Bilder aus Geschichte und Leben in Gedichten [Reprint 2020 ed.]
 9783112375020, 9783112375013

Table of contents :
Inhalt
Beiwort
Geschichte
1. Hektor und Ajar
2. Marcus Koriolan
4. Ahasver
5. Ein letzter Gruß
6. Des Wickings Todesfahrt
7. Der Nibelungenhort
8. Deutsche Sangeslust
9. Severin und Odoaker
10. Der Tod des Heiligen Adalbert von Prag
11. Wie Wittekind ein Christ ward
12. Kaiser Karl und Herzog Tassilo
13. Kaiser Heinrich des Vierten Letzte Weihnacht
14. Sängertreue
15. Die treuen Vögel
16. Die Geißelbrüder
17. Heldentod
18. Kriegers -Abschied
19. Der sterbende Schwabenkrieger bei Wörth
20. Im Spiegelsaale zu Versailles
21. Zum 81. Geburtstag Bismarcks
22. Des Kaisers Leihrotz
23. Zur Einweihung des Nord-Ostsee-Kanals (1895)
24. Treu bis zum Tode
25. Kinderleben
26. Die Jahreszeiten
27. Das Englein
28. Die Kranke und das Kind
29. Des Musikers Töchterlein
30. Schwanenlied
31. Im Försterhaus
32. Drei Röslein
33. Des Türmers Tod
34. Die alten Meiden
35. Zigeunerlos
36. Im Gold erstickt
37. Die Memnonssäulen
38. Das Singenthal
Eine Weihnachtsfeier. Es ist ein' Ros' entsprungen

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HM-r aus

Ultö in Gedichten

Tb. IKöstlin.

Gießen

A. Mcker'scbe Verlagsbucbbsndlung 1899.

Alle Rechte Vorbehalten.

Inhertt.

Aus der Geschichte.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 16. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

@clte

Hektor und Ajax.......................................................................... 1 Marcins Koriolan.................................................................... 3 Legende......................................................................................... 5 Ahasver......................................................................................... 6 Ein letzter Gruß............................................................. . 15 Wickings Todesfahrt.................................................................. 16 Der Nibelungen Hort............................................................. 17 Deutsche Sangeslust.................................................................. 19 Severin und Odoaker............................................................. 20 Der Tod des heiligenAdalbert von Prag......................... 22 Wie Wittekind ein Christ ward............................................. 24 Kaiser Karl und Tassilo........................................................ 26 Kaiser Heinrichs IV. letzte Weihnacht.............................29 Sängertreue............................................................................. 30 Die treuen Bögel.................................................................. 32 Die Geißelbrüder.................................................................. 34 Heldentod.................................................................................. 36 Kriegers Abschied.................................................................. 37 Dersterbende Schwabenkrieger............................................... 37 Im Spiegelsaale zu Versailles.............................................. 38 Zum 81. Geburtstage Bismarcks....................................... 39 Des Kaisers Leibroß............................................................... 40 DerNord-Ostsee-Kanal......................................................... 41 Treu bis zum Tode.................................................................. 42

Inhalt.

IV

Ausdem Leben. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38.

Seite

Kinderleben.............................................................................. 47 Die Jahreszeiten......................................................................... 48 Das Engelein.............................................................................. 49 Die Kranke und das Kind.................................................... 51 DeS Musikers Töchterlein......................................................... 52 Schwanenlied.............................................................................. 54 Im Försterhaus . . . ......................................................... 65 Drei Röslein.............................................................................. 56 Des Türmers Tod.................................................................... 58 Die alten Weiden.............................. .... 59 Zigeunerlos.............................................................................. 61 Im Gold erstickt .................................................................... 62 Die Memnonssäulen...............................................................64 Das Singenthal......................................................................... 65

Eine Weihnachtsfeier.

Es ist ein' Rosi entsprungen.

.

68

Weiwort. Daß diese Gedichte sich in die Öffentlichkeit wagen, ge­ schieht nur,

weil

vielseitige Aufforderung dazu

ergangen ist,

und zwar von solcher Seite, die nicht unbeachtet bleiben durfte.

