., 79, 80, 81 f., 92, 98, 102 – 106, 108, 109, 114, 119, 124 f., 129, 134, 136, 139 – 142, 144, 146 f., 150 f., 155, 161, 173 – 176, 181, 188, 192 – 195, 221 – 223, 226 – 230 – Alltagswissen 37 – Bildungswissen 127, 135 – Detailwissen 109 – enzyklopädisches Wissen 206, 225 – Fachwissen 93, 173, 224, 225, – Faktenwissen 31, 155, 228 – Handbuchwissen 109, 223, 225 – Kulturwissen 73 – Kultwissen 45 – Lehrbuchwissen 223 – Sachwissen 38, 108 – Spezialwissen 56 – Vorwissen 104 – Weltwissen 147, 173, 17

– Wissensbetrieb 154 – Wissenserwerb 14, 142 – Wissensgebiet 66 , 71, 81, 105, 125, 176, 199, 221 – Wissensinhalte 142, 146 – Wissenskanon 30 – Wissenskontinuität 231 – Wissenskultur 231 – Wissensmittlerin 155 – Wissensquelle 227 – Wissenssammlung 224 – Wissensschätze 141 – Wissensstand 71, 85, – Wissenssystem 151, 155 – Wissensvermittlung 92, 135, 151, 224 – Wissenszentrum 155 Wissenschaft, wissenschaftlich 76, 104, 107, 109, 113, 121 f., 124, 129, 133, 142, 154, 173 f., 177 f., 183, 190, 194, 221, 227, 229, 231 wissenswert, Wissenswertes 2, 11, 17, 30, 103, 152 Zensur 113 Zusammenstellung, zusammenstellen 3, 11, 17, 32, 41, 53, 63, 93, 94, 103, 113, 122 f., 125, 135, 143, 168, 226

Stellenverzeichnis Die kursiv gesetzten Zahlen verweisen auf Fußnoten.

Alc. Avit. epist. 51 (p. 81, l. 1 – 2) 169 epist. 51 (p. 79, l. 31 – 33) 169 Ambr. epist. 1, 1 203 in Luc. 5, 18 89 in psalm. 118, 20, 40 201 virg. 1, 4, 19 188 Amm. 14, 6 95 28, 4 95 Aug. anim. 4, 7, 9 56 c. Faust. 18, 5 35 civ. pr. 46 civ. 4, 11 20 civ. 4, 8 25 civ. 6, 2 135 cons. evang. 1, 23, 35 150 cons. evang. 1, 29, 45 27 in Joh. ev. tract. 36, 1 136 in psalm. 113, 2, 4 27 retract. 1, 6 125 Auson. prof. Burd. 2, 21 181 prof. Burd. 5 181 prof. Burd. 6 181 prof. Burd. 15 181 Bibl. Dtn. 21, 11 – 13 208 Eph. 6, 12 188 Joh. 12, 31 188 Joh. 16, 11 188 Lk. 5, 31 89 Lk. 6, 38 201

Boeth. cons. 4, 1, 131 – 140 131 cons. 4, 3, 1 – 4 131 cons. 4, 6, 200 – 203 131 cons. 4, carm. 2 131 Porph. isag. p. 31, 21 – 23 112 Cassiod. in psalm. 10, 7 112 inst. 2, 2, 17 114, 147 inst. 2, 3, 20 114 var. 4, 33, 1 214 var. 9, 14, 8 214 Chalc. transl. p. 50e 15 Cic. ac. 1, 8 144 f. ac. 1, 9 135 ac. 2, 7 59 ad Q. fr. 3, 5, 1 – 2 58 Arch. 18 49 Cato 3 59 de orat. 1, 69 – 73 224 de orat. 1, 99 64 de orat. 1, 158 – 159 224 de orat. 2, 361 64 div. 2, 47 21 fam. 9, 8, 1 59 fam. 16, 21, 4 145 fin. 5, 1 64 Lael. 3 59 nat. deor. 2, 64 150 nat. deor. 2, 66 27 nat. deor. 2, 67 35 rep. 1, 14 64 rep. 6, 2 20 rep. 6, 16 126