Die Dichterin selbst ist viel zu bescheiden, daran zu denken. Vielleicht kommen sie absichtslos einem Bedürfnis entgegen,

das schon hier und da empfunden worden ist.

Es fehlt für den

Unterricht in der Geschichte, insbesondere an den Töchterschulen, an Anschauungsbildern,

die den

oft

trockenen Stoff beleben.

Nun giebt es ja Gedichte, weit bessere, als die vorliegenden,

die diesen Zweck erfüllen; aber solcher, die ohne weiteres den Mädchen in die Hand gegeben, auf allen Stufen zum Bortrag

gebracht und gelernt werden können, sind es nicht allzu vieleHier könnten diese Gedichte vielleicht eine Lücke ausfüllen und einen Dienst leisten.

Geschichte.

1.

Hektor und «Ajax. Hell glänzt des Telamoniers Schild Im lichten Morgenrot, Es lechzt sein Herz so kampfeswild Nach Streit und Heldentod.

Auch Hektors klares Auge sprüht In frischer Kampfeslust, Und frohes Siegesahnen glüht In seiner edlen Brust. Und sieh! In mächt'gem Schwünge schon Saust durch die Lust sein Speer, Dringt in den Schild mit hellem Ton, Es bangt der Griechen Heer. Des Telamoniers Lanze fliegt, In Stücke bricht der Schild, Doch Hektor steht noch unbesiegt, Wie blickt sein Auge wild!

Mann gegen Mann geht's kampferglüht, Die Waffen glänzen licht; Ha! wie des Troörs Auge sprüht, Wie tapfer Ajax ficht!

2

Aus der Geschichte. Doch keinem soll der Heldentod Im Streit beschieden sein, Schorr schimmert Jliums Zinne rot Im Abendsonnenschein. Da schleudert Ajax einen Stein Dem Feinde ins Gesicht, Der streift wohl Hektors Hals, allein Er trifft den Helden nicht.

Und als zur raschen Gegenwehr Der Trotzr greifen will, Da ruft Jdäus: „Nimmermehr! Ihr Tapfern, haltet still!

Ihr Mit Nun Und

habt gekämpft mit Löwenmut, Speerwurf, Lanze, Stein, schonet euer Heldenblut zieht ins Lager ein!"

Der Herold spricht's, und Beifall tönt Aus Trojas Kriegerreih'n, Es stimmt die Griechenschar versöhnt In ihren Jubel ein.

Da strahlt des edlen Hektors Blick In reinem Freudenschein. Er spricht zu Ajax: „Das Geschick Ließ keinen Sieger sein! Doch nimmer scheid' ich als ein Feind Bon dir, du wack'rer Mann, Nimm diese Gabe, treugemeint, Aus Hektors Händen an!"

Und freudig reicht er zum Geschenk Sein Schwert dem Griechensohn, Der bietet Gurt und Wehrgehenk Dem Troörheld zum Lohn.

Zwei Feinde sind zum Heldenstreit Am Morgen ausgerückt, Zwei Freunde ziehen zur Abendzeit Ins Lager hochbeglückt.

2.

(Narcius 'Kortofan. „Horch! Drohend Weh', es Der uns

Was ist das? Feinde nah'n Romas Thoren, ist Koriolan, Haß geschworen!"

Also geht's in bangem Ton Durch Plebejerreihen, Denen der Patriziersohn Nimmer kann verzeihen. Seit dem armen Volk sein Recht Endlich ward erstritten, Ist von wildem Haß bewegt Er hinausgeritten.

Mit der Naht er Naht er Drin er

Volsker Schar vereint Romas Thoren, jener Stadt als Feind, einst geboren.

„Stolzer Feldherr, edler Mann, Höre unser Flehen, Hör', o höre gnädig an, Die hier vor dir stehen!

Zieh' der Feinde Schar zurück Bon der Heimat Thoren!" Also fleh'n mit bangem Blick Priester, Senatoren.

Aus der Geschichte. Doch umsonst! Mit finsterem Blick Bleibt der Feldherr stehen, Trauernd müssen sie zurück Aus dem Lager gehen. „Hör' mein heißes Bitten an, Schaue deine Kleinen, Wie sie vor dem harten Mann Bebend, stille weinen!"

Also fleht Bolumnia Zu dem Gatten leise, Schweigend steht der Feldherr da In gewohnter Weise. „Höre mich, Korivlan, Sieh' die weißen Haare Deiner treuen Mutter an, Denk' entschwund'ner Jahre!

Denk' der Zeit, da du geruht Froh in meinen Armen, Laß von deinem harten Mut! Hab', o hab' Erbarmen! Laß der Volsker wildes Heer Zieh'n von Romas Thoren, Zürne dieser Stadt nicht mehr, Drin du einst geboren!" Leise bebt der harte Mann Bei der Greisin Flehen; „Mutter", spricht er, „nimmer kann Ich dir widerstehen;

Alle Feinde ziehen noch Heut' von Romas Thoren, Rom hast du gerettet, doch Deinen Sohn verloren!"

Was er sprach, das ward zur That; Helle Friedenslieder Schallen in der Hügelstadt, Frei ist Roma wieder.

Und im Morgengrauen fand Man nach wenig Tagen Marcius von Feindeshand Auf dem Feld erschlagen.

3.

Lsgenöe. Zu Murillos Bild: Jesus und Johannes aus der Muschel trinkend.

Die Sommersonne blickt mit mildem Strahl Herab auf Galiläas grüne Triften, Zwei Kinder spielen froh im Wiesenthal, Das Haar umspielt von lauen Zephyrlüften. Ein Der Mit Und

weißes Lämmchen führt am leichten Band Ältere, ein sonngebräunter Knabe, sanftem Blick und wegeskund'ger Hand, willig folgt es seinem Hirtenstabe.

Der Jüngere im lichten Lockenhaar Springt froh voran im schlichten Hirtenkleide, Aus seinen Augen leuchtet wunderbar Die Königshoheit und die Kindesfreude. Aus Im Mit Die

einer Felsenspalte sprudelt hell grünen, blumenreichen Wiesenthale munterem Geschwätz ein Silberquell, Wellen glitzern bunt im Sonnenstrahle.

Und Mit Um Am

eilig nahen sich dem klaren Bach ihrem Lamm die kleinen Hirtenknaben, sich, ermüdet von dem heißen Tag, kühlen Wasser fteudig zu erlaben.

Aus der Geschichte.

6

Drauf faßt der Ält're kundig und gewandt Das klare Naß in einer Muschel Schalen Und wie in Ehrfurcht reicht es seine Hand Dem Jüngern, dessen Augen fröhlich strahlen.

Bald ist des holden Knaben Durst gestillt, Und wie er dem Gefährten dankend reichet Die Labung, strahlt sein Angesicht so mild, Daß sich der Andre, tief ergriffen, neiget.

Doch als das Himmelskind ihn freundlich mahnt, Die durstige Kehle freudig zu erquicken, So folgt er, willenlos, wie festgebannt Bon des Gespielen königlichen Blicken. Nun Und Der Die

ist der erste, heiße Durst gestillt, weiter lenket er das Lamm am Bande, Kleine aber bleibet stehen und füllt Muschelschale nochmals bis zum Rande.

Er reicht sie sanft mit wundersamer Huld Dem kleinen Tier und wartet, bis erquicket Auch es, in milder, himmlischer Geduld, Dann folgt er dem Gefährten still beglücket.

4. «Aßasver.

i. Welch' langer Zug bewegt sich dort Zur Schädelstätte langsam fort Im heißen Sonnenbrände? Hörst du der Frauen Klageton? Sie weinen um den Gottessohn, Um seine Schmach und Bande.

Siehst du der Krieger rohen Troß? Ein jeder spornet den Genoß Zu neuem Spott und Hohne; Boran dem Zuge geht gebückt, Bon seines Kreuzes Last bedrückt, Der Herr vom Himmelsthrone. Da plötzlich wird die Last zu schwer, Er stöhnet leis, er kann nicht mehr, Da hemmt er seine Schritte Bor eines Juden Haus und fleht Zu dem, der vor der Thüre steht: „O, höre meine Bitte!