262

Stellenverzeichnis

Cinc. fr. 1 36

praef. 11 praef. 13 praef. 14 praef. 16 11, 8 16 13, 11, 2

Claud. 22, 160 214 Claud. Don. Aen. 1, praef. 10, 11, 51, 108 Claud. Mam. anim. praef., p. 18, l. 2 – 3 epist. 2 171, 177 – 180 Cod. Iust. 1, 1, 3, 1 113 Decr. Grat. D. 15, c. 3 51 Diog. Laert. I 79 136 Diom. gramm. I 485 135 Ennod. opusc. 3 § 90 215 Eutr. 8, 4 – 5 214 Firm. err. 4, 1, 3 27 Flor. Verg. III, 5 99 Fulg. myth. 1, 2 150 serm. ant. 45 114 f. Gell. praef. 1 10 praef. 2 12 f. praef. 3 13 praef. 4 139 praef. 4 – 10 13

172

12 12 16 12 f., 16 95

Greg. Tur. Franc. 2, 37 160 Franc. 3, 2 160, 169 Franc. 10, 31 114 glor. mart. 44 160 vit. patr. 4, 1 160 Hdt. 2, 37

25

Herodian 1, 10, 5 152 Hier. c. Ioh. 8 96 chron. p. 239, l. 18 181 epist. 21, 13, 5 – 9 208 epist. 21, 13, 8 89 epist. 53, 7, 1 51 epist. 53, 7, 3 52 epist. 120 praef. 181 in Is. lib. 8, praef. 181 in Mich. 2, 7, l. 250 – 254 44 Hom. Il. Α 51 22 Il. E 31 36 Od. ξ 162 33 Hor. ars 333 – 334 145 epist. 1, 2, 2 – 3 50 epist. 2, 1, 50 44 epist. 2, 1, 117 51 serm. 1, 1, 23 143 serm. 2, 2, 1 115 f. serm. 2, 7 149 Isid. orig. 1, 39, 26 52

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orig. 5, 33, 7 35 vir. ill. 22 51 Iuv. 1, 86 135 6, 434 – 437 56 11, 160 68 11, 179 – 182 56 Jul. Caes. 1 149 Or. in Sol. reg. 44 149 Lucian. cont. 7 136 Lex. 20 – 21 136 Lucr. 2, 1144 – 1174 188 2, 1173 – 1174 188 Macr. diff. 110, 111 Sat. praef. 8 – 18 praef. 1 9 praef. 1 – 2 10 praef. 2 11, 12, 55 praef. 2 – 10 9 praef. 3 13 f. praef. 3 – 4 14 praef. 5 – 9 9, 135 praef. 8 15 praef. 10 12, 42 praef. 11 12, 13, 16, 111 praef. 11 – 15 9 praef. 16 9 1 18 – 38, 42, 100, 111 1, 1 8 – 18 1, 1, 2 – 3 62 1, 1, 2 – 4 207 1, 1, 3 17 1, 1, 4 17, 61, 74, 93, 97 1, 1, 5 106 1, 1, 5 – 6 17, 97 1, 1, 7 73

1, 2 9 1, 2 – 3 18 1, 2, 3 73 1, 2, 5 94 1, 2, 7 81 1, 2, 9 81 1, 2, 15 72, 79, 80 1, 2, 16 66, 77 1, 2, 16 – 17 73 1, 3, 1 72, 91 1, 4 80 1, 4 – 5 105 1, 4, 1 66, 77 1, 4, 2 77 1, 4, 2 – 3 100 1, 4, 3 – 16 32 1, 4, 4 73, 80, 90, 91 1, 4, 26 – 27 80 1, 4, 27 91 1, 5, 1 – 3 100, 226 1, 5, 4 92 1, 5, 11 66 1, 5, 13 66, 74 1, 5, 13 – 16 71 1, 5, 16 74 1, 6 67 1, 6, 2 66, 81 1, 6, 3 77 1, 6, 4 70, 74 1, 6, 26 77 1, 7 18 1, 7 – 8 67 1, 7 – 10 149 1, 7, 1 82 1, 7, 2 85 1, 7, 3 84 1, 7, 4 85 1, 7, 5 68, 86, 89, 90 1, 7, 7 69 1, 7, 8 48 1, 7, 12 86 1, 7, 17 30, 67, 77, 91 1, 7, 18 – 33 32 1, 7, 19 34 1, 7, 34 73 1, 8, 14 – 15 36 1, 9 34 f.