O, gönne mir nur kurze Rast, Daß neugestärkt ich meine Last Zur Schädelstätte trage! Es lohnt dir reich des Menschen Sohn Dereinst auf seines Bater Thron Die That am jüngsten Tage!"

„Hinweg mit dir!" spricht Ahasver, So hieß der Jude, „nimmermehr Beschreitest du die Schwelle! Mein Haus betritt ein Schächer nicht! Und wenn die Last dein Herze bricht, So stirb' auf dieser Stelle!" Da richtet sich der Gottessohn Empor und spricht in hehrem Ton: „Weil du des Heilands Klage In schnödem Spott verschmähet hast, So wandre, wandre ohne Rast Du bis zum jüngsten Tage!

Von Mond zu Mond, von Jahr zu Jahr Sollst du nun schleppen immerdar Des Lebens schwere Bürde!" Und weiter geht der Gottessohn, Es strahlt sein Aug' trotz Spott und Hohn In königlicher Würde!

8

Aus der Geschichte.

II.

Schrill tönet von des Städtchens Turm Die Feuerglocke, — das ist Sturm! — Und alles eilt zusammen! Ein jeder ist vom Schlaf erwacht, Und taghell wird die dunkle Nacht Bom roten Schein der Flammen. Schon spritzt empor der kalte Strahl, Da nähert sich mit einemmal Ein Greis am Wanderstabe, Es ist der Jude Ahasver, Der kommt aus weiter Ferne her Und sucht nach einem Grabe.

Und wie er sieht die rote Glut, Da faßt er neuen Todesmut Und stürzt sich in die Flammen, Und niemand sieht den niüden Greis, Bald schlägt die Lohe glühend heiß Wohl über ihm zusammen.

Entschwunden ist die Schreckensnacht, Gelöscht die Glut, der Tag erwacht, Doch aus dem Flammengrabe Erhebt zur frühen Morgenstund' Der Alte sich, vom Brande wund, Und greift zum Wanderstabe. „Wohl schmerzt die Wunde!" spricht er leis, „Die Glut war rot, die Glut war heiß, Doch weiter muß ich wandern. Jehovahs Fluch, er lastet schwer, Drum weiter, weiter, Ahasver, Von einer Stadt zur andern!"

Aus der Geschichte. III. Die Welle tobt, es braust das Meer, Es heult der Sturm vom Norden her In schauerlichem Tone. Und durch die Wogen zieht ein Kahn, Drin sitzt ein braver Fischersmann Mit seinem kleinen Sohne. Sie suchen, ob vom Wind bedroht Ein Schiff, ein Mensch in Todesnot; Sie kennen Sturm und Wetter. Wie manchem ward ihr wackrer Mut Beim Kampfe mit der wilden Flut Zum Helfer und Erretter.

Doch nirgends ist ein Schiff in Not, Schon segelt heim das schlichte Boot, Da zeigt vom roten Scheine Der Bootslaterne grell bestrahlt Sich eine wankende Gestalt — Erschrocken ruft der Kleine: „Sieh, Vater, sieh! Ein Mensch in Not! Da schwimmt, von Wogen rings bedroht, Ein Mann mit weißen Haarm! Er sinkt! — Nun taucht er wieder auf! — O, laß uns doch in schnellem Lauf Zu ihm hinüberfahren!"

Der wackre Fischer spricht nicht viel Und lenket durch der Fluten Spiel Sein Schifflein nach der Stelle. Da ringt und kämpft ein müder Greis, Deß Lippe aber murmelt leis: „O, nimm mich auf, du Welle! O, nimm mich auf, du wildes Meer, O, hilf dem armen Ahasver Zum heißersehnten Grabe!"

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Aus der Geschichte.

Und wie er sieht den Rettungskahn, Da ruft er bittend: „Hör' mich an, Du frischer, kleiner Knabe! Und du, o wackrer Fischersmann, Lenk' heimwärts eilends deinen Kahn, Ihr möchtet sonst verderben! Ich bin der Jude Ahasver Und wünsche hier im wilden Meer Zu sterben, ach, zu sterben!" Dem Fischer wird so seltsam bang. Wie er vernimmt der Stimme Klang, Sie klingt, wie aus dem Grabe. Er lenkt sein Schiff zum Heimatport. „O, Vater, Vater, laß uns fort!" Spricht schaudernd leis der Knabe.

Es liegt im Morgensonnenschein Das Meer so friedlich, klar und rein, Kein Hauch bewegt die Wogen. Da keucht gebückt dahin am Strand Ein Mann im triefenden Gewand Und murmelt dumpf: „Betrogen! Betrogen hast du mich, o Meer, Auch du, auch du hast Ahasver Kein Grab zur Ruh' beschieden. So wandr' ich weiter todesmüd', Bon Ost nach West, vom Nord zum Süd Und finde keinen Frieden!"

IV. Der Abendsonne gold'ner Strahl Beglänzet sanft zum letzten Mal Der Alpen höchste Spitzen. Siehst du dort auf dem hohen Grat, Auf schwindelnd steilem, schmalem Pfad Des Jägers Flinte blitzen?

Er sucht der Gemse flüchtige Spur, Ein einiger Fußtritt trennt ihn nur Vom Abgrund schwarz und schaurig. Da! Plötzlich steht vor ihm ein Greis, Das dünne Haar so silberweiß, Das Auge müd^ und traurig. Und auf der tiefen Bergschlucht Rand, Auf himmelhoher Felsenwand Sieht er den Alten klettern. „Was ist euch?" ruft der Jägersmann, „Ein einz-ger Schritt noch vorwärts kann Euch armen Greis zerschmettern!" Der Alte aber spricht kein Wort, Ein Schritt — ein Sturz, da ist er fort, Da liegt er tief im Grunde. Es faßt den kühnen Jägersmann Zum ersten Mal ein Grauen an In dieser ernsten Stunde.

Horch! Was vernimmt sein lauschend Ohr? Dringt eine Stimme nicht empor, Als ob der Alte riefe? Da eilt auf selbstgebahntem Pfad Der Jäger von dem hohen Grat Hinunter in die Tiefe. Nun steht Da lehnt Am Rand Wie blickt Wie matt Wie seine

er unten, und, fürwahr! der Greis im weißen Haar der Schlucht und — lebet! sein Auge trüb und bang, ist seiner Stimme Klang, Lippe bebet!

Und zitternd spricht zum Jägersmann Der Alte: „Hört mein Bitten an Und schießt mich Armen nieder! Der Abgrund bietet nimmermehr Das Grab dem müden Ahasver, Er lebt, er atmet wieder!

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Aus der Geschichte. Die Flamme hat mich nicht verzehrt! Die Woge ließ mich unversehrt! Nun habet ihr Erbarmen! Ihr seid ein guter Jägersmann, Drum frisch drauf los! Nun leget an Und treffet gut mich Armen!"

Der Jäger ladet, spannt und schießt, Der Alte wankt und sinkt, es fließt Ein roter Blutstrom nieder, Doch eh' ein Augenblick entfloh'n Erhebet sich der Arme schon, Er lebt, er atmet wieder! Er wischt däs Blut vom Kleide ab, Ergreift aufs neu den Wanderstab Und spricht mit leisem Stöhnen: „Noch kommt er nicht, der süße Tod, So geht es denen, welche Gott In seinem Sohne höhnen!"

V. Erloschen ist der Weltenbrand, Nun ist das ganze Erdenland Erstarrt in Eisesschollen. Wo Berge hoch ins Himmelsblau Emporgeragt aus grüner Au, Wo mächt'ge Ströme quollen, Wo ftoher Bögel Lied erklang Den dichtbelaubten Wald entlang, Da herrscht nun öde Leere. Wo einst die Sonne mild gelacht, Da senkt sich tiefe, dunkle Nacht Herab mit düstrer Schwere.

Und jubelnd hat zum Himmelsthor Die letzte Seele sich empor Aus Grabesnacht erhoben, Um mit der Seraphinen Heer Boll Wonne am krystall'nen Meer Den ew'gen Gott zu loben.