263

264

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1, 9, 16 36 1, 10, 18 27 1, 11 18, 69 1, 11, 1 86, 89 1, 11, 2 90 1, 11, 46 – 50 33 1, 12 – 16 18, 67 1, 12, 1 91 1, 12, 8 – 15 34, 35 f. 1, 12, 9 36 1, 12, 13 36 1, 12, 17 95 1, 15, 1 – 2 84 1, 15, 20 27 1, 16, 12 44 1, 16, 37 84, 91 1, 16, 37 – 38 92 1, 16, 38 74, 84 1, 17 – 23 18, 19 – 31, 67 1, 17, 1 30, 67, 77 1, 17, 2 28 1, 17, 2 – 6 19 – 21 1, 17, 4 28, 29, 53 1, 17, 7 22 1, 17, 7 – 10 22 1, 17, 7 – 65 21 1, 17, 7 – 1, 23, 16 19 1, 17, 9 27 1, 17, 9 – 15 22 1, 17, 11 26 1, 17, 12 22 1, 17, 13 29 1, 17, 15 – 29 24 1, 17, 16 29 1, 17, 16 – 18 22 1, 17, 17 23, 26 1, 17, 21 26, 29, 36 1, 17, 22 26 1, 17, 25 – 29 24 1, 17, 28 30 1, 17, 33 22 1, 17, 34 36, 53 1, 17, 38 36 1, 17, 42 29 1, 17, 43 – 44 22 1, 17, 44 36 1, 17, 50 – 60 24

1, 17, 52 – 54 26, 27 1, 17, 54 27 1, 17, 67 – 68 23 1, 17, 68 – 70 23 1, 17, 70 26, 29 1, 18 21 1, 18, 4 36 1, 18, 17 29 1, 18, 23 26 f., 27, 28, 36, 53 1, 18, 24 29, 53 1, 19, 1 – 6 21 1, 19, 2 29 1, 19, 6 29 1, 19, 7 – 18 21 1, 19, 9 36 1, 19, 15 29 1, 19, 17 29 1, 20, 1 25, 27, 29 1, 20, 1 – 5 21 1, 20, 2 29 1, 20, 6 29 1, 20, 6 – 12 21 1, 20, 13 – 18 21 1, 20, 18 26, 27 1, 21, 1 26, 27, 29 1, 21, 1 – 6 21 1, 21, 3 26, 27 1, 21, 6 26 1, 21, 7 – 10 21, 26, 28 1, 21, 8 27 1, 21, 11 27 1, 21, 11 – 13 21 1, 21, 14 21 1, 21, 17 29 1, 21, 18 – 27 21 1, 21, 23 53 1, 21, 24 20 1, 22, 1 21, 28 1, 22, 2 – 7 21 1, 22, 4 36 1, 22, 8 21, 24, 29 1, 23, 1 36 1, 23, 1 – 16 21 1, 23, 8 27 1, 23, 14 – 16 24 1, 23, 17 – 20 21 1, 23, 17 – 22 19

Stellenverzeichnis

1, 23, 18 27, 29 1, 23, 20 27 1, 23, 21 36 1, 23, 21 – 22 21 1, 23, 22 30 1, 24 39 f., 67, 92 1, 24, 1 86 1, 24, 1 – 14 71 1, 24, 2 – 7 89 1, 24, 5 71 1, 24, 6 46 1, 24, 7 86 1, 24, 8 44, 80 1, 24, 8 – 9 51 1, 24, 9 89 1, 24, 10 – 11 39 1, 24, 12 107 1, 24, 13 48 1, 24, 17 70 1, 24, 18 75 1, 24, 20 77 1, 24, 22 – 23 149 1, 24, 25 70 2, 1, 1 68 2, 1, 2 – 3 97 2, 1, 3 88 2, 1, 5 62, 78 2, 1, 5 – 6 62 2, 1, 7 68 2, 1, 8 71 2, 2 92 2, 2, 4 70 2, 2, 12 80 2, 2, 15 84 2, 3 71 2, 3, 14 – 15 77 2, 3, 15 92 2, 5 78 2, 6, 1 78 2, 7, 1 78 2, 7, 10 78 2, 8, 1 78, 88 2, 8, 2 70, 72 2, 8, 4 62 2, 8, 5 75 2, 8, 16 48 3 50, 67, 70

3 – 6 39, 43, 45, 56 f. 3, 1 – 12 40 3, 4, 8 27 3, 7, 8 67, 109 f. 3, 9, 16 40 3, 10 – 12 40 3, 10, 2 89 3, 10, 5 90 3, 11, 5 67 3, 12, 1 89 3, 14, 1 73 3, 14, 2 226 3, 18 – 20 81 3, 20, 8 66 4 41 5, 1, 1 82 5, 1, 2 78, 82 5, 1, 13 82 5, 1, 18 82 5, 2, 4 – 5 91 5, 2, 4 – 8 75 5, 2, 8 91 5, 3, 16 78 5, 4, 1 41, 78 5, 7, 4 110 5, 13, 5 74 5, 13, 33 41 5, 13, 37 41 5, 13, 40 75 5, 17 – 18 41 5, 17, 4 75 5, 18, 1 76 5, 18, 3 76, 107 5, 18, 11 75 5, 19, 18 – 23 75 5, 20, 18 75 5, 22, 10 76 5, 22, 14 76 6 43, 70 6, 1, 1 75 6, 4, 1 73, 74 6, 6, 1 41, 73, 81 6, 6, 2 91 6, 6, 7 – 8 81 6, 6, 14 81 6, 7 – 9 41, 80 6, 7, 1 66, 77