Und wie die Lichtgestalt entschwand, Da sinkt das öde Erdenland Ins tiefste Grabesdunkel. Nur Eisesschollen nah und fern, Die finstre Nacht durchbricht kein Stern Mit freundlichem Gefunkel. Da plötzlich tönt ein Schritt im Eis Und langsam, langsam kommt ein Greis Am langen Stab gegangen. Wie ist sein Haupt so tief gebücht, Sein Kleid zerrissen und zerstückt, So bleich die hohlen Wangen!

Wie ist sein Tritt so matt, so schwer, Nun seufzt er tief; er kann nicht mehr, Nun stockt sein Fuß im Eise. Und aus der welken Hand herab Fällt bald der morsche Wanderstab Dem lebensmüden Greise. Er sucht nach ihm, er sieht ihn nicht, Denn längst erlosch sein Augenlicht, Da sinkt er zitternd nieder Und eis'ger Frost durchschauert kalt Die welke, bebende Gestalt, Die abgezehrten Glieder.

Und leise flüstert er: „O, Tod, Wann endest du die schwere Not, Die bittern, bittern Schmerzen? O, Reue, Reue, du bist heiß, Du brennst, umstarrt vom ew'gen Eis Wie Glut in meinem Herzen!

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Aus der Geschichte. Der Heiland suchte bei mir Rast, Ich aber stieß den hohen Gast Bon meines Hauses Schwelle! Nun hat Jehovah mich verflucht, Umsonst, umsonst hab' ich gesucht Das Grab in Glut und Welle!

Der Tod erlöset nimmermehr Den lebensmüden Ahasver Bon seiner Reue Schmerzen. Und ist vorbei die Wanderzeit, So lieg' ich hier in Ewigkeit, Der Hölle Pein im Herzen. Da bricht ein lichter, gold'ner Strahl Durch Nacht und Eis mit einemmal, Und eine Stimme tönet Wie Engelsang vom Himmel her: „Du hast gebüßet, Ahasver, Du bist mit Gott versöhnet!

Schwer war und schrecklich deine Schuld, Doch Jesus Christus hat voll Huld Vergebung dir beschieden; Du hast gehöhnt des Höchsten Sohn, Doch Gnade ist der Reue Lohn, Nun gehe ein zum Frieden!" Da sinket still der Greis zurück — Noch haucht sein Mund un höchsten Glück. „O, göttliches Erbarmen!" Da fühlt er wie sein Herze bricht — Da hält umstrahlt vom Himmelslicht Der Tod ihn in den Armen! —

15

Aus der Geschichte.

5.

Sin kecker Gruß. Es brüllen die Bestien Hinterm Thor Begierig nach ihrem Raube, Es knarrt der Riegel, sie tritt hervor, Das Herz voll Mut, voll Glaube.

Und von der Arena blitzt der Entmenschter Römer hernieder „Da steht sie unten, sie schaut Klingas spottend und höhnend

Blick — zurück!" wieder!

Die junge Christin tritt schweigend vor, Kein Beben rührt ihre Glieder, Da plötzlich schaut sie lächelnd empor, Dann senkt sich ihr Auge wieder! Und von des Theaters höchsten Reihn Fällt langsam, die Blätter lose, Wohl in der Bestien Käfig hinein Eine zarte, weiße Rose.

„Hab' Dank", so flüstert des Mädchens Mund, Den strahlenden Blick erhoben, „Für diese Freude in letzter Stund, Du meine Freundin dort oben!" „Bald ist vorüber das kurze Leid, Bald sing ich jubelnde Lieder In nimmer endender Seligkeit, Dann sehn wir uns freudig wieder."

„Noch eine Bitte, o schwör' auch du Zu meinem herrlichen Glauben, Er füllt die Seele mit heil'ger Ruh, Die Menschen dir nimmer rauben!"

16

Aus der Geschichte. „Leb wohl!" nun senkt sich des Mädchens Blick, Doch leise jubelnde Lieder Haucht ihre Lippe im reinsten Glück; Die Bestien reißen sie nieder.

6.

Des MieKings Ts-esfahrt. Es brauset die Welle, es heult die See, Es strömt aus der düsteren, grauen Höh^ Der kalte, nächtliche Regen, Da fährt, vom tosenden Sturme gejagt Des Wickings Schiff durch die finstre Nacht Dem sicheren Tode entgegen.

Schon sind, noch tapfer in letzter Not, Die wackern Mannen, vom Sturme bedroht Im Wellenkampfe erlegen, Stumm lehnt der Häuptling am schwanken Mast, Und fährt, von der tobenden See umrast, Dem sicheren Tode entgegen. Doch Plötzlich murmelt des Recken Mund: „Ihr Götter, helft ihr in dieser Stund', Sagt, helft ihr auf Todeswegen?" Verschmähte Wodan sein banges Schrei'n, So fährt der letzte Wicking allein Dem sicheren Tode entgegen!

Wohl geht's zu Walhallas heiterer Pracht Nur durch die wilde, blut'ge Schlacht Auf finstern, schaurigen Wegen. Doch tief im Herzen klingt's schrecklich, bang: Walhallas Pracht ist nur leerer Klang! Du fährst dem Tode entgegen!

„Wie wird mir seltsam, wie wird mir weh Ist Ragnarökrs Graun in der Näh? Will Keiner sich helfend regen? Jst's aus mit der Äsen Stärk und Macht? Sinkt Asgard hinab in tiefe Nacht Dem Untergange entgegen?

Ist Wodans Stärke, ist Zius List Dem neuen Baldur, dem mächtigen Christ, Im Götterkampfe erlegen? Wohl haßt' ich bitter den fremden Gott Nun ist mir, als führ^ er durch den Tod, Dem herrlichen Ziel entgegen!

Ich glaub' an dich, der du größer bist, Als Wodan, als Baldur, du hehrer Christ, Ich flehe um deinen Segen!" So rief der letzte Wicking mit Macht, Drauf fährt er mutig durch Sturm und Nacht Dem Himmelslichte entgegen.

7.

Der (Niöekungenßort. Es rauschet leis der grüne Rhein In dunkler, mitternächt'ger Stund', Und silbern blickt der Mondenschein Hernieder in den Wellengrund. Was glänzt so hell, was funkelt dort, Umspült von kühler, klarer Flut? Das ist der Nibelungenhort, Der tief versenkt im Grunde ruht.

Aus der Geschichte.

18

Und wer ihn aus dem feuchten Grab Empor zur lichten Erde trug, Dem senkt sich schwer aufs Haupt herab Der Nibelungen alter Fluch.

Es ward von seiner Kinder Hand In wildem Grimme einst durchbohrt Der Erste, der im deutschen Land Aus Götterhand empfing den Hort. Jung-Siegfried hat mit kühnem Mut Das rote Gold ans Licht gebracht, Das tief im Waldesgrund geruht, Von Alberich mit List bewacht.

Doch als er es von dannen trug, Der edle, wunderstarke Held, Da hat auch ihir der alte Fluch Mit Macht ergriffen und gefällt.

Im Witwenkummer hat Krimhild Den teuren Schatz herbeigeholt. Und tausend Armen hat sie mild Das Leid gestillt mit seinem Gold. Und Wie Hat Den Bald Sich Drei Man

als der grimme Hagen sieht, Frau Krimhild das Volk beschenkt, er, von wildem Haß durchglüht, Hort im grünen Rhein versenkt. hat der alte, schwere Fluch Gunthers Hause zugewandt, tote Königssöhne trug heimwärts aus der Hunnen Land.

Allnächtlich glänzfs im Mondenschein, Wie Gold, und leise singt ein Wort Die Woge tief im grünen Rhein: „Das ist der Nibelungenhort!"

Aus der Geschichte.

8.

Deutsche Sangeskust. „Der große König Gelimer Von Belisar gefangen!" So ist es im Bandalenheer Von Mund zu Mund gegangen.