265

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6, 7, 3 79, 80, 81 6, 7, 4 78, 108 6, 8, 17 91 6, 9, 2 – 3 107 6, 9, 3 78 6, 9, 4 80 6, 9, 7 44 f. 6, 9, 9 81 7 31 f., 42, 63, 68, 71, 86, 87, 91, 98 7, 1 – 2 90 7, 1, 5 76 7, 1, 8 74 7, 2 91 7, 3 62, 76 7, 3, 1 78 7, 3, 23 77, 79 7, 4 – 13 92 7, 4, 1 79, 82 7, 4, 3 83 7, 4, 8 66, 83 7, 4, 13 83 7, 4, 33 83 7, 5, 1 83 7, 5, 2 86 7, 5, 3 – 4 91 7, 5, 4 72, 83, 92 7, 5, 5 76 7, 5, 33 83 7, 6 70 7, 7, 1 83 7, 7, 2 84 7, 7, 13 72, 82 7, 8, 7 73, 91 7, 9, 8 87 7, 9, 10 83, 90 7, 9, 26 87 7, 10, 1 82 7, 11, 1 80 7, 11, 10 80 7, 12, 21 79 7, 12, 22 79 7, 12, 38 79 7, 13, 1 84 7, 13, 9 84 7, 13, 11 73 7, 13, 21 76 7, 14, 5 90

7, 15, 13 – 14 91 7, 15, 14 76 7, 16, 1 88, 92 7, 16, 15 99, 109 7, 16, 19 88 7, 16, 20 76 somn. 20, 27, 53, 111, 112 1, 2 19 1, 2, 21 19, 128 1, 11 20 1, 17, 15 27 1, 20, 4 – 5 20 2, 8, 8 44 Manil. 1, 758 – 800 126 1, 801 – 804 126 4, 542 188 Mart. 2, 41 138 Mart. Cap. 1 118, 119, 128, 132 1, 1 124 1, 2 115, 120, 137, 138, 143, 150, 156 1, 6 – 7 128 1, 21 – 22 133 1, 91 – 93 133 2 129 f., 132, 136, 142 2, 102 – 103 129 2, 135 – 136 129 2, 200 129 2, 201 – 205 142 2, 206 129 2, 219 121 2, 219 – 220 121 2, 219 – 3, 222 151 2, 220 121, 131 3 132 3 – 5 122 3 – 9 119, 122, 126, 129, 133, 142 3, 221 – 222 132 3, 223 122, 127 3, 326 122 4, 327 133

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4, 328 127 4, 335 135 4, 423 122 4, 423 – 424 133 5, 425 133 5, 517 135 5, 565 122 5, 566 133 6 122, 124, 137 6 – 9 122 6, 567 – 574 133 6, 574 123 6, 575 116 6, 576 134, 137 6, 576 – 579 137 6, 586 – 703 124 6, 637 117 6, 639 135 6, 662 135 6, 669 117 6, 670 117, 122, 226 6, 704 126 6, 705 – 723 124 6, 723 122 7, 725 – 727 126, 146 7, 728 127 8 138 8, 802 133 8, 803 – 805 137, 141, 146 8, 803 – 810 151 8, 805 126, 133 8, 806 114, 137 8, 806 – 810 137 8, 807 136 f. 8, 808 133, 137 8, 810 127 9 124, 127, 133 9, 888 133 9, 891 104, 122, 127 9, 902 – 903 127 9, 905 – 909 122 9, 911 – 919 124, 133 9, 928 135 9, 996 122, 124, 127 9, 997 115, 121, 143 9, 997 – 998 139 9, 997 – 1000 133, 139, 151

9, 998 123, 134 9, 999 114 – 117 9, 999 – 1000 140 Min. Fel. 19,10 27 Ov. ars 3, 281 – 282 138 fast. 4, 85 – 90 35 met. 1, 170 – 176 126 Pelagon. 354 21 Petron. 133, 137 44, 3 149 58, 2 149 69, 9 149 Plin. nat. 5, 24 – 25 123 Plin. epist. 8, 14, 6 10 paneg. 2, 3 214 Plu. Sert. 3, 3 216 quaest. conv. 2, 1, 3 – 12 62 Quint. inst. 3, 1, 21 181 inst. 12, 2, 1 99 Rufin. Orig. in Rom. 8, 2

21

Ruric. epist. 26 169 f. Sen. contr. 1, praef. 6 – 7 187 Sen. apocol. 8, 1 149 apocol. 12, 2 149

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Stellenverzeichnis

benef. 4, 7, 2 21 epist. 84 14 f. Serv. georg. 1, 21 20 georg. 1, 229 45 SHA 151 – 154 Alex. 20, 3 214 Aurelian. 152 f. Aurelian. 1, 1 152 Aurelian. 2, 1 – 2 152 f. Opil. 1, 5 152 Pius 6, 4 214 Quadr. tyr. 1, 2 152 Quadr. tyr. 33, 8 153 Sid. carm. 5, 218 – 227 217 5, 235 – 253 217 7, 369 – 371 217 7, 495 – 499 214 9, 9 202 12, 11 211, 215 17 166 22 194 f. 23 177, 183 24, 94 192 epist. 1, 1, 1 159 1, 1, 4 157 1, 2 212 1, 2, 1 213 f. 1, 2, 6 214 1, 4 168, 198 1, 4, 1 – 2 196 f. 1, 6 197 1, 7, 6 212 1, 9, 1 195 2, 1, 2 212 2, 2 158 2, 9 206 – 208 2, 10 190 2, 10, 1 187 2, 10, 5 – 6 191

2, 13, 1 158 3, 1, 5 158 3, 2, 2 212 3, 3 180 3, 6, 2 197 3, 8 198 3, 13 164 – 166, 209 3, 14, 1 202 4, 1 192 f. 4, 2 172 4, 3 172 – 174, 208 4, 3, 2 158, 172, 174 4, 8 215 4, 8, 5 202 4, 9 204 – 206 4, 10, 1 158 4, 11 171, 174 – 176, 183 4, 12 160 – 162 4, 16 158 4, 17 194, 218 4, 17, 1 194 4, 17, 2 189 f. 4, 18, 3 202 4, 20 217 4, 24, 5 212 5, 1, 1 158 5, 2 158, 176 f. 5, 5 215 f. 5, 8 158 5, 9 166 f. 5, 10 171, 177, 180 – 182, 184, 195 f. 5, 11 163, 195 5, 11, 1 193 5, 15, 1 158 5, 16 198 5, 16, 4 167 5, 16, 5 160 5, 17, 11 158 7 203 7, 3 158 7, 6 158 7, 7, 5 212 7, 9 222 7, 12 203 f., 206 7, 12, 3 211 7, 12, 4 211 7, 13 209 f.

Stellenverzeichnis

7, 18, 1 158 8, 2 184, 188 f., 219 8, 3, 18 158 8, 4 201 – 203 8, 4, 1 194, 195 8, 5 222 8, 6 187 f. 8, 6, 4 186 8, 6, 13 – 15 217 8, 6, 18 161, 217 8, 9, 5 158 8, 9, 5, vers. 20 – 27 217 8, 9, 5, vers. 42 – 44 158 8, 10 202 f. 8, 11 194 8, 16, 2 202 9, 1 167 – 169, 184 f. 9, 7, 1 158 9, 9 208 f. 9, 9, 3 158 9, 9, 16 185 9, 11, 6 158 9, 11, 8 167 9, 13 202 Suet. Tib. 70, 3

106 f.

Symm. epist. 1, 47, 2 67, 108 epist. 1, 51, 1 108 epist. 2, 53 108 epist. 4, 20, 2 162

epist. 6, 7

88

Ter. Eun. 264 165 Hec. 160 f. Tert. idol. 10 49 Tib. 1, 1, 25

115 f.

Varro disc. 125, 227, 228 f. ling. 6, 33 35, 36 Men. 199 – 210 136 Men. 348 – 369 136 rust. 3, 17, 4 135 Verg. Aen. 1, 8 20 Aen. 1, 254 49 Aen. 4, 173 – 197 49 Aen. 4, 238 – 258 49 Aen. 6, 853 46 Aen. 10, 467 33 Aen. 11, 725 49 georg. 1, 6 33, 39 Xen. Smp. 3, 5 – 6 56 Smp. 6, 1 – 2 91 Smp. 6, 8 62

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