Umringt von rauher Söldner Heer Sitzt stumm in seinen Banden, Von Gram gebeugt, Herr Gelimer, Verlassen, unverstanden. Da tritt der Führer aus der Schar Der Söldner, vom Geschlechte Der Heruler, in blondem Haar, Den Mitleid tief bewegte.

Er spricht zu dem gefangnen Mann: „Mich jammert euer Leiden, Wenn ich euch Tröstung bringen kann, Sagt an, ich thu's mit Freuden!" Der König spricht: „Drei Monde schon Durft ich kein Brod erblicken, Ein winzig Stücklein könnte schon Mich Armen hoch erquicken." Und weiter seufzt der König: „Wohl Möcht einen Schwamm ich haben, Der meine kranken Augen soll Mit kühlem Wasser laben."

„Zum Dritten aber möcht ich hier Die goldne Harfe wissen, Die ein ergrimmter Römer mir Im blut'gen Kampf entrissen."

19

20

Aus der Geschichte.

„Daß ihrer Saiten trauter Klang Mit leisem Weh begleite Den neuen, traurigen Gesang Von meinem größten Leide!" Kaum hat die Augen krank und heiß Der feuchte Schwamm gekühlet, Als schon der König schmerzlich leis Die traute Harfe spielet.

Da weicht der erste, wilde Schmerz, Und freundlich mit dem Liede Zieht in des Dulders trübes Herz Ein tiefer, sanfter Friede. Wie des Bandalenkönigs Schmerz In Liedern ausgeklungen, So hat noch jedes deutsche Herz Im tiefsten Weh gesungen!

Das ist die deutsche Sangeslust, Die nimmermehr verklinget, Und die aus jeder deutschen Brust In Freud und Leide bringet. Und bricht das liederfrohe Herz, So schwebt im leisen Tone Des letzten Liedes, frei von Schmerz, Der Geist zu Gottes Throne.

9.

Severin und O-oaker. Einsam sitzt in seiner Zelle Severin der fromme Greis, Seine Augen glänzen helle, Ob auch Bart und Haare weiß.

Wie er liest im alten Bande Manches ernste Gotteswort, Ziehen über alle Lande Weithin die Gedanken fort. Und er Endlich Romas Morsch,

seufzt: „O Vater, sende einen Gideon, Herrschaft ist zu Ende, zerfressen ist der Thron.

Plötzlich horch! im stillen Thale Rossewiehern, Hörnerklang Tönet da mit einem Male Den versteckten Pfad entlang.

Und es naht dem stillen Alten Eine stolze Kriegerschar, Freie, mächtige Gestalten, Blau die Augen, blond das Haar. Und der Führer steigt vom Pferde, Noch ein Jüngling, frisch und frei, Naht mit bittender Geberde Er sich drauf der Siedelei.

„Gebt mir euren milden Segen Auf die Reise, frommer Mann," Spricht er, „daß auf allen Wegen Seiner ich mich trösten kann!" „Darf ich deinen Namen kennen," Spricht der Alte, „edler Mann, Daß ich im Gebet ihn nennen Und euch Heil erflehen kann?" „Odoaker ist mein Name," Spricht der junge Held, „ich bin Bon der Rugier edlem Stamme Und gen Roma zieh' ich hin!"

Aus der Geschichte.

22

„Ziehe hin, des Höchsten Segen Ist mit dir," so spricht der Greis, „Mit dir zieht auf allen Wegen Mein Gebet, so laut, als leis. Dank dir, Herr, ich hab' gesehen Den ersehnten Gideon, Dank dir, Gott, du hast mein Flehen Mild erhöret, heute schon.

Laß auf diesem Heldensohne Gnädig ruhen deine Hand, Deutsches Blut auf Romas' Throne, — Freue dich, du deutsches Land! Romas Ruhm, er ist zerfallen, Nimmer kehret er zurück; Deutschlands Ruhm strahlt über allen, Gott mit dir! dein ist das Glück!" Und der Jüngling reicht dem Alten Tiefbewegt die Kriegerhand, Weiter ziehn die Kraftgestalten In das ferne, stemde Land.

10.

Der

-es Heikigen